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Jahresrückblick 2021: Öffentliche Finanzen

Wie bereits im Vorjahr dominierten auch im Jahr 2021 die Covid-Ausgaben und die in den letzten zwei Jahren dadurch entstandenen Schulden die Diskussionen im Themenbereich der öffentlichen Finanzen. Das Parlament hatte für das Jahr 2021 CHF 24.65 Mrd. zur Bekämpfung der Corona-Pandemie bewilligt. Der grösste Teil der davon bisher ausgegebenen Gelder (CHF 16.6 Mrd.) fiel bei der Kurzarbeitsentschädigung (CHF 10.8 Mrd.) und beim Covid-Erwerbsersatz (CHF 2.2 Mrd.) an. Insgesamt erwartete den Bund für das Jahr 2021 gemäss Hochrechnungen ein im Vergleich zum Vorjahr leicht tieferes Finanzierungsdefizit in der Höhe von CHF 14.8 Mrd. Obwohl der Grossteil der Corona-bedingten Kredite (CHF 14.5 Mrd.) genauso wie im Vorjahr als ausserordentliche Ausgaben verbucht werden sollten, erwartete das EFD auf dem ordentlichen Konto ein Finanzierungsdefizit von CHF 1.7 Mrd., womit die Vorgaben der Schuldenbremse 2021 nicht erfüllt werden könnten.

Auch die Schulden auf dem Amortisationskonto, auf dem die ausserordentlichen Ausgaben verbucht werden, wuchsen somit im Jahr 2021 weiter an. Ende Juni schlug der Bundesrat daher im Rahmen des Finanzhaushaltsgesetzes zwei Varianten zum Schuldenabbau auf dem Amortisationskonto vor: Entweder sollten der Bundesanteil an den SNB-Zusatzausschüttungen als ausserordentliche Einnahmen verbucht oder die ordentlichen Überschüsse der letzten Jahre, die eigentlich für den Abbau der ordentlichen Schulden eingesetzt werden sollten, zur Tilgung der Covid-19-Schulden genutzt werden. Bei beiden Varianten sollten zusätzlich die zukünftigen jährlichen ordentlichen Kreditreste zum Schuldenabbau auf dem Amortisationskonto verwendet werden.

Trotz der aussergewöhnlich hohen Beträge, welche das Parlament im Rahmen der Covid-19-Pandemie in den letzten zwei Jahren gesprochen hatte, drehte sich die Medienberichterstattung zu den öffentlichen Finanzen nur selten um diese Ausgaben oder den Schuldenabbau. Vielmehr standen – wie in den Vorjahren – auch im Jahr 2021 die direkten Steuern im Mittelpunkt. Im Juni und Juli dominierte dabei das Vorhaben der OECD, unter anderem einen globalen Mindestsatz für Unternehmenssteuern in der Höhe von 15 Prozent einzuführen, um Gewinnverlagerungen zu erschweren. Die Schweiz plante, diesen Beschluss umzusetzen, stellte aber klar, dass sie die entsprechenden Regelungen nicht, wie von der OECD gefordert, bis 2023 würde einführen können. In den Medien, die sich in den Sommermonaten mit entsprechenden Berichten überschlugen – wie Abbildung 1 der APS-Zeitungsanalyse (im Anhang) zeigt –, dominierte die Besorgnis um den Verlust der Steuerattraktivität der Schweiz und Forderungen nach Unterstützungsmassnahmen für die Wirtschaft. Im Oktober 2021 kündigte das EFD an, international akzeptierte Vorschläge zur Verbesserung der Rahmenbedingungen von Unternehmen auszuarbeiten – dies nur ein Jahr, nachdem die neue Unternehmensbesteuerung in der STAF-Abstimmung angenommen worden war.

Der zweite, im Vergleich zur globalen Mindeststeuer gar noch stärker diskutierte Aspekt der öffentlichen Finanzen (vgl. Abbildung 1) war 2021 die Volksinitiative «Löhne entlasten, Kapital gerecht besteuern» der Juso, die sogenannte 99-Prozent-Initiative. Die Juso beabsichtigte mit ihrer Initiative eine im Vergleich zu Arbeitseinkommen anderthalbfache Besteuerung von Kapitaleinkommensteilen, die einen bestimmten Freibetrag übertreffen, einzuführen. Der dadurch entstehende Steuer-Mehrbetrag sollte für eine Reduktion der Besteuerung von Personen mit tiefen oder mittleren Arbeitseinkommen oder für Transferzahlungen zugunsten der sozialen Wohlfahrt eingesetzt werden. Mit 35.1 Prozent Ja-Stimmen und keinem zustimmenden Kanton wurde die Initiative im September 2021 an der Urne deutlich verworfen.

Kaum beachtet von den Medien behandelte das Parlament verschiedene offene Projekte zu Ende, unter anderem das in Erfüllung einer Motion erarbeitete Bundesgesetz über elektronische Verfahren im Steuerbereich. Mit diesem sollte eine vollständig elektronische Einreichung der Steuererklärung ermöglicht werden. Dabei entschied sich das Parlament, die letzten zwei Kantone, welche die elektronische Einreichung der Steuererklärung bisher nicht vorsehen, zur Schaffung einer solchen Möglichkeit zu zwingen. Weiterhin sollten jedoch analoge Steuererklärungen bei den direkten Steuern möglich bleiben, während die Abrechnungen der indirekten Steuern in der Verantwortung des Bundes zukünftig nur noch digital vorgenommen werden können.

Auch das «Bundesgesetz über administrative Erleichterungen und die Entlastung des Bundeshaushalts» wurde im Jahr 2021 fertig behandelt. Dieses diente dazu, den mittel- bis langfristigen Spielraum im Bundeshaushalt zu erhöhen. Während die meisten Massnahmen beide Räte ohne grosse Diskussionen passierten, wurde die Aufnahme der Analysebestimmungen bezüglich der Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs der KVF-NR zur Klärung zugewiesen. Nachdem der Nationalrat die Bearbeitungsfunktion im Verarbeitungssystem noch etwas konkretisiert hatte, um sicherzustellen, dass es sich nur um eine Übertragung, nicht um eine Ausweitung der bestehenden Berechtigungen handelt, nahmen National- und Ständerat die Bestimmung trotz deutlichem Widerstand der links-grünen Fraktionen deutlich an.

Bereinigt wurde überdies der auf einer parlamentarischen Initiative beruhende Entwurf für eine steuerliche Entlastung für familienexterne Kinderbetreuung von bis zu CHF 25'000 pro Kind und Jahr. Dabei entschied sich das Parlament trotz erneuter Vorschläge auf eine Erhöhung der Kinderabzüge oder auf eine Erhöhung des Elterntarifs dafür, die Vorlage so zu belassen, wie sie der Bundesrat bereits im Mai 2018 vorgeschlagen hatte. Das Bundesratsgeschäft, das zusätzlich eine Erhöhung der Kinderabzüge vorgesehen hatte, war im Vorjahr in der Referendumsabstimmung abgelehnt worden.

Auch neue Projekte standen im Jahr 2021 auf der parlamentarischen Traktandenliste: So legte die WAK-NR einen Entwurf in Erfüllung einer parlamentarischen Initiative vor, mit dem die Umsatzgrenze der Mehrwertsteuerpflicht für ehrenamtlich geführte, nicht gewinnstrebige Sport- und Kulturvereine und gemeinnützige Institutionen von CHF 150'000 auf neu 200'000 erhöht werden sollte. Der Bundesrat sprach sich gegen eine Erhöhung der Umsatzgrenze für die Vereine aus, das Parlament einigte sich hingegen auf eine Erhöhung von CHF 250'000, nachdem sich der Ständerat zwischenzeitlich gar für eine Erhöhung auf CHF 300'000 ausgesprochen hatte.

Noch relativ am Anfang stand die Revision des Mehrwertsteuergesetzes für eine Weiterentwicklung der Mehrwertsteuer in einer digitalisierten und globalisierten Wirtschaft, mit dem die Besteuerung von Versandhandelsplattformen geregelt, Abrechnungen für KMU vereinfacht und Massnahmen zur Steuersicherung umgesetzt werden sollten. Der Bundesrat hatte die entsprechende Vorlage im Juni 2020 in die Vernehmlassung gegeben, im September 2021 präsentierte die ESTV den dazugehörigen Ergebnisbericht.

Eingereicht wurde 2021 schliesslich auch die Eidgenössische Volksinitiative «Für eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung» (Steuergerechtigkeits-Initiative). In der Sommersession gab der Nationalrat überdies einer Motion) mit derselben Forderung deutlich Folge.

Jahresrückblick 2021: Öffentliche Finanzen
Dossier: Jahresrückblick 2021

Auch im Nationalrat stiess die in der parlamentarischen Initiative der RK-SR geforderte Aufstockung der Vollzeitstellen am Bundesstrafgericht von bisher maximal drei auf maximal vier Stellen auf keinerlei Widerstand. Die Arbeitsbelastung, aber auch Engpässe aufgrund sprachlicher Verteilungen der Fälle seien eine Tatsache. Mit vier statt drei Richterstellen könne beidem begegnet werden, führte Sibel Arslan für die RK-NR aus. Einstimmig, mit 139 zu 0 Stimmen, teilte der gesamte Nationalrat diese Begründung.
Auch die Schlussabstimmungen passierte die entsprechende Verordnung ohne Opposition; 195 Stimmen erhielt sie im Nationalrat und 44 Stimmen im Ständerat.

Anpassung der Ressourcen des Bundesstrafgerichts (Pa.Iv. 21.401)
Dossier: Anzahl Richterinnen- und Richterstellen an den eidgenössischen Gerichten

Im September 2021 forderte Philipp Kutter (mitte, ZH) eine Wirkungsüberprüfung des Steuerteils der STAF-Reform mithilfe der kantonalen Steuerdaten aus dem Jahr 2023. Dabei forderte er eine separate Übersicht über die Einnahmeentwicklung aufgrund der STAF-Reformwirkungen und aufgrund der konjunkturellen Entwicklung oder weiterer Sonderfaktoren. Anschliessend sollte der entsprechende Bericht alle drei bis fünf Jahre aktualisiert werden. Er nahm damit eine Forderung der Motion Rytz (gp, BE; Mo. 20.3892) wieder auf und erhoffte sich damit auch eine «fundierte Entscheidungsgrundlage» für die OECD-Steuerreform. Stillschweigend nahm der Nationalrat die Motion in der Wintersession 2021 an, nachdem auch der Bundesrat den Vorstoss zur Annahme empfohlen hatte.

Wirkungsüberprüfung der Steuerreform STAF

Nach den ersten Beratungen des Entwurfs der RK-SR zum Gemeinnützigkeits- und Stiftungswesen in Umsetzung einer parlamentarischen Initiative Luginbühl (bdp, BE) waren zur Differenzbereinigung in der Herbst- und Wintersession 2021 noch zwei Differenzen offen.

Bei der ersten Differenz wollte der Nationalrat neu das Beschwerderecht im Rahmen von Stiftungen gesetzlich regeln und auf Personen ausweiten, die ein «berechtigtes Kontrollinteresse» an der Arbeit des Stiftungsrates haben. Der Ständerat folgte jedoch stillschweigend seiner Kommission, lehnte diesen Punkt ab und hielt somit an der Differenz fest. Der Artikel sei zu undeutlich formuliert, weshalb man eine Beschwerdeflut und somit eine Schwächung des Stiftungsstandorts Schweiz und der Rechtssicherheit fürchte, erklärte Kommissionssprecher Beat Rieder (mitte, VS). Zudem sei die bereits bestehende Aufsicht über Stiftungen ausreichend und funktioniere gut. Doch auch der Nationalrat hielt in der Wintersession 2021 auf Anraten seiner Kommissionsmehrheit und gegen eine Minderheit Vogt (svp, ZH) an der Differenz fest: Die Formulierung eines «berechtigte[n] Kontrollinteresse[s]» werde eine Beschwerdeflut verhindern, argumentierte Kommissionssprecherin Judith Bellaïche (glp, ZH). Erfolglos blieb auch eine Minderheit Dandrès (sp, GE), die den Beschwerdeweg noch weiter öffnen und die Bedingung eines «berechtigten Interesses» streichen wollte. In der Folge stimmten beide Räte einem Kompromissvorschlag zu: So hatte eine erfolgreiche Minderheit Sommaruga (sp, GE) im Ständerat vorgeschlagen, das Beschwerderecht begrenzter zu erweitern, als es der Nationalrat ursprünglich vorgesehen hatte. Konkret sollten Spenderinnen und Spender sowie ihnen nahestehende Personen, welche der Nationalrat einschliessen wollte, vom Beschwerderecht ausgeschlossen werden. Der Ständerat folgte diesem Vorschlag mit 26 zu 17 Stimmen. Der Bundesrat, welcher sich ursprünglich gegen eine Erweiterung ausgesprochen hatte, erachtete diesen Kompromiss ebenfalls als machbare Lösung, wie Karin Keller-Sutter erläuterte. In der Folge stimmte auch der Nationalrat dieser Lösung stillschweigend zu, womit diese erste Differenz bereinigt war. Damit haben nun Begünstigte und Gläubiger einer Stiftung, sowie Stifter und Zustifter, ihnen nahestehende Personen und Stiftungsratsmitglieder ein Beschwerderecht. Dafür muss jedoch ein berechtigtes Kontrollinteresse daran, dass die Stiftung im Sinne des Stiftungszwecks handelt, nachgewiesen werden können.

Eine zweite Differenz hatte der Nationalrat bei der Frage, ob Stiftungen, die ihre Stifungsorgane entsprechend ihrer Aufgaben entlöhnen, steuerbefreit werden können, geschaffen. Die RK-SR wollte auch hier an der ablehnenden Haltung des Ständerats festhalten, da diese Forderung in der Vernehmlassung von 18 Kantonen strikt abgelehnt worden sei, wie Kommissionssprecher Rieder die Mehrheitsposition ausführte. Die Kommission befürchtete etwa, dass Stiftungsgelder so in Löhne statt in den tatsächlichen Stiftungszweck fliessen würden. Der Ständerat folgte stillschweigend seiner Rechtskommission, woraufhin aber auch der Nationalrat an seiner Version festhielt, um eine professionellere Stiftungsführung zu ermöglichen. Zudem gehe es eben um «angemessene» und nicht um «marktkonforme» Löhne, wie der Ständerat befürchtet hatte. Die Argumentation des Ständerates sei widersprüchlich, da er den zweckmässigen Einsatz der Gelder bei den Löhnen fürchte, aber gleichzeitig eine Beschwerdemöglichkeit für solche Fälle verhindern wolle, kritisierte Kommissionssprecherin Bellaïche den Schwesterrat. Nach einem weiteren Festhalten des Ständerats lenkte der Nationalrat ein und verzichtete auf diese Ergänzung, womit auch die letzte Differenz bereinigt werden konnte.

Das Geschäft war damit für die Schlussabstimmungen bereit, welche noch in der Wintersession 2021 stattfanden. Der Nationalrat nahm den Entwurf mit 141 zu 52 Stimmen an, wobei alle ablehnenden Stimmen von Mitgliedern der geschlossen stimmenden SVP-Fraktion stammten. Der Ständerat nahm die Vorlage hingegen einstimmig mit 43 Stimmen an. Damit kamen die Beratungen zur parlamentarischen Initiative Luginbühl und zu deren Umsetzung nach gut sieben Jahren zu einem Ende.

Stärkung des Schweizer Stiftungsstandorts (Pa. Iv. 14.470)

Nachdem sich der Ständerat überaus knapp für eine Prüfung der Einhaltung der Anforderungen an die Steuerbefreiung juristischer Personen wegen Gemeinnützigkeit im Rahmen einer Motion Noser (fdp, ZH) ausgesprochen hatte, regte der Vorstoss den Nationalrat in der Wintersession 2021 zu einigen Diskussionen an. Zuvor hatte sich die WAK-NR mit 14 zu 10 Stimmen (bei 1 Enthaltung) für Annahme der Motion ausgesprochen, zumal Transparenz bezüglich finanzieller Mittel wichtig sei. Man müsse «gleich lange Spiesse für die gleiche Tätigkeit» schaffen und insbesondere grössere Stiftungen regelmässig überprüfen. Eine Minderheit Bertschy (glp, BE) sah jedoch keinen Grund zu vermuten, «dass die Kantone ihrer Pflicht nicht nachkommen». Sie erachtete die Motion als Verstoss gegen den Föderalismus, als unverhältnismässig und teuer. Finanzminister Maurer ergänzte die Argumente der Minderheit um die Feststellung, dass damit «Erwartungen an die Verwaltung [geweckt würden], die nicht erfüllt werden können». Die Zahl der Stiftungen sei für eine vollständige Überprüfung zu hoch und bei einer allfälligen Stichprobenziehung würde sicherlich die Auswahl der Stichproben kritisiert, befürchtete er. Zudem könne die Verwaltung die Einstufung der Stiftungen nicht ändern, da dies ein Ermessensentscheid der Kantone sei. Mit 98 zu 84 Stimmen (bei 9 Enthaltungen) lehnte der Nationalrat die Motion ab. Unterstützt wurde sie von der FDP.Liberalen-Fraktion, von der Mehrheit der SVP-Fraktion sowie von einer knappen Minderheit der Mitte-Fraktion.

Werden die Anforderungen an die Steuerbefreiung juristischer Personen wegen Gemeinnützigkeit im Falle von politischer Tätigkeit eingehalten?

In der Wintersession 2021 behandelte der Ständerat die Motion Chiesa (svp, TI; Mo. 19.4557) für eine Korrektur der Formulierung im StHG bezüglich der Kontrollrechnung bei Besteuerung nach dem Aufwand erneut. Die WAK-SR hatte sie in der Zwischenzeit zur Ablehnung empfohlen, zumal das EFD in einer Umfrage festgestellt hatte, dass nur «drei Kantone ausserkantonale Grundstücke in die Kontrollrechnung» aufnehmen, während 16 Kantone diese lediglich satzbestimmend berücksichtigten. Ab der Steuerperiode 2022 würden nun aber alle Kantone mit Aufwandbesteuerung auf eine satzbestimmende Berücksichtigung setzen, wodurch das Anliegen der Motion in der Praxis bereits erfüllt sei. Obwohl der Motionär dennoch eine korrekte gesetzliche Formulierung forderte, sprach sich der Ständerat mit 30 zu 8 Stimmen gegen eine Annahme aus. Die zweite Motion (Mo. 19.4558) hatte Marco Chiesa bereits im Mai 2021 zurückgezogen, nachdem sie gemäss der Kommission bereits mit den Vorgaben des Rundschreibens Nr. 44 der ESTV erfüllt worden war.

Besteuerung nach dem Aufwand (Mo. 19.4557 und Mo. 19.4558)

Der Ständerat setzte sich in der Wintersession 2021 mit der Forderung von Nationalrätin Christine Bulliard-Marbach (mitte, FR) auseinander, wonach Freiwilligenarbeit im Sport durch Steuerabzüge gefördert werden soll. Kommissionssprecher Pirmin Bischof (mitte, SO) legte die Gründe dar, weshalb die WBK-SR das Geschäft zur Ablehnung empfahl. Dazu zählten die Verletzung des Prinzips der Besteuerung nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, das Entstehen erheblicher Mitnahmeeffekte und das Schaffen einer neuen rechtlichen Ungleichbehandlung für unterschiedliche Freiwilligentätigkeiten. Finanzminister Ueli Maurer sprach von einer «recht grossen Unschärfe» des Wortlauts der Motion und warf die Frage auf, wie denn die Freiwilligenarbeit in Bereichen wie der Alters- oder Behindertenbetreuung gehandhabt werden müsse. Zudem sei Freiwilligenarbeit nicht nur mit Aufwand verbunden, «es kommt auch etwas zurück» – etwa ein neuer Freundeskreis. Daher empfehle der Bundesrat den Vorstoss zur Ablehnung, auch wenn das Anliegen sympathisch erscheine. Stillschweigend folgte der Ständerat den beiden Rednern.

Freiwilligenarbeit im Sport durch Steuerabzüge fördern (Mo. 19.3806)

Einen Tag nach dem Ständerat machte sich auch der Nationalrat an die Beratung des Voranschlags der Eidgenossenschaft 2022 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2023-2025. Sarah Wyss (sp, BS) und Daniel Brélaz (gp, VD) präsentierten dem Rat das Budget aus Sicht der Mehrheit der FK-NR: Der Bundesrat habe ordentliche Ausgaben in der Höhe von 77.7 Mrd. und ausserordentliche Ausgaben von CHF 3.0 Mrd. vorgesehen. Bei ordentlichen Einnahmen von CHF 77.1 Mrd. und ausserordentlichen Einnahmen von CHF 1.5 Mrd. bleibe damit aufgrund der Schuldenbremse ein struktureller Überschuss und somit ein Handlungsspielraum von CHF 44 Mio. Die Kommissionsmehrheit plane «kleinere Adjustierungen» mit Mehrausgaben von CHF 273 Mio. Bei 12 Mehrheitsanträgen zur Schaffung von Differenzen zum Ständerat lagen der grossen Kammer in der Folge auch etwa 40 Minderheitsanträge vor, grösstenteils von der SVP- oder der SP- und der Grünen-Fraktion. Differenzen zum Erstrat schuf der Nationalrat dabei jedoch nur wenige, zeigte sich dabei aber mehrheitlich grosszügiger als der Erstrat.

In der Eintretensdebatte hoben die Fraktionssprecherinnen und -sprecher erneut die spezielle Situation aufgrund der noch immer nicht ganz überstandenen Corona-Pandemie hervor, beurteilten diese aber sehr unterschiedlich. So sprach etwa Lars Guggisberg (svp, BE) von einer «düsteren» Situation aufgrund des grossen Anstiegs der Nettoschulden, während FDP-Sprecher Alex Farinelli (fdp, TI) zwar das Defizit beklagte, aber auch den langfristigen Nutzen der entsprechenden Ausgaben hervorhob. Optimistischer zeigten sich die übrigen Kommissionssprechenden. Michel Matter (glp, GE) schätzte etwa die Situation der Schweiz als «solide» ein, Alois Gmür (mitte, SZ) zeigte sich erfreut über die insgesamt gute Situation der Schweizer Wirtschaft, verwies jedoch auch auf die noch immer stark leidenden Branchen. Ursula Schneider Schüttel (sp, FR) und Felix Wettstein (gp, SO) strichen schliesslich die im Vergleich zum Ausland «gute Schuldensituation» (Schneider Schüttel) heraus. Finanzminister Maurer bat den Rat im Hinblick auf den härter werdenden «internationale[n] Konkurrenz- und Verdrängungskampf» um Zurückhaltung bei zusätzlichen Ausgaben.

Mit den mahnenden Worten des Finanzministers in den Ohren startete der Nationalrat in die Detailberatung von Block 1 zu Beziehungen zum Ausland und zur Migration. Hier schuf er zwei Differenzen zum Ständerat: So wollte die Kommissionsmehrheit den Kredit zuhanden des SECO für Darlehen und Beteiligungen an Entwicklungsländer gegenüber dem bundesrätlichen Vorschlag um CHF 10 Mio. erhöhen und damit die Reduktion gegenüber dem Vorjahr rückgängig machen. Der Bundesrat habe bei der Sifem, der Entwicklungsfinanzierungsgesellschaft des Bundes, bereits 2020 CHF 10 Mio. zusätzlich zur Milderung der Corona-Probleme eingeschossen – diese sollen nun kompensiert werden, erklärte Minderheitensprecher Egger (svp, SG), der den Kürzungsantrag vertrat, die Differenz zum Vorjahr. Da dieser Nachtragskredit damals aber vollständig kompensiert worden sei, erachtete die Kommissionsmehrheit diese Kürzung nicht als angebracht und setzte sich im Rat mit 107 zu 74 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) durch. Ohne Minderheitsantrag erhöhte der Nationalrat zudem auf Antrag seiner Kommission den Sollwert für die Mindestanzahl Freihandelsabkommen für die Finanzplanjahre 2024 und 2025. Der Bundesrat hatte hier für die Finanzplanjahre jeweils 34 Freihandelsabkommen vorgesehen, die Kommission erhöhte diese Zahl auf 35 (2024) respektive 36 (2025).
Im Vorfeld der Budgetdebatte hatte der Vorschlag der APK-NR, dass die Schweiz eine dritte Kohäsionsmilliarde sprechen und sich damit quasi eine Beteiligung an verschiedenen Projekten, unter anderem an Horizon, erkaufen könne, für mediale Aufmerksamkeit gesorgt. Auf Antrag der APK-NR beantragte die Mehrheit der FK-NR nun dem Nationalrat, eine dritte Beteiligung der Schweiz an der Erweiterung der EU 2019-2024 in der Höhe von CHF 953.1 Mio. freizugeben, diese aber von einer bis Ende Juni 2022 unterzeichneten Assoziierungsvereinbarungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union zur Teilnahme an verschiedenen laufenden EU-Programmen abhängig zu machen. Eine Minderheit Guggisberg beantragte in Übereinstimmung mit dem Bundesrat die Streichung dieses zusätzlichen Kreditpostens. Finanzminister Maurer bat den Rat eindringlich darum, darauf zu verzichten, da man sich «mit einer solchen Aufstockung in Brüssel eher blamieren würde […]. Die Erwartungen in Brüssel sind völlig anderer Natur; sie bestehen nicht darin, dass wir hier einfach etwas bezahlen, und dann läuft alles.» Mit 93 zu 84 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) folgte der Nationalrat der Minderheit. Die (fast) geschlossen stimmenden Fraktionen der SVP und der FDP.Liberalen sowie die Mehrheit der Mitte-Fraktion setzten sich in dieser Frage durch.
Ansonsten lagen in diesem Block verschiedene Minderheitenanträge von linker und rechter Ratsseite für Aufstockungen und Kürzungen vor, die jedoch allesamt erfolglos blieben, etwa eine Aufstockung des Budgets des EDA für humanitäre Aktionen zugunsten des Engagements in Afghanistan und den umliegenden Ländern (Minderheit Friedl: sp, SG), eine Erhöhung des Kredits für zivile Konfliktbearbeitung und Menschenrechte (Minderheit Badertscher: gp, BE) und einen erneuten Beitrag von CHF 300'000 an den Access to Tools Accelerator (Minderheit Friedl) sowie auf der anderen Seite eine Reduktion der Beiträge an multilaterale Organisationen, an die Entwicklungszusammenarbeit und an die Länder des Ostens (Minderheiten Grin: svp, VD).

Im zweiten Block zu den Themen «Kultur, Bildung, Forschung und Sport» schuf der Nationalrat keine Differenzen zum Erstrat. Er folgte dem Ständerat bei seiner Aufstockung des Kredits für Sportverbände und andere Organisationen um CHF 660'000, mit der – wie in den Planungsgrössen vermerkt wurde – eine unabhängige nationale Anlauf- und Meldestelle für Misshandlungen im Schweizer Sport geschaffen werden sollte. Eine Minderheit Sollberger (svp, BL) unterlag mit ihrem Antrag auf Streichung der Aufstockung mit 112 zu 69 Stimmen (bei 4 Enthaltungen). Auch die vom Ständerat vorgenommenen Aufstockungen beim Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie hiess der Nationalrat entgegen zweier Minderheitsanträge Egger deutlich gut (129 zu 55 Stimmen bei 1 Enthaltung respektive 129 zu 56 Stimmen). Abgelehnt wurden in der Folge auch verschiedene Streichungsanträge Nicolet (svp, VD), Schilliger (fdp, LU) und Sollberger bei den Covid-19-Leistungsvereinbarungen zur Kultur, bei der Covid-19-Soforthilfe für Kulturschaffende und Kulturvereine im Laienbereich sowie bei den Covid-19-Finanzhilfen.

Verschiedene Differenzen zum Erstrat entstanden hingegen im dritten Block zur sozialen Wohlfahrt und Gesundheit. So erhöhte der Nationalrat auf Antrag der Kommissionsmehrheit die Gelder für die Familienorganisationen bei den Krediten des BSV, die Finanzhilfen unter anderem zur Elternbildung oder zur familienergänzenden Kinderbetreuung beinhalten, im Voranschlags- und den Finanzplanjahren um CHF 1 Mio. Der Bundesrat und eine Minderheit Guggisberg hatten die Ablehnung der Aufstockung beantragt, zumal für eine solche Unterstützung auch institutionelle Voraussetzungen geschaffen werden müssten. Auch den Kredit für den Kinderschutz und die Kinderrechte erhöhte die grosse Kammer um CHF 390'000, um damit die privatrechtliche Stiftung «Ombudsstelle Kinderrechte Schweiz» zu finanzieren, deren Schaffung eine angenommene Motion Noser (fdp, ZH; Mo. 19.3633) verlangt hatte. Der Bundesrat hatte sich gegen diese Aufstockung gestellt, zumal die rechtliche Grundlage für diesen Kredit noch nicht bestehe. «Wir können ja nicht Gelder einsetzen, wenn wir dafür keine legale Grundlage haben», betonte Finanzminister Maurer. Kommissionssprecher Brélaz argumentierte hingegen, man können nicht «tout contrôler pendant deux-trois ans», bevor man damit beginnt, die Gelder einzusetzen.
Abgelehnt wurden in diesem Block Anträge auf Kreditkürzungen bei der Gleichstellung von Frau und Mann, die eine Minderheit Sollberger beantragt hatte. Eine Plafonierung gegenüber dem Vorjahr hätte gemäss Sollberger «keinen Einfluss auf weniger oder mehr Gleichstellung». Ebenfalls erfolglos blieb ein Antrag Glarner (svp, AG) auf Streichung des Beitrags an ein spezifisches Projekt des Vereins Netzcourage sowie ein Minderheitsantrag Nicolet zur Änderung der Planungsgrössen zur Bundesfinanzierung der Covid-19-Tests: Diese sollte nur solange gewährt werden, wie die Covid-19-Zertifikatspflicht gilt. Auch ein Minderheitsantrag Schilliger, der die Leistungen des Erwerbsersatzes mit Verweis auf die vierte Revision des Covid-19-Gesetzes nur bis Ende Juni 2022 gewähren und die Covid-19-Situation anschliessend neu beurteilt wissen wollte, fand keine Mehrheit.

Auch im vierten Block zu Landwirtschaft, Tourismus und Steuern wich der Nationalrat in einem Punkt von den Entscheiden des Ständerates ab: Bei der Nachmeldung für ein Tourismus-Recovery-Programm von CHF 17 Mio. wollte die Kommission die Gelder zu je 50 Prozent für Marketingkampagnen von Schweiz Tourismus und für Entlastungszahlungen an touristische Partnerorganisationen verwenden. Der Bundesrat und der Ständerat hatten keine entsprechenden Einschränkungen vorgenommen, weshalb gemäss den beiden Kommissionssprechenden wie üblich zwei Drittel in die gesamtschweizerischen Marketingkampagnen fliessen würden. Jedoch sei eine Werbekampagne in Südafrika momentan – auch aus ökologischer Sicht – nicht «unbedingt gerade unser Hauptziel», betonte Kommissionssprecherin Wyss. Stillschweigend stimmte der Nationalrat diesem Antrag seiner Kommission zu.
Hingegen folgte der Nationalrat dem Ständerat in diesem Block bei der Erhöhung der Zulagen für die Milchwirtschaft und den Beihilfen für den Pflanzenbau. Eine Minderheit Munz (sp, SH) hatte beantragt, auf erstere Erhöhung zu verzichten und dem Bundesrat zu folgen. Der Bundesrat wolle die Verkehrsmilchzulage erhöhen, aber die Verkäsungszulage senken, da Letztere aufgrund von Fehlanreizen zu einer zu grossen Menge Käse von geringer Qualität führe. Die von der Kommission beantragte Erhöhung zugunsten der Verkäsungszulage würde folglich die bisherige Marktverzerrung noch zementieren. Finanzminister Maurer wies überdies darauf hin, dass man entsprechende Erhöhungen – falls nötig – lieber erst mit den Nachtragskrediten vorlegen würde, wenn man die dazugehörigen Zahlen kenne. Mit 105 zu 61 Stimmen (bei 20 Enthaltungen) sprach sich der Nationalrat jedoch für die Erhöhung aus. Die ablehnenden Stimmen stammten grösstenteils von der SP-, einer Mehrheit der GLP- und einer Minderheit der FDP.Liberalen-Fraktion, die Enthaltungen grösstenteils von der Grünen-Fraktion.
Auch in diesem Block blieben zwei Minderheitsanträge erfolglos: Eine Minderheit I Fischer (glp, LU) und eine Minderheit II Gysi (sp, SG) unterlagen mit Anträgen auf Erhöhungen bei der direkten Bundessteuer respektive bei der Mehrwertsteuer, beim Globalbudget der ESTV sowie in den Finanzplanjahren. Die zusätzlichen Mittel sollten zur Schaffung von je fünf zusätzlichen Steuerkontrollstellen und somit zur Erhöhung des Steuerertrags eingesetzt werden und sich so mittelfristig quasi selbst finanzieren.

Im fünften Block zu Verkehr, Umwelt, Energie und Raumplanung entschied sich der Nationalrat bezüglich zweier Punkte zum Bundesamt für Energie anders als der Ständerat. Letzterer hatte den Kredit für das Globalbudget des BFE sowie für das Programm EnergieSchweiz gegenüber dem bundesrätlichen Entwurf erhöht. Die Mehrheit der FK-NR beantragte nun bei beiden Kreditposten eine zusätzliche Erhöhung um CHF 2.9 respektive CHF 8.3 Mio., wobei die zusätzlichen Gelder beim Globalbudget zur Finanzierung des durch die Erhöhung beim Programm EnergieSchweiz begründeten Aufwands eingesetzt werden sollten. Damit wollte die Kommission gemäss ihrem Sprecher Brélaz in den wenigen Bereichen, in denen die Finanzierung entsprechender Projekte über das Bundesbudget läuft, nach der Ablehnung des CO2-Gesetzes erste Massnahmen zum Klimaschutz treffen. Eine Minderheit Egger sprach sich gegen die Erhöhung aus, zumal im Energiebereich zuerst die Problematik der Stromversorgungslücke gelöst werden müsse. Finanzminister Maurer wehrte sich vor allem dagegen, nach der Ablehnung des CO2-Gesetzes einzelne Punkte «quasi durch die Hintertüre einfach wieder aufs Tapet» zu bringen. Mit 115 zu 67 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) hiess der Nationalrat die Erhöhung jedoch gut, abgelehnt wurde sie von einer Mehrheit der SVP-, der Hälfte der Mitte- und einer Minderheit der FDP.Liberalen-Fraktion.
Erhöht gegenüber dem bundesrätlichen Antrag wurde auch der Kredit für das Globalbudget des ARE. Hier hatte der Ständerat zuvor entschieden, CHF 100'000 mehr für das Projekt Swiss Triple Impact, ein Förderprogramm zur Erreichung von nachhaltigen Entwicklungszielen, einzusetzen, und der Nationalrat folgte ihm mit 115 zu 69 Stimmen (bei 1 Enthaltung). Der Finanzminister hatte die Erhöhung bei einem Sach- und Betriebsaufwand des ARE von CHF 9 Mio. als unnötig erachtet. Auch bei der Aufstockung der Einlage des BIF folgte der Nationalrat seinem Schwesterrat: Hier soll der Maximalbetrag und somit zusätzlich CHF 233 Mio. eingestellt werden, um sicherzustellen, dass auch zukünftig genügend Geld für den Bahnverkehr vorhanden ist, betonte Kommissionssprecherin Wyss. Dies erachteten der Bundesrat und eine Minderheit Schilliger als nicht notwendig, da der Fonds genügend stark geäufnet sei. Mit 125 zu 59 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) folgte der Nationalrat jedoch der kleinen Kammer.
Abgelehnt wurden hingegen ein Kürzungsvorschlag einer Minderheit Egger bei den Umweltschutzmassnahmen des BAZL – Egger hatte argumentiert, die Erhöhung beruhe lediglich auf der Vermutung des BAZL, dass es zukünftig mehr Umweltschutzgesuche geben könne – sowie ein Einzelantrag Rüegger (svp, OW) zur Aufstockung des Kredits des BAFU um CHF 6 Mio., mit der nach der Ablehnung des revidierten Jagdgesetzes die durch Wölfe verursachten Schäden abgegolten und der zusätzliche Aufwand entschädigt werden sollten.

Im sechsten Block zum Themenbereichen Eigenaufwand und Schuldenbremse schlug eine Kommissionsmehrheit in Übereinstimmung mit dem Ständerat vor, verschiedene Kredite beim Bundesamt für Verkehr ausserordentlich zu verbuchen, um so die zuvor vorgenommene Erhöhung der BIF-Einlage finanzieren zu können. Anders als der Ständerat beabsichtigte die Mehrheit der FK-NR zudem, eine Nachmeldung des Bundesrates im Bereich Covid-19-Arzneimittel und -Impfleistungen in der Höhe von CHF 57 Mio. ausserordentlich zu verbuchen – da man noch zusätzliche Ausgaben beschlossen habe, könne nur so die Schuldenbremse eingehalten werden, begründete Kommissionssprecher Brélaz den Vorschlag. Eine Minderheit Schwander (svp, SZ) wehrte sich gegen diese Umbuchungen, da sie gegen die Schuldenbremse und das Finanzhaushaltsgesetz verstossen würden. Diese Meinung teilte auch der Finanzminister, ihm ging das Parlament «mit [seiner] Interpretation [des FHG] hier zu weit», auch wenn die Interpretation der Gesetze keine exakte Wissenschaft sei. Der Nationalrat stimmte den Umbuchungen jedoch mit 133 zu 50 Stimmen respektive 133 zu 49 Stimmen zu.
Eine weitere Differenz schuf der Nationalrat stillschweigend bezüglich der Planungsgrössen beim VBS: Dort soll eine neue Planungsgrösse dafür sorgen, dass die Bruttomietkosten ab 2025 um 2 Prozent gesenkt und damit gemäss Kommissionssprecherin Wyss CHF 400 Mio. jährlich «freigespielt» werden sollen.
Erfolglos blieben die Minderheitsanträge Sollberger und Strupler (svp, TG), welche die Kredite für das Bundespersonal gegenüber dem bundesrätlichen Vorschlag um CHF 1.8 Mio. (2022, Minderheit Sollberger) respektive um CHF 10.9 Mio. (2023), CHF 117 Mio. (2024) und CHF 265 Mio. (2025, alle Minderheit Strupler) reduzieren wollten. Damit hätte auf zusätzliche Stellen für die Strategie Social Media/Digitalisierung verzichtet (Sollberger) respektive «das ungebremste Personalwachstum beim Bund» gebremst werden (Strupler) sollen. Zuvor hatte bereits der Ständerat die Ausgaben im Voranschlags- und den Finanzplanjahren um CHF 21 Mio. reduziert. Mit 131 zu 52 Stimmen respektive 133 zu 50 Stimmen lehnte der Nationalrat die beiden Anträge ab, folgte damit dem Bundesrat und schuf eine weitere Differenz zum Erstrat. Erfolglos blieb auch ein Kürzungsantrag Egger beim Ressourcenpool des Generalsekretariats UVEK.

Mit der Bereinigung des Entwurfs, bei welcher der Nationalrat seiner Kommission in fast allen Punkten gefolgt war, hatte der Nationalrat den Ausgabenüberschuss von CHF 2.08 Mrd. (Bundesrat) respektive CHF 2.32 Mrd. (Ständerat) auf CHF 2.36 Mrd. erhöht – durch die Umbuchung einzelner zusätzlicher Ausgaben auf das Amortisationskonto (ausserordentliche Ausgaben Bundesrat: CHF 3.03 Mrd., Ständerat: CHF 3.25 Mrd., Nationalrat: CHF 3.30 Mrd.) konnte die Schuldenbremse jedoch eingehalten werden. Mit 130 zu 44 Stimmen (bei 7 Enthaltungen) nahm der Nationalrat den Voranschlag 2022 an. Die ablehnenden Stimmen stammten von Mitgliedern der SVP-Fraktion und von Stefania Prezioso (egsols, GE), die Enthaltungen ausschliesslich von Mitgliedern der SVP-Fraktion. Letztere sprachen sich teilweise auch gegen die übrigen Bundesbeschlüsse aus, dennoch nahm der Nationalrat den Bundesbeschluss Ib über die Planungsgrössen im Voranschlag für das Jahr 2022, den Bundesbeschluss III über die Entnahmen aus dem Bahninfrastrukturfonds für das Jahr 2022 und den Bundesbeschluss IV über die Entnahmen aus dem Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds für das Jahr 2022 jeweils deutlich an.

Voranschlag 2022 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2023-2025 (BRG 21.041)
Dossier: Bundeshaushalt 2022: Voranschlag und Staatsrechnung

Nachdem die beiden Kammern in der Sommersession 2021 einen Gegenvorschlag verworfen und die Volksinitiative «Bestimmung der Bundesrichterinnen und Bundesrichter im Losverfahren (Justiz-Initiative)» fast einstimmig zur Ablehnung empfohlen hatten, setzte der Bundesrat den Termin für die Abstimmung über das Volksbegehren auf den 28. November 2021 fest.

Das Ziel der Initiative war eine Reform des Wahlsystems der Bundesrichterinnen und Bundesrichter. Am aktuellen Vorgehen wurde kritisiert, was in der Zeitung «Republik» als «Unheilige Dreifaltigkeit» bezeichnet wurde: Parteizugehörigkeit, Mandatssteuer und Wiederwahl. In der Tat bedingt die Idee des Parteienproporz, also die Verteilung der Sitze an den höchsten eidgenössischen Gerichten entsprechend der Stärke der Parteien im Parlament, dass Kandidierende für höchste Richterämter einer Partei angehören sollten, um gewählt werden zu können. Alle Parteien fordern zudem von ihren Mandatsträgerinnen und -trägern eine Abgabe, die Mandatssteuer. In den Medien wurden zu diesem Obolus von Gerichtspersonen verschiedene Zahlen herumgereicht: Eine Befragung der CH-Medien bei den Parteien wies ein Total aller Abgaben von allen Richterinnen und Richtern aus allen Bundesgerichten zwischen CHF 30'000 bei der GLP und CHF 265'000 bei der SP aus (FDP: CHF 35'000; Grüne: CHF 100'000; Mitte: CHF 65'000; SVP: CHF 172'000). Das aktuelle Wahlsystem sieht schliesslich vor, dass Bundesrichterinnen und -richter nicht nur vom Parlament gewählt, sondern alle sechs Jahre bestätigt werden müssen. Das Initiativkomitee kritisierte, dass diese drei Elemente letztlich die Unabhängigkeit der Judikative gefährdeten, und forderte deshalb mit seinem Begehren, dass ein vom Bundesrat ernanntes Fachgremium Kandidierende nach fachlicher Eignung auswählt und dass die Bundesrichterinnen und Bundesrichter aus einem mit diesen Kandidierenden gefüllten Pool per Losverfahren gezogen werden. Die Gewählten sollen zudem keiner Amtszeitbeschränkung mehr unterliegen, sondern bis maximal fünf Jahre nach Pensionsalter in ihrem Amt verbleiben dürfen, falls sie nicht mittels eines neu einzuführenden Abberufungsverfahrens aufgrund von Fehlverhalten abgesetzt würden. Beim Losverfahren würde einzig eine sprachliche Repräsentation berücksichtigt.

Das Initiativkomitee – neben dem «Vater» der Initiative, dem Multimillionär und Unternehmer Adrian Gasser, sassen der Politikwissenschafter Nenad Stojanovic und die Mitte-Politikerin Karin Stadelmann (LU, mitte) federführend im Komitee – lancierte den Abstimmungskampf am 30. September 2021. An einer Pressekonferenz und in späteren Interviews betonten die Initiantinnen und Initianten, dass mit Annahme ihres Begehrens der Pool an geeigneten Richterinnen und Richtern vergrössert würde: Auch Parteilose könnten am Bundesgericht Einsitz nehmen und es müssten zukünftig nicht mehr zahlreiche geeignete Kandidierende hintanstehen, wenn eine Partei – wie aktuell etwa die Grünen nach ihren Wahlerfolgen 2019 – stark untervertreten sei und deshalb bei Vakanzen lediglich Kandidierende dieser Partei berücksichtigt würden. Adrian Gasser strich in mehreren Interviews das in seinen Augen grosse Problem der Parteiabhängigkeit und der Mandatssteuer hervor: «Die politischen Parteien haben sich die Macht angeeignet, diese Ämter unter sich aufzuteilen, dafür Geld zu verlangen und eine opportun erscheinende Gesinnung einzufordern [...] Vorauseilender Gehorsam ist garantiert», klagte er etwa in einem NZZ-Meinungsbeitrag. In Le Temps behauptete er, dass die fehlende Unabhängigkeit der Gerichte dazu führe, dass in 95 Prozent der Fälle Individuen vor Gericht verlieren würden, wenn sie gegen den Staat antreten müssten.

Obwohl keine einzige etablierte Partei und kein Verband das Begehren unterstützte, wollte keine Organisation die Federführung für eine Nein-Kampagne übernehmen. Ende September gründete deshalb Andrea Caroni (fdp, AR) ein «überparteiliches Nein-Komitee». Weil er wie bereits 2014 bei der sogenannten «Pädophileninitiative» den liberalen, demokratischen Rechtsstaat bedroht sehe, wolle er sich wehren, betonte der FDP-Ständerat im Sonntags-Blick. Im Komitee sassen Mitglieder aller grossen Parteien: Heidi Z’graggen (mitte, UR); Laurence Fehlmann Rielle (sp, GE), Nicolas Walder (gp, GE), Beat Flach (glp, AG) und Yves Nidegger (svp, GE). In den Medien tat sich freilich vor allem Andrea Caroni mit Stellungnahmen hervor. Mit dem Slogan «Wählen statt würfeln, Demokratie statt Lotterie» griff er vor allem das Losverfahren an, das auf Glück beruhe und deshalb nicht geeignet sei, fähige Kandidierende auszuwählen. Darüber hinaus habe sich das bestehende System, das eine repräsentative Vertretung unterschiedlicher politischer Grundhaltungen in der Judikative garantiere, bewährt. Im Verlauf der Kampagne warf Andrea Caroni den Initiantinnen und Initianten zudem auch vor, «falsch und verleumderisch» zu argumentieren.

Am 11. Oktober erörterte Karin Keller-Sutter an einer Pressekonferenz die Position des Bundesrats, der die Initiative zur Ablehnung empfahl. Das Volksbegehren sei «zu exotisch» und stelle das politische System und die demokratische Tradition der Schweiz «auf fundamentale Weise» in Frage, so die Justizministerin. Die Wahl durch das Parlament würde durch Losglück ersetzt, womit die demokratische Legitimation Schaden nehme. Das Losverfahren sei zudem ein «Fremdkörper im institutionellen Gefüge», so die Bundesrätin. Mit dem heute angewandten Parteienproporz werde hingegen gewährleistet, dass politische Grundhaltungen, aber auch das Geschlecht und die regionale Herkunft am Bundesgericht «transparent und ausgewogen» vertreten seien, war in der Medienmitteilung zu lesen. Die Praxis zeige zudem, dass die Unabhängigkeit gewährleistet sei und kein Druck von Parteien auf die Bundesrichterinnen und Bundesrichter ausgeübt werde. Noch nie in der jüngeren Geschichte sei ein Richter oder eine Richterin aus politischen Gründen abgewählt worden, so Karin Keller-Sutter, was zeige, dass der von den Initiantinnen und Initianten kritisierte Konformitätsdruck aufgrund der Angst vor einer Wiederwahl gar nicht bestehe. Es sei zudem falsch anzunehmen, dass parteilose Richterinnen und Richter nicht ebenfalls Werte vertreten würden, die allerdings nicht so transparent seien, wie bei Parteimitgliedern. Die Justizministerin nahm schliesslich auf die aktuelle Pandemie-Diskussion Bezug: Viele Stimmen kritisierten momentan demokratisch nicht legitimierte Gremien aus Expertinnen und Experten. Mit Annahme der Initiative würde mit der vorgesehenen Fachkommission aber ein weiteres solches Gremium geschaffen.

In den Medien wurde laut APS-Analyse und FöG-Abstimmungsmonitor nur selten über die Justizinitiative berichtet. Dies war einerseits dem Umstand geschuldet, dass vor allem das Referendum gegen die zweite Revision des Covid-19-Gesetzes sehr viel Platz in der medialen Berichterstattung einnahm, andererseits ist dies aber wohl auch der Komplexität des Themas zuzuschreiben. In der Tat kamen in den Printmedien neben Adrian Gasser und Andrea Caroni vor allem Expertinnen und Experten, aber auch ehemalige Richterinnen und Richter zu Wort.
Auffällig war, dass die meisten dieser Expertinnen und Experten der Initiative relativ wohlwollend gegenüberstanden. So wurden etwa Studien zitiert, die zeigten, dass eine längere Amtszeit zu mehr richterlicher Unabhängigkeit führe. Kurze Amtszeiten und vor allem die Wiederwahl könnten hingegen als Disziplinierungsmöglichkeit von Parteien erachtet werden, mit der Linientreue von Richterinnen und Richtern erzwungen werde, so etwa der Politikwissenschafter Adrian Vatter in der NZZ. Die Wiederwahl sichere Bodenhaftung der Richter und trage dazu bei, dass «sich die Justiz nicht verselbständigt» und dass Richterinnen und Richter nicht zu einer «Elite ohne Legitimation» würden, meinte hingegen Katharina Fontana, ehemalige Mitarbeiterin im BJ und NZZ-Journalistin für das Themengebiet Recht und Gesellschaft. Bemängelt wurde zudem der Umstand, dass parteilose Kandidierende aktuell keine Chance hätten, gewählt zu werden. Wenn wirklich Repräsentation das Ziel sei, dann dürften in den Gerichten nicht nur Parteimitglieder sitzen, da die grosse Mehrheit der Bevölkerung keine Parteibindung aufweise, so die Argumentation. Adrian Vatter schlug entsprechend ein Modell mit 50 Prozent Parteilosen und 50 Prozent Parteimitgliedern vor. Debattiert wurde auch über die Frage, ob Richterinnen und Richter überhaupt ideologisch neutral sein könnten oder ob Gerichte eben nicht auch genuin politische Institutionen seien. In diesem Falle wäre aber der Parteienproporz folgerichtig, so die NZZ. Auch das Losverfahren erhielt einige Aufmerksamkeit – einige Expertinnen und Experten erachteten es als geeignetes Mittel zur Auswahl von Richterinnen und Richtern. Es sei schliesslich schon von Aristoteles als «Grundlage wahrer Demokratie» betrachtet worden, warb der Ökonom Bruno S. Frey. Das Los sei über längere Frist ebenso repräsentativ wie das momentane Auswahlverfahren, funktioniere aber wesentlich unabhängiger, argumentierte die Ökonomin Margit Osterloh, die zudem betonte, dass das Losverfahren nicht einfach eine Lotterie sei, sondern dass durch das qualitative Losverfahren mit Vorselektion letztlich geeignetere Kandidatinnen und Kandidaten ausgewählt würden als von menschlichen Expertinnen und Experten, die in ihrer Wahl eben nicht frei seien von Beeinflussung. Die anfänglich wohl geringere Akzeptanz des Losverfahrens würde rasch zunehmen und das Vertrauen in die Judikative dadurch gar noch verstärkt, so die Ökonomin. In den medialen Kommentaren stand hingegen die Fachkommission, die gemäss der Justizinitiative vom Bundesrat zusammengestellt werden müsste, eher in der Kritik. Die Diskussion um eine optimale Besetzung würde sich von der Richterinnen- und Richterwahl auf die Bestellung dieser Fachkommission verschieben. Es sei nicht klar, wie diese zusammengesetzt werden solle und ob diese eben nicht auch wiederum politisch agieren würde, so der Tenor der Kritikerinnen und Kritiker. Die Weltwoche sprach gar von einer «brandgefährlichen Illusion», zu meinen, es könne ein Gremium eingesetzt werden, das «objektive Qualifikationsmerkmale» bestimmen könne. Andrea Caroni warnte vor «einer obskuren, bundesratsnahen Kommission [...], die weder Qualität noch Vielfalt noch demokratische Legitimation gewährleisten kann». Allerdings stand auch die Frage im Raum, ob die parlamentarische Gerichtskommission (GK), die momentan mit der Auswahl der Kandidierenden betraut ist, fachlich wirklich dafür geeignet sei. Ein eher pragmatisches Argument gegen die Initiative wurde schliesslich von Rechtsprofessor Lorenz Langer vorgebracht: Da sich die Initiative auf das Bundesgericht beschränke, stelle sich die Frage, woher bei Annahme der Initiative die Kandidierenden kommen sollen, da Bewerbende für einen Bundesgerichtsposten in der Regel an anderen Bundesgerichten (Bundesstrafgericht, Bundesverwaltungsgericht, Bundespatentgericht) oder an kantonalen Gerichten tätig seien, wo aber meist noch nach Parteienproporz gewählt würde. Es gäbe somit nicht mehr viele der verlangten «objektiven», also eben parteiunabhängigen Kandidierenden.

In der medialen Diskussion wurde von Seiten der Befürworterinnen und Befürworter auch immer wieder darauf hingewiesen, dass das aktuelle System – auch im internationalen Vergleich – sehr gut funktioniere. Die Geschichte zeige, dass Richterinnen und Richter unabhängig seien und sich nicht vor einer Wiederwahl fürchteten. In der Tat wurden bisher lediglich drei Bundesrichter abgewählt – zwei aus Altersgründen zu Beginn der modernen Schweiz sowie Bundesrichter Martin Schubarth 1990, der freilich sofort wiedergewählt worden war.
Diskutiert wurde zudem der «Fall Donzallaz»: Die SVP hatte «ihren Bundesrichter» nicht mehr zur Wiederwahl empfohlen, weil er in einigen Urteilen nicht mehr die Parteilinie verfolgt habe. Yves Donzallaz wurde aber in der Folge von allen anderen Fraktionen bei seiner Wiederwahl unterstützt und schliesslich gar zum Bundesgerichtspräsidenten gewählt. Dies zeige, dass sich Richterinnen und Richter nicht von den eigenen Parteien unter Druck setzen liessen. Die Aargauer Zeitung kritisierte freilich, dass sich bei Yves Donzallaz das Problem der Parteifarbe besonders gut zeige: Um Bundesrichter zu werden, habe er einen Parteiwechsel von der CVP zur SVP vorgenommen. Dies komme häufig vor, so die Zeitung: Kandidierende wechselten ihre «Parteifarbe wie Chamäleons», um ihre Wahlchancen zu steigern.
Der einzige Nationalrat, der die Initiative unterstützt hatte, kam ebenfalls in den Medien zu Wort. Lukas Reimann gab zu Protokoll, dass er die Arbeit der GK als deren Mitglied als wenig seriös erlebt habe, da die Kandidierendenauslese eher eine politische als eine fachliche Frage gewesen sei. Einmal habe die Kommission einem sehr geeigneten, aber parteilosen Kandidaten gar offen empfohlen, der GLP oder der BDP beizutreten, damit er zur Wahl eingeladen werden könne.

Für Gesprächsstoff sorgten zudem einige pensionierte Richterinnen und Richter, die den Medien Red und Antwort standen. Praktisch unisono gaben alt-Bundesstrafrichter Bernard Bertossa sowie die alt-Bundesrichter Jean Fonjallaz, Karl Hartmann, Ulrich Meyer und Hans Wiprächtiger, aber auch die Luzerner alt-Oberrichterin Marianne Heer (fdp) zu Protokoll, von ihrer Partei nie auch nur irgendeinen Druck verspürt zu haben – auch ihre Kolleginnen und Kollegen nicht. Angesprochen auf die Angst vor einer Nicht-Wiederwahl erzählte Hans Wiprächtiger, dass sich das Bundesgericht viel mehr vor schlechter Presse als vor dem Parlament fürchte. Zur Sprache kam auch die von der Greco kritisierte Mandatssteuer. Man müsse die Parteien unterstützen, damit die Demokratie in der Schweiz funktioniere, äusserte sich Jean Fonjallaz hierzu. Er habe vielmehr das Gefühl, dass die Partei mehr von ihm als Beitragszahlendem abhängig sei als er von ihr, so der alt-Bundesrichter. Von Ämterkauf könne nur die Rede sein, wenn Höchstbietende einen Posten kriegten; die Abgaben seien aber innerhalb einer Partei für alle gleich.
Eine gegenteilige Meinung vertrat einzig der Zürcher alt-Oberrichter Peter Diggelmann. Es gebe zwar keine offenen Drohungen, den Druck der Parteien spüre man aber etwa an Fraktionsausflügen oder Parteianlässen. Er selber sei zudem zu einer Mandatssteuer gezwungen worden und wäre wohl nicht mehr nominiert worden, wenn er der entsprechenden Mahnung nicht nachgekommen wäre. Im Gegensatz zu Kolleginnen und Kollegen, die momentan im Amt seien und deshalb aus Angst keine öffentliche Kritik anbrächten, sei es ihm als pensioniertem Richter und aufgrund seines Parteiaustritts möglich, Kritik zu äussern. Das Interview von Peter Diggelmann im Tages-Anzeiger blieb nicht unbeantwortet. Andrea Caroni sprach tags darauf in der gleichen Zeitung von «verleumderischen Unterstellungen». Er kenne keinen Richter und keine Richterin, die sich unter Druck gesetzt fühlten.

Beliebtes Mediensujet war auch der Kopf der Initiative, Adrian Gasser. Der Multimillionär und Chef der Lorze Gruppe, einem Firmenkonglomerat mit Sitz in Zug, habe sich seit seiner Jugendzeit für richterliche Unabhängigkeit interessiert. Als Wirtschaftsprüfer habe er einige Fälle erlebt, bei denen diese Unabhängigkeit nicht gegeben gewesen sei, sagte er in einem Interview. 1987 habe Adrian Gasser im Kanton Thurgau erfolglos für den National- und 1999 für den Ständerat kandidiert – als Parteiloser. Erst 40 Jahre nach diesen Erlebnissen könne er sich nun aber die Finanzierung einer Volksinitiative leisten. In der Tat soll Adrian Gasser laut Medien rund CHF 1 Mio für die Sammlung der Unterschriften aufgeworfen haben. «Andere haben ein Motorboot in Monaco, ich habe mir eine Initiative im Interesse der Schweiz geleistet», so Gasser bei der Einreichung seiner Initiative im St. Galler Tagblatt.

Auch für die Abstimmungskampagne schien das Initiativkomitee einiges an Geld aufgeworfen zu haben. Im Sonntags-Blick wurde vermutet, dass Adrian Gasser für die Kampagne kaum weniger aufgewendet haben dürfte als für die Unterschriftensammlung, was Andrea Caroni in derselben Zeitung zum Vorwurf verleitete, dass sich «eine Einzelperson [...] praktisch eine Initiative gekauft und die Schweiz zuplakatiert» habe. Der Gegnerschaft fehle es hingegen an spendablen Geldgebenden. Bei der APS-Inserateanalyse zeigt sich zwar in der Tat ein Ungleichgewicht zugunsten der Befürwortenden, allerdings finden sich von beiden Lagern kaum Inserate in den grössten Schweizer Printmedien.

Bei den Abstimmungsumfragen im Vorfeld des Urnengangs vom 28. November zeigte sich ein für Initiativen typisches Bild. Hätten Mitte Oktober noch 48 Prozent der Befragten Ja oder eher Ja zur Initiative gesagt, lag dieser Anteil rund zwei Wochen vor der Abstimmung noch bei 37 Prozent. Für eine inhaltlich komplexe Vorlage ebenfalls gängig war der hohe Anteil Befragter, die sich zu Beginn der Kampagne noch keine Meinung gebildet hatten (Anteil «weiss nicht» am 15.10.2021: 19%; 17.11.2021: 7%).

Wie aufgrund der Umfragewerte zu vermuten, wurde die Initiative am Abstimmungssonntag deutlich verworfen. Bei einer wohl vor allem dem gleichzeitig stattfindenden Referendum gegen das Covid-19-Gesetz, aber auch der «Pflegeinitiative» geschuldeten aussergewöhnlich hohen Stimmbeteiligung von fast 65 Prozent lehnten mehr als zwei Drittel der Stimmberechtigten eine Reform des geltenden Systems der Wahlen von Bundesrichterinnen und Bundesrichtern ab.


Abstimmung vom 28. November 2021

Volksinitiative «Bestimmung der Bundesrichterinnen und Bundesrichter im Losverfahren (Justiz-Initiative)»
Beteiligung: 64.7%
Ja: 1'382'824 Stimmen (31.9%) / 0 Stände
Nein: 2'161'272 Stimmen (68.1%) / 20 6/2 Stände

Parolen:
-Ja: Piratenpartei
-Nein: EDU, EVP, FDP, GLP (2), GPS (2), Mitte, PdA, SD, SP, SVP; SGV
-Stimmfreigabe: BastA
* in Klammern Anzahl abweichende Kantonalsektionen


Die Medien sprachen am Tag nach der Abstimmung von einer deutlichen Niederlage. Das Resultat zeige, dass die Stimmberechtigten mit dem System zufrieden seien, liessen sich die Gegnerinnen und Gegner vernehmen. «Das Volk hält den Wert der Institutionen hoch», interpretierte Justizministerin Karin Keller-Sutter das Resultat. Die Initiative habe zwar einige wunde Punkte aufgezeigt, sei aber zu extrem gewesen, um diese Probleme zu lösen, meinte Matthias Aebischer (sp, BE) in La Liberté. Die Initiantinnen und Initianten erklärten sich die Niederlage mit der zu wenig gut gelungenen Information der Bürgerinnen und Bürger über die Probleme des jetzigen Systems. Adrian Gasser machte zudem die einseitige Information durch die Bundesbehörden und die öffentlich-rechtlichen Medien, welche die Meinungsbildung beeinträchtigt habe, für das Scheitern der Initiative verantwortlich. Er kündigte zudem noch am Abend des Abstimmungssonntags einen weiteren Anlauf an. Innert zwei bis drei Jahren könne die Bevölkerung für die Fehlfunktionen im Justizsystem besser sensibilisiert werden. Er wolle deshalb bald mit der Sammlung von Unterschriften für eine identische Initiative beginnen.
Diskutiert wurden in den Medien freilich auch noch einmal die Schwachstellen des Systems, die nun angegangen werden sollten. Die Justizinitiative habe eine «Debatte rund um das Schweizer Justizsystem ausgelöst und uns zu Verbesserungen angespornt», lobte etwa Andrea Caroni im St. Galler-Tagblatt. So dürften die Diskussionen um mehr Transparenz bei den Parteienfinanzen zu einer Offenlegung der Mandatssteuern führen. Im Parlament hängig war zudem die in einer parlamentarischen Initiative von Beat Walti (fdp, ZH; Pa.Iv. 20.468) aufgeworfene Frage, ob diese Mandatssteuern nicht gänzlich abgeschafft werden sollen. Mit der Ablehnung eines Gegenvorschlags zur Justizinitiative schien hingegen die Frage einer Amtszeitverlängerung der Bundsrichterinnen und Bundesrichter vom Tisch, wie sie von der Schweizerischen Vereinigung der Richterinnen und Richtern am Tag nach der Abstimmung erneut gefordert wurde. Eine mögliche Professionalisierung der Kandidierendenauswahl bzw. die Ergänzung der GK durch eine Fachkommission, die Bewerbungen für Richterinnen- und Richterämter mitsichten soll, war ebenfalls Gegenstand einer noch hängigen parlamentarischen Initiative (Pa.Iv. 21.452).

Die VOX-Analyse fand nur schwache Muster, mit denen das Abstimmungsverhalten bei der Justizinitiative erklärt werden könnte. Personen mit einer Berufsbildung sagten etwas stärker Nein als andere Bildungskategorien. Sympathisantinnen und Sympathisanten der Grünen sagten mehrheitlich Ja – im Gegensatz zu den Anhängerinnen und Anhänger aller anderer Parteien. Hohes Vertrauen in die Judikative ging zudem eher mit einem Nein einher. Bei den Motiven für ein Ja zeigte sich der Wunsch nach Unabhängigkeit von Richterinnen und Richtern von den Parteien sowie nach einem System, das auch für Parteilose Chancen einräumt, als zentral. Ein Nein wurde hingegen laut VOX-Analyse eher mit der Skepsis gegenüber dem Losverfahren und der Meinung, dass das bisherige System gut funktioniere, begründet.

Justizinitiative (BRG 20.061)
Dossier: Unabhängigkeit der Judikative
Dossier: Justizinitiative

Im November 2021 präsentierte der Bundesrat seine Botschaft zum Bundesgesetz über die Besteuerung von Leibrenten und ähnlichen Vorsorgeformen, mit der er die abgeänderte Motion der FDP.Liberalen-Fraktion für eine Besteuerung des Ertragsanteils statt der Kapitaleinlage in der Säule 3b umsetzte. Stillschweigend schrieben Stände- und Nationalrat den Vorstoss in der Folge ab.

Neuregelung der Besteuerung der Säule 3b (Mo. 12.3814)

Im November 2021 beschloss der Bundesrat die Verabschiedung der Änderungsprotokolle der Doppelbesteuerungsabkommen mit Nordmazedonien und Japan (BRG 21.074). Beide DBAs wurden an die neuen BEPS-Mindeststandards zur Bekämpfung der ungerechtfertigen Steuervermeidung multinationaler Unternehmen angepasst und um eine Missbrauchsklausel erweitert. Das Änderungsprotokoll zum DBA mit Nordmazedonien aus dem Jahr 2000 beinhaltete zudem eine Anpassung der Bestimmung über den Informationsaustausch an den internationalen Standard zum Informationsaustausch auf Ersuchen. Das Abkommen mit Japan aus dem Jahr 1971 wurde zusätzlich um neue Bestimmungen zur Besteuerung von Zinsen und Dividenden (durch die Ausweitung der Befreiung von der Besteuerung im Quellenstaat), zur Berechnung von Unternehmensgewinnen sowie um eine aktualisierte Definition des Begriffs «internationaler Verkehr» ergänzt.

Änderung der Doppelbesteuerungsabkommen mit Nordmazedonien und Japan (BRG 21.074)
Dossier: BEPS-Übereinkommen mit der OECD
Dossier: Doppelbesteuerungsabkommen

Im November 2021 beauftragte der Bundesrat das EFD, eine Vorlage für einen einheitlichen pauschalen Steuerabzug für alle unselbständig Erwerbenden auszuarbeiten. Demnach sollen sämtliche Berufskosten (z.B. auswärtige Verpflegung, Fahrtkosten) zukünftig als Pauschale oder wie bisher als tatsächliche Kosten abgezogen werden können, Letzteres weiterhin in der Höhe von maximal CHF 3'000. Die entsprechende Pauschale soll so ausgestaltet werden, dass die Revision für den Bund möglichst aufkommensneutral ist, forderte die Regierung. Dabei stützte sie sich auf einen Bericht des EFD, folgte aber weder der Mehrheit noch der Minderheit der ad-hoc-Arbeitsgruppe, die auf einen Abzug der tatsächlichen Kosten verzichten (Mehrheit) und die Fahrtkosten separat abziehen lassen wollten (Minderheit). Unverändert blieben die kantonalen Regelungen.

Einheitlicher pauschaler Steuerabzug für alle unselbständig Erwerbenden

Im November 2021 gab der Bundesrat bekannt, das Bundesgesetz über elektronische Verfahren im Steuerbereich gestaffelt in Kraft zu setzen. Per Anfang 2022 soll der Bundesrat neu die Kompetenz erhalten, die Unternehmen zu einem elektronischen Verkehr mit der ESTV zu verpflichten. Eine Einforderung der AHV-Nummern durch die Versicherungen ist ab September 2022 möglich, so dass die Versicherungsleistungen ab Januar 2023 bei der ESTV gemeldet werden können. Zudem haben die Kantone zwei Jahre Zeit zur Umsetzung der neuen Bestimmungen im StHG, das folglich auf den 1. Januar 2024 in Kraft treten wird.

Elektronische Verfahren im Steuerbereich (BRG 20.051)

Auf ein medial stärkeres Echo als die offizielle Feier zu 50 Jahre Frauenstimm- und -wahlrecht stiess die ebenfalls zu diesem Anlass im Oktober 2021 durchgeführte Frauensession. Zum zweiten Mal seit der Einführung des Frauenstimmrechts – das erste Mal war 1991 zum 20. Jahrestag der Einführung – debattierten 200 in einer offenen Wahl gewählte Frauen zwischen 17 und 82 Jahren, mit oder ohne Schweizer Staatsbürgerschaft und in den meisten Fällen ohne bisherige politische Erfahrung, während zweier Tage über Vorstösse, die im Vorfeld von den Teilnehmerinnen in acht verschiedenen Kommissionen ausgearbeitet worden waren. Während der Frauensession gesellten sich 46 aktive und ehemalige Bundesparlamentarierinnen und Regierungsrätinnen zu den gewählten Frauen. Auch die drei aktuellen Bundesrätinnen, Viola Amherd, Karin Keller-Sutter und Simonetta Sommaruga, sowie Bundesrat Alain Berset würdigten die Frauen und deren Anliegen mit Ansprachen an der Frauensession.

Als solidarisch und inklusiv beschrieb «Le Temps» das Klima an der vom Frauendachverband Alliance f organisierten Session. Weitere Zeitungen bezeichneten die dort herrschende Stimmung auch als laut und euphorisch. Die ehemalige Nationalrätin Cécile Bühlmann, die zwischen 1991 und 2005 für die Grünen im eidgenössischen Parlament gesessen war und der Frauensession 2021 beiwohnte, drückte ihre Empfindungen zur aktuell stattfindenden Mobilisierung von Frauen, wie sie auch mit der Frauensession geschehe, gegenüber «Le Temps» gar als «la politisation des femmes la plus forte à laquelle j’assiste depuis celle de mai 1968» aus. Die Frauensession, die in den Beschluss von über 20 Petitionen ans Parlament mündete, wurde in den Medien auf der einen Seite als «umfassende Standortbestimmung», «starkes Statement» (Sonntags-Blick) oder «signal fort» (Le Temps) aufgefasst. Auf der anderen Seite sprach die NZZ von «fröhlichem Geldverteilen in Bern» und Markus Somm stellte in der Sonntagszeitung die Bedeutung der Frauensession als «Pseudosession für unsere lieben Frauen» in Frage.

Inwiefern die aus der Frauensession resultierenden Forderungen tatsächlich wegweisend für die künftige Gleichstellungspolitik in der Schweiz sein werden, wird sich zeigen müssen. Einige der vor 30 Jahren an der Frauensession 1991 geäusserten Forderungen hatten die Diskussionen um die Gleichstellungspolitik in den Folgejahren sehr wohl geprägt – zu nennen ist etwa die Einführung von Betreuungsgutschriften, die 1995 mit der 10. AHV-Revision erfüllt worden war. Unter den 1991 geäusserten Forderungen gab es jedoch solche, die auch im Jahr 2021 noch immer aktuell waren und an der zweiten Frauensession erneut gestellt wurden, so diejenige zur Erhöhung der Chancengleichheit im Erwerbsleben durch Herstellung von Lohngleichheit oder adäquate ausserfamiliäre Kinderbetreuungsstrukturen. Bisher ebenfalls noch unerfüllt waren weitere in Petitionen eingebrachte Forderungen, wie diejenigen zur Einführung der Individualbesteuerung oder einer Elternzeit, zur Verbesserung der finanziellen Situation von Bäuerinnen oder zur Einführung politischer Rechte für Personen ohne Schweizer Staatsbürgerschaft. Eine zentrale Forderung der Frauensession war insbesondere auch die verstärkte Bekämpfung der geschlechtsspezifischen Gewalt. Aber auch neue Forderungen fanden Eingang in die Petitionen. Als Beispiel genannt sei hier die Forderung nach verstärkter Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Unterschiede im Gesundheitsbereich, denen mit einem nationalen Forschungsprogramm auf den Grund gegangen werden soll.

Frauensession 2021
Dossier: Behandlung der Petitionen der Frauensession 2021 in parlamentarischen Vorstössen

Im Oktober 2021 veröffentlichte der Bundesrat den Bericht in Erfüllung des Postulats «Roadmap in Finanz- und Steuerfragen», mit dem Marco Romano (mitte, TI) eine Beurteilung der 2015 abgeschlossenen Roadmap mit Italien gefordert hatte. Im Bericht gab der Bundesrat eine Übersicht über den Fortschritt der einzelnen steuer- und finanzpolitischen Dossiers, die Bestandteil der Roadmap sind. Im Hinblick auf den Automatischen Informationsaustausch kam der Bundesrat zum Schluss, dass durch die Umsetzung des AIA-Standards der OECD kein weiterer Handlungsbedarf bestehe. Im Bereich des Informationsaustauschs auf Ersuchen sah der Bundesrat die Zielsetzungen aufgrund des Änderungsprotokolls zum DBA mit Italien als erfüllt an. Obwohl die Ziele der Roadmap bezüglich des DBA generell umgesetzt worden seien, soll eine weitere Revision nach Unterzeichnung des Grenzgängerabkommens auf bilateraler Ebene angestossen werden, gab der Bundesrat im Bericht bekannt. Mit ebenjenem Grenzgängerabkommen wurde gemäss Bericht zudem ein weiteres Dossier der Roadmap zielgerecht erfüllt. Auch die Forderung nach einer Streichung der Schweiz von Italiens schwarzen Listen wurde mehrheitlich erfüllt: Gewisse Listen wurden von Italien abgeschafft, bei zwei weiteren wurde die Schweiz neu kategorisiert und daher von der Liste entfernt. Nach jüngsten Gespräche zeichnete sich zudem ab, dass die Schweiz zeitnah auch von der schwarzen Liste der Steuerparadiese von 1999 gestrichen werden könnte. Die Situation der Besteuerung der italienischen Enklave Campion d'Italia sei auf bilateraler Ebene mit Italien geklärt worden und ein regelmässiger Austausch der Finanzdepartemente sei vorgesehen. Darüber hinaus wurde im Bericht erwähnt, dass sich die Schweiz um ein bilaterales Abkommen mit Italien für das grenzüberschreitende Geschäft ohne Zweigniederlassungserfordernis bei der Vermögensverwaltung mit Privatkunden bemühe. Zusammenfassend hielt der Bundesrat fest, dass die Roadmap zur Verbesserung der bilateralen Beziehungen geführt habe und auch weiterhin als Instrument genutzt werde, um einen konstruktiven Dialog in Steuer- und Finanzfragen zu führen.

Beurteilung der Roadmap zwischen der Schweiz und Italien von 2015

Nach dem Ständerat entschied sich in der Herbstsession 2021 auch der Nationalrat, die Motion der WAK-SR für eine «Berücksichtigung von allgemeinen Abzügen und Sozialabzügen bei im Ausland beschränkt steuerpflichtigen Personen» abzuschreiben. Hatte er sich drei Jahre zuvor mit der Forderung, der Bundesrat solle sich bei der Verhandlung zum Doppelbesteuerungsabkommen für eine Berücksichtigung der Abzüge einsetzen, noch gegen eine Abschreibung gestemmt, nahm er diese nun stillschweigend an.

Berücksichtigung von allgemeinen Abzügen und Sozialabzügen bei im Ausland beschränkt steuerpflichtigen Personen

Im August 2021 veröffentlichte die WAK-NR einen weiteren Kommissionsbericht zu ihrer parlamentarischen Initiative für eine Aufhebung der Verrechnungssteuer auf inländischen Obligationen und Geldmarktpapieren. Darin erläuterte sie die bisherigen Arbeiten, seitdem die Initiative im Jahr 2018 auch von ihrer Schwesterkommission angenommen worden war. Ziel der parlamentarischen Initiative sei es gewesen, das Anliegen einer Einführung des Zahlstellenprinzips vorwärts zu bringen, nachdem der Bundesrat sein Projekt dazu sistiert hatte, um das Ergebnis zur Volksinitiative «Ja zum Schutz der Privatsphäre» abzuwarten. Nachdem die Volksinitiative jedoch zurückgezogen worden war, hatte die Expertengruppe des Bundes im Oktober 2018 ihre Arbeit zum Vorentwurf wiederaufgenommen, woran sich auch eine Subkommission der WAK-NR mit eigenen Eckwerten beteiligt hatte. Da die Regierung im April 2021 ihre Botschaft für eine Revision des Verrechnungssteuergesetzes vorgelegt habe, könne die parlamentarische Initiative der Kommission nun abgeschrieben werden. Stillschweigend folgte der Nationalrat in der Herbstsession 2021 diesem Antrag auf Abschreibung.

Aufhebung der Verrechnungssteuer auf inländischen Obligationen und Geldmarktpapiere

Im August 2021 behandelte die SGK-SR die Motion Vitali (fdp, LU) für eine Harmonisierung von AHV- und Steuerrecht. Die Kommission stellte fest, dass das BSV die entsprechende Wegleitung in der Zwischenzeit im Sinne der Motion angepasst hatte. Neu kann also bei einer rückwirkenden Umwandlung auch der für die Steuern geltende Stichtag zur Festlegung der AHV-Beiträge der Selbständigerwerbenden herangezogen werden. Entsprechend empfahl die Kommission die Motion einstimmig zur Ablehnung, da diese bereits erfüllt sei. Stillschweigend folgte der Ständerat in der Herbstsession 2021 diesem Antrag und lehnte die Motion ab.

Harmonisierung von AHV- und Steuerrecht

Im September 2021 präsentierte der Bundesrat seinen Bericht zur «Auslegeordnung zur Individualbesteuerung», den das Parlament mit der Rückweisung seines Gesetzesentwurfs für eine ausgewogene Paar- und Familienbesteuerung verlangt hatte. Darin legte er die Auswirkungen dreier Modelle der Individualbesteuerung für verschiedene Haushaltstypen dar – der reinen Individualbesteuerung, der modifizierten Individualbesteuerung und der Individualbesteuerung nach Ecoplan, welche dieses Modell im Auftrag der Müller-Möhl Foundation und von alliance F erarbeitet hatte.
Dabei sollten sowohl eine aufkommensneutrale als auch eine Ausgestaltung mit Mindereinnahmen bei der direkten Bundessteuer von CHF 1.5 Mrd. in Betracht gezogen werden.

Bei einer aufkommensneutralen Ausgestaltung der reinen Individualbesteuerung werden die Einkommen und Vermögen unabhängig des Zivilstands einzeln erfasst, alle Personen werden zu einem identischen Steuertarif besteuert. Dadurch steigt die Belastung, je ungleicher die Einkommen bei Paaren verteilt sind. Durch eine hälftige Anrechnung der kinderbedingten Abzüge könnte zudem auch die Steuerbelastung von Ehepaaren mit Kindern ansteigen. Entlastet würden hingegen Alleinstehende ohne Kinder.
Zur Entlastung von Paaren mit ungleichen Einkommen wird bei der modifizierten Individualbesteuerung für diese Ehepaare ein Abzug oder eine pauschale Zuweisung bestimmter Einkommensbestandteile auf die Eheleute vorgesehen, wobei nur ein Steuertarif vorgesehen ist. Finanziert wird diese Entlastung über eine Erhöhung des Steuertarifs, wodurch Alleinstehende ohne Kinder stärker belastet würden als bisher. Allenfalls sind hier auch Abzüge für alleinstehende und/oder alleinerziehende Personen möglich. Hier stellt sich gemäss Bericht die Frage, ob und wie diese Regelung so zivilstandsneutral wie möglich ausgestaltet werden kann, inwiefern also Ehepaare und Konkubinatspaare gleich behandelt werden.
Haushalte mit Kindern sollen mit der Individualbesteuerung gemäss Ecoplan entlastet werden: Diese sollen weiterhin von einem Elterntarif profitieren, während Kinderlose gemäss Grundtarif besteuert würden. Im Unterschied zu den anderen beiden Modellen lägen somit zwei verschiedene Steuertarife vor. Alleinstehende ohne Kinder würden dabei stärker belastet als bisher, da auch hier der Steuertarif erhöht würde. Auch diese Besteuerungsart ist per se nicht zivilstandsunabhängig.

Werden Mindereinnahmen von CHF 1.5 Mrd. ermöglicht, «können [bei allen drei Modellen] viele Haushaltskonstellationen steuerlich entlastet werden», betont der Bundesrat. Dennoch sind insbesondere bei der reinen und der modifizierten Individualbesteuerung Mehrbelastungen für Alleinstehende mit Kindern oder für Ehepaare mit sehr ungleichmässiger Einkommensaufteilung möglich.

Neben der Erläuterung der Auswirkungen nahm der Bundesrat auch eine Würdigung der verschiedenen Modelle vor. Die reine Individualbesteuerung erachtete der Bericht als «im Widerspruch mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit», jedoch seien die Zusammenhänge in diesem Bereich so komplex, dass auch bei einer modifizierten Individualbesteuerung nicht alle «von Lehre und Rechtsprechung entwickelten Gerechtigkeitspostulate» gleichzeitig erfüllt werden könnten. Bei der Individualbesteuerung gemäss Ecoplan würden schliesslich Personen mit Kindern «im Vergleich mit kinderlosen Haushalten sehr stark entlastet», überdies würde in vielen Konstellationen der Elternteil mit tieferem Einkommen höhere Steuern bezahlen als der Elternteil mit höherem Einkommen. Schliesslich betonte der Bundesrat im Bericht, dass er von einer Umsetzung durch alle Steuerhoheiten (Bund, Kantone, Gemeinden) ausgehe, da eine alleinige Umsetzung auf Bundesebene veranlagungstechnisch kaum umsetzbar und im Hinblick auf den Steuerharmonisierungsauftrag in der Bundesverfassung auch nicht wünschenswert sei.

Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (ausgewogene Paar- und Familienbesteuerung; BRG 18.034)
Dossier: Abschaffung der Heiratsstrafe
Dossier: Reform der Ehe- und Familienbesteuerung seit 2000 – Gemeinschaftsbesteuerung oder Individualbesteuerung?
Dossier: Bestrebungen zur Einführung der Individualbesteuerung

Im Mai 2020 reichte Denis de la Reussille (pda, NE) die Motion «Millionäre besteuern, um Gemeinwesen zu finanzieren und Arbeitsplätze zu retten» ein. Die Motion war Teil verschiedener Vorstösse zur Bekämpfung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie respektive zur Reduktion des Defizits, das dem Bund durch die hohen Zusatzausgaben gegen die Pandemie entstand. Konkret sollten Vermögen über CHF 3 Mio. mit einer «Covid-19-Solidaritätssteuer» belegt werden, mit deren Ertrag die Unterstützung für «Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Familien, die Handwerksbetriebe und die Kleinunternehmen» – kurz für die «Einkommensschwachen, die Mittelschicht und die Angestellten» – hätte finanziert werden sollen. Der Bundesrat sprach sich gegen die Motion aus und lehnte allgemein eine Zusatzfinanzierung für die Corona-Massnahmen ab – er wolle diese «mit den bestehenden Einnahmequellen» finanzieren. Insbesondere sprach er sich gegen zusätzliche Steuern aus – die überdies einer Verfassungsänderung bedürften –, um die konjunkturelle Erholung nicht zu gefährden.
In der Herbstsession 2021 setzte sich der Nationalrat mit der Motion auseinander. Der Motionär verwies dabei auf die wachsende Ungleichheit der Vermögen in der Schweiz, die einen «effort de solidarité» der wohlhabendsten Bürgerinnen und Bürger im Lande nötig mache. Finanzminister Maurer erachtete die Motion als «Teil der 99-Prozent-Initiative» und kritisierte unter anderem, dass sie das jahrelang gewachsene Gefüge der Bundessteuern durcheinanderbringen würde. Mit 118 zu 65 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) lehnte der Nationalrat die Motion ab. Einstimmig sprachen sich die SP- und die Grünen-Fraktion für Annahme des Vorstosses aus.

Millionäre besteuern, um Gemeinwesen zu finanzieren und Arbeitsplätze zu retten
Dossier: Mögliche Massnahmen zur Reduktion des Covid-19-bedingten Defizits

Nach der oppositionslosen Zustimmung im Ständerat nahm auch der Nationalrat in der Herbstsession 2021 stillschweigend und diskussionslos eine Motion Zanetti (sp, SO) zur Verkürzung der Frist für steuerliche Abzüge bei energetischen Investitionen an. Gemäss dem Ansinnen der beiden Räte soll die Frist, nach der energiesparende Massnahmen bei Neubauten abgezogen werden können, verkürzt und national harmonisiert werden.

Verkürzung der Frist zur Abgrenzung von Neubauten zu bestehenden Bauten bezüglich steuerlicher Abzugsfähigkeit von Investitionen, die dem Energiesparen und dem Umweltschutz dienen (Mo. 20.4572)

Im September 2021 lehnte der Nationalrat eine Motion von Jean-Luc Addor (svp, VS; Mo. 20.3039) und ein Postulat von Jean-Pierre Grin (svp, VD; Po. 19.4375) zur Einführung eines Familienquotienten zur Beseitigung der Heiratsstrafe ab. Neu soll folglich bei der direkten Bundessteuer ein Familienquotientensystem, das auf einer Besteuerung nach Konsumeinheiten beruht, eingeführt respektive geprüft werden. Dadurch würden die «Steuerpflichtigen mit Familienlasten gleichbehandelt», unabhängig ihres Zivilstandes, jedoch in Abhängigkeit des Einkommens und der Familiengrösse, wie Addor erläuterte. Dieses Modell orientiere sich an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, sei «neutral hinsichtlich der Verteilung der Einkommen» und benachteilige das Zweiteinkommen weniger als verschiedene Alternativen. Der Bundesrat verwies auf seine Antwort auf eine Interpellation Addor (Ip. 19.3450) sowie auf die Auslegeordnung zur Ehe- und Familienbesteuerung, welche er im Rahmen des Bundesratsgeschäfts für eine ausgewogene Paar- und Familienbesteuerung bereits am Erarbeiten sei, und empfahl die Motion sowie das Postulat zur Ablehnung. Mit 133 zu 52 Stimmen (Mo. 20.3039) respektive 122 zu 61 Stimmen (bei 2 Enthaltungen; Po. 19.4375) sprach sich der Nationalrat gegen die zwei Vorstösse aus.

Familienquotient zur Beseitigung der Heiratsstrafe (Mo. 20.3039 und Mo. 19.4375)
Dossier: Abschaffung der Heiratsstrafe
Dossier: Reform der Ehe- und Familienbesteuerung seit 2000 – Gemeinschaftsbesteuerung oder Individualbesteuerung?

Im März 2021 reichte Marianne Binder-Keller (mitte, AG) zwei Postulate ein (Po. 21.3189 und Po. 21.3190), mit denen sie einen Vergleich der Gemeinschaftsbesteuerung mit Vollsplitting und der Individualbesteuerung hinsichtlich steuerlicher, bürokratischer und vollzugstechnischer Aspekte forderte. So sollte der Bundesrat etwa zu den Nachteilen der Individualbesteuerung hinsichtlich Abzügen, zur Anzahl zu verfassender Steuererklärungen, zu den Problemen für die Kantone bei Umstellung auf Bundes-, jedoch nicht auf Kantonsebene oder zur Missbrauchsgefahr durch die Streichung der Solidarhaftung der Ehegatten Bericht erstatten. Das zweite Postulat forderte Auskunft zur Stärke des Eingriffs «in die freie Wahl der Lebensformen» der zwei Besteuerungsarten, zu ihren Folgen auf die Anerkennung der Familienarbeit sowie auf die Möglichkeiten für Erwerbspausen. Der Bundesrat betonte, die Fragen der beiden Motionen im Rahmen seiner Auslegeordnung zu verschiedenen Modellen der Ehe- und Familienbesteuerung beantworten zu wollen, und empfahl das Postulat zur Annahme. Beide Vorstösse wurden von Christa Markwalder (fdp, BE) in der Sommersession 2021 bekämpft, da sie sich an der «tendenziösen Fragestellung der Postulantin» zugunsten des Vollsplittings störte. Zudem brauche es keine neuen Berichte – es gebe bereits verschiedene neuere Studien dazu –, stattdessen müsse die Individualbesteuerung endlich umgesetzt werden, wie Markwalder während der Beratung der Vorstösse in der Herbstsession 2021 darlegte. Mit 97 zu 76 Stimmen (bei 1 Enthaltung) respektive mit 103 zu 77 Stimmen (bei 1 Enthaltung) lehnte der Nationalrat beide Postulate ab. Ein ähnliches Postulat von Benedikt Würth (mitte, SG; Po. 21.3285) hatte der Ständerat in der Sommersession 2021 angenommen.

Bericht zu Gemeinschaftsbesteuerung mit Vollsplitting versus Individualbesteuerung (Po. 21.3189 und Po. 21.3190)
Dossier: Reform der Ehe- und Familienbesteuerung seit 2000 – Gemeinschaftsbesteuerung oder Individualbesteuerung?
Dossier: Bestrebungen zur Einführung der Individualbesteuerung

Der Ständerat folgte der Empfehlung seiner Kommission und gab der Standesinitiative des Kantons Genf für Unterhaltsbeiträge an erwachsene Kinder bis 25 Jahren in Ausbildung in der Herbstsession 2021 stillschweigend keine Folge. Erich Ettlin (mitte, OW) anerkannte zuvor für die Kommission zwar die Problematik, betonte aber, dass die Umsetzung der Initiative die «Ungleichbehandlung zwischen getrennt lebenden und verheirateten Paaren verstärk[en]» würde, da Letztere lediglich den allgemeinen Kinderabzug beanspruchen könnten. Stattdessen spielte er den Ball den Kantonen zu, die ja die Möglichkeit hätten, die allgemeinen Kinderabzüge zu erhöhen.

Abzug für Unterhaltsbeiträge an erwachsene Kinder (Kt.Iv. 20.321)

In der Herbstsession 2021 bereinigte das Parlament die parlamentarische Initiative von Christa Markwalder (fdp, BE) für eine Erhöhung der steuerlichen Entlastung für familienexterne Kinderbetreuung von CHF 10'100 auf CHF 25'000. Dem Ständerat lag als Zweitrat ein Antrag der Kommissionsmehrheit auf Erhöhung des Elterntarifs von CHF 251 pro Kind auf CHF 300 pro Kind vor. Der Elterntarif definiert den Betrag, den Eltern pro Kind auf den geschuldeten Betrag der direkten Bundessteuer in Abzug bringen können. Kommissionssprecher Engler (mitte, GR) begründete diesen Entscheid der Mehrheit damit, dass nun im Unterschied zur Bundesratsvorlage nicht mehr der Kinderabzug erhöht würde, sondern der Steuerbetrag – also der Abzug von den tatsächlich zu bezahlenden Steuern. Davon würden in absoluten Zahlen «alle Steuerpflichtigen in gleichem Masse profitieren», «in Relation zu ihrer steuerlichen Leistungsfähigkeit [würden sogar] gerade die einkommensschwächeren Familien» am stärksten profitieren. Dies sei zudem «eine Geste gegenüber jenen Familien [...], die sich bewusst entschieden haben, für eine gewisse Zeit selbst für die Betreuung ihrer Kinder aufzukommen». Bezüglich des Abstimmungsergebnisses vom September 2020 betonte er, dass man nicht genau wisse, wogegen sich die Mehrheit der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger genau gewehrt habe. Minderheitensprecher Levrat (sp, FR) kritisierte insbesondere den fehlenden Zusammenhang zwischen der Erhöhung des Abzugs der Drittbetreuungskosten, bei dem es um konkrete, nachzuweisende Kosten gehe, und der allgemeinen Erhöhung des Elterntarifs. Zudem widersprach er der Darstellung, dass alle Bürgerinnen und Bürger von der Erhöhung des Elterntarifs profitieren würden, zumal die Hälfte aller Personen, nämlich diejenige mit den geringsten Einkommen, nicht profitieren könnten, da sie keine Bundessteuern bezahlten. Er warf der Kommissionsmehrheit vor, die parlamentarische Initiative zu missbrauchen, um ihre familienpolitischen Ziele durchzusetzen, und warnte davor, mit der Vermischung zweier Themen den bei der Bundesratsvorlage begangenen Fehler zu wiederholen. Mit 25 zu 14 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) folgte der Ständerat seiner Kommissionsmehrheit und nahm die Erhöhung des Elterntarifs in die Vorlage auf. Mit ähnlicher Stimmenzahl (26 zu 13 Stimmen bei 1 Enthaltung) passierte die Vorlage daraufhin die Gesamtabstimmung. Die ablehnenden Stimmen stammten von Mitgliedern der SP- und der Grünen-Fraktion.

Einige Tage später startete der Nationalrat ins Differenzbereinigungsverfahren. Offen war nur noch die Frage des Elterntarifs, wobei die Kommissionsmehrheit Festhalten – also den Verzicht auf die Erhöhung des Elterntarifs – empfohlen hatte, während eine Minderheit Ritter (mitte, SG) dem Ständerat folgen wollte. Nach einer langen Diskussion zu den Fragen, wer von der Vorlage profitieren soll und was die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger mit ihrem Stimmentscheid im September 2020 hatten ausdrücken wollen, folgte die grosse Kammer ihrer Kommissionsmehrheit und entschied sich mit 112 zu 79 Stimmen gegen die Erhöhung des Elterntarifs. Hatten sich im Ständerat nur SP und Grüne gegen diese Erhöhung gewehrt, waren es nun im Nationalrat zusätzlich auch Mitglieder der FDP.Liberalen und der GLP.

Tags darauf empfahl die Mehrheit der WAK-SR dem Ständerat, diesbezüglich einzulenken und dem Nationalrat zu folgen, um «den unbestrittenen Teil der Vorlage [...] nicht länger hinauszuzögern oder gar zu gefährden». Stillschweigend folgte der Rat seiner Kommission und bereinigte damit die Vorlage im Sinne des Bundesrates. Zum Schluss wies diese nun dieselbe Form auf, welche der Bundesrat im Mai 2018 vorgeschlagen hatte: So können neu CHF 25'000 statt wie bisher CHF 10'100 für die Drittbetreuung jedes Kindes von den Steuern abgezogen werden, «soweit diese Kosten in direktem kausalem Zusammenhang mit der Erwerbstätigkeit [...] stehen». Damit sollen Erwerbsanreize für Zweitverdienende mit hohen Einkommen geschaffen und etwa 2'500 gut bezahlte Vollzeitstellen besetzt werden können, wie Finanzminister Maurer erklärt hatte. Mit 141 zu 46 Stimmen (bei 9 Enthaltungen) und 39 zu 4 Stimmen (bei 1 Enthaltung) nahmen beide Kammern die Änderung in den Schlussabstimmungen an. Die ablehnenden Stimmen stammten im Nationalrat grösstenteils von einer Mehrheit der SVP-Fraktion und einer Minderheit der SP-Fraktion und im Ständerat von Mitgliedern der SVP-Fraktion.

Steuerliche Entlastung für familienexterne Kinderbetreuung von bis zu 25 000 Franken pro Kind und Jahr (Pa. Iv. 20.455)