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Im Zuge der 2020 und 2021 anhaltenden Proteste gegen die Covid-19-Massnahmen der Behörden entstand eine ganze Reihe neuer politischer Organisationen, und manche ältere Gruppierungen gewannen neuen Schwung. Zu den Organisationen, die in der öffentlichen Debatte in der Folge eine teils prominente Rolle einzunehmen vermochten, gehörten die folgenden:

Der Verein «Freunde der Verfassung» wurde an Pfingsten 2020 auf dem Rütli gegründet, ein Jahr später zählte er rund 12'000 Mitglieder. Viele von diesen – auch die meisten Vorstandsmitglieder – waren davor kaum politisch aktiv. Der Verein sah durch die Covid-19-Massnahmen, aber auch durch andere Vorhaben der Behörden die verfassungsmässigen Grundrechte und die bürgerlichen Freiheiten verletzt. Um solche Vorhaben zu bekämpfen, nutzten die Freunde der Verfassung stark den direktdemokratischen Kanal, wobei sie eine bemerkenswerte Fähigkeit zum Sammeln zahlreicher Unterschriften bewiesen. Nebst den Referenden gegen das Covid-19-Gesetz und gegen dessen zweite Revision waren sie auch massgeblich an den Referenden gegen das E-ID-Gesetz, gegen das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen gegen Terrorismus (PMT) und gegen das Medienpaket beteiligt. Ausserdem wirkten sie bei der Unterschriftensammlung für die Volksinitiative gegen eine Impfpflicht (Initiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit») mit und gaben im Sommer 2021 bekannt, eine Volksinitiative zur Einführung der Gesetzesinitiative zu planen. Die Geldmittel für diese zahlreichen Kampagnen stammten «von Mitgliedern, aus Spenden und von einer Handvoll sehr besorgter Unternehmer, von denen keiner Blocher heisst», wie die Freunde der Verfassung sich in der NZZ zitieren liessen. Das Präsidium des Vereins teilten sich Marion Russek und Werner Boxler. In der medialen Öffentlichkeit stark in Erscheinung traten zudem Mediensprecher Michael Bubendorf, ein ehemaliges SVP-Mitglied, und Kampagnenleiter Sandro Meier, nach eigener Aussage ein «ehemaliger Links-Grün-Wähler». Verschiedene Medien sahen zudem den Solothurner Publizisten Christoph Pfluger als wichtige Figur bei den Freunden der Verfassung.

Der im Februar 2021 gegründete Verein «Mass-voll!» verstand sich als Jugendbewegung gegen die Behördenmassnahmen. Die jüngere Generation sei durch eine Covid-19-Infektion gesundheitlich am wenigsten gefährdet, doch gerade diese Generation werde in ihrer Entwicklung und Freiheit durch die Massnahmen besonders getroffen. Ähnlich wie die Freunde der Verfassung, aber oft in deutlich schärferem Ton prangerte Mass-voll die «Freiheitsberaubung und Überwachung der Bürger», «eine Zweiklassengesellschaft von Geimpften und Nichtgeimpften» sowie eine zu grosse Machtkonzentration beim Bundesrat an, die dieser für «menschenverachtende» Massnahmen und die «Abschaffung der Grundrechte» missbrauche. Zur Verbreitung ihrer Positionen setzte Mass-voll stark auf die Sozialen Medien sowie auf Kundgebungen. Bekanntester Exponent war Co-Präsident Nicolas Rimoldi, der auch im Vorstand der Auns sitzt und bereits vor der Pandemie mit libertären Positionen innerhalb der FDP aufgefallen war. Neben ihm war zunächst Carla Wicki und ab Sommer 2021 Viola Rossi Co-Präsidentin. Andere leitende Mitglieder von Mass-voll waren gemäss NZZ für die SVP aktiv.

Das «Aktionsbündnis Urkantone für eine vernünftige Corona-Politik» entstand im Herbst 2020 und hatte seine Basis in den Kantonen Uri, Schwyz, Ob- und Nidwalden. Im Herbst 2021 zählte es nach eigenen Angaben «deutlich über 1'000 eingeschriebene Unterstützer». Das Aktionsbündnis trat zum einen als Mitorganisator von Kundgebungen in Erscheinung, zum anderen auch in den Abstimmungskampagnen gegen das Covid-19-Gesetz und gegen dessen zweite Revision. Es kritisierte die «Corona-Zwangsmassnahmen» als «unsinnig, schädlich und unverhältnismässig». Nach eigenen Angaben setzte sich das Aktionsbündnis «für die freie Diskussion und sachliche Aufklärung der Bevölkerung» ein und orientierte sich an «unabhängigen Informationsquellen über die Auswirkungen auf unsere Gesellschaft und dem Stand der nicht einer politischen Agenda unterworfenen Wissenschaft». Bekanntestes Gesicht des Aktionsbündnisses war der Schwyzer Unternehmer Josef Ender.

Das «Netzwerk Impfentscheid» war schon 2011 als Zusammenschluss impfkritischer Personen gegründet worden und hatte 2013 erfolglos mit einem Referendum gegen das Epidemiengesetz gekämpft. Die Covid-19-Pandemie verlieh dem Netzwerk gemäss NZZ «neuen Schub». Das Netzwerk sah sich als Stimme gegen die «Impfpropaganda» der Behörden und gegen eine aus seiner Sicht drohende Impfpflicht. Prominentester Exponent des als Verein organisierten Netzwerks war der Naturheilpraktiker Daniel Trappitsch.

Die «Freiheitliche Bewegung Schweiz» war schon vor der Covid-19-Pandemie vom ehemaligen Luzerner SVP-Politiker Richard Koller gegründet worden. Sie fand mit dem Kampf gegen Maskenpflicht, Impfen und Einschränkungen des privaten und öffentlichen Lebens ein neues Tätigkeitsfeld. Am 1. Dezember 2020 startete die Freiheitliche Bewegung die Volksinitiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit», die sich gegen eine Impfpflcht richtet. Andere Forderungen der Bewegung betrafen den Erhalt des Bargelds oder die Möglichkeit für alle Gemeinden, autonom über die Einführung des Mobilfunkstandards 5G zu entscheiden. Die NZZ charakterisierte die Bewegung im März 2021 als «Sammelbecken für Menschen, die dem Staat grundsätzlich misstrauen und sich durch seine <Machenschaften> bedroht sehen».

Die «Freiheitstrychler» traten im Herbst 2020 erstmals in Erscheinung. An Protestkundgebungen gegen Covid-19-Massnahmen zogen sie mit ihren unüberhörbaren Trycheln und den weissen Hirtenhemden in der Folge viel Aufmerksamkeit auf sich, auch medial. Im Mai 2021 bestanden sie gemäss Medienberichten aus rund 100 Personen, die grossmehrheitlich aus dem Kanton Schwyz stammten. Ihr Gründer, der Schwyzer Andy Benz, ist SVP-Mitglied.

Organisationen der Covid-Protestbewegung
Dossier: Schutz des Bargelds in der Schweiz

Die Gastronomie- und Hotelleriebranche wurde von den vom Bund beschlossenen Massnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie hart getroffen und war auf finanzielle Unterstützung angewiesen. In der Folge stellten die Branchenverbände Forderungen an den Bund, die Gastronomie und Hotellerie stärker zu unterstützen.
Der Verband Gastrosuisse forderte den Bundesrat im April 2020 während des Lockdowns auf, dem Gastgewerbe wieder eine Perspektive zu geben, und pochte auf eine Wiedereröffnung der Bars und Restaurants. In einer Medienmitteilung zeigte der Verband auf, wie eine Wiedereröffnung unter Einhaltung von Abstands- und Schutzmassnahmen in den Betrieben aussehen könnte. Verbandspräsident Casimir Platzer äusserte seine Befürchtung, dass ohne baldige Einigung eine «hohe Zahl von Betrieben endgültig geschlossen» bleiben müsse. Ab Mitte Mai stellte schliesslich der Bundesrat erste Lockerungen in Aussicht.
In der Folge verschoben sich die Forderungen in Richtung finanzieller Unterstützung: Der Verband Hotelleriesuisse ersuchte den Bund im Juni, in Härtefällen die zur Unterstützung erhaltenen Covid-19-Kredite für die Hotelbranche zu erlassen. Das Geld solle anstatt zurückgezahlt für Investitionen gebraucht werden können, damit die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gewährleistet werden könne. Ferner sollten die Kurzarbeitsentschädigungen von 12 auf 18 Monate verlängert werden, wie der Verband in einem Positionspapier forderte.

Corona Gastro

Die Grenzschliessungen, welche im Frühling zur Bekämpfung der Corona-Pandemie beschlossen wurden, trafen auch die Produktionskapazität der Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie. Der Branchenverband Swissmem forderte eine Lockerung der Einreisebestimmungen, da wichtige Reparatur- und Unterhaltsarbeiten in den Produktionsstätten der Industrie oft von Fachspezialisten aus dem Ausland vorgenommen würden. Damit die Industrie wieder «den Weg zurück in die Normalität» finden und Arbeitsplätze erhalten werden können, so teilte der Verband im April 2020 mit, müssten die für die Branche wichtigen Fachkräfte wieder ungehindert ein- und ausreisen können. Zudem forderte der Verband eine Abschaffung der Industriezölle, wie sie im Parlament gerade behandelt werden, die der Industriebranche nach dessen Angaben eine finanzielle Entlastung von CHF 125 Mio. bringen würde.
Den Anliegen schloss sich der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse an: Dieser stellte im Mai ein Acht-Punkte-Programm zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie vor. Neben der Forderung, Industriezölle abzuschaffen, pochte der Verband etwa auf die finanzielle Förderung der wirtschaftlichen Innovation und auf mehr unternehmerischen Freiraum durch den Abbau von Regulierungen. Auch forderte Verbandspräsident Heinz Karrer in einem Interview mit dem Tages-Anzeiger, die Schweiz müsse «offen bleiben», was sich einerseits auf die Grenzschliessungen, aber auch auf die kommende Abstimmungen über die Begrenzungsinitiative bezog.

Forderungen der Industrie- und Wirtschaftsverbände (Corona-Pandemie)

Die Gewerkschaft Unia forderte wenige Tage nach dem Beschluss der ausserordentlichen Massnahmen zur Eindämmung des Coronavirus im März 2020 auch striktere Massnahmen für Industrie und Gewerbe. Wie die Unia-Chefin Vania Alleva in einem Interview mit dem «Blick» mitteilte, fordere sie, wie dies in den Kantonen Genf und Tessin bereits umgesetzt worden sei, landesweit eine Schliessung von Baustellen und von Betrieben, welche die geltenden Abstands- und Hygienemassnahmen nicht ausreichend durchsetzen können. Denn während etwa ein Banker im Homeoffice arbeiten und dadurch die vom Bund empfohlenen Hygiene- und Abstandsregeln gut einhalten könne, so Alleva, müssten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Industrie, im Detailhandel und im Gewerbe oder auf dem Bau weiterhin ungeschützt ihrer beruflichen Tätigkeit nachgehen. Die Situation sei tatsächlich paradox, meinte auch der Blick: Stünden drei Bauarbeiter nach Feierabend auf der Strasse, ohne die geltenden Abstandsregeln einzuhalten, drohe ihnen eine Busse – auf der Baustelle hingegen nicht. Längerfristig zielte die Forderung der Unia darauf ab, dies teilte Alleva gegenüber dem Tages-Anzeiger mit, dass die Arbeitgebenden nachhaltige und wirksame Schutzkonzepte erarbeiten sollen, um trotz Pandemie den Arbeitsbetrieb aufrechterhalten zu können. Damit sollten letztlich Entlassungen verhindert und ein Umgang mit der Krise gelernt werden.

Die Forderung der Unia, Gewerbe und Industrie weitgehend vorübergehend stillzulegen, war umstritten: Der Tages-Anzeiger etwa fragte Alleva, ob sie «wahnsinnig» geworden sei, und warf ihr vor, die Unia – auch Betreiberin der grössten Arbeitslosenkasse der Schweiz – wolle doch nur von den Folgen der Krise profitieren. Mit den Bundeskrediten zur Unterstützung der Wirtschaft wolle sie ferner der freien Marktwirtschaft den Garaus machen, um den sozialistischen Traum einer reinen Staatswirtschaft wahr zu machen, mutmasste die Zeitung weiter. Alleva tat diese doch happigen Vorwürfe aber als «infame» und «völlig realitätsfremde» Unterstellung ab. Die Unia sei daran interessiert, dass die Wirtschaft nach der Krise wieder in Schwung komme und niemand unter die Räder gerate.
Rückendeckung erhielt Alleva von SGB-Präsident Pierre-Yves Maillard. Dieser sprach sich nicht für einen totalen Shutdown aus, betonte aber, dass die Gesundheit der Arbeitnehmenden Priorität haben müsse. Die Diskrepanz zwischen den geltenden Regeln im Privatleben und im Berufsleben sei nicht hinnehmbar, so Maillard gegenüber dem «Blick».

Unia forderte striktere Massnahmen für Industrie und Gewerbe