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Jahresrückblick 2019: Institutionen und Volksrechte

Der Bundesrat stand aus mindestens vier Gründen 2019 im Fokus der politischen Debatte. Zuerst gab die Departementsverteilung im Nachgang der Bundesratsersatzwahlen vom Dezember 2018, bei denen Doris Leuthard (cvp) und Johann Schneider-Ammann (fdp) durch Viola Amherd (cvp) und Karin Keller-Sutter (fdp) ersetzt worden waren, zu reden (vgl. auch den entsprechenden Peak bei der Medienberichterstattung). Nicht nur, dass mit Viola Amherd zum ersten Mal in der Geschichte der Schweiz eine Frau das VBS übernahm, sondern auch der Wechsel von Guy Parmelin ins WBF und von Simonetta Sommaruga ins UVEK wurden in den Medien diskutiert. Kommentiert wurde dabei insbesondere, dass die Verteilung offenbar erst nach einem Mehrheitsbeschluss innerhalb des Gremiums zustande gekommen war, was als schlechter Start und Herausforderung für die künftige Konkordanz interpretiert wurde. Mit der Wahl von zwei Frauen in die Landesregierung wurde der Debatte um die verfassungsmässige Festschreibung einer Frauenquote im Bundesrat der Wind aus den Segeln genommen. Ein entsprechender Vorstoss, der vom Ständerat noch angenommen worden war, wurde vom Nationalrat versenkt. Auch die Idee einer Karenzfrist, also das Verbot für ehemalige Magistratspersonen, Mandate von Unternehmen anzunehmen, die in Beziehung zu ihrem Regierungsamt stehen, wurde – wie schon 2015abgelehnt. Die Gesamterneuerungswahlen für den Bundesrat Ende Jahr lösten eine breite und medial stark begleitete Debatte um Zauberformel, Konkordanz, Systemstabilität und die Ansprüche der bei den Wahlen 2019 sehr erfolgreichen Grünen Partei auf einen Bundesratssitz aus. Die Mehrheit des Parlaments entschied sich, Regula Rytz, die Sprengkandidatin der Grünen, nicht anstelle von Ignazio Cassis in die Exekutive zu wählen.

Auch die Zusammenarbeit zwischen Regierung und Parlament war im Berichtjahr Gegenstand parlamentarischer Arbeit. Beraten wurde dabei insbesondere die Idee eines Verordnungsvetos. Die auf eine parlamentarische Initiative Aeschi (svp, ZG; Pa.Iv. 14.422) zurückgehende, 2014 eingereichte Idee sieht vor, dass ein Drittel der Mitglieder eines Rates gegen die Veröffentlichung einer bundesrätlichen Verordnung ein Veto einlegen kann, wenn die Stossrichtung der Verordnung nicht dem Willen des Parlaments entspricht. Während sich eine Mehrheit des Nationalrats davon eine präventive Wirkung erhoffte, lehnte die Mehrheit des Ständerats die Vorlage als zu kompliziert ab. Ein weiteres Mal abgelehnt wurde – ebenfalls nach längeren Diskussionen – die Idee einer Neuorganisation der Legislaturplanung. Das Parlament debattiert in schöner Regelmässigkeit seit der 2002 eingeführten Änderung, ob die Diskussionen um die zahlreichen Änderungsanträge an der Legislaturplanung zielführend seien. Der Antrag, die Planung wie vor 2002 einfach zur Kenntnis nehmen zu können und eben nicht als Bundesbeschluss behandeln zu müssen, stiess aber im Parlament erneut auf taube Ohren. Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass die Diskussion nach den eidgenössischen Wahlen 2019 erneut losgehen wird.

Im Nationalrat wurde 2019 die Frage erörtert, wie politisch die Verwaltung sei. Während eine Motion Bigler (fdp, ZH; Mo. 17.4127), die eine Offenlegung der Interessenbindungen von Kaderangestellten verlangt, von der grossen Kammer angenommen wurde, lehnte diese ein Postulat Burgherr (svp, AG; Po. 17.3423) ab, mit dem hätte untersucht werden sollen, wann und wie die Verwaltung effektiv politischen Einfluss ausübt. Dauerbrenner im Parlament waren auch 2019 Sparmassnahmen bei den Personalkosten in der Verwaltung. Diese sollten, wäre es nach dem Nationalrat gegangen, mit Hilfe von Digitalisierung oder durch einen Ausgabenstopp in den Griff bekommen werden – der Ständerat verweigerte aber jeweils seinen Segen dazu.

Im letzten Jahr der 50. Legislatur kam es im Parlament noch zu fünf Mutationen. Insgesamt wurden in der 50. Legislatur 26 Nationalrats- und zwei Ständeratsmandate ersetzt; rund ein Drittel der Mutationen war durch die SP-Fraktion zu verantworten. Das Büro-NR will sich in einem Bericht auf ein Postulat Feri (sp, AG; Po. 18.4252) der Vereinbarkeit der Parlamentsarbeit mit Familie und Beruf annehmen, einem Thema, das in den letzten Jahren immer virulenter zu werden scheint, wie verschiedene Vorstösse zeigen. Nicht einig wurde man sich in den Räten über verschiedene Spesenregelungen. Die SPK-NR entschloss sich deshalb, mit einer Kommissionsinitiative (Pa.Iv. 19.431) wenigstens die Übernachtungsentschädigungen einheitlicher zu organisieren. Diskutiert wurde im Parlament auch 2019 wieder über Regeln für transparenteres Lobbying. Die seit Langem schwelende Debatte, die spätestens 2015 mit der sogenannten «Kasachstan-Affäre» viel Fahrt aufgenommen hatte, wurde allerdings stark abgebremst: Fast wäre auch der letzte, ziemlich zahnlose Vorstoss in diese Richtung versandet, wenn nicht der nach den eidgenössischen neu zusammengesetzte Nationalrat den Nichteintretensentscheid auf einen Vorschlag der SPK-SR sozusagen in letzter Minute zurückgenommen hätte.

Etwas stärker in den Fokus als auch schon geriet 2019 die Judikative, was sich auch in der Medienkonjunktur zu diesem Thema zwischen März und September 2019 beobachten lässt. Dies hatte einerseits damit zu tun, dass im Nationalrat über die Revision des ziemlich umstrittenen Bundesgerichtsgesetzes debattiert wurde – insbesondere die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird wohl auch 2020 noch zu reden geben, auch wenn der Ständerat kurz vor Ende Jahr beschloss, nicht auf die Vorlage einzutreten. Andererseits standen einige Ersatzwahlen an, die jedoch in aller Regel geräuschlos über die Bühne gehen. Beinahe wäre jedoch eine Ersatzwahl ans Bundesgericht zur Ausnahme dieser Regel geworden, da die GK entgegen den Gepflogenheiten nicht die am stärksten untervertretene SVP, sondern die CVP berücksichtigte, was beinahe zu einer noch nie vorgekommenen Kampfwahl geführt hätte. Dafür, dass das Gerichtswesen auch in Zukunft im Gespräch bleibt, wird wohl auch die 2019 zustande gekommene Justizinitiative sorgen, die vorschlägt, oberste Richterinnen und Richter per Losverfahren zu bestimmen, um eben diese starke, dem Proporzgedanken geschuldete Verbindung zwischen Judikative und Parteien zu verhindern. Viel zu schreiben gab zudem die Bundesanwaltschaft. Nach langen und stark medial begleiteten Diskussionen zu einer Disziplinaruntersuchung um den amtierenden Bundesanwalts Michael Lauber wurde dieser erst nach einer Verschiebung der Wahl von der Sommer- in die Herbstsession und äusserst knapp für eine dritte Amtsperiode bestätigt.

Im Wahljahr 2019 trat die Nutzung der direkten Demokratie ein wenig in den Hintergrund. An zwei Abstimmungswochenenden wurde lediglich über drei Vorlagen abgestimmt. Dabei folgte die Mehrheit der Stimmbevölkerung sowohl bei den beiden Referenden (STAF und Waffenschutzrichtlinie) als auch bei der Zersiedelungsinitiative der Empfehlung von Parlament und Bundesrat. Die Ablehnung der Zersiedelungsinitiative bedeutet zudem, dass in der 50. Legislatur kein einziges Volksbegehren Erfolg hatte. Die wahlbedingte Abstimmungspause wird wohl in den folgenden Jahren zu einigen Abstimmungswochenenden mit mehreren Vorlagen führen, sind doch Ende 2019 ganze 16 Volksinitiativen im Unterschriftenstadium und 19 abstimmungsreif oder beim Bundesrat oder im Parlament in Beratung. Dafür, dass in Zukunft die direkte Demokratie umfassender genutzt werden könnte, sorgte das Parlament zudem mit seiner Entscheidung zur Kündigung von Staatsverträgen, die zukünftig nicht mehr dem Bundesrat, sondern der Legislative und im Falle eines Referendums der Stimmbevölkerung obliegt. Eines der anstehenden Volksbegehren ist die Transparenzinitiative, für die die SPK-SR 2019 einen indirekten Gegenentwurf in die Vernehmlassung gab, mit dem die Offenlegung der Finanzierung von Wahl- und Abstimmungskampagnen im Gesetz geregelt werden soll und der in der Wintersession vom Ständerat mit Anpassungen gutgeheissen wurde.

Einen herben Dämpfer erlitt 2019 die Idee des elektronischen Wählens und Abstimmens. Nachdem der Kanton Genf bereits Ende 2018 sein E-Voting-System eingestellt hatte und das System der Post in einem öffentlich ausgeschriebenen Stresstest den Anforderungen nicht standgehalten hatte, bestanden keine brauchbaren technischen Angebote mehr für die effektive Durchführung von «Vote électronique». Daher entschied sich der Bundesrat, sein Ziel, E-Voting als ordentlichen Stimmkanal einzuführen, vorläufig zu sistieren. Gegenwind erhielt der elektronische Stimmkanal zudem von einer Anfang 2019 lancierten Volksinitiative für ein E-Voting-Moratorium. Immerhin entschied sich der Nationalrat für eine Motion Zanetti (svp, ZH; Mo. 19.3294) mit dem Ziel, die Abstimmungsunterlagen elektronisch zustellen zu können.

Jahresrückblick 2019: Institutionen und Volksrechte
Dossier: Jahresrückblick 2019

Eine Folge der eidgenössischen Wahlen 2019, die einen massiven Wahlgewinn der Grünen und eine Niederlage der Polparteien mit sich gebracht hatten, waren die virulenten Diskussionen um die Zusammensetzung und die Bestellung des Bundesrats. Auf der einen Seite wurde eine neue Zauberformel gefordert. Das Parlament müsse bei der Bestellung der Regierung rascher auf Veränderungen reagieren können. Auf der anderen Seite wurden Reformen gefordert, die eine Erhöhung der Zahl der Regierungsmitglieder, Koalitionsverhandlungen oder einen eigentlichen Systemwechsel weg von der Konkordanzidee vorsahen.

Die Zauberformel, die 1959 mit der Idee eingeführt worden war, dass die drei grössten Parteien je zwei und die viertgrösste Partei einen Sitz erhalten soll, wurde durch die aktuellen Wahlresultate gleich mehrfach in Frage gestellt. Jahrzehntelang passte die Formel gut zu den Kräfteverhältnissen, weil die FDP, die CVP und die SP bei den Nationalratswahlen jeweils mehr als 20 Prozent Wähleranteile hinter sich wussten und die SVP auf jeweils etwas mehr als zehn Prozent zählen konnte. Eine erste Verschiebung der Kräfteverhältnisse führte 2003 zu einem Sitzwechsel von der CVP zur SVP. Nach einer durch die Nichtbestätigung von Christoph Blocher 2007 beginnenden Übergangsphase, während der CVP, SVP und BDP je einen Sitz hatten, kehrte man mit der Wahl von Guy Parmelin im Jahr 2015 wieder zu dieser 2-2-2-1-Verteilung zurück – neu mit der CVP als Juniorpartner. War diese Verteilung freilich schon 2015 hinterfragbar, geriet sie 2019 vollends in die Kritik, weil mit der SVP nur noch eine Partei über 20 Prozent Wähleranteil verfügte (25.6%), aber vier Parteien neu über 10 Prozent lagen: Die SP mit 16.8 Prozent, die FDP mit 15.1 Prozent, die Grünen mit 13.2 Prozent und die CVP mit 11.4 Prozent. Diese Verteilung liess Raum für zahlreiche Rechenspiele, die in den Medien für viel Gesprächsstoff sorgten und die Diskussionen im Vorfeld der Bundesratswahlen anheizten.

Eine neue Zauberformel wurde natürlich insbesondere von den Gewinnerinnen und Gewinnern der eidgenössischen Wahlen 2019 gefordert. Die Frage war freilich, auf wessen Kosten die Grünen einen Bundesratssitz erhalten sollten. Wahlweise vorgeschlagen wurde, dass die CVP als neu kleinste Partei verzichten müsse. Aber auch die FDP und die SP hätten eigentlich – je nach Berechnung – keinen Anspruch auf zwei Sitze. Die GP selber forderte – unterstützt von der SP – den Sitz von FDP-Bundesrat Ignazio Cassis. Mediale Aufmerksamkeit erhielt ein Vorschlag von Christoph Blocher, der eine Proporz-Zusammensetzung vorschlug, die der SVP zwei Sitze und allen anderen Parteien inklusive der GLP (die bei den Wahlen auf 7.8% Wähleranteil gewachsen war) je einen Sitz zugestand. Freilich wurde in der Diskussion auch die Frage laut, ob für die Berechnung der Zusammensetzung lediglich die Wählerprozente, also nur die Zusammensetzung des Nationalrats, oder nicht vielmehr die Sitzverteilung in National- und Ständerat herangezogen werden müssten. Auf der Basis der totalen Anzahl Sitze aus beiden Kammern wäre die CVP (total 38 Sitze) wiederum stärker als die GP (total 33 Sitze), was für den Status Quo sprechen würde.
Eine Erweiterung der Diskussion wurde durch die Überlegung geschaffen, nicht Parteien, sondern Blöcke zu betrachten. Die NZZ schlug vor, den Polen – bestehend aus SVP auf der einen und SP zusammen mit den Grünen auf der anderen Seite – je zwei Sitze und den Parteien in der Mitte (FDP, CVP und allenfalls GLP) drei Sitze zuzusprechen. Wenn die Grünen einen Sitz erhielten und die SP ihre beiden Sitze behalten würde, dann wäre das linke Lager, das kumuliert auf rund 30 Prozent Wählerstärke komme, stark übervertreten, so die Argumentation der NZZ.

Als Problem für eine flexiblere Gestaltung der Regierungszusammensetzung wurde zudem die variable Amtszeit der Bundesrätinnen und Bundesräte ausgemacht. Würde die Amtszeit eines Regierungsmitglieds auf acht Jahre fixiert – inklusive der Verpflichtung, nicht freiwillig vor Ablauf dieser Zeit zurückzutreten – ergäben sich bei jeder Gesamterneuerungswahl Vakanzen, die eine Neuausrichtung der parteipolitischen Zusammensetzung des Bundesrats vereinfachen würden, schlug CVP-Parteipräsident Gerhard Pfister (cvp, ZG) als weitere – schon etwas ältere – Idee vor.

Ein weiteres, medial diskutiertes Problem der starren 2-2-2-1-Zauberformel war die Repräsentativität des Bundesrats. Wurden 1959 durch die vier Regierungsparteien noch 85 Prozent der Wählerschaft (gemessen anhand der Wählerprozente bei den Nationalratswahlen) repräsentiert, sank dieser Wert aufgrund der zunehmenden Volatilität, aber auch aufgrund der Ausdifferenzierung des Parteiensystems 2019 erstmals unter 70 Prozent (68.9%). Die «formule magique» verliere ihre Magie, urteilte die Zeitung Le Temps auf Basis dieser Zahlen. In der Regierung müsse sich der Wille der Wählenden unmittelbar niederschlagen; wer fordere, dass die Grünen ihren Wahlerfolg in vier Jahren noch einmal bestätigen müssten, um einen Anspruch auf Einbindung in die Regierung zu haben, sei deshalb «ein schlechter Demokrat», urteilte der Tages-Anzeiger. Letztlich seien es «nicht die Wahlprozente, sondern die Mandatsträger im National- und im Ständerat», welche über die Regierungszusammensetzung entschieden. Dies sei «die eigentliche Machtarithmetik der Bundesratswahlen», kommentierte der emeritierte Historiker Urs Altermatt in der NZZ.

Als Alternative zu einer neuen Zauberformel und als Möglichkeit einer besseren Repräsentation wurde eine weitere alte Idee hervorgekramt: die Erhöhung der Zahl der Regierungsmitglieder auf neun. Zwar waren in der Vergangenheit zahlreiche Vorstösse für eine Umsetzung dieser Idee gescheitert – etwa im Rahmen der Staatsleitungs- und Regierungsreform zu Beginn des Jahrtausends, aber auch bei Debatten zu einzelnen Reformvorschlägen –, die elf Prozent Wähleranteil, die rein arithmetisch bei neun Sitzen für einen Bundesratssitz reichen würden, würden aber ermöglichen, dass die Grünen einen Sitz erhielten, ohne dass die CVP einen Sitz abgeben müsste, so ein Argument in der Aargauer Zeitung. Insbesondere Christian Levrat (sp, FR) machte sich in den Medien für die Erhöhung der Anzahl Regierungsmitglieder stark. Damit könne nicht nur dem Anspruch der Grünen genüge getan werden, so der SP-Parteipräsident, sondern es sei auch nicht mehr zeitgemäss, lediglich sieben Minister zu haben. Dies sei weltweit fast einmalig wenig.

Weitere Vorschläge stellten die Idee der Konkordanz grundsätzlich in Frage. Nicht die wichtigsten Kräfte sollten in der Regierung vertreten sein, stattdessen müsse man ein Oppositionssystem einführen, in welchem wahlweise eine Mitte-Rechts- oder eine Mitte-Links-Regierung einer linken oder rechten Opposition gegenüberstehe, so ein Vorschlag im Tages-Anzeiger. Auch die Idee, dass Parteien mit programmatischen Koalitionsvorschlägen für die Regierung kandidieren könnten, würde das bestehende Konkordanzsystem verändern. Man müsse aber in der Tat mehr über politische Inhalte als bloss über Formeln sprechen, forderte die Aargauer Zeitung.

Man komme wohl in Zukunft nicht darum herum, die Regierungszusammensetzung nach jeden Gesamterneuerungswahlen neu zu diskutieren, folgerte der Tages-Anzeiger. Freilich steht die Konkordanz und die Zusammensetzung der Regierung schon seit einigen Jahren und stets bei Bundesratswahlen zur Diskussion, nur um dann für die nächsten vier Jahre wieder aus dem Fokus der Medien zu verschwinden. Um ebendies nach den Bundesratswahlen 2019, die hinsichtlich Regierungszusammensetzung trotz aller Reformdiskussionen den Status Quo zementierten, zu verhindern, schlug Gerhard Pfister einen «Konkordanzgipfel» vor, wie ihn die Medien betitelten: «Wir müssen die Zauberformel im Bundesrat, die Konkordanz in der Landesregierung, neu erfinden», gab Pfister im Sonntags-Blick zu Protokoll. Es gehöre zum Schweizer System, dass man gemeinsam nach Lösungen suche, begrüsste GLP-Parteipräsident Jürg Grossen (glp, BE) die Initiative der CVP. Alle Parteien waren sich einig, dass die Regeln den zunehmend volatiler werdenden Wahlresultaten angepasst werden müssen. Wie diese Anpassung auszusehen hat, blieb hingegen naturgemäss umstritten.

Reformideen im Nachgang der Bundesratswahlen 2019

Die Vereinigte Bundesversammlung hatte in der Wintersession 2019 eine Ersatzwahl ans Bundesverwaltungsgericht vorzunehmen. Zwar hatte sich das Parlament selber die Vorgabe gemacht, am BVGer ausscheidende Richterinnen und Richter so lange nicht zu ersetzen, bis nur noch 65 Vollzeitstellen besetzt sind – um die Zahl hängiger Asylrekurse abzubauen, hatte die Legislative 2017 eine Aufstockung auf 69 Vollzeitstellen beschlossen, die nach August 2019 wieder hätten abgebaut werden sollen. Allerdings zeichnete sich mit aktuellen und angekündigten Rücktritten eine Knappheit an französischsprachigen Richterinnen und Richtern ab, was Marianne Ryter (sp), Präsidentin des BVGer, zum Anlass nahm, bei der GK zu insistieren. Diese hiess entsprechend die Ausschreibung einer Stelle für eine Richterin oder einen Richter mit französischer Muttersprache trotz eigentlich beschlossenen Anstellungsstopps gut.
Aus den eingegangenen sechs Bewerbungen entschied sich die GK für Deborah D'Aveni, die bereits als Gerichtsschreiberin am BVGer tätig ist und der am Verwaltungsgericht untervertretenen SP angehört. Mit 212 von 234 eingelangten Stimmen wurde D'Aveni gewählt. 22 Stimmzettel waren leer geblieben.

Ersatzwahl am Bundesverwaltungsgericht

Aufgrund des Rücktritts von Andreas Brunner (sp) und Bernard Abrechts (sp) Wahl zum ordentlichen Richter ans Bundesgericht im Sommer 2019, wurde in der Wintersession 2019 die Wahl zweier nebenamtlicher Gerichtspersonen ans Bundesgericht nötig. Es bestand Bedarf an zwei Personen mit französischer Muttersprache und Kenntnissen im Zivilrecht. Die GK empfahl Sarah Bechaalany und Yann Hofmann zur Wahl.
Mit 28 Jahren wurde Bechaalany mit 199 von 234 eingelangten Stimmzetteln (4 wurden leer eingereicht und auf 31 standen andere Namen) zur jüngsten Bundesrichterin aller Zeiten gewählt. Weil sie der am BGer untervertretenen grünen Partei angehört, kommentierte die Sonntagszeitung, dass die grüne Welle nach den Wahlen nun auch die Judikative erreicht habe. Nicht nur die GP, sondern auch die CVP war am BGer untervertreten, wogegen die Kandidatur von Hofmann wirken sollte, der den Christdemokraten angehört und dessen Name auf 230 von 234 eingelangten Wahlzetteln stand (4 leere Wahlzettel).

Wahlen ans Bundesgericht

Mit dem Ordnungsantrag der Sozialdemokratischen Fraktion, die Wahl des Präsidiums und des Vizepräsidiums am Bundesstrafgericht zu verschieben, wurden Richterwahlen nach der umstrittenen Ersatzwahl ans Bundesgericht im Sommer bereits zum zweiten Mal im Jahr 2019 entgegen der normalen Routine zu einem stark debattierten Geschäft. Die Sprecherinnen und Sprecher aller Fraktionen – mit Ausnahme der GLP-Fraktion – meldeten sich vor der Abstimmung über den Ordnungsantrag der SP-Fraktion zu Wort. Zwei Elemente wurden in den Voten hervorgehoben: Erstens wurde kritisiert, dass sowohl die für die Wahl zur BStGer-Präsidentin vorgeschlagene aktuelle Vizepräsidentin Sylvia Frei als auch der für die Wahl zum BStGer-Vizepräsidenten vorgeschlagene aktuelle Präsident Stephan Blättler der SVP angehören, und zweitens stiess man sich daran, dass beide deutschsprachig waren. Bereits bei ihrer ausserordentlichen Wahl zu Präsident und Vizepräsidentin in der Frühjahrssession 2019 hatten diese beiden Umstände zu reden gegeben und die GK hatte damals betont, dass dies nur eine vorübergehende Lösung sein könne. Nun habe aber das BStGer mit grosser Mehrheit (16 der 19 anwesenden Richterinnen und Richter) der GK den Antrag gestellt, das damals gewählte Präsidium für die Amtsperiode 2020-2021 zu bestätigen, so die GK in ihrem Bericht. Im Dreiergremium werde zudem mit Olivier Thormann ab 2020 ein französischsprachiges FDP-Mitglied sitzen – mit Andrea Blum fand sich aktuell ein drittes deutschsprachiges SVP-Mitglied im Gerichtspräsidium. Die GK bedauere zwar «ausserordentlich», dass das Gericht nicht auf ihre Kritik bezüglich einer zu einseitigen Auswahl eingegangen sei. In Anbetracht der starken Gerichtsmehrheit, die den Antrag stütze, und weil es keine anderen Kandidaturen gebe, schlage sie Frei und Blättler trotzdem zur Wahl vor. Die Nichtberücksichtigung der Mehrsprachigkeit und die einseitige Parteivertretung wurde von allen Fraktionssprecherinnen und -sprechern – mit Ausnahme von Thomas Aeschi (svp, ZG) – angeprangert. Zu reden gab freilich noch ein zweites Element. Tags zuvor war nämlich in der Aargauer Zeitung über einen «Sittenzerfall in Bellinzona» berichtet worden. Die Gerichtsleitung des Bundesstrafgerichts leiste einer «Privilegien- und Günstlingswirtschaft» Vorschub, gegen die sich niemand zu wehren traue. Die «Dominanz einer Partei, der SVP», habe dafür gesorgt, dass die Gewaltenteilung nicht mehr eingehalten würde. Die Zeitung zitierte einen Kritiker mit folgenden Worten: «Wir machen uns ernsthaft Sorgen um die Institution. Die Unabhängigkeit des Gerichts ist nicht mehr gegeben.» Eben diese Sorge um die Institution wurde auch in den Fraktionsvoten zum Ausdruck gebracht. Während die einen dafür plädierten, den Problemen vor der Wahl nachgehen zu müssen und diese deshalb verschieben zu wollen, warnten die anderen davor, das BStGer bei einer Verschiebung führungslos zu lassen. Das Prozedere rund um den Ordnungsantrag führte dazu, dass die Wahlen noch stärker in die Länge gezogen wurden, mussten doch die Ständerätinnen und -räte, die für die Vereinigte Bundesversammlung jeweils an der Rückwand des Nationalratssaals Platz nehmen, einzeln durch Zuruf Stellung nehmen, während die Nationalrätinnen und -räte elektronisch abstimmen konnten. Den Ordnungsantrag der SP-Fraktion unterstützten 94 vorwiegend links-grüne Mitglieder (14 aus dem Ständerat und 80 aus dem Nationalrat), dagegen sprachen sich 140 Mitglieder (30 aus dem Ständerat und 110 aus dem Nationalrat) aus.
Bei der anschliessenden Wahl fielen dann die zahlreichen leeren Stimmen auf. Sylvia Frei wurde mit 117 von 234 eingelangten Stimmen gewählt, wobei deren 116 leer blieben und 1 ungültig war. Auf Stephan Blättler entfielen 119 von 120 gültigen Stimmen. Bei ihm waren von den 234 eingelangten Stimmzetteln 114 leer geblieben und einer enthielt einen anderen Namen. In den Medien wurde kommentiert, dass die Vorkommnisse in Bellinzona nun wohl genauer unter die Lupe genommen würden.

Präsidium und Vizepräsidium am Bundesstrafgericht
Dossier: Unabhängigkeit der Judikative

Im Spätherbst 2019 reichten die RK-NR (Mo. 19.4377) bzw. die RK-SR (Mo. 19.4391) zwei gleichlautende Motionen ein, mit denen eine Änderung der Unvereinbarkeitsbestimmungen am Bundesstrafgericht gefordert wurde. Die bisherige Unvereinbarkeitsregelung sieht vor, dass nebenamtliche Richterinnen und Richter am BStGer Dritte an keinem anderen Gericht vertreten dürfen. Die beiden RK sahen diese Regelung als zu streng an und wollten diese Regel nur noch für das Strafgericht selber anwenden. Damit erhofften sich die beiden Kommissionen auch, dass mehr Bewerbungen von Kandidierenden für nebenamtliche Gerichtsposten eingehen, die mit einer Einschränkung der bestehenden Regeln weiterhin als Anwältinnen oder Anwälte tätig sein könnten.
Der Bundesrat beantragte ohne inhaltliche Stellungnahme die Annahme der Motion und im Nationalrat wurde der Vorstoss denn auch stillschweigend angenommen.

Änderung der Unvereinbarkeitsbestimmungen am Bundesstrafgericht (Mo. 19.4377)

Nach den Erfolgen sowohl in den National- als auch in den Ständeratswahlen 2019 forderten die Grünen in den darauffolgenden Bundesratswahlen einen Bundesratssitz. Zwar hatte Parteipräsidentin Regula Rytz (gp, BE) am Wahlsonntag der eidgenössischen Wahlen auf eine klare Aussage dazu verzichtet und lediglich angemerkt, dass die Verteilung der Bundesratssitze nicht mehr passe. Am 22. November 2019 gab Rytz jedoch ihre Kandidatur für die Bundesratswahlen offiziell bekannt. Man habe so lange mit dem Entscheid gewartet – die Ankündigung von Rytz kam fast einen Monat nach den Nationalratsergebnissen und drei Wochen vor den Bundesratswahlen –, da man in Gesprächen mit den anderen Parteien die Wahlchancen abzuschätzen versucht habe, erklärte Rytz gegenüber dem Tages-Anzeiger. Diese Gespräche seien positiv verlaufen, woraufhin die Grünen den FDP-Sitz von Ignazio Cassis angriffen. Die FDP sei im Bundesrat rechnerisch übervertreten, weshalb Rytz eine neue Zauberformel vorschlug, gemäss der die beiden grössten Parteien SP und SVP je zwei Sitze und FDP, CVP und die Grünen je einen Sitz haben sollten. Rytz betonte die Dringlichkeit einer Fortsetzung der Klimaschutzdiskussionen und die entsprechende Unterstützung in der Stimmbevölkerung. Aus diesem Grund sei der Anspruch der Grünen auf einen Bundesratssitz gerechtfertigt, obwohl mit Ignazio Cassis ein Vertreter einer sprachlichen Minderheit angegriffen werde. Man könne – so Rytz – nicht alle Ansprüche befriedigen.
Die Zeitungen kommentierte diese verspätete Kandidatur von Rytz und ihren Start in den Bundesratswahlkampf als misslungen. Die NZZ begründete die späte Bekanntgabe damit, dass Rytz ihrer Ständeratskandidatur Priorität eingeräumt habe und folglich bei einer Wahl in den Ständerat auf die Bundesratskandidatur verzichtet hätte. Stattdessen hätte sich Rytz aus dem Ständeratsrennen nehmen und sich auf die Bundesratswahl konzentrieren müssen – war sich die Presse einig. Als entsprechend klein schätzten sie auch ihre Chancen, gewählt zu werden, ein, betonten dabei aber vor allem die entscheidende Rolle der GLP-Fraktion auf einer Seite und der CVP-EVP-BDP-Fraktion auf der anderen Seite.

Am Tag der Wahl stellte sich neben den Grünen nur die Sozialdemokratische Fraktion offiziell hinter die Forderung, die Zauberformel zu ändern und die grüne Kandidatin Regula Rytz zulasten von FDP-Bundesrat Ignazio Cassis zu unterstützen. Im Rahmen der parlamentarischen Debatte betonte SP-Fraktionspräsident Roger Nordmann (sp, VD), dass die Zusammensetzung des Bundesrates mit einer Mehrheit von je zwei Bundesratssitzen der FDP und der SVP aufgrund der Wahlerfolge der Grünen nicht mehr repräsentativ sei für die Schweiz und das Parlament. Keine Unterstützung erhielt Rytz von den übrigen Parteien. Die Grünliberale Fraktion entschied sich zwar für Stimmfreigabe, was für einigen Unmut bei den Grünen sorgte. Einige GLP-Mitglieder äusserten sich diesbezüglich im Tages-Anzeiger und erklärten, dass sie sich eine gemeinsame Strategie mit den Grünen für einen Bundesratssitz gewünscht hätten. Absprachen diesbezüglich hätten jedoch nicht stattgefunden. Auch von der CVP-Fraktion erfuhren die Grünen keine Unterstützung, diese gab an, Ignazio Cassis zu unterstützen. Nach den Wahlen äusserte sich Balthasar Glättli im Sonntags-Blick kritisch gegenüber der CVP und stellte in Aussicht, dass die Grünen zukünftig auch den Sitz von Viola Amherd angreifen könnten, falls die CVP keinen Beitrag zu einer griffigeren Klimapolitik leiste. Da auch die FDP- und die SVP-Fraktion Ignazio Cassis unterstützten, setzte sich dieser mit 145 Stimmen durch. Regula Rytz erhielt 82 Stimmen, 11 Stimmen entfielen auf Verschiedene.

Im Zusammenhang mit der Forderung der Grünen nach einem Bundesratssitz berichteten die Medien ausgiebig über eine neue Zauberformel und somit über eine neue Zusammensetzung des Bundesrates. In einem Interview schlug SP-Parteipräsident Christian Levrat (sp, FR) vor, den Bundesrat auf neun Mitgliedern zu erweitern; dies gäbe mehr Spielraum, um die grossen Parteien angemessen in die Regierung zu integrieren, die Regionen wären besser vertreten und die Bundesräte würden entlastet. Altbundesrat Christoph Blocher schlug stattdessen vor, dass sowohl die SP als auch die FDP zukünftig nur jeweils einen Sitz haben und stattdessen auch die Grünen und Grünliberalen je einen Sitz erhalten sollten (sogenannte Formel Christoph Blocher: 2-1-1-1-1-1).

Forderung der Grünen um einen Bundesratssitz

Mitte September 2019 verfügte die Bundeskanzlei, dass die Justiz-Initiative mit 130'100 gültigen Unterschriften zustande gekommen sei. Bereits Ende Mai hatte die Urheberschaft, ein Komitee rund um den Unternehmer Adrian Gasser bekannt gegeben, genügend Unterschriften gesammelt zu haben, sie aber erst im August einreichen zu wollen. Die Frist wäre offiziell noch bis zum 15. November gelaufen.
Die Initiative will die Judikative weniger abhängig vom Parlament machen. Richterinnen und Richter sollen nicht mehr aufgrund von Parteienproporz von der Vereinigten Bundesversammlung gewählt, sondern nach einem Eignungsverfahren per Los bestimmt werden.
Kritiker der Initiative wendeten sich nicht nur gegen das Losverfahren, das nicht der demokratischen Tradition der Schweiz entspreche, sondern auch gegen die implizit mit dem Begehren verknüpfte Idee, dass Richterinnen und Richter «politische Eunuchen» seien – so etwa die Weltwoche. Mit der Abwendung vom System des Parteienproporzes bestehe die Gefahr, dass sich Richterinnen und Richter noch stärker von der Öffentlichkeit abschotteten. Ob man das wolle oder nicht, Gerichtsvorsitzende verfügten über politischen Einfluss, weshalb es richtig sei, alle weltanschaulichen Ansichten an den eidgenössischen Gerichten möglichst angemessen einzubinden. Dass Richterwahlen aber auch im alten System durchaus umstritten sind, zeigten etwa die Diskussionen um die Kritik der SVP an einem ihrer Bundesrichter und die umstrittene Wahl einer CVP-Richterin ans Bundesgericht – so der Tages-Anzeiger. Auch wenn die Initiative wohl zu radikal sei: Eine Reform des Systems, etwa im Hinblick auf die umstrittenen Parteisteuern, welche Richterinnen und Richter ihren Parteien abzugeben hätten, oder auch hinsichtlich der Wiederwahl, der sich einmal gewählte Richterinnen und Richter regelmässig stellen müssten, müsse aber durchaus besprochen werden – befand die Zeitung «Le Temps». In den Medien wurde zudem diskutiert, dass Gasser – laut St. Galler Tagblatt einer der «300 Reichsten des Landes» – wohl rund eine Million Franken in die Unterschriftensammlung investiert habe.
Ende November nahm der Bundesrat zur Initiative Stellung. Er lehne sie ohne Gegenvorschlag oder Gegenentwurf ab und werde dies in seiner Botschaft begründen. Gewisse Fragen, die mit dem Begehren aufgebracht werden, sollten aber losgelöst von der Initiative «diskutiert und nötigenfalls angegangen» werden, so die Landesregierung in ihrer Medienmitteilung.

Justizinitiative (BRG 20.061)
Dossier: Unabhängigkeit der Judikative
Dossier: Justizinitiative

An ihrer ersten Delegiertenversammlung nach den eidgenössischen Wahlen 2019 feierte die Grüne Partei in Bern vor allem ihre grossen Wahlerfolge. Noch nie habe eine Partei derart zugelegt wie die Grünen. Mit durchschnittlich 46 Jahren seien die Grünen die jüngste Fraktion und der Frauenanteil betrage 61 Prozent, so die Medienmitteilung nach der Versammlung. In ihrer Rede dankte die Präsidentin Regula Rytz (gp, BE) allen Anwesenden für das «überwältigende Ergebnis», das nur dank grosser Vorarbeit und guter Kampagne möglich gewesen sei. Die Erfolge würden aber auch hohe Erwartungen für die neue Legislatur wecken. Ziel müsse eine «umweltverträglichere» und «gerechtere» Politik sein, forderte Fraktionspräsident Balthasar Glättli (gp, ZH) in seinem Votum. Hierzu müsse man mit der SP und der Mitte Bündnisse finden. Der Rückenwind werde helfen, einen «sozialen und mehrheitsfähigen Klimaschutz» umzusetzen. Mit neuer «Ernsthaftigkeit», die laut Tages-Anzeiger die Partei erfasst habe, forderte die Präsidentin schliesslich einen grünen Bundesratssitz und eine neue Zauberformel. Entschieden wurde hierzu an der Versammlung freilich noch nichts. Das «neue Selbstverständnis», das die NZZ der Partei attestierte, liess die Präsidentin aber zur These verleiten, dass die Grünen wohl eher einen Regierungssitz erobert hätten, wenn Johann Schneider-Ammann und Doris Leuthard auf Ende Legislatur und nicht «taktisch» zurückgetreten wären. Rytz forderte ein Gesetz gegen Rücktritte während der Legislatur. Die neue «Volkspartei mit Bewegungscharakter» wie Regula Rytz das neue Selbstverständnis laut NZZ umschrieb, nutzte die Delegiertenversammlung schliesslich auch noch für die Parolenfassung für die Abstimmungen vom 9. Februar 2020: Einstimmig (1 Enthaltung) empfahlen die Abgeordneten ein Ja zur Volksinitiative «Für mehr bezahlbare Wohnungen» sowie ein Ja zur Änderung des Strafgesetzbuches («Diskriminierung und Aufruf zu Hass aufgrund der sexuellen Orientierung»).

Delegiertenversammlung der Grünen in Bern

Gleich vier Richterstellen mussten bei Ersatzwahlen für das Bundesgericht in der Herbstsession 2019 besetzt werden. Kathrin Klett (sp), Thomas Merkli (gp), Niklaus Oberholzer (sp) und Brigitte Pfiffner (gp) wollten per Ende 2019 von ihrem Amt zurücktreten. Die GK hatte deshalb vier Stellen für deutschsprachige ordentliche Richterinnen oder Richter ausgeschrieben, wobei je eine Position an der Ersten bzw. Zweiten öffentlich-rechtlichen Abteilung und zwei Stellen an der Strafrechtlichen Abteilung zu besetzen waren. Da die SP und die SVP die am Bundesgericht am stärksten untervertretenen Parteien waren (SP um 1.5 Stellen, SVP um 2.43 Stellen), entschied sich die Kommission aus 31 Bewerbungen, darunter sieben von Frauen, für drei Mitglieder der SVP (Sonja Koch, Beatrice van de Graaf und Thomas Müller) sowie ein SP-Mitglied (Michael Beusch). Die vier wurden in globo gewählt.

Ersatzwahlen am Bundesgericht

In der letzten Woche der Sommersession 2019 stand für die Vereinigte Bundesversammlung die Wahl der stellvertretenden Bundesanwälte an, da die Amtsperiode mit Jahresschluss zu Ende gehen würde. Die Bisherigen, Ruedi Montanari und Jacques Rayroud, stellten sich für die neue Amtsperiode 2020 bis 2023 wieder zur Wahl. Eigentlich hätte gleichzeitig auch die Bestätigung des amtierenden Bundesanwaltes Michael Lauber durchgeführt werden sollen. Da gegen diesen aber ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden war, hatte die AB-BA empfohlen, dessen Wahl zu verschieben. Die GK entschied sich sodann einstimmig, die beiden Stellvertreter, gegen die weder von den beiden GPK noch von der FinDel Beanstandungen vorgebracht worden waren, in der Sommersession zur Bestätigung zu empfehlen, die allfällige Wiederwahl Laubers aber auf den Herbst zu verschieben.
Die Parlamentarierinnen und Parlamentarier folgten der Empfehlung und wählten die beiden Stellvertreter mit 207 von 233 Stimmen. 24 Stimmzettel wurden leer eingegeben.

Wahl zweier stellvertretender Bundesanwälte

Die Wahlen von Richterinnen und Richtern ans Bundesgericht werfen in der Regel keine hohen Wellen. Das Prozedere verläuft jeweils gleich: Ein vakanter Posten wird ausgeschrieben, die GK lädt Bewerberinnen und Bewerber ein und wählt dann jene Person aus, die sich nicht nur fachlich eignet, sondern auch hinsichtlich Geschlecht, Sprache und insbesondere Parteienzugehörigkeit in den einzelnen eidgenössischen Gerichten am meisten Proportionalität herstellt. Praktisch immer heissen alle Fraktionen die Empfehlung der GK gut, was die Wahl durch die Vereinigte Bundesversammlung schliesslich fast zu einer Alibiübung verkommen lässt. Auch wenn einzelne Parlamentsmitglieder angehenden Richterinnen und Richtern ab und zu ihre Stimme verweigern – die Anzahl leerer Stimmen ist jeweils ein Indiz dafür, dass die Kandidatin oder der Kandidat nicht allen Parteien genehm zu sein scheint, wobei aufgrund des Stimmgeheimnisses freilich nicht klar wird, aus welchen Fraktionen die Proteste effektiv stammen –, kommt es praktisch nie vor, dass die von der GK vorgeschlagenen Kandidierenden das absolute Mehr nicht schon in der ersten Runde deutlich übertreffen.
Der Ersatzwahl für die zurücktretenden Bundesrichter Peter Karlen (svp) und Jean-Maurice Frésard (sp) gingen nun aber medial begleitete Diskussionen voraus, die das Potenzial hatten, diese Routine zu gefährden. Stein des Anstosses war die Empfehlung der GK für die deutschsprachige Vakanz: Obwohl die SVP am Bundesgericht die am stärksten untervertretene Partei war (-2.43 Stellen), entschied sich die Kommission für Julia Hänni, die der CVP angehört. Die GK begründete diesen Entscheid nicht nur mit der besten Bewerbung, sondern auch mit dem geringen Frauenanteil (vor der Wahl bei 38.9 Prozent) und mit dem Umstand, dass die CVP die am zweitstärksten untervertretene Partei sei (-0.64 Stellen). Gleich drei Fraktionen, nämlich die SVP, die FDP und die BDP, sprachen sich gegen diese Empfehlung aus und planten, die vakante Stelle mit einem SVP-Richter zu besetzen. Sie portierten den Berner Verwaltungsrichter Thomas Müller (svp). Die Empfehlung der GK für den Kandidaten französischer Muttersprache, Bernard Abrecht (sp), war unbestritten.
Die Medien wussten zu berichten, dass der Entscheid für Hänni in der GK mittels Stichentscheid des Präsidenten gefallen sei. Die Wahl sei deshalb brisant, weil die Nachfolgerin oder der Nachfolger Karlens potenziell in der Zweiten öffentlich-rechtlichen Abteilung eingesetzt werden könnte. In dieser Kammer werden etwa Urteile zum Ausländerrecht und zu den Beziehungen zur EU, aber auch zum Verhältnis zwischen Völker- und Landesrecht gefällt. Zudem gehörten zwei der sechs Mitglieder in dieser Kammer bereits der SVP an. Mit einem dritten Mitglied wären die SVP-Richter also wohl sehr häufig in der Mehrheit, weil das Gremium zu dritt oder zu fünft entscheidet. Freilich ist die Zuweisung neuer Richterinnen und Richter zu den einzelnen Kammern Sache des Bundesgerichts selber. Verschiedene Parlamentsmitglieder wollten aber kein Risiko eingehen – die Medien berichteten, dass einige Abgeordnete argwöhnten, die SVP wolle nach dem Scheitern ihrer Selbstbestimmungsinitiative die wichtige Kammer kurzerhand kapern. Einigen stiess in der Diskussion zudem sauer auf, dass neben dem Parteienschacher das Gleichstellungsargument zu kurz komme. Am Tag des Frauenstreiks habe sich die NZZ gegen eine bestens qualifizierte Frau ausgesprochen, monierte etwa Ruth Humbel (cvp, AG) via soziale Medien.
Der SVP-Kandidat Müller sorgte dann mit einem Verzicht auf die Kandidatur dafür, dass es Mitte Juni nicht zu einer Kampfwahl für den Posten am Bundesgericht kam. In den Medien wurde kolportiert, dass SVP-Fraktionspräsident Thomas Aeschi (svp, ZG) bei den anderen Parteien nicht genügend Unterstützung gefunden habe und dass Müller sich die Wahlchancen für künftige Richterwahlen – bereits im Herbst mussten vier weitere Vakanzen besetzt werden – habe intakt halten wollen.
Kurz vor dem Wahlakt verlangte Aeschi das Wort und rechnete vor, dass die Untervertretung einer Partei am Bundesgericht – statt über 11.5 verfüge die Volkspartei nun noch lediglich über neun Stellen – seit Einführung der Gerichtskommission im Jahr 2003 noch nie so krass gewesen sei. Von den neun Bundesgerichtsmitgliedern der SVP seien vier Frauen, weshalb man die Partei auch nicht als «Frauenverhindererin» bezeichnen könne. Die SVP sei nicht immer glücklich gewesen mit vorgeschlagenen Richterinnen und Richtern von Mitte-Links, sie habe aber den Parteienproporz stets mitgetragen. Er warnte vor einem «parteipolitischen Hickhack» im Vorfeld von Richterwahlen, wenn die Repräsentativität in der Judikative nicht mehr gewährleistet werde. Zugleich wies er darauf hin, dass sich ihr «absolut ausgewiesener, bestens qualifizierte Kandidat» Thomas Müller aufgrund des Drucks der anderen Parteien für die Wahl nicht zur Verfügung stelle. Für die CVP-Fraktion ergriff Leo Müller (cvp, LU) ebenfalls das Wort und wies darauf hin, dass Parteienproporz auch über längere Zeiträume eingehalten werden könne. Die Gerichtskommission benötige Spielraum, um auch andere Kriterien wie eben Geschlecht oder Sprache berücksichtigen zu können.
Auch bei dieser Wahl schafften die Kandidierenden den Sprung nach Lausanne schliesslich bereits im ersten Wahlgang. Von den 233 eingelangten Wahlzetteln wurden aber dennoch deren 60 leer eingelegt und 17 Stimmen entfielen auf Diverse. Julia Hänni wurde schliesslich mit 151 Stimmen gewählt. Der Name des eigentlich unbestrittenen Bernard fand sich auf 157 Stimmzetteln.
Nach der Wahl erhob die SVP lauthals Anspruch auf zwei der besagten vier frei werdenden Posten, von denen je zwei von Angehörigen der SP bzw. der GP besetzt waren. Insbesondere die GP sei mit zwei Stellen übervertreten, betonte die SVP.

Wahlen von Richterinnen und Richtern ans Bundesgericht

Aufgrund der Schwierigkeiten bei der Rekrutierung einer geeigneten Person habe sie der Parteienzugehörigkeit eine geringere Bedeutung beigemessen als üblich, gab die GK in ihrem Bericht zur Empfehlung von Monica Galliker (cvp) für das Amt einer nebenamtlichen Richterin am Bundesstrafgericht zu Protokoll. Die Ersatzwahl am Bundesstrafgericht war nötig geworden, weil Claudia Solcà (cvp) als ordentliche Richterin in die neue Berufungskammer des BStGer gewählt worden war. Die Suche nach einer Person italienischer Muttersprache habe sich schwierig gestaltet, so dass die leichte Übervertretung der CVP bei den nebenamtlichen Gerichtspersonen (+0.48 Stellen) in Kauf genommen worden sei. Die in Horw (LU) wohnhafte Tessinerin habe die GK aber durch ihre Entschlossenheit, ihre Motivation und ihre Sozialkompetenz überzeugt.
Die 24 leeren Stimmen bei der Wahl in der Sommersession 2019, die sich unter den total 233 eingelangten Wahlzetteln befanden, dürfen wohl als stiller Protest gegen die Nichtberücksichtigung des Parteienproporzes gedeutet werden, könnten aber auch Auswirkung des Vorgängergeschäfts sein, in dem es zu einer recht umstrittenen Wahl ans Bundesgericht gekommen war.

Ersatzwahl am Bundesstrafgericht

In der Frühjahrssession 2019 hatte die Vereinigte Bundesversammlung eine Ersatzwahl des Präsidiums des Bundesstrafgerichts vorzunehmen. Diese war aus zweierlei Gründen besonders: Erstens würden die von der Gerichtskommission (GK) vorgeschlagenen Stephan Blättler (Präsident; svp, ZH) und Sylvia Frei (Vizepräsidentin; svp, TG/ZH) lediglich für neun Monate, also bis zum Abschluss der regulären Amtsperiode Ende 2019, gewählt. Dies, weil der amtierende Präsident Tito Ponti (fdp, TI) per 30. Juni 2019 zurücktreten wollte und der 2017 gewählte Vizepräsident Giuseppe Muschietti (fdp, TI) in der Herbstsession 2018 ans Bundesgericht gewählt worden war. Der zweite Grund betraf die Partei der beiden neu zu Wählenden: Die Zugehörigkeit beider Kandidierenden zur SVP stellte insofern ein Problem dar, als dadurch die Verwaltungskommission des BStGer lediglich aus deutschsprachigen Mitgliedern der SVP bestünde. Neben Frei und Blättler sässe nämlich auch Andrea Blum (svp, LU) im Leitungsorgan. Die Kommission betonte, dass sie keineswegs an den Kompetenzen der drei Personen zweifle und es schwierig sei, ein Dreiergremium ausgewogen zu besetzen. In einem föderalen System müsse das Prinzip der angemessenen Vertretung aber eingehalten werden. Aus diesem Grund dürfe diese «einseitige Wahl» nur eine Übergangslösung sein, die nur aufgrund der Ausnahmesituation akzeptiert werde. Die Empfehlung wurde von allen Fraktionen, mit Ausnahme der grünen Fraktion, gutgeheissen – womit sich wohl zumindest ein Teil der 23 leeren Wahlzettel erklären lassen, die neben den 186 gültigen eingereicht worden waren. Während Blättler 185 Stimmen erhielt – eine Stimme fiel auf Diverse – stand der Name Frei auf allen 186 Wahlzetteln.

Ersatzwahl des Präsidiums des Bundesstrafgerichts

Mit der Revision des Bundesgesetzes über das Bundesgericht hatte das Parlament im März 2017 eine Berufungskammer am Bundesstrafgericht geschaffen. Da sich gezeigt hatte, dass die zwei Vollzeitstellen, die mittels Teilpensen dreier Richterinnen oder Richtern mit Muttersprache deutsch, französisch und italienisch besetzt werden sollten, nicht ausreichten bzw. die französischsprachige Stelle Mangels geeigneter Bewerbungen gar nicht besetzt werden konnte, hatten die Räte in der wohl am schnellsten erledigten parlamentarischen Initiative aller Zeiten in der Wintersession 2018 eine weitere Vollzeitstelle geschaffen. Damit war der Weg frei für die Besetzung der Berufungskammer durch ein französischsprachiges Mitglied. Diesmal gingen immerhin fünf Bewerbungen ein, von denen sich die GK für Olivier Thormann (fdp) entschied. Die Kommission begründete ihre Wahl mit der fachlichen und sprachlichen Eignung Thormanns sowie seinem Geschlecht, seiner Herkunft und seiner Parteizugehörigkeit. Das Dreiergremium bestehe nun aus einem Westschweizer FDP-Mann, einer SVP-Vertreterin aus dem Kanton Luzern (Andrea Blum) sowie einer Tessiner CVP-Vertreterin (Claudia Solcà). In der Presse fand die Wahl Thormanns Erwähnung, weil er als Chef der Abteilung Wirtschaftskriminalität bei der Bundesanwaltschaft Ende 2018 freigestellt worden war. Der Vorwurf der Amtsgeheimnisverletzung wurde damals zwar entkräftet, Thormann kehrte allerdings nicht mehr in seine Funktion zurück. Dieser Umstand könnte eine Erklärung für die 36 leeren Wahlzettel sein, die bei dieser Wahl ans Bundesstrafgericht neben den 164 gültigen – alle mit einem Thormann-Votum – eingelegt wurden.

Wahlen ans Bundesstrafgericht
Dossier: Schaffung einer Berufungskammer am Bundesstrafgericht

Nach dem Rücktritt von Tito Ponti aus dem Bundesstrafgericht per Ende Juni 2019 musste ein Ersatz bestimmt werden. Die GK erhielt acht Bewerbungen und entschied sich für Fiorenza Bergomi, die nicht nur italienischer Muttersprache ist, sondern auch – wie Ponti – der FDP angehört, womit der Parteienproporz gewahrt blieb. Mit der Wahl der Tessinerin – die Bundesversammlung gab ihr 196 von 205 gültigen Stimmen – zur ordentlichen Richterin ans Bundesstrafgericht erhöhte sich zudem der Frauenanteil leicht, blieb aber nach wie vor unter einem Drittel.

Wahl einer ordentlichen Richterin ins Bundesstrafgericht

In der Herbstsession 2018 hatte die Vereinigte Bundesversammlung Giuseppe Muschietti (fdp) ans Bundesgericht gewählt. Damit war eine Stelle für einen ordentlichen Richter oder eine ordentliche Richterin am Bundesstrafgericht vakant geworden, die in der Frühjahrssession 2019 neu besetzt wurde. Die GK hatte sich aus vier Bewerbungen für David Bouverat entschieden. Bouverat ist französischer Muttersprache und wird sein Amt in der Straf- und Beschwerdekammer des BStGer antreten. Darüber hinaus gehört er der SVP an, also jener Partei, die am Bundesstrafgericht untervertreten ist. Die 200 der 205 gültigen Stimmen widerspiegelten, dass die Fraktionen mit der Empfehlung der GK einverstanden waren.

Neuer ordentlicher Richter am Bundesstrafgericht

Mit 13 zu 10 Stimmen entschied die SPK-NR, der parlamentarischen Initiative Comte (fdp, NE) für eine angemessene Frauenvertretung in der Bundesregierung keine Folge zu geben. Zwar hatte sich der Ständerat rund ein Jahr zuvor knapp für das Anliegen ausgesprochen, das die in der Verfassung festgehaltenen Kriterien für die Wahl von Bundesrätinnen und Bundesräten (Landesgegend und Sprachregion) um das Element «Geschlecht» erweitern wollte. Die Bundesratsersatzwahlen Ende 2018 – so die SPK-NR in ihrer Begründung – hätten aber gezeigt, dass eine solche Ergänzung nicht notwendig sei und dass das Parlament sehr wohl auf die angemessene Vertretung der Geschlechter in der Regierung achte. In der Tat war die Idee für die parlamentarische Initiative Comte – einen inhaltlich praktisch identischen Vorstoss hatte auch Maya Graf (gp, BL) im Nationalrat eingereicht (Pa.Iv. 17.411), nach dem Erfolg der Comte'schen Initiative in der kleinen Kammer aber wieder zurückgezogen – aufgrund der Ersatzwahl von Ignazio Cassis geboren worden. Damals war von verschiedener Seite die Wahl einer Bundesrätin gefordert worden. Die SPK-NR sah auch deshalb keinen Mehrwert eines Verfassungszusatzes, weil es sich hier um ein gesellschaftspolitisches und nicht um ein rechtliches Anliegen handle. Es liege insbesondere an den Parteien, Frauen zu fördern. Die starke Kommissionsminderheit sah es hingegen als sachlich gerechtfertigt an, die angemessene Vertretung von Frauen in der Regierung zu fordern und dies auch so in der Verfassung festzuhalten. Sie pochte auf den Begriff «angemessen», der der Vereinigten Bundesversammlung immer noch genügend Spielraum lasse.
Es stimme, dass bei den letzten Ersatzwahlen zwei Frauen gewählt worden seien, in der 170-jährigen Geschichte des Bundesstaates habe es aber lediglich neun Bundesrätinnen gegeben, verteidigte Angelo Barrile (sp, ZH) den Minderheitsantrag auf Folge geben in der Ratsdebatte. Barbara Steinemann (svp, ZH) gab als Kommissionssprecherin allerdings zu bedenken, dass das Anliegen bloss deklaratorischer Natur sei; eine Annahme würde kaum konkrete Folgen haben, hätte aber ein obligatorisches Referendum zur Folge, was dann doch übertrieben sei. Es vermag ob der Positionen in der Ratsdiskussion nur wenig zu erstaunen, dass die geschlossenen Fraktionen der SP, der GP und der GLP für Folge geben eintraten und die geschlossene SVP-Fraktion dagegen stimmte. Auch die Mehrheit der BDP-Fraktion sowie beide EVP-Mitglieder votierten für einen Verfassungsartikel. Von den zusätzlichen acht bürgerlichen Stimmen stammten fünf von Frauen. Die insgesamt 72 Stimmen für Folge geben reichten jedoch gegen die 107 ablehnenden Voten (1 Enthaltung) nicht aus, mit denen der Vorstoss versenkt wurde.
Die Frauen hätten eine Schlacht auf dem Weg zur Gleichstellung verloren, titelte die Liberté am Tag nach der Abstimmung. Allerdings könne es gut sein, dass es in der Regierung bald wieder eine Frauenmehrheit gebe; dann nämlich, wenn der dienstälteste Magistrat Ueli Maurer zurücktrete, und der Druck auf der SVP hoch sein werde, einen ihrer beiden Exekutivsitze ebenfalls mit einer Frau zu besetzen.

Angemessene Frauenvertretung in der Bundesregierung
Dossier: Frauenanteil im Bundesrat

Ende 2018 veröffentlichte die Sonntagszeitung eine Analyse von rund 79'000 Bundesgerichtsurteilen, in der sie die Zusammensetzung des Bundesgerichtes hinsichtlich des Geschlechts untersuchte. Die Zahlen zeigten, dass nur bei 48 Prozent aller Urteile mindestens eine Richterin vertreten war. In 88 Prozent aller Urteile war mindestens ein Richter vertreten. Mehr als die Hälfte aller Urteile am Bundesgericht, das Ende 2018 aus 14 Bundesrichterinnen und 24 Bundesrichtern bestand, wurde also von einem Mann oder einem rein männlichen Richtergremium aus drei oder fünf Bundesrichtern gefällt. Auffällig war die Ungleichverteilung der Geschlechter zwischen den einzelnen Abteilungen. So sassen in der ersten zivilrechtlichen Abteilung lediglich Frauen, während die erste öffentlich-rechtliche Abteilung nur von Männern besetzt war. Zentral für die Bildung der Gremien sind einzig die fachlichen und sprachlichen Kenntnisse, nicht aber die Parteizugehörigkeit oder eben das Geschlecht.
Die Zeitung zitierte zudem zwei Studien mit Resultaten zu Unterschieden in Gerichtsurteilen zwischen Richterinnen und Richtern. In einer Studie aus der Schweiz konnten keine Differenzen zwischen den Geschlechtern gefunden werden. Wichtiger sei die individuelle Sozialisierung der oder des Richtenden. Eine Studie aus Kanada hingegen zeigte, dass Richterinnen in gemischten Gremien mit ihrem Urteil häufiger in der Minderheit sind und ergo anders urteilten als ihre männlichen Kollegen. Immerhin habe man in der Schweiz zumindest bei Straftaten gegen die sexuelle Integrität das Recht, eine Gerichtsperson des eigenen Geschlechts zu beantragen, obwohl laut Berichten von Anwältinnen und Anwälten sowie Strafrechtlern Richterinnen bei Sexualdelikten strenger urteilen würden als ihre männlichen Kollegen, weil sie «die Erzählungen der meist weiblichen Opfer eher in Zweifel ziehen», so die Sonntagszeitung,

Die Vereinigung «Juristinnen Schweiz» forderte, dass das Geschlecht bei der Wahl von Richterinnen und Richtern eine grössere Rolle spielen soll. Ein Problem sei dabei allerdings das Wahlverfahren, das die Parteizugehörigkeit zu stark beachte. Es gäbe zwar viele Frauen zur Auswahl – an den rechtswissenschaftlichen Fakultäten seien die Studentinnen in der Überzahl –, weil diese in Parteien aber weniger gut vernetzt seien, würden sie nicht gleich stark berücksichtigt wie Männer.

Zusammensetzung des Bundesgerichtes nach Geschlecht

Die Wiederwahl des Präsidiums und des Vizepräsidiums des Bundesgerichts in der Wintersession 2018 war eine reine Formsache. Für die Periode 2019-2020 bestätigte die Vereinigte Bundesversammlung Ulrich Meyer (sp) als Präsidenten und Martha Niquille (cvp) als Vizepräsidentin. Beide wurden mit 160 von 160 gültigen Stimmen gewählt. Sieben der 167 eingelangten Wahlzettel – ausgeteilt worden waren deren 168 – blieben jeweils leer.

Wahl des Präsidiums und des Vizepräsidiums des Bundesgerichts

Mit 159 von 159 gültigen Stimmen – von den 168 ausgeteilten waren ein Wahlzettel nicht eingegeben und 8 leer eingelegt worden – wurde Susanne Genner als Richterin mit Hauptsprache Deutsch in die Abteilung VI (Ausländer- und Bürgerrecht) des Bundesverwaltungsgerichts gewählt. Die Wahl war nötig geworden, weil ihr Vorgänger Philippe Weissenberger im Amt verstorben war. Genner, die sich gegen zwei Mitbewerberinnen und einen Mitbewerber durchsetzte, gehört wie ihr Vorgänger der SP an, jener Partei also, die am BVGer zum Zeitpunkt der Wahl untervertreten war.

Bundesverwaltungsgericht

Zur Wahl eines nebenamtlichen Richters ans Bundesstrafgericht empfahl die GK Adrian Urwyler (cvp). Weil Andrea Blum (svp) und Claudia Solcà (cvp) zu ordentlichen Richterinnen an der neuen Berufungskammer des BStGer gewählt worden waren, mussten zwei der drei Stellen für nebenamtliche Richterinnen oder Richter neu besetzt werden und zwar je eine mit einer Person deutscher bzw. italienischer Muttersprache. Da es für die Stelle des italienischen Amtes keine genügend qualifizierten Bewerbungen gegeben hatte, entschied die GK, lediglich die Stelle mit Hauptsprache Deutsch zu besetzen und für die andere Stelle eine erneute Ausschreibung vorzunehmen. Adrian Urwyler erfülle alle Voraussetzungen für diese deutschsprachige Stelle, erklärte die GK. Nicht zuletzt sei er Mitglied der CVP, einer der am BStGer untervertretenen Parteien. Die Vereinigte Bundesversammlung wählte Urwyler mit 163 von 167 eingelangten Wahlzetteln (4 blieben leer) für den Rest der Amtsperiode 2016 bis 2021.

Wahl eines nebenamtlichen Richters ans Bundesstrafgericht

In der Herbstsession 2018 wählte die Vereinigte Bundesversammlung bei einer Ersatzwahl ans Bundesgericht Giuseppe Muschietti mit 170 von 172 gültigen Stimmen zum ordentlichen Bundesrichter. Die Wahl war nötig geworden, weil Ivo Eusebio (cvp) altersbedingt per Ende 2018 aus dem Amt ausschied. Die Gerichtskommission (GK) hatte bei der Stellenausschreibung eine erfahrene Juristin oder einen erfahrenen Juristen mit italienischer Muttersprache gesucht und Bewerbungen von zwei Frauen und neun Männern erhalten. Die Wahl fiel schliesslich auf den amtierenden Bundesstrafrichter Muschietti, der aus dem Kanton Tessin stammt und der FDP angehört. Damit könne – so die GK – die Sprachen- und Geschlechtervertretung unverändert gehalten und die Untervertretung der FDP am Bundesgericht verbessert werden. Obwohl alle Fraktionen die Empfehlung gutgeheissen hatten, fanden sich unter den 204 eingegangenen Wahlzetteln 32 leere.

Ersatzwahl am Bundesgericht

Am Ende der Herbstsession 2018 stand für die Vereinigte Bundesversammlung noch eine Wahl ans Bundesverwaltungsgericht an. Da Andrea Berger-Fehr (svp) per Ende September 2018 ihren Rücktritt eingereicht hatte, gab es in der Abteilung V – zuständig für Geschäfte aus dem Gebiet des Asylrechts – des BVGer eine Vakanz. Hauptsprache des neuen Mitglieds sollte Deutsch sein, allerdings hatte das St. Galler Gericht den Wunsch geäussert, dass das neue Mitglied auch einige Fälle in italienischer Sprache bearbeiten können sollte. Mit dem Rücktritt von Berger-Fehr war die SVP am BVGer untervertreten. Lorenz Noli (svp), der von der GK zur Wahl vorgeschlagen wurde, erfüllte die sprachlichen Anforderungen (Deutsch und Italienisch) und gehört der SVP an. Zudem – so die GK in ihrem Bericht – sei er als ehemaliger Gerichtsschreiber der Abteilung III mit den internen Abläufen vertraut und kenne sich als «Fachspezialist Aufenthalt» beim Staatssekretariat für Migration im Migrationsrecht gut aus. Mit 199 von 207 eingelangten Wahlzetteln (8 wurden leer eingelegt) wurde Noli gewählt.

Wahl ans Bundesverwaltungsgericht

Seit 2010 wählt das Parlament nicht nur den Bundesanwalt, sondern auch die Aufsichtsbehörde für die Bundesanwaltschaft (AB-BA). Eine Gesamterneuerung für die Amtsdauer 2019–2022 wurde in der Herbstsession von der Vereinigten Bundesversammlung vorgenommen. Die AB-BA besteht aus sieben Mitgliedern: Das Bundesgericht und das Bundesstrafgericht stellen je eine Vertreterin oder einen Vertreter, hinzu kommen zwei in einem kantonalen Anwaltsregister eingetragene Anwältinnen oder Anwälte und drei Fachpersonen, die weder in einem Anwaltsregister eingetragen noch an einem eidgenössischen Gericht tätig sein dürfen. Sechs der sieben amtierenden Mitglieder stellten sich zur Wiederwahl. Einzig Niklaus Oberholzer, der Vertreter des Bundesgerichts, stellte sich nicht mehr zur Verfügung. Seinen Platz wollte Bundesrichterin Alexia Heine einnehmen. Die Wiederwahl der bestehenden Mitglieder und die Neuwahl von Heine wurde von der GK empfohlen und von allen Fraktionen unterstützt.
Bei der Wiederwahl schafften alle Bisherigen das absolute Mehr problemlos: Stefan Heimgartner als Vertreter des BStGer (205 Stimmen), Tamara Erez (205 Stimmen) und Cornel Borbély (204 Stimmen) als Anwältin bzw. Anwalt sowie die Fachpersonen Isabelle Augsburger-Bucheli (205 Stimmen) und Rolf Grädel (204 Stimmen) standen alle beinahe auf allen der 206 eingelangten Wahlzettel. Einzig Hanspeter Uster, die dritte Fachperson, erhielt lediglich 177 Stimmen. Dies dürfte vielleicht damit zusammenhängen, dass der ehemalige Zuger Regierungsrat damals der Sozialistisch-Grünen Alternative angehört hatte und von der Ratsrechten nicht gewählt wurde. Vielleicht waren dann die 15 leeren Stimmen bei der Ergänzungswahl von Alexa Heine, die der SVP angehört,– ihr Name stand auf 183 der 198 eingelangten Wahlzettel –, als Retourkutsche zu verstehen.

Gesamterneuerungswahl der AB-BA für die Amtsdauer 2019-2022
Dossier: Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA)