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Beim Bundesgesetz über den Schutz gewaltbetroffener Personen waren zu Beginn der Wintersession 2018 noch zwei Differenzen ausstehend. Die Möglichkeit, dass die Gerichtskosten der unterliegenden Partei auferlegt werden können, wurde sowohl von der RK-SR als auch vom Ständerat begrüsst. Die vom Nationalrat ergänzte Übergangsbestimmung jedoch, die eine Evaluation des Gesetzes nach vier Jahren vorsieht, strich der Ständerat wieder mit der Begründung, sie sei ineffektiv und überflüssig. Bundesrätin Simonetta Sommaruga betonte hier zuhanden des Protokolls, dass der Bundesrat zu gegebener Zeit eine Evaluation der neuen Regelungen plane, vier Jahre dafür allerdings eine zu kurze Zeitspanne seien.
Die Mehrheit der RK-NR beantragte ihrem Rat daraufhin, dem Ständerat zu folgen und auf die zusätzliche Übergangsbestimmung zu verzichten. Die Wirksamkeitsüberprüfung von Gesetzesänderungen sei eine grundsätzliche Aufgabe der Regierung und des Parlaments; Letzteres könne eine Evaluation jederzeit anstossen, wenn der Bundesrat nicht von sich aus tätig werde. Zudem schreibe die Übergangsbestimmung vor, dass die Ergebnisse der Evaluation vier Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes vorliegen müssten; in einem solch kurzen Zeitraum sei eine seriöse Datengrundlage aber noch gar nicht verfügbar. Justizministerin Sommaruga versicherte auch im Nationalrat, dass es eine Evaluation geben werde. Eine Minderheit wollte an der Evaluation nach vier Jahren festhalten, blieb im Nationalrat letztlich jedoch chancenlos. Mit 122 zu 64 Stimmen hiess die grosse Kammer das Bundesgesetz über den Schutz gewaltbetroffener Personen ohne die umstrittene Übergangsbestimmung gut. In der Schlussabstimmung sprach sich der Nationalrat schliesslich mit 195 zu 2 Stimmen für das Gesetz aus; der Ständerat nahm es einstimmig an.

Bundesgesetz über den Schutz gewaltbetroffener Personen (BRG 17.062)
Dossier: Verbesserung des Schutzes für Stalking-Opfer

Der Bericht «Modernisierung des Familienrechts» in Erfüllung eines Postulats Fehr (sp, ZH; Po. 12.3607) sowie mehrere Bundesgerichtsentscheide aus jüngerer Vergangenheit wiesen darauf hin, dass das schweizerische Abstammungsrecht nicht mehr zeitgemäss sei. Zu diesem Schluss kam die RK-SR und reichte im August 2018 ein Postulat ein, das den Bundesrat auffordert, einen Bericht über den Reformbedarf im Abstammungsrecht zu erstellen und allenfalls Empfehlungen für eine kohärente Gesetzesrevision darzulegen. Das geltende fortpflanzungsmedizinische Verbot der Ei- und Embryonenspende sowie der Leihmutterschaft soll dabei nicht infrage gestellt, die Tatsache, dass in der Schweiz verbotene Reproduktionsmethoden zunehmend im Ausland in Anspruch genommen werden, aber auch nicht ausser Acht gelassen werden. Der Bundesrat unterstützte das Anliegen. Bundesrätin Simonetta Sommaruga sagte vor dem Ständeratsplenum im Dezember 2018, die Schweiz täte gut daran, sich dieser Fragen anzunehmen, wie es Frankreich und Deutschland bereits getan hätten. Der Ständerat überwies das Postulat stillschweigend an den Bundesrat.

Überprüfung des Abstammungsrechts (Po. 18.3714)

Nationalrat Luzi Stamm (svp, AG) reichte im Juni 2017 eine parlamentarische Initiative ein, in der er forderte, dass Anwältinnen und Anwälte zur Geltendmachung ihrer Ansprüche auf dem Rechtsweg vom Berufsgeheimnis befreit werden. Wenn Anwältinnen oder Anwälte wegen Meinungsverschiedenheiten mit Klienten eine Klage einreichen wollen, muss vorgängig von den kantonalen Aufsichtsbehörden verfügt werden, dass sie vom Berufsgeheimnis entbunden werden. Dies führe zu erheblichen Verzögerungen und Kosten, so die Begründung des Initianten. Stattdessen sollen Rechtsanwälte bei solchen Prozessen automatisch vom Berufsgeheimnis entbunden werden und dafür die Verhandlungen bei heiklen Fragen unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführt werden können. Die RK-NR befand, dass die Initiative das Anwaltsgeheimnis – einen zentralen Pfeiler der anwaltschaftlichen Tätigkeiten – aushöhlen würde und deshalb nicht zu unterstützen sei. Mit 14 zu 8 Stimmen bei 3 Enthaltungen entschied sie, ihr keine Folge zu geben. Der Nationalrat folgte der Kommissionsmehrheit und stimmte mit 111 zu 78 gegen die Vorlage, womit das Geschäft erledigt ist. Neben der SVP- hatte auch rund die Hälfte der FDP-Fraktion der Initiative Folge geben wollen.

Keine Ausnahmeregelung für Forderungen von Anwälten (Pa.Iv. 17.463)

Si, pour le Conseil fédéral, le projet d'accord-cadre avec l'UE est en grande partie favorable à la Suisse et conforme au mandat de négociation, il juge également prématuré de procéder à sa signature, et ce notamment en raison de questions relatives aux mesures d'accompagnement ou à la directive sur le droit des citoyens de l'UE qui demeurent sans réponse. L'exécutif national a donc annoncé, au début du mois de décembre 2018, son intention de soumettre le texte de l’accord institutionnel à consultation auprès d'acteurs politiques et économiques. Dans le contexte de la libre circulation des personnes, le Conseil fédéral estime en effet insuffisants les trois types de mesures d'accompagnement garantis par le texte de l'accord – délai d’annonce préalable fixé à quatre jours ouvrables dans les secteurs à risques, dépôt d’une garantie financière proportionnée pour les prestataires de service n’ayant pas respecté leurs obligations financières et demande de documents aux prestataires de services indépendants également basée sur les risques. Autre point de litige, la Suisse souhaite que l'accord mentionne de façon explicite l'exception à la reprise de la directive relative au droit des citoyens, alors que l'UE penche pour la reprise de ladite directive à l'échelle helvétique. Dans son communiqué de presse, la Direction des affaires européennes (DAE) précise que le champ d'application de l'accord négocié concerne les cinq accords d'accès au marché relatifs à la libre circulation des personnes, aux transports terrestres, au transport aérien, aux obstacles techniques au commerce (ARM) et à l’agriculture, ainsi que les futurs accords d’accès au marché, à l'exemple de l’accord sur l’électricité en discussion. Sous réserve de certaines exceptions, une reprise automatique du droit européen n'est pas envisagée. Tout développement du droit de l'UE fera ainsi «l’objet d’une décision indépendante de la Suisse dans le plein respect de ses procédures législatives». En ce qui concerne le règlement des différends, le texte soumis à consultation ne prévoit aucunement la mise en place d'une institution supranationale, mais envisage plutôt «un mécanisme de règlement des différends basé sur un tribunal arbitral paritaire».
«Berne joue la montre avec l'Union européenne», titre la Tribune de Genève au lendemain de l'annonce du Conseil fédéral, se demandant si la consultation en question ne s'apparente pas à un «exercice alibi», tant et si bien qu'en l'état, l'accord constitutionnel négocié avec l'UE ne recueille les faveurs ni du PS, ni de l'UDC. Selon le quotidien genevois, la décision du Conseil fédéral présente toutefois des points positifs: les nouvelles conseillères fédérales Karin Keller-Sutter et Viola Amherd prendront notamment part au verdict final, et si votation il devait y avoir, celle-ci se tiendrait après les élections fédérales d'automne 2019. La presse helvétique s'interroge également sur la réaction du voisin européen et des éventuelles représailles, à l'exemple de l'équivalence boursière que la Suisse pourrait ne pas obtenir. «Nous ne sommes pas sous pression!», a rétorqué le ministre des Finances Ueli Maurer en conférence de presse. Néanmoins, le Conseil fédéral a une fois de plus fait savoir que la Suisse remplit intégralement les conditions exigées pour la reconnaissance de l’équivalence boursière suisse selon MIFIR 23, tout en appelant à une avancée dans ce sens de la part de l'Union européenne.

Le Conseil fédéral décide de lancer des consultations sur le texte de l’accord institutionnel
Dossier: Institutionelles Rahmenabkommen

Nachdem die Revision des zwölften Kapitels des IPRG zur internationalen Schiedsgerichtsbarkeit in der Vernehmlassung ein sehr positives Echo erzeugt hatte, verabschiedete der Bundesrat im Oktober 2018 die entsprechende Botschaft. Durch die Stärkung der Parteiautonomie (d.h. der Möglichkeit für die Parteien, in internationalen Privatrechtsangelegenheiten das anwendbare Recht selbst zu wählen) und der Verbesserung der Anwenderfreundlichkeit des Gesetzes, bei gleichzeitiger Bewahrung seiner Prägnanz und Flexibilität, soll die Modernisierung sicherstellen, dass die Schweiz auch in Zukunft zu den gefragtesten Standorten für internationale Schiedsgerichte gehören kann.

Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht. 12. Kapitel: Internationale Schiedsgerichtsbarkeit (BRG 18.076)
Dossier: IPRG-Revision: Internationale Schiedsgerichtsbarkeit

Diskussionslos nahm der Nationalrat in der Herbstsession 2018 eine Motion Flach (glp, AG) für ein Sanierungsverfahren für Privatpersonen an. Der Bundesrat soll dazu verschiedene Varianten prüfen und anschliessend einen Gesetzesentwurf vorlegen. In seinem Bericht vom März 2018 in Erfüllung eines Postulats Hêche (sp, JU) war der Bundesrat zum Schluss gekommen, dass diesbezüglich Handlungsbedarf bestehe. Ein Entschuldungsverfahren für Privatpersonen könne den Schuldnern eine Perspektive eröffnen und Fehlanreize beseitigen, wovon auch die Gläubiger und die Gesellschaft als Ganzes profitierten, zitierte der Motionär den Bericht in der Begründung seines Vorstosses. Der Bundesrat hatte sich bereits im Bericht dazu bereit erklärt, auf Aufforderung des Parlaments hier tätig zu werden, weshalb er auch die Motion zur Annahme beantragt hatte.

Sanierungsverfahren für Privatpersonen. Bessere Zukunftsperspektiven für Schuldner und Gläubiger (Mo. 18.3683)

Nach Abschluss des Ehevorbereitungsverfahrens besteht im geltenden Recht noch eine Wartefrist von zehn Tagen, bevor die Ehe geschlossen werden kann. Seit der Abschaffung des Vekündverfahrens erfüllt diese Frist jedoch keinen Zweck mehr. In der Herbstsession 2018 stimmte auch der Nationalrat mit 129 zu 43 Stimmen bei einer Enthaltung der Abschaffung dieser Mitwirkungsfrist zu und schrieb die Motion Caroni (fdp, AR), die Auslöser dieser Gesetzesanpassung war, ab. Wie schon in der Gesamtabstimmung stellte sich auch in der Schlussabstimmung die SVP-Fraktion gegen die entsprechende Änderung des ZGB, welche im Nationalrat somit mit 127 zu 64 Stimmen ausging. Der Ständerat hingegen verabschiedete den Entwurf in der Schlussabstimmung abermals einstimmig.

Änderung des ZGB: Vorbereitung der Eheschliessung und Trauung (BRG 17.065)
Dossier: Unbürokratisches Jawort

In der Herbstsession 2018 verlängerte der Nationalrat auf Antrag seiner Rechtskommission die Behandlungsfrist für die parlamentarische Initiative Markwalder (fdp, BE) zum Berufsgeheimnisschutz für Unternehmensjuristinnen und -juristen um zwei Jahre. Die Kommission hatte ihren Antrag damit begründet, dass das Anliegen der Initiative weiterhin berechtigt sei, man aber der bevorstehenden Revision der Zivilprozessordnung nicht mit einer solchen punktuellen Änderung vorgreifen solle.

Berufsgeheimnisschutz für Unternehmensjuristinnen und -juristen (Pa.Iv. 15.409)
Dossier: Revision der Zivilprozessordnung (2018–)

Mittels Motion brachte Nationalrätin Doris Fiala (fdp, ZH) die Forderung vor, dass Vereine mit internationalen Geldflüssen neu zwingend ins Handelsregister einzutragen seien. Gemäss geltendem Recht sind Vereine, die keine wirtschaftlichen Ziele verfolgen, nicht zur Eintragung im Handelsregister verpflichtet – darunter fallen insbesondere auch Vereine religiösen Zwecks. Mehr Transparenz im Sinne der GAFI-Empfehlung Nummer 8 («Organismes à but non lucratif»), die unter anderem die Eintragungs-, Buchführungs- und Rechnungslegungspflicht auch für Vereine, zumindest für jene mit internationalen Geldflüssen – gegebenenfalls ab einer bestimmten Höhe –, beinhaltete, sei ein wichtiger Baustein im Kampf gegen Geldwäscherei und letztlich auch gegen Terrorismusfinanzierung, so die Motionärin in der Begründung des Vorstosses. Bundesrätin Simonetta Sommaruga wies derweil auf das gute Zeugnis hin, das die GAFI der Schweiz in ihrem vierten Länderbericht ausgestellt habe, und betonte, es befinde sich eine Vorlage zur Umsetzung der letzten GAFI-Empfehlungen in der Vernehmlassung. Diese sehe unter anderem eine Eintragungspflicht ins Handelsregister für Vereine mit erhöhtem Risiko der Terrorismusfinanzierung vor. Die Forderung der Motionärin, die Eintragungspflicht an den internationalen Geldflüssen festzumachen, tangiere indessen auch viele Freiwilligenorganisationen wie Sportvereine, Missionsvereine oder Kinderhilfswerke, was die Motion impraktikabel mache. Dennoch stimmte der Nationalrat der Motion in der Herbstsession 2018 mit 112 zu 63 Stimmen bei 9 Enthaltungen zu.

Vereine mit internationalen Geldflüssen sind neu zwingend ins Handelsregister einzutragen (Mo. 16.4130)

Auf Anraten seiner einstimmigen RK-SR nahm auch der Ständerat als Zweitrat die Motion Burkart (fdp, AG) betreffend die Konkretisierung der hinreichenden Sicherheit im Bauhandwerker-Pfandrecht in der Herbstsession 2018 diskussionslos an. Somit wurde das Anliegen an den Bundesrat überwiesen, der sich in seiner Antwort auch bereits positiv zur Motion geäussert hatte.

Praxistaugliches Bauhandwerker-Pfandrecht: Konkretisierung der hinreichenden Sicherheit (Mo. 17.4079)

Nachdem der Nationalrat die Motion Herzog (svp, TG) zur Umsetzung gerichtlicher Anordnungen durch Ordnungshaft für die Stärkung des Opferschutzes im Frühjahr 2018 angenommen hatte, wurde sie im Herbst desselben Jahres im Ständerat behandelt. Die RK-SR, welche das Geschäft vorberaten hatte, stellte einstimmig den Antrag zur Ablehnung der Motion. 2018 sei von beiden Kammern bereits das Bundesgesetz über den Schutz gewaltbetroffener Personen angenommen worden, so Kommissionssprecher Daniel Jositsch (sp, ZH). Dieses sehe zur Stärkung des Opferschutzes Massnahmen wie Annäherungs- und Kontaktverbote vor, die mithilfe elektronischer Überwachung durchgesetzt werden. Vor der Beratung weiterer Durchsetzungsmassnahmen wie der Ordnungshaft solle daher erst die Gesetzesneuerung in Kraft treten und ihre Wirkung entfalten können. Wie der Kommissionssprecher anfügte, handle es sich bei der Ordnungshaft zudem um eine eigentliche strafrechtliche Sanktion, welche bei einer Anwendung im Zivilrecht der verpönten Präventionshaft gleichkomme. Der Ständerat lehnte den Vorstoss schliesslich mit 29 zu 1 Stimmen ab.

Umsetzung gerichtlicher Anordnungen. Den Opferschutz stärken (Mo. 17.4239)

In der Herbstsession 2018 befasste sich der Nationalrat mit dem Bundesgesetz über den Schutz gewaltbetroffener Personen, wo die Debatte jedoch deutlich weniger harmonisch verlief als im Erstrat. In der Eintretensdebatte versuchte die SVP-Fraktion, indem verschiedene ihrer Exponenten sechsmal dieselbe Zwischenfrage stellten, das Problem der häuslichen Gewalt zu einem Ausländerproblem zu stilisieren und Bundesrätin Simonetta Sommaruga zu einer bestätigenden Aussage zu drängen. Darauf liess sich die Justizministerin jedoch nicht ein und erntete Beifall für ihre Replik: «[W]enn Sie das Problem unbedingt bezeichnen wollen, dann ist es ein Männerproblem». Als diesbezüglich niemand mehr das Wort ergriff, wurde Eintreten ohne Gegenantrag beschlossen.
Die Detailberatung im Nationalrat konzentrierte sich auf drei Punkte: die Weiterbildungsverpflichtung für die Kantone, die Gerichtskosten und die Möglichkeit zur Sistierung des Verfahrens. Einzig bei den Gerichtskosten schuf die grosse Kammer eine Differenz, indem sie der Mehrheit ihrer Rechtskommission folgte und beschloss, dass die Gerichtskosten der unterliegenden Partei auferlegt werden können, wenn diese zu einem Kontakt- oder Rayonverbot oder zu einer elektronischen Überwachungsmassnahme verurteilt wird. Der Entwurf des Bundesrates, dem der Ständerat hier gefolgt war, hatte keine Möglichkeit für eine Überwälzung der Gerichtskosten vorgesehen. In den anderen beiden Punkten schloss sich der Nationalrat dem Beschluss des Ständerates an. Die Kantone sollen, anders als vom Bundesrat ursprünglich angedacht, nicht im Zivilgesetzbuch ausdrücklich dazu verpflichtet werden, für die Weiterbildung von Personen zu sorgen, die im Rahmen ihrer Tätigkeit bei Gerichten oder Kriseninterventionsstellen mit Gewaltschutzfällen zu tun haben. Wie schon der Ständerat war auch die Volkskammer der Ansicht, dass ein solcher Eingriff in die kantonale Souveränität unnötig sei, da die Kantone selber ein Interesse daran hätten, über gut geschultes Personal zu verfügen. Was die Möglichkeit zur Sistierung des Verfahrens betrifft, wurden drei Minderheitsanträge Rickli (svp, ZH) abgelehnt, deren zwei darauf zielten, die Möglichkeit zur Sistierung ganz abzuschaffen und einer die Sistierung nur bei ausgeschlossener Wiederholungsgefahr zulassen wollte. Da man einen Rückfall aber nie mit Sicherheit ausschliessen könne, laufe diese Formulierung auf dasselbe hinaus, argumentierten die Mehrheitsbefürworter, die es als wichtig erachteten, dass dem Opfer nicht jegliche Handlungsmöglichkeit genommen werde. Der Nationalrat blieb deshalb bei der Formulierung des Bundesrates, die auch vom Ständerat gutgeheissen worden war, dass die Staatsanwaltschaft oder die Gerichte ein Verfahren sistieren können, wenn das Opfer darum ersucht und die Sistierung geeignet erscheint, die Situation des Opfers zu stabilisieren oder zu verbessern. Zwei Einzelanträge Feri (sp, AG) und Regazzi (cvp, TI), welche zusätzlich die Berücksichtigung des Wohles allfällig betroffener Kinder verlangten, blieben ebenso chancenlos, da dies sowieso zur Beurteilung der Situation des Opfers gehöre. Die vom Ständerat vorgenommene Anpassung, dass die Kosten einer Überwachungsmassnahme der überwachten Partei auferlegt werden können, hiess die grosse Kammer diskussionslos und stillschweigend gut. Am Schluss ergänzte der Nationalrat auf Antrag seiner Kommission noch eine Bestimmung, dass der Bundesrat die Zweckmässigkeit und Wirksamkeit der beschlossenen Änderungen und Massnahmen überprüfen und dem Parlament darüber spätestens vier Jahre nach Inkrafttreten Bericht erstatten und gegebenenfalls Verbesserungen vorschlagen muss. In der Gesamtabstimmung nahmen 122 Nationalrätinnen und Nationalräte die Vorlage an, während sie die 62 Vertreterinnen und Vertreter der SVP-Fraktion geschlossen ablehnten.

Bundesgesetz über den Schutz gewaltbetroffener Personen (BRG 17.062)
Dossier: Verbesserung des Schutzes für Stalking-Opfer

Mit der Überweisung eines Postulats Ruiz (sp, VD) verlangte der Nationalrat vom Bundesrat einen Bericht, der die Folgen der Einführung einer dritten Geschlechtsidentität für die schweizerische Rechtsordnung und für das elektronische Personenstandsregister «Infostar» aufzeigt. Darüber hinaus soll der Bericht auch die Konsequenzen prüfen, die ein vollständiger Verzicht auf die Geschlechtsangabe im Personenstandsregister sowie ein vorübergehender Aufschub des Eintrags bei Neugeborenen, deren Geschlecht nicht eindeutig festgestellt werden kann, nach sich ziehen würden. Neben der Eruierung der notwendigen Änderungen an Rechtstexten und Registern sollen auch die zu erwartenden Kosten und der benötigte Zeitaufwand für die Umstellung beziffert werden. Der Vorstoss war wie das ähnliche Postulat Arslan (basta, BS; 17.4121) von SVP-Nationalrat Yves Nidegger erfolglos bekämpft worden. Mit 105 zu 79 Stimmen bei 5 Enthaltungen nahm die grosse Kammer den Vorstoss im Herbst 2018 an und folgte damit auch dem Antrag des Bundesrats. «Es lohnt sich, diese Fragen anzuschauen», hatte Justizministerin Simonetta Sommaruga ihre Ausführungen im Rat geschlossen.

Einführung einer dritten Geschlechtsidentität. Folgen für die Rechtsordnung und für Infostar (Po. 17.4185)

Stillschweigend nahm der Ständerat im Herbst 2018 eine Motion Hêche (sp, JU) an, die Personen ohne konkrete Aussicht auf eine Schuldentilgung eine schnelle wirtschaftliche Wiedereingliederung ermöglichen sollte. Viele überschuldete Personen ohne Aussicht auf eine Entschuldung würden heute das ganze Leben lang bis auf das betreibungsrechtliche Existenzminimum gepfändet, wie es der Bericht des Bundesrates «Sanierungsverfahren für Privatpersonen» aufzeige. Solche Personen würden vom wirtschaftlichen Leben ausgeschlossen und hätten keine Aussicht auf ein schuldenfreies Leben mehr. Damit sei Überschuldung sowohl ein Armutsfaktor als auch ein Kostenfaktor für die öffentliche Hand. Die Schweiz brauche ein Sanierungsverfahren, um überschuldeten Privatpersonen eine Chance auf eine schuldenfreie Zukunft zu bieten. Der Bericht des Bundesrates zeige weiter, dass es solche Verfahren bereits in vielen OECD-Ländern gebe, wo sie die Zahlungsmoral nicht beeinträchtigten, sondern die wirtschaftliche Tätigkeit förderten, so die Begründung des Motionärs. Auch der Bundesrat hatte die Annahme der Motion beantragt, hatte er in seinem Bericht doch ebenfalls gesetzgeberischen Handlungsbedarf erkannt.

Wirtschaftliche Wiedereingliederung von Personen ohne konkrete Aussicht auf eine Schuldentilgung (Mo. 18.3510)

Mit einer parlamentarischen Initiative forderte Nationalrat Jean-Luc Addor (svp, VS), dass Beistandspersonen nach dem Tod der verbeiständeten Person mit einer Vertretungsbefugnis ausgestattet werden. Die RK-NR beantragte ihrem Rat, der Initiative keine Folge zu geben, da sie dem Sinn und Zweck des Erwachsenenschutzrechtes widerspreche. Die grosse Kammer folgte in der Herbstsession 2018 dem Antrag ihrer Kommission und gab der Initiative nach kurzer Debatte mit 123 zu 67 Stimmen bei 4 Enthaltungen keine Folge. Als einzige Fraktion sprach sich jene der SVP mehrheitlich für die Vorlage aus.

Befugnisse von Beistandspersonen nach dem Tod der verbeiständeten Person (Pa.Iv. 17.465)

Mit der Begründung, dass die Motion Wehrli (fdp, VD) das Problem der zunehmenden Zahl von sozialhilfebedürftigen jungen Erwachsenen nicht löse, beantragte die Rechtskommission des Ständerates die Ablehnung der Motion. Sie verwies dabei auf einen vom BSV veröffentlichten Bericht zur Prävention und Bekämpfung von Armut. Wie Kommissionssprecher Robert Cramer (gp, GE) ausführte, verstärke die Ausweitung der Unterhaltspflicht für Eltern von mittellosen 18- bis 25-jährigen Kindern, welche nicht in Ausbildung sind, das Problem weiter. So würde der Sozialhilfebezug der jungen Erwachsenen zeitlich nur nach hinten verschoben und nicht verhindert. Zudem bestehe die Gefahr, dass die zusätzliche Unterhaltspflicht dazu führe, dass anstelle der Kinder die Eltern Sozialhilfe beziehen müssten. Der Ständerat folgte dem Antrag der RK-SR und lehnte die Motion ab.

Kindesunterhalt. Änderung von Artikel 277 ZGB, um die Ungleichbehandlung von Eltern mit Kindern in Ausbildung und Eltern mit Kindern, die nicht in Ausbildung sind, zu beseitigen (Mo. 16.3212)

Ende August 2018 veröffentlichte der Bundesrat die Botschaft zur ersten Etappe der Erbrechts-Revision, mit der das im Wesentlichen von Anfang des 20. Jahrhunderts datierende geltende Recht den veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen angepasst werden soll. Hauptneuerung der Revision ist die grössere Verfügungsfreiheit der erblassenden Person durch die Verkleinerung der Pflichtteile. Insbesondere entfiele damit neu der Pflichtteil für die Eltern und würde derjenige der Nachkommen reduziert. Unverändert bliebe jedoch der Pflichtteil für Ehegattinnen und Ehegatten bzw. eingetragene Partnerinnen und Partner, nachdem eine Reduktion hier in der Vernehmlassung auf deutlich mehr Kritik gestossen war. Anstelle des im Vorentwurf vorgesehenen und in der Vernehmlassung eher skeptisch aufgenommenen Unterhaltsvermächtnisses umfasst der Entwurf zudem eine neue Härtefallregelung für faktische Lebensgemeinschaften in Form eines Unterstützungsanspruchs: Um zu vermeiden, dass die faktische Lebenspartnerin oder der faktische Lebenspartner der verstorbenen Person auf Sozialhilfe angewiesen ist, obwohl der Nachlass genügend Vermögen umfassen würde, soll ihr bzw. ihm ein beschränkter Betrag zulasten der Erbschaft zukommen, mit dem das Existenzminimum gedeckt werden kann. Des Weiteren soll durch die Klärung verschiedener umstrittener Punkte, wie der Behandlung von Säule-3a-Guthaben und von ehe- oder vermögensvertraglichen Vorschlagszuweisungen sowie der Reihenfolge der Herabsetzungen, die Rechtssicherheit verbessert werden.
Anders als im Nachgang zur Vernehmlassung angekündigt, ist die Erleichterung der erbrechtlichen Unternehmensnachfolge nicht Teil des Entwurfs, da sie zahlreiche Gesetzesbestimmungen tangiert, die nicht Gegenstand des Vorentwurfs waren. In der Botschaft kündigte der Bundesrat deshalb an, im Anschluss an die vorliegende Revision eine separate Vernehmlassung zur erbrechtlichen Unternehmensnachfolge durchführen zu wollen. Keine Änderungen vorgesehen sind bezüglich der Erbfolge bei Patchworkfamilien – eine Prüfung ebendieser war vom Parlament per Postulat verlangt worden; der Bundesrat habe verschiedene Lösungsansätze geprüft, sei aber zum Schluss gekommen, dass das Anliegen des Postulats nicht durch eine Änderung des Erbrechts der Eheleute und eingetragenen Partnerinnen und Partner erfüllt werden könne. Vielmehr biete das geltende Recht bereits Möglichkeiten, um zu verhindern, dass Kinder aus einer früheren Beziehung durch die neue Ehe oder eingetragene Partnerschaft in der Erbfolge benachteiligt würden, so die Begründung in der Botschaft.

Revision des Erbrechts (BRG 18.069)
Dossier: Revision des Erbrechts (2016– )

Die Differenzbereinigung in der Revision des Verjährungsrechts stand im Sommer 2018 auf der Agenda des Ständerates. Die zentrale Frage war nach wie vor, ob die absolute Verjährungsfrist für Personenschäden auf zwanzig Jahre verdoppelt oder wie bis anhin bei zehn Jahren belassen werden soll. Letzteres beantragte eine Minderheit der RK-SR um Thomas Hefti (fdp, GL), der für Kongruenz und Konsequenz im Obligationenrecht plädierte, welche im Hinblick auf die ebenfalls zehnjährige Aufbewahrungspflicht für Dokumente nur mit der zehnjährigen Verjährungsfrist sichergestellt werden könnten. Die Kommissionsmehrheit beantragte jedoch, in dieser Frage dem Nationalrat zu folgen und die Frist bei zwanzig Jahren festzusetzen. Kommissionssprecher Stefan Engler (cvp, GR) betonte auch, dass der Gesetzgeber hier in seiner Entscheidung nicht völlig frei sei, da die zehnjährige Frist vom EGMR für unzureichend befunden worden war, um im Fall eines Asbestopfers das Recht auf Zugang zu den Gerichten zu gewährleisten. Demnach sehe die Kommissionsmehrheit in der zwanzigjährigen Frist «eine angemessene Abwägung zwischen Rechtssicherheit, Opferschutz, Anforderungen des EGMR und noch realistischen Beweismöglichkeiten.» Die Ratsmehrheit schloss sich dieser Argumentation an und hiess die zwanzigjährige Verjährungsfrist mit 38 zu 7 Stimmen gut. Die rückwirkende Übergangsbestimmung, die der Ständerat bei seiner letzten Beratung in die Vorlage eingefügt hatte, führte Kommissionssprecher Engler aus, sei mittlerweile – d.h. nachdem die Stiftung Entschädigungsfonds für Asbestopfer am 1. Juli 2017 ihre Aktivität aufgenommen hat – nicht mehr nötig und sogar schädlich, würde sie doch die Rechtssicherheit für die potenziellen Geldgeber und damit die finanzielle Sicherheit der Stiftung gefährden. Nach Schaffung der Stiftung sei in der vorliegenden Vorlage kein Bedarf für ein Sonderregime für Asbestopfer mehr gegeben, weshalb die Kommission die Streichung der entsprechenden Bestimmung beantragte. Diese und die letzte verbleibende Differenz bezüglich der Neufestlegung der Gründe, die eine Verjährung nicht beginnen oder stillstehen lassen, räumte der Ständerat mit stillschweigender Zustimmung zum Beschluss des Nationalrates aus, womit das Geschäft für die Schlussabstimmung bereit war. Diese fiel in beiden Räten deutlich zugunsten der Vorlage aus: Der Ständerat stimmte mit 38 zu 5 Stimmen bei einer Enthaltung für das revidierte Verjährungsrecht; der Nationalrat tat dies mit 130 zu 68 Stimmen, wobei sich die SVP-Fraktion geschlossen dagegenstellte, was sich mit ihrer Haltung in der Fristfrage deckte.

Revision des Verjährungsrechts (BRG 13.100)
Dossier: Revision des Verjährungsrechts 2013–2018

Bei den Schlussabstimmungen der beiden Räte zeigte sich wenig überraschend das gleiche Bild wie bei den jeweiligen Debatten. Der Ständerat hiess den Bundesbeschluss über die Volksinitiative «Schweizer Recht statt fremde Richter (Selbstbestimmungsinitiative)» mit der Empfehlung zur Ablehnung des Volksbegehrens mit 38 zu 6 Stimmen ohne Enthaltungen gut. Die sechs Stimmen stammten von den fünf SVP-Ständeräten sowie von Thomas Minder (parteilos, SH). Und auch im Nationalrat lehnte die geschlossene SVP-Fraktion den Bundesbeschluss ab, kam aber mit 68 zu 129 Stimmen (keine Enthaltungen) nicht dagegen an.

Volksinitiative «Schweizer Recht statt fremde Richter (Selbstbestimmungsinitiative)» (BRG 17.046)

In der Sommersession 2018 stimmte auch der Nationalrat stillschweigend einer Motion Janiak (sp, BL) zu, wonach der Zugang zu den Zivilgerichten erleichtert werden soll. Mit Überweisung des Vorstosses wurde der Bundesrat beauftragt, im Zuge der Revision der Zivilprozessordnung die Gerichtskostenvorschüsse zu reduzieren. Zivilprozesse seien für breite Bevölkerungsschichten, insbesondere für den Mittelstand, der nicht von der unentgeltlichen Prozessführung profitieren könne, zunehmend unerschwinglich geworden, führte Kommissionssprecher Martin Naef (sp, ZH) vor dem Ratsplenum aus.

Zugang zu den Zivilgerichten erleichtern (Mo. 17.3868)
Dossier: Revision der Zivilprozessordnung (2018–)

Zwei Änderungen nur brachte die RK-SR am Entwurf des Bundesrates für das Bundesgesetz über den Schutz gewaltbetroffener Personen an, die der Ständerat in der Sommersession 2018 beide stillschweigend guthiess. Die erste Abweichung betraf die schon in der Vernehmlassung umstrittene Bestimmung, dass die Kantone für die nötige Weiterbildung der Personen sorgen müssen, die – beispielsweise im Rahmen einer Tätigkeit bei der Kriseninterventionsstelle oder bei Gerichten – mit Gewaltschutzfällen zu tun haben. Eine solche administrative Vorschrift habe im Zivilgesetzbuch nichts verloren und tangiere überdies die Autonomie der Kantone, rechtfertigte Kommissionssprecher Robert Cramer (gp, GE) deren Streichung. Bundesrätin Simonetta Sommaruga hielt diese Streichung für vertretbar, zumal die Kantone angesichts der Folgekosten von häuslicher Gewalt selber ein Interesse an geschulten Fachpersonen haben sollten. Als Zweites hatte sich die Kommission Gedanken über die Kostenfolgen von den im Gesetz vorgesehenen elektronischen Überwachungsmassnahmen für häusliche Gewalt oder Stalking ausübende Personen gemacht. Gerade wenn die verursachende Person vermögend sei, sei nicht einzusehen, weshalb die Allgemeinheit die Kosten für eine solche Massnahme tragen müsse. Die Kommission ergänzte das Gesetz dahingehend, dass diese Kosten – nicht aber die Verfahrenskosten – der überwachten Partei auferlegt werden können, betonte aber, diese Regelung solle nicht dazu führen, dass bei Fällen von häuslicher Gewalt das gemeinsame Familienbudget belastet werde, da so letztlich auch das Opfer dafür bezahle. Auch hiermit zeigte sich Justizministerin Sommaruga einverstanden; auf dieser Grundlage könne der Zweitrat weiterarbeiten. Einstimmig verabschiedete der Ständerat das leicht angepasste Gesetz zuhanden des Nationalrates.

Bundesgesetz über den Schutz gewaltbetroffener Personen (BRG 17.062)
Dossier: Verbesserung des Schutzes für Stalking-Opfer

Mit der stillschweigenden Annahme eines Postulats Caroni (fdp, AR) in der Sommersession 2018 erteilte der Ständerat dem Bundesrat den Auftrag, eine Übersicht über die verschiedenen Definitionen und Rechtsfolgen des Konkubinats im geltenden Recht zu erstellen. Im geltenden Recht knüpften zahlreiche Rechtsfolgen an das Vorliegen eines Konkubinats an, der dazugehörige Rechtsbegriff variiere jedoch von Rechtsgebiet zu Rechtsgebiet, begründete der Postulant seinen Vorstoss. Vor dem Hintergrund zukünftiger familienpolitischer Diskussionen, etwa über die Ehe für alle oder über den PACS, sei diese Grundlagenarbeit unabdingbar. Auch der Bundesrat hatte das Postulat begrüsst.

Übersicht über das Konkubinat im geltenden Recht (Po. 18.3234)
Dossier: Ein Pacs nach Schweizer Art?

Da Initiativen der Beratungskategorie der sogenannten «freien Debatte» zugeordnet werden, haben grundsätzlich alle Parlamentsmitglieder das Recht auf Wortmeldung. In den anderen, seit 1990 geltenden Beratungskategorien äussern sich in der Regel – neben den Vertreterinnen und Vertretern des Bundesrates – lediglich Kommissionssprecherinnen und -sprecher, Antragstellerinnen und Antragsteller von Vorstössen oder Minderheitsanträgen und allenfalls Fraktionssprecherinnen und -sprecher. Schon früher uferte die freie Debatte bei Volksinitiativen gerne auch in einem ziemlichen Redemarathon aus, so etwa bei der «No-Billag»-Initiative. Immer häufiger wird in solchen Debatten zudem auch das Recht genutzt, Zwischenfragen zu stellen. So war es auch wenig verwunderlich, dass im Nationalrat nicht weniger als 83 Ratsmitglieder einen Antrag gestellt hatten, um in einem Votum die eigene Position zur Volksinitiative «Schweizer Recht statt fremde Richter (Selbstbestimmungsinitiative)» verdeutlichen zu können. Aufgrund der grossen Zahl an Rednerinnen und Rednern, aber eben auch aufgrund der zahlreichen vor allem von SVP-Vertreterinnen und -vertretern gestellten Zwischenfragen dauerte die Debatte schliesslich insgesamt über neun Stunden – auf drei verschiedenen Sessionstage verteilt.

In der Tat stellten die Fraktionsmitglieder der SVP den Hauptharst der Rednerinnen und Redner, nämlich deren 42; von der SP-Fraktion meldeten sich 17 Mitglieder zu Wort, von der FDP deren acht, von der CVP sieben, von den Grünen vier und von GLP und BDP je zwei. Nicht weniger als 82 der 102 Zwischenfragen stammten zudem von der Volkspartei (FDP: 9; SP: 7; BDP: 2; CVP: 1; GP: 1), wobei die SVP-Fraktionsvertreterinnen und -vertreter sich häufig auch innerhalb der Fraktion selber befragten, was Roger Nordmann (sp, VD) zur Zwischenfrage veranlasste, ob es sich hier nicht eher um die «Selbstbefragungs-Initiative» handle. Den von verschiedenen Ratsmitgliedern geäusserte Verdacht, dass die Volkspartei versuche, die Ratsabstimmung über die Initiative so zu verzögern, dass das Begehren nicht bereits im November 2018, sondern im Wahljahr 2019 an die Urne gelangt – Beat Jans (sp, BS) sprach von «Filibustern» und Nadine Masshardt (sp, BE) staunte darüber, dass die SVP so viele Fragen zur eigenen Initiative habe – konnte die SVP nicht ganz ausräumen. Freilich können Zwischenfragen nur gestellt werden, wenn der Ratspräsident oder die Ratspräsidentin – aktuell Dominique de Buman (cvp, FR) – unmittelbar nach einem Votum die Rednerin oder den Redner fragt, ob diese oder dieser die Zwischenfrage zulasse. Wird diese Frage verneint, darf die Zwischenfrage nicht gestellt werden. Die meisten Votantinnen und Votanten – mit Ausnahme der SVP-Abgeordneten – liessen denn die Zwischenfragen gar nicht zu. Weil einige darob erzürnte SVP-Zwischenfragerinnen und -frager ihre Frage trotzdem in den Saal riefen, musste de Buman einige Ermahnungen aussprechen.

Der Verdacht, dass es der SVP mit ihrer Redner- und Zwischenfragestrategie in der Tat nicht nur um einen Kampf gegen die «Diskussionsverweigerung [...] der Demokratieabschaffer in diesem Saal» ging, wie sich etwa Roger Köppel (svp, ZH) echauffierte, sondern um eine Verschleppungstaktik, «damit das Geschäft erst im Wahljahr vors Volk kommt», wie Roger Nordmann vermutete, wurde durch einen von Fraktionssprecher Thomas Aeschi (svp, ZG) vorgebrachten Ordnungsantrag weiter erhärtet. Die SVP wehrte sich nämlich dagegen, dass für den dritten Debattenteil eine Nachtsitzung anberaumt wurde, was in der Regel nur bei hoher Geschäftslast oder dringlichen Geschäften erfolge. Mit ihrem Ordnungsantrag wollte die SVP ihr Begehren zu den normalen Sitzungszeiten weiter beraten, was wohl eine Verschiebung in die Herbstsession bedeutet hätte. Die Sprecherin des Büros, Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) wies darauf hin, dass mit der überdurchschnittlichen Zahl an Rednerinnen und Rednern das Kriterium der hohen Geschäftslast sehr wohl erfüllt sei. Der Ordnungsantrag wurde dann mit 121 zu 67 Stimmen abgelehnt. Die 67 Stimmen stammten allesamt aus den Reihen der Volkspartei.
Auch der am dritten Verhandlungstag gestellte Antrag der SVP, die Anwesenden zu zählen, um das nötige Quorum nachzuprüfen, verhalf nicht wirklich zu einer Beschleunigung der Debatte. Freilich verliessen zahlreiche Parlamentarierinnen und Parlamentarier nach dem Drücken des blauen Knopfes – der der Anwesenheitskontrolle dient – den Nationalratssaal wieder, was Toni Brunner (svp, SG) derart erzürnte, dass er als Antwort auf eine entsprechende Zwischenfrage von Thomas Aeschi von einem «Kindergarten» sprach und seine Tirade gegen die nicht anwesenden Ratskolleginnen und -kollegen vom Nationalratspräsidenten erst durch Abschalten des Mikrofons unterbrochen wurde.

Nebst all diesem Geplänkel wurden freilich auch Argumente ausgetauscht. In der Tat dienen die freie Debatte wie auch die Zwischenfragen ja durchaus auch dazu, den Bürgerinnen und Bürgern zu zeigen, welche Begründungen für den Bezug der verschiedenen Fronten geltend gemacht werden. Die ab und zu ziemlich emotional, ja gar gehässig geführte Debatte – der Sonntags-Blick sprach von einer von der SVP geplanten und zelebrierten Entgleisung, der Tages-Anzeiger von einem eigentlichen Politikspektakel und die Aargauer Zeitung warf der SVP vor, statt einer inhaltlichen Debatte auf Klamauk zu setzen – liess in der Tat deutliche Positionsbezüge erkennen. Während alle Mitglieder der SVP-Fraktion das Begehren vehement verteidigten, lehnten alle anderen Fraktionen die Initiative einhellig ab.

Die Kommissionssprecherin Valérie Piller Carrard (sp, FR) und der Kommissionssprecher Kurt Fluri (fdp, SO) berichteten, dass alle von der SPK-NR angehörten Wirtschaftsvertreterinnen und -vertreter sowie sämtliche Rechtsexperten die Initiative ablehnten. Es werde befürchtet, dass das Begehren dem Wirtschaftsstandort Schweiz schade und in juristischer Hinsicht mehr Probleme schaffe als löse. In der Kommission sei zudem die Gefahr einer Kündigung wichtiger Menschenrechtsabkommen, ja gar der Europäischen Menschenrechtskonvention, diskutiert worden. Klar sei einzig, dass bei einem Konflikt zwischen Völker- und Landesrecht bestehende Verträge neu verhandelt oder gekündigt werden müssten. Wer allerdings in welchem Verfahren feststelle oder entscheide, wann ein Normenkonflikt bestehe und wann nicht bzw. wann dieser Konflikt genügend gravierend sei, bleibe völlig unklar. Dies würde bei Annahme des Volksbegehrens eine grosse Rechtsunsicherheit schaffen. Die Kommission empfehle deshalb mit 16 zu 9 respektive 14 zu 11 Stimmen, die Initiative abzulehnen und nicht auf den Gegenvorschlag einzutreten. Letzterer war von Gerhard Pfister (cvp, ZG) eingebracht worden und entsprach im Grossen und Ganzen dem schon im Ständerat gescheiterten Vorschlag von Andrea Caroni (fdp, AR). Pfister zog seinen Antrag gleich zu Beginn der nationalrätlichen Debatte zurück, weil die Initianten keinerlei Bereitschaft zeigen würden, auf seinen Vorschlag für eine alternative Lösung überhaupt einsteigen zu wollen.

Die Befürworterinnen und Befürworter der Initiative begründeten ihr Anliegen mit vier Hauptargumenten: (I) Die Initiative wolle Rechtssicherheit schaffen, indem die Hierarchie von Völker- und Landesrecht geklärt werde. Dies sei auch angesichts einer immer stärkeren Einmischung rechtlicher Normen in die Politik (sogenannte Justizialisierung) von Nöten. (II) Damit werde zudem die (direkte) Demokratie gestärkt und die Abhängigkeit vom Ausland gemindert. (III) Häufig wurde argumentiert, dass mit der Initiative nur ein Zustand wiederhergestellt werde, wie er fünf Jahre zuvor schon geherrscht habe. Damit wurde auf ein Bundesgerichtsurteil vom 12. Oktober 2012 rekurriert, mit welchem die Schubert-Praxis faktisch ausser Kraft gesetzt und wodurch festgelegt worden sei, dass internationales Recht generell nationalem Recht vorgezogen werden müsse. Konkret hatte das Bundesgericht in einem Fall die Menschenrechtskonvention der Regelung der Ausschaffungsinitiative vorgezogen. Damit sei die direkte Demokratie gleichsam ausgehebelt worden, so die SVP. Kein anderer Staat gebe aber internationalem Recht Vorrang vor Landesrecht. (IV) Gewarnt wurde in diesem Zusammenhang auch vor der Einmischung der EU, die mit dem viel diskutierten Rahmenabkommen und dem Vorrang von internationalem Recht faktisch zum «obersten Souverän der Schweizerischen Eidgenossenschaft» werde – so etwa Hans-Ueli Vogt (svp, ZH). Die Schweiz werde zu einer Marionette und Volksentscheide verkämen zu einer Art Umfrageergebnis, was letztlich nur noch eine Scheinselbstbestimmung sei, erklärte Thomas Aeschi. Andreas Glarner (svp, AG) verklebte sich den Mund mit blauen Klebestreifen, um zu demonstrieren, dass man sich den Mund verbieten lasse. Roger Köppel warnte gar von einer «kalten Entmachtung des Volkes» und Magdalena Martullo-Blocher (svp, GR) stellte die Anschuldigung in den Raum, dass die «sogenannten Volksvertreter im Saal», denen man im Gegensatz zum Volk nicht vertrauen könne, dem süssen Gift der Macht verfallen seien, die Souveränität des Volkes an sich rissen und ins Ausland verkauften. Dies sei der Untergang der Schweiz.

Die Gegnerinnen und Gegner des Begehrens betonten neben den bereits von der Kommission vorgebrachten Argumenten auch den nötigen Spielraum, den Gerichte im Einzelfall bräuchten, der aber mit einer Annahme der Initiative stark eingeschränkt würde. Zahlreiche Plädoyers machten sich zudem für die Menschenrechte stark, die mit der Annahme einer Initiative gefährdet wären, weil die Kündigung der Menschenrechtskonvention durch die Schweiz einen fatalen Vorbildcharakter hätte. Balthasar Glättli (gp, ZH) sprach etwa von einer «Antimenschenrechts-Initiative». Das Volksbegehren stelle die Werte der Schweiz – laut Nadine Masshardt (sp, BE) «Verlässlichkeit, Stabilität und Menschenrechte» – fundamental infrage. Die kleine Schweiz sei auf Vertragssicherheit und auf Völkerrecht angewiesen, damit sie nicht dem Recht des Stärkeren ausgesetzt sei. Aber wer – so fragte sich Matthias Jauslin (fdp, AG) – gehe mit einem unverlässlichen Partner noch einen Vertrag ein? Völkerrechtliche Verträge würden von der Schweiz freiwillig eingegangen, weil sie von grossem Nutzen seien, betonte Ruth Humbel (cvp, AG). Die Stimmbevölkerung werde nicht durch Völkerrecht entmachtet, weil wichtige Verträge ja immer direktdemokratisch legitimiert seien, gab Eric Nussbaumer (sp, BL) zu bedenken.

Das Schlussvotum gehörte Justizministerin Simonetta Sommaruga. Sie führte aus, dass sich Souveränität und globale Vernetzung nicht widersprechen, weil die Schweiz souverän bestimme, mit wem sie internationale Verträge abschliesse. Wie diese Verträge abzuschliessen seien und dass man sie einzuhalten habe, stehe eigentlich in der von Volk und Ständen abgesegneten Bundesverfassung. Ebenfalls festgehalten sei, dass es den Gerichten zu überlassen sei, bei Normenkonflikten flexibel und pragmatisch zu entscheiden. Mit der Selbstbestimmungsinitiative würde dies allerdings auf den Kopf gestellt. Das Begehren fordere nicht nur, dass Völkerrecht nicht mehr zählen solle, sondern dass die Gerichte im Konfliktfall rechtswidrige Entscheide fällen müssten. Die Neuaushandlung von Verträgen würde damit zu einer Obligation und bleibe nicht Option. Die Initiative, weil sie nur Schwarz und Weiss kenne, zwänge die Schweiz in ein Korsett. Nicht nur die eigene Handlungsfähigkeit würde eingeschränkt, sondern auch die Zuverlässigkeit der Schweiz als Vertragspartnerin werde aufs Spiel gesetzt. Zudem sei die Initiative nicht genügend deutlich bei der Definition von «Widerspruch». Wann ein Konflikt zwischen Völkerrecht und Landesrecht bestehe, wie gross dieser sein müsse und wer dies entscheide, bleibe unklar. Die Justizministerin versuchte auch die Meinung zu entkräften, dass das Bundesgericht seit 2012 auf die Schubert-Praxis verzichtet habe; es sei im Gegenteil in mehreren Fällen Bezug genommen worden auf diese Praxis. Die Schweiz sei erfolgreich, weil sie beweglich und pragmatisch immer wieder neue Antworten auf neue Herausforderungen gefunden habe. Die im Gegenteil dazu starre und dogmatische Initiative werde vom Bundesrat deshalb zur Ablehnung empfohlen.

Wie aufgrund der Debatte nicht anders zu erwarten war, stimmten die 67 anwesenden Mitglieder der SVP-Fraktion – einzig Ulrich Giezendanner (svp, AG) war abwesend – für und die restlichen 127 bei der Abstimmung anwesenden Nationalrätinnen und Nationalräte gegen Annahme der Initiative.

Volksinitiative «Schweizer Recht statt fremde Richter (Selbstbestimmungsinitiative)» (BRG 17.046)

«Können wir Weltfrauentage feiern, Pussyhats in der Wandelhalle stricken und gleichzeitig einer Religion die Tore öffnen, in der die Ungleichheit der Geschlechter zum Ordre public gehört?» Mit diesem und noch einigen weiteren rhetorischen Argumenten versuchte Nationalrat Zanetti (svp, ZH) in der Sommersession 2018 seine parlamentarische Initiative, mit der er die Konkretisierung des Begriffs «schweizerischer Ordre public» forderte, durchzusetzen und damit dem Scharia-Recht abzusagen. Unterstützung fand er in der Person seines Ratskollegen Yves Nidegger (svp, GE): Um Zanettis Anliegen zu untermalen, führte er das Beispiel eines amerikanischen Richters an, der offensichtlich darüber zu entscheiden hatte, welche Darstellungen nun genau als Pornographie zu definieren seien und welche eben nicht. Der Richter habe hierzu gemeint, dass er zwar keine genaue Definition von Pornographie habe, aber er es wisse, wenn er sie denn sehe; und so ähnlich verhalte es sich eben auch mit den Schweizer Richtern und dem Ordre public – und genau diesen Umstand gelte es nun zu klären. Andrea Gmür-Schönenberger (cvp, LU) stellte sich indes, als Vertreterin der Kommission, gegen diese Position. Die Kommission sei mit dem Initianten einig, dass niemand ein Scharia-Recht in der Schweiz tolerieren wolle; der eingereichte Vorstoss ziele aber gar nicht auf diesen Sachverhalt ab. Es sei festzuhalten, dass der Initiant nicht die Gesetzgebung per se bemängle, sondern in erster Linie die Urteile der rechtsanwendenden Behörden hinterfrage. Die Kommission erwarte von den Gerichten klar, dass sie ihre Aufgaben wahrnähmen und bestehende Gesetze auch anwendeten; sie sei aber ebenso der Ansicht, dass dieser Grundsatz von den rechtsanwendenden Behörden bereits umgesetzt werde. Da Zanetti nicht aufzeigen könne, inwiefern diesbezüglich ein konkreter Handlungsbedarf bestehe, sehe die Kommission auch keine Notwendigkeit zur Ergreifung entsprechender Massnahmen.
Wie zuvor schon in der vorberatenden RK-NR fand der Vorstoss auch in der grossen Kammer keinen Rückhalt: Der Nationalrat lehnte die Initiative mit 122 zu 66 Stimmen ab, womit das Geschäft nicht weiterverfolgt wird – sämtliche Befürwortungen entfielen auf die SVP-Fraktion.

Konkretisierung des schweizerischen Ordre public. Kein Scharia-Recht durch die Hintertür

Nach seiner vorberatenden Rechtskommission kam in der Sommersession 2018 auch der Ständerat zum Schluss, die Motion Fiala (fdp, ZH) sei nicht der richtige Weg, um Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung durch religiöse Stiftungen und Vereine entgegenzuwirken. Mit 34 zu 1 Stimme bei 4 Enthaltungen lehnte er den Vorstoss ab.

Mo. Fiala: Mehr Transparenz und Präzisierung der Kriterien bei der Beaufsichtigung von religiösen Gemeinschaften und Sanktionen bei Nichteinhaltung der bestehenden Eintragungspflicht ins Handelsregister