Die Frage, ob Abstimmungskampagnen Grenzen haben müssen und falls ja, wo diese gezogen werden sollen, beschäftigt die Schweiz oft bei umstrittenen Abstimmungen. Eine solche stellte die Masseneinwanderungsinitiative ohne Zweifel dar. Nach Meinung zweier Staatsrechtsprofessoren sollte deren Annahme nun gar aufgrund von Propaganda für ungültig erklärt werden. David Gibor und Tomas Poledna reichten eine Stimmrechtsbeschwerde ein und argumentierten, dass der Urnengang durch rassistische Propaganda verfälscht worden sei. Im Mittelpunkt dieser Argumentation stand das Inserat mit dem Titel «Kosovaren schlitzen Schweizer auf!», für welches SVP-Verantwortliche erstinstanzlich wegen Rassendiskiminierung verurteilt worden waren.
In der Folge wurde vor allem unter Juristinnen und Juristen diskutiert, ob die Meinungsbildung besser geschützt werden müsse. Sofern eine strafrechtliche Verurteilung vorliege, könne die unter Strafe gestellte Handlung sehr wohl als unzulässige Einwirkung auf die Willensbildung betrachtet werden, wurde auf der einen Seite argumentiert. Man könne von den Stimmberechtigten nicht erwarten, dass sie «Hetzinserate» als solche erkennen würden, betonte etwa Denise Buser, Titularprofessorin für kantonales Staatsrecht an der Universität Basel. Wenn eine unzulässige Beeinflussung der Willensbildung vorliege, dann könne man sich schon überlegen, ob ein Abstimmungsresultat kassiert werden sollte, da das Strafrecht «eine rote Linie» darstellen müsse, wandte auch der ehemalige Bundesrichter Giusep Nay ein. Auf der anderen Seite wurde argumentiert, dass unwahre Äusserungen oder unsachliche und abwertende Argumente zu einer offenen demokratischen Auseinandersetzung gehörten. In der Debatte könnten diese ja auch thematisiert und entkräftet werden. Ein Schutz der Stimmbürgerschaft sei nicht nötig, da diese selber erkenne, wann ein Manipulationsversuch vorliege. Man müsse den Stimmberechtigten zutrauen, dass in einem Abstimmungskampf fast alles gesagt werden dürfe, argumentierte Markus Schefer, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht.
Das Bundesgericht entschied dann Ende August 2015 nicht auf die Beschwerde einzutreten (Urteil 1C_63/2015, 1C_109/2015, 1C_237/2015, 1C_293/2015). Hauptsächliche Begründung war, dass die Beschwerde zu spät eingereicht worden sei. Eine solche müsse spätestens drei Tage nach Entdeckung des Beschwerdegrundes – im konkreten Fall also bei Publikation des besagten Inserats – angemeldet werden. Das Inserat war von der SVP bereits lange vor der Volksabstimmung geschaltet worden. Gibor und Poledna hatten vergeblich argumentiert, dass erst mit der Verurteilung klar geworden sei, dass eine Irreführung vorgelegen habe. Unbeantwortet liess das Bundesgericht hingegen die Frage, ob strafbare Äusserungen die Willensbildung auf unzulässige Weise beeinflussen können.
Stimmrechtsbeschwerde wegen Schlitzerplakat