Suche zurücksetzen

Inhalte

  • Bundesanwaltschaft

Akteure

  • Arnold, Rinaldo

Prozesse

2 Resultate
Als PDF speichern Weitere Informationen zur Suche finden Sie hier

Ende Juli 2020, nur wenige Tage nach der Rücktrittsankündigung Michael Laubers, entschied der ausserordentliche Bundesanwalt Stefan Keller, dass gegen Lauber, gegen Fifa-Präsident Gianni Infantino und gegen den Walliser Staatsanwalt Rinaldo Arnold Strafverfahren wegen Amtsmissbrauch, Amtsgeheimnisverletzung und Begünstigung beziehungsweise wegen Anstiftung zu Begünstigung eingeleitet werden sollen. Die mutmasslichen Strafhandlungen sollen während vier geheimen und nicht protokollierten und von Arnold organisierten Treffen zwischen dem Bundesanwalt und dem Fifa-Präsidenten geschehen sein. Der Antrag Kellers hatte zwei konkrete Folgen für das Parlament: Erstens mussten die zuständigen Kommissionen entscheiden, ob die Immunität Laubers aufgehoben werden soll. Nur in diesem Fall konnte ein Strafverfahren gegen ihn eröffnet werden. Zweitens musste das Parlament eine ausserordentliche Bundesanwältin oder einen ausserordentlichen Bundesanwalt wählen und diese oder diesen mit der Strafuntersuchung betrauen.

Mitte August entschied sich die Kommission für Rechtsfragen des Ständerats mit 10 zu 1 Stimmen, die Immunität Laubers aufzuheben. Zwar war Lauber kurz zuvor zurückgetreten, seine Immunität hätte jedoch ohne Aufhebung auch weiterhin Bestand. Laut des Kommissionsberichts sei Lauber angehört worden, er habe die Zweifel am Verdacht, dass bei besagten Treffen strafbare Handlungen ausgeführt wurden, aber nicht entkräften können. Lauber hatte vergeblich darauf hingewiesen, dass weder die AB-BA noch das Bundesverwaltungsgericht Anzeichen auf strafbare Handlungen gefunden hätten und dass lediglich Vermutungen, aber keine konkrete Vorwürfe bestünden.
Die Kommission entschied, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der amtlichen Stellung Laubers und den ihm vorgeworfenen Handlungen bestehe – dies gilt als Voraussetzung für die Aufhebung der Immunität: Es sei unbestritten, dass Lauber in seiner Funktion als Bundesstaatsanwalt an den Treffen teilgenommen habe. Das rechtsstaatliche Interesse überwiege zudem dem institutionellen Interesse, also dem Schutz der Bundesanwaltschaft gegen mögliche haltlose Anschuldigungen. Es sei letztlich im «Interesse der Glaubwürdigkeit der Institution Bundesanwaltschaft selbst», dass der Sachverhalt geklärt werde. Zudem sei damit wohl auch Lauber selber gedient, weil er seinen Ruf im Rahmen eines Strafverfahrens verteidigen könne, schloss die ständerätliche Kommission ihren Bericht.

Am 24. August beschloss auch die für die Aufhebung zuständige nationalrätliche Kommission, die Immunitätskommission (IK-NR), mit 8 zu 1 Stimmen, die Immunität des Bundesanwaltes aufzuheben. Auch die IK-NR hörte Lauber noch einmal an, beurteilte den Zusammenhang zwischen amtlicher Stellung und Handlung als gegeben und befand ebenfalls, dass der Schutz der Institutionen weniger wichtig sei als die rechtsstaatlichen Interessen. Im vorliegenden Fall habe die Öffentlichkeit ein hohes Interesse an Aufklärung. Wie ihre Schwesterkommission betonte auch die IK-NR, dass es im Interesse der Institution Bundesanwaltschaft sei, «dass man nach jahrelanger medialer Diskussion jetzt [...] genau hinschaue.»

Damit war die Aufhebung der Immunität Laubers also beschlossene Sache. Das Parlament hatte freilich noch die ausserordentliche Bundesanwältin oder den ausserordentlichen Bundesanwalt zu wählen, der die Strafverfahren in Angriff nehmen sollte.

Strafverfahren gegen Lauber
Dossier: Michael Lauber - Bundesanwalt

Anfang November 2018 geriet Bundesanwalt Michael Lauber aufgrund verschiedener Vorkommnisse im Rahmen der Strafuntersuchung im Zusammenhang mit der Fédération Internationale de Football Association (Fifa) stark unter Druck. Das auch international stark beachtete Strafverfahren war 2015 wegen Verdachts auf ungetreue Geschäftsbesorgung, auf Geldwäscherei sowie auf die Gewährung unrechtmässiger Vorteile zur Beeinflussung der Vergaben der Fussballweltmeisterschaften 2018 und 2022 an Mitglieder des Exekutivkomitees der Fifa gestartet worden. In der Zwischenzeit hatte der Fall riesige Dimensionen angenommen: 25 hängige Strafverfahren, Zusammenarbeit mit 15 Ländern, 45 Rechtshilfegesuche und 19 Terabytes an Daten, wusste die NZZ zu berichten.

Unter dem Namen «Football Leaks» enthüllte ein internationales Netzwerk im November 2018, dass sich Lauber während des laufenden Verfahrens zweimal mit dem im Februar 2016 zum neuen Fifa-Generalsekretär gewählten Gianni Infantino in einem Restaurant in Zürich bzw. Bern getroffen haben soll. Praktisch gleichzeitig wurde bekannt, dass der Abteilungsleiter «Wirtschaftskriminalität» der Bundesanwaltschaft und Chefermittler im Fifa-Fall, Staatsanwalt Olivier Thormann, kurz vor Veröffentlichung der Leaks vorsorglich freigestellt worden war. Verschiedene Parlamentsmitglieder und auch die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) kündigten in der Folge an, die Hintergründe dieser Treffen und der Freistellung abklären zu wollen. In den Medien wurden in der Folge zwei Fragen diskutiert: Weshalb Thormann, der schliesslich nicht mehr auf seinen Posten zurückkehrte, trotz nicht erhärtetem Verdacht gegen ihn suspendiert worden sei und weshalb die «Standortbestimmungen mit Verfahrensbeteiligten», wie die Bundesanwaltschaft die Treffen mit Infantino bezeichnete, ausserhalb der behördlichen Räumlichkeiten stattgefunden hätten und nicht protokolliert worden seien. In einer Pressekonferenz erklärte Lauber seine Treffen mit der Fifa-Führung. Es sei um eine Standortbestimmung gegangen und um die Entwicklung einer Strategie für die Führung des Verfahrens. Die Fifa sei Privatkläger und geschädigte Partei, daher sei es darum gegangen, abzuklären, ob der Weltfussballverband auch unter Infantino kooperativ bleiben würde. Eine Dokumentationspflicht gelte für solche koordinative und informelle Treffen nicht. Hinsichtlich Thormann sei er von Amtes wegen verpflichtet gewesen, abzuklären, ob dieser sich straffällig verhalten habe.

Die Medien berichteten trotz der Beteuerungen Laubers zunehmend skeptisch über die Affäre. Die NZZ schrieb noch Ende 2018 etwa von einer «nebulösen Nähe» zwischen der Fifa und der Bundesanwaltschaft. Ins mediale Fadenkreuz geriet dabei auch der Oberstaatsanwalt des Kantons Wallis und Jugendfreund des Fifa-Generalsekretärs, Rinaldo Arnold, der laut NZZ die Treffen zwischen Lauber und Infantino eingefädelt und dafür von Infantino verschiedene Gefälligkeiten erhalten haben soll.

Eine neue Wendung erhielt die Geschichte Mitte April 2019. Das Verfahren gegen Arnold wurde zwar eingestellt – die Geschenke im Gesamtwert von rund CHF 20'000 seien aus einem freundschaftlichen Verhältnis heraus erfolgt –, im Rahmen der Untersuchungen stiess man aber auf Daten, die auf ein drittes Treffen zwischen Lauber und Infantino im Sommer 2017 in Bern hindeuteten, an dessen Inhalt sich aber niemand erinnern könne und das ebenfalls nicht protokolliert worden sei, so die NZZ. Auf die Frage der AB-BA im November 2018, ob weitere Treffen stattgefunden hätten, habe Lauber mit «Nein, nie auf Stufe Bundesanwalt» geantwortet, meldete der Tages-Anzeiger. Nicht nur diese Aussage, sondern auch der Zeitpunkt des Treffens müsse auf Misstrauen stossen, so die Medien. Rund ein halbes Jahr nach dem Treffen habe die Bundesanwaltschaft nämlich die Ermittlungen gegen Infantino selber eingestellt, die diesen in seiner Rolle als damaligen Uefa-Rechtschef betroffen und unter Korruptionsverdacht gestellt hätten.

Die AB-BA hatte in der Zwischenzeit die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen Lauber geprüft. Dieser setze nicht nur seine Karriere, sondern auch die millionenteuren Ermittlungen und das Ansehen der Schweiz aufs Spiel, kritisierte Hanspeter Uster, aktueller Präsident der AB-BA. Der Fifa-Komplex sei systemrelevant geworden. Zudem könnten solche nicht protokollierte Treffen von den Verteidigern einer anklagenden Partei als Befangenheit der Bundesanwaltschaft in einen Prozess eingebracht werden.

In der Folge wurden die Kritiken mit der Wiederwahl Laubers für die Amtszeit 2020 bis 2023, die für die Sommersession 2019 geplant war, verknüpft. Verschiedene Parlamentsmitglieder meldeten sich zu Wort. «Ein Bundesanwalt, der die Wahrheit verschweigt oder der lügt, ist nicht tragbar», liess sich etwa Christa Markwalder (fdp, BE) im Sonntags-Blick zitieren. Ein Bundesanwalt mit Gedächtnislücken sei nicht haltbar, meinte auch Elisabeth Schneider-Schneiter (cvp, BL) im «Blick». Lauber bestätigte in einem Radiointerview, sich nicht mehr an das Treffen erinnern zu können und beteuerte seine Absicht, zur Wiederwahl antreten zu wollen.

Der «Fifa-Fall» 2018 bis 2020
Dossier: Michael Lauber - Bundesanwalt