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Jahresrückblick 2023: Verkehr und Kommunikation

2023 standen drei grosse Standortbestimmungen zu Ausbauschritten im Bereich des Strassen- und Schienenverkehrs auf dem Programm des Bundesrats und des Parlaments. Trotz dieser politisch gewichtigen Programmpunkte blieb die Medienberichterstattung in diesem Themenbereich gesamthaft jedoch ungefähr auf demselben Niveau wie im Vorjahr (vgl. Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse). Jedoch nahm die Berichterstattung zum Strassenverkehr im Vergleich zu den Vorjahren mehr Raum ein, während diejenige zum Flugverkehr deutlich abnahm und diejenige zum Schienenverkehr etwa gleich blieb.

Im medial viel bespielten Themenbereich des Strassenverkehrs dominierte der Ausbauschritt 2023 der Nationalstrassen und der entsprechende Zahlungsrahmen sowohl die parlamentarische als auch die ausserparlamentarische Debatte. Der Ausbauschritt 2023 war sehr umstritten, die Anträge zu den Projektvorschlägen des Bundesrats reichten von Zustimmung über Ablehnung einzelner Ausbauschritte bis hin zur Zurückweisung des gesamten Projekts. Schliesslich wurden aber alle fünf vom Bundesrat vorgeschlagenen Projekte sowie der entsprechende Verpflichtungskredit in der Höhe von rund CHF 5.3 Mrd. vom Parlament gutgeheissen und der Ausbauschritt sogar noch um ein Projekt in der Westschweiz erweitert. Eine Standesinitiative des Kantons Thurgau, welche die Aufnahme der Bodensee-Thurtal-Strasse in die Projektierung gefordert hatte, blieb hingegen erfolglos. Die Meinungen zum Ausbauschritt 2023 gingen auch in der medialen Berichterstattung auseinander und ökologische Kreise kündeten an, das Referendum gegen den Ausbauschritt zu ergreifen. Vergleichsweise unumstritten war in diesem Zusammenhang hingegen der Zahlungsrahmen für Unterhalt und Betrieb der bestehenden Nationalstrassen für die Jahre 2024 bis 2027 in der Höhe von CHF 8.8 Mrd.

Unabhängig von diesem geplanten Ausbauschritt der Nationalstrassen beschloss das Parlament zusätzlich durch Annahme einer Motion, dass die Autobahn A1 an kritischen Strassenabschnitten auf sechs Spuren ausgebaut werden soll. Auf der anderen Seite stand im Bereich des Strassenverkehrs auch die klimaneutrale Mobilität auf der politischen Agenda. Im Juni präsentierte der Bundesrat einen Bericht, in dem er Massnahmen eruierte, mit denen ein fossilfreier Verkehr bis 2050 ermöglicht werden könnte. Zudem wurde der Bundesrat vom Parlament beauftragt, einen Aktionsplan zur Förderung innovativer und klimaneutraler Mobilitätsangebote zu erstellen. Hingegen beschloss die Regierung, die Steuerbefreiung der Elektrofahrzeuge aufzuheben.

Eine zweite grosse Standortbestimmung im Themenbereich Verkehr fand 2023 mit der vierten Generation des Programms «Agglomerationsverkehr» an der Schnittstelle zwischen öffentlichem Verkehr und Individualverkehr statt. Für die folgenden vier Jahre wurden zu unterstützende Projekte ausgewählt und ein entsprechender Finanzierungsrahmen bestimmt. Verteilt auf den öffentlichen Verkehr, den motorisierten Individualverkehr sowie auf den Langsamverkehr sprach das Parlament somit gesamthaft über CHF 1.5 Mrd. für Projekte in 23 Agglomeration.

Die dritte grosse Standortbestimmung nahm der Bundesrat im Herbst 2023 mit seiner Botschaft zum Stand und zu Änderungen der Ausbauprogramme für die Bahninfrastruktur vor. Für den Ausbauschritt 2025 und insbesondere für den Ausbauschritt 2035 schlug die Regierung zusätzlich zu den bereits beschlossenen Ausbauvorhaben Anpassungen sowie eine Krediterhöhung von gesamthaft über CHF 2.8 Mrd. vor. Aufgrund einer viel diskutierten Motion nahm er auch die Projektierung eines «multifunktionalen Grimseltunnels» in seine Botschaft auf.
Im Rahmen der Botschaft zu den Ausbauschritten präsentierte der Bundesrat zudem erste Zielsetzungen und Stossrichtungen der neuen Langfriststrategie im Schienenverkehr, der «Perspektive Bahn 2050». Der Fokus soll dabei auf dem Ausbau von kurzen und mittleren Strecken sowie auf den Agglomerationen liegen. Gleichzeitig gab die Regierung auch bekannt, dass sich die Fertigstellung verschiedener laufender Bauvorhaben, wie beispielsweise der Bahnknotenpunkte Bern oder Lausanne, um mehrere Jahre verzögern werde.

Zu Verzögerungen kam es auch in der Erreichung der 2021 festgelegten Ziele für den alpenquerenden Schwerverkehr. Im Verlagerungsbericht für die Jahre 2021–2023 hielt der Bundesrat im Berichtsjahr fest, dass die festgelegten Ziele trotz einer Zunahme des Schienengüterverkehrs insbesondere im Bereich des strassenseitigen Güterverkehrs nicht erreicht werden konnten. Auch im Bereich der Luft- und Lärmverschmutzung konnte trotz punktueller Verbesserungen gesamthaft keine ausreichende Reduktion erzielt werden. Somit wurde im Schwerverkehr auf Strasse und Schiene weiterhin Verlagerungspotential ausgemacht und für die folgenden Jahre projektiert.

Im Themengebiet Eisenbahn erhielt ein Unfall des Schienengüterverkehrs im Gotthard-Basistunnel die grösste mediale Aufmerksamkeit (vgl. Abbildung 1 der APS-Zeitungsanalyse): Die Entgleisung eines Güterzugs im August 2023 führte zu einer vorübergehenden Sperrung des Tunnels und zu geschätzten Schäden von über CHF 100 Mio. Dabei wurden rasch Fragen zu Ursachen, Haftung und Schadenersatz laut, gerade auch in Anbetracht der Haftpflicht im Schienenverkehr, zu deren Ausgestaltung der Bundesrat wenige Wochen zuvor einen Bericht veröffentlicht hatte.

Um die SBB finanziell zu stabilisieren, schlug der Bundesrat im Sommer 2023 eine Änderung des Bundesgesetzes über die Schweizerischen Bundesbahnen (SBBG) vor. Einerseits sollten die SBB einen einmaligen Kapitalzuschuss von CHF 1.15 Mrd. erhalten, andererseits sollte ihr Finanzierungsbedarf neu nicht mehr durch Tresorerie-, sondern durch Haushaltsdarlehen gedeckt werden. Diese Änderung der Finanzierungsgrundlage fand im erstberatenden Nationalrat jedoch wenig Unterstützung. Die grosse Kammer sprach sich für die Beibehaltung des geltenden Rechts aus. Das Urteil des Ständerats stand zum Ende des Berichtjahres noch aus.

Auch 2023 blieb der Ausbau des 5G-Mobilfunknetzes Teil der parlamentarischen Debatte rund um Telekommunikation. Die Räte beschlossen im Rahmen einer Motion, den raschen Aufbau von 5G voranzutreiben. Eine gewisse Vorsicht gegenüber der 5G-Technologie blieb jedoch bestehen, was sich in der Beibehaltung der NISV-Anlagegrenzwerte niederschlug. Ergänzend zum Mobilfunknetz legte der Bundesrat eine Strategie zu Förderung und Ausbau des Hochbreitbandnetzes vor.

Jahresrückblick 2023: Verkehr und Kommunikation
Dossier: Jahresrückblick 2023

Die grosse Kammer beugte sich in der Wintersession 2023 als Zweitrat über die Revision des CO2-Gesetzes für die Periode 2025–2030. Die Kommissionsmitglieder Stefan Müller-Altermatt (mitte, SO) und Delphine Klopfenstein Broggini (gp, GE) stellten die Vorlage vor. Müller-Altermatt berichtete, dass die Vorlage als «schlank» bezeichnet werden könne und damit auch bei einem allfälligen Plebiszit bestehen sollte und trotzdem dem Ziel der Halbierung der CO2-Emissionen bis 2030 entspreche. Die vorberatende UREK-NR schlage als einzige grössere Änderung vor, eine Abgabe auf Flüge mit Privatjets einzuführen. Ausserdem habe die Kommission mittels Einreichung eines Vorstosses (Po. 23.4334) versucht, die Rückverteilung der CO2-Abgabe an die Haushalte sichtbarer auszugestalten.
In der Eintretensdebatte zeigte sich, dass alle Fraktionen gewillt waren, dem Geschäft eine Chance zu geben; ein Antrag auf Nichteintreten lag denn auch nicht vor. In den Voten von Mitte-Nationalrätin Priska Wismer-Felder (mitte, LU) und GLP-Mitglied Martin Bäumle (glp, ZH) zeigte sich das Dilemma zwischen dem Willen, ein effektives Gesetz, welches zu spürbaren Emissionsreduktionen führen soll, zu gestalten und der Angst vor einem Referendum gegen die Vorlage. Matthias Jauslin (fdp, AG) von der FDP und SVP-Vertreter Christian Imark (svp, SO) warnten vor allem davor, das Gesetz nicht zu überladen respektive keine neuen oder höheren Abgaben einzuführen, damit es nicht wieder in einer Volksabstimmung abgelehnt werde. Auf der anderen Seit des politischen Spektrums kritisierten die Grünen sowie die SP, dass das Gesetz nicht ambitioniert genug sei. Gabriela Suter (sp, AG) von der SP gab zu bedenken, dass eine bescheidene Emissionsreduktion für die Periode 2025 bis 2030 bedeute, dass in den folgenden Jahren umso strengere und teurere Massnahmen ergriffen werden müssten, um das Netto-Null-Ziel zu erreichen. Vor diesem Hintergrund wies Grünen-Vertreter Chistophe Clivaz (gp, VS) auf die von den Grünen und der SP lancierte Klimafonds-Initiative hin, mit welcher das Netto-Null-Ziel doch noch erreicht werden könne. Die Eintretensdebatte abschliessend stellte Umweltminister Albert Rösti die für ihn wichtigsten Grundsätze der Vorlage vor. Rösti lobte das Tempo, mit welchem die Räte die Gesetzesrevision berieten. So könne es gelingen, dass keine Lücke entstehe und das Gesetz und die ausführende Verordnung bis am 1.1.2025 in Kraft gesetzt werden können. Auch sei es wichtig, dass das Gesetz mehrheitsfähig bleibe, weshalb der Bundesrat die von der UREK-NR vorgeschlagene Einführung einer Flugticketabgabe auf Privatflüge sowie eine Erhöhung der CO2-Abgabe und der Benzinsteuer ablehne.
Eintreten wurde anschliessend ohne Gegenantrag beschlossen. Die massgebenden Entscheide, die in der Detailberatung getroffen wurden, waren die folgenden:
Susanne Vincenz-Stauffachers (fdp, SG) Minderheitsantrag betraf das Emissionsreduktionsziel im Inland. Die FDP-Vertreterin beantragte, hierbei dem tieferen Inlandziel des Ständerats zu folgen. Die Mehrheit des Rates sprach sich aber dafür aus, ihrer Kommission zu folgen und legte das Inlandziel bei 75 Prozent fest. Dadurch wurde eine erste Differenz zum Erstrat geschaffen. Auch beim CO2-Ausstoss von neu in Verkehr gebrachten Fahrzeugen folgte der Rat seiner Kommission und stellte sich damit gegen den Minderheitsantrag Jauslin sowie gegen die Version des Ständerates. Eine weitere wichtige Differenz wurde mit der von der Minderheit Imark geforderten Streichung der so genannten Überführungspflicht geschaffen. Mit diesem Instrument wollte der Bundesrat Importeure von fossilen Treibstoffen verpflichten, über das Inverkehrbringen von erneuerbaren Treibstoffen einen bestimmten Anteil der CO2-Emissionen aus dem Verkehr zu vermindern. Imark monierte, dass diese Überführungspflicht den Benzinpreis massgeblich verteuern werde. Der Nationalrat stimmte dieser Streichung deutlich zu; neben der Grünen- und der GLP-Fraktion sprachen sich nur einige Mitglieder der FDP.Liberalen- sowie eine Mehrheit der Mitte-Fraktion für die Beibehaltung der Überführungspflicht aus. Bei der CO2-Abgabe auf Brennstoffen beantragte eine Minderheit Suter, dass der Bundesrat den Abgabesatz auf bis zu 180 CHF pro Tonne CO2 anheben könnte. Die Mehrheit des Rates wollte jedoch beim Vorschlag des Bundesrats, des Ständerats sowie der UREK-NR bleiben, und legte einen Abgabesatz von höchstens 120 CHF pro Tonne CO2 fest. Im Bereich der Luftfahrt lehnte der Nationalrat die Einführung einer Abgabe für Flüge mit Privatjets ab. Die geschlossen stimmenden SVP-, FDP.Liberalen- und GLP-Fraktionen sowie eine Minderheit der Mitte votierten gegen diese Abgabe. Des Weiteren gab auch die Förderung von Ladeinfrastrukturen für Elektroautos zu reden, wobei ein Antrag der Mehrheit sowie drei Minderheitsanträge vorlagen. Die Mehrheit des Rates folgte hierbei seiner Kommission und sprach sich dafür aus, in den Jahren 2025-2030 bis zu CHF 20 Mio. für diese Ladeinfrastruktur aufzubringen. Hiermit entstand eine weitere Differenz zum Ständerat, der die Förderung der Ladestationen gänzlich gestrichen hatte. Eine letzte Differenz zum Erstrat schuf die grosse Kammer bei der Thematik der Reduktion der LSVA für elektrisch oder mit alternativem Treibstoff betriebene Fahrzeuge. Der Nationalrat stimmte hierbei mehrheitlich dafür, diese LSVA-Reduktion beizubehalten; eine links-grüne Minderheit, welche von zwei FDP-Mitgliedern unterstützt wurde, blieb hier chancenlos.
In der Gesamtabstimmung votierte der Nationalrat mit 136 zu 34 Stimmen bei 26 Enthaltungen für Annahme des Entwurfs. Die Nein-Voten stammten von Mitgliedern der SVP-Fraktion; die Enthaltungen allen voran von der Mehrheit der Grünen-Fraktion.

CO2-Gesetz post 2024 (BRG 22.061)
Dossier: Wie geht es nach der Ablehnung des CO2-Gesetzes an der Urne im Juni 2021 weiter?

Der Ständerat nahm sich in der Wintersession 2023 einer Motion von Erich Hess (svp, BE) an, welche forderte, die Autobahn A1 auf den Streckenabschnitten Bern-Zürich und Lausanne-Genf auf mindestens sechs Spuren auszubauen.
Kommissionssprecher Thierry Burkart (fdp, AG) erklärte, weshalb die KVF-SR dem Rat mit 10 zu 3 Stimmen beantrage, die Motion anzunehmen: Das Stauaufkommen auf den Streckenabschnitten Bern-Zürich und Lausanne-Genf sei massiv, was sich negativ auf das Klima, die Lärmbelastung und den Ausweichverkehr in die angrenzenden Gemeinden auswirke. Der Kommission sei zwar von Bundesrat und Verwaltung mitgeteilt worden, dass mit der Annahme der Motion «keine bereits geplanten oder beschlossenen Projekte ausgelöst würden», die Ablehnung der Motion würde jedoch in den Augen der Kommissionsmehrheit bedeuten, dass das Parlament nicht hinter den beschlossenen Ausbauschritten stehe.
Eine Minderheit der KVF-SR – im Rat vertreten durch Mathias Zopfi (gp, GL) – forderte, die Motion abzulehnen. Ein Ausbau der A1 würde schlussendlich zu mehr Verkehr führen, massive CO2-Emissionen generieren und einen enormen Platzverbrauch bedeuten. Andere Massnahmen wie eine Temporeduktion seien effizienter für die Staubekämpfung und die Motion sei generell obsolet, da die Strecke auch bei Ablehnung der Motion ausgebaut werde.
Der Berner Ständerat Werner Salzmann (svp) setzte sich für die Annahme der Motion ein, sprach sich aber auch für die Berücksichtigung landwirtschaftlicher Bedenken beim Autobahnausbau aus. Bundesrat Albert Rösti versprach daraufhin, die Anliegen Salzmanns aufzunehmen.
Rösti beantragte der kleinen Kammer zudem, die Motion anzunehmen. Ein Ausbau der A1 sei nötig, da Lärm und Ausweichverkehr trotz anderer, bereits ergriffener Massnahmen sehr gross seien. Die Mobilität müsse für die Zukunft gesichert werden, auch wenn der Ausbau der A1 im Rahmen des Ausbauprogramms Step unabhängig von der Motion beschlossen worden sei. Die Ablehnung der Motion würde ein falsches Signal senden, fand auch der Bundesrat.
Der Ständerat sprach sich schliesslich mit 31 zu 12 Stimmen ohne Enthaltung für die Annahme der Motion aus, womit sie definitiv zur Umsetzung an den Bundesrat überwiesen wurde.

Autobahn A1 auf sechs Spuren ausbauen (Mo. 23.3346)

Die KVF-SR stellte sich grundsätzlich hinter die bundesrätlichen Anträge in der Botschaft zum Stand und zu Änderungen der Ausbauprogramme für die Bahninfrastruktur sowie zur Perspektive Bahn 2050. Um eine «über alle Regionen ausgewogene Weiterentwicklung des öffentlichen Verkehrs» sicherzustellen, beantragte die Kommission ihrem Rat aber, in den Ausbauschritten 2025 und 2035 verschiedene Projekte anzupassen oder neu aufzunehmen.
Die Strategie Bahn 2050 nahm die Kommission zur Kenntnis. Kommissionssprecher Wicki (fdp, NW) erläuterte, dass die Kommission den Fokus der Strategie auf kurze und mittlere Strecken grundsätzlich begrüsse, die Strecken zwischen Städten und Agglomerationen sowie der langstreckenfokussierte Güterverkehr dabei aber nicht in den Hintergrund rücken dürften. Die Kantone hätten in der Anhörung der Kommission zudem verlauten lassen, dass sie den Ausbau internationaler Verbindungen zu den grossen Städten und Tourismuszentren begrüssen würden.
Die mitberichtende FK-SR stellte keine von der bundesrätlichen Botschaft abweichenden Anträge, merkte aber an, «dass die Finanzierung der Bahninfrastruktur angesichts des Bedarfs aller Regionen eine Herausforderung bleibt».

In der Wintersession 2023 stand die Beratung des Geschäfts auf der Traktandenliste des Ständerats. In der Eintretensdebatte wurden Fragen bezüglich der langfristigen Planung der Bahnentwicklung sowie der Auswahl der Projekte laut. Stefan Engler (mitte, GR) beispielsweise bemängelte die seines Erachtens geringe parlamentarische und demokratische Legitimation der Projektauswahl, die Stossrichtung der räumlichen Entwicklung der Bahn und die Ausgestaltung der Angebotskonzepte. Er stellte zudem die Frage, warum der Marktanteil der Bahn trotz grosser Investitionen in die Infrastruktur stagniere. Auch müsse in der Planung auf das nationale Zusammenspiel der verschiedenen Planungsregionen geachtet werden, wie Benedikt Würth (mitte, SG) ergänzte. Bundesrat Rösti erläuterte in Anbetracht dieser Fragen, dass die vorliegende Strategie Bahn 2050 eine erste Stossrichtung vorgebe. Eine Konkretisierung des angestrebten Bahnausbaus und des Angebotskonzepts sowie die Möglichkeit, diese im Parlament zu beraten, stellte er für die Botschaft 2026 in Aussicht.
Eintreten wurde in der Folge ohne Gegenantrag beschlossen.
In der Detailberatung gab der erste Teil der Vorlage bezüglich Anpassungen an den Ausbauschritten 2025 und 2035 Anlass zur Debatte. Die KVF-SR beantragte ihrem Rat beim Ausbauschritt 2025, am bisherigen Beschlusstext festzuhalten und die Entflechtung in Pratteln weiterzuführen, da deren Notwendigkeit unbestritten sei. Dafür beantragte sie eine Krediterhöhung um CHF 25 Mio. Laut Kommissionssprecher Wicki sei die Verwaltung der Meinung, dass im Projekt bereits genügend Mittel zur Verfügung stehen, um die Entflechtung weiterzuführen. Die Kommission habe sich jedoch einstimmig für die Krediterhöhung ausgesprochen, «damit das Projekt ernst genommen wird». Die kleine Kammer stellte sich stillschweigend hinter den Antrag der Kommission.
Beim Ausbauschritt 2035 empfahl die KVF-SR, der vom Bundesrat beantragten Aufnahme des Vollausbaus des Lötschberg-Basistunnels, der Projektierung des multifunktionalen Grimseltunnels und dem Bau des Tunnels Morges-Perroy zuzustimmen, was der Ständerat diskussionslos genehmigte.
Zusätzlich beantragte die Kommissionsmehrheit die Aufnahme von weiteren (Teil-)Projekten. Im Projekt zur Kapazitätserweiterung auf der Strecke Luzern-Zug-Zürich schlug die Kommission vor, vier Gleise des Bahnhofs Ebikon zu verlängern. Dies werde mit dem Bau des Durchgangsbahnhofs Luzern früher oder später ohnehin notwendig und mit der frühen Aufnahme des Ausbaus könnten längere Bautätigkeiten vermieden werden. Der Kreditrahmen sollte entsprechend um CHF 100 Mio. erhöht werden. Weiter sollte im Raum Basel die S-Bahn-Haltestelle Morgartenring realisiert werden. Bei der Strecke Zürich-Chur empfahl die KVF-SR, den bisher einspurigen Streckenabschnitt Tiefenwinkel auf zwei Spuren auszubauen. Der Ständerat sprach sich diskussionslos für diese drei Projektierungen aus.
Zudem beantragte die KVF-SR ihrem Rat zwei Änderungen im Raum Westschweiz. Erstens sollten Vorstudien bzw. Projektierungen für die Projekte Arc-Express und Bypass Bussigny erstellt werden, was die kleine Kammer stillschweigend guthiess. Zweitens sollten CHF 100 Mio. bereitgestellt werden, um «Verschlechterungen in der Westschweiz im Kontext des Fahrplanwechsels aufzufangen». Kommissionssprecher Wicki sprach von einer grossen Notwendigkeit und erklärte, dass sich die Kommission mit 6 zu 5 Stimmen bei einer Enthaltung für diesen Antrag ausgesprochen habe. Bundesrat Rösti stellte sich gegen die Bereitstellung dieser Mittel, da keine konkreten Projekte vorliegen würden. Rösti führte zudem aus, dass – sollten konkrete Massnahmen nötig sein – entsprechende Gelder auf dem ordentlichen Weg beantragt werden könnten. Der Ständerat stellte sich jedoch hinter die Meinung seiner Kommission und sprach sich mit 40 zu 2 Stimmen bei einer Enthaltung für die Sprechung der Mittel aus.
Auch ein Minderheitsantrag lag zum Ausbauschritt 2035 vor. Minderheitssprecher Mathias Zopfi forderte, dass im Rahmen des Ausbaus des Zimmerberg-Basistunnels II eine Abzweigung für den angedachten Meilibachtunnel gebaut wird. Der Ausbau des Meilibachtunnels sei einerseits von zentraler Bedeutung für die Kantone Zürich, St. Gallen, Graubünden, Glarus und Schwyz sowie auch für die internationalen Zugverbindungen. Andererseits könnte die Sperrung des Zimmerberg-Basistunnels, welche ohne die Vorinvestition in die Abzweigung nötig wäre, massive Engpässe im Bahnverkehr verursachen. Kommissionssprecher Wicki ergänzte dazu, dass sich der Bau des Zimmerberg-Basistunnels leicht verzögern und Mehrkosten von CHF 100 Mio. anfallen würden, wenn die Abzweigung in den Ausbauschritt aufgenommen würde. Die Kommissionsmehrheit sei aber der Ansicht, dass die Vorinvestition mit finanziellen Risiken behaftet sei. Da bisher keine konkrete Projektierung für den Meilibachtunnel vorliege, bestehe die Gefahr, dass die investierten Mittel bei einer Projektänderung verloren gingen. Dies sei bereits beim Lötschberg-Basistunnel der Fall gewesen, als eine Abzweigung an der falschen Stelle und im falschen Winkel realisiert wurde. Die kleine Kammer sprach sich – nachdem Bundesrat Rösti versichert hatte, dass der Ausbau der Abzweigung keine «epische» zeitliche Verzögerung mit sich bringen würde – mit 40 zu 3 Stimmen bei 2 Enthaltungen für den Minderheitsantrag aus und nahm die Vorinvestition in den Ausbauschritt 2035 auf.
In der Gesamtabstimmung stellte sich die kleine Kammer einstimmig hinter diesen ersten Teil der Vorlage.
Die drei weiteren Teile der bundesrätlichen Vorlage waren unumstritten. Der Ständerat genehmigte stillschweigend die Anpassung der ZEB sowie die Verpflichtungskredite für die Ausbauschritte 2025 und 2035, welche entsprechend den vorher genehmigten Projekten erhöht wurden. In den Gesamtabstimmungen herrschte Einstimmigkeit über die Annahme der drei Beschlüsse. Somit ging die Vorlage mit den Ergänzungen in beiden Ausbauschritten zur Beratung an den Nationalrat.

Der Ständerat genehmigte zudem die Abschreibung eines Postulats und einer Motion der KVF-SR. Den Antrag auf Abschreibung für ein drittes Postulat zog Bundesrat Rösti zurück, nach dem Johanna Gapany (fdp, FR) einen entsprechenden Antrag gestellt hatte. Gapany hatte argumentiert, dass in der vorliegenden Fassung der Strategie Bahn 2050 zwar ein Fokus auf einigen lokalen Projekten bestehe, ein umfassender Masterplan bezüglich der schweizweiten Vision des Eisenbahnnetzes aber noch nicht vorliege.

Stand und Änderungen bei Ausbauprogrammen der Bahninfrastruktur und neue Langfriststrategie «Perspektive Bahn 2050» (BRG 23.055)

Im September 2023 reichte der Glarner Ständerat Matthias Zopfi (gp) eine Motion mit dem Ziel ein, keine massive Verschlechterung des öffentlichen Verkehrs aus dem und in den Kanton Glarus zuzulassen. Der Bundesrat habe mit dem Bahn-Ausbauschritt 2035 zwar beschlossen, die Zugverbindungen ins Glarnerland von einem Stunden- zu einem Halbstundentakt auszubauen, die direkte Verbindung nach Zürich bzw. Rapperswil würde jedoch eingestellt. Neu wäre auf allen Zugverbindungen in den Kanton Glarus ein Umsteigen in Ziegelbrücke nötig. Zopfi gab an, dass das Wegfallen der Direktverbindung in den und aus dem Kanton Glarus eine massive Verschlechterung für den Pendlerinnen- und Pendlerverkehr sowie für den Wirtschafts- und Tourismusstandort Glarus bedeuten würde. Er forderte vom Bundesrat, an den umsteigefreien Zugverbindungen festzuhalten.
Bundesrat Albert Rösti beantragte die Ablehnung der Motion. Das BAV überprüfe bis Ende 2024 das Angebotskonzept 2035, wobei auch die Zuganbindung des Kantons Glarus Thema der Beratungen sei. Rösti konnte aber zum Zeitpunkt der Ratsdebatte nicht garantieren, dass die Direktverbindungen aus dem und in den Kanton Glarus in das überarbeitete Angebotskonzept aufgenommen werden.
Die kleine Kammer stellte sich deutlich hinter Zopfis Anliegen. Die Motion wurde mit 33 zu 1 Stimme bei 3 Enthaltungen angenommen, womit sich auch der Nationalrat als Zweitrat mit dem Vorstoss befassen wird.

Keine massive Verschlechterung des öffentlichen Verkehrs aus dem und in den Kanton Glarus (Mo. 23.4209)

Mit einer Motion forderte Olivier Français (fdp, VD) vom Bundesrat, dass im Rahmen der Botschaft zum Stand der Ausbauschritte und zur Perspektive Bahn 2050 Massnahmen zur Erhöhung der Redundanz und Zuverlässigkeit auf der Eisenbahnachse Lausanne–Genf ausgearbeitet werden. Der Streckenabschnitt sei zentral für den Bahnverkehr in der Romandie und die häufigen Unterbrechungen auf dieser Strecke würden zu massiven Störungen führen, auch über die Westschweiz hinaus.
In der Herbstsession 2023 genehmigte der Ständerat diskussionslos einen Ordnungsantrag, dass die Motion der KVF-SR zur Vorberatung zu überweisen sei. Antragsstellerin Eva Herzog (sp, BS) hatte das Anliegen der Motion als sehr dringlich angesehen. Da in der Zwischenzeit bereits die entsprechende bundesrätliche Botschaft zum Stand der Ausbauschritte und zur Perspektive Bahn 2050 präsentiert worden war, hatte sie eine rasche Vorberatung durch die Kommission als notwendig erachtet, um inhaltliche Zweigleisigkeiten auszuschliessen, so Herzog.

Nach der Behandlung durch die KVF-SR stand die Motion bereits in der darauffolgenden Wintersession wieder auf der Traktandenliste des Ständerats. Für die KVF-SR liess Marianne Maret (mitte, VS) verlauten, dass sich die Kommission einstimmig für die Annahme der Motion ausgesprochen habe. Mit der Aufnahme eines Tunnels auf der Strecke Morges-Perroy in den Bahn-Ausbauschritt 2035 sei die Motion bloss zu einem Teil erfüllt. Würde die Motion jetzt abgelehnt, würde der Anschein erweckt, dass die kleine Kammer den Ausbauschritt 2023 als ausreichend betrachten würde. Johanna Gapany (fdp, FR) – sie hatte die Motion von Français übernommen – ergänzte, dass mit dem Tunnel Morges-Perroy nur ein 9 Kilometer langes Teilstück der insgesamt 66 Kilometer langen Strecke zwischen Lausanne und Genf besser erschlossen würde.
Bundesrat Albert Rösti beantragte hingegen die Ablehnung der Motion. Der Bundesrat anerkenne die grosse Notwendigkeit des Ausbaus der Strecke Lausanne-Genf, sei aber auch der Ansicht, «dass die notwendigen Arbeiten eigentlich angelaufen sind». Im Rahmen einer Studie sei die erste Etappe zwischen Morges und Perroy vorgeschlagen worden. In einem zweiten Schritt soll laut Rösti die Projektierung des Streckenabschnitts Nyon-Genf aufgegleist werden, was im nächsten Ausbauschritt konkretisiert werden solle. Nun sei es eine Frage der Governance, ob eine laut dem Bundesrat erfüllte Motion wie üblich abgelehnt werde oder nicht.
Trotz Röstis Ausführungen fand Français' Anliegen im Ständerat grosse Zustimmung. Die Motion wurde mit 26 zu 5 Stimmen bei 2 Enthaltungen angenommen und somit an den Nationalrat überwiesen.

Redundanz und Zuverlässigkeit auf der Eisenbahnachse Lausanne–Genf (Mo. 23.3668)

In der Wintersession 2023 befasste sich der Ständerat mit der Standesinitiative des Kantons Genf, welche die Koppelung der Versicherungsprämien an die allgemeinen Gesundheitskosten forderte.
Für die Kommission erläuterte Peter Hegglin (mitte, ZG) den Antrag, der Initiative keine Folge zu geben. Die Kommission anerkenne zwar die Problematik der ansteigenden Prämien, jedoch müssten diese trotzdem noch die OKP decken, so der Ständerat. Weiter könne bei einer fixen Koppelung schnell ein Finanzierungsdefizit bei der OKP entstehen, wenn die allgemeinen Gesundheitskosten weniger schnell anstiegen als die Kosten der OKP, die mit den Versicherungsprämien gedeckt werden. Die kleine Kammer teilte die Ansicht der vorberatenden Kommission und beschloss stillschweigend, der Standesinitiative keine Folge zu geben.

Versicherungsprämien an Gesundheitskosten koppeln (Kt.Iv. 22.321)

Im Dezember 2023 legte der Bundesrat die strategischen Ziele der SBB für die Jahre 2024-2027 fest. Da sich die bisherigen strategischen Zielsetzungen bewährt hätten, beschloss der Bundesrat, keine grundlegenden Veränderungen vorzunehmen. Aufgrund der Covid-19-Pandemie und der zunehmenden Unsicherheit auf den Energiemärkten veranlasste er aber in vier Bereichen der strategischen Ziele Anpassungen. Erstens setzte der Bundesrat einen Fokus auf die nachhaltige Finanzierung der SBB, insbesondere auf die Einhaltung des festgelegten maximalen Verschuldungsgrades. Zweitens setzte er der SBB im Güterverkehr das Ziel, sowohl in der Schweiz als auch international profitable Leistungen zu erbringen. Drittens solle die SBB ihre Energieversorgung durch den selbst produzierten Bahnstrom mindestens auf bisherigem Niveau garantieren und den Anteil an erneuerbaren Energien erhöhen. Im Energiebereich wurde die SBB zudem dazu angehalten, sich für die Erreichung der CO2-Reduktionsziele der Schweiz einzusetzen. Viertens forderte der Bundesrat, dass die SBB wie alle bundesnahen Organisationen ein Compliance Management System (CMS) vorlegt.

strategische Ziele der SBB für die Jahre 2024-2027

Nachdem der Nationalrat während der Herbstsession 2023 die Motion Roduit (mitte, VS) mit dem Titel «Endometriose. Schluss mit den medizinischen Irrungen und Wirrungen» angenommen hatte, befasste sich der Ständerat in der darauffolgenden Wintersession mit dem Geschäft. WBK-SR-Sprecherin Isabelle Chassot (mitte, FR) betonte die Relevanz, welche der Endometrioseforschung zukomme. Dennoch empfehle die Kommission, den Vorstoss abzulehnen. Die Freiburgerin begründete diese Haltung damit, dass zur Festlegung von Forschungsthemen transparente und koordinierte Regeln existierten, an denen die ständerätliche WBK festhalten wolle. Projekte zur Endometriose könnten etwa durch das NFP 83 «Gendermedizin und -gesundheit» unterstützt werden. Anders sah dies Céline Vara (gp, NE), welche die Annahme der Motion beantragte. Sie begründete ihren Antrag unter anderem damit, dass die spezifisch weibliche Krankheit Endometriose nicht in das Thema «Gender» passe und die Forschungsförderung für Endometriose verglichen mit anderen Krankheiten gering ausfalle. Weiter verwies sie auf die Petition «Endometriose – Geben Sie Betroffenen eine Stimme!» (Pet. 22.2012), welche mit über 18'000 Unterschriften eine breite Unterstützung erfahren hatte. Nichtsdestotrotz lehnte der Ständerat die Motion mit 23 zu 11 Stimmen (bei 9 Enthaltungen) ab.

Endometriose: Schluss mit den medizinischen Irrungen und Wirrungen (Mo. 22.3224)
Dossier: Behandlung der Petitionen der Frauensession 2021 in parlamentarischen Vorstössen

Im November 2023 verabschiedete der Bundesrat den Verlagerungsbericht für die Jahre 2021-2023. Generell zeichnete der Bericht ein positives Bild der Verkehrsverlagerung. Die Anzahl alpenquerender Lastwagenfahrten sei auf unter 1 Mio. jährlich gesunken, auch wenn das angestrebte Ziel von höchstens 605'000 alpenquerenden Lastwagenfahrten erneut verpasst worden sei. Der Schienengüterverkehr habe einen Marktanteil von rund 73 Prozent erreicht, was laut dem Bericht einer Steigerung von 3.1 Prozent im Vergleich zum Jahr 2020 entspreche. Die Zunahme des Schienengüterverkehrs sei insbesondere durch die Fertigstellung des Ceneri-Basistunnels und des Vier-Meter-Korridors – der Aufrüstung der Bahninfrastruktur für Eisenbahnwagen mit vier Metern Eckhöhe – begünstigt worden. Der Anteil des schienenseitigen Güterverkehrs stagniere jedoch seit 2022.
Mit Blick auf die Umwelt- und Lärmbelastung zeigte sich der Bundesrat noch nicht zufrieden mit dem erreichten Fortschritt. Insbesondere auf der Alpensüdseite sei die Luftschadstoffbelastung noch zu hoch. Im Bereich der Lärmbelastung verzeichnete der Bericht zwar eine teilweise Verbesserung aufgrund von Lärmsanierungen, die Belastung sei grundsätzlich aber noch zu hoch.
Obwohl nicht alle angestrebten Ziele des vorherigen Verlagerungsberichts erreicht werden konnten, zeigte sich der Bundesrat im Bericht zufrieden mit der allgemeinen Wirksamkeit der Instrumente zur Verkehrsverlagerung, namentlich mit der NEAT, der LSVA und der Bahnreform. Punktuell schlug der Bundesrat aber Massnahmen vor, um das Verlagerungspotential des alpenquerenden Güterverkehrs stärker auszuschöpfen. So schlug er im Bericht beispielsweise vor, die bisher fixen Tarife der LSVA der allgemeinen Teuerung anzupassen, was dem Schienengüterverkehr zugute kommen soll. Auch solle der schienenseitige Güterverkehr auf kurzen Distanzen bis 600 km stärker gefördert werden. Zudem präsentierte der Bundesrat weitere Massnahmen wie die Weiterführung der sogenannten Rollenden Landstrasse bis 2028 oder den Verzicht auf eine Erhöhung des Bahnstrompreises.
Mit der Veröffentlichung des Verlagerungsberichts erachtete der Bundesrat zudem drei parlamentarische Vorstösse als erfüllt (Po. 21.3076, Po. 22.3001 und Mo. 22.3013).

Verlagerungsbericht 2023
Dossier: Verlagerungsberichte seit 2011

Per Standesinitiative forderte der Kanton Solothurn im Mai 2023 das eidgenössische Parlament auf, Massnahmen zur landesweiten Sicherstellung der Versorgung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie zu ergreifen. Dies soll mittels Schaffung einer nationalen Tarifstruktur und einer Ausbildungsoffensive für Fachpersonen geschehen.
Anfang November 2023 befasste sich die SGK-SR mit dem Solothurner Begehren und gab diesem mit 4 zu 3 Stimmen Folge. Sie anerkenne den Handlungsbedarf sowie die Notwendigkeit für eine Anpassung der Tarife und für eine Ausbildungsinitiative, bei der Versorgung müsse die Zuständigkeit aber bei den Kantone verbleiben, so die Kommission.

Versorgungssicherheit der Kinder- und Jugendpsychiatrie (St.Iv. 23.309)

Im September 2022, kurz vor der Bekanntgabe der Krankenkassenprämien 2023, reichte der Grosse Rat des Kantons Genf eine Standesinitiative ein, mit der er die Koppelung der Krankenkassenprämien an die allgemeinen Gesundheitskosten forderte. Dies sei aufgrund der grossen und steigenden Belastung der Haushalte durch die Gesundheitskosten nötig, wurde argumentiert. Zudem mache diese Forderung eine einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen, wie sie im eidgenössischen Parlament beraten werde, nötig und führe zu einer allgemeinen Kostensenkung und einem Abbau der Krankenkassenreserven. Die vorberatende SGK-SR empfahl die Standesinitiative einstimmig zur Ablehnung, zumal unklar sei, wer bei einem Kostenanstieg der OKP bezahlen müsste.

Versicherungsprämien an Gesundheitskosten koppeln (Kt.Iv. 22.321)

In der Herbstsession 2023 bereinigte das Parlament sowohl die Prämien-Entlastungs-Initiative der SP als auch deren indirekten Gegenvorschlag. Den Anfang machte der Nationalrat, der dem Ständerat beim indirekten Gegenvorschlag in allen offenen Differenzen trotz anderslautender Kommissionsanträge zustimmte. Dadurch setzte sich der Ständerat unter anderem mit seiner Vorstellung des Gegenvorschlags durch, «der bezüglich der finanziellen Auswirkungen nochmals milder ausgestaltet ist als derjenige des Bundesrates», wie es Kommissionssprecher Mäder (glp, ZH) formulierte. So verzichtete der Nationalrat darauf, dass der Bundesrat den Kantonen vorschreiben darf, wie die Prämien und das verfügbare Einkommen zur Festlegung des Kantonsanteils der Prämienverbilligungen berechnet werden. Hier folgte der Rat einer Minderheit de Courten (svp, BL), während die Kommissionsmehrheit an ihrer Position hatte festhalten wollen.
Die zweite grosse offene Frage betraf den Mindestanteil der OKP-Bruttokosten, den die Kantone übernehmen müssen, sowie damit verbundene Regelungen. Hier lagen drei Konzepte vor. Der Bundesrat hatte hier ursprünglich vorgeschlagen, dass die Kantone mindestens 5 Prozent der Bruttokosten übernehmen müssen, wenn die Prämien weniger als 10 Prozent des Einkommens der einkommensschwächsten Personen ausmachen. Bei Prämien in der Höhe von 18.5 Prozent des Einkommens wären es im Minimum 7.5 Prozent der Bruttokosten, dazwischen sollte es eine lineare Abstufung geben. Diesem Vorschlag wollte auch eine Minderheit I Prelicz-Huber (gp, ZH) folgen. Die Kommissionsmehrheit wollte hingegen dem Ständerat folgen, der den minimalen Grenzwert bei 11 statt 10 Prozent und die bei diesem Grenzwert zu übernehmenden Anteile der Bruttokosten bei 3.5 statt 5 Prozent festlegen wollte. Kommissionssprecher Roduit (mitte, VS) erachtete damit das Hauptziel des Gegenvorschlags, die Verpflichtung der Kantone zur Prämienverbilligung an die bedürftigsten Personen, als erfüllt. Gleichzeitig verhindere man damit eine Überlastung des Gemeinwesens. Eine Minderheit Meyer (sp, ZH) war, ebenso wie die Minderheit I Prelicz-Huber, der Ansicht, der Mehrheitsvorschlag decke «nicht mal einen Bruchteil der Kosten der Prämienexplosion von diesem Jahr [...] ab[...]», und forderte eine deutlich stärkere Prämienverbilligung als von der Mehrheit und vom Bundesrat vorgeschlagen. Mit 105 zu 86 Stimmen (bei 1 Enthaltung) und 104 zu 86 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) sprach sich der Nationalrat zugunsten des Mehrheitsantrags gegen beide Minderheitsanträge aus. Erneut setzten sich die SVP- sowie Mehrheiten der FDP- und der Mitte-Fraktionen durch.

Nachdem der Nationalrat tags zuvor den indirekten Gegenvorschlag bereinigt hatte, setzte der Ständerat die Debatte zur Initiative fort. In zahlreichen Wortmeldungen legten die Sprechenden abschliessend noch einmal ihre Gründe für und gegen die Initiative dar, die im Rahmen der Debatte zum indirekten Gegenvorschlags ebenfalls bereits ausführlich erläutert worden waren. Abschliessend entschied sich der Ständerat, Stimmbevölkerung und Kantonen die Initiative mit 33 zu 11 Stimmen zur Ablehnung zu empfehlen. Einzig die Mitglieder der SP- und der Grünen-Fraktion sprachen sich für eine Empfehlung auf Annahme aus.

In den Schlussabstimmungen Ende der Herbstsession 2023 hiess der Nationalrat den Bundesbeschluss mit der Ablehnungsempfehlung mit 123 zu 70 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) gut, der Ständerat mit 32 zu 11 Stimmen (bei 1 Enthaltung). Den indirekten Gegenvorschlag nahm das Parlament, abgesehen von einer ablehnenden Stimme eines Mitglieds der Mitte-Fraktion im Ständerat (41 zu 1 Stimmen bei 2 Enthaltungen), beinahe einstimmig an (Nationalrat: 195 zu 0 Stimmen bei 1 Enthaltung). Die SP zeigte sich mit dem indirekten Gegenvorschlag jedoch nicht abschliessend zufrieden und kündigte an, an ihrer Initiative festzuhalten. Über diese wird folglich im Jahr 2024 abgestimmt werden.

Eidgenössische Volksinitiative «Maximal 10 Prozent des Einkommens für die Krankenkassenprämien (Prämien-Entlastungs-Initiative)» und indirekter Gegenvorschlag (BRG 21.063)
Dossier: Anstieg der Krankenkassenprämien dämpfen (seit 2020)
Dossier: Prämienverbilligung
Dossier: Volksinitiativen zum Thema «Krankenkasse» (seit 2015)

In der Herbstsession 2023 bereinigte das Parlament den indirekten Gegenvorschlag zur Kostenbremse-Initiative. Dabei folgte der Ständerat in den meisten verbliebenen Differenzen dem Erstrat. Bei den Tarifverträgen mit den Spitälern stimmte er der Schaffung einer subsidiären Kompetenz für den Bundesrat zu, wonach dieser in die Tarifstruktur des stationären Bereichs eingreifen kann. Zwar wollte die Mehrheit der SGK-SR an ihrer ablehnenden Position festhalten, die kleine Kammer folgte jedoch mit 27 zu 13 Stimmen (bei 1 Enthaltung) einem Einzelantrag Hegglin (mitte, ZG) auf Einlenken. Erich Ettlin (mitte, OW) hatte für die Kommissionsmehrheit auf das gute Funktionieren der Tarifpartnerschaft im stationären Bereich hingewiesen, Peter Hegglin befürwortete die subsidiäre Kompetenz des Bundesrates jedoch als Druckmittel bei zukünftigen harzigen Tarifverhandlungen. Auch bezüglich der Evaluation von Leistungen, die allenfalls die WZW-Kriterien nicht mehr erfüllen, folgte der Ständerat in den meisten Detailfragen dem Nationalrat, lehnte aber weiterhin dessen Forderung ab, dass eine solche Evaluation zwingend von verwaltungsunabhängigen Dritten durchgeführt werden muss.

Auf Anraten seiner Kommissionsmehrheit folgte der Nationalrat daraufhin dem Ständerat und strich die Regelung mit 109 zu 77 Stimmen (bei 1 Enthaltung) gegen den Willen der SVP- und FDP-Fraktion aus dem Entwurf. Auch die neu per Rückkommensantrag vorgeschlagene Titeländerung der SGK-NR – neben der Kostendämpfung sollten auch die Kostenziele in den Titel aufgenommen werden – hiessen der Nationalrat und anschliessend auch der Ständerat stillschweigend gut.

Bereits in der letzten Behandlungsrunde hatte der Ständerat auch den Bundesbeschluss über die Volksinitiative «für tiefere Prämien – Kostenbremse im Gesundheitswesen (Kostenbremse-Initiative)», mit dem das Parlament die Initiative zur Ablehnung empfiehlt, mit 29 zu 14 Stimmen (bei 1 Enthaltung) gutgeheissen. Den Antrag Hegglin auf Annahme der Initiative hatten sämtliche Mitglieder der Mitte-Fraktion sowie der parteilose Thomas Minder (parteilos, SH) unterstützt. Da der Nationalrat die Initiative bereits in der Sommersession 2022 zur Ablehnung empfohlen hatte, waren nun beide Bundesbeschlüsse bereit für die Schlussabstimmungen.

In den Schlussabstimmungen bekräftigte der Ständerat die Ablehnungsempfehlung für die Initiative mit 20 zu 14 Stimmen (bei 10 Enthaltungen) und der Nationalrat mit 110 zu 31 Stimmen (bei 55 Enthaltungen). Die Stimmen für eine Annahmeempfehlung im Nationalrat stammten neben der Mitte-Fraktion auch von zwei Mitgliedern der SVP-Fraktion, die Enthaltungen von der Mehrheit der SP- und der Grünen-Fraktion sowie von zwei Mitgliedern der SVP-Fraktion. Der indirekte Gegenvorschlag wurde mit 39 zu 1 Stimme (bei 4 Enthaltungen; Ständerat) respektive mit 163 zu 0 Stimmen (bei 33 Enthaltungen; Nationalrat) angenommen. Hier stammten die Enthaltungen im Nationalrat hauptsächlich von der Grünen Fraktion. Damit war die Initiative bereit für die Volksabstimmung, zu der es wohl auch kommen wird. Die Mitte-Partei erklärte, trotz Gegenvorschlag an ihrer Initiative festhalten zu wollen, da ihr der Gegenvorschlag zu wenig weit gehe.

Eidgenössische Volksinitiative «Für tiefere Prämien – Kostenbremse im Gesundheitswesen» (BRG 21.067)
Dossier: Anstieg der Krankenkassenprämien dämpfen (seit 2020)
Dossier: Volksinitiativen zum Thema «Krankenkasse» (seit 2015)

Ende September 2021 reichte Christine Bulliard-Marbach (mitte, FR) ein Postulat zur Sicherstellung der medizinischen Grundversorgung im ländlichen Raum und in den Bergregionen ein. Sie forderte vom Bundesrat einen Bericht mit Massnahmen und Strategien, die es den lokalen Akteurinnen und Akteuren erlauben, die Gesundheitsversorgung auch in diesen Regionen zu garantieren. Zwei Jahre nachdem das Geschäft eingereicht worden war, wurde es im Nationalrat behandelt. Vor ihren Ratskolleginnen und -kollegen erläuterte die Postulantin die Dringlichkeit ihres Anliegens. Während die medizinische Versorgung immer mehr nachgefragt werde, gebe es immer weniger Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner in ländlichen Regionen und Bergregionen. Dies habe zur Folge, dass Gesundheitsprobleme zu spät festgestellt würden und als Konsequenz aufwendigere Therapien notwendig seien. Zudem suchten die in den betroffenen Regionen wohnhaften Personen deshalb bei einem Problem oft direkt die Notfallaufnahme eines Spitals auf. Beides führe zu höheren Kosten. Daher sollten innovative Ansätze überprüft werden – etwa digitale Diagnose- und Betreuungsmöglichkeiten, mobile Praxen oder Fahrdienste. Gesundheitsminister Alain Berset anerkannte zwar die Wichtigkeit des Anliegens, beantragte in Anbetracht zweier bereits überwiesener Postulate (Po. 23.3864; Po. 23.3678), bei deren Erfüllung schon auf die Forderungen der Postulantin eingegangen werde, aber die Ablehnung des Vorstosses. Mit 100 zu 78 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) nahm der Nationalrat das Postulat an. Während sich die Fraktionen der SP, der Grünen und der Mitte geschlossen respektive mit einer Enthaltung für den Vorstoss aussprachen, stimmten die GLP-, SVP- und FDP.Liberalen-Fraktionen einstimmig respektive grossmehrheitlich gegen das Postulat.

Die medizinische Grundversorgung im ländlichen Raum und in den Berggebieten sicherstellen (Po. 21.4226)

Nachdem der Abschreibungsantrag zum Postulat Frehner (svp, BS) zu den Massnahmen gegen die Überversorgung im Gesundheitswesen im Jahr 2017 vom Nationalrat abgelehnt worden war, erfolgte die Abschreibung durch die grosse Kammer im Herbst 2023. Sie stand in Zusammenhang mit dem zweiten Massnahmenpaket zur Kostendämpfung, mit welchem sich der Nationalrat während der Herbstsession 2023 erstmals befasste.

Massnahmen gegen die Überversorgung im Gesundheitswesen

In der Herbstsession 2023 startete der Nationalrat in die Beratung des zweiten Massnahmenpakets zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen. Der Rat stand dabei unter dem Einfluss des zwei Tage zuvor verkündeten grossen Prämienanstiegs für das Jahr 2024, auf den zahlreiche Sprechende Bezug nahmen. Andri Silberschmidt (fdp, ZH) und Benjamin Roduit (mitte, VS) präsentierten dem Rat die Vorlage sowie die Mehrheitsposition der SGK-NR: Der bundesrätliche Entwurf setze weitere Empfehlungen des Expertenberichts sowie dreizehn Vorstösse des Parlaments um. Die Kommissionsmehrheit sei nicht mit allen Massnahmen einverstanden und habe folglich vier grosse Änderungsanträge gestellt. Bevor sich der Nationalrat jedoch mit diesen befasste, lagen ihm ein Minderheitsantrag de Courten (svp, BL) auf Nichteintreten sowie ein Minderheitsantrag Weichelt (al, ZG) auf Rückweisung an den Bundesrat vor. Thomas de Courten bezeichnete die Vorlage als «Flickwerk, bei dem wir nicht wissen, was wir damit tatsächlich erreichen», und kritisierte, dass die wirklich wirksamen Massnahmen darin nicht enthalten seien. Er zog den Nichteintretensantrag jedoch zurück in der Hoffnung, dass man mit der Vorlage «wenigstens einen Schritt weiterkomme[...]», denn aufgrund des erneuten Prämienanstiegs sei es dringend, dass man Lösungen finde. Manuela Weichelt kritisierte hingegen ob der zahlreichen anstehenden Reformprojekte den «Gesetzes-Hyperaktivismus» in diesem Themenbereich sowie die bei Pharmaunternehmen und Krankenversicherungen angestellten Mitglieder der SGK. Sie forderte den Bundesrat auf, nach Rückweisung den Präventionsgedanken sowie eine Koordination zwischen Apotheken und Ärzteschaft in die Vorlage zu integrieren, mit einem runden Tisch die Problematik der Netzwerke in der koordinierten Versorgung zu lösen und auf Einschränkungen des Öffentlichkeitsprinzips zu verzichten. Mit 156 zu 23 Stimmen (bei 11 Enthaltungen) fand der Rückweisungsantrag jedoch nur bei der Grünen-Fraktion und einem Mitglied der SVP-Fraktion Zustimmung.

In der Detailberatung debattierte der Nationalrat die Vorlage in zwei Blöcken. Im ersten Block behandelte er unter anderem die Netzwerke zur koordinierten Versorgung sowie die Leistungen der Apothekerinnen und Apotheker. Dabei lehnte er das Herzstück dieses Projekts, wie es Gesundheitsminister Berset formulierte, ab: die Schaffung einer neuen Kategorie der Leistungserbringenden, den Netzwerken zur koordinierten Versorgung. Diese sollten die Koordination der Behandlung einer Person über alle Leistungserbringenden hinweg übernehmen, wofür sie etwa auch Koordinationsleistungen in Rechnung stellen könnten. Gemäss bundesrätlichem Vorschlag müssten die Netzwerke unter anderem von einer Ärztin oder einem Arzt geleitet werden und über einen kantonalen Leistungsauftrag verfügen. Während die Kommissionsmehrheit gänzlich auf diese neue Kategorie der Leistungserbringenden verzichten wollte, weil die Einführung einer neuen Kategorie mit grossem Aufwand verbunden wäre und ähnliche Netzwerke auch ohne diese ausführlichen Regelungen bereits existierten, schlug eine Minderheit Maillard (sp, VD) einige Änderungen an der bundesrätlichen Version vor – etwa einen Verzicht auf einen kantonalen Leistungsauftrag. Mit 117 zu 67 Stimmen (bei 7 Enthaltungen) folgte der Nationalrat dem Mehrheitsantrag und sprach sich somit gänzlich gegen die Schaffung einer gesetzlichen Regelung der Netzwerke aus.

Umstritten war im Nationalrat auch, welche Leistungen von Apothekerinnen und Apothekern und von Hebammen zukünftig von der OKP übernommen werden sollen. Dabei entschied sich der Nationalrat, die bundesrätlichen Regelungen, mit denen unter anderem die Motionen Humbel (mitte, AG; Mo. 18.3977) und Ettlin (mitte, OW; Mo. 18.4079) umgesetzt werden sollten, noch auszubauen. Erstens willigte er ein, dass Apotheken zukünftig selbstständig bestimmte Leistungen zulasten der Krankenkassen abrechnen können, etwa im Rahmen von Präventionsprogrammen. Zweitens ergänzte er entgegen einem Minderheitsantrag Glarner (svp, AG) die neue Regelung des Bundesrates, wonach zukünftig auch bestimmte «pharmazeutische Beratungsleistungen» der Apothekerinnen und Apotheker übernommen werden sollen, um eine Abgeltung von Analysen und der Abgabe von MiGeL-Artikeln. Drittens folgte der Nationalrat bei den Hebammen einem Einzelantrag Wismer (mitte, LU), der die Übernahme der Leistungen durch die OKP auf alle notwendigen Arzneimittel, Analysen und Gegenstände der MiGeL, welche Hebammen während Schwangerschaft, Niederkunft und im Wochenbett verschreiben, erweiterte. Eine Minderheit Schläpfer (svp, ZH) hatte diese Änderungen aus Angst vor einer Mengenausweitung bekämpft. Stillschweigend hiess die grosse Kammer schliesslich auch die Ausdehnung der Kostenbefreiung auf den Beginn der Schwangerschaft gut, wie sie der Bundesrat in Umsetzung einer Motion Kälin (gp, AG; Mo. 19.3070) und einer Motion Addor (svp, VS; Mo. 19.3307) vorgeschlagen hatte.

Schliesslich wollte die Kommissionsmehrheit eine neue Regelung schaffen, wonach die Krankenversicherungen ihre Klientinnen und Klienten über bezogene Leistungen, Massnahmen zur Verhütung von Krankheiten sowie über Angebote für bessere Wirtschaftlichkeit (z.B. über mögliche Generika) informieren und den Leistungserbringenden bei Einwilligung der Patientinnen und Patienten Informationen über bezogene Leistungen zukommen lassen könnten. Eine Minderheit Wasserfallen (sp, BE) lehnte diese neue Möglichkeit ab, da die Versicherungen nicht über die Krankenakten verfügten, die Diagnose nicht kennen würden und allgemein nicht für medizinische Ratschläge ausgebildet seien. Somit führten ihre Beratungen nur zu Verunsicherung bei den Patientinnen und Patienten. Dennoch setzte sich die Kommissionsmehrheit mit 122 zu 69 Stimmen durch. Keine Diskussionen löste die Schaffung von Referenztarifen für die Behandlung in Spitälern ausserhalb des Wohnkantons aus, mit denen der Bundesrat in Umsetzung einer Motion der SGK-NR (Mo. 18.3388) den Wettbewerb fördern wollte.

Im zweiten Block standen die Arzneimittel im Mittelpunkt, wobei vor allem eine differenzierte Prüfung der WZW-Kriterien sowie Preismodelle und Rückerstattungen diskutiert wurden. Bei den WZW-Kriterien folgte der Nationalrat seiner Kommission, welche nur Arzneimittel mit sehr tiefen Preisen oder Arzneimittel, bei denen die Versorgungssicherheit gefährdet ist, von der Preisüberprüfung ausnehmen wollte.
Besonders umstritten waren die Preismodelle, deren Regelung der Bundesrat (unter anderem in Umsetzung einer Motion Dittli (fdp, UR; Mo. 19.3703)) neu ins KVG aufnehmen wollte. Bereits heute können die Zulassungsinhabenden bis zu 25 Prozent Rabatt auf den Listenpreis gewähren, wobei diese Rabatte geheim sind – der Bundesrat wollte sie denn auch ausdrücklich vom Öffentlichkeitsprinzip ausnehmen. Kommissionssprecher Silberschmidt verteidigte diese Möglichkeit damit, dass man dadurch CHF 300 Mio. jährlich sparen könne, was bei entsprechender Transparenz nicht möglich sei. Die Kommissionsmehrheit ergänzte eine Regelung, mit der sie sicherstellen wollte, dass das BAG die Zulassungsinhabenden nicht zu entsprechenden Rabatten verpflichten könnte. Das Transparenzproblem wollte die Mehrheit der SGK-NR lösen, indem eine unabhängige Kommission regelmässig einen Bericht über die Preismodelle erstellt. Zudem wolle man in einem Postulat auch einen Beitritt zur Beneluxa-Initiative prüfen, welche international die «Informationsasymmetrie zwischen Zulassungsinhaberinnen und Behörden verringer[ n]» möchte, wie die Kommission im Postulatstext schrieb. Eine Minderheit Weichelt beantragte, auf die Geheimhaltung der Informationen zu diesen Preismodellen zu verzichten, der Nationalrat hiess die Bestimmungen in der von der Kommissionsmehrheit vorgeschlagenen Form jedoch gut.
Schliesslich folgte die grosse Kammer ihrer Kommissionsmehrheit stillschweigend auch bei der Schaffung eines provisorischen Preises für Medikamente im Zulassungsverfahren. So würden die Krankenversicherungen bisher in der Zeit zwischen der Zulassung eines Medikaments durch Swissmedic und der Preisfestsetzung durch das BAG in jedem Fall einzeln entscheiden, ob sie ein Medikament vergüten. Um dies zu verhindern, soll das BAG einen provisorischen Preis festlegen und entweder die Pharmafirmen oder die Versicherungen bei Bekanntwerden des definitiven Preises die entsprechenden Preisdifferenzen vergüten müssen.

In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat den Entwurf mit 131 zu 28 Stimmen (bei 32 Enthaltungen) an, wobei die Nein-Stimmen von der Mehrheit der Grünen- und einzelnen Mitgliedern der SVP-Fraktion stammten, die Enthaltungen von der Mehrheit der SP-, den restlichen Mitgliedern der Grünen- und einzelnen Mitgliedern der SVP-Fraktion.

Zweites Massnahmenpaket zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen (BRG 22.062)
Dossier: Anstieg der Krankenkassenprämien dämpfen (seit 2020)

Im Juni 2022 reichte die SGK-NR ein Postulat zum Thema «Betreuung von Menschen mit Demenz» ein. Konkret wollte sie den Bundesrat mit der Ausarbeitung eines Berichts betrauen, in dem dargelegt wird, wie die Finanzierung dieser Betreuungsleistungen ortsunabhängig verbessert werden kann. Das Geschäft kam in der Herbstsession 2022 in den Nationalrat, wo Barbara Gysi (sp, SG) und Benjamin Roduit (mitte, VS) das Kommissionsanliegen vorstellten. Bis 2050 sei zu erwarten, dass die Zahl an Menschen mit Demenzerkrankung in der Schweiz um 300'000 Personen zunehmen werde – heute lebten hierzulande rund 147'000 Personen mit dieser Krankheit. Dabei übernähmen Angehörige einen signifikanten Anteil der anfallenden Kosten und würden fast die Hälfte der Betreuungsleistungen erbringen. Gysi erklärte, dass es zwar bereits verschiedene Arbeiten zur Thematik gebe, dass es nun aber «konkrete[r] Massnahmen» bedürfe, um tatsächlich eine Verbesserung der Betreuungssituation zu erzielen. Eine Minderheit Aeschi (svp, ZG) empfahl das Postulat zur Ablehnung. Thomas Aeschi verwies auf die Nationale Plattform Demenz, im Rahmen derer sechs Schwerpunkte definiert wurden, welche den geforderten Bericht obsolet machten. Ebenfalls gegen den Vorstoss sprach sich Gesundheitsminister Berset aus. Auch nach Ansicht des Bundesrates könnten die von der Kommission aufgeworfenen Fragen im Zuge der laufenden Arbeiten geklärt werden. Mit 115 zu 71 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) folgte die Ratsmehrheit der Kommissionsmehrheit und nahm das Postulat an. Die Fraktionen der SP, GLP, der Mitte und der Grünen stimmten geschlossen für Annahme des Vorstosses, die Fraktion der SVP geschlossen dagegen. Einzig die FDP-Fraktion zeigte sich gespalten, wobei das fraktionsinterne Nein-Lager deutlich in Überzahl war.

Betreuung von Menschen mit Demenz. Finanzierung verbessern (Po. 22.3867)

Im Juni 2023 verlangte Damian Müller (fdp, LU) in einer Motion die Schaffung einer Regelung zur Finanzierung der Kosten für das Dolmetschen im Gesundheitswesen. So seien sachgerechte medizinische Behandlungen nur bei adäquater Verständigung gewährleistet, weshalb es möglich sein sollte, diese Kosten als Bestandteil der Leistungserbringung abzurechnen. Aktuell fehlten aber entsprechende Regelungen auf nationaler Ebene.
Dieser Darstellung widersprach der Bundesrat, der Übersetzungsdienste nicht als Leistungen erachtete, «die der direkten Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen». Folglich seien Dolmetschende auch keine Leistungserbringenden, könnten aber in bestimmten Fällen als «Teil der medizinischen Leistung» erachtet werden. Für diese Fälle müssten sich jedoch Versicherungen und Leistungserbringende über die Verrechnung einigen, etwa im Rahmen ihrer Verträge. Folglich bedürfe es keiner Gesetzesänderung, weshalb der Bundesrat die Motion zur Ablehnung empfehle.
In der Herbstsession 2023 nahm der Ständerat den Vorstoss mit 19 zu 14 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) an.

Finanzierung der Kosten für das Dolmetschen im Gesundheitswesen (Mo. 23.3673)

Was im Laufe des Jahres 2023 bereits vermutet worden war, bestätigte der Bundesrat im September 2023: Erneut stiegen die Krankenkassenprämien auf das kommende Jahr 2024 um durchschnittlich 8.7 Prozent. Damit hatte sich der Anstieg der mittleren Prämie gegenüber dem Vorjahr (6.6%) sogar noch vergrössert. Die Prämien folgten insbesondere dem Anstieg der Gesundheitskosten, welcher sich Ende Jahr wohl auf 5.3 Prozent belaufen werde, erklärte die Regierung. Der Anstieg der Gesundheitskosten wiederum könne insbesondere durch die «alternde Bevölkerung, neue Medikamente und Behandlungen sowie eine Zunahme der Gesundheitsleistungen» erklärt werden. Zusätzlich sei der Anstieg aber auch darauf zurückzuführen, dass die Prämien 2023 nicht kostendeckend gewesen seien, da unerwartet viele Krankenkassen- oder Franchisenwechsel zu tieferen Prämieneinnahmen geführt hätten, als erwartet worden war. Zudem sei es dieses Jahr nicht mehr möglich gewesen, übermässig hohe Krankenkassenreserven zur Prämiensenkung einzusetzen, da diese bereits 2022 zur Deckung von Anlageverlusten und höheren pandemiebedingten Kosten verwendet worden seien, erklärte die Regierung.

Die Medien, die bereits im Vorfeld über einen Prämienanstieg spekuliert hatten, bekräftigten ihre Forderung an die Politik, «endlich» den Prämienanstieg zu stoppen. In zahlreichen Artikeln wurden Möglichkeiten präsentiert, wie im Gesundheitswesen Kosten gespart werden könnten. Gleichzeitig anerkannten die Medien aber auch die Schwierigkeit, in einem Bereich mit so vielen direktbetroffenen Akteuren breit abgestützte und mehrheitsfähige, umfassende Lösungen zu finden.

Krankenkassenprämien 2024
Dossier: Prämien- und Kostenentwicklung in der Krankenversicherung (seit 2010)

Die SGK-SR anerkannte im Juni 2023 die vom Bundesrat angesprochenen Verbesserungen im Bereich der Health Technology Assessments (HTA-Verfahren), etwa durch eine Erhöhung der entsprechenden Ressourcen, durch eine Zunahme der HTA-Studien oder durch ihre Stärkung im Rahmen des indirekten Gegenvorschlags zur Kostenbremse-Initiative. Die Mehrheit der Kommission erachtete die Motion Nantermod (fdp, VS) für eine bessere Kosteneffizienz im Gesundheitssystem dank einer Stärkung des HTA deshalb bereits vor ihrer Behandlung im Rat als erfüllt und empfahl sie zur Ablehnung. Eine Minderheit Dittli (fdp, UR) erhoffte sich aber von einer konsequenteren Umsetzung der HTA noch weitere Einsparungen und empfahl die Motion deshalb zur Annahme. Mit 21 zu 14 Stimmen sprach sich der Ständerat jedoch im Sinne der Mehrheit für eine Ablehnung der Motion aus, womit diese erledigt war.

Bessere Kosteneffizienz im Gesundheitssystem dank einer Stärkung des HTA (Mo. 21.3154)

Die Revision des CO2-Gesetzes für die Periode 2025–2030 stand in der Herbstsession 2023 auf dem Programm des Ständerates, welcher die umfassende Vorlage als Erstrat beriet.
Kommissionssprecher Damian Müller (fdp, LU) erläuterte dem Rat die Ausgangslage dieser Gesetzesrevision: Die gesetzliche Lücke, die durch die Ablehnung der Totalrevision des CO2-Gesetzes im Juni 2021 an der Urne entstanden war, habe teilweise mit dem Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative, welcher seinerseits ein Referendum überstehen musste, geschlossen werden können. Da diese Vorlage jedoch vor allem die Ziele und weniger die Massnahmen für die Erreichung des Netto-Null-Ziels enthielt, liege nun der neue Gesetzesentwurf vor. Anschliessend stellte Müller die Vorlage des Bundesrates sowie die Anträge der Kommission kurz vor und betonte, dass mit diesen Anträgen das Ziel der Halbierung der CO2-Emissionen bis 2030 immer noch erreicht werden könne, es müsse nun jedoch zügig gehandelt werden. Für Lisa Mazzone (gp, GE), die sich als einziges Mitglied des Plenums im Rahmen der Eintretensdebatte äusserte, gingen der Gesetzesentwurf des Bundesrates und auch die Version der Kommissionsmehrheit zu wenig weit. Sie warnte davor, dass die Schweiz mit der CO2-Reduktion ins Hintertreffen geraten werde; ab 2030 müssten in der Folge drastischere Massnahmen ergriffen werden, falls man das Pariser Klimaziel noch erreichen wolle. Mazzone kritisierte die Kommissionsmehrheit auch dafür, dass sie zu viele CO2-Reduktionen im Ausland vornehmen lassen möchte. Dies sei eine verpasste Chance für die Schweizer Wirtschaft und koste die Bundeskasse viel Geld. Umweltminister Albert Rösti wiederum dankte der Kommission, dass sie das Gesetz zügig und «ohne grosses Aufladen» beraten habe. Er wies zudem darauf hin, dass auch der in derselben Session beschlossene Mantelerlass zur Revision des Energiegesetzes und des Stromversorgungsgesetzes einen wichtigen Meilenstein bei der Erreichung des Netto-Null-Ziels darstelle, denn nur wenn die Schweiz über genügend Strom verfüge, könne sie die Dekarbonisierung einleiten. Eintreten wurde anschliessend ohne Gegenantrag beschlossen.

Die wichtigsten Änderungen im Vergleich zum Entwurf des Bundesrates nahm die kleine Kammer in der anschliessenden Detailberatung bei folgenden Punkten vor: Der Bundesrat und eine Minderheit Zanetti (sp, SO) forderten dazu auf, die Ladeinfrastrukturen für Elektrofahrzeuge in Mehrparteien- und Firmengebäuden und auf öffentlichen Parkplätzen mit CHF 30 Mio. zu unterstützen. Die Mehrheit des Ständerates lehnte dies jedoch ab. Gegen eine Änderung sprachen sich die Mehrheit der Kommission sowie des Rates auch bei der LSVA aus: Wie bis anhin sollen Lastwagen, die mit Strom oder Wasserstoff fahren, von der LSVA befreit werden können. Man wollte hier für allfällige Anpassungen die Vernehmlassung des Bundes zu einer umfassenden Revision der LSVA abwarten. Angenommen wurde auch ein Mehrheitsantrag der UREK-SR, der verlangte, dass die EHS-Abgaben aus dem Luftverkehr nicht nur für die Förderung von Nachtzugangeboten, sondern auch für die Produktion von erneuerbaren, nachhaltigen Flugtreibstoffen eingesetzt werden können. Schliesslich darf die Teilzweckbindung der Erträge aus der CO2-Abgabe nicht vorübergehend angehoben werden, wie es der Bundesrat für die weitere Unterstützung des Gebäudeprogramms beantragt hatte – hier folgte die kleine Kammer einem Minderheitsantrag Knecht (svp, AG).

Diskussionen, aber keine Änderung des bundesrätlichen Entwurfs gab es in den folgenden Bereichen: Eine Minderheit Reichmuth (mitte, SZ) beantragte, dass die Emissionsreduktionen zu mindestens 75 Prozent in der Schweiz erfolgen sollen. Der Bundesrat, die Kommissionsmehrheit sowie auch die rechts-bürgerliche Mehrheit des Rates wollten indes, dass die Verminderung lediglich «in erster Linie mit Massnahmen in der Schweiz» geschieht. Abgelehnt wurde auch ein Minderheitsantrag Mazzone, welche mehr Druck auf den Bundesrat auszuüben versuchte, indem sie die Möglichkeit, bei Nichterreichen des Reduktionsziels für die Kompensation der restlichen CO2-Emissionen internationale Zertifikate zu erwerben, streichen wollte. Des Weiteren wollten die Mehrheit der Kommission sowie eine weitere Minderheit Mazzone den durchschnittlichen CO2-Ausstoss für Personenwagen, Lieferwagen und leichten Sattelschleppern, die ab 2030 erstmals in Verkehr gesetzt werden, stärker reduzieren. Hier folgte der Rat jedoch einer Minderheit Schmid (fdp, GR) und blieb damit auf der Linie des Bundesrates. Im Bereich des Flugverkehrs lag erneut ein Minderheitsantrag von Lisa Mazzone vor, welche eine zusätzliche Abgabe auf Flüge von Privatjets verlangte. Bundesrat Rösti bat den Rat um Ablehnung des Antrags, da es dabei gemäss Schätzungen des BAZL nur um rund 1 Prozent der Emissionen im Flugverkehr gehe und der administrative Aufwand für die Abgabeerhebung sehr gross wäre. Die Ratsmehrheit schloss sich dem Umweltminister an und lehnte den Minderheitsantrag ab.

In der darauf folgenden Gesamtabstimmung wurde der Entwurf bei 2 Enthaltungen seitens der Grünen einstimmig angenommen. Als Nächstes wird sich die grosse Kammer mit dem Geschäft befassen.

CO2-Gesetz post 2024 (BRG 22.061)
Dossier: Wie geht es nach der Ablehnung des CO2-Gesetzes an der Urne im Juni 2021 weiter?

In der Herbstsession 2023 sprach sich der Nationalrat gegen die Schaffung von Krankenversicherungsverträgen mit einer Laufzeit von bis zu drei Jahren aus, wie sie eine parlamentarische Initiative Nantermod (fdp, VS) verlangte. Unter anderem erhöhe die Möglichkeit, jährlich die Franchise zu wechseln, die Prämien, zudem halte dies die Versicherungen von Investitionen in die Prävention ab, argumentierte der Initiant erfolglos gegen das bestehende Modell. Eine dreijährige Laufzeit würde die Schaffung neuer Versicherungsmodelle ermöglichen, etwa für langfristige Behandlungspläne von Krankheiten, so der Initiant weiter. Kommissionssprecherin Weichelt (al, ZG) beantragte im Namen der Kommission, der Initiative keine Folge zu geben, da die Versicherten mit Annahme der Initiative Flexibilität beim Wechsel des Versicherungsmodells oder der Franchise verlieren würden, was etwa bei einer Krebserkrankung zu Beginn der dreijährigen Vertragsfrist starke Auswirkungen haben könne. Zudem seien die in der Initiative vorgeschlagenen Gründe, bei denen ein Wechsel zulässig wäre, unklar und müssten «in jedem Einzelfall [von einem] Gericht» entschieden werden. Mit 105 zu 70 Stimmen (bei 10 Enthaltungen) sprach sich der Nationalrat gegen Folgegeben aus, wobei sich die Fraktionen der Grünen sowie Mehrheiten aus den Fraktionen der SP und der SVP durchsetzten. Damit war die parlamentarische Initiative erledigt.

Mehrjährige Versicherungsverträge für alternative Versicherungsmodelle im KVG zulassen (Pa.Iv. 22.438)

Im Frühjahr 2022 reichte Benjamin Roduit (mitte, VS) eine Motion ein, die auf die verstärkte Forschungsförderung zu Endometriose abzielte. So solle der SNF mit einem entsprechenden Forschungsauftrag betraut werden, wobei auch auf die finanziellen Auswirkungen der Krankheit auf die Krankenkassen und die Gesellschaft eingegangen werden soll. Der Bundesrat beantragte die Ablehnung der Motion.
Der Nationalrat befasste sich in der Herbstsession 2023 mit dem Vorstoss. Vor seinen Ratskolleginnen und -kollegen betonte der Motionär die Bedeutung seines Anliegens. Bedingt durch ihr Ausmass – eine von zehn Frauen sei von der Krankheit betroffen – und den mit ihr verbundenen Einschränkungen im täglichen Leben handle es sich bei der Endometriose um ein öffentliches Gesundheitsproblem. Oftmals werde die Krankheit aber erst nach vielen Jahren diagnostiziert – einerseits aufgrund ungenügenden Wissens in der Bevölkerung und bei der Ärzteschaft, andererseits wegen dem begrenzten Zugang zu Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten. Das Parlament habe sich bereits einige Male dem Thema Endometriose angenommen. Dennoch biete beispielsweise das Postulat der WBK-SR mit dem Titel «Für eine Strategie zur Früherkennung von Endometriose» nicht die benötigten Forschungsmittel für eine entsprechende Studie. Bundesrat Guy Parmelin beteuerte, dass sich Bund und Kantone dafür engagierten, dass Frauen mit Endometriose die notwendige Gesundheitsversorgung erhielten. Da die Regierung auf das «bottom-up»-Prinzip setze, bei welchem Forschende von Schweizer Hochschuleinrichtungen jederzeit einen Antrag für Mittel stellen können, um ihre wissenschaftlichen Projekte zu Endometriose durchzuführen, und es bereits mehrere solche Projekte gebe, beantrage die Landesregierung dennoch die Ablehnung der Motion. Mit 106 zu 76 Stimmen (bei 9 Enthaltungen) nahm der Nationalrat den Vorstoss jedoch an. Dabei stimmten die Fraktionen der SP, GLP und der Grünen geschlossen für den Antrag. Von der Mitte-Fraktion enthielten sich 7 Mitglieder ihrer Stimme, der Rest sprach sich ebenfalls für die Motion aus. Gegen den Vorstoss stimmten hingegen die Fraktionen der SVP und der FDP, wobei sich pro Fraktion je eine Person gegen die Fraktionsmeinung stellte und das Geschäft befürwortete. Die restlichen beiden Enthaltungen stammten aus den Reihen der FDP.
Dass das Thema nicht nur innerhalb des Parlaments zu reden gab, sondern auch in der Bevölkerung sehr präsent ist, zeigt etwa die Petition «Endometriose – Geben Sie Betroffenen eine Stimme!» (Pet. 22.2012), welche von 18'672 Personen unterschrieben wurde, sowie die Petition «Chancengleichheit für eine ganzheitliche sexuelle Gesundheit von Frauen» (Pet. 21.2035). Letztere war im Rahmen der Frauensession 2021 eingereicht worden.

Endometriose: Schluss mit den medizinischen Irrungen und Wirrungen (Mo. 22.3224)
Dossier: Behandlung der Petitionen der Frauensession 2021 in parlamentarischen Vorstössen

Im September 2023 befasste sich der Nationalrat mit einer Ende 2021 eingereichten Motion zur Sicherung der Hierarchie des Strassennetzes. Motionär Peter Schilliger (fdp, LU) forderte, an der Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 km/h innerorts auf verkehrsorientierten Strassen festzuhalten und der übermässigen Ausbreitung von Strassenabschnitten mit Tempo 30 in Städten entgegenzuwirken. Dies soll laut dem Motionär die Verkehrssicherheit erhöhen, die Funktionalität des Strassennetzes gewährleisten und Umwegverkehr in Siedlungsstrassen reduzieren. Dazu forderte der Motionär eine entsprechende Anpassung des SVG, welche die Hierarchie und die verschiedenen Funktionen des Schweizer Strassennetzes inner- und ausserorts festhalten sollte. Der Bundesrat lehnte die Motion ab. Er war der Ansicht, dass die übergeordnete Funktion des Strassennetzes in der bestehenden Gesetzgebung ausreichend gewürdigt werde. Bundesrat Albert Rösti merkte dazu an, dass seit der Einreichung der Motion zwar bürokratische Hürden für die Einführung von Tempo-30-Zonen abgebaut worden seien, generell aber am Tempo 50 in verkehrsorientierten Strassen festgehalten worden sei. Der Bundesrat teile grundsätzlich das Anliegen des Motionärs, sehe es aber bereits als erfüllt an. Hinter den Bundesrat stellten sich zwar einstimmig die SP-, Grünen- und GLP-Fraktionen, sie wurden aber von den übrigen Fraktionen überstimmt. Die Motion wurde mit 102 zu 79 Stimmen bei 3 Enthaltungen angenommen und an den Ständerat überwiesen.

Hierarchie des Strassennetzes innerorts und ausserorts sichern (Mo. 21.4516)