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Im Fall Tinner hatte sich die Bundesanwaltschaft für ein verkürztes Verfahren entschieden, das eine Vereinbarung zwischen der Anklage und des Angeklagten über die vorgeworfenen Tatbestände und das Strafmass ermöglichte. Die Bundesanwaltschaft und die Familie Tinner wurden sich einig. Der Ball liegt zurzeit beim Bundesstrafgericht, das das Vorgehen noch gutheissen muss.

Causa Tinner

2003 hatte die Bundesanwaltschaft ein Verfahren gegen den Bankier Oskar Holenweger wegen Verdachts auf Wäsche von Drogengeldern eingeleitet. 2010 hatte sie dann schliesslich Klage eingereicht. Der Fall sollte zum Verhängnis gleich für zwei Bundesanwälte werden. Der Rücktritt von Valentin Roschacher im Jahr 2006 und insbesondere die Nichtwiederwahl von Erwin Beyeler im Berichtsjahr waren unmittelbar mit dem Fall Holenweger verknüpft. Im April 2011 hatte das Bundesstrafgericht Holenweger frei gesprochen und die Anklagepunkte der Bundesanwaltschaft allesamt demontiert. Der Freispruch wurde in der Presse denn auch als Debakel für Beyeler interpretiert. Der Freispruch war Wasser auf die Mühlen der SVP, die mutmasste, dass die Abwahl Christoph Blochers aus dem Bundesrat 2007 ebenfalls mit dem Fall Holenweger zu tun gehabt haben musste. Blocher war damals vorgeworfen worden, in ein Komplott gegen den damaligen Bundesanwalt Roschacher verwickelt gewesen zu sei. Mit dem Freispruch Holenwegers erwiesen sich diese Vorwürfe jedoch als haltlos. Ende November kam auch die Geschäftsprüfungskommission des Parlaments zum Schluss, dass der ehemalige Bundesrat nicht an einem Komplott gegen den ehemaligen Bundesanwalt beteiligt gewesen war.

Justizaffäre Holenweger

Die linksradikale Zürcher Politikaktivistin Andrea Stauffacher wurde vom Bundesstrafgericht zu einer 17-monatigen unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt. Ihr wurde angelastet, zwischen 2002 und 2007 fünf Sprengstoffanschläge gegen Gebäude verübt zu haben.

Andrea Stauffacher

Gerügt wurde die Bundesanwaltschaft auch im so genannten Hells-Angels-Prozess. Im April 2004 kam es zu einer spektakulären Polizeiaktion gegen den Motorradclub, der unter Verdacht geraten war, eine kriminelle Vereinigung zu sein. Zwar wurde im Berichtsjahr ein Mitglied der Hells Angels vom Bundesstrafgericht angeklagt, aber nicht wegen des ursprünglichen Verdachts der Bundesanwaltschaft, sondern aufgrund eines Drogendeliktes. Der Bundesstrafrichter kritisierte die Bundesanwaltschaft, sie hätte viel zu lange gebraucht, um den Fall aufzuarbeiten und das Beschleunigungsgebot verletzt. Im Oktober musste der Prozess aufgrund unvollständiger Beweismittel sogar vertagt werden.

Hells-Angels-Prozess

Ende Oktober begann der Bau des Bundesstrafgerichts in Bellinzona. Es soll dort seinen definitiven Sitz erhalten und 2013 aus dem Provisorium in der Tessiner Hauptstadt umziehen. Zudem wurde im Herbst auch der Rohbau des Bundesverwaltungsgerichts in St. Gallen abgeschlossen.

Baubeginn des Bundesstrafgerichts in Bellinzona

Le Tribunal pénal fédéral a refusé d’accorder une entraide judiciaire pour élucider un détournement de fonds publics en Iran. Il a considéré que la situation des droits humains est trop compromise pour coopérer aux procédures pénales ouvertes par Téhéran.

Entraide judiciaire pour élucider un détournement de fonds publics en Iran

Der Ständerat behandelte in der Sommersession die im Vorjahr vom Bundesrat vorgeschlagene Anpassung der Bestimmungen über die Strafbehörden des Bundes an die neue schweizerische Strafprozessordnung. Er stellte sich dabei gegen die von der Regierung angestrebte Wahl und Überwachung der Bundesanwaltschaft durch den Bundesrat. Damit dieser Bundesanwalt über eine unabhängige Stellung verfügt, sollen er und seine Ersatzleute vom Parlament gewählt und von einer Fachaufsichtskommission überwacht werden. Dieses Aufsichtsgremium soll sich aus je einem Richter des Bundesgerichts und des Bundesstrafgerichts, zwei praktizierenden Anwälten und drei Fachleuten, die weder Richter noch Anwälte sind, zusammensetzen. Die Rechtskommission des Nationalrats übernahm diese Regelung. Sie scheiterte in der Wintersession im Plenum aber am Widerstand der SVP, der CVP und der BDP, welche dagegen ins Feld führten, dass durch die Parlamentswahl des Bundesanwalts diese Funktion zu sehr von der Politik abhängig werde, und dass die Rolle und Stellung des Aufsichtsgremiums unklar sei. Der Nationalrat beschloss ferner die Schaffung einer vollwertigen Rekursinstanz für Urteile des Bundesstrafgerichts. Zuständig für diese nicht bloss formale, sondern auch materielle Überprüfung soll das Bundesgericht sein.

BRG Strafbehördenorganisationsgesetz (08.066) - das Parlament will den Bundesanwalt selber wählen
Dossier: Strafbehördenorganisationsgesetz (StBOG)
Dossier: Wahlen des Bundesanwalts

En juillet, le Tribunal pénal fédéral a rejeté une ultime plainte contre le déblocage des fonds de Mobutu Sese Seko, ancien dictateur zaïrois. Malgré les multiples prolongations du Conseil fédéral permettant au gouvernement congolais d’effectuer des démarches pour obtenir leur restitution, les 7,7 millions de francs gelés suite au renversement du régime en 1997 ont été débloqués.

Déblocage des fonds de l'ancien dictateur zaïrois Mobutu Sese Seko

Die Untersuchung der GPK und einer ihrer Subkommissionen über die Hintergründe der Entlassung von Bundesanwalt Roschacher beschäftigte das Parlament weiterhin. Konkret ging es um die Aufhebung der strafrechtlichen Immunität von Parlamentsmitgliedern. Auf Antrag seiner Rechtskommission hielt der Nationalrat mit 96 zu 75 Stimmen daran fest, die Immunität des SVP-Nationalrats Brunner (SG) aufzuheben. Gemäss der Kommissionsmehrheit handelte es sich bei der Tat Brunners um einen derart schweren Fall der Verletzung der Kommissionsvertraulichkeit, dass sie nicht nur disziplinarisch, sondern auch strafrechtlich geahndet werden soll. Die kleine Kammer bestätigte aber ihren Entscheid aus dem Vorjahr, Brunners Immunität nicht aufzuheben und legte damit das Geschäft ad acta. Alt-Bundesrat Blocher (svp, ZH) und Nationalrat Mörgeli (svp, ZH) ihrerseits hatten Strafanzeige gegen die damaligen Sprecher der Subkommission der GPK, die Nationalräte Lucrezia Meier-Schatz (cvp, SG) und Glasson (fdp, FR) und Angestellte der Bundesanwaltschaft eingereicht (09.010). Die Mehrheit der Rechtskommission des Nationalrats gelangte zum Schluss, dass kein Fall von Amtsgeheimnisverletzung vorliege und die Immunität nicht aufzuheben sei. Nach einer sehr animierten Diskussion, in welcher die SVP ihre Vorwürfe wiederholte, GPK-Mitglieder hätten zusammen mit Angestellten der Bundesanwaltschaft gegen Blocher komplottiert, trat das Plenum auf das Gesuch um Immunitätsaufhebung nicht ein; nach der Abstimmung verliess die SVP-Fraktion unter Protest den Saal. Im Ständerat hatte die Mehrheit der Rechtskommission beantragt, auf das Gesuch einzutreten und die Immunität nicht aufzuheben. Der Rat selbst folgte aber einem Minderheitsantrag Marty (fdp, TI), auf das Gesuch gar nicht einzutreten, weil auch eine an einer Medienorientierung im Auftrag einer Parlamentskommission gemachte Äusserung unter die absolute Immunität fallen müsse. Die im Parlamentsgesetz in diesem Zusammenhang enthaltene Bezeichnung „in den Räten und deren Organen“ gemachte Aussagen, sei deshalb sinngemäss und nicht wortwörtlich auszulegen. Die Klagen gegen die Mitarbeiter der Bundesanwaltschaft wurden vom zuständigen Staatsanwalt nicht weiter verfolgt und eine Beschwerde Blochers gegen diesen Einstellungsentscheid vom Bundesstrafgericht abgelehnt.

Immunität des SVP-Nationalrats Brunner (SG)

Der Ständerat lehnte die im Vorjahr vom Nationalrat überwiesene Motion Baumann (svp, TG; Mo. 06.3240) für eine periodische Überprüfung der Berechtigung der Fortführung der Blockierung von Vermögenswerten im Rahmen der internationalen Rechtshilfe ab. Er anerkannte zwar das Anliegen als berechtigt, wertete es aber als überholt, da in der Zeit seit der Einreichung des Vorstosses das Bundesstrafgericht entschieden hatte, dass solche regelmässigen Überprüfungen durchgeführt werden müssen. Als unnötig beurteilte die kleine Kammer auch eine im Vorjahr vom Nationalrat überwiesene Motion seiner WAK (Mo. 06.3005), welche eine genaue Definition der rechtsstaatlichen Anforderungen an die Gesuchsstaaten bei der internationalen Rechtshilfe verlangte. Diese Bedingungen seien nach Ansicht des Ständerates sowohl in den nationalen Gesetzen als auch in den internationalen Abkommen mit genügender Präzision formuliert.

Rechtshilfe, Blockierung von Vermögenswerten (Mo. 06.3005 und 06.3240)

Der im Sommer 2006 erfolgte Rücktritt von Bundesanwalt Valentin Roschacher hatte die GPK des Nationalrats veranlasst, eine Untersuchung über die Umstände dieser Demission durchzuführen. Der am 5. September des Berichtsjahres präsentierte Bericht stellte fest, dass Bundesrat Blocher bei der Auflösung des Arbeitsverhältnisses seine Kompetenzen überschritten habe, namentlich was die Ausrichtung einer Abgangsentschädigung betreffe. Indem er sich mit einem Vertreter des Bundesstrafgerichts, das die fachliche Aufsicht über den Bundesanwalt ausübt, über die Durchführung einer Überprüfung von Roschachers Amtstätigkeit abgesprochen habe, habe er überdies die Gewaltentrennung nicht beachtet. Und drittens habe Blocher unzulässig in die Kompetenzen des Bundesanwalts eingegriffen, als er ihm in einem Fall die Durchführung einer Medienkonferenz untersagte. Viel mehr Aufsehen als diese Vorwürfe erregten aber die Äusserungen von Lucrezia Meier-Schatz (cvp, SG), Präsidentin einer von der GPK gebildeten Subkommission. Sie stellte Dokumente vor, die beweisen sollten, dass der Abgang von Roschacher von langer Hand geplant gewesen sei. Neben einem Bankier namens Oskar Holenweger, gegen den die Bundesanwaltschaft ermittelte, seien daran Journalisten und Politiker und eventuell sogar Bundesrat Blocher selbst beteiligt gewesen. Die Subkommission schloss dies aus Notizen und der Skizze eines Terminplans, welche bei Holenweger von der Polizei beschlagnahmt worden waren, und die den zeitlichen Ablauf der Untersuchungen, politischen Interventionen, Medienenartikel und Massnahmen gegen den Bundesanwalt enthielten. Gemäss Holenweger handelte es sich dabei allerdings nicht um einen im voraus erstellten Aktionsplan, sondern um private Aufzeichnungen, deren Einträge er als persönliche Gedächtnisstütze jeweils nach den Ereignissen gemacht habe.

Die SVP bezeichnete diesen GPK-Subkommissions-Bericht als „Putschversuch gegen Bundesrat Blocher“ (so lautete der Titel der dazu im Nationalrat eingereichten Interpellation; 07.3573). Die Originale der von der GPK-Subkommission als kompromittierend beurteilten Dokumente hatte sich die SVP bei Holenweger beschafft, veröffentlicht und als irrelevant bezeichnet. Die SVP integrierte ihren Protest sofort in ihre kurz vorher gestartete, auf Bundesrat Blocher zentrierte neue Inseratekampagne zu den Nationalratswahlen.

Rücktritt von Bundesanwalt Valentin Roschacher (2006)

Das Parlament hiess eine Änderung der Verordnung über die Richterlöhne oppositionslos gut (06.016). Gegen Jahresende unterbreitete der Bundesrat dem Parlament auch noch eine Verordnung über die Taggelder und Reisespesen der nebenamtlichen Bundesrichter (diese sind nicht fix besoldet) zur Genehmigung.

Taggelder der nebenamtlichen Bundesrichter (06.104)

Nach sehr kritischen Artikeln in den Medien über die Ermittlungsmethoden von Bundesanwalt Valentin Roschacher geriet dieser unter massiven Druck. Bundesrat Blocher ordnete aufgrund dieser Berichte am 5. Juni eine ausserordentliche Untersuchung an. Diese konzentriere sich auf führungstechnische, finanzielle und organisatorische Fragen, für deren Kontrolle nach geltender Ordnung das EJPD zuständig ist. Das Bundesstrafgericht als Kontrollinstanz für inhaltliche Belange leitete gleichzeitig eine fachliche Überprüfung der Arbeit der Bundesanwaltschaft ein. Diese Analysen konstatierten strukturelle und organisatorische Mängel, hingegen keine Verfehlungen der Bundesanwaltschaft und ihres Leiters. Anfang Juli erklärte Roschacher seinen Rücktritt auf Ende Jahr; die operative Führung gab er sofort ab. (Zu den Untersuchungen von Bundesrat Blocher siehe auch die Frage Vischer (gp, ZH) (06.5121) und die Interpellation Baumann (svp, TG) (06.3154)).

Rücktritt von Bundesanwalt Valentin Roschacher (2006)

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Zusammenfassung
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Dossier: Anzahl Richterinnen- und Richterstellen an den eidgenössischen Gerichten

Das Parlament ist nicht nur zuständig für die personelle Bestellung der Bundesgerichte, sondern bestimmt auch, wie viele Stellen für ordentliche oder nebenamtliche Gerichtspersonen eingerichtet werden sollen. Die Stellenzahl der verschiedenen Gerichte hat über die Jahre zugenommen. So sassen 1848 am Bundesgericht (BGer) elf von der Bundesversammlung gewählte Milizrichter (und 11 Ersatzmänner); Ende 2023 waren 16 vollamtliche Bundesrichterinnen und 24 vollamtliche Bundesrichter sowie 17 nebenamtliche Richterinnen und Richter in Lausanne tätig. Ins Bundesstrafgericht (BStGer), das 2004 seine Tätigkeit aufnahm, wählte die Vereinigte Bundesversammlung im Jahr 2003 elf Strafrichterinnen und -richter; bis 2023 hat sich diese Zahl verdoppelt (7 Frauen und 15 Männer); zusätzlich arbeiten 13 nebenamtliche Richterinnen und Richter am BStGer in Bellinzona. Auch das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) besteht seit 2004 und wurde zu Beginn mit 72 Richterinnen und Richtern bestückt; eine Zahl, die sich bis Ende 2023 nur marginal auf 73 erhöht hat (34 Frauen und 39 Männer). Im Bundespatentgericht (BPatGer) schliesslich – in Funktion seit 2012 – hat die Zahl der nebenamtlichen Richterinnen und Richtern von 36 auf 41 zugenommen. Auch Ende 2023 sind zwei hauptamtliche Richter im BPatGer tätig.
Hauptgrund für die Erhöhung der Zahl der Richterinnen und Richterstellen war in den letzten rund 20 Jahren meist derselbe, nämlich die personelle Überlastung aufgrund einer zunehmenden Anzahl Fälle. Aber auch ganz konkrete und teilweise zeitlich befristete Anforderungen an die verschiedenen Gerichte können eine vorläufige Anhebung der Zahl der Gerichtspersonen nach sich ziehen. Beispiele sind hier die zunehmende Anzahl Asylrechtsbeschwerden aufgrund wachsenden Anzahl Asylgesuche (z.B. 2009, 2017 und 2023) oder der erhöhte Personalbedarf des BVGer aufgrund der zunehmenden Zahl an Amtshilfegesuchen aus den USA bei der Aufklärung von Steuerdelikten von Kunden der UBS. Schliesslich kann auch eine repräsentativere Verteilung der Stellen entsprechend der Landessprachen bzw. das Risiko von Engpässen aufgrund einer Untervertretung einzelner Sprachen oder die Schwierigkeit, geeignete Personen zu finden, Grund für einen Ausbau der Stellen darstellen.

Übersicht
2006: Präzisierung der Zahl der Stellen am BGer (38 ordentliche, 19 nebenamtliche Stellen; Pa.Iv. 06.400)
2009: BVGer erhält eine italienischsprachige Stelle zur Bewältigung der Pendenzen im Asylbereich (Pa.Iv. 08.501)
2009: BVGer braucht mehr Personal aufgrund der Amtshilfegesuche aus den USA zur UBS (Pa.Iv. 09.475)
2011: Festlegung der Zahl der Stellen am BGer (38 voll-, 19 nebenamtliche Stellen; Pa.Iv. 11.400)
2012: Erhöhung der Stellenzahl am BStGer (Pa.Iv. 12.462)
2013: Erhöhung der Zahl Vollzeitstellen am BVGer scheitert am SR (Pa.Iv. 12.425)
2017: Vorübergehende Aufstockung Stellen am BVGer (Pa.Iv. 16.486)
2017: Wahl von drei statt zwei nebenamtlichen Bundespatentrichtern (WG 17.202)
2018: Zusätzliche Richterstelle am BVGer wegen Mehraufwand durch Nachrichtendienstgesetz (Pa.Iv. 18.422; zurückgezogen)
2021: Erhöhung der ordentlichen Vollzeitstellen am BStrGer von drei auf vier (Pa.Iv. 21.401)
2022: Erhöhung der Zahl der ordentlichen Bundesrichterinnen und Bundesrichter um zwei (Pa.Iv. 22.427)
2023: Zusätzliche nebenamtliche Stelle italienischer Sprache am BStGer (Pa.Iv. 23.431)
2023: Vollzeitstellen am BVGer vorübergehend anheben (Pa. Iv. 23.449)
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Zusammenfassung Anzahl Richterinnen- und Richterstellen an den Bundesgerichten (seit 2006)
Dossier: Anzahl Richterinnen- und Richterstellen an den eidgenössischen Gerichten

Nach der Rückweisung der bundesrätlichen Vorlage zur Schaffung eines Bundesstrafgerichts und eines Bundesverwaltungsgerichts durch den Ständerat im Vorjahr hatte dessen Rechtskommission einen Vorschlag für eine parlamentarische Gerichtskommission zur Wahlvorbereitung ausgearbeitet. Das Projekt sah vor, dass diese Kommission bei ihrer Arbeit von einem ständigen Sekretariat und einem Expertenbeirat unterstützt wird. Letzterer wirkt bei der Wahlvorbereitung für das Bundesstraf- und das Bundesverwaltungsgericht mit und kann – muss aber nicht – bei den Bundesgerichtswahlen beigezogen werden. Um den anlässlich der Rückweisung im Jahr 2001 geäusserten Ängsten vor einem zu grossen Einfluss dieser Experten Rechnung zu tragen, werden deren Empfehlungen und Evaluationen nicht veröffentlicht. Die parlamentarische Gerichtskommission selbst setzt sich aus zwölf Mitgliedern des Nationalrats und fünf des Ständerats zusammen, wobei jede Fraktion Anspruch auf mindestens einen Sitz hat. Die Oberaufsicht über die Gerichte sollen weiterhin die Geschäftsprüfungskommissionen und nicht diese neue Gerichtskommission haben. Diese Vorschläge kamen im Ständerat in der Frühjahrssession gut an. Umstritten war nur noch die Frage der parlamentarischen Oberaufsicht über die Gerichte. Mit der Auflage, dass sie ihre Arbeit neu organisieren müssen, wurde diese bei den GPK belassen. Der Nationalrat begann im Herbst mit den Beratungen. In der Frage der Vorbereitung der Richterwahlen war er weitgehend mit dem Ständeratsmodell einverstanden. Er lehnte es allerdings ab, bereits jetzt über die Schaffung einer konsultativen Expertenkommission (Beirat) zu entscheiden, da zuerst die Frage der Organisation der Oberaufsicht über die Bundesgerichte geklärt werden müsse. Nachdem der Nationalrat in der zweiten Runde einen Kompromissvorschlag der kleinen Kammer abgelehnt hatte, einen solchen Beirat wenigsten mit einer Kann-Formel zu ermöglichen, gab der Ständerat nach. Das Gesetz über das Bundesstrafgericht wurde in der Herbstsession verabschiedet; die neuen Bestimmungen über die Richterwahl in der Wintersession.

BRG Totalrevision der Bundesrechtspflege (01.023)

Zu einem grossen Schlagabtausch regionaler Interessen kam es im Ständerat bei der Frage des Standorts der beiden neuen Gerichte. Die Kommissionsmehrheit unterstützte den Vorschlag des Bundesrates (Aarau und Freiburg); eine aus Marty (fdp, TI), Dettling (fdp, SZ), Schweiger (fdp, ZG) und Slongo (cvp, NW) gebildete Minderheit war für Bellinzona und St. Gallen. (Zu dieser Minderheit gehörten bezüglich Bellinzona auch noch Stadler (cvp, UR) und bezüglich St. Gallen Bürgi (svp, TG)). Die Befürworter dieser Standorte versuchten einerseits darzulegen, dass bezüglich der vom Bundesrat angeführten sachlichen Kriterien für die Standortwahl (vor allem Distanz zu den Bevölkerungszentren und Personalrekrutierung) auch Bellinzona und St. Gallen geeignet seien. Viel stärker berücksichtigt werden müsse aber das staatspolitische Element einer Dezentralisierung der eidgenössischen Institutionen, und dieses spreche eindeutig für Gerichtssitze in der italienischsprachigen Schweiz und der Ostschweiz. Mit jeweils 26:15 Stimmen beschloss der Ständerat, das Bundesstrafgericht in Bellinzona und das Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen anzusiedeln. Im Nationalrat empfahl die Kommission ebenfalls, allerdings mit nur knapper Mehrheit, die Standorte Aarau und Freiburg. Nachdem sich nahezu alle Abgeordnete aus den betroffenen vier Kantonen für ihre Region eingesetzt hatten, beschloss der Rat mit 123:61 Stimmen, Bellinzona den Vorzug vor Aarau zu geben. Knapper war der Entscheid beim wesentlich personalreicheren Bundesverwaltungsgericht. Nachdem Freiburg und St. Gallen je 92 Stimmen auf sich vereinigt hatten, gab die Ratspräsidentin Maury-Pasquier (sp, GE) den Ausschlag für Freiburg. Da aber der Ständerat auf seinem Entscheid für St. Gallen beharrte, gab die grosse Kammer mit 95:84 Stimmen nach. Der Ständerat verabschiedete anschliessend eine Empfehlung Lombardi (cvp, TI) (02.3377), welche den Bundesrat auffordert, die Bundesverwaltung zu dezentralisieren und dabei vor allem Freiburg und Aarau zu berücksichtigen.

BRG Totalrevision der Bundesrechtspflege (01.023)

Der Ständerat befasste sich als Erstrat in der Wintersession mit dem Geschäft. Da die vorberatende Kommission mit dem Antrag, dass der Bundesrat die neuen Richter wählen soll, überhaupt nicht einverstanden war, hatte sie einen Alternativvorschlag in Form eines eigenständigen Gesetzes ausgearbeitet. Wahlbehörde für die neuen Gerichte sollte gleich wie beim Bundesgericht die Vereinigte Bundesversammlung sein. Um ihr die Arbeit zu erleichtern, sollte jedoch eine von der Bundesversammlung gewählte Justizkommission, welche sich aus hoch qualifizierten Fachleuten zusammensetzt, geschaffen werden. Diese hätte zuhanden der parlamentarischen Richterwahlkommission die Ausschreibungen für vakante Stellen durchzuführen, die Bewerbungsdossiers zu studieren und Wahlvorschläge zu machen. Zudem würde sie das Parlament bei der Oberaufsicht über die Bundesgerichte unterstützen. Der Bundesrat war mit diesem Vorschlag einverstanden, da eine Wahlvorbereitung durch eine ausserparlamentarische Expertenkommission Gewähr für eine sorgfältige Kandidatenauswahl biete. Bekämpft wurde der Antrag jedoch von Carlo Schmid (cvp, AI), der in seinem Rückweisungsantrag vorschlug, auf diese Justizkommission zu verzichten. Unbestritten sei zwar, dass die Bundesversammlung Wahl- und Aufsichtsorgan auch für die neuen Gerichte sein soll. Um eine sorgfältige Auswahl der Richter durch die Bundesversammlung zu gewährleisten, sollte aber gemäss Schmid nicht eine Fachkommission gebildet, sondern die parlamentarische Richterwahlkommission mit einem ständigen Sekretariat versehen werden. Seine Kritik an der Schaffung einer Justizkommission begründete Schmid vor allem damit, dass dieses Gremium, wegen seiner fachlich prominenten Zusammensetzung und seiner hohen Legitimation infolge seiner Wahl durch die Bundesversammlung, in der Praxis nicht Hilfsorgan, sondern eine mächtige eigenständige Institution sein würde. Schmids Kritik konnte sich mit 22:18 Stimmen durchsetzen, und die vorberatende Kommission wurde beauftragt, eine Vorlage zur Stärkung der Richterwahlkommission auszuarbeiten. Bei der Beratung der Schaffung des Bundesstrafgerichts hielt sich der Ständerat weitgehend an die Regierungsanträge (mit Ausnahme der oben dargestellten Frage des Wahl- und Oberaufsichtsorgans). Die Beratungen zum Bundesverwaltungsgericht wurden noch nicht aufgenommen.

Im Herbst lieferte der Bundesrat in einer Zusatzbotschaft auch noch seinen Standortentscheid für die neuen Gerichte mit ihren rund 70 resp. 260 Arbeitsplätzen nach. Er beantragte, das Bundesstrafgericht in Aarau und das Bundesverwaltungsgericht in Freiburg anzusiedeln. Für Aarau sprach wegen der erforderlichen häufigen Kontakte zur Bundsanwaltschaft in Bern die zentrale Verkehrslage; für Freiburg die Tatsache, dass ein Teil des Personals der bisher in Bern und Lausanne angesiedelten Rekurskommissionen übernommen wird und zudem die Rekrutierung der gut 50 französischsprachigen Juristen und Juristinnen hier einfacher sein wird als an einem Standort in der Deutschschweiz. Ursprünglich waren 21 mögliche Standorte in acht Kantonen (AG, BE, BL, FR, LU, SG, SO und TG) evaluiert worden. In die engere Auswahl gelangten dann die Städte Aarau, Freiburg, Olten, St. Gallen und Solothurn (Zur Nichtberücksichtigung des Kantons Solothurn siehe auch die Antwort auf eine Frage Rudolf Steiner (fdp, SO) (01.5139)). Die von Tessiner Parlamentariern verlangte Ansiedelung eines der beiden Gerichte im Tessin erachtete der Bundesrat als nicht sachgemäss, da zu viele Kriterien nicht erfüllt seien. Negativ seien vor allem die zu periphere Lage sowohl für die meisten Prozessbeteiligten als auch für die Personalrekrutierung sowie die grosse Distanz zu juristischen Universitätsfakultäten. Insbesondere das Argument der dezentralen Lage wurde auch gegen den von vielen Ostschweizer Politikern mit Nachdruck geforderten Standort St. Gallen vorgebracht. Der Ständerat hat sich in seinen Beratungen in der Wintersession noch nicht zur Standortfrage geäussert.

BRG Totalrevision der Bundesrechtspflege (01.023)

Im Rahmen der Umsetzung der Justizreform legte der Bundesrat Ende Februar seinen Entwurf für die Totalrevision der Bundesrechtspflege vor. Damit sollen insbesondere die gesetzlichen Grundlagen für die Einrichtung eines Bundesstrafgerichts und eines Bundesverwaltungsgerichts geschaffen werden. Diese hätten als neue erste Instanzen bei Delikten zu dienen, die unter die Bundesgerichtsbarkeit fallen, und würden damit dem Bundesgericht eine merkliche Entlastung bringen. Mit dem Bundesverwaltungsgericht könnten zudem die mehr als zwanzig bestehenden Rekurskommissionen des Bundes und die Beschwerdedienste der Departemente aufgehoben werden. Als Wahlbehörde für die Ernennung der an den beiden neuen Gerichten tätigen Richter schlug der Bundesrat sich selbst vor. Er begründete dies mit dem Argument, dass das Parlament mit dieser Aufgabe angesichts der grossen Anzahl der an die beiden neuen Instanzen zu wählenden Richter (10 bis 35 beim Bundesstraf- und 50-70 beim Bundesverwaltungsgericht) überfordert wäre. Als weitere Massnahme zur Entlastung des Bundesgerichts schlug die Regierung die Erhöhung der Streitwertgrenze bei vermögensrechtlichen Auseinandersetzungen in Zivilsachen von CHF 8'000 auf 40'000 vor. Als organisatorische Neuerung soll ferner das Versicherungsgericht in Luzern in das Bundesgericht in Lausanne integriert werden, wobei der Standort Luzern erhalten bleibt. Diese organisatorische Zusammenfassung wurde sowohl vom Bundesgericht als auch vom Versicherungsgericht als sachlich nicht opportun und unter dem Gesichtspunkt der Effizienzsteigerung unergiebig abgelehnt. Formell besteht die Vorlage aus drei neuen Gesetzen (Bundesgerichtsgesetz, Strafgerichtsgesetz und Verwaltungsgerichtsgesetz), wobei das Bundesgerichtsgesetz das bisherige Gesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege ersetzt. (Zur Volksabstimmung über die Justizreform im Rahmen der Revision der Bundesverfassung siehe hier.)

BRG Totalrevision der Bundesrechtspflege (01.023)

Der föderalistische Charakter des Justizsystems, welches dem Bund nur bei wenigen Delikten (im wesentlichen Drogenhandel, Geldfälschung und Sprengstoffanschläge) eigene Ermittlungsbefugnisse zugesteht, erweist sich oft als Hindernis für eine wirksame Bekämpfung des organisierten Verbrechens. Bundesrat Koller gab deshalb im Frühjahr eine Teilrevision des Strafgesetzbuchs in die Vernehmlassung, welche der Bundesanwaltschaft bei kantons- oder grenzübergreifenden sowie bei komplizierten Fällen mehr Kompetenzen bei der Ermittlung einräumen möchte. Dieser Vorschlag wurde mehrheitlich als zu wenig weit gehend beurteilt. Unbestritten war die Kompetenz der Bundesbehörden, namentlich in den Bereichen der Geldwäscherei und des organisierten Verbrechens Voruntersuchungen durchzuführen. Als ineffizient und zu kompliziert wurde hingegen kritisiert, dass danach die gerichtliche Untersuchung wieder an die Kantone delegiert würde, und nicht die Bundesanwaltschaft die Anklage vor den Gerichten vertreten kann. Die Konferenz der Strafverfolgungsbehörden der Schweiz schlug vor, die Bundesanwaltschaft zu einer Untersuchungsbehörde für bedeutende und grenzüberschreitende Verbrechen auszubauen und sie als Anklägerin vor einem neuzuschaffenden erstinstanzlichen Bundesstrafgericht antreten zu lassen. Als längerfristige Lösung wurde diese Idee auch von der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren unterstützt. Kurzfristig möchten diese, dass die Bundesanwaltschaft in aussergewöhnlichen Fällen subsidiäre Ermittlungskompetenz erhält und vor den kantonalen Gerichten als Anklägerin auftreten darf.

Massnahmen zur Verbesserung der Effizienz und der Rechtsstaatlichkeit in der Strafverfolgung

Vor dem Bundesstrafgericht in Lausanne fand der Prozess gegen den ehemaligen Leiter des Bélier, Daniel Pape, sowie zwei weitere Ex-Mitglieder dieser Organisation statt, die 1993 wegen Besitz von Sprengstoff resp. Anschlägen verhaftet worden waren. Das Urteil von 2 (für Pape) resp. 15 und 18 Monate bedingt wurde von der Presse als milde bezeichnet und in einen Zusammenhang mit der Entspannung der politischen Situation im Berner Jura gebracht.

Verhaftung und Prozess Daniel Pape (Chef des Bélier)
Dossier: Jurakonflikt: Anschläge und Terrorismus

Le procès des trois membres du Front de libération jurassien (FLJ) a eu lieu du 14 au 18 mars devant la Cour pénale fédérale à Lausanne. Les témoins et les avocats des accusés se sont attachés à démontrer le caractère politique des attentats commis, alors que le ministère public se refusait à entamer le procès de la question jurassienne. Dans son jugement, considéré par beaucoup d'observateurs comme un acte d'apaisement, la Cour a condamné les principaux accusés à huit et sept ans de réclusion. Mais, pendant les cinq premiers mois de l'année; un autre groupe s'est livré à des attentats criminels dans le Jura. Ses membres ont été arrêtés au début de juin et incarcérés. La tension résultant de cette pression terroriste devait rebondir en octobre, lorsque le principal prévenu, Jean-Baptiste Hennin, s'évada et parvint à se réfugier en France où il demanda l'asile politique. Une demande d'extradition a été présentée au Gouvernement français. A la fin de l'année, le tribunal chargé de statuer n'avait pas encore pris de décision sur le caractère politique ou non des attentats commis, déterminant pour refuser ou accorder l'extradition. Quoique le Rassemblement jurassien (RJ) s'interdise la violence pour parvenir à ses buts, il a pris les terroristes sous sa protection et saisi les occasions données par le procès du FLJ et par l'évasion de Hennin pour proclamer ses revendications en Suisse et à Paris.

Marcel Boillat und Jean-Baptiste Hennin
Dossier: Jurakonflikt: Anschläge und Terrorismus