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Nachdem die SPK beider Räte der parlamentarischen Initiative von Beat Rieder (mitte, VS) Folge gegeben hatten, wäre es eigentlich an der SPK-SR gewesen, eine Vorlage auszuarbeiten, mit der das Verhältnis zwischen Lobbying und Kommissionsarbeit hätte geklärt werden sollen. In der Tat wollte die Initiative dem «Parlamentariershopping» Einhalt gebieten, also dem von der SPK-NR so benannten Phänomen, dass Ratsmitglieder, die bei Beginn einer neuen Legislatur in einer neuen Kommission Einsitz nehmen, von Organisationen rekrutiert werden, deren Interessen im Bereich der von der entsprechenden Kommission behandelten Themen liegen. Mit einem Verbot der Ausübung von Tätigkeiten, die thematisch mit der Kommissionsarbeit zu tun haben, hätte dies umgesetzt werden sollen. Dabei hatte der Initiant selber bereits vorgeschlagen, Ausnahmen vorzusehen: Ein Verbot sollte nicht gelten für marginal entschädigte Tätigkeiten oder für Parlamentsmitglieder, die im entsprechenden Bereich bereits vor der Wahl in die Kommission beruflich tätig sind. Diese Ausnahmen brachten freilich eine 6 zu 2-Mehrheit der SPK-SR dazu, die parlamentarische Initiative zur Abschreibung zu empfehlen. Die Umsetzung der Initiative – so nachvollziehbar die Forderung auch sei – würde das Prinzip der Gleichbehandlung der Ratsmitglieder oder die Idee des Milizsystems verletzen. Gleichbehandlung würde bedeuten, dass sämtliche Tätigkeiten untersagt werden müssten, mit denen Kommissionsarbeit tangiert würde. Dies wäre aber mit dem Milizsystem nicht vereinbar. Hier müssten jene beruflichen Tätigkeiten ausgenommen werden, die bereits vor der Wahl ausgeübt wurden, was aber wiederum das Prinzip der Gleichbehandlung verletzten würde. Darüber hinaus – so machte die SPK-SR in ihrem Bericht deutlich – sei mit «erheblichen Auslegungs- und Anwendungsschwierigkeiten» zu rechnen. Eine links-grüne Kommissionsminderheit, bestehend aus Hans Stöckli (sp, BE) und Lisa Mazzone (gp, GE), wollte die Rekrutierung von Parlamentsmitgliedern abhängig von deren Kommissionszugehörigkeit hingegen bekämpfen, weil es das Vertrauen in die Politik untergrabe: Ein Verbot solcher Tätigkeiten lasse sich damit begründen, dass die Wählerinnen und Wähler vor den Wahlen wissen müssten, wer welche Interessenbindungen aufweise. Solche Bindungen dürften nicht erst nach den Wahlen und je nach Kommissionszugehörigkeit neu aufgebaut werden.
Der Ständerat sollte das Geschäft eigentlich in der Wintersession 2021 behandeln, beschloss aber, die Beratung zu verschieben. Es brauche eine längere Debatte, für die in der Wintersession aber keine Zeit sei, begründete Benedikt Würth (mitte, SG) seinen Ordnungsantrag, der eine Neutraktandierung für die Frühjahrssession 2022 vorsah. In der Tat wäre es das letzte Geschäft im Ständerat gewesen, das im Jahr 2021 behandelt worden wäre. Würth befürchtete, dass «die zentrale Frage» nicht genügend Raum erhalten hätte, weil ein «psychologischer Druck, jetzt nicht mehr zu sprechen, weil die Ratsmitglieder in die Mittagspause gehen wollen», bestanden hätte. Dies sahen auch die anwesenden Ständerätinnen und Ständeräte so und hiessen den Ordnungsantrag gut.

Lobbying und Kommissionsarbeit (Pa.Iv. 19.414)
Dossier: Lobbyismus im Bundeshaus

Nachdem die Behandlung des Geschäfts mehrmals verschoben worden war – traktandiert wäre es schon in der Frühjahrs- sowie in der Sommersession 2021 gewesen – beugte sich der Ständerat schliesslich in der Herbstsession 2021 über den Entwurf der SPK-NR für eine auf die parlamentarische Initiative von Rudolf Joder (svp, BE) zurückgehende Schaffung einer ausserordentlichen Aufsichtsdelegation (AoDel). In der Zwischenzeit hatte die GPK-SR ihre Meinung geändert und empfahl neu Eintreten. Der Ständerat habe ja ursprünglich nicht auf die Vorlage eintreten wollen, weshalb dieser Sinneswandel der Kommission erklärt werden müsse, eröffnete Kommissionssprecher Daniel Fässler (mitte, AI) die Debatte. In der Tat sei die Kommission nach wie vor nicht dafür, ein neues Gremium zu schaffen. Man wolle aber dann in der Detailberatung einen Vorschlag für eine Änderung des Parlamentsgesetzes unterbreiten, nämlich die «Möglichkeit der Einsetzung einer gemeinsamen Subkommission der Finanzkommissionen und der Geschäftsprüfungskommissionen beider Räte», wenn Prüfungen notwendig seien, die sowohl die Haushaltsführung (Zuständigkeitsbereich der Finanzdelegationen) als auch die Geschäftsführung (Zuständigkeitsbereich der Geschäftsprüfungskommissionen) betreffen. Solche Subkommissionen seien bereits bei der Untersuchung zur Herausgabe von UBS-Kundendaten an die USA, zum Informatikprojekt «Insieme» und aktuell zu den Hochseeschifffahrt-Bürgschaften eingesetzt worden und hätten sich bewährt. Umstritten sei in der Kommission allerdings die Frage gewesen, mit welchen Rechten diese Subkommissionen ausgestattet werden sollten. Weil kein Gegenantrag vorlag und Eintreten ohne Abstimmung beschlossen wurde, machte sich die kleine Kammer in der Folge gleich an die Klärung dieser Frage. Eine Kommissionsminderheit vertreten durch Hans Stöckli (sp, BE) wollte der neuen Subkommission umfassende Möglichkeiten für Untersuchungen geben, also auch Einsicht in die Protokolle von Bundesratssitzungen, geheime Unterlagen oder Befragungen von Zeuginnen und Zeugen. Diese Informationsrechte gingen der Kommissionsmehrheit allerdings zu weit. Eine Subkommission dürfte nicht mehr Rechte haben als die Kommissionen, die sie einsetzten, so die Begründung von Daniel Fässler. Sei dies nicht ausreichend, müsse wie bis anhin eine parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) einberufen werden. Würde man den Minderheitsantrag annehmen, wäre man eigentlich wieder bei der AoDel, was der Rat ja aber eigentlich abgelehnt habe. Mit 27 zu 14 Stimmen folgte die kleine Kammer in dieser Frage der Kommissionsmehrheit. Nachdem die verschiedenen sprachlichen Anpassungen am Entwurf ohne Abstimmungen angenommen worden waren, hiess der Rat den Entwurf in der Gesamtabstimmung mit 40 zu 0 Stimmen (3 Enthaltungen) gut.

Stärkung der Geschäftsprüfungskommissionen (Pa.Iv. 15.451)

Im Dezember 2020 wurde der Jahresbericht über die Tätigkeiten der Delegationen für die Beziehungen zu den Nachbarstaaten publiziert. Gemäss Verordnung der Bundesversammlung erstatten die jeweiligen Delegationen mindestens einmal pro Legislaturperiode Bericht über ihre Arbeit. Im Berichtsjahr 2020 standen die nachbarschaftlichen Beziehungen hauptsächlich im Zeichen der Covid-19-Pandemie. Insbesondere die Schliessung der Grenzen sowie die verschärften Einreisebestimmungen und Kontrollen waren Gegenstand der Arbeitsbesuche der Delegationen, wobei sich die Anzahl der Arbeitsbesuche aber im Vergleich zu anderen Jahren merklich verringert hatte. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit während des Höhepunkts der Krise wurde mehrfach für sehr gut befunden. Die Berichterstattung schloss damit, dass in derartig schwierigen Zeiten die Beziehungspflege besonders wichtig werde. Im Berichtsjahr geschah dies vermehrt durch alternative Kommunikationsformen wie Videokonferenzen, welche auch in Zukunft beibehalten werden dürften, um die bestehenden Methoden zu ergänzen.
National- und Ständerat nahmen in der Sommersession 2021 Kenntnis vom Bericht. Ständerat Bischof (mitte, SO) hielt im Namen der Delegation für die Beziehungen zum Deutschen Bundestag fest, dass die Treffen gezeigt hätten, dass die fünf Nachbarstaaten — vor allem die Grenzregionen— ein weniger grosses Interesse an institutionellen Fragen hätten als der Rest der EU. Für Erstere seien stattdessen vor allem die direkten Beziehungen entscheidend. Dementsprechend dürfte die Bedeutung der Delegationen nach dem Verhandlungsabbruch des Rahmenabkommens an Bedeutung gewinnen, denn über diese müsse die Schweiz zukünftig versuchen, Einfluss auf die EU-Behörden zu nehmen.

Jahresbericht über die Tätigkeiten der Delegationen für die Beziehungen zu den Nachbarstaaten
Dossier: Bericht über die Tätigkeiten der Delegationen für die Beziehungen zu den Nachbarstaaten

In der Sommersession 2021 nahmen beide Räte Kenntnis vom Bericht der Delegation bei der EFTA/Europäisches Parlament 2020. Dieser gab einen Überblick darüber, wie die Delegation die Bundesversammlung im EFTA-Parlamentarierkomitee vertrat und welche Anstrengungen sie im Rahmen der Pflege der Beziehungen zum Europäischen Parlament unternahm. Wie zu erwarten war, dominierte die Covid-19-Pandemie sämtliche Tätigkeiten der Delegation im Berichtsjahr. Für die EFTA-Staaten zeigte sich während der Krise, wie wichtig ihre Einbindung in das gesamteuropäische Krisenmanagement der EU war. Nebst der Erarbeitung von Modellkapiteln in den Bereichen Nachhaltigkeit und E-Commerce widmete sich die EFTA im Berichtsjahr vor allem der Verbesserung der Transparenz bei Freihandelsverhandlungen, insbesondere im Hinblick auf die bevorstehenden Verhandlungen mit Thailand und der Republik Moldau. Ein weiterer Themenschwerpunkt der EFTA-Parlamentarierversammlung waren die bilateralen Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU nach dem Brexit. Für die Schweiz werde es diesbezüglich vor allem wichtig sein, dafür zu sorgen, dass Schweizer Unternehmen im Vergleich zur europäischen Konkurrenz nicht benachteiligt werden, wurde im Bericht vermerkt.
Der bilaterale Austausch der Schweizer Delegation mit der entsprechenden EU-Delegation fand pandemiebedingt mehrheitlich virtuell statt. Anfang Oktober 2020 reiste die Delegation jedoch für einen Arbeitsbesuch nach Brüssel, wo sie sich mit Stefano Sannino – dem damaligen Chef-Unterhändler der EU – austauschte. Die Schweizer EFTA-/EU-Delegation beschäftigte sich im Berichtsjahr auch mit den Beteiligungsmöglichkeiten an den neuen Forschungs- und Innovationsprogrammen «Horizon Europe» und «Erasmus+». Im Vordergrund stand der Status von Drittstaaten, der neue Beitragsmechanismus und eine mögliche Verknüpfung in Abhängigkeit der Fortschritte beim institutionellen Rahmenabkommen.
Während im Nationalrat keine Voten abgegeben wurden, merkte Ständerat Benedikt Würth (mitte, SG) im Namen der APK-SR wohlwollend an, dass der Dialog zwischen den Parlamenten aufgrund der Delegation bereits institutionalisiert sei, während der Bundesrat sich noch immer darum bemühe, einen Dialog mit Brüssel zu implementieren.

Bericht der Delegation EFTA/Europäisches Parlament 2020
Dossier: Bericht der Delegation EFTA/Europäisches Parlament

Kommissionssprecher Andrea Caroni (fdp, AR) erläuterte in der Debatte in der Sommersession 2021 die Argumente der RK-SR gegen die parlamentarische Initiative von Beat Rieder (mitte, VS), mit der dieser die Schaffung einer Rechtsdelegation gefordert hatte, die bundesrätliche Notverordnungen überprüfen soll: Erstens würde die Forderung mit den beiden parlamentarischen Initiativen der beiden SPK zur Stärkung der Handlungsfähigkeit des Parlaments generell (Pa.Iv. 20.437) und zur Regelung des Verhältnisses zwischen Legislative und Exekutive in Notsituationen (Pa.Iv. 20.438) umfassender aufgenommen. Zweitens gäbe es Probleme inhaltlicher Art mit dem Vorstoss Rieders, da die Forderung nach einer möglichen Verhinderung von Notverordnungen mit der Verfassung nicht vereinbar sei. Beat Rieder selber zitierte in der Folge Carl Schmitt: «Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet.» Im durch die Covid-19-Pandemie nötigen Ausnahmezustand sei aber nicht das Parlament souverän gewesen. Es sei im Gegenteil «einfach nachhause» gegangen. Das Parlament müsse – und deshalb sei sein Vorstoss eben wichtig – in Notsituationen ein Instrument haben, um die Souveränität zu behalten und diese nicht dem Bundesrat alleine zu überlassen. Hans Stöckli (sp, BE), der als damaliger Ständeratspräsident stark in die Entscheidungsprozesse während der Notrechtsituation eingebunden gewesen war, erinnerte daran, dass die Kommunikation zwischen Exekutive und Legislative stets funktioniert habe. Der Bundesrat sei jederzeit bereit gewesen, an Kommissionssitzungen Fragen zu beantworten und Verordnungen anzupassen. Dieses «Gentlemen's Agreement» habe wahrscheinlich einfacher funktioniert, als es wäre, den ganzen Parlamentsbetrieb in Gang zu setzen. Er danke aber seinem Ratskollegen, dass er die Diskussion anstosse, da es wichtig sei, dass das Parlament auch in Krisensituationen handlungsfähig bleibe. Er plädiere deshalb aber gegen Folgegeben, weil diese Forderung im Rahmen der beiden SPK-Initiativen besser umgesetzt werden könne. Eine 23 zu 8-Stimmenmehrheit schien dies ebenso zu sehen und versenkte die Initiative Rieder. 12 Ratsmitglieder enthielten sich der Stimme.

Schaffung einer Rechtsdelegation (Pa.Iv. 20.414)
Dossier: Parlament in Krisensituationen

Bei der durch die Covid-19-Pandemie verursachten ausserordentlichen Lage gab es zahlreiche mediale und politische Stimmen, welche die Beziehung zwischen Legislative und Exekutive als nicht sehr krisenresistent betrachteten. Die als veritable «Krise des Parlaments» bezeichnete Situation sei vor allem im Rahmen der vom Bundesrat gefällten Notverordnungen sichtbar geworden, bei denen das Parlament seine Kontrollfunktion über die Exekutive verloren habe. Aus dieser Diskussion erwuchs eine Reihe von Vorstössen, die auf eine Stärkung der Legislative in Krisenzeiten zielten. Darunter fand sich auch eine parlamentarische Initiative von Stefan Rieder (mitte, VS), der die Schaffung einer Rechtsdelegation anregte. Diese solle in ausserordentlichen Lagen die Erlasse und Notverordnungen des Bundesrates einer Prüfung unterziehen und diese zeitnah beraten können, ähnlich wie dies die FinDel bei finanzpolitischen Entscheiden auch im Rahmen der Covid-Krise leistete.
In ihrer Sitzung Ende April 2021 sprach sich die SPK-SR allerdings mit 8 zu 0 Stimmen bei 4 Enthaltungen gegen Rieders Idee aus. Man sei sehr wohl der Ansicht, dass Verbesserungen angebracht seien, habe diese aber mit zwei eigenen parlamentarischen Initiativen (Pa.Iv 20.437 und Pa.Iv 20.438) aufgegleist, weshalb dieser Vorstoss nicht nötig sei. In der Sommersession 2021 hatte sich der Ständerat dieses Vorstosses anzunehmen.

Schaffung einer Rechtsdelegation (Pa.Iv. 20.414)
Dossier: Parlament in Krisensituationen

Der Bundesrat verabschiedete im März 2021 erstmals eine offizielle Schweizerische China-Strategie, welche konkrete Ziele und Massnahmen der Schweizer China-Politik für die Jahre 2021-2024 beinhaltete. In seiner Medienmitteilung begründete der Bundesrat die Relevanz der Strategie mit den aktuellen geopolitischen Entwicklungen, insbesondere der Konkurrenz zwischen den Grossmächten USA und China, die nicht im Interesse der Schweiz sei. Als Sitz internationaler Organisationen sehe sich die Schweiz vielmehr als Brückenbauerin, um chinesische und westliche Vorstellungen zum allseitigen Nutzen zu verbinden, gemeinsame Standards zu erhalten und diese weiterzuentwickeln, führte der Bundesrat in der Strategie aus. Darüber hinaus verwies er aber auch auf grundlegende Wertedifferenzen zwischen der Schweiz und deren drittgrösstem Handelspartner, welche eine «kohärente Politik gegenüber China» unumgänglich mache. Die Strategie, die im Rahmen eines interdepartementalen Prozesses erarbeitet wurde, leitete ihre inhaltlichen Schwerpunkte – Frieden und Sicherheit, Wohlstand, Nachhaltigkeit, Digitalisierung – aus der übergeordneten Aussenpolitischen Strategie 2020-2023 ab.
In Bezug auf Frieden und Sicherheit stehen laut Medienmitteilung die globale und regionale Sicherheit, der Multilateralismus, die innere Sicherheit der Schweiz – zu denken ist dabei etwa an Industriespionage gegen Schweizer Unternehmen und politische Spionage der tibetanischen Diaspora – und die Menschenrechte im Vordergrund. Vor allem die Gewährleistung individueller Grundrechte sollen ein essentieller Bestandteil der gemeinsamen Beziehungen sein. Aus diesem Grund zeigte sich der Bundesrat bereit, den seit 2019 sistierten Menschenrechtsdialog mit China auch im Zeitraum 2021-2024 weiterzuführen. Werte- und Systemdifferenzen seien auch bei der Digitalisierung ein Problem, da sich die Schweiz für einen ungeteilten digitalen Raum unter Achtung der völkerrechtlichen Grundsätze einsetze. Dabei bilde die Strategie Digitalaussenpolitik 2021-2024 die Grundlage für den Austausch und Umgang mit China. China und chinesische Firmen seien aktive Mitglieder von in Genf ansässigen internationalen Organisationen und Multistakeholder-Prozessen, welche sich mit Themen wie dem digitalen Handel oder Cyberspace auseinandersetzen. Daher sei das internationale Genf gut positioniert, um an der Bewältigung von Herausforderungen der Digitalisierung mitzuwirken.
Beim thematischen Schwerpunkt Wohlstand verwies der Bundesrat in der Strategie hauptsächlich auf das Ziel eines diskriminierungsfreien, marktbasierten und gegenseitig vorteilhaften Zugangs für Waren, Dienstleistungen und Investitionen. Man strebe daher die Modernisierung des Freihandelsabkommens aus dem Jahr 2013 an und analysiere die Bedeutung des Investitionsabkommens zwischen der EU und China. Bei diesem Bereich besteht die Strategie nachdrücklich darauf, dass China seiner Verantwortung in multilateralen Gremien wie der WTO, IWF, Weltbank, OECD nachkommen müsse.
Mit Blick auf das Thema Nachhaltigkeit fokussiere die Schweiz bei chinesischen Infrastrukturprojekten auf Klima und Umwelt, Gesundheit, einen nachhaltigen Finanzsektor und die Entwicklungszusammenarbeit, wobei die Agenda 2030 der UNO als Referenzrahmen diene. China stünden beträchtliche Handlungsmöglichkeiten zur Beeinflussung der globalen Nachhaltigkeit zur Verfügung, weshalb die Schweiz unter anderem in Bezug auf das Klimaübereinkommen von Paris eine gewisse Erwartungshaltung China gegenüber vertrete.
Der Bundesrat beschloss zur Verfolgung dieser Ziele drei Handlungsgrundsätze, welche die bilateralen Beziehungen prägen sollen. Erstens verfolge die Schweiz eine eigenständige China-Politik, wobei eine Zusammenarbeit in allen Bereichen, in denen schweizerische Interessen bestehen, angestrebt werde. Man vertrete dabei «selbstbewusst die Grundwerte der Schweiz, wie sie in der Verfassung stehen». Zweitens setze sich der Bundesrat für die Einbindung Chinas in die liberale internationale Ordnung und in die Bewältigung globaler Herausforderungen ein. Wo ein Mehrwert resultiert, stimme sich die Schweiz verstärkt mit gleichgesinnten Parteien ab. Drittens verfolge der Bundesrat einen ausgewogenen, kohärenten und koordinierten Ansatz gegenüber China, wobei der Austausch zwischen Parlament, Kantonen, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Privatsektor gefördert werden soll.
Den letzten Grundsatz bezeichnete der Bundesrat als «Whole-of-Switzerland»-Ansatz. Um die Umsetzung der Strategie optimal auszugestalten, sind unter anderem die Förderung von China-Kompetenzen in- und ausserhalb der Bundesverwaltung, die Schaffung neuer Koordinationsgremien in der Verwaltung und ein Informationsaustausch mit Akteuren ausserhalb der Verwaltung vorgesehen. Ein neu geschaffener interdepartementaler Koordinationsausschuss soll den Informations- und Erfahrungsaustausch zwischen allen mit China befassten Bundesstellen verbessern. Nebst dieser verwaltungsinternen Koordinationsinstrumenten verfügt die «offizielle Schweiz» gemäss Bericht über beinahe dreissig bilaterale Dialoge mit China, die von verschiedenen Ämtern der Verwaltung geführt werden. Dazu kommen die diplomatischen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Vertretungen in China selbst. Auch im multilateralen Kontext interagiert die Schweiz mit China und kann so einen Dialog führen. Zusätzlich helfe auch der Austausch mit gleichgesinnten Drittstaaten über China, die Schweizer China-Kompetenzen zu stärken, führte der Bericht aus.

Die Reaktionen auf die mit mehreren Monaten Verspätung veröffentlichte Strategie fielen in den Medien gemischt aus. Die Aargauer Zeitung zeigte sich angesichts der schwierigen Beziehungen zu China in der jüngeren Vergangenheit – der Menschenrechtsdialog war 2019 ausgesetzt worden – positiv überrascht davon, wie offen Bundesrat Cassis Reizthemen wie die Menschenrechte und die Unterdrückung von Minderheiten ansprach. Sie sprach aber auch den «China-Spagat» der Schweiz an, der einer Gratwanderung zwischen Wirtschaftsinteressen und Menschenrechten gleichkomme. Die WOZ erklärte sich die «devote Haltung des Bundesrats» mit der wirtschaftlichen Abhängigkeit der Schweiz und zeigte sich enttäuscht darüber, dass in China aktive Schweizer Firmen nicht stärker für Menschenrechtsverletzungen in China zur Verantwortung gezogen werden sollen. Le Temps nannte die Strategie «vorsichtig» und Nationalrat Laurent Wehrli (fdp, VD) beschrieb die Strategie der Zeitung gegenüber als «sehr schweizerisch, sehr pragmatisch», wobei er dies für positiv erachtete, denn «um etwas sagen zu können, müsse man den Dialog aufrecht erhalten». Auch Elisabeth Schneider-Schneiter (mitte, BL) zeigte sich in den Medien zufrieden mit der Strategie, weil sie mit der veralteten Annahme aufräume, dass der Umgang mit China vornehmlich wirtschaftlich-politisch und nur das Aussendepartement dafür zuständig sei. Kritischer äusserten sich Fabian Molina (sp, ZH) und die Grünen zum Strategiepapier des Bundesrats. Molina befürwortete zwar die einheitliche China-Strategie und die Kritik an der Menschenrechtslage in China, war aber enttäuscht darüber, dass der Bundesrat keine Antworten zum konkreten Umgang mit Menschenrechtsverletzungen gab. Die Grünen lehnten die Strategie gar als Ganzes ab, da der Bundesrat die Wirtschaftsinteressen über die Menschenrechte stelle.
Wenige Tage nach Publikation der Strategie äusserte sich auch der chinesische Botschafter in der Schweiz, Wang Shihting, dezidiert in einer virtuellen Medienkonferenz dazu. Er bezeichnete die Vorwürfe westlicher Länder in Bezug auf die Lage in der mehrheitlich von Uiguren bewohnten Region Xinjiang als «rein boshafte politische Spekulationen» und wehrte sich auch gegen die in der Strategie geäusserten Vorwürfe, dass China Industriespionage betreibe. Im Gegenzug äusserte er sich aber optimistisch hinsichtlich einer Überarbeitung des chinesisch-schweizerischen Freihandelsabkommens und versprach, dass China bereit sei dabei Kompromisse einzugehen.

Schweizerische China-Strategie
Dossier: Aussenpolitische Strategien
Dossier: Aussenpolitische Strategie in den bilateralen Beziehungen mit China

Nachdem das Büro-NR die beiden parlamentarischen Initiativen der Grünen (20.403) und der SP-Fraktion (20.404) für die Einsetzung einer PUK zur Aufarbeitung der Crypto-Affäre im November 2020 mit 8 zu 5 Stimmen abgelehnt hatte, befasste sich in der Frühjahrssession 2021 der Nationalrat damit. Neben dem ablehnenden Antrag der Mehrheit lagen ihm auch zwei Minderheitsanträge für die Annahme der beiden Initiativen vor. Die Vertreterinnen und Vertreter der SP und der Grünen, die im Ratsplenum für Folgegeben plädierten, attestierten der GPDel zwar gute Arbeit, sahen in deren Bericht aber einige Fragen unbeantwortet, insbesondere jene, ob die Schweiz mit dem Vorgehen im Fall Crypto AG die Neutralität verletzt habe. Im «vielleicht grössten aussenpolitischen Skandal der jüngeren Schweizer Geschichte», wie Roger Nordmann (sp, VD) die Crypto-Affäre bezeichnete, habe die Öffentlichkeit Transparenz verdient, so Aline Trede (gp, BE). Es sei wichtig für die Glaubwürdigkeit der Schweiz, «dass das Parlament alles getan hat, um den Sachverhalt aufzuklären», ergänzte Edith Graf-Litscher (sp, TG). Demgegenüber argumentierte die Mehrheit des Büros, eine PUK würde keine neuen Erkenntnisse bringen, weil alle Dokumente und Akten bereits von der GPDel aufgearbeitet worden seien. Der Nationalrat folgte mit 123 zu 66 bzw. 122 zu 67 Stimmen dem Mehrheitsantrag und gab den beiden Initiativen keine Folge. Die Minderheiten hatten – mit Ausnahme von Pirmin Schwander (svp, SZ), der der SP-Initiative zustimmte – ausserhalb der initiierenden Fraktionen kein Gehör gefunden. Damit ist die Forderung nach einer PUK zur Crypto-Affäre vom Tisch.

Crypto-Affäre

Delegationen und Vertretungen des Parlaments haben unter anderem die Aufgabe, die Schweiz zu vertreten. Da diese Delegationen hinsichtlich der Geschlechter häufig nur sehr einseitig und vor allem männlich zusammengesetzt seien, wiederspiegelten sie ein «veraltetes Gesellschaftsbild» und suggerierten, dass Frauen in der Schweizer Politik nicht vertreten seien. Mit dieser Begründung forderte Claudia Friedl (sp, SG) mittels parlamentarischer Initiative eine Mindestquote von 30 Prozent jeden Geschlechts in diesen Gremien.
Ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis in parlamentarischen Vertretungen sei zwar ein berechtigtes Anliegen, befand eine 12 zu 10-stimmige Mehrheit (1 Enthaltung) der SPK-NR, es sei aber nicht mittels gesetzlicher Regelung umzusetzen. Bei der Zusammensetzung parlamentarischer Vertretungen müssten bereits mehrere Kriterien – Fraktionsstärke, Amtssprache, Landesregion – berücksichtigt werden. Eine Geschlechterregelung würde die Besetzung nicht nur verkomplizieren, sondern unter Umständen auch verunmöglichen – etwa wenn eine Fraktion nicht genügend Frauen stellen könnte. Mit den letzten eidgenössischen Wahlen sei die 30-Prozent-Quote zudem praktisch bereits erreicht worden.
In der Debatte zeigte sich die Kommissionsminderheit, vertreten durch Ada Marra (sp, VD) erstaunt, dass über dieses Thema überhaupt gesprochen werden müsse, sässen im Parlament doch mittlerweile 38.7 Prozent Frauen. Die Zahlen zeigten allerdings auch, dass in sechs der elf Delegationen ein Frauenanteil von 30 Prozent eben nicht erreicht würde. Ein zusätzliches Argument brachte Pierre-Alain Fridez (sp, JU) in die Debatte ein: Im Europarat werde eine 30-Prozent-Quote eingeführt und für diese Delegation aus der Schweiz müsse also sowieso eine entsprechende Regel gefunden werden. Kommissionssprecher Damien Cottier (fdp, NE) wies in der Folge darauf hin, dass sich die Kommission lediglich gegen eine gesetzliche Regelung wende; einer Absprache zwischen den einzelnen Fraktionen stehe aber freilich nichts im Weg. Mit einer formellen und starren Quote – so auch Barbara Steinemann (svp, ZH) ebenfalls für die Kommission – würden mehr Probleme entstehen als gelöst. Dies sahen 105 Parlamentsmitglieder anscheinend ebenso, womit der parlamentarischen Initiative keine Folge gegeben wurde. Immerhin 83 Stimmen aus den geschlossenen Fraktionen der SP, der GP und der GLP, unterstützt von drei FDP-Nationalrätinnen (Jacqueline de Quattro (fdp, VD), Anna Giacometti (fdp, GR), und Susanne Vincenz-Stauffacher (fdp, SG)), hatten die Idee einer Quote gutgeheissen. Drei weitere FDP-Nationalrätinnen (Doris Fiala (fdp, ZH), Christa Markwalder (fdp, BE) und Isabelle Moret (fdp, VD)) und SVP-Vertreterin Céline Amaudruz (GE) enthielten sich der Stimme.

Ausgewogenes Geschlechterverhältnis in parlamentarischen Vertretungen (Pa.Iv. 19.472)

Jahresrückblick 2020: Rechtsordnung

Die innere und äussere Sicherheit der Schweiz waren im Kapitel Rechtsordnung aufgrund der fortwährenden internationalen Terrorismusgefahr auch 2020 dominante Themen. So verabschiedeten die eidgenössischen Räte gleich drei Gesetzesvorlagen zur Umsetzung der Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung. Erstens wurden mit der Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität das Übereinkommen des Europarates zur Verhütung des Terrorismus und das dazugehörige Zusatzprotokoll umgesetzt. Damit sind neu bereits bestimmte Handlungen im Vorfeld eines geplanten terroristischen Aktes strafbar, insbesondere das Anwerben und Ausbilden von Terroristinnen und Terroristen, das Reisen für terroristische Zwecke (sog. Dschihadreisen) und die entsprechende Finanzierung. Das Vorläuferstoffgesetz reguliert zweitens den Zugang von Privatpersonen zu bestimmten Chemikalien, die zur Herstellung von Sprengstoff missbraucht werden können. Das dritte und umstrittenste der drei neuen Antiterrorgesetze war das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT), auf dessen Grundlage die Polizei präventiv gegen terroristische Gefährderinnen und Gefährder vorgehen kann. Die PMT umfassen unterschiedlich starke Freiheitseinschränkungen von einer Meldepflicht bis zum Hausarrest und können gegen potenziell gefährliche Personen verhängt werden. Die Gegnerschaft sah damit den Rechtsstaat in Gefahr, weil die betroffenen Personen keine Straftat begangen hätten und die Massnahmen aufgrund blosser Indizien angeordnet würden. Die Jungen Grünen, die Juso und die Junge GLP ergriffen zusammen mit der Piratenpartei und dem Chaos Computer Club das Referendum gegen das Gesetz und begannen im Oktober mit der Unterschriftensammlung. Neben dem Parlament beschäftigte sich auch das Bundesstrafgericht mit der terroristischen Bedrohung, indem es mehrere Prozesse wegen der Unterstützung terroristischer Aktivitäten führte.

Unabhängig von der spezifisch terroristischen Bedrohung trieb das Parlament die Informationssicherheit des Bundes weiter voran, indem es die bereits 2017 begonnenen Beratungen zum Informationssicherheitsgesetz fortführte und in der Wintersession 2020 zum Abschluss brachte. Im Februar erschütterte überdies die sogenannte Crypto-Affäre die Schweizer Politlandschaft, als bekannt wurde, dass die Zuger Firma Crypto AG über Jahrzehnte von der CIA und dem BND manipulierte Chiffriergeräte in alle Welt verkauft hatte. Über Wochen wurde in den Medien gemutmasst, wer wie viel darüber wusste, welche Rolle der NDB, die Armee, die Bundesanwaltschaft, das Fedpol und der Bundesrat gespielt hatten und inwiefern sich die Schweizer Behörden und einzelne Führungsfiguren damit zu Komplizen ausländischer Nachrichtendienste gemacht hatten. Die ausgiebige Berichterstattung liess die Anzahl Zeitungsartikel im Themenbereich innere und äussere Sicherheit im Februar denn auch markant nach oben schnellen, während er über das ganze Jahr 2020 im Vergleich mit den Vorjahren medial eher schwach abgedeckt war (vgl. Abb. 1: Anteil Zeitungsberichte pro Monat und Abb. 2: Anteil Zeitungsberichte pro Jahr). Das Ansinnen der Grünen und der sozialdemokratischen Fraktion, zur Aufarbeitung der Ereignisse rund um die Crypto AG eine PUK einzusetzen, scheiterte vorerst am Widerstand des Büros-NR, das den beiden entsprechenden parlamentarischen Initiativen im November keine Folge gab. Es erachtete die Untersuchung der GPDel, die kurz zuvor ihren Bericht veröffentlicht hatte, als ausreichend.

Im Bereich Strafrecht schlossen die eidgenössischen Räte den ersten Teil der Revision der Strafprozessordnung ab. Die Bestimmungen zur Sicherheitshaft wurden infolge einer Verurteilung der Schweiz durch den EGMR als dringend revidierungsbedürftig eingestuft und der Revision der gesamten Strafprozessordnung deshalb zeitlich vorgezogen. Auch zum zweiten laufenden, umfassenden Revisionsprojekt im Strafrecht, der Revision des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs (BT), nahm das Parlament die Beratungen in Angriff. Hauptbestandteil der BT-Revision bildet die Harmonisierung der Strafrahmen, mit der die im Strafgesetzbuch aus den 1940er-Jahren angedrohten Strafen mit den heutigen Werthaltungen in Einklang gebracht und deren Verhältnis zueinander neu ausgelotet werden sollen. Die von der Öffentlichkeit mit Spannung erwartete Anpassung der sexualstrafrechtlichen Normen wurde vorerst jedoch weiter aufgeschoben, da der Ständerat diese Bestimmungen im Einvernehmen mit dem Bundesrat in einen separaten Entwurf auslagerte, der zuerst noch in die Vernehmlassung gegeben werden soll.

Im Bereich Zivilrecht verabschiedete das Parlament sowohl die erste Etappe der Erbrechts-Revision, mit der durch die Verkleinerung der Pflichtteile die Verfügungsfreiheit von Erblasserinnen und Erblassern erhöht wird, als auch die Änderung des Zivilgesetzbuches zur einfacheren Änderung des Geschlechts im Personenstandsregister für Menschen mit Transidentität oder einer Variante der Geschlechtsentwicklung. Betreffend das internationale Privatrecht wurden die Normen über die internationale Schiedsgerichtsbarkeit modernisiert, um die Schweiz als internationalen Schiedsplatz attraktiv zu halten.

Mit dem Datenschutzgesetz fand ein weiteres, grosses Gesetzgebungsprojekt 2020 seinen Abschluss. Knapp vier Jahre nach dem Beginn der Vernehmlassung und drei Jahre nach Beginn der parlamentarischen Beratung stimmten die eidgenössischen Räte dem Antrag der Einigungskonferenz zu und brachten damit das hart umkämpfte Geschäft in trockene Tücher. Umstritten waren vor allem die Voraussetzungen, unter denen das sogenannte Profiling, d.h. die Verknüpfung von Daten zur Erstellung von Persönlichkeitsprofilen, zulässig ist. Im Sinne eines Kompromisses setzte sich ein risikobasierter Ansatz durch, der strengere Voraussetzungen, wie beispielsweise die ausdrückliche Einwilligung der betroffenen Person, stellt, wenn die Datenverknüpfung die Beurteilung wesentlicher Aspekte der Persönlichkeit der betroffenen Person ermöglicht. Damit hat die Schweiz nun ein modernes Datenschutzrecht, das nach Einschätzung des Bundesrates und des Parlaments dem Datenschutzniveau der EU gleichwertig sein sollte. Der diesbezügliche Äquivalenzbeschluss, der wie ein Damoklesschwert über den Verhandlungen hing und der eigentlich für 2020 angekündigt war, ist indes noch ausstehend.

Die Corona-Krise wurde im Kapitel Rechtsordnung vor allem in zwei Dimensionen sichtbar. Einerseits wurde die Einführung der Corona-Warn-App «SwissCovid» von einer ausführlichen Datenschutz-Diskussion begleitet. Andererseits gab es im ganzen Land zahlreiche Demonstrationen gegen die und trotz der Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Gegen die Corona-Massnahmen wurde ab Anfang Mai demonstriert, weil sich die Bürgerinnen und Bürger in ihren Grundrechten eingeschränkt sahen, nicht zuletzt gerade durch das Versammlungsverbot. Menschen, die nicht an die Gefährlichkeit des Virus glaubten, wehrten sich so gegen die aus ihrer Sicht ungerechtfertigten Freiheitsbeschränkungen. Der Pandemie zum Trotz demonstrierten im Juni – in Folge der antirassistischen Proteste in den USA als Reaktion auf den durch Polizeigewalt verursachten Tod des Afroamerikaners George Floyd – auch in den Schweizer Städten Tausende unter dem Motto «Black Lives Matter». Die Ereignisse lösten eine grosse gesellschaftliche Debatte über strukturellen Rassismus in der Schweizer Gesellschaft aus, die sich um systematische Benachteiligung nichtweisser Menschen, Polizeigewalt und Racial Profiling, und nicht zuletzt auch um die umstrittene Bezeichnung einer Süssigkeit drehte. Diese Debatte machte zusammen mit der Grundrechtsdiskussion um die Corona-Massnahmen die Bürgerrechte über den Sommer zum in der Presse meistdiskutierten Themenfeld des Kapitels Rechtsordnung (vgl. Abb. 1: Anteil Zeitungsberichte pro Monat). Über das ganze Jahr zeichnete zudem der Themenbereich innere Konflikte und Krisen für einen deutlich höheren Anteil an der Zeitungsberichterstattung verantwortlich als in den Vorjahren (vgl. Abb. 2: Anteil Zeitungsberichte pro Jahr).

Jahresrückblick 2020: Rechtsordnung
Dossier: Jahresrückblick 2020

Im Rahmen der Differenzbereinigung zum Informationssicherheitsgesetz (ISG) befasste sich der Ständerat in der Wintersession 2020 abermals mit der Frage, ob zur Personenidentifikation im Zusammenhang mit dem ISG die AHV-Nummer verwendet werden darf. Schon in der ersten Beratung im Dezember 2017 hatte der Ständerat die systematische Verwendung der AHV-Nummer im ISG festschreiben wollen – ein Entscheid, der vom Nationalrat seither zweimal wieder umgestossen worden war, zuletzt im September 2020, jedoch nur noch mit sehr knapper Mehrheit. Eine Minderheit Zopfi (gp, GL) beantragte im Ständerat erneut, aus Datenschutzgründen auf die direkte Verwendung der AHV-Nummer zu verzichten und stattdessen eine aus der AHV-Nummer abgeleitete Identifikationsnummer zu verwenden. Mit 30 zu 10 Stimmen bei einer Enthaltung hielt der Ständerat jedoch an seinem Beschluss fest, die Nutzung der AHV-Nummer als Identifikator zu erlauben. Die gleiche Konstellation – die Kommissionsmehrheit beantragte Zustimmung zur Verwendung der AHV-Nummer, eine Minderheit Porchet (gp, VD) deren Ablehnung – zeigte sich daraufhin auch im Nationalrat. Nachdem dieser aber zwei Tage zuvor der Revision des AHV-Gesetzes zugestimmt hatte, das neu allen Behörden die systematische Verwendung der AHV-Nummer als Identifikator erlaubt, machte eine andere Entscheidung beim ISG nicht mehr viel Sinn. Diese Geschichte sei «leider gelaufen» und die Abstimmung jetzt nur noch «für die Galerie», fasste Thomas Hurter (svp, SH) als Sprecher der SVP-Fraktion, die sich bislang auch gegen die Verwendung der AHV-Nummer ausgesprochen hatte, die Lage zusammen. So schloss sich die grosse Kammer mit 140 zu 46 Stimmen dem Beschluss des Ständerates an und räumte die letzte Differenz aus. In den Schlussabstimmungen nahm der Ständerat das ISG einstimmig an, der Nationalrat hiess es mit 141 zu 53 Stimmen bei einer Enthaltung gut. Abgelehnt hatte es die geschlossene SVP-Fraktion, weil sie die Unklarheit über die Umsetzungskosten bemängelte.

Informationssicherheitsgesetz (BRG 17.028)

Weil kein Gegenantrag vorlag und die GPK-NR mit 21 zu 1 Stimmen vorgeschlagen hatte, am Antrag auf Eintreten festzuhalten, reichte der Nationalrat den Entwurf seiner Kommission für eine ausserordentliche Aufsichtsdelegation (AoDel) ohne Diskussion wieder an den Ständerat zurück. Dieser habe seine Aufgabe nicht seriös genug gemacht, argumentierte Kommissionssprecherin Isabelle Pasquier-Eichenberger (gp, GE). Kommissionssprecher Alfred Heer (svp, ZH) erinnerte daran, dass das Parlament mit der vorgesehenen Teilrevision des Parlamentsgesetzes und einer Stärkung der Oberaufsicht mehr Kontrolle über die Bundesverwaltung erhalten würde, wo es «ja genügend Skandale» gebe, die es aufzudecken gelte. Bundeskanzler Thurnherr beteuerte, dass der Bundesrat die Idee für die Schaffung einer AoDel nachvollziehen könne, aber keine Notwendigkeit sehe. Er verzichte auf einen Antrag, da es sich hier um eine Frage des Parlaments handle, wolle aber daran erinnern, dass die vom Entwurf vorgesehene Einschränkung der Rechte des Bundesrats bei Untersuchungen nicht sachgerecht sei und bei Eintreten auf die Vorlage dann noch diskutiert werden müsste. Ob es zu dieser Diskussion kommen wird, liegt nun wieder beim Ständerat.

Stärkung der Geschäftsprüfungskommissionen (Pa.Iv. 15.451)

Im März 2020 reichten die Grüne (Pa.Iv. 20.403) und die sozialdemokratische Fraktion (Pa.Iv. 20.404) je eine parlamentarische Initiative ein, mit der sie die Einsetzung einer PUK zur Aufarbeitung der Crypto-Affäre forderten. Während die Grüne Fraktion als Begründung anführte, die umfassende Aufklärung der Crypto-Affäre liege im Interesse der Rechtsstaatlichkeit, der Souveränität und der Neutralität der Schweiz, führte die SP-Fraktion in ihrer Begründung eine Vielzahl an Fragen auf, die es zu klären gelte. Konkret verlangte sie die Beleuchtung von sechs Themenkomplexen: Komplizenschaft des NDB, Rolle der Armee, Rolle der Bundesanwaltschaft, Rolle des Fedpol und dessen Zusammenarbeit mit dem NDB, Rolle weiterer Bundesbehörden sowie Verantwortung des Bundesrates.
Das Büro des Nationalrates lehnte das Begehren der beiden Fraktionen im November mit 8 zu 5 Stimmen ab. Nach Anhörung der beiden initiierenden Fraktionen, des GPDel-Präsidenten und einer Vertretung des Bundesrates sei es zur Ansicht gelangt, dass der kurz zuvor veröffentlichte Untersuchungsbericht der GPDel die aufgeworfenen Fragen beantwortet habe, gab es per Medienmitteilung bekannt.

Crypto-Affäre

Anfang November 2020 verabschiedete die GPDel ihren Inspektionsbericht zum Fall Crypto AG und bat den Bundesrat um Stellungnahme zu den darin formulierten Ausführungen und Empfehlungen innert sechs Monaten. Der Bericht zeigte auf, dass der Strategische Nachrichtendienst, eine Vorgängerorganisation des NDB, ab 1993 gewusst hatte, dass ausländische Nachrichtendienste hinter der Crypto AG standen und dass die Firma sogenannte «schwache» Chiffriergeräte, deren Verschlüsselung mit realistischem Aufwand zu brechen war, exportierte. Im darauffolgenden Zeitraum sei von nachrichtendienstlicher Zusammenarbeit auszugehen, sodass der NDB als Nutzniesser der CIA-Operation «Rubikon» durch die Crypto AG anzusehen sei. Damit liege aber kein verbotener Nachrichtendienst vor, denn es sei grundsätzlich zulässig, dass der NDB und ausländische Dienste gemeinsam ein Unternehmen in der Schweiz nutzten, um Informationen über das Ausland zu beschaffen. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass die Crypto AG den Schweizer Behörden jemals «schwache» Verschlüsselungsgeräte geliefert habe. Dies zeige aber, wie wichtig es sei, dass die Schweizer Behörden die Sicherheit dieser Geräte überprüfen oder gar deren Konzeption mitbestimmen könnten, betonte die GPDel. So gesehen sei es nicht verantwortbar, dass der Bund Verschlüsselungslösungen von ausländischen Lieferanten beziehe; der Bundesrat habe der Wichtigkeit einheimischer Lieferanten für die Verschlüsselungstechnik nicht die nötige Beachtung geschenkt.
Insbesondere erachtete es die GPDel angesichts der politischen Tragweite als falsch, dass die VBS-Führung erst Ende 2019 über die Rolle der Crypto AG in Kenntnis gesetzt worden war. Sie sah darin nicht zuletzt einen Mangel an Führung und Aufsicht durch den Bundesrat, womit dieser eine Mitverantwortung für den jahrelangen Export von manipulierten Chiffriergeräten durch die Crypto AG trage. Weil keiner der Vorgänger Viola Amherds durch die NDB-Führungsriege, die offenbar selbst entschied, wer was zu wissen brauchte, über die Vorgänge informiert worden war, war von einem «Staat im Staat» und einem «Eigenleben» des NDB in der Presse zu lesen. Ebenso thematisiert wurde der problematische Umgang des NDB mit historischen Dokumenten: Wie die GPDel berichtete, wurden nur durch einen «Glücksfall» die entscheidenden Akten zur Aufklärung der Crypto-Affäre in einem alten Kommandobunker aufbewahrt – und dort auch gefunden.
Mit der Sistierung der Generalausfuhrbewilligungen für Chiffriergeräte der Crypto International AG, einer Nachfolgefirma der Crypto AG, im Dezember 2019, habe das WBF schliesslich widerrechtlich gehandelt, da die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Widerruf nicht erfüllt gewesen seien; es habe damit lediglich versucht, ungünstige Medienberichterstattung zu vermeiden. Diese Rüge der GPDel ging in erster Linie an den amtierenden WBF-Vorsteher Guy Parmelin, der sich damit «prophylaktisch dem medialen Druck gebeugt» (NZZ) und dadurch im Bestreben, den Ruf der Schweiz als Technologiestandort und neutraler Staat zu wahren, falsche Entscheidungen getroffen habe, so das Urteil der Medien. Die darauffolgende Blockade der Einzelausfuhrgesuche durch den Bundesrat verstiess nach Einschätzung der GPDel gegen Treu und Glauben, da keine rechtlichen Gründe gegen deren Bewilligung gesprochen hätten. Dazu veranlasst hatte den Bundesrat eine Strafanzeige gegen die Crypto International AG, die das Seco eingereicht hatte, weil es einen Verstoss gegen Deklarationspflichten des Güterkontrollrechts vermutete. Aus Sicht der GPDel entbehrte diese jedoch einer sorgfältig erstellten Faktenlage und Argumentation und war «kein geeignetes Mittel, um auf den Fall Crypto AG zu reagieren». Damit sei die Strafanzeige lediglich ein Versuch gewesen, «sich der politischen Verantwortung zu entledigen» und die Bewältigung des Falles der Justiz zu überlassen.
Am Ende des Berichts formulierte die GPDel zwölf konkrete Empfehlungen an die Bundesbehörden, was zur Bewältigung der Crypto-Affäre und zur Vermeidung ähnlicher Fehler in Zukunft getan werden soll. Diese enthielten sowohl konkrete Schritte wie die Bewilligung aller Ausfuhrgesuche der Crypto International AG und der Einstellung des Strafverfahrens gegen dieselbe als auch Massnahmen zur Verbesserung der Kommunikation innerhalb und zwischen den involvierten Bundesbehörden.

Crypto-Affäre

Nachdem der Nationalrat im zweiten Anlauf im Sommer 2020 doch noch auf das Geschäft eingetreten war, widmeten sich die eidgenössischen Räte in der Herbstsession der Differenzbereinigung beim Informationssicherheitsgesetz. Der Ständerat, der als Erstes an der Reihe war, zeigte sich in zwei Punkten nicht bereit, den Beschlüssen des Nationalrats zu folgen. Mit stillschweigender Zustimmung strich er erstens den von der Volkskammer eingefügten Absatz, dass der Bundesrat seine Ziele und die Kosten für die Informationssicherheit zwingend den sicherheitspolitischen Kommissionen zur Konsultation vorlegen muss, wieder aus dem Gesetz. Nach Ansicht der SiK-SR war diese Bestimmung überflüssig, was auch Bundesrätin Viola Amherd bekräftigte: Die Fachkommissionen könnten wie die Finanzkommission und die Finanzdelegation jederzeit verlangen, dass sie zu einem Thema konsultiert würden, und dieser Forderung werde immer nachgekommen. Zweitens hielt die Kantonskammer an ihrem Beschluss fest, dass die AHV-Nummer systematisch zur Personenidentifikation im Rahmen des Informationssicherheitsgesetzes verwendet werden darf. Eine Minderheit Zopfi (gp, GL) hatte beantragt, den Beschluss des Nationalrats zu übernehmen, dass die AHV-Nummer nur vorübergehend zur Erzeugung einer nicht zurückrechenbaren Personennummer verwendet werden darf, unterlag jedoch mit 31 zu 10 Stimmen bei einer Enthaltung klar. VBS-Vorsteherin Viola Amherd hatte dem Rat in Erinnerung gerufen, dass er im Juni der Änderung des AHV-Gesetzes zugestimmt habe, das den Behörden generell die systematische Verwendung der AHV-Nummer erlaube; es mache darum keinen Sinn, hier jetzt eine andere Regelung festzuschreiben. In den übrigen, redaktionellen Differenzen schloss sich der Ständerat stillschweigend dem Nationalrat an.
Die zwei vom Ständerat aufrechterhaltenen Differenzen waren anschliessend im Nationalrat hochumstritten. Während die Mehrheit der SiK-NR sich bereit erklärte, auf die ausdrückliche Erwähnung der Konsultationspflicht des Bundesrates zu verzichten, beantragte eine Minderheit Hurter (svp, SH) deren Beibehaltung. Es handle sich dabei um eine «Notbremse», um zu verhindern, dass die Kosten aus dem Ruder laufen, und er verstehe nicht, so Hurter, «warum Sie sich weigern, Informationen zu erhalten». Abgesehen von der geschlossenen SVP-Fraktion und drei Abweichlern aus der Mitte hielt die grosse Kammer diesen Passus jedoch für unnötig und strich ihn endgültig aus dem Gesetz. Während sich eine Minderheit Riniker (fdp, AG) für die systematische Verwendung der AHV-Nummer und damit die Bereinigung auch dieser Differenz starkmachte, wollte die Kommissionsmehrheit am Beschluss festhalten, dass die AHV-Nummer nur einmalig zur Erzeugung einer nicht zurückrechenbaren Identifikationsnummer verwendet werden darf und aus Gründen des Datenschutzes nachher gelöscht werden muss. Die Grundsatzfrage der systematischen Verwendung der AHV-Nummer durch alle Behörden solle im Rahmen der entsprechenden Revision des AHV-Gesetzes geklärt und nicht bereits hier vorweggenommen werden, argumentierte etwa Grünen-Sprecher Balthasar Glättli (gp, ZH). Äusserst knapp mit 90 zu 87 Stimmen bei 9 Enthaltungen erhielt die grosse Kammer diese Differenz aufrecht, womit sich der Ständerat noch einmal damit befassen muss.

Informationssicherheitsgesetz (BRG 17.028)

In der Herbstsession 2020 kam der Entwurf der GPK-NR zur parlamentarischen Initiative Joder (svp, BE), mit der Grundlagen für eine ausserordentliche Aufsichtsdelegation (AoDel) geschaffen werden sollen, in den Ständerat. Dort herrschte wesentlich breitere Skepsis vor als noch in der grossen Kammer, die das Geschäft mit lediglich 24 Gegenstimmen überwiesen hatte. Die vorberatende GPK-SR hatte sich bereits Ende Juni 2020 gegen das Anliegen ausgesprochen. Zwar hatte die Kommission zuerst noch Änderungen an der Vorlage diskutiert – insbesondere sollten die Beteiligungsrechte des Bundesrats nicht beschnitten werden –, kam jedoch dann zum Schluss, dass die derzeitige parlamentarische Oberaufsicht genüge und es keine weiteren Organe brauche.
Thierry Burkart (fdp, AG) erinnerte als Kommissionssprecher an die ursprüngliche Idee der parlamentarischen Initiative, nämlich die Konstituierung eines Organs, das mit den gleichen Rechten wie eine PUK – die überdies bestehen bleiben soll –, aber eben wesentlich schneller als diese eingesetzt werden könnte: «Kurzum, die ausserordentliche Aufsichtsdelegation hat faktisch die Funktion einer PUK, sie kann aber ohne ein hürdenreiches parlamentarisches Verfahren rasch und unkompliziert aktiviert werden.» Trotzdem habe sich die Mehrheit der Kommission gegen die Vorlage entschieden, so Burkart weiter. Das Parlament habe gemäss Verfassung grundsätzlich keine Aufsichtsaufgabe, sondern ihm obliege lediglich die Oberaufsicht – die (direkte) Aufsicht über die Verwaltung werde hingegen vom Bundesrat vorgenommen. Das sei ein wesentlicher Unterschied. In begründeten Ausnahmen stünden dem Parlament freilich Organe (die GPDel und die FinDel) und Institutionen (die PUK) zur Verfügung, mit denen es auch Aufsichtsaufgaben wahrnehmen und damit unter anderem Einsicht in Geheimbereiche erlange könne. Das Anrufen einer PUK sei zwar umständlich, die dafür notwendige Zeit sei aber eigentlich ein Vorteil, da «der skandalisierten und medial aufgeheizten Forderung nach schnellen Aufklärungsresultaten [...] behutsam und mit der Wahrung der notwendigen Seriosität begegnet werden» könne, so der Kommissionssprecher weiter. Da es keinen Grund für ein institutionalisiertes Misstrauen gegenüber dem Bundesrat gebe – auch wenn dessen Aufsicht zum Teil weniger gut gelinge, was aber in der Natur der Sache liege –, brauche es auch keine AoDel, weshalb die Kommissionsmehrheit für Nichteintreten plädiere. Heidi Z'graggen (cvp, UR), welche die Kommissionsminderheit vertrat und für Eintreten warb, argumentierte ebenfalls mit Vertrauen: Dieses werde vielmehr gestärkt, wenn auch die politische Kontrolle über die Exekutive – Bundesrat und Verwaltung – vergrössert werde. Dies sei nicht zuletzt auch im Sinne der Gewaltenteilung. Maya Graf (gp, BL), die ebenfalls für Eintreten plädierte, erinnerte daran, dass die letzte PUK vor 25 Jahren eingesetzt worden sei. Dies könnte man als erfreulich beurteilen. Im Wissen darum, dass in den letzten 25 Jahren verschiedene Vorkommnisse einer vertieften Untersuchung bedurft hätten, sei dies aber eben kein gutes Zeichen und zeige, wie notwendig die Möglichkeit einer besseren Kontrolle wäre. Eintreten hätte zudem den Vorteil, dass man die Vorlage Artikel für Artikel diskutieren und damit eine breitere Grundlage für die Entscheidung für oder gegen ein neues Organ schaffen könnte. Dies sah jedoch eine 25 zu 12-Stimmen-Mehrheit (1 Enthaltung) nicht als Vorteil an und beschloss Nicht-Eintreten. Damit ging das Geschäft zurück an den Nationalrat.

Stärkung der Geschäftsprüfungskommissionen (Pa.Iv. 15.451)

Im Dezember 2019 wurde der Bericht der 50. Legislaturperiode über die Tätigkeiten der Delegationen für die Beziehungen zu den Nachbarstaaten veröffentlicht. Der Bericht gab Auskunft über die Arbeitsbesuche der seit 2003 bestehenden Delegationen, die im Gegensatz zu «parlamentarischen Gruppen» über einen offiziellen Charakter verfügen. Die Delegationen für die Beziehungen zum Deutschen Bundestag, dem österreichischen Parlament, zum französischen Parlament, zum italienischen Parlament und zum Landtag Liechtenstein führten in der Legislaturperiode 2016-2019 allesamt mehrere Arbeitsbesuche in den jeweiligen Staaten durch und empfingen im Gegenzug die ausländischen Delegationen auch in der Schweiz.
Der Nationalrat nahm in der Herbstsession 2020 stillschweigend Kenntnis vom Bericht. Im Ständerat äusserte sich Carlo Sommaruga (sp, GE) zur Bedeutung der Delegationen, die durch die Pflege der bilateralen Beziehungen «parlamentarische Diplomatie» betrieben. Der parlamentarische Austausch habe in der vergangengen Legislaturperiode auch dazu beigetragen, die Funktionsweise der Schweizer Institutionen zu erklären. Dies sei insbesondere angesichts gewisser Entscheidungen (beispielsweise der Masseneinwanderungsinitiative) hilfreich gewesen, um heikle Fragen zu klären.

Bericht der 50. Legislaturperiode über die Tätigkeiten der Delegationen für die Beziehungen zu den Nachbarstaaten
Dossier: Bericht über die Tätigkeiten der Delegationen für die Beziehungen zu den Nachbarstaaten

Die Bekämpfung der Motion von Martina Munz (sp, SH), mit der die Schaffhauser Sozialdemokratin geschlechtergerechte Namen für Fachkommissionen gefordert hätte, führte Mitte Juni 2020 zur Abschreibung der Motion, weil sie während zweier Jahre nicht behandelt worden war. Der Bundesrat hätte den Vorstoss eigentlich zur Annahme empfohlen – eine Qualifikation, die normalerweise zu einer stillschweigenden Annahme in den Räten führt. Da das Begehren aber bekämpft worden war, hätte eigentlich eine Diskussion darüber stattfinden müssen. Dies geschah aber auch deshalb nicht, weil Natalie Rickli (svp, ZH), die die Motion ursprünglich bekämpft hatte, in der Zwischenzeit aus dem Rat ausgeschieden war, aber Christian Wasserfallen (fdp, BE) und Verena Herzog (svp, TG) die Bekämpfung übernommen hatten.

Geschlechtergerechte Namen für Fachkommissionen (Mo. 18.3119)

In der Sommersession 2020 beugte sich der Nationalrat, nachdem er bei seiner ersten Beratung im Frühling 2018 nicht auf das Geschäft eingetreten war, zum zweiten Mal über den Entwurf zum Informationssicherheitsgesetz (ISG). Die SiK-NR hatte in der Zwischenzeit die angeforderten Verbesserungsvorschläge vom VBS bezüglich der Kosten für öffentliche und private Unternehmen, zur verstärkten Kontrolle des Parlaments bei der Anwendung und Überwachung des Gesetzes, zur Abstimmung des ISG auf die Nationale Strategie zum Schutz der Schweiz vor Cyberrisiken sowie zur Möglichkeit, den Bereich Personensicherheitsüberprüfung in einen separaten Erlass auszulagern, erhalten und diskutiert. Sie beantragte ihrem Rat nun, auf die Vorlage einzutreten. Vertreterinnen und Vertreter sämtlicher Fraktionen ausser der SVP – deren Sprecher David Zuberbühler (svp, AR) das Gesetz als «umfangreiches und komplexes Bürokratiemonster» bezeichnete und die hohen Umsetzungskosten kritisierte – betonten unisono die dringende Notwendigkeit des Gesetzes im Zeitalter der Digitalisierung und sahen die Kosten angesichts des hohen Schadenspotenzials bei Cyberangriffen als verhältnismässig an. Auch Bundesrätin Viola Amherd hob hervor, dass die Kosten zur Umsetzung des ISG «im Verhältnis zu dessen Nutzen gering und gerechtfertigt» seien, denn das ISG werde «zahlreiche wesentliche Sicherheitslücken schliessen, Einheitlichkeit schaffen und gleichzeitig die Effizienz und Wirksamkeit der bestehenden Sicherheitsmassnahmen erhöhen». Nicht zuletzt sei auch die international tätige Wirtschaft auf das Gesetz angewiesen, da sich die entsprechenden Unternehmen sonst nicht mehr zertifizieren lassen und keine Aufträge im sicherheitsrelevanten Bereich mehr ausführen könnten; «das wäre dann der Schaden für die Wirtschaft, nicht die etwas vermehrten Kosten, die sich durch dieses Gesetz ergeben», so die VBS-Chefin weiter. So trat der Nationalrat diesmal ohne Gegenantrag auf die Vorlage ein.
In der Detailberatung schuf die grosse Kammer zwei Differenzen zum Ständerat. Erstens ergänzte sie auf Antrag ihrer Kommission einen Absatz, wonach der Bundesrat seine Ziele und die Kosten für die Informationssicherheit den sicherheitspolitischen Kommissionen vorlegen muss. Damit sollen diese auf jeden Fall zu einem allfällig geplanten Wechsel des Sicherheits-Ambitionsniveaus, das vom Bundesrat festgelegt wird, konsultiert werden, weil der Wechsel auf eine höhere Sicherheitsstufe beträchtliche Mehrkosten nach sich ziehen würde. Der Bundesrat hatte diese Änderung abgelehnt, weil sie angesichts der ohnehin umfassenden Kontrollrechte des Parlaments über den Bundesrat und die Verwaltung in seinen Augen überflüssig sei, unterlag mit diesem Antrag jedoch deutlich. Zweitens schloss sich der Nationalrat in der Frage der Verwendung der AHV-Nummer als Personenidentifikator wieder dem Entwurf des Bundesrats an, nachdem der Ständerat hier weiter gegangen war und die systematische Verwendung der AHV-Nummer hatte erlauben wollen. In der bundesrätlichen Version, für die sich die Kommissionsmehrheit stark gemacht hatte, darf die AHV-Nummer einmalig zur Personenidentifikation verwendet werden, muss nach der Erzeugung einer nicht zurückrechenbaren Personennummer aber gelöscht werden. Eine Minderheit Keller-Inhelder (svp, SG), die gar keine Verwendung der AHV-Nummer erlauben wollte, und eine Minderheit Flach (glp, AG), die den ständerätlichen Beschluss stützte, blieben chancenlos – letztere sogar, obwohl sich der Bundesrat mittlerweile ebenso für die systematische Verwendung der AHV-Nummer aussprach, weil diese mit einer Revision des AHV-Gesetzes sowieso eingeführt werden sollte. Mit diesen zwei inhaltlichen Änderungen sowie einigen redaktionellen Anpassungen übergab der Nationalrat die Vorlage in der Gesamtabstimmung mit 131 zu 53 Stimmen bei einer Enthaltung – sämtliche Opposition aus der SVP-Fraktion – wieder an den Ständerat.

Informationssicherheitsgesetz (BRG 17.028)

Nachdem der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Bericht der GPK-NR die Motion ausdrücklich begrüsst hatte, mit der eine Beratungs- und Anlaufstelle bei Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen in der Bundesverwaltung geschaffen werden soll, und auch die GPK-SR deren Überweisung beantragt hatte, war die stillschweigende Annahme im Ständerat in der Herbstsession 2020 keine Überraschung. Kommissionssprecherin Maya Graf (gp, BL) erinnerte vor dem Entscheid daran, dass es wichtig sei, eine Stelle zu haben, in der die nötige Expertise vorhanden sei, um heikle Fragen nach Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen in der Verwaltung zu klären. Bundeskanzler Walter Thurnherr betonte, dass der Bundesrat vorhabe, die bereits fachlich zuständigen Stellen – das Bundesamt für Justiz, das Eidgenössische Personalamt und die Bundeskanzlei – explizit als Anlaufstellen für Fragen zu Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen zu definieren.

Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen in der Bundesverwaltung (Mo. 19.4390)

Nachdem die SPK-SR einem Anliegen ihrer Schwesterkommission zur Klärung der Kompetenzen der Parlamentsdienste nicht Folgegeben wollte, der Nationalrat seine SPK-NR aber unterstützt hatte, kam das Anliegen in den Ständerat. In ihrem Bericht von Mitte Februar 2020 bekräftigte die SPK-SR ihren Entscheid, den sie mit 10 zu 2 Stimmen gefasst hatte. Sie sehe nach wie vor keinen Handlungsbedarf. Den Bedürfnissen des Parlaments werde mit den vorhandenen rechtlichen Bestimmungen genügend Rechnung getragen. Den berechtigten Punkt hinsichtlich der Anstellung von Kommissionssekretärinnen und -sekretären, die administrativ den Parlamentsdiensten unterstehen, aber Weisungen der Kommissionen zu befolgen haben, habe die Verwaltungsdelegation bereits aufgenommen. Bei Anstellungen von Sekretärinnen oder Sekretären würden neu die Kommissionspräsidien beigezogen. Dies entspreche dem Anliegen der parlamentarischen Initiative, der deshalb keine Folge zu geben sei.
Andrea Gmür-Schönenberger (cvp, LU) widersprach dem Kommissionssprecher Andrea Caroni (fdp, AR). Das «Dreiecksverhältnis von Kommissionssekretariaten, Parlamentsdiensten und Verwaltung» werfe immer wieder Fragen hinsichtlich Zuständigkeiten auf. Nicht nur die SPK-NR, sondern auch der Nationalrat habe dem Anliegen zudem einstimmig Folge gegeben. Man dürfe – «auch aus institutionellen Überlegungen» – der grossen Kammer nicht verbieten, Antworten zu finden auf eine Frage, bei der sie offensichtlich eben doch Handlungsbedarf sehe. Es gehe dabei auch um eine Stärkung der Unabhängigkeit der Kommissionen. Der Forderung der Luzernerin, der SPK-NR kein Arbeitsverbot aufzuerlegen, kam die kleine Kammer allerdings nicht nach: Mit 28 zu 12 Stimmen bei 3 Enthaltungen wurde der Vorstoss versenkt.

Klärung der Kompetenzen der Parlamentsdienste (Pa. Iv. 19.432)

Die Bundesverwaltung verfügt über zwei formelle Instrumente, um im Rahmen der Dienstaufsicht Untersuchungen anzuordnen: Mit der Administrativuntersuchung werden Sachverhalte geklärt und mit der Disziplinaruntersuchung wird abgeklärt, ob Dienstpflichtverletzungen durch Personen vorliegen. Bei den Untersuchungen zu den Hochseeschifffahrtsbürgschaften handelte es sich also um eine Administrativuntersuchung. Die GPK beider Räte hatten bei ihrer Inspektion dieser Untersuchung kritisiert, dass die für die Untersuchung zuständigen Amtsstellen, die EFK und das WBF, rechtliche Fragen nicht genügend geprüft hätten. Es seien schwerwiegende Defizite hinsichtlich Anordnung der Verfahren sowie der Kompetenz und der Unabhängigkeit des Untersuchungsorgans, aber auch hinsichtlich der Kommunikation zwischen den Amtsstellen festgestellt worden. Die GPK hatten aufgrund dieser Kritik dem Bundesrat empfohlen, eine Stelle einzurichten, die mit der notwendigen Expertise als Beratungs- und Anlaufstelle bei Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen fungieren solle.
Der Bundesrat wies darauf hin, dass die Bundeskanzlei (BK) und das Bundesamt für Justiz (BJ) diese Funktion bereits wahrnehmen würden und lehnte die Empfehlung deshalb ab.
Eine Mitte Juni 2019 veröffentlichte Evaluation der PVK zeigte jedoch auf, dass in den von ihr aus den total 217 zwischen 2003 und 2017 durchgeführten Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen ausgewählten Fällen nur äusserst selten die vom Bundesrat genannten Stellen mit Querschnittfunktion – neben der BK und dem BJ wurde auch das Eidgenössische Personalamt dazu gezählt – als Ressource oder Beratungsstelle genutzt wurden.
Dies zeige, dass Handlungsbedarf bestehe, so die GPK-NR. «Aufgrund der grossen Zurückhaltung des Bundesrates» zur Empfehlung wandle sie diese deshalb in eine Motion um, so die Begründung der Kommission für ihren Vorstoss. Der Bundesrat müsse laut dieser Motion nicht nur Stellen bezeichnen, die über die notwendige Expertise verfügen und bei Bedarf Rechtsauskünfte erteilen und Beratung anbieten, sondern er solle auch dafür besorgt sein, dass diese Querschnittstellen von den Amtsstellen, die mit Administrativ- oder Disziplinaruntersuchungen betreut werden, systematisch angegangen werden.
In der Frühjahrssession 2020 wurde die Motion im Nationalrat beraten. Weil der Bundesrat in der Zwischenzeit seine Zurückhaltung abgelegt und die Motion zur Annahme empfohlen hatte, geschah dies stillschweigend.

Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen in der Bundesverwaltung (Mo. 19.4390)

Darüber, dass der im Herbst 2019 gefällte Entscheid zur Erweiterung des Sachbereichs «Medien» zu «Medien und Medienvielfalt» Sinn mache, waren sich die Büros und Kommissionen im Grunde einig. Hingegen zeigte sich Uneinigkeit in Bezug auf die Frage, welche Kommission denn nun für diesen Sachbereich zuständig sei. Zu dieser Frage kam es, da der Bereich «Medienvielfalt» vor der Neuzuteilung in die Kompetenz der Staatspolitischen Kommission (SPK) fiel, während sich die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen (KVF) über viele Jahre mit dem Sachbereich «Medien» (Radio, Fernsehen und Internet) beschäftigt hatte – konkret seit 17 Jahren, als die KVF-NR 2003 das zu revidierende Radio- und Fernsehgesetz (RTVG) beriet, wie Edith Graf-Litscher (sp, TG) für das Büro ausführte. Nach Einbezug aller Fraktionspräsidentinnen und -präsidenten und der Konsultation der Kommissionen hatten die Büros beider Räte im September 2019 beschlossen, den fusionierten Sachbereich auf die 51. Legislatur der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen zuzuordnen.
Die SPK-NR zeigte sich nicht einverstanden mit dem Entscheid und wollte mit einer Motion das Büro des Nationalrates beauftragen, den Bereich «Medien und Medienvielfalt» der Staatspolitischen Kommission zuzuteilen, da sie die Zuteilung zur KVF als sachfremd erachtete. In der nationalrätlichen Debatte im Frühjahr 2020 zeigte sich das Büro-NR überrascht, dass die SPK-NR kurz nach dieser Neuregelung bereits wieder eine Anpassung verlangte, und begründete die Zuteilung zur KVF mit der gängigen Praxis: Neben den RTVG-Revisionen (2006, 2014) seien etwa auch die Service-public-Diskussionen in der KVF diskutiert und die No-Billag-Initiative von dieser behandelt worden, womit man sich grosses Fachwissen angeeignet habe. Die Vertreter der SPK-NR und der Sprecher einer unterstützenden Minderheit des Büro-NR argumentierten, dass Medienpolitik eine staatspolitische Kernaufgabe sei. Die aktuellen Entwicklungen in der Medienbranche würden viele staatspolitisch relevante Fragen in Zusammenhang mit der öffentlichen Meinungsbildung aufwerfen, so etwa, ob es den Medien mit den ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen auf Dauer noch gelingen werde, «den politischen Prozess in einem Umfang, in einer Vielfalt und in einer Qualität abzubilden, die für die direkte Demokratie noch auf der Höhe der Zeit sind», wie Kommissionssprecher Wermuth (sp, AG) ausführte. Mit 137 zu 42 Stimmen bei 9 Enthaltungen beschloss der Nationalrat auf Anraten einer Mehrheit des Büro-NR die Ablehnung der Motion. Unterstützende Stimmen fanden sich in allen Fraktionen, in erster Linie aber bei der SVP-, gefolgt von der SP- und der Mitte-Fraktion.

In wessen Zuständigkeitsbereich liegt die Medienpolitik? (Mo. 20.3007)

Mitte Februar 2020 gab auch die SPK-NR mit 15 zu 6 Stimmen der parlamentarischen Initiative Rieder (cvp, VS) Folge, mit der die Kombination von Lobbying und Kommissionsarbeit geregelt werden soll. Der Walliser Ständerat forderte ein Verbot für bezahlte Mandate von Organisationen, die von Regelungen betroffen sein könnten, für welche die Kommission der jeweiligen Abgeordneten zuständig ist. Die Übernahme von Mandaten gegen Entgelt könne die Unabhängigkeit von Parlamentsmitgliedern beeinträchtigen, argumentierte Rieder in der Begründung seiner Initiative. Zwar sei Lobbying in einem Milizparlament unvermeidlich und gar erwünscht, dass Organisationen aber mittels Bezahlung von Kommissionsmitgliedern auf die konkrete, sie betreffende Gesetzgebung Einfluss nehmen könnten, müsse verhindert werden. Rieder schwächte diese Forderung dann allerdings gleich selber wieder ab, indem er Ausnahmen für Mandate vorsehen wollte, die mit dem Hauptberuf eines Kommissionsmitglieds zusammenhängen, die bereits ein Jahr vor Einsitznahme in die Kommission ausgeübt worden sind und die nur minim – also maximal mit CHF 5'000 pro Jahr – entschädigt werden.
Die SPK-NR stimmte bei, dass seit dem Legislaturwechsel in der Tat ein eigentliches «Parlamentariershopping» zu beobachten sei: Organisationen würden gezielt Mitglieder rekrutieren, die in Kommissionen sässen, in denen wichtige Interessen dieser Organisationen tangiert würden. Die SPK-SR, die dem Vorstoss bereits im August 2019 mit 7 zu 2 Stimmen (2 Enthaltungen) mit der Begründung Folge gegeben hatte, dass die Kommissionsarbeit nicht zu einseitig von bestimmten Interessen dominiert werden dürfe, wird also eine Revision des Parlamentsgesetzes ausarbeiten.

Lobbying und Kommissionsarbeit (Pa.Iv. 19.414)
Dossier: Lobbyismus im Bundeshaus

Der auf eine parlamentarische Initiative Joder (svp, BE) zurückgehende Entwurf der GPK-NR, mit dem die Grundlagen für eine ausserordentliche Aufsichtsdelegation (AoDel) geschaffen werden sollen, kam in der Wintersession 2019 zur Beratung in den Nationalrat. Eine Minderheit Nantermod (fdp, VS) beantragte Nichteintreten. Der Walliser zitierte in seiner Begründung für seinen Antrag Montesquieu: «les lois inutiles affaiblissent les lois nécessaires». In der Tat sei der neue Entwurf nichts weiter als eine Verdoppelung eines Instruments, das kaum Anwendung finde und ausreichend sei – er spielte auf die PUK an, die weiterhin Bestand haben soll. Eine grosse Mehrheit der grossen Kammer von 170 zu 25 Stimmen (1 Enthaltung) war hingegen anderer Meinung. Die Fraktionssprecherinnen und -sprecher betonten, dass die geplante Aufsichtsdelegation rascher und effizienter handeln könne und so die Aufgabe der Oberaufsicht über die Geschäftsführung von Regierung und Verwaltung in der Tat wirkungsvoller werde.
In der Detailberatung scheiterte ein Minderheitsantrag Birrer-Heimo (sp, LU) klar, der verlangt hätte, dass die AoDel selber entscheiden könne, ob und wann sie einen von ihr verfassten Bericht veröffentlichen solle. Die Mehrheit (125 zu 71 Stimmen bei 1 Enthaltung) war der Meinung, dass die vier Kommissionen, welche die AoDel einsetzten (GPK-NR, GPK-SR, FK-NR und FK-SR), den Entscheid über eine Veröffentlichung fällen sollten. Der Bundesrat – vertreten durch Bundeskanzler Walter Thurnherr – beantragte, dass er bei der Untersuchung einer AoDel die gleichen Rechte erhalte wie bei einer PUK. Die Beiwohnung des Bundesrats bei Befragungen von Zeuginnen und Zeugen, die Möglichkeit, dabei Ergänzungsfragen zu stellen, sowie die Erlaubnis, Einsicht in Unterlagen, Gutachten und Einvernahmeprotokolle zu erhalten, wurde aber im Entwurf der GPK-NR explizit verweigert, mit der Begründung, dass die Regierung auch bei einer PUK nie von diesem Recht Gebrauch gemacht habe. Bundeskanzler Thurnherr, der betonte, dass der bisherige Verzicht kein Grund für die Verwehrung dieser Rechte sein könne, stand allerdings auf verlorenem Posten. Mit 196 zu 0 Stimmen (1 Enthaltung) folgte der Nationalrat in diesem Punkt mehr als deutlich seiner Kommission. In der Gesamtabstimmung wurde die unveränderte Kommissionsvorlage mit 172 zu 25 Stimmen an den Ständerat überwiesen – wie schon beim Eintretensentscheid opponierte die Mehrheit der FDP-Fraktion.

Stärkung der Geschäftsprüfungskommissionen (Pa.Iv. 15.451)