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  • Coronavirus (Covid-19)

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  • Prezioso Batou, Stefania (egsols, GE) NR/CN

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Im Jahr 2023 scheiterten einige Vorstösse zur Stellung der Frau in der Gesellschaft, eingereicht von Frauen aus dem links-grünen Lager, bereits in einem frühen Stadium. Darunter befanden sich Vorstösse, die den Schutz vor Diskriminierung verstärken wollten oder verbesserte Informationsgrundlagen zur Einschätzung des Ausmasses der Diskriminierung verlangten. Bereits im Erstrat abgelehnt wurde eine Motion Marti (sp, ZH) zur Angleichung des Schweizer Gleichstellungsgesetzes an das EU-Gleichbehandlungsrecht im Erwerbsleben (Mo. 21.3938), ein Postulat Feri (sp, AG), das mehr Informationen über das Ausmass der Altersdiskriminierung von Frauen und Möglichkeiten zur Bekämpfung der festgestellten Diskriminierung verlangte (Po. 21.3090), sowie ein Postulat Gysin (gp, TI), das mehr Klarheit über die Konzepte der Gleichstellung und der Diskriminierung aufgrund von biologischem und sozialem Geschlecht schaffen wollte (Po. 22.3714).

Auch Vorstösse mit dem Ziel der Verbesserung der Situation von Frauen im Arbeitsleben scheiterten im Erstrat, namentlich eine Motion Imboden (gp, BE) mit der Forderung nach spezifischen, auf die Digitalisierung und eine nachhaltige Gesellschaft ausgerichtete Aus- und Weiterbildungsprogrammen für Frauen im Niedriglohnsegment (Mo. 22.3623), sowie mehrere Motionen, die verstärkte Massnahmen gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz verlangten (Mo. 22.3564 Fehlmann Rielle, sp, GE; Mo. 22.3736 Piller Carrard, sp, FR; Mo. 23.3223 Carobbio Guscetti, sp, TI). Von der Urheberin zurückgezogen wurde ferner eine Motion Feri (sp, AG) mit der Forderung nach verstärkter Hilfe für Sexarbeitende aufgrund prekärer Umstände während der Covid-19-Pandemie (Mo. 21.3114). Unbehandelt abgeschrieben wurde schliesslich ein Postulat Prezioso Batou (egsols, GE), das vom Bundesrat einen Bericht zu den arbeitsmarktlichen Auswirkungen von Covid-19 auf die Frauen forderte (Po. 21.3390).

Im Erstrat abgelehnt wurde ferner eine Motion Funiciello (sp, BE) mit der Forderung, dass 0.1 Prozent des BIP zur Bekämpfung geschlechterspezifischer und sexualisierter Gewalt eingesetzt werde (Mo. 21.3768). Zwei weitere Vorstösse zu diesem Thema wurden von den Urheberinnen wieder zurückgezogen: Die Motion Gysin (gp, TI) mit der Forderung nach einer Übernahme der Verfahrenskosten für Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt (Mo. 21.3084) und ein Postulat Fellmann Rielle (sp, GE) betreffend der Finanzierung von Frauenhäusern für Opfer von Gewalt (Mo. 21.3073). In punkto Bekämpfung von Gewalt an Frauen wurden 2023 hingegen durch Zustimmung zu anderen Vorstössen und parlamentarischen Interventionen bedeutende Zugeständnisse erzielt.

Schliesslich wurde im Jahr 2023 ein die Gesundheit von Frauen betreffender Vorstoss abgeschrieben, da er nicht innert zwei Jahren vom Parlament behandelt worden war. Bei dieser Abschreibung handelte es sich erneut um ein Postulat Prezioso Batou (egsols, GE). Dieses wollte überprüfen lassen, wie auch Männer verstärkt in die sexuelle und reproduktive Gesundheitsprävention einbezogen werden könnten (Po. 21.3429).

Bereits im Erstrat gescheiterte Vorstösse zu Frauen- und Gleichstellungspolitik (2023)

Nachdem das Parlament in der Sondersession im Mai 2020 Corona-bedingte Kredite über CHF 16 Mrd. und Verpflichtungskredite über CHF 40 Mrd. gutgeheissen hatte, machten sich verschiedene Parlamentarierinnen und Parlamentarier Gedanken darüber, wie diese und die noch erwarteten Covid-19-Ausgaben finanziert werden könnten. Eine auf drei Jahre begrenzte solidarische Steuer auf Vermögen über CHF 2 Mio. in der Höhe von 1 Prozent schlug Stefania Prezioso Batou (egsols, GE) zu diesem Zweck in einer Motion vor. Damit sollte der Bund jährlich CHF 10 Mrd. generieren. Gemäss Zahlen der ESTV von 2016 wären von einer solchen Regelung etwa 128'000 Personen und ein gesamtes Nettovermögen von ca. CHF 1 Billion betroffen, erläuterte die Motionärin. Wie bereits bei der Motion Rytz (gp, BE; Mo. 20.3362) empfahl der Bundesrat die Motion zur Ablehnung, zumal sie eine Verfassungsänderung nötig machen würde und er die Krise mithilfe der bestehenden Steuern bewältigen wolle. Zudem würde eine solche Regelung unter anderem die deklarierten Vermögen aufgrund von Wegzügen, Steueroptimierung oder Steuerhinterziehung reduzieren. In der Frühjahrssession 2022 behandelte der Nationalrat verschiedene Vorlagen zu demselben Thema und lehnte die Motion von Prezioso Batou mit 127 zu 66 Stimmen ab – Zustimmung fand sie nur bei den Mitgliedern der SP- und der Grünen-Fraktion.

Zeitlich begrenzte solidarische Bundessteuer auf Vermögen über CHF 2 Mrd. (Mo. 20.3335)
Dossier: Mögliche Massnahmen zur Reduktion des Covid-19-bedingten Defizits

Zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie und zum gesundheitlichen Schutz von Personen ohne rechtlich geregelten Aufenthaltsstatus verlangte Stefania Prezioso Batou (egsols, GE) in einer im Mai 2020 eingereichten Motion die generelle Legalisierung von Sans-Papiers. Die Genfer Nationalrätin befürchtete, dass sich Sans-Papiers bei Erkrankungen nicht in Gesundheitseinrichtungen wagen würden, da sie Angst hätten, denunziert und ausgewiesen zu werden. Ebenfalls würde eine Legalisierung dieser Personengruppe auch Zugang zur Sozialhilfe verschaffen, was in Zeiten einer «Wirtschafts- und Gesellschaftskrise» besonders wichtig sei. Der Bundesrat stellte sich ablehnend zum Anliegen. Zum einen befürchtete er eine Sogwirkung durch eine «kollektive Regularisierung» und zum anderen vertrat er die Ansicht, dass die bestehenden Bestimmungen und Massnahmen im Sozial- und Gesundheitsbereich ausreichten. Ferner verwies er auf den in Erfüllung eines Postulats der SPK-NR zu erstellenden Bericht, der unter anderem Lösungswege betreffend Sozialversicherungsansprüche von Sans-Papiers aufzeigen soll. In der Frühjahrssession 2022 teilte die Mehrheit des Nationalrats die Ansicht der Regierung und lehnte die Motion mit 127 zu 63 Stimmen ab. Das Anliegen wurde lediglich von den geschlossen stimmenden Fraktionen der SP und der Grünen befürwortet.

Generelle Legalisierung von Sans-Papiers und garantierter Zugang zu Sozialhilfe für die ganze Bevölkerung (Mo. 20.3339)

In der Frühjahrssession 2022 zog Motionärin Stefania Prezioso Batou (egsols, GE) ihren Vorstoss gegen Einkommensstrafen für Personen, die wegen Covid-19 arbeitslos sind zurück, den sie im Mai 2020 eingereicht hatte. Sie hatte beantragt, 100 Prozent des Einkommens Arbeitsloser, von Personen in Kurzarbeit sowie von Selbständigerwerbenden bis zu einem bisherigen monatlichen Einkommen von CHF 9750 zu garantieren. Der Bundesrat empfahl die Motion zur Ablehnung, zumal der Sinn der ALE und der KAE nicht in der Existenzsicherung der Betroffenen, sondern in einer Entschädigung des Erwerbsausfalls respektive im Verhindern der Ganzarbeitslosigkeit liege. Der Bundesrat habe zudem Massnahmen getroffen, um die arbeitslosen Personen und Personen in Kurzarbeit zu unterstützen – die Forderung der Motionärin würde aber die Kosten der ALE um 25 Prozent und diejenigen für KAE um 20 Prozent erhöhen. Im Dezember 2020 hatte das Parlament im Rahmen der Revision des Covid-19-Gesetzes zudem eine 100-prozentige Auszahlung des Lohns bei KAE für Personen mit Einkommen bis CHF 3470 beschlossen und diese in späteren Revisionen bis Ende 2021 verlängert.

Keine Einkommensstrafe für Personen, die wegen Covid-19 arbeitslos sind

Einen Tag nach dem Ständerat machte sich auch der Nationalrat an die Beratung des Voranschlags der Eidgenossenschaft 2022 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2023-2025. Sarah Wyss (sp, BS) und Daniel Brélaz (gp, VD) präsentierten dem Rat das Budget aus Sicht der Mehrheit der FK-NR: Der Bundesrat habe ordentliche Ausgaben in der Höhe von 77.7 Mrd. und ausserordentliche Ausgaben von CHF 3.0 Mrd. vorgesehen. Bei ordentlichen Einnahmen von CHF 77.1 Mrd. und ausserordentlichen Einnahmen von CHF 1.5 Mrd. bleibe damit aufgrund der Schuldenbremse ein struktureller Überschuss und somit ein Handlungsspielraum von CHF 44 Mio. Die Kommissionsmehrheit plane «kleinere Adjustierungen» mit Mehrausgaben von CHF 273 Mio. Bei 12 Mehrheitsanträgen zur Schaffung von Differenzen zum Ständerat lagen der grossen Kammer in der Folge auch etwa 40 Minderheitsanträge vor, grösstenteils von der SVP- oder der SP- und der Grünen-Fraktion. Differenzen zum Erstrat schuf der Nationalrat dabei jedoch nur wenige, zeigte sich dabei aber mehrheitlich grosszügiger als der Erstrat.

In der Eintretensdebatte hoben die Fraktionssprecherinnen und -sprecher erneut die spezielle Situation aufgrund der noch immer nicht ganz überstandenen Corona-Pandemie hervor, beurteilten diese aber sehr unterschiedlich. So sprach etwa Lars Guggisberg (svp, BE) von einer «düsteren» Situation aufgrund des grossen Anstiegs der Nettoschulden, während FDP-Sprecher Alex Farinelli (fdp, TI) zwar das Defizit beklagte, aber auch den langfristigen Nutzen der entsprechenden Ausgaben hervorhob. Optimistischer zeigten sich die übrigen Kommissionssprechenden. Michel Matter (glp, GE) schätzte etwa die Situation der Schweiz als «solide» ein, Alois Gmür (mitte, SZ) zeigte sich erfreut über die insgesamt gute Situation der Schweizer Wirtschaft, verwies jedoch auch auf die noch immer stark leidenden Branchen. Ursula Schneider Schüttel (sp, FR) und Felix Wettstein (gp, SO) strichen schliesslich die im Vergleich zum Ausland «gute Schuldensituation» (Schneider Schüttel) heraus. Finanzminister Maurer bat den Rat im Hinblick auf den härter werdenden «internationale[n] Konkurrenz- und Verdrängungskampf» um Zurückhaltung bei zusätzlichen Ausgaben.

Mit den mahnenden Worten des Finanzministers in den Ohren startete der Nationalrat in die Detailberatung von Block 1 zu Beziehungen zum Ausland und zur Migration. Hier schuf er zwei Differenzen zum Ständerat: So wollte die Kommissionsmehrheit den Kredit zuhanden des SECO für Darlehen und Beteiligungen an Entwicklungsländer gegenüber dem bundesrätlichen Vorschlag um CHF 10 Mio. erhöhen und damit die Reduktion gegenüber dem Vorjahr rückgängig machen. Der Bundesrat habe bei der Sifem, der Entwicklungsfinanzierungsgesellschaft des Bundes, bereits 2020 CHF 10 Mio. zusätzlich zur Milderung der Corona-Probleme eingeschossen – diese sollen nun kompensiert werden, erklärte Minderheitensprecher Egger (svp, SG), der den Kürzungsantrag vertrat, die Differenz zum Vorjahr. Da dieser Nachtragskredit damals aber vollständig kompensiert worden sei, erachtete die Kommissionsmehrheit diese Kürzung nicht als angebracht und setzte sich im Rat mit 107 zu 74 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) durch. Ohne Minderheitsantrag erhöhte der Nationalrat zudem auf Antrag seiner Kommission den Sollwert für die Mindestanzahl Freihandelsabkommen für die Finanzplanjahre 2024 und 2025. Der Bundesrat hatte hier für die Finanzplanjahre jeweils 34 Freihandelsabkommen vorgesehen, die Kommission erhöhte diese Zahl auf 35 (2024) respektive 36 (2025).
Im Vorfeld der Budgetdebatte hatte der Vorschlag der APK-NR, dass die Schweiz eine dritte Kohäsionsmilliarde sprechen und sich damit quasi eine Beteiligung an verschiedenen Projekten, unter anderem an Horizon, erkaufen könne, für mediale Aufmerksamkeit gesorgt. Auf Antrag der APK-NR beantragte die Mehrheit der FK-NR nun dem Nationalrat, eine dritte Beteiligung der Schweiz an der Erweiterung der EU 2019-2024 in der Höhe von CHF 953.1 Mio. freizugeben, diese aber von einer bis Ende Juni 2022 unterzeichneten Assoziierungsvereinbarungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union zur Teilnahme an verschiedenen laufenden EU-Programmen abhängig zu machen. Eine Minderheit Guggisberg beantragte in Übereinstimmung mit dem Bundesrat die Streichung dieses zusätzlichen Kreditpostens. Finanzminister Maurer bat den Rat eindringlich darum, darauf zu verzichten, da man sich «mit einer solchen Aufstockung in Brüssel eher blamieren würde […]. Die Erwartungen in Brüssel sind völlig anderer Natur; sie bestehen nicht darin, dass wir hier einfach etwas bezahlen, und dann läuft alles.» Mit 93 zu 84 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) folgte der Nationalrat der Minderheit. Die (fast) geschlossen stimmenden Fraktionen der SVP und der FDP.Liberalen sowie die Mehrheit der Mitte-Fraktion setzten sich in dieser Frage durch.
Ansonsten lagen in diesem Block verschiedene Minderheitenanträge von linker und rechter Ratsseite für Aufstockungen und Kürzungen vor, die jedoch allesamt erfolglos blieben, etwa eine Aufstockung des Budgets des EDA für humanitäre Aktionen zugunsten des Engagements in Afghanistan und den umliegenden Ländern (Minderheit Friedl: sp, SG), eine Erhöhung des Kredits für zivile Konfliktbearbeitung und Menschenrechte (Minderheit Badertscher: gp, BE) und einen erneuten Beitrag von CHF 300'000 an den Access to Tools Accelerator (Minderheit Friedl) sowie auf der anderen Seite eine Reduktion der Beiträge an multilaterale Organisationen, an die Entwicklungszusammenarbeit und an die Länder des Ostens (Minderheiten Grin: svp, VD).

Im zweiten Block zu den Themen «Kultur, Bildung, Forschung und Sport» schuf der Nationalrat keine Differenzen zum Erstrat. Er folgte dem Ständerat bei seiner Aufstockung des Kredits für Sportverbände und andere Organisationen um CHF 660'000, mit der – wie in den Planungsgrössen vermerkt wurde – eine unabhängige nationale Anlauf- und Meldestelle für Misshandlungen im Schweizer Sport geschaffen werden sollte. Eine Minderheit Sollberger (svp, BL) unterlag mit ihrem Antrag auf Streichung der Aufstockung mit 112 zu 69 Stimmen (bei 4 Enthaltungen). Auch die vom Ständerat vorgenommenen Aufstockungen beim Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie hiess der Nationalrat entgegen zweier Minderheitsanträge Egger deutlich gut (129 zu 55 Stimmen bei 1 Enthaltung respektive 129 zu 56 Stimmen). Abgelehnt wurden in der Folge auch verschiedene Streichungsanträge Nicolet (svp, VD), Schilliger (fdp, LU) und Sollberger bei den Covid-19-Leistungsvereinbarungen zur Kultur, bei der Covid-19-Soforthilfe für Kulturschaffende und Kulturvereine im Laienbereich sowie bei den Covid-19-Finanzhilfen.

Verschiedene Differenzen zum Erstrat entstanden hingegen im dritten Block zur sozialen Wohlfahrt und Gesundheit. So erhöhte der Nationalrat auf Antrag der Kommissionsmehrheit die Gelder für die Familienorganisationen bei den Krediten des BSV, die Finanzhilfen unter anderem zur Elternbildung oder zur familienergänzenden Kinderbetreuung beinhalten, im Voranschlags- und den Finanzplanjahren um CHF 1 Mio. Der Bundesrat und eine Minderheit Guggisberg hatten die Ablehnung der Aufstockung beantragt, zumal für eine solche Unterstützung auch institutionelle Voraussetzungen geschaffen werden müssten. Auch den Kredit für den Kinderschutz und die Kinderrechte erhöhte die grosse Kammer um CHF 390'000, um damit die privatrechtliche Stiftung «Ombudsstelle Kinderrechte Schweiz» zu finanzieren, deren Schaffung eine angenommene Motion Noser (fdp, ZH; Mo. 19.3633) verlangt hatte. Der Bundesrat hatte sich gegen diese Aufstockung gestellt, zumal die rechtliche Grundlage für diesen Kredit noch nicht bestehe. «Wir können ja nicht Gelder einsetzen, wenn wir dafür keine legale Grundlage haben», betonte Finanzminister Maurer. Kommissionssprecher Brélaz argumentierte hingegen, man können nicht «tout contrôler pendant deux-trois ans», bevor man damit beginnt, die Gelder einzusetzen.
Abgelehnt wurden in diesem Block Anträge auf Kreditkürzungen bei der Gleichstellung von Frau und Mann, die eine Minderheit Sollberger beantragt hatte. Eine Plafonierung gegenüber dem Vorjahr hätte gemäss Sollberger «keinen Einfluss auf weniger oder mehr Gleichstellung». Ebenfalls erfolglos blieb ein Antrag Glarner (svp, AG) auf Streichung des Beitrags an ein spezifisches Projekt des Vereins Netzcourage sowie ein Minderheitsantrag Nicolet zur Änderung der Planungsgrössen zur Bundesfinanzierung der Covid-19-Tests: Diese sollte nur solange gewährt werden, wie die Covid-19-Zertifikatspflicht gilt. Auch ein Minderheitsantrag Schilliger, der die Leistungen des Erwerbsersatzes mit Verweis auf die vierte Revision des Covid-19-Gesetzes nur bis Ende Juni 2022 gewähren und die Covid-19-Situation anschliessend neu beurteilt wissen wollte, fand keine Mehrheit.

Auch im vierten Block zu Landwirtschaft, Tourismus und Steuern wich der Nationalrat in einem Punkt von den Entscheiden des Ständerates ab: Bei der Nachmeldung für ein Tourismus-Recovery-Programm von CHF 17 Mio. wollte die Kommission die Gelder zu je 50 Prozent für Marketingkampagnen von Schweiz Tourismus und für Entlastungszahlungen an touristische Partnerorganisationen verwenden. Der Bundesrat und der Ständerat hatten keine entsprechenden Einschränkungen vorgenommen, weshalb gemäss den beiden Kommissionssprechenden wie üblich zwei Drittel in die gesamtschweizerischen Marketingkampagnen fliessen würden. Jedoch sei eine Werbekampagne in Südafrika momentan – auch aus ökologischer Sicht – nicht «unbedingt gerade unser Hauptziel», betonte Kommissionssprecherin Wyss. Stillschweigend stimmte der Nationalrat diesem Antrag seiner Kommission zu.
Hingegen folgte der Nationalrat dem Ständerat in diesem Block bei der Erhöhung der Zulagen für die Milchwirtschaft und den Beihilfen für den Pflanzenbau. Eine Minderheit Munz (sp, SH) hatte beantragt, auf erstere Erhöhung zu verzichten und dem Bundesrat zu folgen. Der Bundesrat wolle die Verkehrsmilchzulage erhöhen, aber die Verkäsungszulage senken, da Letztere aufgrund von Fehlanreizen zu einer zu grossen Menge Käse von geringer Qualität führe. Die von der Kommission beantragte Erhöhung zugunsten der Verkäsungszulage würde folglich die bisherige Marktverzerrung noch zementieren. Finanzminister Maurer wies überdies darauf hin, dass man entsprechende Erhöhungen – falls nötig – lieber erst mit den Nachtragskrediten vorlegen würde, wenn man die dazugehörigen Zahlen kenne. Mit 105 zu 61 Stimmen (bei 20 Enthaltungen) sprach sich der Nationalrat jedoch für die Erhöhung aus. Die ablehnenden Stimmen stammten grösstenteils von der SP-, einer Mehrheit der GLP- und einer Minderheit der FDP.Liberalen-Fraktion, die Enthaltungen grösstenteils von der Grünen-Fraktion.
Auch in diesem Block blieben zwei Minderheitsanträge erfolglos: Eine Minderheit I Fischer (glp, LU) und eine Minderheit II Gysi (sp, SG) unterlagen mit Anträgen auf Erhöhungen bei der direkten Bundessteuer respektive bei der Mehrwertsteuer, beim Globalbudget der ESTV sowie in den Finanzplanjahren. Die zusätzlichen Mittel sollten zur Schaffung von je fünf zusätzlichen Steuerkontrollstellen und somit zur Erhöhung des Steuerertrags eingesetzt werden und sich so mittelfristig quasi selbst finanzieren.

Im fünften Block zu Verkehr, Umwelt, Energie und Raumplanung entschied sich der Nationalrat bezüglich zweier Punkte zum Bundesamt für Energie anders als der Ständerat. Letzterer hatte den Kredit für das Globalbudget des BFE sowie für das Programm EnergieSchweiz gegenüber dem bundesrätlichen Entwurf erhöht. Die Mehrheit der FK-NR beantragte nun bei beiden Kreditposten eine zusätzliche Erhöhung um CHF 2.9 respektive CHF 8.3 Mio., wobei die zusätzlichen Gelder beim Globalbudget zur Finanzierung des durch die Erhöhung beim Programm EnergieSchweiz begründeten Aufwands eingesetzt werden sollten. Damit wollte die Kommission gemäss ihrem Sprecher Brélaz in den wenigen Bereichen, in denen die Finanzierung entsprechender Projekte über das Bundesbudget läuft, nach der Ablehnung des CO2-Gesetzes erste Massnahmen zum Klimaschutz treffen. Eine Minderheit Egger sprach sich gegen die Erhöhung aus, zumal im Energiebereich zuerst die Problematik der Stromversorgungslücke gelöst werden müsse. Finanzminister Maurer wehrte sich vor allem dagegen, nach der Ablehnung des CO2-Gesetzes einzelne Punkte «quasi durch die Hintertüre einfach wieder aufs Tapet» zu bringen. Mit 115 zu 67 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) hiess der Nationalrat die Erhöhung jedoch gut, abgelehnt wurde sie von einer Mehrheit der SVP-, der Hälfte der Mitte- und einer Minderheit der FDP.Liberalen-Fraktion.
Erhöht gegenüber dem bundesrätlichen Antrag wurde auch der Kredit für das Globalbudget des ARE. Hier hatte der Ständerat zuvor entschieden, CHF 100'000 mehr für das Projekt Swiss Triple Impact, ein Förderprogramm zur Erreichung von nachhaltigen Entwicklungszielen, einzusetzen, und der Nationalrat folgte ihm mit 115 zu 69 Stimmen (bei 1 Enthaltung). Der Finanzminister hatte die Erhöhung bei einem Sach- und Betriebsaufwand des ARE von CHF 9 Mio. als unnötig erachtet. Auch bei der Aufstockung der Einlage des BIF folgte der Nationalrat seinem Schwesterrat: Hier soll der Maximalbetrag und somit zusätzlich CHF 233 Mio. eingestellt werden, um sicherzustellen, dass auch zukünftig genügend Geld für den Bahnverkehr vorhanden ist, betonte Kommissionssprecherin Wyss. Dies erachteten der Bundesrat und eine Minderheit Schilliger als nicht notwendig, da der Fonds genügend stark geäufnet sei. Mit 125 zu 59 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) folgte der Nationalrat jedoch der kleinen Kammer.
Abgelehnt wurden hingegen ein Kürzungsvorschlag einer Minderheit Egger bei den Umweltschutzmassnahmen des BAZL – Egger hatte argumentiert, die Erhöhung beruhe lediglich auf der Vermutung des BAZL, dass es zukünftig mehr Umweltschutzgesuche geben könne – sowie ein Einzelantrag Rüegger (svp, OW) zur Aufstockung des Kredits des BAFU um CHF 6 Mio., mit der nach der Ablehnung des revidierten Jagdgesetzes die durch Wölfe verursachten Schäden abgegolten und der zusätzliche Aufwand entschädigt werden sollten.

Im sechsten Block zum Themenbereichen Eigenaufwand und Schuldenbremse schlug eine Kommissionsmehrheit in Übereinstimmung mit dem Ständerat vor, verschiedene Kredite beim Bundesamt für Verkehr ausserordentlich zu verbuchen, um so die zuvor vorgenommene Erhöhung der BIF-Einlage finanzieren zu können. Anders als der Ständerat beabsichtigte die Mehrheit der FK-NR zudem, eine Nachmeldung des Bundesrates im Bereich Covid-19-Arzneimittel und -Impfleistungen in der Höhe von CHF 57 Mio. ausserordentlich zu verbuchen – da man noch zusätzliche Ausgaben beschlossen habe, könne nur so die Schuldenbremse eingehalten werden, begründete Kommissionssprecher Brélaz den Vorschlag. Eine Minderheit Schwander (svp, SZ) wehrte sich gegen diese Umbuchungen, da sie gegen die Schuldenbremse und das Finanzhaushaltsgesetz verstossen würden. Diese Meinung teilte auch der Finanzminister, ihm ging das Parlament «mit [seiner] Interpretation [des FHG] hier zu weit», auch wenn die Interpretation der Gesetze keine exakte Wissenschaft sei. Der Nationalrat stimmte den Umbuchungen jedoch mit 133 zu 50 Stimmen respektive 133 zu 49 Stimmen zu.
Eine weitere Differenz schuf der Nationalrat stillschweigend bezüglich der Planungsgrössen beim VBS: Dort soll eine neue Planungsgrösse dafür sorgen, dass die Bruttomietkosten ab 2025 um 2 Prozent gesenkt und damit gemäss Kommissionssprecherin Wyss CHF 400 Mio. jährlich «freigespielt» werden sollen.
Erfolglos blieben die Minderheitsanträge Sollberger und Strupler (svp, TG), welche die Kredite für das Bundespersonal gegenüber dem bundesrätlichen Vorschlag um CHF 1.8 Mio. (2022, Minderheit Sollberger) respektive um CHF 10.9 Mio. (2023), CHF 117 Mio. (2024) und CHF 265 Mio. (2025, alle Minderheit Strupler) reduzieren wollten. Damit hätte auf zusätzliche Stellen für die Strategie Social Media/Digitalisierung verzichtet (Sollberger) respektive «das ungebremste Personalwachstum beim Bund» gebremst werden (Strupler) sollen. Zuvor hatte bereits der Ständerat die Ausgaben im Voranschlags- und den Finanzplanjahren um CHF 21 Mio. reduziert. Mit 131 zu 52 Stimmen respektive 133 zu 50 Stimmen lehnte der Nationalrat die beiden Anträge ab, folgte damit dem Bundesrat und schuf eine weitere Differenz zum Erstrat. Erfolglos blieb auch ein Kürzungsantrag Egger beim Ressourcenpool des Generalsekretariats UVEK.

Mit der Bereinigung des Entwurfs, bei welcher der Nationalrat seiner Kommission in fast allen Punkten gefolgt war, hatte der Nationalrat den Ausgabenüberschuss von CHF 2.08 Mrd. (Bundesrat) respektive CHF 2.32 Mrd. (Ständerat) auf CHF 2.36 Mrd. erhöht – durch die Umbuchung einzelner zusätzlicher Ausgaben auf das Amortisationskonto (ausserordentliche Ausgaben Bundesrat: CHF 3.03 Mrd., Ständerat: CHF 3.25 Mrd., Nationalrat: CHF 3.30 Mrd.) konnte die Schuldenbremse jedoch eingehalten werden. Mit 130 zu 44 Stimmen (bei 7 Enthaltungen) nahm der Nationalrat den Voranschlag 2022 an. Die ablehnenden Stimmen stammten von Mitgliedern der SVP-Fraktion und von Stefania Prezioso (egsols, GE), die Enthaltungen ausschliesslich von Mitgliedern der SVP-Fraktion. Letztere sprachen sich teilweise auch gegen die übrigen Bundesbeschlüsse aus, dennoch nahm der Nationalrat den Bundesbeschluss Ib über die Planungsgrössen im Voranschlag für das Jahr 2022, den Bundesbeschluss III über die Entnahmen aus dem Bahninfrastrukturfonds für das Jahr 2022 und den Bundesbeschluss IV über die Entnahmen aus dem Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds für das Jahr 2022 jeweils deutlich an.

Voranschlag 2022 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2023-2025 (BRG 21.041)
Dossier: Bundeshaushalt 2022: Voranschlag und Staatsrechnung

In der Sommersession 2021 behandelte das Parlament die Staatsrechnung 2020. Im erstberatenden Ständerat präsentierte Kommissionssprecher Hegglin (mitte, ZG) die Zahlen zu diesem ausserordentlichen Rechnungsjahr und verwies dabei insbesondere auf die CHF 16.1 Mrd., welche der Bund Corona-bedingt schlechter abschloss, als veranschlagt worden war. Daneben stellte er auch die grossen Einnahmerückgänge – insgesamt sanken die Einnahmen im Vergleich zum Vorjahr um 3.4 Prozent – in den Mittelpunkt: Die Einnahmen der Mehrwertsteuer (-1.8%), der Verrechnungssteuer (-37.5%) oder der Mineralölsteuer (-6%) nahmen allesamt deutlich ab. Nach einer kurzen Debatte darüber, was nun mit den Schulden auf dem Amortisationskonto geschehen soll, hiess der Ständerat die Staatsrechnung 2020, die Rechnung des Bahninfrastrukturfonds 2020 sowie die Rechnung des NAF 2020 einstimmig (mit jeweils 44 zu 0 Stimmen) gut.

Etwas mehr zu reden gab die Staatsrechnung einige Tage später in der grossen Kammer. «[...] La période des vaches grasses est révolue», fasste Kommissionssprecher Gschwind (mitte, JU) die aktuelle Finanzsituation mit einem Defizit von CHF 15.8 Mrd. zusammen. Dennoch hätten die Vorgaben der Schuldenbremse mit einem strukturellen Überschuss von CHF 1.7 Mrd. erfüllt werden können, allerdings nur aufgrund der in der Schuldenbremse vorgesehenen Möglichkeit, Ausgaben ausserordentlich zu verbuchen – im Jahr 2020 wurden CHF 14.7 Mrd. ausserordentlich auf das Amortisationskonto gebucht. Die Bruttoschulden des Bundes stiegen Corona-bedingt um CHF 6.6. Mrd. an, die Schuldenquote liegt neu bei 14.7 Prozent des BIP, wie der zweite Kommissionssprecher Egger (svp, SG) ergänzte. In der Folge schwankte die Beurteilung der Situation zwischen «schwindelerregende Zahlen» respektive einem «Horrorfilm» (Guggisberg, svp, BE), und «in vielerlei Hinsicht ein erstaunlich normales Jahr» (Wettstein, gp, SO) respektive «von der Spannung beim Lesen [...] schon eher mit einem Telefonbuch vergleichbar» (Siegenthaler, mitte, BE). Gemeinsam hatten die Sprechenden, dass sie mit Spannung den Vorschlag des Bundesrates zum Abbau dieser Schulden auf dem Amortisationskonto im Herbst 2021 erwarteten. Finanzminister Maurer kündigte diesebezüglich eine Vernehmlassung zur Änderung des Finanzhaushaltsgesetzes an. Trotz dieser unterschiedlichen Beurteilungen der Situation war die Annahme der Staatsrechnung nicht umstritten: Mit 181 Stimmen nahm der Nationalrat die Staatsrechnung 2020 ohne Gegenstimmen, aber mit Enthaltung von Stefania Prezioso (egsols, GE) an. Einzelne Gegenstimmen gab es hingegen bei der Rechnung des Bahninfrastrukturfonds 2020 (180 zu 3 Stimmen bei 1 Enthaltung) sowie bei der Rechnung des Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds 2020 (180 zu 3 Stimmen bei 2 Enthaltungen).

Staatsrechnung 2020 (BRG 21.003)
Dossier: Bundeshaushalt 2020: Voranschlag und Staatsrechnung
Dossier: Mögliche Massnahmen zur Reduktion des Covid-19-bedingten Defizits
Dossier: Staatsrechnungen (seit 1991)

Während die Medien die Massnahmen des Bundesrates im Rahmen der Corona-Krise grösstenteils befürwortend aufnahmen, zeigten sie sich über deren Auswirkungen auf die Bundesfinanzen besorgt. Letztere wurden ausgabenseitig durch die riesigen Hilfspakete des Bundes, insbesondere im Rahmen der Kurzarbeit und EO, belastet. Im März und April 2020 beantragte der Bundesrat dem Parlament in zwei Nachmeldungen zum ersten Nachtragskredit CHF 15.3 Mrd., davon CHF 6 Mrd. für die ALV, sowie 41.9 Mrd. als Verpflichtungskredit für die Corona-Soforthilfe für Unternehmen, die jedoch nur anfallen würden, wenn die Bürgschaften gezogen würden. Im zweiten Nachtragskredit im Mai 2020 kamen noch einmal CHF 14.9 Mrd., davon ALV-Kosten von CHF 14.2 Mrd., hinzu. Insgesamt beantragte der Bundesrat damit CHF 31.2 Mrd. als Corona-bedingte Nachtragskredite, alleine CHF 20.2 Mrd. davon für die ALV. Bei den Krediten rechnete Finanzminister Maurer gemäss Medienberichten überdies mit Kreditausfällen von 10 Prozent.
Doch nicht nur ausgabenseitig, auch einnahmeseitig wurden aufgrund der Wirkung des Lockdowns auf die Wirtschaft, die Löhne und den Konsum und die daraus folgende Reduktion der Steuereinnahmen hohe Ausfälle erwartet. So war zu diesem Zeitpunkt noch unklar, wie stark das BIP aufgrund der Stilllegung eines Viertels (gemäss Bund) oder gar eines Drittels (gemäss Gewerbeverband) der Schweizer Volkswirtschaft während der ausserordentlichen Lage einbrechen würde. Ein Wirtschaftseinbruch um 6 bis 7 Prozent beispielsweise führe über eine Reduktion des Konsums zu einem Mehrwertsteuerausfall von CHF 1.5 bis 2 Mrd., berechnete beispielsweise die NZZ. Die steigende Arbeitslosigkeit sowie die Lohnreduktion durch Kurzarbeit (bei der nur 80 Prozent des Lohns ausbezahlt werden) führten zu einer Reduktion der Erträge der Einkommenssteuer. Auch die Möglichkeit, Steuerzahlungen im Jahr 2020 zinslos aufzuschieben, führe in diesem Jahr zu Steuerausfällen, die jedoch im Folgejahr wieder kompensiert würden. Tiefere Gewinne und Konkurse von Unternehmen würden überdies die Unternehmenssteuern senken. Insgesamt sei mit Steuerausfällen von CHF 6 bis 8 Mrd. zu rechnen, prognostizierte die FK-NR.
Im April 2020 erwartete Finanzminister Maurer fürs Jahr 2020 folglich insgesamt ein Defizit von CHF 30 bis 40 Mrd., während sich die Gesamtleistung des Bundes im Rahmen der Corona-Krise, also unter anderem mögliche Ausfälle bei den Bürgschaften, die erst über die nächsten Jahre anfallen werden, eingeschlossen, gar auf CHF 70 bis CHF 80 Mrd. belaufen könnte – sie entspräche damit ungefähr den Bundesausgaben eines Jahres.

Insbesondere zu Beginn der Krise stellten sich die Medien die Frage, ob sich die Schweiz solche Kosten überhaupt leisten könne – und stellten zumindest teilweise beruhigt fest, dass die Situation für die Schweiz einiges besser sei als für andere Staaten. Seit 2003 seien die Bruttoschulden der Schweiz von CHF 124 Mrd. auf CHF 96 Mrd. gesunken, berichteten sie etwa. Ende 2019 lagen die Bruttoschulden bei 14 Prozent des BIP, die Verschuldungsquote des Staatssektors lag bei 27 Prozent (gemäss EU-Definition), was deutlich unter dem Durchschnitt des Euro-Raumes (86%) sowie der sogenannten Sorgenschwelle (zwischen 60-90%) liege. Die Kreditwürdigkeit der Schweiz sei somit auch bei einem Anstieg der Schulden zum Beispiel über CHF 20 Mrd. noch gewährleistet, insbesondere weil bei der Kreditvergabe neben den Staatsschulden auch die wirtschaftliche Dynamik und die Qualität der Institutionen berücksichtigt würden und weil auch alle übrigen Staaten in der Zwischenzeit zusätzliche Schulden gemacht hätten. Auch die Tatsache, dass die Bruttoschulden Ende 2020 vermutlich höher zu liegen kommen werden als auf ihrem Höhepunkt im Jahr 2002, sei angesichts der Tatsache, dass die Schweizer Wirtschaftsleistung 2019 ebenfalls um 50 Prozent höher gelegen sei als noch 2002, zu relativieren, betonte etwa die NZZ. Wie hoch die Bruttoschulden in den nächsten Jahren tatsächlich liegen würden, war unklar. Spekuliert wurde, dass sie in den nächsten zwei Jahren um 5 bis 10 Prozentpunkte steigen könnten. Ende September 2020 rechnete das EFD mit einem Defizit im Staatssektor von 3.7 Prozent des BIP, gegenüber einer Überschussquote 2018 von 1.3 Prozent.

Etwas Licht warf insbesondere die NZZ, gestützt auf eine Medienmitteilung der EFV, auch auf die Frage, woher der Bund kurzfristig das Geld für die hohen Ausgaben erhalte. Laut Eigenangaben verfüge der Bund über Liquidität von CHF 20 Mrd., das restliche Kapital nehme er am Geld- und Kapitalmarkt über Anleihen auf. Obwohl die Bundestresorie im Rahmen des Schuldenabbaus der Schweiz in den letzten 15 Jahren auch ihre Marktschulden abgebaut und das Emissionsvolumen am Geld- und Kapitalmarkt reduziert habe, habe sie weiterhin regelmässig neue Titel auf den Geldmarkt gebracht sowie neue Anleihen platziert oder bestehende aufgestockt. Im Rahmen der Pandemie habe die Bundestresorie nun ihre Emission von kurzfristigen Geldmarktpapieren von CHF 6 Mrd. auf CHF 12 Mrd. erhöht, aber das geplante Emissionsvolumen über CHF 2.5 Mrd. gleichbelassen. Zudem habe sie einen Teil der kurzfristigen Schulden in langfristige umgewandelt, erklärte die NZZ, und verkaufe noch nicht platzierte Eigentranchen. Damit steigere die Bundestresorie nach vielen Jahren erstmals wieder das Emissionsvolumen der sogenannten «Eidgenossen», den Bundesanleihen der Eidgenossenschaft. Diese gehörten zu den teuersten Obligationen der internationalen Kapitalmärkte. Unklar sei nun jedoch, ob die vielen Staatsobligationen, die auch andere Staaten emittierten, die Zinsen steigen liessen oder ob diese weiterhin tief blieben. Für die Eidgenossen sei dies bisher kein Problem gewesen: Obwohl ihr Zins Ende März und im April 2020 deutlich angestiegen war (auf -0.2%), blieb er auch auf dem Höhepunkt der Krise deutlich unter 0 Prozent und habe sich bis im Juni bei -0.5 Prozent eingependelt. Somit müsse die Schweiz für ihre neuen Schulden keine Zinsen bezahlen, sondern erhalte für ihre Neuverschuldung gar Geld.

Zu Beginn der Krise wurde zudem insbesondere die Rolle der Schuldenbremse diskutiert. Zuerst stand die Frage im Raum, ob sie eine schnelle und grosszügige Hilfe verhindere. Die Medien waren sich jedoch einig, dass die Schuldenbremse flexibel genug ausgestaltet sei, so dass der Bundesrat in seinen ausserordentlichen Ausgaben kaum eingeschränkt sei. Vielmehr sei es eben gerade der Schuldenbremse zu verdanken, dass der Bund nun über genügend Spielraum verfüge, um die hohen Corona-Kosten zu stemmen, war mehrheitlich der Tenor in der Presse – im Hinblick auf Bemühungen zur Einschränkung der Schuldenbremse teilweise leicht schadenfroh.
Die Schuldenbremse verlangt, dass der Bund konjunkturbereinigt nicht mehr ausgibt, als er einnimmt. Läuft die Konjunktur schlecht, darf er ein gewisses Defizit machen; läuft sie gut, muss er einen Überschuss erzielen, um die Vorgaben der Schuldenbremse erfüllen zu können. Erzielt er ein strukturelles, also konjunkturbereinigtes Defizit, werden die Schulden auf das Ausgleichskonto gebucht und müssen in den Folgejahren abgebaut werden. Im Jahr 2020 wird gemäss Medien wegen dem Konjunktureinbruch voraussichtlich ein ordentliches strukturelles Defizit von CHF 4 Mrd. bis CHF 5 Mrd. möglich sein, 2021 eines von CHF 3 Mrd. bis CHF 3.5 Mrd. Ausserordentliche Gewinne sowie Defizite werden auf das sogenannte Amortisationskonto gebucht. Dieses darf durch ein qualifiziertes Mehr im Parlament überzogen werden, die Defizite müssen jedoch innerhalb von sechs Jahren abgebaut werden. «In besonderen Fällen» hat das Parlament jedoch die Möglichkeit, diese Frist zu verlängern. Ende 2019 befanden sich auf dem Amortisationskonto CHF 3.4 Mrd.
Dass die Schweiz 2020 ein Defizit machen wird, stand ob der grossen Hilfspakete des Bundesrates ausser Frage. Diskutiert wurde in den Medien aber die Frage, wie dieses Defizit verbucht und anschliessend abgebaut werden soll – zwei Fragen, die eng zusammenhängen, da die Verbuchungsart auch über die Dauer des Abbaus entscheidet. Sollten die ausserordentlichen Corona-Ausgaben auf das Amortisationskonto der Schuldenbremse gebucht werden, wie es die Regelungen zur Schuldenbremse vorsehen und zwei Motionen Juillard (cvp, JU; Mo. 20.3285) und der Mitte-Fraktion (Mo. 20.3300) verlangten, oder sollten sie an der Schuldenbremse vorbeigeschleust werden, wie eine 19-zu-5-Mehrheit der FK-NR (Mo. 20.3470) forderte? Den Grund für den Erfolg letzteren Vorschlags sah die NZZ darin, dass verschiedene, bürgerliche Parlamentarierinnen und Parlamentarier ihre Klientel schützen wollten. So seien zwei Drittel der Bundesausgaben gebunden und könnten folglich nicht frei gekürzt werden. Kürzungen wären somit nur in gewissen Bereichen, unter anderem bei der Armee, Bildung und Forschung, Bundespersonal, Entwicklungshilfe und Landwirtschaft möglich. Die Befürwortenden einer Umgehung der Schuldenbremse seien daher versucht, diese Bereiche zu schützen; darauf deute auch hin, dass der Vorschlag der Kommission ursprünglich vom ehemaligen Direktor des Bauernverbandes, Jacques Bourgeois (fdp, FR), eingereicht worden sei. «Die Hochschulen, die Bauern oder das Bundespersonal sind nicht schuld an der Corona-Krise, es ist unfair, wenn sie die Folgen alleine ausbaden müssen», habe Bourgeois gemäss NZZ denn auch betont.
Unklar war hingegen, ob eine Verbuchung der Ausgaben als Schulden und eben nicht auf dem Amortisationskonto verfassungskonform wäre. Die Bundesverfassung hält fest, dass «der Bund […] seine Ausgaben und Einnahmen auf Dauer im Gleichgewicht [hält]». Im Jahr 2001 habe die EFV gemäss NZZ vor der Abstimmung zur Schuldenbremse jedoch in einem Dokument erklärt, dass das Parlament durch die Bewilligung hoher Sonderausgaben die Kompensationspflicht umgehen könne. Andererseits hatte der Bundesrat 2008 im Rahmen der Beratung der Ergänzungsregel der Schuldenbremse betont, dass auch der ausserordentliche Haushalt ausgeglichen sein müsse. Somit war unklar, ob zur Umsetzung der Motion der FK-NR eine Verfassungsänderung nötig wäre oder nicht. In den Medien, insbesondere in der NZZ, warnten hingegen zahlreiche Stimmen vor diesem «Sündenfall» (Peter A. Fischer, NZZ; David Vonplon, NZZ) und der Schaffung eines Präjudiz: Noch einmal wurde betont, dass die Schuldenbremse der Grund dafür sei, dass man überhaupt den aktuellen finanzpolitischen Spielraum habe, sie dürfe nicht umgangen werden.
Einig war man sich mehrheitlich, dass eine Kompensation in den nächsten sechs Jahren, wie es die aktuelle Regelung bei einer Buchung auf das Amortisationskonto verlangen würde, kaum möglich wäre. Dazu müsste der Bund bei einem Defizit von CHF 30 Mrd. bis CHF 40 Mrd. jährlich CHF 5.5 Mrd. Gewinn machen, was gemäss Christoph Schaltegger, Wirtschaftswissenschaftler der Universität Luzern, ob des grossen Anteils gebundener Ausgaben kaum möglich sei. Stattdessen wurde darüber diskutiert, ob die Schulden innert 10, 20 oder 30 Jahren oder gar ohne Zielvorgabe zurückgezahlt werden sollen. Die SP schlug vor, die Schulden vorerst gar nicht, sondern langfristig über den normalen Überschuss von durchschnittlich CHF 700 bis 800 Mio. pro Jahr abzubauen. Für den Schuldenabbau von CHF 30 Mrd. würde der Bund so jedoch über 40 Jahre benötigen, was viele Kommentierende als zu lange Frist erachteten, weil der Bund auch zukünftig ein Finanzpolster für Krisen brauche. Die Expertengruppe «Wirtschaft» des Bundes schwächte diese Kritik gemäss Tages-Anzeiger jedoch ab: Zwar sei die Frist zum Schuldenabbau von sechs Jahren in der Schuldenbremse ursprünglich so festgelegt worden, weil ein Konjunkturzyklus sechs Jahre betrage. Da die Corona-Krise aber keine gewöhnliche Rezession darstelle, habe man diesbezüglich einen längeren Zeithorizont. Ein Schuldenabbau über 30 Jahre sei vertretbar, zumal die Zinsen sehr tief seien. Dabei zogen die Medien auch Vergleiche zu den Nachbarländern: Deutschland zum Beispiel habe vor der Krise eine Staatsverschuldung von 70 Prozent gehabt – also noch einiges höher, als die für die Schweiz nach Corona zu erwartende Staatsverschuldung –, habe die Krise finanziell aber gut meistern können. Neben dem Vorschlag der SP diskutierte die Expertengruppe vier weitere Optionen: Seit 2003 fielen jährlich durchschnittlich CHF 1.2 Mrd. an Kreditresten an, diese könne man für den Schuldenabbau verwenden. Keine valable Option sei hingegen eine Steuererhöhung, zumal sowohl Mehrwertsteuer als auch Einkommens- und Unternehmenssteuern relativ stark steigen müssten, um die Differenz zu beheben. Eine Mehrwertsteuererhebung würde aber den Konsum reduzieren und so die Konjunktur dämpfen und eine Unternehmenssteuererhöhung führe zur Abwanderung von Unternehmen. Möglich sei ein zeitweiliges Einfrieren oder gar Kürzen der höheren Löhne des Bundespersonals: Dies stelle eine gerechte Lastenverteilung dar, zumal diese Berufe vom wirtschaftlichen Abschwung geschützt seien. Als fünfte Option nahm die Expertengruppe den Vorschlag von Bundesrat Maurer auf. Dieser wollte gemäss Medien die Schulden innert 10 bis 15 Jahren zurückzahlen und die Gewinnausschüttungen der SNB, jährlich durchschnittlich CHF 1 bis 1.3 Mrd., fix für den Schuldenabbau verwenden. Dadurch könnten Schulden in der Höhe von CHF 30 Mrd. in 25 Jahren abgebaut werden, argumentierte Maurer. Die Expertengruppe warnte jedoch davor, die Unabhängigkeit der SNB infragezustellen. Sie wies aber darauf hin, dass das Geld der SNB, sollte sich diese freiwillig für eine Beteiligung am Schuldenabbau entscheiden, am besten direkt an die ALV geleitet werden sollte. In der Sommersession 2020 sprach sich der Nationalrat als Erstrat für eine Motion der WAK-NR (Mo. 20.3450) aus, gemäss welcher der Bund seinen Anteil aus der Gewinnausschüttung der SNB vollständig für den Schuldenabbau verwenden müsse.
Schliesslich gingen einige Vorschläge zur Frage ein, wie zusätzliche Einnahmen für die Schuldentilgung generiert werden können: Die FDP empfahl, die Mehrwertsteuer zu halbieren, um so den Konsum anzukurbeln und Konsumenten, Wirtschaft aber auch den Staat zu unterstützten (Postulat Müller; fdp, LU; Po. 20.3214). Die Ratslinke reichte mehrere Vorstösse für eine Solidaritätssteuer ein, gemäss der die höchsten Vermögen stärker belastet respektive eine erhöhte Kapitalgewinnsteuer erhoben werden sollte (Motion de la Reussille (pda, NE; Mo. 20.3174); Motion der SP-Fraktion (Mo. 20.3203); Motion Prezioso (egsols, GE; Mo. 20.3335); Motion Rytz (gp, BE; Mo. 20.3362). Die SVP-Fraktion schlug ein fünfjähriges Ausgaben- und Aufgabenmoratorium vor (Mo. 20.3567) und Lorenzo Quadri (lega, TI; Mo. 20.3272) beantragte die Streichung der Kohäsionsmilliarde an die EU sowie die Reduktion von Beiträgen fürs Ausland, für den Asylbereich und für Sozialausgaben an ausländische Personen.

Leichte Entwarnung gab es schliesslich Mitte August 2020, als der Bundesrat im Nachtrag IIb zwar ausserordentlich nochmals CHF 770 Mio. beantragte, aufgrund der ersten Hochrechnung 2020 gleichzeitig aber ankündigte, dass ein Teil der bereits veranschlagten CHF 31 Mrd. nicht ausgeschöpft werden müssten. So benötige die ALV vermutlich «nur» CHF 12.2 Mrd. statt 20.2 Mrd. und die EO CHF 2.3 Mrd. statt CHF 5.3 Mrd. und die Sanitätsmaterialbeschaffung koste CHF 1.1 Mrd. statt CHF 2.3 Mrd. Insgesamt fielen somit ausserordentliche Ausgaben von CHF 17.8 Mrd. an. «Wir kommen mit einem blauen Auge davon», erklärte Maurer. Damit könne sich auch die Kontroverse um den Abbau der Schulden entschärfen, mutmassten die Medien: CHF 20 Mrd. könnten beispielsweise mit den vermutlich jährlich durchschnittlich anfallenden CHF 1 bis 1.3 Mrd. der SNB und Kreditresten über CHF 700 Mio. bis 1 Mrd. in 10 Jahren abgebaut werden; selbst nur mit den Kreditresten wäre ein Abbau in 20 bis 25 Jahren möglich. Darum werde wohl 2021 kein Sparprogramm nötig sein, gab Bundesrat Maurer gemäss Medien Entwarnung. Der Finanzminister verwies jedoch darauf, dass bezüglich der tatsächlichen Ausgaben und Einnahmen weiterhin grosse Unsicherheit herrsche. Zudem war zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt, wie stark die Zahl der Corona-Infektionen im Oktober 2020 wieder ansteigen würden.
So oder so wird sich die Corona-Krise auch auf das Bundesbudget 2021 auswirken. Darin ging der Bundesrat ursprünglich von einem Defizit über CHF 1.1 Mrd. aus, nach den Entscheidungen der Herbstsession reichte er jedoch Nachmeldungen über CHF 1.4 Mrd. nach. Auch viele Kantone budgetierten Defizite für das kommende Jahr, Bern und Zürich rechneten gar mit Defiziten über CHF 630 Mio. respektive CHF 541 Mio.

Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Bundesfinanzen (2020)
Dossier: Wie sollen die Kosten der Covid-19-Krise verbucht und die Schulden abgebaut werden?
Dossier: Mögliche Massnahmen zur Reduktion des Covid-19-bedingten Defizits

«Noch nie in der Geschichte der Schweiz» (Céline Widmer, sp, ZH), «la crise sanitaire, économique et sociale (...) la plus grave depuis longtemps» (Olivier Feller, fdp, VD), «noch vor wenigen Monaten unvorstellbar» (Ursula Schneider Schüttel, sp, FR), «historische Dimensionen» (Franz Grüter, svp, LU) – bereits die ersten vier Sprechenden im Rahmen der Debatte zum Nachtrag I zum Voranschlag 2020 und dessen Nachmeldungen machten in der Corona-Sondersession die Ausserordentlichkeit der Situation deutlich. Entsprechend umfassend skizzierte anschliessend Finanzminister Maurer die verschiedenen Massnahmen des Bundesrates und ihre Kosten. Die Massnahmen beruhten auf drei Zielen, erklärte er: auf der Stabilisierung des Gesundheitssektors (CHF 3 Mrd.), der Sicherung des Arbeitsverdienstes (CHF 11.3 Mrd.) sowie dem Erhalt der Liquidität in der Wirtschaft (CHF 1.7 Mrd.) – wofür dem Parlament im Rahmen der Nachmeldungen zum Nachtrag I insgesamt CHF 16 Mrd. beantragt würden. Die Sicherung des Arbeitsverdienstes beruhe auf drei Säulen: den Kurzarbeitsentschädigungen durch die ALV (CHF 6 Mrd.), die Unterstützung der Selbständigerwerbenden durch die EO (CHF 4 Mrd.) sowie der indirekt betroffenen Selbständigerwerbenden (CHF 1.3 Mrd.). Auch die Unterstützung der Wirtschaft stehe auf drei Säulen: Die durch den Bund zu 100 Prozent verbürgten Kredite bis CHF 500'000, die bisher für insgesamt CHF 19 Mrd. 140'000 Mal nachgefragt worden seien; Kredite zwischen CHF 500'000 und 20 Mio., die der Bund zu 85 Prozent und die jeweiligen Banken zu 15 Prozent verbürgten und die bisher 300 bis 350 Mal vergeben worden seien. Für beide Säulen zusammen habe man dem Parlament Verpflichtungskredite von CHF 40 Mrd. beantragt. Eine dritte Säule seien schliesslich die systemrelevanten Unternehmen, die bisher im Luftfahrtbereich identifiziert worden seien: CHF 1.275 Mrd. sollten hier als Darlehen für die Airlines und je CHF 600 Mio. als Verpflichtungskredit sowie als Nachtragskredit für systemrelevante Betriebe am Boden zur Verfügung stehen. Keine generelle Hilfe sollten die etwa 400 Unternehmen mit einem Umsatz über CHF 500 Mio. erhalten, da der Bundesrat davon ausgehe, dass sich diese am Kapitalmarkt finanzieren könnten. Dies sei ein Paket, das «die grössten Herausforderungen bewältigt». Neuen Forderungen wolle der Bundesrat nicht nachkommen: «Ich sitze auf dieser Kasse, mehr gibt es jetzt einfach nicht!», betonte der Finanzminister.

Hätte dieser Ausspruch von Bundesrat Maurer zahlreiche Ausbauforderungen vermuten lassen, forderten die Kommissionsminderheiten stattdessen jedoch hauptsächlich einen Verzicht auf einzelne Ausgaben. Die FK-NR beantragte dem Rat jeweils einstimmig oder mit grossen Mehrheiten Zustimmung zu den vom Bundesrat beantragten Krediten, wie die beiden Kommissionssprechenden Céline Widmer und Olivier Feller eingangs erklärten. Einzig bezüglich der familienergänzenden Kinderbetreuung beantragte die Kommissionsmehrheit, basierend auf einem Mitbericht der WBK-NR, mit 14 zu 10 Stimmen (bei 1 Enthaltung) einen zusätzlichen Kredit über CHF 100 Mio. Diesen lehnte eine Minderheit Guggisberg (svp, BE) ab, zumal die Finanzierung der familienergänzenden Kinderbetreuung in die Zuständigkeit der Kantone und Gemeinden falle. Mit 130 zu 60 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) stimmte der Nationalrat diesem Ausbau dennoch zu. Alle übrigen Ausbaupläne, allesamt beruhend auf Anträgen von Stefania Prezioso (gps, GE), fanden kaum über die Reihen der SP und der Grünen hinaus Gehör. Unter anderem hatte Prezioso verlangt, den Kredit für die ALV zu erhöhen und die Taggelder vorübergehend auf 100 Prozent zu erhöhen.
Doch auch die Anträge zum Ausgabenverzicht waren kaum erfolgreicher. Eine Minderheit Schwander (svp, SZ) wollte den Betrag, den die Parlamentsdienste für die Ausrichtung der ausserordentlichen Session beantragt hatten, um CHF 500'000 reduzieren, um Druck auf die Bernexpo zu machen, den in den Augen der Minderheit viel zu hohen «Monopolpreis» zu senken. Ähnlich argumentierte eine Minderheit Grüter (svp, LU), die den Kredit für Sanitätsmaterial um CHF 600'000 senken wollte, um zu verhindern, dass die Armeeapotheke die Produkte viel zu teuer einkaufe. In beiden Fällen argumentierten die Gegnerinnen und Gegner der Anträge, dass die entsprechenden Kredite nur als Kostendach zu verstehen seien, die entsprechenden Stellen aber sicherlich versuchen würden, möglichst tiefe Preise auszuhandeln. Deutlich lehnte der Rat dann auch beide Minderheitsanträge ab.
Dieselbe ablehnende Argumentation, also einen Verweis darauf, dass die entsprechenden Beträge nur Rahmenkredite darstellten, fügte auch Finanzminister Maurer bezüglich eines Antrags einer weiteren Minderheit Guggisberg an, die den Betrag für Ausfallentschädigungen im Kulturbereich als zu hoch erachtete. Auch ein Antrag auf Verzicht auf die Soforthilfe für Kulturschaffende, da diese nicht anders behandelt werden sollten als etwa selbständige «Coiffeure, Physiotherapeuten, Taxifahrer, Hoteliers, Kameraleute, Lieferanten», wie Guggisberg aufzählte, fand im Nationalrat keine Mehrheit.

Am meisten Diskussionen ergaben schliesslich die Verpflichtungskredite zur Luftfahrt. Während sich der Rat bezüglich des deutlich höheren Verpflichtungskredits für die Corona-Härtefallhilfe über CHF 40 Mrd. weitgehend einig war – hier lag kein Minderheitenantrag vor –, behandelte die grosse Kammer zahlreiche Minderheiten zu den Garantien für die Luftverkehrsunternehmen in der Höhe von CHF 1.275 Mrd. und der Unterstützung für die flugnahen Betriebe, wofür CHF 600 Mio. als Nachtragskredit und derselbe Betrag als Verpflichtungskredit beantragt waren. Erneut schilderte Finanzminister Maurer die Situation. Er betonte, dass die Kredite für die flugnahen Betriebe zuerst durch das auf den folgenden Tag traktandierte Luftfahrtsgesetz ermöglicht werden müssten. Auch im Bereich der Luftfahrt verfolge man zudem drei Ziele: Das Geld müsse in der Schweiz bleiben, die Lufthansa müsse die Standortsicherheit der Schweiz garantieren und die Schweizer Umweltstandards müssten durchgesetzt werden. Diese Bedingungen habe man in entsprechenden Vereinbarungen mit den Unternehmen festgelegt. Die flugnahen Betriebe, die einem chinesischen Konzern angehörten und die allesamt überschuldet seien, würden nur unterstützt, wenn dazu eine Auffanggesellschaft oder eine Gesellschaft mit Schweizer Beteiligung oder in Schweizer Besitz gegründet würde. Um diese Optionen offen zu halten, müsse der Kredit aber bereits jetzt gesprochen werden, zumal die FinDel betont habe, dass sie keine entsprechenden Entscheidungen mehr treffen wolle.
Eine Minderheit Badertscher (gp, BE) beantragte, auf den Verpflichtungskredit für die Luftverkehrsunternehmen über CHF 1.275 Mrd. zu verzichten, da der Luftverkehr als starker Treiber des Klimaeffekts nicht auch noch durch Steuergelder unterstützt werden solle. Ein Antrag Bäumle (glp, ZH) sah vor, CHF 500 Mio. ohne Auflagen (aber mit Sicherheiten für den Fall von Kreditausfällen) zu sprechen; zusätzliche Unterstützung sollte jedoch nur nach der Vereinbarung klarer Rahmenbedingungen «im Sinne der Klimapolitik» erfolgen. Auch bezüglich der flugnahen Betriebe lag ein Minderheitsantrag Wettstein (gp, SO) auf Verzicht auf den Nachtragskredit vor; stattdessen solle nur der entsprechende Verpflichtungskredit genehmigt werden. Deutlich hiess der Nationalrat sowohl den Verpflichtungskredit für die Luftverkehrsunternehmen als auch den Nachtragskredit und den Verpflichtungskredit für die flugnahen Betriebe gut.
Wie bereits im Voranschlag 2020 mehrfach verwendet, nutzten die Kommissionsmehrheiten und -minderheiten bezüglich der Unterstützung für den Luftverkehr fleissig die Möglichkeit, Rahmenbedingungen der Kreditvergabe festzulegen. So wollte die Mehrheit der FK-NR die Unterstützung für die Flugverkehrsunternehmen an die Bedingung knüpfen, dass «in der künftigen standortpolitischen Zusammenarbeit mit den Flugverkehrsunternehmen die Klimaziele des Bundesrates kontrolliert und weiterentwickelt werden». Linke Minderheiten wollten die Unterstützung zudem an verschiedene klimapolitische Anliegen knüpfen, etwa an die Reduktion von Treibhausgasen, an die Reduktion der Inlandflüge oder an die Beteiligung an der Entwicklung synthetischer Flugtreibstoffe. Auch die Zusicherung der Rückerstattung von nicht durchgeführten Flügen an die Reisebüros sowie die bevorzugte Bedienung von inländischen Kreditoren wurden als Bedingung vorgeschlagen, schliesslich lag auch ein Minderheitsantrag auf den Verzicht auf alle Bedingungen vor. Deutlich setzte sich die von der Kommissionsmehrheit vorgeschlagene Bedingung bezüglich der Klimaziele des Bundesrates gegen diverse Minderheiten durch. Ebenfalls erfolgreich war die Bedingung, dass die Fluggesellschaften den Reisebüros die bezahlten Flüge zurückerstatten müssen.
Auch zu den flugnahen Betrieben standen Rahmenbedingungen der Kreditvergabe im Raum. Eine Kommissionsmehrheit schlug vor, den Kredit an die Bedingung zu knüpfen, dass die betroffenen Unternehmen im Falle von restrukturierungsbedingten Entlassungen für das Personal Umschulungspläne entwickelten – und erntete dafür auch die Zustimmung des Bundesrates. Anträge für einen Verzicht auf entsprechende Bedingungen, einen Verzicht auf Entlassungen während der Unterstützungsphase, einen Minimallohn von CHF 4000 für die Mitarbeitenden sowie erneut die bevorzugte Bedienung von inländischen Kreditoren konnten sich wiederum nicht gegen den Mehrheitsantrag durchsetzen.
Nicht nur bezüglich des Flugverkehrs, sondern auch zu den Corona-Krediten im Allgemeinen sollten Rahmenbedingungen für die Kreditverwendung geschaffen werden: Ein Antrag Schwander wollte die Kredite an die ersatzlose Streichung der Artikel 5, 6, 6a und 7 der Covid-19-Verordnung 2 – also der Massnahmen bezüglich des Betreuungsangebots für Kinder, des Veranstaltungsverbots und der Schliessung von Einrichtungen – binden. Diesbezüglich bat Finanzminister Maurer den Nationalrat um Ablehnung, da der Bundesrat den «pragmatischen Weg» gehen und laufend aufgrund von Lagebeurteilungen über das weitere Vorgehen entscheiden wolle. Mit 138 zu 53 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) folgte die grosse Kammer dem Bundesrat.

Beinahe in Vergessenheit geriet ob der ganzen Corona-Anträge der eigentliche Nachtrag I zum Voranschlag 2020; und dies, obwohl es einmal mehr einen Kredit für die Hochseeschifffahrt zu sprechen galt. Eine Minderheit Schwander beantragte, den Kredit über CHF 28.3 Mio. nicht zu genehmigen, bis der Bundesrat eine Gesamtschau der noch ausstehenden Bürgschaftskredite für die Hochseeschiffe durchgeführt habe. Damit solle die Salamitaktik beendet und stattdessen ein vollständiger Rahmenkredit über den noch ausstehenden Betrag geschaffen werden. Ein solcher Rahmenkredit sei nicht möglich, erklärte Heinz Siegenthaler (bdp, BE), da Bürgschaften gemäss Finanzhaushaltsgesetz dann bezahlt werden müssten, wenn sie anfielen. Bundesrat Maurer verwies zudem darauf, dass man bemüht sei, so wenig Bürgschaften wie möglich tatsächlich leisten zu müssen. Wenn man nun aber durch eine Gesamtschau andeuten würde, dass man die Schiffe verkaufen wolle, hätten diese keinen Wert mehr. Entsprechend lehnte der Nationalrat den Minderheitsantrag Schwander ab.

Insgesamt genehmigte der Nationalrat somit den Nachtrag I zum Voranschlag 2020 über CHF 50 Mio. sowie die Nachmeldungen über CHF 16 Mrd. Dabei bestätigte er auch alle von der FinDel bereits genehmigten Kredite. Zudem entschied der Rat mit 149 zu 31 Stimmen (bei 14 Enthaltungen), die Nachmeldungen als ausserordentlichen Zahlungsbedarf zu verbuchen und so von der Schuldenbremse auszunehmen. Das dazu nötige qualifizierte Mehr wurde erreicht. Die Gegenstimmen sowie die meisten Enthaltungen stammten von der SVP-Fraktion. Überdies löste die grosse Kammer mit 186 zu 8 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) für verschiedene Ausgaben die Ausgabenbremse.

Nachtrag I zum Voranschlag 2020 (BRG 20.007)
Dossier: Bundeshaushalt 2020: Voranschlag und Staatsrechnung

Am 16. April 2020 informierte der Bundesrat über die geplante Lockerungsstrategie der Massnahmen zum Coronavirus, die in drei Schritten erfolgen sollte. In den Mittelpunkt stellte der dabei die Gesundheit der Schweizer Bevölkerung, daneben beabsichtigte er aber auch, die wirtschaftlichen Schäden in Grenzen zu halten und die Einschränkung der Grundrechte zu reduzieren. In einer ersten Etappe sollten ab dem 27. April Coiffeursalons, Kosmetikstudios, Baumärkte, Blumenläden und Gärtnereien ihre Türen wieder öffnen dürfen. In diesen Einrichtungen sei die Umsetzung von Schutzkonzepten einfach möglich, sie wiesen wenige direkte Kontakte auf und lösten keine grossen Personenströme aus, erklärte der Bundesrat die Auswahl. Ab dem gleichen Datum sollten in Krankenhäusern zudem wieder uneingeschränkt Eingriffe durchgeführt werden können.
Als zweite Etappe sah die Regierung für den 11. Mai die Wiedereröffnung der obligatorischen Schulen, Einkaufsläden und Märkte vor. Vor dem Entscheid über diesen zweiten Lockerungsschritt wollte sie jedoch die Entwicklung der Fallzahlen abwarten und diesen folglich erst am 29. April fällen. Schliesslich war als dritte Etappe neben der Öffnung von Museen, Zoos und Bibliotheken sowie der Lockerung des Versammlungsverbots für den 8. Juni auch die Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts an Mittel-, Berufs- und Hochschulen geplant. Einzelheiten dazu beabsichtigte der Bundesrat am 27. Mai festzulegen.

An demselben Tag, an dem der Bundesrat diese ersten Lockerungsschritte ankündigte, verabschiedete er eine am 20. April 2020 in Kraft tretende Verordnung, die eine übergangsweise Befreiung von der Anzeigepflicht bei Überschuldung, die in der Regel zur sofortigen Insolvenz führen würde, und eine zeitlich befristete Covid-19-Stundung beinhaltete. Letztere sollten insbesondere KMU unbürokratisch beantragen können. Er gab zudem bekannt, dass Selbständigeerwerbende rückwirkend ab dem 17. März 2020 Anspruch auf EO erhalten sollen. Mit diesem Entscheid sollte die Problematik angegangen werden, dass rund 270'000 Personen, darunter zum Beispiel viele Taxifahrerinnen und Taxifahrer oder Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten, keine Covid-19-Kredite oder Kurzarbeitsgelder hatten beantragen können, da der Bundesrat ihre Unternehmen nicht geschlossen hatte, sie aber dennoch bis zu 90 Prozent ihres Einkommens aufgrund der Pandemie eingebüsst hatten. Um die durch die Corona-Pandemie entstandenen Finanzlöcher zu stopfen, gingen zahlreiche verschiedene Vorschläge ein: von einer Halbierung der Mehrwertsteuer, wodurch der Konsum angekurbelt werden sollte (Postulat Müller; fdp, LU; Po. 20.3214), über ein fünfjähriges Ausgaben- und Aufgabenmoratorium (SVP-Fraktion; Mo. 20.3567) und der Reduktion der Ausgaben für die EU, den Asylbereich und ausländische Personen (Motion Quadri; lega, TI; Mo. 20.3272) hin zu einer Solidaritätssteuer, z.B. über eine Erhöhung der Kapitalgewinnsteuer (Motion de la Reussille, pda, NE, Mo. 20.3174; Motion der SP-Fraktion, Mo. 20.3203; Motion Prezioso, egsols, GE, Mo. 20.3335; Motion Rytz, gp, BE, Mo. 20.3362).

Anspruch auf Entschädigung ihres vollen Erwerbs sagte der Bundesrat am 22. April denjenigen Angehörigen der Armee zu, die zwischen dem 6. März 2020 und dem 30. Juni 2020 zur Bewältigung der Coronakrise im Einsatz standen und die Dauer ihres Ausbildungsdienstes überschritten hatten. Für Angehörige des Zivilschutzes sollte eine vergleichbare Regel gelten.

Eine Woche darauf kündigte die Regierung an, dass einige Lockerungen schneller vorgenommen werden könnten als ursprünglich geplant, da die Ausbreitung von Covid-19 aufgrund der vorbildlichen Umsetzung der ergriffenen Massnahmen durch die Bevölkerung hatte abgeschwächt werden können. Daher sollten unter anderem auch Restaurants, Museen und Bibliotheken bereits ab dem 11. Mai wieder ihre Pforten öffnen dürfen und auch Primar- und Sekundarschulen ihren Unterricht vor Ort wieder aufnehmen können, wobei die diesbezügliche Entscheidung über die Durchführung bei den Kantonen lag. Diese sollten auch entscheiden, ob an den Gymnasien schriftliche Abschlussprüfungen durchgeführt werden oder nicht. Im Vorfeld hatte die EDK bereits bekanntgegeben, dass sie die Absage mündlicher Prüfungen empfehle. Anders sah die Situation für die Berufsschulen aus, wo bereits zuvor landesweit einheitlich entschieden worden war, auf schriftliche Lehrabschlussprüfungen zu verzichten. Auch Trainings im Breiten- und Spitzensport sollten ab dem 11. Mai wieder erlaubt sein.
Um die Auswirkungen der Lockerungen auf die Epidemieentwicklung genau beobachten zu können, plante der Bundesrat ein entsprechendes Monitoring. Die einzelnen Lockerungsetappen sollten mit Schutzkonzepten einhergehen, zudem müssten alle Institutionen über ein auf den Vorgaben des BAG, des SECO oder auf einem Branchenkonzept basierendes Schutzkonzept verfügen. Des Weiteren beschloss die Regierung, auch die Einreisebeschränkungen zu entschärfen; Grossveranstaltungen mit über 1'000 Personen blieben jedoch bis Ende August 2020 weiterhin verboten. Die Kantone wurden zudem aufgefordert, ab dem 11. Mai die flächendeckende Rückverfolgung von Neuinfektionen fortzuführen. Ein ähnliches Ziel verfolgte die SwissCovidApp, eine digitale Applikation mit Bluetooth-Funktechnik, mit der die Benutzerinnen und Benutzer informiert würden, wenn sie sich in der Nähe einer mit Covid-19 infizierten Person befunden haben (Proximity Tracing). Diese gehe Mitte Mai in die Testphase, zudem solle in Kürze auch die gesetzliche Grundlage für ihren ordentlichen Betrieb geschaffen werden, erklärte der Bundesrat. Die eidgenössischen Abstimmungen vom 19. Mai, welche der Bundesrat im März abgesagt hatte, sollten am 27. September 2020 nachgeholt werden. Ferner kündigte er Liquiditätshilfen in der Höhe von maximal CHF 1.9 Mrd. an, um den beiden Fluggesellschaften Swiss und Edelweiss unter die Arme zu greifen.

Mit den ersten Lockerungen einhergehend änderte die BAG-Kampagne «So schützen wir uns» am 30. April ihre Grundfarbe auf Pink. Dennoch wurde betont, dass trotz einiger Zugeständnisse nach wie vor die gleichen Regeln gälten – unter anderem Abstandhalten, Händewaschen und das Niesen in den Ellbogen. Das BAG legte der Bevölkerung ausserdem nahe, eine Maske zu tragen, sollten die Abstandsregeln nicht eingehalten werden können.

Was die vorläufig auf Eis gelegte Fussballsaison anbelangt, so entschloss der Zentralvorstand des SFV Ende April, dass abgesehen von der Super League, der Challenge League und dem Schweizer Cup der Männer der Spielbetrieb endgültig nicht fortgesetzt werden sollte. Ob und in welcher Form die Saison der beiden höchsten Ligen fortgeführt werden könne, wollte die Swiss Football League nach Anhörung der tangierten Clubs entscheiden.

Nachdem die Frühjahrssession 2020 vor der dritten Woche abgebrochen werden musste, tagten National- und Ständerat vom 4. bis 6. Mai im Rahmen einer ausserordentlichen Session, an welcher in erster Linie Geschäfte im Zusammenhang mit Covid-19 behandelt wurden. Im Zentrum standen dabei die dringlichen Ausgaben zur Bekämpfung der Folgen der Pandemie, etwa für die Corona-Kredite, welche nachträglich von der Bundesversammlung abgesegnet werden mussten. Darüber hinaus beschäftigen sich die Räte aber auch ausführlich mit den Corona-Krediten für die Unternehmen, mit den Massnahmen für die Medien oder mit den Frage nach dem Erlass der Geschäftsmieten.

Da sich Jugendliche und junge Erwachsene aufgrund der gegebenen Umstände bei der Suche nach einer Lehrstelle oder einer Stelle im Anschluss an ihre Ausbildung vor Herausforderungen gestellt sahen, kam es am 7. Mai 2020 zur Gründung einer aus Vertreterinnen und Vertretern der Kantone, der Sozialpartner und des Bundes bestehenden Task Force, welche die Berufsbildung stärken sollte. Tags darauf gab der Bundesrat bekannt, Institutionen der familienergänzenden Betreuung, die wegen der Pandemie Ertragsausfälle erlitten, mit CHF 65 Mio. unterstützen zu wollen. Wie diese Unterstützung genau erfolgen sollte, plante die Landesregierung bis zum 20. Mai in einer entsprechenden Verordnung festzuhalten.

Am 13. Mai liess das EJPD verlauten, dass die Grenzen zu Deutschland, Österreich und Frankreich bis zum 15. Juni 2020 vollständig geöffnet werden sollen, wenn dies mit der epidemiologischen Situation vereinbar sei. Die drei Nachbarländer würden sich zurzeit ebenfalls in der Transitionsphase befinden und verfügten über eine ähnliche epidemiologische Lage wie die Schweiz. Bis dahin sollten für binationale Paare, die nicht verheiratet sind, sowie für «allfällige weitere Personenkategorien» Lösungen entwickelt werden. Gleichentags verkündete das VBS die Unterstützung des Schweizer Sports mit Darlehen in einer Höhe vom CHF 500 Mio.

Auch an der sonst schon einem starken Wandel unterworfenen Medienlandschaft zog die Coronakrise nicht unbemerkt vorbei. Zeitung, Radio und Fernsehen hatten unter anderem einen starken Rückgang an Werbeeinnahmen zu beklagen. Angesichts der zentralen Rolle, die den Medien in einer Demokratie zukomme, stellte der Bundesrat am 20. Mai die Covid-19-Verordnung elektronische Medien vor, in der Radio- und Fernsehveranstaltern finanzielle Soforthilfen in der Höhe von CHF 40 Mio. in Aussicht gestellt wurden. Zeitgleich erliess die Landesregierung eine Notverordnung zur Unterstützung der Printmedien, die finanzielle Sofortmassnahmen im Rahmen von CHF 17.5 Mio. beinhaltete. Weiter beantragte der Bundesrat am 20. Mai CHF 14.9 Mrd. in Form von elf Nachtragskrediten, um die Auswirkungen des Coronavirus auf die Wirtschaft weiter abzudämpfen. Der Löwenanteil von CHF 14.2 Mrd. ging dabei an die ALV.

Eine Woche später – am 27. Mai 2020 – teilte der Bundesrat an seiner Pressekonferenz den bis anhin grössten Lockerungsschritt mit. So sollte das spontane Zusammenkommen von bis zu 30 Personen ab dem 30. Mai 2020 wieder erlaubt sein. Ab dem 6. Juni sollten auch wieder öffentliche Veranstaltungen wie etwa Messen, Theatervorstellungen, Familienanlässe oder politische Kundgebungen mit bis zu 300 Personen stattfinden dürfen. Für denselben Tag wurde zudem die Wiedereröffnung von Bergbahnen, Campingplätzen und anderen Angeboten im Tourismusbereich wie auch für Casinos, Freizeitparks, Zoos, botanische Gärten, Wellnessanlagen und Erotikbetriebe angesetzt. In Restaurants sollte ab dem 6. Juni ausserdem die Gruppengrösse von maximal vier Personen aufgehoben werden, jedoch müssen ab einer Gruppengrösse von vier Personen die Kontaktdaten angeben werden. In Mittel-, Berufs- und Hochschulen sollte ab dem 6. Juni ebenfalls wieder vor Ort unterrichtet werden dürfen, wobei die Kantone über die Umsetzung entscheiden sollten. Der Bundesrat legte der Bevölkerung nahe, weiterhin von zuhause aus zu arbeiten, die Unternehmen dürften jedoch grundsätzlich selbst über die Rückkehr an den Arbeitsplatz bestimmen. Weiter sollten ab dem 8. Juni die Bearbeitung der Gesuche von Erwerbstätigen aus dem EU/EFTA-Raum wieder aufgenommen werden und die Anstellung hochqualifizierter Arbeitnehmerinnen und -nehmer durch Schweizer Firmen wieder möglich sein. Zudem sei für den 6. Juni die vollständige Wiederherstellung der Personenfreizügigkeit und Reisefreiheit im Schengen-Raum geplant, gab der Bundesrat bekannt.

Am 15. Juni wurden schliesslich die Grenzen zu allen Staaten des EU-EFTA-Raums wieder vollständig geöffnet und auch der Einkaufstourismus, der zuvor verboten worden war, wieder zugelassen. Vier Tage darauf beschloss der Bundesrat, die ausserordentliche Lage zu beenden und stattdessen zur besonderen Lage gemäss Epidemiengesetz zurückzukehren, wofür er die Covid-19-Verordnung 3 verabschiedete. Das Demonstrationsverbot, das zuvor für ausführliche Diskussionen um die Frage der Grundrechte gesorgt hatte, fiel am 20. Juni und ab dem 22. Juni wurden weitere bis anhin herrschende Massnahmen aufgehoben: Unter anderem konnten wieder Veranstaltungen mit bis zu 1'000 Personen stattfinden, der Mindestabstand zwischen zwei Personen wurde von zwei Metern auf 1.5 Meter reduziert und die für Restaurants und Diskotheken geltende Sperrstunde um Mitternacht sowie die Home-Office-Empfehlung wurden aufgehoben. Somit waren zu diesem Zeitpunkt zwar noch immer verschiedene Unterstützungsmassnahmen für die Wirtschaft am Laufen, Einschränkungen bestanden jedoch fast keine mehr.

Verlauf und Bekämpfung der Covid-19-Pandemie
Dossier: Covid-19 – Wirtschaftliche und finanzielle Folgen