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In der Frühjahrssession 2025 beriet der Nationalrat die parlamentarische Initiative von Céline Amaudruz (svp, GE), die für die Erstauszahlung der AHV die Anzahl Beitragsjahre statt das Referenzalter als Kriterium heranziehen wollte. Die Initiantin, welche zugleich für die Kommissionsminderheit sprach, begründete ihren Vorstoss damit, dass das Konzept der Beitragsjahre flexibler sei als dasjenige des Referenzalters und die Lebenswelt der arbeitenden Bevölkerung besser widerspiegle. So könnten beispielsweise Personen, die bereits in jungen Jahren schwere körperliche Arbeit verrichteten, früher in Rente gehen. Zudem würden sich wieder mehr Jugendliche für eine Berufslehre entscheiden, da sie bei ununterbrochener Beschäftigung bereits mit 62 Jahren die volle AHV-Rente beziehen könnten. Die Kommissionsmehrheit, die in der grossen Kammer von Valérie Piller Carrard (sp, FR) und Benjamin Roduit (mitte, VS) vertreten wurde, wollte der Initiative keine Folge geben: Das heutige Rentensystem sei nicht so starr, wie von der Initiantin dargestellt. Ausserdem erreiche aktuell nur ein Bruchteil der jüngeren Arbeitnehmenden die Einkommensschwelle für die AHV-Beitragspflicht, sodass es fraglich sei, ob die Initiative den gewünschten Anreiz mit sich bringe. Der Nationalrat gab der Initiative knapp mit 99 zu 90 Stimmen (5 Enthaltungen) keine Folge. Für Folgegeben votierten die geschlossen stimmenden Fraktionen der FDP und der SVP.

Ersatz des Konzepts des Rentenalters durch jenes der Anzahl Beitragsjahre. Ein geeigneter Schritt hin zu einem sozial gerechteren Rentensystem (Pa.Iv. 24.408)

Jahresrückblick 2024: Sozialversicherungen

Mit sechs Abstimmungen war der Themenbereich der Sozialversicherungen im Jahr 2024 stark von der direkten Demokratie geprägt und sorgte für viel Gesprächsstoff. Dies schlug sich auch in der medialen Berichterstattung nieder, in der die Sozialversicherungen im Vergleich zu den Vorjahren deutlich häufiger thematisiert wurden (vgl. Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse).

Gleich zu Beginn des Jahres konnten die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger über zwei Volksinitiativen zur Umstrukturierung der Altersvorsorge entscheiden: über die Initiative für eine 13. AHV-Rente des SGB und über die Renteninitiative der Jungfreisinnigen. Erstere verlangte eine zusätzliche 13. AHV-Rente pro Jahr für alle AHV-Bezügerinnen und -Bezüger und wurde überraschenderweise mit einem Ja-Stimmenanteil von 58.3 Prozent angenommen – ein historisches Ergebnis: Erstmals wurde somit eine AHV-Initiative von der Stimmbevölkerung gutgeheissen. Gleich nach Annahme begannen die Diskussionen um die Frage der Finanzierung der zusätzlichen Rente, welche die Initiative nicht definiert hatte. Der Bundesrat entschied sich in seiner Botschaft für eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0.7 Prozentpunkte. Der Ständerat trat in der Wintersession 2024 einstimmig auf die vorgeschlagene Umsetzung der 13. AHV-Rente ein, vertagte aber die Debatte über die Finanzierung auf nächstes Jahr, da er für einen Entscheid zusätzliche Informationen benötige.
Keine Mehrheit fand hingegen die gleichzeitig zur Abstimmung gestandene Renteninitiative, welche eine schrittweise Erhöhung des Rentenalters für beide Geschlechter auf 66 Jahre und danach eine Koppelung an die durchschnittliche Lebenserwartung forderte. Sie wurde mit einem Ja-Stimmenanteil von 25.3 Prozent abgelehnt.
Mit dem Zustandekommen der Volksinitiative der Mitte für «faire AHV-Renten auch für Ehepaare» Anfang 2024 befand sich bereits die nächste AHV-Initiative in den Startlöchern, über welche die Stimmbevölkerung in absehbarer Zeit voraussichtlich entscheiden wird.

Auch die berufliche Vorsorge stand 2024 ganz im Zeichen der direkten Demokratie: Nach dem Erfolg der AHV-Reform an der Urne zwei Jahre zuvor stand im September die Referendumsabstimmung über die BVG-Reform an. Mit der Reform sollten der Umwandlungssatz gesenkt und im Gegenzug die Sparanstrengungen der Versicherten verstärkt werden, wobei 15 Jahrgänge zudem einen Rentenzuschlag erhalten sollten. Kurz vor der Abstimmung verkündete das BSV, dass es sich bei den Prognosen für die AHV in den letzten fünf Jahren um Milliarden verrechnet habe und die erste Säule somit besser dastehe, als bisher angenommen. Dies führte erstens zu einer letztlich abgewiesenen Beschwerde beim Bundesgericht mit der Forderung, die Abstimmung zur AHV 21 zu wiederholen. Zweitens löste diese Nachricht Spekulationen darüber aus, ob die Bekanntgabe des Rechnungsfehlers Auswirkungen auf die Abstimmung über die BVG-Reform haben werde. Diese wurde in der Tat mit einem Ja-Stimmenanteil von 32.9 Prozent von der Stimmbevölkerung abgelehnt. Infolge dieser Ereignisse stieg die Zahl der Artikel zum Thema Altersvorsorge im Spätsommer sichtlich an (vgl. Abbildung 1 der APS-Zeitungsanalyse).

Drei Vorlagen standen 2024 im Bereich der Krankenversicherung zur Abstimmung bereit: Im Juni lehnte die Stimmbevölkerung die Prämien-Entlastungs-Initiative der SP, die eine Deckelung der Krankenkassenprämien bei zehn Prozent des Einkommens forderte, mit einem Ja-Stimmenanteil von 44.5 Prozent ab. Noch deutlicher wurde am gleichen Abstimmungssonntag mit einem Ja-Stimmenanteil von 37.2 Prozent die Kostenbremse-Initiative der Mitte verworfen, welche die OKP-Prämien an die Lohn- und Wirtschaftsentwicklung koppeln wollte. Bei beiden Initiativen wird stattdessen ein indirekter Gegenvorschlag in Kraft treten.
Nachdem das Parlament im Jahr zuvor nach vierzehnjähriger Beratung mit der einheitlichen Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen (EFAS) einen Systemwechsel in der Finanzierung der Gesundheitskosten verabschiedet hatte, hiess im November auch die Stimmbevölkerung diese weitreichende Änderung mit einem Ja-Stimmenanteil von 53.3 Prozent gut.
Alle drei Abstimmungsvorlagen befassten sich direkt oder indirekt mit dem Prämienanstieg. Die Relevanz dieses Themas zeigte sich gemäss Medien zudem im September 2024, als der Bundesrat einmal mehr einen Anstieg der Krankenkassenprämien – diesmal um sechs Prozent – zu vermelden hatte. Dies schlug sich schliesslich auch im parlamentarischen Diskurs nieder, wo der Entwurf des zweiten Kostendämpfungspakets im Gesundheitswesen den Ständerat als Zweitrat nach einer ausführlichen Debatte mit Änderungen passierte und der Nationalrat Ende Jahr mit der Differenzbereinigung begann (vgl. APS-Analyse der Wortmeldungen).

Doch nicht nur die Volksabstimmungen prägten den Themenbereich der Sozialversicherungen 2024, auch das strukturelle Defizit des Bundeshaushalts wirkte sich darauf aus. So hatte der Bundesrat im Vorjahr vorgeschlagen, das strukturelle Defizit in den Finanzplanjahren 2025–2027 unter anderem durch Kürzungen im Bereich der Witwenrente zu tilgen. Dementsprechend führte er 2024 eine Vernehmlassung zur Teilrevision des AHVG durch, mit der Neuerung, die Hinterlassenenrente nur noch bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres des jüngsten Kindes auszurichten – also analog zur Witwerrente. Somit reagierte der Bundesrat auf ein Urteil des EGMR aus dem Jahr 2022, welcher der Schweiz eine Ungleichbehandlung von Witwen und Witwern vorgeworfen hatte. Kurzfristig sollte zudem eine Verringerung des Bundesbeitrags an die ALV um CHF 1.25 Mrd. bis ins Jahr 2029 den Bundeshaushalt entlasten.

Die ALV gab im Parlament zusätzlich zu reden, als sich beide Räte intensiv mit der Frage befassten, ob Unternehmerinnen und Unternehmer besser gegen Arbeitslosigkeit versichert werden sollen – ein Überbleibsel aus der Corona-Zeit, als die schlechtere Absicherung der Unternehmerinnen und Unternehmer im Vergleich zu den Arbeitnehmenden deutlich geworden war. Anfang Jahr gelangte ein ausgearbeiteter Vorentwurf zur Umsetzung einer parlamentarischen Initiative mit diesem Anliegen in die Vernehmlassung, wo die Meinungen der Vernehmlassungsteilnehmenden geteilt waren. Nachdem der Ständerat die Vorlage an die Kommission zurückgewiesen hat, ist in dieser Frage noch kein Entscheid in Sicht. Völlig unbestritten war hingegen eine Teilrevision des AVIG, die auf die Erhöhung der Rechtsklarheit abzielte und beide Räte einstimmig passierte.

Jahresrückblick 2024: Sozialversicherungen
Dossier: Jahresrückblick 2024

Die SVP im Jahr 2024: Kurzüberblick

Nach ihren Zugewinnen bei den eidgenössischen Wahlen 2023 konnte die SVP auch die meisten kantonalen Wahlen im Jahr 2024 äusserst erfolgreich gestalten. Von den sieben kantonalen Parlamentswahlen des Jahres baute die SVP bei deren sechs ihre Sitzzahl und ihren Wählendenanteil teilweise deutlich aus (SG +7 Sitze, UR +4, SZ +5, TG -3, SH +1, AG +5, BS +1). Unter dem Strich resultierte ein Plus von 20 Mandaten – mehr als bei irgendeiner anderen Partei –, und mit neu insgesamt 574 Sitzen festigte die SVP ihre Position als stärkste Partei in den 26 Kantonsparlamenten. Beim Wählendenanteil legte die SVP gemäss einer nach Kantonsgrössen gewichteten Berechnung des Tages-Anzeigers um durchschnittlich 3.2 Prozentpunkte zu. Im nationalen Wahlbarometer, das Ende 2024 von Sotomo erhoben wurde, lag die SVP bei 29.9 Prozent – das sind zwei Prozent mehr als bei den Nationalratswahlen 2023 und auch mehr als die Partei bei ihrem Rekordergebnis 2015 erreicht hatte. In Glarus gewann die SVP zudem einen Regierungsratssitz hinzu, in St. Gallen, Uri und Basel-Stadt gelang ihr dies nicht. Sie kommt damit neu auf total 27 Regierungsmandate in 18 Kantonen.

Weniger erfolgreich war die Partei an der Abstimmungsurne: Bei acht von zwölf eidgenössischen Abstimmungsvorlagen fand sich die SVP auf der Verliererseite, einzig die EDU hatte noch etwas weniger Erfolg. Für mediale und parteiinterne Diskussionen sorgte dabei vor allem die Tatsache, dass sowohl bei der 13. AHV-Rente als auch bei der Renteninitiative und der BVG-Reform grosse Teile der SVP-Sympathisierenden entgegen der Parteiparole abstimmten. In der Presse und auch parteiintern wurde deshalb die «Wagenknecht-Frage» (TA) gestellt: Kann die SVP ihre Basis auf Dauer mit ihren aussen- und migrationspolitischen Kernthemen bei der Stange halten oder müsste sie diese mit einem stärker linken Kurs in der Sozialpolitik kombinieren, ähnlich wie dies Sarah Wagenknecht in Deutschland tut? Mit der 2024 erfolgten Einreichung der «Nachhaltigkeitsinitiative» und der «Neutralitätsinitiative» sowie der Lancierung der «Grenzschutzinitiative» sorgte die SVP jedenfalls eigenhändig dafür, dass ihre Kernthemen auch künftig auf der politischen Agenda stehen werden.

Im Weiteren nahm die SVP 2024 Neubesetzungen bei ihrem Spitzenpersonal vor. Marcel Dettling wurde, letztlich ohne Konkurrenzkandidatur, zum Nachfolger von Marco Chiesa als Parteipräsident gewählt. Neuer SVP-Generalsekretär wurde mit Henrique Schneider der vormalige Vizedirektor des Gewerbeverbands. In der Presse herrschte allerdings weitgehend Einigkeit, dass das Spitzenpersonal und namentlich der Parteipräsident für den Parteierfolg der SVP weniger ausschlaggebend sei als bei anderen Parteien. Dies wurde auch im Zusammenhang mit den Parolenfassungen zum Stromgesetz und zur EFAS-Gesundheitsreform thematisiert, wo sich die SVP-Delegierten entgegen der Bundeshausfraktion beziehungsweise der Parteileitung entschieden. Teile der Medien interpretierten dies als Schwäche der offiziellen Parteielite; vielmehr vermöchten nach wie vor «Übervater» Christoph Blocher und Magdalena Martullo-Blocher den Kurs der Partei zu prägen.

Für sehr viel Medienaufmerksamkeit und parteiinterne Kontroversen sorgte im Frühling das Bekanntwerden von Kontakten der neuen Spitze der JSVP zu Rechtsextremen. Auch das Verhältnis der Mutterpartei zu Rechtsextremismus und/oder Rechtspopulismus wurde in der Presse verhandelt, unter anderem vor dem Hintergrund eines erstinstanzlichen Gerichtsurteils, wonach es zulässig sei, SVP-Nationalrat Andreas Glarner als «Gaga-Rechtsextremist» zu bezeichnen. Auch ein heftiger und medial stark beachteter Kampf um das Parteipräsidium der Baselbieter Kantonalpartei ist in diesem Kontext zu erwähnen; dessen Ausgang wurde in der Presse mitunter als Sieg des rechten Flügels der Partei und als Fanal für eine mögliche künftige Entwicklung der nationalen Partei interpretiert.

Die SVP im Jahr 2024: Kurzüberblick
Dossier: Kurzüberblick über die Parteien im Jahr 2024

Die FDP im Jahr 2024: Kurzüberblick

Die FDP profilierte sich 2024 in der öffentlichen Debatte unter anderem mit Forderungen nach einem raschen Ausbau des Armeebudgets und konsequenten Entlastungsmassnahmen in den anderen Bereichen des Bundeshaushalts; sie stellte sich dabei mitunter auch gegen ihre Finanzministerin Karin Keller-Sutter. In der Energiepolitik positionierte sich die Partei, anders als in den letzten Jahren, deutlich für eine Aufhebung des Neubauverbots für Atomkraftwerke. Für Schlagzeilen sorgten auch die freisinnigen Forderungen nach Verschärfungen in der Asylpolitik und ein Positionspapier zur Bildungspolitik, in dem die FDP unter anderem Kritik an der integrativen Schule und an einer angeblichen ideologischen Vereinnahmung der Lernenden übte. Die Presse ortete insgesamt einen gezielten Schwenk der Partei nach rechts als Reaktion auf die Niederlage bei den eidgenössischen Wahlen 2023.
Die elektoralen Misserfolge setzten sich für die FDP zunächst auch bei den kantonalen Wahlen 2024 fort, bis ihr in der zweiten Jahreshälfte zumindest eine Stabilisierung gelang. Unter dem Strich blieb die Bilanz indessen negativ: Bei den sieben kantonalen Parlamentswahlen des Jahres büsste die FDP in chronologischer Reihenfolge in SG (-3), UR (-4), SZ (-1), TG (-1) und BS (-2, einschliesslich der kantonalen LDP) Sitze ein, in SH und AG gelang ihr je ein Sitzgewinn. In allen Kantonsparlamenten zusammen hielt die FDP damit noch 512 Sitze (-9 gegenüber dem Vorjahr), womit sie in dieser Wertung hinter der SVP und vor der SP weiterhin zweitstärkste Partei ist. In fünf Kantonen gab es auch bei den Wählendenanteilen einen Rückgang, über alle sieben Kantone hinweg betrug das Minus im nach Kantonsgrösse gewichteten Durchschnitt 0.8 Prozentpunkte. Im nationalen Wahlbarometer erhob Sotomo für die FDP Ende 2024 einen Anteil von 14.3 Prozent, was genau dem Wert bei den Nationalratswahlen 2023 entspricht. Bei den kantonalen Regierungsratswahlen standen dem Sitzgewinn in SH Sitzverluste in GL und JU gegenüber; im Jura hatte die FDP ihren einzigen Regierungssitz kampflos preisgegeben. Insgesamt hält die Partei damit noch 37 Mandate in 23 Kantonsregierungen.
Bei sechs von zwölf eidgenössischen Abstimmungsentscheiden fanden sich die Freisinnigen auf der Verliererseite; am schmerzhaftesten dürften aus ihrer Sicht die Niederlagen bei der 13. AHV-Rente, der von den Jungfreisinnigen lancierten Renteninitiative, der BVG-Reform und dem Autobahnausbau gewesen sein.
Die Wahl von Jonas Projer zum neuen FDP-Generalsekretär wurde in der Presse weitherum als Überraschung und Wagnis gewertet; die allgemeine Erwartung, dass er der Partei zu einer prägnanteren Kommunikation verhelfen könnte, konnte Projer gemäss verschiedenen Medienkommentaren aber schon rasch erfüllen. Überraschend waren sodann zwei Personalentscheide der FDP.Liberalen-Fraktion bei der Verteilung ihrer Kommissionsposten zu Legislaturbeginn; in den Medien war von einer «Strafe» für die beiden «kaltgestellten» (NZZ) Fraktionsmitglieder die Rede, weil diese zu oft von der Parteilinie abgewichen seien.

Die FDP im Jahr 2024: Kurzüberblick
Dossier: Kurzüberblick über die Parteien im Jahr 2024

Mittels Postulat forderte Thomas Rechsteiner (mitte, AI) den Bundesrat Ende Mai 2024 auf, aufzuzeigen, wie die sozialpartnerschaftlichen Frührentensysteme der Baubranche die Haushalte von Bund und Kantonen entlasten. Die durch Lohnbeiträge der Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden finanzierten Frührentensysteme der Baubranche reduzierten gemäss Rechsteiner etwa Unfälle, Invalidität oder Branchenwechsel. Insgesamt komme es zu einer Umverteilung dieser Rentensysteme an den Staat, weshalb der Bericht aufzeigen solle, wie diese Umverteilung reduziert oder abgegolten werden könne.
Der Bundesrat beantrage Mitte August 2024 die Annahme des Postulats, was der Nationalrat in der Herbstsession 2024 auch stillschweigend und diskussionslos tat.

Branchenfrührenten für Bundeskasse und Arbeitsmarkt würdigen (Po. 24.3512)

En Suisse, environ 23 pour cent des personnes âgées de 65 à 69 ans exercent une activité professionnelle. Ce taux, en stagnation depuis 2016, se situe toutefois au-dessus de la moyenne des pays de l'OCDE. Les résultats du sondage publié par Swiss Life concernant l'emploi des seniors ont fait réagir la presse. Les salariés âgés de 50 à 64 ans ont été interrogés pour savoir s'ils souhaitaient continuer à exercer une activité lucrative après l'âge de la retraite. Les résultats ont indiqué que 45 pour cent des sondés se déclaraient relativement prêts à continuer une activité professionnelle sous certaines conditions. La majorité, qui ne souhaitait pas continuer à travailler, a évoqué le besoin de repos, des finances suffisantes ou la santé et le manque d'énergie qui ne le permettaient plus. Des différences se sont aussi révélées selon la taille de l'entreprise. En effet, les personnes actives au sein d'une PME ont plus fréquemment exprimé leur souhait de continuer à travailler que les personnes actives au sein de grandes entreprises. En lien avec les débats sur la pauvreté des personnes âgées, le sondage a également relevé que les difficultés financières sont mentionnées par 30 pour cent des actifs sondés comme cause du travail senior. Pour le reste, c'est le plaisir de travailler qui agit comme motivation. Finalement, les personnes encore actives après l'âge de la retraite travaillent généralement à temps partiel et plus de la moitié sont indépendantes.

Emploi des seniors
Dossier: Ältere Arbeitnehmende

Mit einer parlamentarischen Initiative wollte Céline Amaudruz (svp, GE) im März 2024 bezwecken, dass beim Rentensystem künftig nicht mehr das Rentenalter, sondern die Anzahl Beitragsjahre ausschlaggebend sind. Das vorgeschlagene System sehe einen flexiblen Beginn der Beitragspflicht zwischen dem 17. und dem 21. Lebensjahr vor, wobei jene Personen, die bereits in jungen Jahren zu arbeiten begonnen haben, auch früher die volle AHV-Rente beziehen könnten. Dies sei vor allem für Personen vorteilhaft, die einer körperlich anstrengenden Arbeit nachgingen und künftig eher in Rente gehen könnten, ohne Renteneinbussen zu erleiden, so Amaudruz.
Die SGK-NR beschloss Ende Juni 2024 mit 14 zu 11 Stimmen, der Initiative keine Folge zu geben, da sie befürchtete, dass eine Umsetzung zu kompliziert sei und weil zuerst die Arbeiten am Postulat Humbel (mitte, AG; Po. 22.4430) zum Modell der «Lebensarbeitszeit» abgewartet werden sollen.

Ersatz des Konzepts des Rentenalters durch jenes der Anzahl Beitragsjahre. Ein geeigneter Schritt hin zu einem sozial gerechteren Rentensystem (Pa.Iv. 24.408)

A travers une motion, Laurence Fehlmann Rielle (ps, GE) a chargé le Conseil fédéral de lancer une campagne de sensibilisation, en collaboration avec les cantons, afin d'inciter les entreprises à engager des travailleurs et travailleuses de la catégorie «senior», c'est-à-dire de plus de 50 ans. Lors de son passage devant le Conseil national à la session d’été 2024, la socialiste a exposé qu'une personne de plus de 50 ans, se retrouvant au chômage, a plus de difficultés à retrouver du travail en raison des nombreux préjugés persistant chez les employeurs — moins de flexibilité, de compétences numériques, moins bonne santé, etc. A partir de 55 ans, ces mêmes personnes restent en moyenne au chômage pendant plus d’une année. La députée a également relevé l’incohérence de refuser d’engager des personnes seniors avec le fait d’augmenter l’âge de la retraite des femmes à 65 ans. Rappelant également la pénurie de personnel auquel la Suisse fait face, l’auteure de la motion a réitéré qu’il était primordial de transmettre une image valorisante du travailleur dit âgé aux entreprises.
A la tête du DEFR, Guy Parmelin a rappelé que le maintien et la meilleure réinsertion des travailleurs et travailleuses seniors sur le marché du travail était depuis longtemps une préoccupation du gouvernement suisse. En effet, le Conseil fédéral s’est encore récemment investi pour cette cause, à travers la réalisation de six conférences nationales portant sur ce thème et qui ont permis de mettre en place 14 mesures concrètes, citant par exemple une orientation de carrière gratuite pour les personnes dès 40 ans. Le ministre de l’économie a ajouté que le chômage des actifs de plus de 50 ans était inférieur à la moyenne, malgré une recherche d’emploi plus longue — point qui est pris en compte par l'assurance-chômage en accordant une durée maximale d'indemnisation prolongée à ces personnes. Finalement, le Conseil fédéral a estimé qu’une campagne de sensibilisation pourrait stigmatiser davantage les seniors et ne permettrait ainsi pas d’atteindre l’objectif. Il a donc appelé à refuser la proposition.
A l’issue du vote, le Conseil national a rejeté le texte de la motion par 131 voix contre 64. Seuls les socialistes, les Vert-e-s et un député centriste ont voté en faveur, ce qui n’a pas suffi à faire pencher la balance.

Chômage des seniors. Pour une politique proactive! (Mo. 23.4521)
Dossier: Ältere Arbeitnehmende

Jahresrückblick 2023: Sozialversicherungen

Zu Beginn des Jahres 2023 dominierte die Debatte um die Teuerung auch den Sozialversicherungsbereich, wie Abbildung 1 der APS-Zeitungsanalyse verdeutlicht. Obwohl National- und Ständerat dies im Vorjahr explizit gewünscht hatten, entschieden sich die beiden Räte in der Frühjahrssession 2023, nicht auf den in der Zwischenzeit vorgelegten bundesrätlichen Entwurf für einen vollständigen Teuerungsausgleich bei den AHV- und IV-Renten, den Ergänzungsleistungen und den Überbrückungsleistungen einzutreten. Grund dafür war insbesondere, dass die Teuerung in der Zwischenzeit weniger hoch ausgefallen war als ursprünglich befürchtet und die Erhöhung der Sozialversicherungsleistungen beinahe die gesamte Teuerung kompensierte.

Auch im Bereich der Krankenversicherungen stieg der finanzielle Druck auf die Bevölkerung weiter, insbesondere durch einen erneuten Anstieg der Krankenkassenprämien, was sich etwa auch in einer verstärkten medialen Berichterstattung zu diesem Thema gegenüber den Vorjahren zeigte (vgl. Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse). Gleichzeitig tat sich das Parlament weiterhin schwer damit, Lösungen zur Senkung der Gesundheitskosten zu finden – auch da die Meinungen, wer am Kostenanstieg schuld sei und wo am einfachsten gespart werden kann, in Öffentlichkeit, Medien und Parlament weit auseinandergingen.

Ein umfangreiches Projekt, von dem sich ein Teil des Parlaments grosse Einsparungen bei den Gesundheitskosten erhoffte, war EFAS, die einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Gesundheitskosten, das bereits seit 2009 in Bearbeitung war. Nachdem der Ständerat im Jahr zuvor eingewilligt hatte, auf das Projekt einzutreten, sofern die Kosten der Langzeitpflege ebenfalls darin integriert werden, hiess der Nationalrat im Berichtsjahr diese Forderung gut. In der Wintersession 2023 bereinigte das Parlament schliesslich die letzten Fragen zur Ausgestaltung, unter anderem zur Höhe der kantonalen Beteiligung an den Kosten und zu den zukünftigen kantonalen Kompetenzen im Gesundheitsbereich, und nahm das Langzeitprojekt in den Schlussabstimmungen an. Weitere Kosteneinsparungen beabsichtigte der Bundesrat mit dem zweiten Massnahmenpaket zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen, über das sich der Nationalrat im Berichtsjahr als Erstrat beugte.

Im Bereich der Gesundheitskosten präsentierte der Bundesrat sowohl zur Prämien-Entlastungs-Initiative als auch zur Kostenbremse-Initiative je einen indirekten Gegenvorschlag, die das Parlament im Berichtsjahr mit einigen Änderungen guthiess. Da die beiden Initiativen daraufhin nicht zurückgezogen wurden, werden diese wohl im Jahr 2024 an die Urne gelangen.

Ebenfalls im kommenden Jahr abgestimmt werden wird über die Pensionskassenreform BVG 21, welche das Parlament 2023 fertig beriet. Dabei wich es stark von dem ursprünglich von einem Teil der Sozialpartner vorgeschlagenen Entwurf ab – unter anderem, indem es den lebenslangen Rentenzuschlag für die von der Reduktion des Umwandlungssatzes am stärksten betroffenen Jahrgänge deutlich weniger grosszügig ausgestaltete als von den Sozialpartnern gefordert. In der Folge reichten die links-grünen Parteien und die Gewerkschaften genügend Unterschriften für ein fakultatives Referendum ein, so dass 2024 über die Reform abgestimmt werden wird.

Im März 2024 werden auch die Renteninitiative sowie die Initiative für eine 13. AHV an die Urne kommen. Beide beriet das Parlament 2023 zu Ende und empfahl sie zur Ablehnung. Dabei wurde auf Gegenentwürfe oder -vorschläge verzichtet, jedoch wies der Ständerat seiner Kommission eine Motion zur Vorberatung zu, welche eine Erhöhung der AHV-Renten für bedürftige Rentnerinnen und Rentner forderte und somit das Begehren der Initiative für eine 13. AHV teilweise aufnahm. Nicht bis zur Abstimmung schafften es hingegen die Initiativbegehren «Nationalbankgewinne für eine starke AHV (SNB-Initiative)», «Generationeninitiative» für faire und sichere Renten sowie «Leben in Würde – Für ein finanzierbares bedingungsloses Grundeinkommen»; sie alle scheiterten dieses Jahr im Stadium der Unterschriftensammlung.

Bewegung gab es in zwei Bereichen, die üblicherweise weniger im Fokus der Sozialversicherungen stehen: Im Herbst 2023 schickte der Bundesrat einen Entwurf zu den AHV-Hinterlassenenrenten in die Vernehmlassung, mit welcher er eine vom EGMR gerügte Ungleichbehandlung von Witwern und Witwen beheben will, indem er die Witwen- an die Witwerrente anpasst.

2023 nahm die Regierung schliesslich zahlreiche Änderungen im Bereich der Invalidenversicherung vor: So verbesserte sie per Verordnung den Lohnvergleich von Menschen mit Invalidität, den Zugang von bei der IV gemeldeten Stellensuchenden zur Stellenplattform für den Inländervorrang, die Vergütung der medizinischen Massnahmen bei Kindern mit Geburtsgebrechen sowie die Übernahme der Hilfsmittel durch IV und AHV.

Jahresrückblick 2023: Sozialversicherungen
Dossier: Jahresrückblick 2023

In der Sommersession 2023 behandelte der Nationalrat als Zweitrat die Renteninitiative der Jungfreisinnigen. In der Eintretensdebatte standen sich zwei grundsätzliche Positionen gegenüber: Einerseits vertraten die Sprechenden der SVP-, SP-, Mitte- und Grünen-Fraktionen die Meinung, dass die Renteninitiative abzulehnen sei – obwohl Mitglieder der SVP-Fraktion durchaus auch Sympathien für die Initiative äusserten. Für die SVP verwies Thomas Aeschi (svp, ZG) auf die Abstimmungen zur BVG 21-Reform sowie zur 13. AHV-Rente, die beide im nächsten Jahr anstünden, sowie auf den Auftrag des Parlaments an den Bundesrat zur Ausarbeitung einer weiteren AHV-Reform für die Jahre 2030 bis 2040. Die Schaffung eines Erhöhungsautomatismus für das Rentenalter im Rahmen der Renteninitiative würde daher «das Fuder definitiv überladen». Christian Lohr (mitte, TG) betonte für die Mitte-Fraktion, dass man im Rahmen der AHV 21-Reform versprochen habe, auf baldige weitere Rentenaltererhöhungen zu verzichten, und sich seine Fraktion daran halten wolle. Grundsätzliche Ablehnung gegen eine weitere Rentenaltererhöhung taten Flavia Wasserfallen (sp, BE) und Katharina Prelicz-Huber (gp, ZH) für die SP- und die Grünen-Fraktion kund. Allfällige AHV-Finanzierungsprobleme sollten über eine «Stärkung der solidarischen Finanzierung» (Wasserfallen) gelöst werden, zumal eine Rentenaltererhöhung insbesondere Personen mit tieferen Einkommen belaste, da diese nicht über die finanziellen Mittel für eine frühzeitige Pensionierung verfügten.
Gewisses Verständnis für das Anliegen der Initiative zeigte andererseits Melanie Mettler (glp, BE) für die GLP-Fraktion. In der Tat funktioniere «der Generationenvertrag aktuell temporär nicht», weil zu wenige Arbeitstätige die Renten der Babyboomer finanzieren müssten. Das Problem könne aber nicht durch eine Rentenaltererhöhung gelöst werden. Vielmehr schlug Mettler vor, die Kommission durch Rückweisung des Entwurfs mit der Schaffung einer «Schuldenbremse für die AHV» in Form eines indirekten Gegenvorschlags zu betrauen. Dabei sollte das Parlament im Falle negativer Finanzperspektiven der AHV zum Beispiel fünf Jahre Zeit erhalten, um die AHV-Finanzierung anzupassen. Gelänge diese Neufinanzierung nicht, sollte das Rentenalter stufenweise erhöht werden, bis die Finanzperspektiven wieder im Lot wären oder eine andere Lösung vorläge.
Zur Annahme empfohlen wurde die Initiative nur von der FDP-Fraktion. Regine Sauter (fdp, ZH) erläuterte, dass die AHV-Finanzierung insbesondere für junge Leute ein Problem darstelle, man wolle daher mit der Initiative «allgemeingültige Regeln» vorsehen, damit es zukünftig nicht mehr zu «kurzfristigen Notfallübungen und politischem Hickhack» komme. Aufgrund der mangelnden Unterstützung für die Initiative schlug Sauter jedoch in einem Minderheitsantrag einen direkten Gegenentwurf zur Initiative vor, der die von Mettler vorgeschlagene Schuldenbremse ausdrücklich regelte.

Nach dem obligatorischen Eintreten stimmte der Nationalrat über den Rückweisungsantrag Mettler ab. Anfänglich mit 89 zu 89 Stimmen (bei 1 Enthaltung) und Stichentscheid von Ratspräsident Candinas (mitte, GR) abgelehnt, nahm die grosse Kammer den Rückweisungsantrag nach einem Antrag Silberschmidt (fdp, ZH) auf Wiederholung der Abstimmung nach der Rückkehr verschiedener Parlamentsmitglieder auf ihre Plätze mit 93 zu 92 Stimmen (bei 1 Enthaltung) knapp an. Für Rückweisung sprachen sich die geschlossen stimmenden Fraktionen der GLP und der FDP, eine Mehrheit der SVP-Fraktion und einzelne Mitglieder der Mitte-Fraktion aus. Die Abstimmung über den Minderheitsantrag Sauter wurde durch den Entscheid auf Rückweisung (vorläufig) obsolet.

Nur eine Woche später bat die SGK-NR die grosse Kammer jedoch bereits um Wiederaufnahme der Initiative in das laufende Sessionsprogramm. Da die Vorstellungen der Befürwortenden eines indirekten Gegenvorschlags zu weit auseinanderlägen und der Zeitplan für dessen Ausarbeitung, Vernehmlassung und Beratung zu eng wäre, solle stattdessen die Beratung der Initiative wieder aufgenommen werden, empfahl Thomas Aeschi für die Kommission. Mit 146 zu 30 Stimmen (bei 11 Enthaltungen) stimmte der Nationalrat dem Ordnungsantrag gegen den Willen der FDP-Fraktion zu.

Tags darauf setzte sich der Nationalrat somit erneut mit der Initiative auseinander, wobei ihm erneut ein Antrag auf Rückweisung an die Kommission vorlag, dieses Mal von Regine Sauter. Demnach sollte die Kommission nach Rückweisung einen neuen indirekten Gegenvorschlag ausarbeiten, in dem die Rentenaltererhöhung nicht vom Referenzalter, sondern entsprechend einer Motion Humbel (mitte, AG; Mo. 22.4430) von der Lebensarbeitszeit abhängen würde. Der Antrag scheiterte jedoch mit 140 zu 42 Stimmen (bei 7 Enthaltungen), wobei die befürwortenden Stimmen von der FDP- und einem Teil der SVP-Fraktion stammten. Bevor der Rat nun aber über die Abstimmungsempfehlung zur Initiative selbst entschied, hatte er noch über den ursprünglichen Minderheitsantrag Sauter zur Schaffung eines direkten Gegenentwurfs zu befinden. Die Ratsmehrheit entschied sich dabei mit 125 zu 61 Stimmen (bei 3 Enthaltungen), auf einen direkten Gegenentwurf zu verzichten. Der Antrag hatte bei den Mitgliedern der FDP-, GLP- und einer Minderheit der SVP-Fraktion Stimmen geholt.

Zum Abschluss stand schliesslich der Ratsentscheid über die Abstimmungsempfehlung zur Initiative an: Mit 133 zu 40 Stimmen (bei 16 Enthaltungen) folgte der Nationalrat seiner Kommissionsmehrheit und empfahl der Stimmbürgerschaft und den Kantonen die Initiative entgegen einem Antrag Nantermod (fdp, VS) zur Ablehnung. Für eine Empfehlung auf Annahme der Initiative sprachen sich dabei die geschlossen stimmende FDP-Fraktion, eine Minderheit der SVP-Fraktion sowie ein Mitglied der Mitte-Fraktion aus. Enthaltungen fanden sich auch in der GLP-Fraktion. Mit 143 zu 40 Stimmen (bei 11 Enthaltungen) respektive mit 32 zu 11 Stimmen (bei 1 Enthaltung) bestätigten beide Räte ihre vorgängigen Entscheide in den Schlussabstimmungen.

Eidgenössische Volksinitiative «für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge (Renteninitiative) (BRG 22.054)
Dossier: Erhöhung des Rentenalters
Dossier: Volksinitiativen zur Altersvorsorge (seit 2015)

In der Sommersession 2023 hiessen die Räte den Antrag des Bundesrats auf Abschreibung des Postulats von Peter Hegglin (mitte, ZG) gut. Mit Vorlegen des Berichts erachtete die Regierung den Vorstoss, mit dem eine zeitgemässe Besoldungs- und Ruhegehaltsregelung für Magistratspersonen diskutiert werden sollte, als erfüllt.

Zeitgemässe Besoldungs- und Ruhestandsregelungen für Magistratspersonen (Po. 20.4099)
Dossier: Ruhestandsgehälter von Magistratspersonen

In einem Postulat forderte Ruth Humbel (mitte, AG) im Dezember 2022 eine Prüfung des Modells der «Lebensarbeitszeit» in der AHV. Bereits Ende 2026 müsse der Bundesrat einen Entwurf zur Stabilisierung der AHV für die Jahre 2030 bis 2040 vorlegen, in der es wohl auch wieder um eine Erhöhung des Rentenalters gehen werde. Da die Bildung mit der Lebenserwartung korreliere und das Einkommen beeinflusse, sei es sozialpolitisch gerecht, die Ausbildung beim Rentenalter im Rahmen eines Modells der «Lebensarbeitszeit» zu berücksichtigen. Der Bundesrat solle daher in einem Bericht mögliche Ausprägungen eines solchen Modells aufzeigen.
Der Bundesrat empfahl das Postulat zur Annahme, es wurde jedoch in der Frühjahrssession 2023 von Samuel Bendahan (sp, VD) und Léonore Porchet (gp, VD) bekämpft. In der nationalrätlichen Sondersession 2023 wehrte sich Samuel Bendahan dagegen, einzig die Ausbildungsdauer zur Bestimmung des Rentenalters beizuziehen – vielmehr müssten auch zahlreiche andere Faktoren, etwa die Schwere und die Bezahlung einer Tätigkeit, berücksichtigt werden. Mit 118 zu 68 Stimmen nahm der Nationalrat das Postulat in der Folge an, die ablehnenden Stimmen stammten von Mitgliedern der SP- und der Grünen-Fraktion.

Lebensarbeitszeit in der AHV (Po. 22.4430)

In der Frühjahrssession 2023 startete der Ständerat in die Debatte zur Volksinitiative der Jungfreisinnigen «Für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge», der sogenannten «Renteninitiative». Gleich zuvor hatte sich die kleine Kammer erstmals mit der anderen im Parlament hängigen Volksinitiative für eine 13. AHV-Rente befasst und diese der Stimmbürgerschaft und den Ständen zur Ablehnung empfohlen. Denselben Antrag stellte die SGK-SR mit 7 zu 2 Stimmen bei 3 Enthaltungen auch im Hinblick auf die Renteninitiative, wie Kommissionssprecher Bischof (mitte, SO) erläuterte. In Anbetracht des knappen Ausgangs der AHV21-Abstimmung und der anstehenden Abstimmung zum BVG21-Projekt sei der Zeitpunkt für eine weitere Rentenaltererhöhung «nicht gegeben», begründete Bischof den Entscheid der Mehrheit. Zudem arbeite der Bundersat bereits an einer neuen Reform zur Finanzierung der AHV, die man abwarten wolle. Des Weiteren lehnte die Kommissionsmehrheit aber auch einen fixen Automatismus ab. Eine Minderheit Dittli (fdp, UR) beantragte hingegen, Stimmbevölkerung und Kantonen einen Antrag auf Annahme der Initiative vorzulegen. Die AHV besitze ein Finanzierungsproblem, da man heute für eine durchschnittlich 23 Jahre dauernde Rente gleich lang spare wie früher für eine Rente von 13 Jahren. Mit der Initiative könne man nun dafür sorgen, dass die Menschen in der Schweiz «nicht nur länger leben, sondern dies auch mit anständigen und nachhaltig gesicherten Renten tun können». In der nachfolgenden Debatte kamen Dittli zahlreiche Sprechende der FDP-Fraktion zu Hilfe und wiesen etwa darauf hin, dass man mit dieser Lösung das Problem bekämpfen könne, dass Politikerinnen und Politiker das unpopuläre Thema des Rentenalters gerne aufschieben würden (Andrea Caroni: fdp, SR). Mit der Initiative könne man die Rentenalterfrage hingegen «objektivieren» (Philippe Bauer: fdp, NE), also zukünftig ohne emotionale Diskussionen lösen. Die Gegnerinnen und Gegner aus dem bürgerlichen Lager verwiesen wie der Kommissionssprecher und Innenminister Berset auf die anstehenden Revisionsprojekte, die man abwarten solle, während die Sprechenden der SP vor allem Argumente gegen eine Rentenaltererhöhung insgesamt anführten. So sei etwa die Konzentration auf die durchschnittliche Lebenserwartung unfair, variiere diese doch zwischen verschiedenen Gruppen deutlich (Hans Stöckli: sp, BE). Am poetischsten wehrte sich wohl Charles Juillard (mitte, JU) gegen einen Automatismus: Die Frage des Rentenalters sei sehr emotional und widerspiegle das Bild der Bevölkerung von der Gesellschaft und vom Alter. Entsprechend sei es gesund, dass Parlament und Stimmbevölkerung regelmässig darüber diskutierten. Die vorgeschlagene Regel erachtete er hingegen als «trop rigide, trop technocratique et trop froide ou aveugle – sans coeur» – also als zu starr, zu technokratisch, zu kalt oder blind – ohne Herz. Mit 30 zu 11 Stimmen sprach sich der Ständerat gegen den Willen der Mitglieder der FDP-Fraktion für eine Empfehlung auf Ablehnung der Initiative aus.

Eidgenössische Volksinitiative «für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge (Renteninitiative) (BRG 22.054)
Dossier: Erhöhung des Rentenalters
Dossier: Volksinitiativen zur Altersvorsorge (seit 2015)

Im März 2023 erklärte die Bundeskanzlei die «Generationeninitiative für faire und sichere Renten» für gescheitert. Die Initiantinnen und Initianten hatten bis zum Ende der Sammelfrist nicht genügend Unterschriften für die Initiative, welche unter anderem eine periodische Erhöhung des Referenzalters, eine zwingende Finanzierung der beruflichen Vorsorge im Kapitaldeckungsverfahren sowie eine Anpassung der laufenden Renten an Anlageerträge, Kaufkraft und Lebenserwartung beinhaltete, eingereicht.

Eidgenössische Volksinitiative «Ja zu fairen und sicheren Renten (Generationeninitiative)»

Im Januar 2023 entschied der Bundesrat, die AHV 21-Reform auf den 1. Januar 2024 in Kraft zu setzen. Dadurch hätten die «Ausgleichskassen und Arbeitgebenden genügend Zeit, um die Reform umzusetzen». Folglich werde das Rentenalter der Frauen per 1. Januar 2025 um drei Monate ansteigen – Frauen mit Jahrgang 1961 müssten somit bis zum Alter von 64 Jahren und drei Monaten arbeiten. 2026, 2027 und 2028 folgten jeweils weitere Schritte von je drei Monaten, so dass ab 2028 alle Frauen mit Jahrgang 1964 und jünger bis zum Alter von 65 Jahren arbeiten müssen.

Reform «Stabilisierung der AHV (AHV 21)» (BRG 19.050)
Dossier: Erhöhung des Rentenalters
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter

Ende April 2022 kam das Referendum gegen die AHV21 zustande. Damit wurde an der Urne nicht nur über die Mehrwertsteuererhöhung um 0.4 Prozentpunkte respektive 0.1 Prozentpunkte und somit über eine Zusatzfinanzierung für die AHV von CHF 12.4 Mrd. bis 2032 abgestimmt – diese musste als Verfassungsänderung sowieso der Stimmbürgerschaft vorgelegt werden –, sondern auch über die übrigen Massnahmen des Reformprojekts. Dieses sah vor, das Rentenalter der Frauen in vier Schritten (2024 bis 2027) demjenigen der Männer anzupassen, wodurch die AHV bis 2032 CHF 9 Mrd. weniger ausgeben respektive mehr einnehmen sollte als bisher. Im Gegenzug sollten die ersten neun betroffenen Frauenjahrgänge Zuschläge zu ihren Renten oder günstigere Bedingungen beim Rentenvorbezug erhalten, die insgesamt CHF 2.8 Mrd. kosten sollten. Allgemein sollte der Start des Rentenbezugs flexibilisiert und neu zwischen 63 und 70 Jahren möglich werden – mit entsprechenden Abzügen und (teilweise) Gutschriften bei früherem oder späterem Bezug –, wobei die Rente nicht mehr nur vollständig, sondern auch teilweise bezogen werden kann. Dies würde bis 2032 etwa CHF 1.3 Mrd. kosten. Insgesamt könnten die AHV-Ausgaben bis ins Jahr 2032 um insgesamt CHF 4.9 Mrd. gesenkt werden.

Die Gegnerinnen und Gegner der AHV21-Reform wehrten sich vor allem gegen die Finanzierung der Reform auf dem «Buckel der Frauen» (Tages-Anzeiger), also durch die Erhöhung des Frauenrentenalters. Dadurch würde den Frauen faktisch die Rente gekürzt – ein Jahr weniger Rente entspreche CHF 26'000, rechnete das Referendumskomitee vor. Diese Reduktion würde noch nicht einmal für diejenigen Jahrgänge, welche Kompensationsmassnahmen erhielten, vollständig ausgeglichen. Besonders störend daran sei, dass Frauen noch immer einen deutlich geringeren Lohn für ihre Arbeit und einen Drittel weniger Rente als die Männer erhielten, während sie gleichzeitig sehr viel mehr unbezahlte Arbeit leisteten. Darüber hinaus erachtete die Gegnerschaft die Erhöhung des Frauenrentenalters auch als ersten Schritt hin zum Rentenalter 67, das sie jedoch unter anderem mit Verweis auf die schlechten Arbeitsmarktchancen älterer Arbeitnehmender sowie auf die Erhöhung der Langzeitarbeitslosigkeit und der Sozialhilfequote ablehnte. Schliesslich erachteten die Gegnerinnen und Gegner auch die aktuelle Situation der AHV als weniger gravierend als die Befürwortenden der Revision: Die AHV sei solide, werde aber immer durch dramatische Prognosen schlechtgeredet – diese seien bisher jedoch nie eingetroffen. Die Nein-Parole zu beiden AHV-Vorlagen gaben die SP, die Grünen, die PdA sowie die SD aus, sie wurden von den Gewerkschaften unterstützt.

Die Befürwortenden der Reform betonten, dass die AHV struktureller Reformen bedürfe, zumal sie ansonsten bereits in wenigen Jahren mehr ausgeben als einnehmen werde. Die AHV21-Reform führe durch Massnahmen sowohl auf Einnahmeseite – durch die Mehrwertsteuererhöhung – als auch auf Ausgabenseite – durch die Erhöhung des Frauenrentenalters – zu einer Verbesserung der AHV-Finanzen. Bezüglich des Arguments der Gegnerschaft, dass vor allem die Frauen für die Reform aufkommen müssten, verwiesen die Befürwortenden auf die «substanziellen Kompensationen», welche die Frauen der Übergangsgeneration erhielten. Zudem sei eine Rentenaltererhöhung der Frauen auf 65 Jahre gerechtfertigt, da sie einerseits als Teil der Gleichstellung erachtet werden könne und da die grossen Rentenunterschiede andererseits nicht aus der AHV, sondern aus der beruflichen Vorsorge stammten. Im Gegenzug forderten jedoch auch verschiedene Mitglieder der Pro-Komitees Verbesserungen für die Frauen in der zweiten Säule, vor allem beim Koordinationsabzug, welcher gesenkt werden sollte. Die Ja-Parole zu beiden Vorlagen gaben die SVP, die FDP, die Mitte, die GLP, die EVP und die EDU sowie etwa Economiesuisse, der Arbeitgeberverband, der Gewerbeverband und der Bauernverband aus.

In der medialen Berichterstattung stand vor allem die Frage nach den Auswirkungen für die Frauen sowie der Fairness ihnen gegenüber im Mittelpunkt. Im Zentrum des Interesses stand dabei der Bund Schweizerischer Frauenorganisationen, Alliance f. So zeigten sich die im Verband organisierten Frauen öffentlich gespalten: Selbst der Vorstand des Verbands bestand aus Befürworterinnen und Gegnerinnen der AHV21. Alliance f sei in einer «delikate[n] Ausgangslage», betonten folglich etwa die AZ-Medien. Als Konsequenz gab der Verband Stimmfreigabe heraus und schuf zwei Frauenallianzkomitees, ein befürwortendes und ein ablehnendes. Damit wolle man sich trotz unterschiedlicher Positionen in die Diskussion einbringen und somit verhindern, dass die Männer die Debatte um das Frauenrentenalter dominierten, betonte etwa Co-Präsidentin von Alliance f und Präsidentin des befürwortenden Frauen-Komitees, Kathrin Bertschy (glp, BE).

Zusätzliche Aufmerksamkeit erhielt die AHV21-Abstimmung Ende Mai, als das BSV die neuen Finanzperspektiven der AHV herausgab. So war der Bundesrat in der Botschaft zur AHV21 im August 2019 von einem negativen Betriebsergebnis der AHV im Jahr 2030 von CHF 4.6. Mrd. ausgegangen. Im Juni 2021 hatte das BSV für 2030 ein Defizit von CHF 3.7 Mrd. prognostiziert, in den neusten Finanzperspektiven Ende Mai 2022 war hingegen nur noch von einem Defizit von CHF 1.8 Mrd. die Rede. Das BSV erklärte diese Veränderungen mit dem guten Betriebsergebnis des AHV-Ausgleichsfonds 2021 sowie mit einem stärkeren Beschäftigungs- und Reallohnwachstum als erwartet. Diese Entwicklung zeige auf, dass die AHV in einer «systematische[n] Angstmacherei zulasten der Bevölkerung» schlechtgeredet werde, liess der SGB verlauten. Die NZZ erachtete diese Zahlen trotz der Korrekturen noch immer als schlecht, «die AHV [werde] so oder so ins Minus» rutschen.

Im Juni 2022 entschied die SGK-SR, dass ihr Entwurf zur Pensionskassenreform BVG21 noch nicht reif für die Behandlung in der Herbstsession 2022 sei. Die Gegnerinnen und Gegner der AHV21-Reform sahen darin einen Versuch, kritische Debatten zur BVG21-Reform vor der Abstimmung über die AHV21 zu verhindern. Doch auch Befürwortende der AHV21-Reform störten sich an diesem Vorgehen der Kommission, zumal man bei einer Behandlung der BVG21-Reform den Frauen hätte zeigen wollen, dass man als Ausgleich zur Rentenaltererhöhung wie mehrfach versprochen ihre Pensionskassenrenten erhöhen werde.

Zu medialen Diskussionen führten in der Folge auch die Vorumfragen. Bereits Anfang Mai berichtete die SonntagsZeitung mit Verweis auf eine Umfrage des Marktforschungsinstituts Demoscope, welche gemäss SonntagsBlick von den Befürwortenden in Auftrag gegeben worden war, dass sich 62 Prozent der SP-Sympathisierenden und 59 Prozent der Sympathisierenden der Grünen für die AHV21 aussprechen wollten. Insgesamt machte die Studie eine Zustimmung zur AHV21 von 55 Prozent aus. Darob publizierte jedoch der SGB die Resultate einer eigenen, zuvor beim Forschungsinstitut Sotomo in Auftrag gegebenen Studie, gemäss welcher die Sympathisierenden der SP die AHV21 zu 63 Prozent ablehnten, während der durchschnittliche Ja-Stimmenanteil über alle Parteien hinweg bei 48 Prozent zu liegen kam. Die Diskussion darüber, wie verlässlich Studien sind, welche von den Befürwortenden respektive der Gegnerschaft einer Vorlage in Auftrag gegeben werden, währte in den Medien jedoch nicht lange. Ab August konzentrierte sich die mediale Debatte auf die Vorumfragen von SRG/gfs.bern und Tamedia/Leewas, welche auf eine mehr oder weniger deutliche Annahme der zwei Vorlagen hindeuteten (Mehrwertsteuererhöhung: zwischen 54 und 65 Prozent, AHVG: zwischen 52 und 64 Prozent). Vor allem zeichnete sich in den Vorumfragen aber bereits ein deutlicher Geschlechtergraben ab, so sprachen sich beispielsweise Anfang August 2022 in der ersten Tamedia-Umfrage 71 Prozent der Männer für die Änderung des AHVG und somit für die Erhöhung des Frauenrentenalters aus, während diese nur 36 Prozent der Frauen befürworteten.

Hatten die Vorumfragen letztlich doch eine relativ deutliche Annahme beider AHV21-Vorlagen in Aussicht gestellt, wurde es am Abstimmungssonntag für die Gesetzesänderung sehr eng: Mit 50.55 Prozent Ja-Stimmen und gut 31'000 Stimmen Unterschied sprach sich die Stimmbürgerschaft für Annahme der Reform aus. Deutlicher fiel das Verdikt für die Zusatzfinanzierung über eine Mehrwertsteuererhöhung aus (55.07%).


Abstimmung vom 25. September 2022

Änderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG; AHV21)
Beteiligung: 52.2%
Ja: 1'442'591 Stimmen (50.5%)
Nein: 1'411'396 Stimmen (49.5%)

Bundesbeschluss über die Zusatzfinanzierung der AHV durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer
Beteiligung: 52.2%
Ja: 1'570'813 Stimmen (55.1%)
Nein: 1'281'447 Stimmen (44.9%)

Parolen:
-Ja: SVP, FDP, Mitte, GLP, EVP, EDU; Economiesuisse, SAV, SBV, SGV
-Nein: SP, GPS, PdA, SD; SGB, Travail.Suisse, VPOD
* in Klammern Anzahl abweichender Kantonalsektionen


«Männer haben Frauen überstimmt», titelte in der Folge der «Blick», von einem «eklatante[n] Geschlechtergraben, wie es ihn noch nie gegeben hat», sprach die WOZ. In der Tat zeigten verschiedene Nachbefragungen einen grossen Zustimmungsunterschied zwischen Frauen und Männern. In der Vox-Analyse lag die Zustimmung zur Gesetzesänderung bei den Frauen im Schnitt bei 38 Prozent, bei den Männern bei 64 Prozent – wobei die direktbetroffenen Frauen unter 65 Jahren der Vorlage nur mit 25 Prozent (18-39 Jährige) respektive mit 29 Prozent (40-64 Jährige) zustimmten, die Frauen im Rentenalter hingegen mit 63 Prozent. In der Folge kam es in Bern und anderen Städten zu Demonstrationen, in denen Teile der Gegnerinnen der Vorlage ihre Wut über das Ergebnis ausdrückten. In einer Rede zeigte sich Tamara Funiciello (sp, BE) gemäss Medien empört darüber, dass «alte, reiche Männer» entschieden hätten, dass «Kita-Mitarbeiterinnen, Nannys, Reinigungskräfte und Pflegefachfrauen» länger arbeiten müssten. Dies führte im Gegenzug zu Unmut bei Vertreterinnen und Vertretern der bürgerlichen Parteien, welche kritisierten, dass «die Linke» den Stimmentscheid nicht akzeptieren wolle. Zudem sprach Regine Sauter (fdp, ZH) Funiciello die Berechtigung ab, im Namen aller Frauen zu sprechen, zumal Frauen keine homogene Masse bildeten. Funiciello hingegen betonte gemäss Tages-Anzeiger, dass es «für Verbesserungen [...] den Druck von der Strasse und den Dialog im Bundeshaus» brauche.

Doch nicht nur zwischen den Geschlechtern, auch zwischen den Sprachregionen zeigten sich bereits am Abstimmungssonntag grosse Unterschiede. Sämtliche mehrheitlich romanischsprachigen Kantone lehnten die Reform ab, allen voran die Kantone Jura (29% Ja-Stimmen), Neuenburg (35%) und Genf (37%), während sich nur drei deutschsprachige Kantone mehrheitlich gegen die Reform des AHV-Gesetzes aussprachen (Basel-Stadt: 47% Zustimmung; Solothurn: 49.8%, Schaffhausen: 50.0%). Die höchste Zustimmung fand sich in den Kantonen Zug (65%), Nidwalden (65%) und Appenzell-Innerrhoden (64%). «Die Deutschschweiz sichert die AHV», bilanzierte folglich etwa die NZZ, während SGB-Präsident und Nationalrat Maillard (sp, VD) die Unterschiede zwischen den Sprachregionen kritisierte, neben dem Geschlechtergraben und dem Sprachgraben aber auch einen Einkommensgraben ausmachte. Diese Ergebnisse bestätigte später auch die Vox-Analyse, welche für Personen mit Haushaltseinkommen unter monatlich CHF 3'000 eine deutlich tiefere Zustimmung zur Gesetzesänderung ermittelte als für Personen mit höheren Haushaltseinkommen (unter CHF 3'000: 32%; CHF 3'000-5'000: 49%, CHF 5'000-9'000: 52%, CHF 9'000-11'000: 59%, CHF über 11'000: 60%). Dieselben Unterschiede waren jeweils auch bei der Mehrwertsteuererhöhung erkennbar, wenn auch in geringerem Ausmass.

Als Motive für ihren Stimmentscheid machte die Vox-Analyse bei den Befürwortenden die Notwendigkeit zur Stabilisierung der AHV aus – sowohl bei der Gesetzesänderung (41%) als auch bei der Mehrwertsteuererhöhung (64%) wurde dieser Punkt häufig genannt. Zusätzlich erachteten aber die Befürwortenden die Gesetzesänderung – also wohl vor allem die Rentenaltererhöhung – auch als Schritt hin zur Gleichberechtigung (45%). Die Gegnerinnen und Gegner erachteten sowohl die Gesetzesänderung als ungerecht (84%), insbesondere im Hinblick auf die Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern, als auch auf die Mehrwertsteuererhöhung (46%), die vor allem einkommensschwache Personen treffe und allgemein ein «schlechtes Finanzierungsmittel» (Vox-Analyse) darstelle.

Bereits am Tag nach der Volksabstimmung zur AHV21 schwenkte das mediale Interesse weg von der Reform der AHV hin zur BVG21-Reform. Denn nicht nur die Gegnerinnen und Gegner der AHV21-Reform, sondern auch weite Teile der Befürwortenden wiesen auf die Verpflichtung oder gar das «Versprechen» (AZ) hin, die mit dieser Annahme der Reform einhergingen: Im Gegenzug müsse das Bundesparlament die Benachteiligung der Frauen bei der Altersvorsorge im Rahmen der anstehenden BVG21-Reform korrigieren.

Reform «Stabilisierung der AHV (AHV 21)» (BRG 19.050)
Dossier: Erhöhung des Rentenalters
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter

In seiner im Juni 2022 vorgelegten Botschaft empfahl der Bundesrat die Volksinitiative der Jungfreisinnigen «Für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge (Renteninitiative)» zur Ablehnung, ohne ihr einen direkten Gegenentwurf oder einen indirekten Gegenvorschlag gegenüberzustellen. Die Initiative will das Rentenalter zuerst bis 2033 für Frauen und Männer auf 66 Jahre erhöhen und anschliessend an die durchschnittliche Lebenserwartung koppeln: Ein Anstieg der Lebenserwartung um einen Monat soll demnach mit einem Anstieg des Rentenalters um 0.8 Monate einhergehen, wobei das Rentenalter jedoch jährlich um maximal 2 Monate ansteigen soll. Der Bundesrat hob die positiven Folgen der Initiative für die AHV-Finanzen hervor, so könnten die Einnahmen der AHV zum Beispiel im Jahr 2032 um CHF 624 Mio. gesteigert und die Ausgaben um CHF 3.46 Mrd. gesenkt werden. Generell erachtete der Bundesrat denn auch eine Rentenaltererhöhung als «berechtigt». Diese solle aber nicht auf Verfassungs-, sondern auf Gesetzesstufe vorgenommen werden, um dem Gesetzgeber mehr Gestaltungsspielraum zu geben. Zudem brauche es neben den ausgabenseitigen auch einnahmeseitige Massnahmen zur Finanzierung der AHV, selbst die zusätzlichen Einnahmen und wegfallenden Ausgaben durch die Initiative würden denn auch nicht reichen, um die AHV-Finanzierung langfristig sicherzustellen.

Eidgenössische Volksinitiative «für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge (Renteninitiative) (BRG 22.054)
Dossier: Erhöhung des Rentenalters
Dossier: Volksinitiativen zur Altersvorsorge (seit 2015)

Ende März 2022 sprach sich nach dem Bundesrat auch die SGK-SR mehrheitlich für Annahme der Motion Silberschmidt (fdp, ZH; Mo. 20.4078) für eine Finanzierung der AHV im Jahr 2050 ohne Umlagedefizit aus. «Aus politischer Sicht gibt es keinen Grund, diese Motion abzulehnen», betonte die Kommissionsmehrheit im Kommissionsbericht. Dies sah eine Minderheit Rechsteiner (sp, SG) anders und beantragte die Motion zur Ablehnung. Mangels verlässlicher Vorhersagen für eine «derart langfristige Perspektive» solle die Motion abgelehnt werden.
In der Sommersession 2022 folgte der Ständerat mit 22 zu 18 Stimmen der Kommissionsmehrheit und nahm die Motion an. Zwei Tage später zog Andri Silberschmidt seine ursprüngliche Motion (Mo. 20.3833) zurück, welche die defizitfreie Finanzierung der AHV zusätzlich durch gleich starke ausgaben- wie einnahmenseitige Massnahmen erreichen wollte.

Netto-null-Ziel im Jahr 2050. Ein Nachhaltigkeitsziel auch für die AHV (Mo. 20.3833 & Mo 20.4078))

Ende April 2022 gab die Bundeskanzlei bekannt, dass das Referendum gegen die AHV-21-Reform zustande gekommen ist. Das Referendumskomitee «Referendum AHV 21» unter der Federführung der SP hatte 124'337 Unterschriften eingereicht – zeitweise war gar von über 150'000 gesammelten Unterschriften die Rede –, 53'791 davon mit Stimmrechtsbescheinigung, obwohl dies Corona-bedingt gar nicht nötig gewesen wäre. Da 53'209 beglaubigte Unterschriften gültig waren, verzichtete die Bundeskanzlei auf die Beglaubigung weiterer Unterschriften. Somit wird es im September 2022 zur Abstimmung über die Änderung des AHV-Gesetzes sowie über die Erhöhung der Mehrwertsteuer zugunsten der AHV kommen. Letztere war nicht Gegenstand des fakultativen Referendums, da die Erhöhung der Mehrwertsteuer eine Verfassungsänderung bedingt, die dem obligatorischen Referendum unterliegt. Zwar kann an der Urne über beide Teilaspekte der Revision einzeln abgestimmt werden, in Kraft treten sie jedoch aufgrund einer entsprechenden von Bundesrat und Parlament erlassenen Bestimmung nur, wenn beide angenommen werden.

Reform «Stabilisierung der AHV (AHV 21)» (BRG 19.050)
Dossier: Erhöhung des Rentenalters
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter

In der Wintersession 2021 setzte sich das Parlament nochmals ausgiebig mit der AHV-21-Reform auseinander und bereinigte diese. Bevor der Nationalrat aber die Details der Reform besprechen konnte, musste er sich mit einer grundsätzlicheren Frage auseinandersetzen. So verlangte eine Minderheit Mettler (glp, BE) eine Rückweisung der Vorlage an die Kommission und eine Verknüpfung der Inkraftsetzung der AHV-21- mit derjenigen der BVG-21-Reform, deren Beratung das Parlament in der Wintersession 2021 ebenfalls aufnahm. Eine Verknüpfung sei nötig, weil eine Anpassung des Frauenrentenalters an dasjenige der Männer eine Senkung des Koordinationsabzugs im BVG voraussetze, betonte Melanie Mettler. Eine gleich lange Arbeitszeit für Frauen und Männer bedinge demnach «eine gleich gute Versicherung ihrer Einkommen». Dieser Antrag stiess jedoch nur in der GLP-, bei Teilen der SP- sowie bei einzelnen Mitgliedern der Grünen-Fraktion auf Zustimmung; er wurde mit 136 zu 28 Stimmen (bei 29 Enthaltungen) abgelehnt. Barbara Gysi (sp, SG) etwa erachtete eine solche Verknüpfung als gefährlich, da man zum Zeitpunkt der anvisierten Referendumsabstimmung zur AHV 21 noch nicht wisse, «wie die BVG-Revision herauskommt». Zentral sei stattdessen eine Verhinderung der Rentenaltererhöhung. Auch die Mitglieder der anderen Parteien lehnten eine Verknüpfung der zwei Vorlagen unter anderem mit Verweis auf die kritischen Voten zum Einbezug beider Säulen in die Altersvorsorge 2020 ab.

In der Detailberatung war vor allem noch die Frage nach dem Modell der Ausgleichsmassnahmen für direkt betroffene Frauenjahrgänge offen. In beiden Räten waren zuvor zahlreiche unterschiedliche Modelle diskutiert worden, zuletzt hatte sich der Ständerat für eine Kombination der verschiedenen Modelle ausgesprochen, gemäss der die Frauen aus neun betroffenen Jahrgängen Rentenzuschläge erhalten sollen, die nach Jahrgängen und nach Einkommen abgestuft werden. Zudem wollte der Ständerat den betroffenen Frauen als Alternative zu den höheren Rentenzuschlägen keine tieferen Kürzungssätze bei Rentenvorbezug anbieten, wie es der Bundesrat und der Nationalrat beabsichtigt hatten.
Die Mehrheit der SGK-NR schlug nun vor, dem Ständerat zwar bezüglich des Modells der Rentenzuschläge und der betroffenen neun Jahrgänge zu folgen, die Zuschläge jedoch für sämtliche Kategorien deutlich zu reduzieren. Im Gegenzug bestand die Kommissionsmehrheit auf den reduzierten Kürzungssätzen bei Rentenvorbezug, erhöhte diese aber quasi als Kompromissvorschlag im Vergleich zu ihrem ersten Vorschlag deutlich. Ein «zielgerichteteres» Modell wollte eine Minderheit Sauter (fdp, ZH) einführen: Mit diesem bliebe zwar das Kompensationsvolumen gegenüber der Mehrheit gleich, jedoch würden nur sieben Jahrgänge vom Rentenzuschlag profitieren, während die Kürzungssätze im Gegenzug nicht erhöht würden. Damit könnten sich gerade auch Frauen mit tieferen Einkommen eine Frühpensionierung eher leisten, bewarb die Minderheitensprecherin das Modell. Zudem sollten die Zuschläge dadurch die Maximalrente oder den Ehepaarplafond nicht übersteigen können, womit ein «grobe[r] Systemfehler» behoben werden könne. Damit werde jedoch ein Rentenvorbezug attraktiver, was man eigentlich habe verhindern wollen, kritisierte etwa Ruth Humbel (mitte, AG) den Vorschlag der Minderheit. In der Folge entschied sich der Nationalrat mit 167 zu 28 Stimmen, seiner Kommissionsmehrheit zu folgen, wobei einzig die FDP.Liberale-Fraktion den Minderheitsantrag unterstützte.
Damit hatte das Parlament auch bezüglich der Ausgleichsmassnahmen einen Grundsatzentscheid gefällt. In den folgenden Behandlungsrunden bemühten sich die Räte um einen Kompromiss bei der konkreten Ausgestaltung der Regelung. So lenkte der Ständerat in der Folge zwar bezüglich der Schaffung einer Wahlmöglichkeit zwischen einem Rentenzuschlag und einer Reduktion der Kürzungssätze bei Vorbezug ein. Er schlug aber gleichzeitig eine Erhöhung der vom Nationalrat stark gekürzten Rentenzuschläge sowie der vom Nationalrat bereits leicht erhöhten Kürzungssätze vor. Mit diesem Kompromiss zeigte sich der Nationalrat in der Folge einverstanden, womit die Ausgestaltung der Ausgleichsmassnahmen noch vor der Einigungskonferenz beschlossen werden konnte.

Offen waren zu Beginn der Wintersession auch die vom Nationalrat eingebrachte Zusatzfinanzierung der AHV durch die Nationalbank sowie die Frage, ab wann Hilflosenentschädigungen ausgesprochen werden sollen. Bei der ersten Differenz waren die Meinungen in den Räten gemacht, wobei der Ständerat am längeren Hebel sass: Dadurch, dass er zweimal auf Eintreten auf den entsprechenden Bundesbeschluss verzichtete, verunmöglichte er die Weiterverfolgung dieser durch den Nationalrat eingebrachten Idee – zumindest im Rahmen der aktuellen AHV-Revision, denn ein ähnliches Ziel verfolgte auch eine zum damaligen Zeitpunkt noch hängige Kommissionsinitiative (Pa.Iv. 20.432). Bezüglich der Hilflosenentschädigungen einigten sich die Räte auf einen Kompromissvorschlag: Anstelle der Dauer eines Jahres, in welcher eine Hilflosigkeit bisher zum Anspruch auf Hilflosenentschädigung vorliegen musste, sollte neu nur noch eine sechsmonatige Hilflosigkeit nötig sein.

Bis zum Schluss keine Einigkeit zwischen den Räten gab es bei der Frage, ob die Rentenzuschläge bei den EL als Einnahmen angerechnet werden sollen oder nicht. Der Nationalrat wollte die Rentenzuschläge von der EL-Berechnung ausnehmen, damit auch Frauen, die EL beziehen, davon profitieren können. Im Ständerat wurde hingegen argumentiert, dass eine solche Regelung dem Grundprinzip der EL widerspreche und deshalb abzulehnen sei, wie beispielsweise Kommissionssprecher Ettlin (mitte, OW) erläuterte. Die Einigungskonferenz entschied sich mit 17 zu 8 Stimmen für den nationalrätlichen Vorschlag, woraufhin die grosse Kammer ihren Antrag mit 121 zu 61 Stimmen annahm. Mit den Mitgliedern der SP- und der Grünen-Fraktion sprachen sich indes genau diejenigen Personen gegen diese Ausnahme bei den EL aus, welche diese zuvor am häufigsten gefordert hatten. Diese Ablehnung zielte wohl aber eher auf die Revision an sich und nicht auf die Regelung bezüglich der EL. Auch der Ständerat nahm den Vorschlag der Einigungskonferenz mit 31 zu 10 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) an. Kommissionssprecher Ettlin hatte zuvor betont, dass man ob dieser Bestimmung nicht die ganze, sehr wichtige Reform gefährden wolle.

Damit standen die Schlussabstimmungen zur AHV-21-Reform an, wobei SGK-NR-Sprecher de Courten (svp, BL) das Ergebnis der parlamentarischen Debatte nochmals zusammenfasste: Durch die Frauenrentenaltererhöhung auf 65 Jahre und die Mehrwertsteuererhöhung könnten bei der AHV jährlich CHF 1.4 Mrd. gespart werden, wovon CHF 130 Mio. für Kürzungen beim Rentenvorbezug, CHF 534 Mio. als Ausgleichsmassnahmen für die Frauen und CHF 80 Mio. für die Reduktion der Karenzfrist bei der Hilflosenentschädigung gleich wieder eingesetzt würden. Mit den verbliebenen CHF 583 Mio. jährlich sollte der AHV-Fonds im Jahr 2030 ein Umlageergebnis von CHF -2,4 Mrd. und einen Fondsbestand von 89 Prozent aufweisen.
In den Schlussabstimmungen drohte den beiden Bundesbeschlüssen über die AHV-Revision und über die Zusatzfinanzierung durch eine Mehrwertsteuererhöhung schliesslich keine Gefahr mehr: Mit 125 zu 67 Stimmen (bei 1 Enthaltung) respektive 126 zu 40 Stimmen (bei 27 Enthaltungen) sprach sich der Nationalrat, mit 31 zu 12 Stimmen und 43 zu 0 Stimmen der Ständerat für die Revision aus. Die ablehnenden Stimmen und Enthaltungen stammten allesamt aus der SP- und der Grünen-Fraktion. Doch dass die AHV-21-Reform damit noch nicht vollständig abgeschlossen war, war zu diesem Zeitpunkt wohl den meisten klar: Die SP hatte bereits früh ein Referendum gegen die Rentenaltererhöhung der Frauen angekündigt und bekräftigte diese Absicht auch nach den Schlussabstimmungen gegenüber den Medien erneut.

Reform «Stabilisierung der AHV (AHV 21)» (BRG 19.050)
Dossier: Erhöhung des Rentenalters
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter

Rund ein Jahr nach Annahme des Postulats von Peter Hegglin (mitte, ZG) legte der Bundesrat seinen Bericht für eine «zeitgemässe Besoldungs- und Ruhegehaltsregelung für Magistratspersonen» vor. Grundlage der aktuell geltenden Regelung sei das 1990 in Kraft gesetzte Bundesgesetz über Besoldung und berufliche Vorsorge der Magistratspersonen. Dieses sehe vor, dass neben den Mitgliedern des Bundesrats auch die ordentlichen Bundesrichterinnen und Bundesrichter sowie die Bundeskanzlerin oder der Bundeskanzler als Magistratspersonen gelten. Das jeweils an die Teuerung anzupassende Jahresgehalt für Bundesratsmitglieder betrage laut geltender Verordnung im Jahr 2021 CHF 454'581; für den Bundeskanzler seien 81.6 Prozent und für die Mitglieder des Bundesgerichts 80 Prozent dieser Summe als Lohn festgelegt worden. Der Lohn werde vierteljährlich von der Bundeskanzlei ausbezahlt. Die Magistratspersonen unterstehen laut Gesetz nicht dem BVG, haben aber einen Anspruch auf Ruhegehalt auf Lebenszeit, das nach Ausscheiden aus dem Amt der Hälfte des Jahreslohns entspricht (sogenanntes «volles Ruhegehalt»), wenn die Amtszeit mindestens vier Jahre (Bundesrat), acht Jahre (Bundeskanzlei) oder 15 Jahre (Bundesgericht) betragen hatte oder das Amt aus gesundheitlichen Gründen niedergelegt werden musste. Kürzere Amtszeiten oder eine Wiederaufnahme einer Erwerbsarbeit nach Amtsende haben Kürzungen des Ruhegehalts zur Folge: Erwerbseinkommen und Teilruhegehalt zusammen dürfen das volle Ruhegehalt nicht überschreiten. Darüber hinaus erhalten Ehegatinnen und Ehegatten sowie Kinder verstorbener ehemaliger Magistratspersonen Hinterlassenen- und Waisenrenten.
Das Postulat hatte verlangt, dass diesen geltenden Regelungen alternative Modelle gegenübergestellt werden, die insbesondere eine berufliche Vorsorge beinhalten sollten. Bei einer Lösung mit beruflicher Vorsorge müssten einige Grundsatzentscheide gefällt werden, wurde im Bericht ausgeführt. So müssten unter anderem Übergangsleistungen geregelt werden und es müsste entschieden werden, ob eine Versicherung im Beitragsprimat oder im Leistungsprimat angelegt werden soll, was je nach Alter der Betroffenen bei Amtsrücktritt zu «komplizierten Berechnungen» und «Regelungen von Spezialfällen» führe. Der Vorteil der geltenden Lösung sei entsprechend «deren Einfachheit und Transparenz» und die Unabhängigkeit vom Alter der Magistratsperson bei deren Rücktritt. Ein weiterer Pluspunkt der aktuellen Regelung sei zudem, dass das sichere Einkommen nach Amtsende Unabhängigkeit fördere: Eine mögliche Nichtwiederwahl vor der Pensionierung sei nicht mit finanziellen Einbussen verbunden, was Magistratspersonen vom Druck befreie, während der Amtszeit finanzielle Lösungen zu suchen. «Das (momentane) System der Ruhegehälter trägt somit dazu bei, dass Entscheidungen im Amt unabhängig von persönlichen finanziellen Überlegungen getroffen werden.»

Zeitgemässe Besoldungs- und Ruhestandsregelungen für Magistratspersonen (Po. 20.4099)
Dossier: Ruhestandsgehälter von Magistratspersonen

In Erfüllung eines Postulats Caroni (fdp, AG) veröffentlichte der Bundesrat Ende 2021 einen Bericht zur rechtlichen Ungleichbehandlung von Frauen und Männern im Bundesrecht. Der Bundesrat hatte dazu ein Rechtsgutachten zu direkter Ungleichbehandlung der Geschlechter in den neun Bänden des Landesrechts erstellen lassen. Eine direkte Ungleichbehandlung wurde dabei als bundesrechtliche Regelung definiert, welche nur ein Geschlecht betrifft oder in welcher die Geschlechter nicht gleich behandelt werden. Unterschieden wurde dabei in gerechtfertigte und nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung – eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung verstosse gegen das Grundrecht der Gleichstellung von Mann und Frau in der BV.
Der Bundesrat erachtete die meisten Ungleichbehandlungen aufgrund von biologischen und funktionalen Unterschieden oder zur Verwirklichung der tatsächlichen Gleichberechtigung als gerechtfertigt. So seien beispielsweise verschiedene Regelungen im Bereich von Schwangerschaft und Mutterschaft biologisch und funktional bedingt und somit weitgehend gerechtfertigt. Weiter seinen geschlechtsspezifische Unterschiede im Asylwesen, bei der Förderung von Frauen im Sport und in der Forschung oder aufgrund des Fokus auf Frauen mit einer Behinderung in den Massnahmen zur Beseitigung von Benachteiligungen für Menschen mit Behinderungen angemessen und tragbar. Im Strafrecht seien beispielsweise der Schwangerschaftsabbruch, die weibliche Genitalverstümmelung oder Kindstötung zu Recht nur auf Frauen bezogen. Ebenfalls als gerechtfertigt erachtete der Bundesrat die primäre Anknüpfung an der Mutter zur Entstehung des Kindsverhältnisses. Hier lag die einzige Unstimmigkeit zwischen dem Bundesrat und dem externen Rechtsgutachten, welches diesen Unterschied als ungerechtfertigt erachtete.
Es gebe aber durchaus einige ungerechtfertigte Unterschiede in bundesrechtlichen Regelungen, erklärte der Bundesrat; diese bedingten möglicherweise eine Anpassung. Nicht gerechtfertigt sei die ausschliessliche Dienstpflicht in der Armee für Männer, zudem könnten das unterschiedliche Rentenalter, die Unterschiede zwischen Witwen- und Witwerrenten, oder die Definition von Vergewaltigung, die nur Frauen als Opfer zulässt, als diskriminierend gewertet werden.
Schliesslich unterstrich der Bundesrat die Bedeutung der Förderung der Gleichstellung von Mann und Frau, zu welcher eben auch die rechtliche Gleichberechtigung gehöre. So habe die Gleichstellungsstrategie 2030 unter anderem zum Ziel, geschlechterdiskriminierende Regelungen im Bundesrecht zu überarbeiten. Der Bundesrat wies zudem darauf hin, dass verschiedene Geschäfte und Reformen hängig seien, durch welche rechtliche Ungleichbehandlungen zwischen Mann und Frau wegfallen könnten. So seien neue Modelle der Dienstpflicht und die obligatorische Teilnahme von Frauen am Orientierungstag der Armee in Prüfung, die Revision des Sexualstrafrechtes sei in der Vernehmlassung und die Reform «AHV 21» könnte eine Angleichung des Rentenalters etablieren.

Rechtliche Ungleichbehandlung von Frauen und Männern im Bundesrecht (Po. 19.4092)

In der Herbstsession 2021 startete der Ständerat ins Differenzbereinigungsverfahren der AHV 21-Reform, bei der die beiden Kammern sich in verschiedenen zentralen Punkten bereits einig waren – etwa bei der Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre oder der Verknüpfung der Mehrwertsteuererhöhung und der AHV-Reform –, aber auch noch zahlreiche, auch sehr weitreichende Differenzen bestanden. Erich Ettlin (mitte, OW) erläuterte als Kommissionssprecher noch einmal den Rahmen der Revision: Die Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre soll jährlich CHF 1.4 Mrd. und bis ins Jahr 2030 CHF 10 Mrd. einbringen. Davon abgezogen werden müssten die Ausgleichsmassnahmen für besonders betroffene Jahrgänge, über deren Höhe und Ausgestaltung sich Bundesrat, Nationalrat und Ständerat noch nicht einig waren: Der Bundesrat hatte Ausgleichsmassnahmen in der Höhe von einem Drittel der Gesamteinsparungen (CHF 3.3. Mrd.) vorgesehen, der Ständerat in seiner ersten Beratung Massnahmen über CHF 2.1 Mrd. und der Nationalrat solche von CHF 4.1 Mrd.

Bezüglich der Ausgleichsmassnahmen lagen dem Ständerat zwei neue Modelle vor, ein Modell der Kommissionsmehrheit sowie dasjenige einer Minderheit Müller (fdp, LU), das jedoch nicht mit Müllers Modell aus der ersten ständerätlichen Debatte übereinstimmte. Sowohl die Kommissionsmehrheit als auch die Minderheit wollten dabei prinzipiell das bisherige Trapezmodell des Ständerates mit dem bisherigen Nationalratsmodell kombinieren. Ersteres hatte Abstufungen der Rentenzuschläge nach Jahrgang der Frauen vorgesehen, Letzteres beinhaltete Abstufungen nach Einkommensgruppen – nun sollten die Rentenzuschläge folglich in beiden Modellen sowohl nach Jahrgängen als auch nach Einkommen abgestuft werden. Die Kommissionsmehrheit blieb bei der progressiv-degressiven Ausgestaltung in Trapezform, wonach die ersten drei und die letzten zwei Jahrgänge nur jeweils einen Teil des Zuschlags, nicht den vollständigen Zuschlag erhalten sollten. Die Minderheit Müller sah hingegen nur bei den ersten drei Jahrgängen gekürzte Zuschläge vor. Beide Modelle wollten jedoch die Rentenzuschläge ausserhalb des AHV-Plafonds gewähren, womit also auch Frauen, welche bereits ohne Zuschlag die Maximalrente erhielten, davon profitieren sollten. Die Unterstellung des Zuschlags unter den Plafonds war zuvor am bundesrätlichen sowie am nationalrätlichen Modell stark kritisiert worden. Insgesamt zeigte sich die Kommissionsmehrheit bei den Zuschlägen deutlich grosszügiger als die Minderheit Müller, die sowohl tiefere Grundzuschläge als auch grössere Reduktionen dieser Zuschläge (nach Jahrgängen und Einkommen) vorsah.
Ähnlich waren sich die beiden Modelle beim Gesamtbetrag, der für die Ausgleichsmassnahmen eingesetzt werden sollte: Hier hatte man sich in der Kommission zuvor mit CHF 3.2 Mrd. in etwa auf den Betrag des Bundesrates geeinigt – man wählte also einen Mittelweg zwischen den CHF 2.1 Mrd. des ersten Vorschlags des Ständerates und den CHF 4.1 Mrd. des Nationalrats. Hingegen unterschieden sich die beiden Modelle bezüglich der Anzahl zu berücksichtigender Jahrgänge: Die Kommissionsmehrheit blieb beim ständerätlichen (und bundesrätlichen) Vorschlag von neun Jahrgängen, die Minderheit Müller machte einen Schritt auf den Nationalrat zu, der sechs Jahrgänge begünstigen wollte, und schlug sieben Jahrgänge vor. Neun Jahrgänge seien nötig, weil sonst «viele tausend Frauen betroffen sind, die keine Möglichkeit mehr für einen Ausgleich haben», begründete Pirmin Bischof (mitte, SO) die Position der Kommissionsmehrheit. Damian Müller wies jedoch darauf hin, dass ab dem achten Jahrgang bereits «der nächste Reformschritt greifen» müsse, welchen die SGK-NR mit ihrer Motion in die Wege geleitet hatte.
Besonders umstritten war in der Kommission nun die Frage des Rentenvorbezugs. Der Bundesrat hatte in seinem ursprünglichen Modell vorgesehen, dass die betroffenen Jahrgänge entweder zwischen dem Rentenzuschlag oder einem Rentenvorbezug zu besseren Konditionen wählen können. Die Minderheit Müller wollte bei dieser Wahlmöglichkeit bleiben und den reduzierten Kürzungssatz bei Rentenvorbezug noch nach Einkommensgruppen abstufen. Somit sollten Frauen mit geringen Einkommen in den Übergangsgenerationen ihre Rente ohne oder nur mit geringen Einbussen vorzeitig beziehen, dabei aber nicht vom Rentenzuschlag profitieren können. Die Kommissionsmehrheit hingegen sah vor, dass die betroffenen Frauen bei einem Rentenvorbezug zwar nicht von besseren Konditionen profitieren können sollten – für sie würden somit bei einem Vorbezug dieselben Konditionen gelten wie für alle anderen Frauen –, jedoch sollten sie auch bei einem Vorbezug in den Genuss des vollen Rentenzuschlags kommen. Hier waren sich Kommissionsmehrheit und -minderheit nicht einig, welches Modell fairer sei. Minderheitensprecher Müller störte sich am Vorschlag der Kommissionsmehrheit, da die Vorbeziehenden damit «für ihren Rentenvorbezug mit einer unter dem Strich höheren Rente belohnt werden». Dagegen wehrte sich Pirmin Bischof und argumentierte, dass rentenvorbeziehende Frauen in allen Varianten der Mehrheit immer eine tiefere Rente bekämen als Frauen, die bis 65 arbeiteten. Hingegen sehe das Modell Müller, dem Modell des Nationalrats folgend, geringere Kürzungssätze beim Rentenvorbezug vor als das bundesrätliche Modell. Damit setze die Minderheit mehr Geld für Personen mit hohen Einkommen ein, da eine Senkung der Kürzungssätze gemäss Bischof «bei den hohen Einkommen betragsmässig natürlich am meisten aus[mache]». Zudem verursachten die Rentenvorbeziehenden im nationalrätlichen Modell ähnlich hohe Kosten an Ausgleichsmassnahmen wie Personen, die bis ins Alter von 65 Jahren arbeiteten und den Rentenzuschlag wählten – dies sei mit dem Kampf gegen den Fachkräftemangel nicht zu vereinbaren, erklärte Kommissionssprecher Ettlin.
Bundesrat Berset zeigte sich in der Folge von beiden Ausgleichsmodellen für die Übergangsgenerationen nicht begeistert, nannte das Kommissionsmodell jedoch «une solution équilibrée». Der Gesundheitsminister betonte insbesondere, dass die Ausgleichsmassnahmen bei der letzten erfolgreichen AHV-Revision 1994 nicht einen Drittel, sondern ganze 80 Prozent der Einnahmen betragen hätten, und warb in diesem Sinne für eine möglichst grosszügige Ausgestaltung der Massnahmen, um diese in der nötigen Volksabstimmung durchzubringen. In der Folge entschied sich der Ständerat mit 27 zu 15 Stimmen für das Modell der Kommissionsmehrheit.

Bezüglich der Mehrwertsteuererhöhung beantragte die Kommission, dem Nationalrat bei einer Erhöhung um 0.4 Prozentpunkte (beim Normalsatz sowie um je 0.1 Prozentpunkte beim reduzierten Satz und beim Sondersatz) zu folgen – der Ständerat hatte sich in seiner ersten Behandlung für eine Erhöhung um 0.3 Prozentpunkte (und je 0.1 Prozentpunkte) ausgesprochen, der Bundesrat hatte für eine Erhöhung um 0.7 Prozentpunkte plädiert. Die von der Kommission vorgeschlagene Erhöhung würde der AHV CHF 1.37 Mrd. pro Jahr einbringen, bei 0.3 Prozentpunkten wären es CHF 1.03 Mrd. Zudem lag dem Ständerat bei seiner Beratung ein Einzelantrag Noser (fdp, ZH) vor. Noser schlug eine Erhöhung um 0.3 Prozentpunkte vor, zumal er es als schwierig erachtete, den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern eine verglichen mit der Altersvorsorge 2020 stärkere Erhöhung der Mehrwertsteuer bei einer ansonsten kleineren Revision zu erklären. Zudem sei es sinnvoll, diese Differenz zum Nationalrat offen zu halten, um weiterhin eine Diskussion dazu zu ermöglichen. Erich Ettlin präsentierte diesbezüglich den voraussichtlichen Stand des AHV-Fonds im Jahr 2030 bei den verschiedenen Szenarien, wobei 100 Prozent die AHV-Ausgaben eines Jahres darstellten und vom Bundesrat als Ziel der Revision anvisiert worden waren. Mit dem Modell der Kommission würde der Fondsstand 2030 bei 87 bis 90 Prozent liegen (je nach Zeitpunkt des Inkrafttretens der Revision), mit dem Antrag Noser wären es zwischen 82 und 85 Prozent. Der Gesundheitsminister kritisierte den Verzicht der beiden Kammern, die Revision auf eine 100-prozentige Fondshöhe auszurichten, und argumentierte ebenfalls mit der Wirkung auf die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger: Bei der nächsten Revision sei es schwierig zu erklären, wieso man härtere Massnahmen ergreifen müsse, nur weil man Jahre zuvor nicht bereit gewesen sei, mit einer Fondshöhe von 100 Prozent zu planen. Von den beiden Anträgen bevorzugte er folglich die stärkere Erhöhung der Kommissionsmehrheit. Diese setzte sich anschliessend mit 22 zu 20 Stimmen (bei 1 Enthaltung) knapp durch, womit die Frage der Mehrwertsteuererhöhung zwischen den beiden Räten bereinigt werden konnte.

Der Nationalrat hatte in seiner Beratung zudem eine einmalige Einlage des Bruttoertrags aus den Negativzinsen der Schweizerischen Nationalbank in den AHV-Ausgleichsfonds vorgeschlagen und dazu einen eigenen Bundesbeschluss geschaffen. Die Mehrheit der SGK-SR lehnte jedoch Eintreten auf diesen Beschluss ab, während sich eine Minderheit Germann (svp, SH) für Eintreten und für den Bundesbeschluss aussprach. Hannes Germann argumentierte, dass die Unabhängigkeit der Nationalbank mit einer einmaligen Einlage nicht beeinträchtigt werde – ansonsten würde das entsprechende Geld einfach «über die normale Gewinnverteilung laufen» und damit Kantonen und Bund zugute kommen. Über die Verrechnung der Kosten, welche den Banken anfallen, und über die Kosten für die Pensionskassen seien die Bürgerinnen und Bürger indirekt stark von den Negativzinsen betroffen. Anstatt daher die Gewinne daraus dem Bund und den Kantonen zukommen zu lassen, sollten sie über die AHV direkt der Bevölkerung zugutekommen. Paul Rechsteiner (sp, SG) unterstützte den Minderheitensprecher – neben Germann und Rechsteiner hatten auch Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) und Maya Graf (gp, BL) den Antrag vorgängig unterzeichnet – und verwies darauf, dass zwischen 2015 und 2020 CHF 10 Mrd. an Gewinnen aus den Negativzinsen angefallen seien – bis zum Inkrafttreten der Revision würden es gar CHF 12 oder 13 Mrd. sein –, die man nun der AHV zuweisen könne. Das entspreche der Grössenordnung des Betrags, den «man den Frauen wegnimmt». Daher sei es schwierig zu erklären, wieso man auf diesen Betrag verzichten wolle, insbesondere da man das mit dem Nationalbankgold bereits einmal gemacht habe.
Erich Ettlin gab für die Kommission die Aussagen von Fritz Zurbrügg, Mitglied des Direktoriums der Nationalbank, wieder, der sich im Namen der SNB gegen dieses Vorhaben wehrte. So müsse bedacht werden, dass auch die Nationalbank Negativzinsen bezahle, etwa bei den Covid-19-Krediten, und dass «über die Hälfte der Devisenanlagen eine negative Verfallrendite» aufweise. Zudem befürchtete die Kommission, dass sich die SNB durch eine solche Auszahlung unter Druck gesetzt fühle, weil der Finanzierungsbedarf der AHV auch weiterhin bestehen bleibe. Zudem bestehe auch in anderen Bereichen entsprechender Bedarf, wobei unklar sei, wieso diese Gewinne genau für die AHV einzusetzen seien. Man schaffe damit eine Erwartungshaltung für die Zukunft. Darüber hinaus nehme man damit den Kantonen Geld weg – diese erhalten normalerweise zwei Drittel der Gewinnausschüttungen. Mit 27 zu 14 Stimmen (bei 1 Enthaltung) sprach sich der Ständerat in der Folge gegen Eintreten aus.

Ansonsten verabschiedete der Ständerat zahlreiche kleinere Regelungen stillschweigend. Abgestimmt wurde zudem über die Frage, ob der Rentenzuschlag von der Berechnung des Einkommens zum Anspruch von Ergänzungsleistungen ausgenommen werden soll oder nicht. Eine Minderheit Carobbio Guscetti beantragte diese Ausnahme, damit auch Frauen mit Ergänzungsleistungen vollständig von dem Zuschlag profitieren könnten. So müssten fast 11 Prozent aller Frauen ab dem Renteneintritt Ergänzungsleistungen beziehen, insbesondere geschiedene, alleinerziehende oder verwitwete Frauen. Erich Ettlin argumentierte für die Kommissionsmehrheit, dass eine solche Ausnahme dem Grundprinzip der EL zuwiderlaufe und man den Rentenzuschlag daher nicht von der Einkommensberechnung ausnehmen solle. Mit 28 zu 12 Stimmen folgte die Ratsmehrheit seinem Antrag.
Diskutiert wurde ebenfalls darüber, ob der Anspruch auf Hilflosenentschädigung wie bisher nach einer ein Jahr dauernden Hilflosigkeit oder bereits nach drei Monaten gewährt werden soll. Eine Minderheit Graf beantragte, diesbezüglich dem Nationalrat zu folgen und die Wartefrist zu verkürzen. Die meisten Beziehenden von Hilflosenentschädigungen seien über 80 Jahre alt und da sich ihr Zustand üblicherweise eher verschlechtere, solle man ihnen bereits nach drei Monaten die entsprechende Hilfe zukommen lassen. Damit könne man sicherstellen, dass sie solange wie möglich zuhause betreut werden können. Kommissionssprecher Ettlin verwies darauf, dass damit aber auch Personen, die sich nach einer über dreimonatigen Krankheit wieder erholten, Hilflosenentschädigungen beziehen könnten, wodurch man die Kontrollen verstärken müsste. Insgesamt führe dies zu Mehrkosten von CHF 124 Mio. Mit 30 zu 13 Stimmen lehnte der Ständerat die Verkürzung der Wartefrist ab.
Mit diesen Änderungen ging der Entwurf zur AHV 21 zurück an den Nationalrat.

Reform «Stabilisierung der AHV (AHV 21)» (BRG 19.050)
Dossier: Erhöhung des Rentenalters
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter

Gut ein Jahr nachdem die Unterschriftensammlung zur Initiative «Für eine generationengerechte Altersvorsorge (Vorsorge Ja – aber fair)» abgebrochen worden war, war deren Mitinitiant Josef Bachmann an der Lancierung einer weiteren, ähnlichen Initiative beteiligt. So begannen die Initiantinnen und Initianten im September 2021 damit, Unterschriften für eine sogenannte «Generationeninitiative» für faire und sichere Renten» zu sammeln. Die Initiative verlangte, dass das ordentliche Rentenalter, seit der AHV21-Reform Referenzalter genannt, in der AHV und der beruflichen Vorsorge periodisch an die Entwicklung der Lebenserwartung angepasst wird. Bei der beruflichen Vorsorge sollten Altersrenten nur im Kapitaldeckungsverfahren finanziert werden – Vorschläge wie in der BVG21-Reform für eine Finanzierung der Rentenzuschläge im Umlageverfahren sollten damit verunmöglicht werden. Zudem sollten eine «systemwidrige Umverteilung» sowie eine Benachteiligung der Teilzeitbeschäftigten in der beruflichen Vorsorge verboten werden. Im Unterschied etwa zur Renteninitiative der Jungfreisinnigen sollten nicht nur die zukünftigen Rentnerinnen und Rentner durch ein höheres Rentenalter zur Sanierung der Pensionskassen beitragen, sondern auch diejenigen Personen, die bereits eine Rente beziehen: Die laufenden Pensionskassenrenten sollten in Abhängigkeit der finanziellen Lage der Vorsorgeeinrichtungen ebenfalls an Anlageerträge, Kaufkraft und Lebenserwartung angepasst werden. Gegenüber den Medien betonten die Initiantinnen und Initianten jedoch, dass nur ein «kleiner Teil der Rente [...] periodisch angepasst werden [kann] – nach oben und nach unten».
Neben dem ehemaligen Pensionskassenchef Bachmann gehörten dem Initiativkomitee gemäss Medien auch Mitglieder der FDP, der GLP und der Jungen SVP an. Dieses argumentierte, dass die Umverteilung von jährlich rund CHF 6 Mrd. von Jung zu Alt in den Pensionskassen mithilfe der Initiative gestoppt werden solle. Die Sammelfrist dauerte bis im März 2023.

Eidgenössische Volksinitiative «Ja zu fairen und sicheren Renten (Generationeninitiative)»

Im August 2021 gab die Bundeskanzlei das Zustandekommen der Volksinitiative «Für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge (Renteninitiative)» bekannt. Von 108'279 eingereichten Unterschriften mit Stimmrechtsbescheinigung waren 107'049 gültig. Entsprechend verzichtete die Bundeskanzlei auf die Einholung weiterer Bescheinigungen.
Drei Monate später nahm der Bundesrat bereits erstmals Stellung zur Initiative, welche das AHV-Rentenalter automatisch an die durchschnittliche Lebenserwartung der schweizerischen Wohnbevölkerung anpassen will – durch eine schnellere Erhöhung des Frauenrentenalters soll dieses zudem demjenigen der Männer angepasst werden. Die Regierung sprach sich gegen eine solche Koppelung aus, da damit die sozialpolitischen und arbeitsmarktlichen Aspekte des Rentenalters unberücksichtigt blieben. So brauche es etwa neben der Rentenaltererhöhung auch eine Zusatzfinanzierung für die AHV, um deren Finanzierungsprobleme zu lösen, ausserdem schränke ein Automatismus Bundesrat und Parlament zu stark in ihrer Lösungsfindung ein. Stattdessen verwies die Regierung auf das aktuelle AHV-Reformprojekt AHV 21.
Die Medien erachteten die ablehnende Haltung des Bundesrates gegen die Initiative als Sieg von Gesundheitsminister Berset, da insbesondere bei seinen Ratskolleginnen und -kollegen der SVP und der FDP mit Sympathien für die Initiative gerechnet worden war – bei einer ersten Anhörung im Bundesrat hätten Letztere die Initiative noch unterstützt, waren sich die Medien sicher. Sie erklärten sich diesen Entscheid für eine Empfehlung zur Ablehnung unter anderem damit, dass der bürgerliche Teil des Bundesrats damit keine zusätzliche Angriffsfläche für die aktuelle AHV-Reform schaffen wolle. Gleichentags gab der Bundesrat auch seine ablehnende Haltung zur Initiative für eine 13. AHV-Rente bekannt.

Eidgenössische Volksinitiative «für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge (Renteninitiative) (BRG 22.054)
Dossier: Erhöhung des Rentenalters
Dossier: Volksinitiativen zur Altersvorsorge (seit 2015)