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In seinem Mitte April der Aufsichtsbehörde vorgelegten Tätigkeitsbericht für das Jahr 2012 versuchte Bundesanwalt Michael Lauber den Eindruck von Normalität zu vermitteln. Strukturen und Abläufe seien dank eines neuen Controllingsystems optimiert und einige langjährige Verfahren abgeschlossen worden. Zudem sei das Jahr von Offenheit, Vertrauen und Professionalität geprägt gewesen. Auch die Aufsichtsbehörde beschrieb in ihrem Bericht einen grundsätzlich positiven Eindruck. Einzig die zu hohe Verfahrensdauer wurde kritisiert. Es gäbe zwar durchaus plausible Gründe für die lange Frist, die durchschnittliche Behandlungsdauer von drei bis vier Jahren müsse aber verringert werden. In der Presse wurde es als zu früh erachtet, die Leistungen von Lauber nach nur einem Jahr Amtszeit zu bewerten.

Jahresbericht 2012 der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft
Dossier: Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA)

In der Sommersession wählte die Vereinigte Bundesversammlung mit Paul-Xavier Cornu einen neuen Stellvertretenden Bundesanwalt für den Rest der Amtsperiode 2012 bis 2015. Die Wahl war aufgrund des Rücktritts von Maria-Antonella Bino nötig geworden, die sich beruflich neu orientieren wollte. Die Gerichtskommission hatte sich für Cornu entschieden und sich damit gegen andere Bewerber gestellt, darunter auch gegen Claude Nicati, den im Berichtjahr abgewählten Neuenburger Staatsrat, der die Stelle schon einmal inne gehabt hatte.

Stellvertretenden Bundesanwalt

Die Justizaffäre Holenweger erhielt im Berichtjahr neue Nahrung. Der Bankier Oskar Holenweger war 2010 von der Bundesanwaltschaft der Geldwäscherei angeklagt, 2012 aber vom Bundesgericht vollumfänglich frei gesprochen worden. Anfang Juni des Berichtjahres wurde bekannt, dass Holenweger vom Bund Entschädigung fordern will. Er stellte beim Eidgenössischen Finanzdepartement ein Begehren um Staatshaftung, weil er faktisch zum Verkauf seiner Privatbank gezwungen worden sei.

Justizaffäre Holenweger

Der 2011 erstmals vom Parlament gewählte Bundesanwalt Michael Lauber, trat Ende März nach 100 Tagen im Amt vor die Medien. Nach den stürmischen Zeiten in der Bundesanwaltschaft – Valentin Roschacher hatte 2006 zurücktreten müssen und Erwin Beyeler wurde 2011 vom Parlament abgewählt – hatte Lauber etwas Ruhe ins Amt gebracht und setzte vor allem Zeichen hinsichtlich einer besseren Kommunikation um die Reputation wiederherzustellen. Die Presse stellte dem Neuen ein insgesamt gutes Zeugnis aus; er müsse sich aber bei schwierigen Fällen erst noch bewähren. Lauber ist für vier Jahre gewählt.

Bundesanwalt Lauber im ersten Jahr nach seiner Wahl (2012)
Dossier: Michael Lauber - Bundesanwalt

Das Bundesgericht bestätigte am 25. September den zwischen der Bundesanwaltschaft und Tinner ausgehandelten Deal und ermöglichte somit die Ziehung eines Schlussstriches unter die Causa Tinner, welche seit 2004 andauerte. Die drei Angeklagten wurden wegen Förderung der Herstellung von Atomwaffen sowie Marco Tinner zusätzlich wegen Urkundenfälschung schuldig gesprochen. Da jedoch die Freiheitsstrafen so bemessen wurden, dass sie knapp unter der Dauer der Untersuchungshaft liegen, wird keiner der Angeklagten ins Gefängnis gehen müssen. Das Bundesgericht entschloss sich zur Zustimmung, weil im Falle eines Neins ein ordentliches Verfahren hätte eingeleitet werden müssen, welches aufgrund der Vernichtung wesentlicher Beweismittel durch den Bundesrat mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Verfahrenseinstellungen oder Freisprüchen geführt hätte.

Causa Tinner

Kein parlamentarisches Nachspiel hatte der so genannte Fall Ramos. Der in den USA verurteilte Jose Manuel Ramos war vom ehemaligen Bundesanwalt Roschacher als Vertrauensperson eingesetzt worden, um Geldwäschereifälle aufzudecken. Die Hinweise von Ramos, die aufwändige Untersuchungen evozierten, führten jedoch alle ins Leere. Zwar hatte die GPK diesen Fall 2007 mit einem Untersuchungsbericht abgeschlossen, Geri Müller (gp, AG) wollte jedoch mit einer parlamentarischen Initiative eine parlamentarische Untersuchungskommission einsetzen, die diesen Fall neu und vor dem Hintergrund neuer Informationen noch einmal untersuchen sollte. Der GPK seien Informationen vorenthalten worden. Im Nationalrat wurde dem Anliegen allerdings nicht Folge gegeben. Müller fand lediglich bei seiner eigenen und in der SVP-Fraktion Unterstützung für sein Anliegen.

Fall Ramos

Im Mai reichte die Kommission für Rechtsfragen des Ständerates (RK-SR) eine parlamentarische Initiative ein, mit der Rechtsgrundlagen für Abgangsentschädigungen für von der Bundesversammlung gewählte Personen geschaffen werden sollen. Solche Grundlagen fehlen für Richterinnen und Richter der erstinstanzlichen Bundesgerichte, für Bundesanwältinnen und -anwälte sowie für stellvertretende Bundesanwältinnen und -anwälte. Das Wiederwahlverfahren soll zudem so angepasst werden, dass Entscheide spätestens sechs Monate vor Ablauf der Amtsdauer gefällt werden können. Im Berichtsjahr beschlossen beide RK Zustimmung.

Abgangsentschädigungen für von der Bundesversammlung gewählte Personen

Erstmals veröffentlichte die neu geschaffene Aufsichtsbehörde für die Bundesanwaltschaft (AB-BA) einen Tätigkeitsbericht. Alle operativen und nicht operativen Einheiten wurden im Herbst 2011 inspiziert und eine Bestandesaufnahme von Bereichen erstellt, die in Zukunft besondere Aufmerksamkeit erhalten sollen.

Jahresbericht 2011 der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft
Dossier: Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA)

Im Fall Tinner hatte sich die Bundesanwaltschaft für ein verkürztes Verfahren entschieden, das eine Vereinbarung zwischen der Anklage und des Angeklagten über die vorgeworfenen Tatbestände und das Strafmass ermöglichte. Die Bundesanwaltschaft und die Familie Tinner wurden sich einig. Der Ball liegt zurzeit beim Bundesstrafgericht, das das Vorgehen noch gutheissen muss.

Causa Tinner

2003 hatte die Bundesanwaltschaft ein Verfahren gegen den Bankier Oskar Holenweger wegen Verdachts auf Wäsche von Drogengeldern eingeleitet. 2010 hatte sie dann schliesslich Klage eingereicht. Der Fall sollte zum Verhängnis gleich für zwei Bundesanwälte werden. Der Rücktritt von Valentin Roschacher im Jahr 2006 und insbesondere die Nichtwiederwahl von Erwin Beyeler im Berichtsjahr waren unmittelbar mit dem Fall Holenweger verknüpft. Im April 2011 hatte das Bundesstrafgericht Holenweger frei gesprochen und die Anklagepunkte der Bundesanwaltschaft allesamt demontiert. Der Freispruch wurde in der Presse denn auch als Debakel für Beyeler interpretiert. Der Freispruch war Wasser auf die Mühlen der SVP, die mutmasste, dass die Abwahl Christoph Blochers aus dem Bundesrat 2007 ebenfalls mit dem Fall Holenweger zu tun gehabt haben musste. Blocher war damals vorgeworfen worden, in ein Komplott gegen den damaligen Bundesanwalt Roschacher verwickelt gewesen zu sei. Mit dem Freispruch Holenwegers erwiesen sich diese Vorwürfe jedoch als haltlos. Ende November kam auch die Geschäftsprüfungskommission des Parlaments zum Schluss, dass der ehemalige Bundesrat nicht an einem Komplott gegen den ehemaligen Bundesanwalt beteiligt gewesen war.

Justizaffäre Holenweger

Gerügt wurde die Bundesanwaltschaft auch im so genannten Hells-Angels-Prozess. Im April 2004 kam es zu einer spektakulären Polizeiaktion gegen den Motorradclub, der unter Verdacht geraten war, eine kriminelle Vereinigung zu sein. Zwar wurde im Berichtsjahr ein Mitglied der Hells Angels vom Bundesstrafgericht angeklagt, aber nicht wegen des ursprünglichen Verdachts der Bundesanwaltschaft, sondern aufgrund eines Drogendeliktes. Der Bundesstrafrichter kritisierte die Bundesanwaltschaft, sie hätte viel zu lange gebraucht, um den Fall aufzuarbeiten und das Beschleunigungsgebot verletzt. Im Oktober musste der Prozess aufgrund unvollständiger Beweismittel sogar vertagt werden.

Hells-Angels-Prozess

In die Schlagzeilen geriet die Bundesanwaltschaft aufgrund des Einsatzes so genannter Trojaner, also versteckter Software-Programme, die ein Ausspionieren von Computern ermöglichen. Solche Spionage-Software soll in vier Fällen zum Einsatz gekommen sein, dreimal in der Terrorismusbekämpfung und einmal gegen organisierte Kriminalität.

Trojanernutzung bei der Bundesanwaltschaft

Nachdem am 1. August 2007 unmittelbar nach der Feier mit Bundesrätin Micheline Calmy-Rey ein Sprengsatz auf dem Rütli detonierte, wurde am 8. August 2007 ein Verfahren gegen Unbekannt eröffnet. Im Januar 2008 wurde ein Tatverdächtiger, der im Volksmund als Rütli-Bomber bekannt war, in Untersuchungshaft gesetzt, welche mehrmals verlängert wurde, bis er im Dezember 2008 freigelassen wurde. Bei den Ermittlungen waren technische Überwachungsmassnahmen, unter anderem auch ein sogenannter Trojaner zum Einsatz gekommen, worüber jedoch die Verteidiger informiert worden seien. Am 11. Oktober 2011 hat die Bundesanwaltschaft nach Abschluss der Strafuntersuchung zum Sprengkörper das Verfahren eingestellt. Die Strafbestände haben sich nicht beweisen lassen. (Siehe auch hier.)

Rütli-Bomber

Zum ersten Mal wählte das Parlament und nicht mehr der Bundesrat den Bundesanwalt – das Parlament hatte dies 2010 so beschlossen. Der amtierende Erwin Beyeler, der 2009 auf den umstrittenen Valentin Roschacher gefolgt war, musste sich der Wiederwahl stellen. Im Vorfeld musste Beyeler vor allem aufgrund des Falls „Holenweger“ Kritik einstecken. Die Gerichtskommission hatte sich nur knapp mit 9 zu 7 Stimmen bei einer Enthaltung für seine Wiederwahl ausgesprochen. In der Sommersession erhielt Beyeler dann von der Bundesversammlung lediglich 109 von 227 gültigen Stimmen, erreichte also das nötige Mehr nicht und wurde so abgewählt. Es war insbesondere die SVP, die sich gegen die Wiederwahl Beyelers einsetzte und vor der Wahl nochmals die ganze Kritik an dessen Person wiederholte.
Die Gerichtskommission musste in der Folge einen Nachfolger suchen und schlug aus einem Kandidatenseptett einstimmig den parteilosen Michael Lauber vor. Lauber sei international gut vernetzt und hätte Erfahrung mit der Bekämpfung von Geldwäscherei. Zudem habe er als Untersuchungsrichter zu Beginn der 1990er Jahre in Bern auch Kenntnisse in der Strafverfolgung gesammelt. Für das Amt hatten sich unter anderen auch die stellvertretenden Bundesanwälte Ruedi Montanari und Maria-Antonella Bino beworben. Die Gerichtskommission setzte sich aber bewusst für einen externen Kandidierenden aus. Die Bundesversammlung folgte Ende November dem Vorschlag der Gerichtskommission und wählte Lauber mit 203 von 206 gültigen Stimmen (11.213).

Wahl des Bundesanwaltes 2011 - Erwin Beyeler wird nicht bestätigt, Michael Lauber wird gewählt
Dossier: Wahlen des Bundesanwalts
Dossier: Michael Lauber - Bundesanwalt

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Zusammenfassung
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Bundesanwalt Michael Lauber

Michael Lauber war der erste Bundesanwalt, der vom Parlament gewählt wurde (28. September 2011), zuvor war der Bundesrat für die Wahl des Bundesanwalts oder der Bundesanwältin zuständig gewesen. Michael Lauber erhielt zuerst sowohl von den Medien wie auch von der Aufsichtsbehörde AB-BA viel Lob und wurde 2015 glanzvoll für weitere vier Jahre im Amt bestätigt. Der Wind drehte sich allerdings im Jahr 2018, als die Bundesanwaltschaft insbesondere auch aufgrund des sogenannten «Fifa-Falls» stärker in den medialen Fokus geriet. Auch im Jahresbericht 2018 der AB-BA, die in der Zwischenzeit mit Hanspeter Uster einen neuen Präsidenten erhalten hatte, wehte Lauber ein steiferer Wind entgegen. Ende April 2019 leitete die AB-BA gar ein Disziplinarverfahren gegen ihn ein. Dem Bundesanwalt wurde vorgeworfen, sich mit dem Fifa-Präsidenten Gianni Infantino im Geheimen getroffen, diese Treffen aber nicht protokolliert und diesbezüglich gelogen zu haben. Eigentlich hätte Michael Lauber in der Sommersession 2019 für neuerliche vier Jahre im Amt bestätigt werden sollen, die letztlich knapp erfolgreiche Wiederwahl erfolgte dann allerdings erst in der Herbstsession. Die Presse äusserte sich trotz Wiederwahl zusehends negativer gegenüber Lauber, was nicht zuletzt auf die gescheiterten Strafverfolgungen im Fifa-Fall, aber auch auf die ab März 2020 vorliegenden Resultate der Disziplinaruntersuchung, in der Lauber schwerwiegende Amtspflichtverletzungen vorgeworfen wurden, zurückgeführt wurde. Dies führte nicht nur zu einer Untersuchung der GPK zum Verhältnis zwischen Bundesanwaltschaft und AB-BA, die GK leitete im Mai 2020 auch ein Amtsenthebungsverfahren gegen Lauber ein. Doch es sollte für Lauber gar noch heftiger kommen: Mitte Juni 2020 wurde ein ausserordentlicher Staatsanwalt eingesetzt, der untersuchen sollte, ob die in der Zwischenzeit eingegangenen Strafanzeigen wegen Amtsmissbrauch haltbar sind. Da das Bundesverwaltungsgericht am 22. Juli 2020 die Beschwerde Laubers, das dieser gegen die Resultate des Disziplinarverfahrens eingereicht hatte, zum grössten Teil abwies, reichte der Bundesanwalt kurz darauf seinen Rücktritt ein, den die GK Mitte August per 31. August 2020 bestätigte. Kurz darauf hoben die beiden zuständigen Kommissionen die Immunität Laubers auf, damit ein Strafverfahren eingeleitet werden konnte. Dieses wurde von Stefan Keller geleitet, der in der Herbstsession 2020 von der Vereinigten Bundesversammlung zum Sonderstaatsanwalt gewählt worden war. Die mit dem Rücktritt Laubers nötig gewordene Wahl einer neuen Bundesanwältin oder eines neuen Bundesanwalts gestaltete sich in der Folge als äusserst schwierig.

Chronologie
2011: Wahl von Michael Lauber; erster vom Parlament gewählter Bundesanwalt
2015: Glanzvolle Wiederwahl
2019: Disziplinarverfahren gegen Michael Lauber; knappe Wiederwahl in der Herbstsession
2020: Vorwurf der Amtspflichtverletzung; Amtsenthebungsverfahren und Strafanzeige wegen Amtsmissbrauch; Rücktritt

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Michael Lauber - Dossierübersicht
Dossier: Michael Lauber - Bundesanwalt

Den 2010 aufgrund des Unmutes über die vorgeschlagene Einstellung von drei Ausländern als Staatsanwälte eingereichten Vorstössen zur Einführung der Bedingung der Schweizer Staatsbürgerschaft für die Besetzung von Kaderstellen in der Bundesanwaltschaft wurden unterschiedliche Schicksale zuteil. Die Diskussion zur Motion Fiala (fdp, ZH) (10.3966) wurde verschoben und die Motion Baumann (svp, TG) wurde diskussionslos abgelehnt.

Bedingung der Schweizer Staatsbürgerschaft für die Besetzung von Kaderstellen in der Bundesanwaltschaft

Nach einer Strafanzeige durch das EDA ermächtigte der Bundesrat die Bundesanwaltschaft Anfang Juni, aufgrund der Geiselnahme von Rachid Hamdani und Max Göldi Ermittlungen gegen das Gaddafi-Regime aufzunehmen.

Ermittlungen gegen das Gaddafi-Regime

Der Fall Tinner beschäftigte Politik und Medien 2010 weiterhin. Das Bundesgericht wies zu Beginn des Berichtjahrs eine Beschwerde seitens der Bundesanwaltschaft ab, die eine uneingeschränkte Einsicht in die umstrittenen Akten verlangt hatte. Das Gerichtsurteil bestätigte den Bundesrat einstweilen in seinem Vorgehen, brisante Papiere zu diesem Fall unter Verschluss zu halten. Im Dezember beantragte dann aber der eidgenössische Untersuchungsrichter Anklage gegen die Familie Tinner und forderte Akteneinsicht. In seinem Bericht machte er Verstösse gegen das Kriegsmaterial- und das Geldwäschereigesetz geltend. Darüber hinaus kritisierte er die Einschränkung der Akteneinsicht zulasten der Bundesanwaltschaft durch den Bundesrat scharf. Es sei rechtsstaatlich bedenklich, wenn die eine Gewalt die andere nicht respektiere und behindere.

Causa Tinner

Bei der Organisation der Strafbehörden des Bundes beharrte der Ständerat auf seinem Vorschlag betreffend Aufsicht der Bundesanwaltschaft: der Bundesanwalt sei vom Parlament zu wählen. Ein ebenfalls vom Parlament zu wählendes Gremium, bestehend aus je einem Richter des Bundesgerichts und des Bundesstrafgerichts, zwei praktizierenden Anwälten und drei Fachpersonen, die weder Richter noch Anwälte sind, soll die Bundesanwaltschaft beaufsichtigen. Nachdem sich ein Minderheitsantrag im Nationalrat 2009 noch erfolgreich gegen diesen Vorschlag durchgesetzt hatte und die Aufsicht beim Bundesrat belassen wollte, übernahm die grosse Kammer den ständerätlichen Vorschlag in der zweiten Lesung knapp mit 88 zu 81 Stimmen. Auch die zweite Differenz wurde im Sinn des Ständerats ausgeräumt. Eine Minderheit im Nationalrat monierte, dass die Existenz nur einer Rechtsmittelinstanz nicht genüge. Die Mehrheit der grossen Kammer stellte sich jedoch hinter die Meinung des Ständerats, dass ein Beschwerderecht genüge und ein Berufungsrecht nicht nötig sei. Der Auftrag zur Präzisierung dieses Beschwerderechtes wurde dem Bundesrat noch im Berichtsjahr von einer Motion Janiak (sp, BL) (10.3138) erteilt. Der entsprechende Beschluss fiel im Ständerat einstimmig. Im Nationalrat stimmte ihm nur die SVP-Fraktion nicht zu.

BRG Strafbehördenorganisationsgesetz (08.066) - das Parlament will den Bundesanwalt selber wählen
Dossier: Strafbehördenorganisationsgesetz (StBOG)
Dossier: Wahlen des Bundesanwalts

Der Nachfolger von Bundesanwalt Roschacher, Erwin Beyeler geriet mit dem Fall Holenweger in die Kritik. Darüber hinaus sorgte auch sein Vorschlag, drei Ausländer zu Staatsanwälten zu befördern, für Unmut. Doris Fiala (fdp, ZH) reichte in der Folge eine in den bürgerlichen Parteien breit abgestützte Motion ein, die verlangt, dass Kaderstellen in der Bundesanwaltschaft nur von Personen mit Schweizer Bürgerrecht besetzt werden (10.3966). Noch weiter geht eine Motion Baumann (svp, TG), die verlangt, dass sämtliche Träger hoheitlicher Gewalt Schweizer sein müssen. Beide Vorstösse wurden im Berichtsjahr noch nicht behandelt. Noch im Sommer hatte das Parlament mit dem Strafbehördenorganisationsgesetz bestimmt, dass der Schweizer Pass lediglich für den Bundesanwalt und seine Stellvertreter Bedingung ist. Das neue Bundesgesetz über die Organisation der Strafbehörden sieht zudem vor, dass nicht mehr der Bundesrat, sondern der Bundesanwalt selber für Beförderungen und Einstellungen zuständig ist.

Die Kritik am Bundesanwalt ist auch deshalb brisant, weil befürchtet wird, dass die neu verfügte Wahl des Bundesanwalts durch das Parlament stark politisch werde. Darüber hinaus hat die Wahl auf die neue Legislatur hin zu erfolgen, also voraussichtlich in den der Wahl von National- und Ständerat vorausgehenden Wochen.

Bedingung der Schweizer Staatsbürgerschaft für die Besetzung von Kaderstellen in der Bundesanwaltschaft

Im Rahmen des Strafbehördenorganisationsgesetzes befand das Parlament zudem über zwei Verordnungen, die das Arbeitsverhältnis und die Besoldung des Bundesanwalts und der Stellvertreter (10.441) sowie die Einzelheiten der Organisation und Aufgaben der Aufsichtsbehörde (10.442) regeln sollten. Der Vorschlag der zuständigen Kommission für Rechtsfragen des Ständerats wurde praktisch diskussionslos von beiden Kammern übernommen. Für die Bundesanwaltschaft seien hinsichtlich Arbeitsverhältnis und Besoldung die gleichen Regelungen anzuwenden wie für Bundesrichter.

Arbeitsverhältnis des Bundesanwalts und Organisation der Aufsichtsbehörde (Pa.Initiativen)
Dossier: Strafbehördenorganisationsgesetz (StBOG)

Bereits in der Herbstsession wählte die vereinigte Bundesversammlung zum ersten Mal die besagte Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA). Sechs der sieben Kandidaten waren unbestritten. Die Wahl von Hansjörg Seiler, Giorgio Bomio, Thomas Fingerhuth, Carla Wassmer, Thierry Béguin und Niklaus Oberholzer wurde von allen Fraktionen unterstützt. Die Ratslinke, unterstützt von Dick Marty (fdp, TI), wehrte sich erfolglos gegen den SVP-Kandidaten David Zollinger, der als Geschäftsleitungsmitglied einer Bank nicht in einem Gremium Einsitz nehmen solle, das auch über Banken urteilen müsse. Dieses Argument wurde jedoch von der Mehrheit der Bundesversammlung nicht geteilt und der von der grünen Fraktion vorgeschlagene Pascal Mahon hatte keine Chance gegen Zollinger.

Wahl der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft 2010
Dossier: Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA)

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Zusammenfassung
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Dossier: Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA)

Mit der Revision des Strafbehördenorganisationsgesetzes im Jahr 2010 hatte sich das Parlament dafür entschieden, den Bundesstaatsanwalt nicht mehr durch den Bundesrat bestimmen zu lassen, sondern ihn selber zu wählen. Die Aufsicht über die Bundesanwaltschaft wurde ebenfalls verändert und eine Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) geschaffen, die nebenamtlich tätig ist. Sie besteht aus je einer Vertretung des Bundesgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts, aus zwei in einem kantonalen Anwaltsregister eingetragenen Anwältinnen oder Anwälten und drei Fachpersonen, die weder einem Gericht angehören noch in einem Anwaltsregister eingetragen sein dürfen. Die Vereinigte Bundesversammlung wählt die Mitglieder der AB-BA für eine Amtszeit von vier Jahren. Das Präsidium und das Vizepräsidium wird von den Mitgliedern der AB-BA bestimmt. Die AB-BA ist mit einem ständigen Sekretariat ausgerüstet.
Die Aufgaben der AB-BA ist die Überwachung der Tätigkeiten der Bundesanwaltschaft auf deren Rechtmässigkeit, Ordnungsmässigkeit, Zweckmässigkeit, Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit. Sie kann hierzu Informationen verlangen, Inspektionen durchführen und Weisungen erlassen. Bei Amtspflichtverletzungen durch den Bundesanwalt kann die AB-BA eine Verwarnung oder einen Verweis aussprechen, eine Lohnkürzung vornehmen oder beim Parlament einen Antrag auf Amtsenthebung stellen. Die AB-BA berichtet dem Parlament jährlich über ihre Tätigkeit.
In den Fokus geriet die AB-BA ab 2018 vor allem aufgrund der Ereignisse um Bundesanwalt Michael Lauber, die unter anderem Anstoss für verschiedene Reformbestrebungen war.

Inhalt
Gesamterneuerungswahlen der AB-BA: 2010, 2014, 2018, 2022
Ersatzwahlen von Mitgliedern der AB-BA: 2016, 2017, 2018, März 2019, September 2019, 2020, 2022
Bestimmung von Präsidien und Vizepräsidien: 2020, 2021
Tätigkeitsberichte der AB-BA: 2011, 2012, 2013, 2014, 2015, 2016, 2017, 2018, 2019, 2020, 2021
Weisungen durch die AB-BA:
– Inspektionsbericht über das Generalsekretariat der Bundesanwaltschaft (2020)
– Inspektionsbericht zur Zusammenarbeit der Staatsanwaltschaften von Bund und Kantone (2023)

Revisionen:
– Keine neuen Unvereinbarkeitsregeln (Pa.Iv. 15.473)
– Die Bundesanwaltschaft wird nicht wieder dem EJPD unterstellt (Pa.Iv. 16.505 und Pa.Iv. 19.479)
– Überprüfung des Verhältnisses zwischen AB-BA und Bundesanwaltschaft (Po. 19.3570, Bericht GPK und Mo. 21.3970/Mo. 21.3971)

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Zusammenfasung Dossier AB-BA
Dossier: Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA)

Nach siebenjähriger Untersuchung schloss die Bundesanwaltschaft die Ermittlungsakte gegen den Bankier Oskar Holenweger und klagte ihn wegen Geldwäscherei an. Der Fall hatte sich zu einem eigentlichen „Politkrimi“ entwickelt, in dem der Rücktritt von Valentin Roschacher und die mutmasslich damit verbundene Abwahl von Bundesrat Blocher die Höhepunkte darstellten. Der mit diesem Fall beklagte Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsverlust löste im Parlament Vorstösse und Interpellationen vor allem seitens der SVP aus, die sich nach dem Fall Roschacher eingehend mit der Institution Bundesanwaltschaft auseinandergesetzt hatte (z.B. die Frage Schlüer (svp, ZH) (10.5200). Allerdings scheiterte die Motion der SVP-Fraktion, die ein Verfahren wegen Amtsgeheimnisverletzung einleiten wollte, im Nationalrat relativ deutlich.

Justizaffäre Holenweger

Der Ständerat behandelte in der Sommersession die im Vorjahr vom Bundesrat vorgeschlagene Anpassung der Bestimmungen über die Strafbehörden des Bundes an die neue schweizerische Strafprozessordnung. Er stellte sich dabei gegen die von der Regierung angestrebte Wahl und Überwachung der Bundesanwaltschaft durch den Bundesrat. Damit dieser Bundesanwalt über eine unabhängige Stellung verfügt, sollen er und seine Ersatzleute vom Parlament gewählt und von einer Fachaufsichtskommission überwacht werden. Dieses Aufsichtsgremium soll sich aus je einem Richter des Bundesgerichts und des Bundesstrafgerichts, zwei praktizierenden Anwälten und drei Fachleuten, die weder Richter noch Anwälte sind, zusammensetzen. Die Rechtskommission des Nationalrats übernahm diese Regelung. Sie scheiterte in der Wintersession im Plenum aber am Widerstand der SVP, der CVP und der BDP, welche dagegen ins Feld führten, dass durch die Parlamentswahl des Bundesanwalts diese Funktion zu sehr von der Politik abhängig werde, und dass die Rolle und Stellung des Aufsichtsgremiums unklar sei. Der Nationalrat beschloss ferner die Schaffung einer vollwertigen Rekursinstanz für Urteile des Bundesstrafgerichts. Zuständig für diese nicht bloss formale, sondern auch materielle Überprüfung soll das Bundesgericht sein.

BRG Strafbehördenorganisationsgesetz (08.066) - das Parlament will den Bundesanwalt selber wählen
Dossier: Strafbehördenorganisationsgesetz (StBOG)
Dossier: Wahlen des Bundesanwalts