Eine handfeste Vertrauenskrise erschütterte während des Berichtsjahres die staatlichen Institutionen des Kantons Bern. Angefangen hatte die Affäre bereits im Spätsommer 1984 mit einem Bericht des kantonalen Beamten Rudolf Hafner zuhanden der Mitglieder des Grossen Rates. Darin rügte er Verfassungs- und Gesetzesverletzungen, die er in seiner Funktion als Finanzrevisor festgestellt hatte, und verlangte die Durchführung einer Disziplinaruntersuchung gegen den Regierungsrat. Da er sich in seiner Tätigkeit ausschliesslich mit der Polizeidirektion und der Direktion für Verkehr, Energie und Wasserwirtschaft zu befassen hatte, gerieten neben der rechnungsführenden Finanzdirektion diese Departemente ins Schussfeld der Kritik. Betroffen waren namentlich die Regierungsräte W. Martignoni (svp) und H. Krähenbühl (fdp) sowie einige Chefbeamte ; der Vorsteher der Direktion für Verkehr, Energie und Wasserwirtschaft, R. Bärtschi (sp), hatte hingegen sein Amt zum Zeitpunkt der inkriminierten Handlungen noch nicht angetreten gehabt. In einer eingehenden Analyse stellte die vom Grossen Rat eingesetzte Besondere Untersuchungskommission (BUK) fest, dass die Beanstandungen im wesentlichen berechtigt waren. Insbesondere nahm die BUK Anstoss an der Führung eines Kontos für Unvorhergesehenes als Sammelkonto für Buchungen, die beispielsweise nicht budgetiert worden waren, oder die in der Öffentlichkeit nicht bekannt werden sollten (finanzielle Unterstützung von Abstimmungskomitees, etc.). Als nicht mit dem Lotteriegesetz vereinbar wurden im weiteren einige Auszahlungen aus SEVA-, Zahlenlotto- und Sport-Toto-Geldern erklärt, da diese nicht den vorgeschriebenen gemeinnützigen oder wohltätigen Zwecken zugute kamen. In bezug auf die Rechtmässigkeit der jurapolitisch brisanten Überweisungen an die für den Verbleib des Südjuras beim Kanton Bern kämpfende «Force démocratique» gelangte die BUK zu keiner einheitlichen Beurteilung. Insgesamt konstatierte die BUK eine Reihe von zum Teil schwerwiegenden Amtspflichtverletzungen, sie sah jedoch mit Stichentscheid ihrer Präsidentin vom Antrag auf die Einleitung einer Disziplinaruntersuchung ab. Dazu beigetragen hatte namentlich auch der Eindruck, dass für das kritisierte Verhalten der Regierungsräte keinerlei unlautere persönliche Motive zugrunde lagen. Die These von der absoluten Uneigennützigkeit war allerdings nicht mehr unbestritten, da R. Hafner kurz vor der Debatte im Parlament der Untersuchungskommission Angaben über gewisse Grosszügigkeiten bei der Regelung der Spesenentschädigungen für Regierungsräte zukommen liess. Reagierte bisher die breite bernische Öffentlichkeit noch einigermassen gelassen auf die politisch begründeten Eigenmächtigkeiten ihrer Magistraten, schien nun die Geduld erschöpft zu sein. Noch vor dem Grossratsentscheid über die Anträge der BUK erklärten am 11. November Martignoni und Krähenbühl ihren Rücktritt auf Ende der Legislaturperiode (Frühjahr 1986). Das Parlament folgte am 14. November seiner Kommission in der Frage der Disziplinaruntersuchung mit 97 zu 87 Stimmen und lehnte es auch ab, die strafrechtliche Immunität der Regierungsmitglieder aufzuheben. Die Regierung selbst führte zu ihrer Entschuldigung insbesonders an, dass es sich bei den beanstandeten Beschlüssen zum Teil um langjährige bewährte Praxis gehandelt habe, und dass sie sich während der Jahre des Kampfs um die Integrität des Kantonsgebiets zur Wahrnehmung eines vergrösserten politischen Handlungsspielraums verpflichtet gefühlt habe.

Bericht des Finanzrevisors Rudolf Hafner