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  • Verfahrensfragen bei Volksrechten

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Die erfolgte Ungültigerklärung zweier Volksinitiativen (Asylinitiative der SD, Initiative „für weniger Militärausgaben und mehr Friedenspolitik“) durch die Bundesversammlung innerhalb nur eines Jahres löste ein gewisses Unbehagen darüber aus, dass eine solche Annullierung erst nach der erfolgreichen Unterschriftensammlung erfolgt. Anlässlich der Beratung der Teilrevision des Gesetzes über die politischen Rechte beschloss der Ständerat deshalb auf Antrag seiner Kommission, dass bei der Lancierung einer Volksinitiative durch die Bundeskanzlei eine - allerdings unverbindliche - materielle Vorprüfung der Gültigkeit durchzuführen sei. Der Nationalrat strich diese Bestimmung wieder. Da grosse Wahrscheinlichkeit bestehe, dass es zu sich widersprechenden Entscheiden der Bundeskanzlei und des Parlaments kommen könnte, hielt er diese Lösung für nicht praktikabel.

Teiländerung des Bundesgesetzes über die politischen Rechte (93.066)
Dossier: Parlamentarische Vorstösse zur Änderung der Politischen Rechte 1990-2000

Nach dem Bundesrat und dem Ständerat erklärte auch der Nationalrat die Asylinitiative der Schweizer Demokraten wegen Verstoss gegen zwingendes Völkerrecht für ungültig. Neben der SD hatte sich auch die FP und LdU/EVP-Fraktion sowie eine Mehrheit der SVP für die Gültigkeit ausgesprochen (die beiden letztgenannten plädierten für Gültigkeit, aber Ablehnung). Die Grünen und einige Vertreter der SP beantragten erfolglos, den völkerrechtswidrigen Artikel (unbedingte Rückschaffung) zu streichen und sie - mit einer Ablehnungsempfehlung versehen - für gültig zu erklären. In der Gesamtabstimmung setzte sich die Ungültigkeitserklärung mit 133 zu 33 Stimmen durch, wobei sich 20 Nationalräte, vor allem aus der SP und der GP, der Stimme enthielten.

Volksinitiative „Für eine vernünftige Asylpolitik“
Dossier: Volksinitiativen „Für eine vernünftige Asylpolitik“ und „Gegen die illegale Einwanderung“ (BRG 94.061)

Insgesamt achtmal - davon sechsmal seit 1970 - ist es bisher vorgekommen, dass eine vom Volk angenommene Verfassungsteilrevision am Ständemehr scheiterte. Der Nationalrat lehnte jedoch die in der Form einer allgemeinen Anregung gehaltene parlamentarische Initiative Gross (sp, ZH) für eine Gewichtung der Standesstimmen gemäss der Bevölkerungszahl der Kantone mit 90:54 Stimmen ab. Er folgte damit seiner Kommissionsmehrheit, welche den Vorstoss mit föderalistischen Argumenten bekämpft hatte. Eine vor allem in der Westschweiz aktive Bewegung "Renaissance Schweiz-Europa" kündigte die Lancierung einer Volksinitiative an, welche den Ständen je nach der Zahl der Stimmberechtigten 1 bis 3 Stimmen zuteilen will.

Pa.Iv. zur Gewichtung der Standesstimmen gemäss der Kantonsbevölkerung (94.416)
Dossier: Vorstösse zur Abschwächung des klassischen Ständemehrs

Gegen den Willen des Bundesrates, der dafür keine Mittel freigeben wollte, überwies der Nationalrat ein Postulat Gross (sp, ZH), das die Regierung ersucht, eine Analyse in Auftrag zu geben, welche den Einfluss des Einsatzes von finanziellen Mitteln auf die Meinungsbildung bei Volksabstimmungen erforscht.

Einfluss des Einsatzes von finanziellen Mitteln auf die Meinungsbildung

Die vom Bundesrat beantragte Ungültigkeitserklärung für die Volksinitiative der SD „für eine vernünftige Asylpolitik“ wegen Unvereinbarkeit mit zwingendem Völker- und Menschenrecht fand im Ständerat Zustimmung. Carlo Schmid (cvp, AI) plädierte vergeblich gegen die Ungültigkeitserklärung (und für die Ablehnung) der Initiative. Mit seinem Argument, dass die Verfassung selbst nur formelle, aber keine materiellen Schranken für Verfassungsteilrevisionen nennt, vermochte er nur einen Ratskollegen zu überzeugen. In einer staatsrechtlichen Debatte von hohem Niveau wurde von mehreren Rednern betont, dass in den letzten Jahrzehnten ein Gesinnungswandel in bezug auf materielle Schranken von Verfassungsrevisionen stattgefunden habe. Heute werde zwingendes Völkerrecht („jus cogens“) auch dann als übergeordneter Rechtsbestand von Demokratien anerkannt, wenn es nicht explizit in den Verfassungen erwähnt ist. Bundesrat Koller präzisierte in seinem Votum, dass nur sehr wenige, aber für den Schutz des Lebens zentrale Normen zu diesem zwingenden Völkerrecht gehörten, namentlich das Genozid- und Folterverbot sowie das - von der SD-Initiative in Frage gestellte - „Non-refoulement-Prinzip“. In dem Ende Juni in die Vernehmlassung gegebenen Entwurf für die Totalrevision der Bundesverfassung ist die Ungültigkeit von Initiativen, die zwingendem Völkerrecht widersprechen, explizit festgehalten.

Volksinitiative „Für eine vernünftige Asylpolitik“
Dossier: Volksinitiativen „Für eine vernünftige Asylpolitik“ und „Gegen die illegale Einwanderung“ (BRG 94.061)

Die Bundesversammlung entschied im Berichtsjahr über eine Volksinitiative, bei welcher die von der Verfassung geforderte Einheit der Materie umstritten war. Der Bundesrat hatte im Vorjahr beantragt, die Volksinitiative der SP „für weniger Militärausgaben und mehr Friedenspolitik“ trotz Verletzung der Einheit der Materie für gültig zu erklären. Die Sicherheitspolitische Kommission des Ständerats war damit nicht einverstanden. Gestützt auf eine Beurteilung der Staatspolitischen Kommission verlangte sie, die Initiative für ungültig zu erklären, da kein sachlicher Zusammenhang zwischen der Reduktion des Militärbudgets und der von den Initianten geforderten Aufstockung der Ausgaben für die Sozialpolitik bestehe. Die kleine Kammer folgte diesem Antrag. Im Nationalrat sprachen sich die Fraktionen der SP, der GP sowie SD/Lega und LdU/EVP für Gültigkeit, FDP, SVP, FP sowie eine Mehrheit der CVP für Ungültigkeit aus. Von Seiten der SP wurde argumentiert, dass mit der Ungültigkeitserklärung eine bisher grosszügige Praxis verlassen und Treu und Glauben der Initianten verletzt würde. Ihre Gegner erwiderten, dass - mit Ausnahme der wegen Undurchführbarkeit ungültig erklärten Chevallier-Initiative - noch nie eine derart eklatante Verletzung der Verfassungsvorschriften für Volksinitiativen vorgelegen habe, und deshalb von einer Praxisänderung nicht die Rede sein könne. Die Initiative wurde in der Gesamtabstimmung im Ständerat mit 37:7 und im Nationalrat mit 96:65 Stimmen für ungültig erklärt. Die SP lancierte kurz danach eine ähnliche Initiative, welche aber auf eine direkte Zuleitung der eingesparten Gelder in die Sozialpolitik verzichtet.

Initiative populaire «Pour moins de dépenses militaires et davantage de politique de paix» (déclarée invalide)
Dossier: Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA)

Im Herbst lancierte die SP die Volksinitiative „Mehr Rechte für das Volk dank dem Referendum mit Gegenvorschlag“, welche die Einführung des sog. konstruktiven Referendums verlangt. Der neue Verfassungsartikel sieht vor, dass zusätzlich zum bisherigen Referendum auch noch ein ebenfalls 50'000 Unterschriften erforderndes Referendum mit einem konkreten Gegenvorschlag zu einem Gesetz oder einem allgemeinverbindlichen Bundesbeschluss eingereicht werden kann. Voraussetzung dazu ist allerdings, dass der Gegenvorschlag bereits in einer der beiden Parlamentskammern beantragt worden ist, und dort bei mindestens 5% der Ratsmitglieder Unterstützung fand. Das Verfahren bei der Volksabstimmung wäre analog zu demjenigen bei einer Volksinitiative mit einem Gegenvorschlag (doppeltes Ja möglich, Stichfrage für den Fall, dass beide angenommen werden); mehrere sich konkurrierende Referenden würden einander zuerst in Eventualabstimmungen gegenübergestellt. (Zur Einführung des konstruktiven Referendums im Kanton Bern siehe hier.)

Volksinitiative „für ein konstruktives Referendum“ (99.021)

Nationalrat Keller (sd, BL) verlangte mit einer Motion, dass in Zukunft nicht mehr die Bundesversammlung über die Gültigkeit von Volksinitiativen entscheidet, sondern eine - nicht näher spezifizierte - Stelle eine verbindliche materiellrechtliche Vorprüfung durchführt. Der Vorstoss wurde in ein Postulat umgewandelt, obwohl ihn Vollmer (sp, BE), der sich für das Recht des Parlaments einsetzte, für diese Überprüfung allein zuständig zu bleiben, auch in dieser Form bekämpfte. Die Staatspolitische Kommission des Ständerats zeigte an einer solchen Lösung grosses Interesse. Bei der Vorberatung der Teilrevision des Gesetzes über die politischen Rechte (s. oben) beschloss sie, eine rechtliche Vorprüfung von Initiativen durch die Bundeskanzlei einzuführen. Deren Entscheid könnte innerhalb von 60 Tagen bei einer vom Parlament gewählten unabhängigen Rekurskommission angefochten werden, welche dann definitiv entscheiden würde. Der vom Bundesrat in die Vernehmlassung gegebene Entwurf für die Totalrevision der Verfassung schlägt vor, dass weiterhin die Bundesversammlung über die Gültigkeit entscheidet. Eine Ungültigkeitserklärung aufgrund von Nichtvereinbarkeit mit Völkerrecht müsste allerdings vom Bundesgericht sanktioniert werden.

Motion zur materiellrechtliche Vorprüfung von Volksinitiativen
Dossier: Parlamentarische Vorstösse zur Änderung der Politischen Rechte 1990-2000

Der Ständerat hatte im Vorjahr beschlossen, auf die Vorlage des Nationalrats für ein Verbot von rückwirkenden Bestimmungen in Volksinitiativen nicht einzutreten und den Bundesrat mit einer Motion [93.3533] zu beauftragen, selber diesbezügliche Vorschläge auszuarbeiten. Die vorberatende Kommission des Nationalrats hatte anschliessend mit knapper Mehrheit entschieden, den konkreten Vorschlag ebenfalls fallen zu lassen und auf entsprechende allgemeinere Vorschläge des EJPD im Rahmen der Totalrevision der Bundesverfassung zu warten. Nachdem die drei bürgerlichen Bundesratsparteien aber für eine rasche Lösung votiert hatten, beharrte der Nationalrat mit 84:64 auf seinem ursprünglichen Beschluss. Er überwies zudem auch die Motion des Ständerats. Dieser lehnte dann den Verbotsbeschluss des Nationalrats zum zweitenmal und damit definitiv ab.

Pa. Iv Zwingli, Verbot von Rückwirkeklausel in Initiativen

Der Nationalrat lehnte diskussionslos mit 102:7 Stimmen eine parlamentarische Initiative Zisyadis (pda, VD) für die Einführung der Stimmpflicht ab.

Stimmpflicht

Die Frage, ob und wie der Ausgang von Wahlen und Volksabstimmungen durch publizierte Ergebnisse von Meinungsumfragen beeinflusst wird, lässt sich nicht eindeutig beantworten. Immerhin bestehen in einigen Staaten gesetzliche Vorschriften über den Mindestabstand zwischen den letzten Veröffentlichungen und dem Wahl- resp. Abstimmungstag. In der Schweiz halten sich die Meinungsforschungsinstitute freiwillig an eine Frist von zehn Tagen. Diese Vorsichtsmassnahme droht nun durch die allgemeine Einführung der brieflichen Stimmabgabe, welche bereits drei bis vier Wochen vor dem Urnengang ausgeübt werden kann, bedeutungslos zu werden. Ständerat Büttiker (fdp, SO) lud deshalb den Bundesrat ein, die eventuellen Auswirkungen von während Kampagnen veröffentlichten Umfrageresultaten wissenschaftlich abklären zu lassen. Der Ständerat überwies sein Postulat gegen den Willen des Bundesrates, der für diese Thematik kein Geld ausgeben wollte.

Meinungsumfragen

Die Volksinitiative der SP „für weniger Militärausgaben“ bot Anlass, einmal mehr über die Anwendung der Verfassungsvorschrift zu diskutieren, dass bei Volksinitiativen die Einheit der Materie gewahrt sein müsse. In seiner Botschaft zur Initiative kam der Bundesrat zum Schluss, dass diese Einheit der Materie verletzt sei, da nicht nur Sparmassnahmen im Militärbereich, sondern gleichzeitig auch ein Ausbau des Sozialbereichs gefordert werde. Mit dem Verweis auf die bisherige grosszügige Praxis beantragte er dem Parlament jedoch, von einer Ungültigkeitserklärung abzusehen. Anders entschied er bei der Initiative der SD „für eine vernünftige Asylpolitik“. Die hier verlangte unbedingte Rückschaffung von illegal eingereisten Ausländern, ohne Rücksicht auf eine eventuelle existentielle Gefährdung, bliebe nach Ansicht des Bundesrates auch dann völker- und menschenrechtswidrig, wenn die Schweiz entsprechende Abkommen und Konventionen aufkündigen würde. Der Bundesrat stützte sich in seiner Beurteilung auf die neueren Ansichten der schweizerischen und internationalen Rechtslehre, die besagt, dass in einem Rechtsstaat die Verfassung „zwingendes Völkerrecht“ nie verletzen darf. Er beantragte deshalb dem Parlament, diese Volksinitiative für ungültig zu erklären.

Initiative populaire «Pour moins de dépenses militaires et davantage de politique de paix» (déclarée invalide)
Dossier: Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA)

Der Ständerat befasste sich als Zweitrat mit demjenigen Teil der Teilrevision des Gesetzes über die politischen Rechte, der das Verfahren bei den Nationalratswahlen regelt. Dabei folgte er weitgehend dem Nationalrat. Insbesondere stimmte er der Regelung zu, dass Unterlistenverbindungen dann zugelassen sein sollen, wenn sie sich bei gleicher Listenbezeichnung einzig durch einen Zusatz zur Kennzeichnung des Geschlechts, der Region, des Alters oder der Parteirichtung unterscheiden. Bei den Massnahmen zur Verhinderung von sogenannten Juxlisten wollte der Ständerat die Wahlteilnahme nicht von finanziellen Erwägungen abhängig machen. Auf Antrag Büttiker (fdp, SO), der argumentierte, dass davon vor allem auch die Jungparteien getroffen würden, verzichtete er auf die Beteiligung von erfolglosen Listen an den Druckkosten. Als Kompensation erhöhte er dagegen die zur Einreichung einer Liste erforderliche Unterschriftenzahl für Kantone mit mehr als 20 Sitzen von 200 auf 400. Der Nationalrat übernahm diese Änderungen. In der Schlussabstimmung hiess die grosse Kammer die neuen Vorschriften gegen den Widerstand der SP und der kleinen Parteien mit 105 zu 60 gut; im Ständerat gab es keine Gegenstimmen. Der Bundesrat setzte die neuen Bestimmungen, welche unter anderem auch die Einführung der uneingeschränkten brieflichen Stimmabgabe bei eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen enthalten, im Oktober in Kraft. Schliesslich konnten zwei vom Nationalrat 1993 überwiesene Motionen gegen die Listenvielfalt vom Ständerat als erfüllt abgeschrieben werden (93.3008 / 93.3009).

Teiländerung des Bundesgesetzes über die politischen Rechte (93.066)
Dossier: Parlamentarische Vorstösse zur Änderung der Politischen Rechte 1990-2000

Die Staatspolitische Kommission des Nationalrats beantragte dem Plenum, die unbestrittenen Punkte der Vorlage bereits in der Dezembersession zu behandeln, um sie noch auf die nächsten Nationalratswahlen in Kraft treten zu lassen. Der Rat beschloss jedoch auf Antrag von Spoerry (fdp, ZH) und Iten (cvp, NW) und gegen den Widerstand der Linken und der Grünen, sich nicht auf die formalen Änderungen zu beschränken, sondern auch die umstrittenen Massnahmen gegen Juxlisten und Unterlistenverbindungen in die Beratung zu ziehen. In der Detailberatung folgte der Rat den Vorschlägen des Bundesrates sowohl für eine Erhöhung der Unterschriftenzahl für die Einreichung von Wahllisten in den grossen Kantonen als auch für die Druckkostenbeteiligung für erfolglose Listen. An dem von SP und GP bekämpften Verbot von Unter-Unterlistenlistenverbindung hielt der Rat fest. Hingegen beschloss er auf Antrag seiner Kommission und gegen den Widerstand der AP, dass Unterlistenverbindungen für Gruppen gleichen Namens, die sich in bezug auf Geschlecht, Region oder Alter abgrenzen, weiterhin erlaubt sein sollen. Das revidierte Gesetz wurde gegen den Widerstand der SP, der GP und den Fraktionen LdU/EVP und SD/Lega zuhanden des Ständerats verabschiedet.

Teiländerung des Bundesgesetzes über die politischen Rechte (93.066)
Dossier: Parlamentarische Vorstösse zur Änderung der Politischen Rechte 1990-2000

Am 1. September veröffentlichte der Bundesrat die Botschaft für eine Teilrevision des aus dem Jahre 1976 stammenden Gesetzes über die politischen Rechte. Die Regierung stützte sich bei dieser Reform weitgehend auf Vorschläge, welche das Parlament in den letzten Jahren als Motionen oder Postulate überwiesen hatte. Grundlegende Änderungen werden jedoch keine angestrebt. Es ist insbesondere vorgesehen, gewissen Vollzugsschwierigkeiten zu begegnen, welche bei den Nationalratswahlen vor allem in den grossen Kantonen Bern und Zürich infolge der wachsenden Zahl von Listen und Kandidierenden aufgetreten waren. Engpässe wurden dabei bei der effizienten Ermittlung der Resultate ausgemacht. Probleme ergaben sich aber auch wegen der Verpflichtung der Behörden, sämtliche Listen zu drucken und zu verteilen. Der Bundesrat schlug deshalb vor, die Einreichung von sogenannten Juxlisten, welche zum vorneherein keine Wahlchancen haben, zu erschweren. Dazu soll die für die Anmeldung einer Liste erforderliche Zahl der Unterzeichner nach Kantonen abgestuft und für die grössten sechs von heute 50 auf maximal 200 erhöht werden. Zudem sollen die Verantwortlichen für Listen, welche nur eine sehr geringe Stimmenzahl erzielt haben, an den Druckkosten beteiligt werden. Unterlistenverbindungen möchte der Bundesrat in Zukunft verbieten, obwohl die Reaktion auf diesen Vorschlag in der Vernehmlassung mehrheitlich negativ ausgefallen war.

Um auf unnötige Wahlgänge zu verzichten, sollen in Kantonen mit nur einem Mandat die Nationalratswahlen auch still durchgeführt werden können. Die briefliche Stimmabgabe soll, wie sie in vielen Kantonen bereits praktiziert wird, voraussetzungslos möglich werden. Weil die grosse Flut von Listen und Kandidaturen es der Bundeskanzlei immer schwieriger machen, das Ergebnis der Nationalratswahlen vom zweitletzten Oktobersonntag bis zum Beginn der ordentlichen Wintersession Anfangs Dezember zu erwahren, möchte der Bundesrat zudem die Legislatureröffnungssession auf den Januar verschieben.

Auch im Bereich der direktdemokratischen Instrumente werden einige Änderungen vorgeschlagen. So sollen Volksinitiativen schneller behandelt werden. Während bisher dem Bundesrat und dem Parlament bei ausformulierten Begehren vier Jahre bis zum Beschluss über die Empfehlung zustanden, sollen sie neu spätestens drei Jahre nach ihrer Einreichung zur Volksabstimmung kommen. Bei Referenden schlägt der Bundesrat eine Verlängerung der Frist für das Sammeln von Unterschriften von 90 auf 100 Tage vor, will aber die Möglichkeit einer nachträglichen Beglaubigung der Unterschriften abschaffen.

Auf andere, ebenfalls vom Parlament angeregte Neuerungen, wie zum Beispiel die Offenlegungspflicht für die Finanzierung von Wahlkampagnen, die Entrichtung von Beiträgen an die Parteien für Kampagnekosten oder die Reglemetierung von Meinungsumfragen im Vorfeld von Wahlen und Abstimmungen, verzichtete der Bundesrat in seiner Botschaft.

Teiländerung des Bundesgesetzes über die politischen Rechte (93.066)
Dossier: Parlamentarische Vorstösse zur Änderung der Politischen Rechte 1990-2000

Im Kanton Bern hiess das Volk in einer Variantenabstimmung zur neuen Kantonsverfassung die Einführung des Konstruktiven Referendums gut. In Zukunft werden damit Referendumskomitees nicht bloss eine Volksabstimmung über einen Parlamentsbeschluss verlangen, sondern diesem auch einen konkreten Gegenvorschlag gegenüberstellen können.

Einführung des Konstruktiven Referendums im Kanton Bern 1993

Auf Antrag seiner Staatspolitischen Kommission beschloss der Nationalrat, einer parlamentarischen Initiative Rebeaud (gp, GE), welche sowohl ein Verbot für den Massenversand von Unterschriftenlisten als auch für die Entlöhnung von Unterschriftensammlern gefordert hatte, keine Folge zu geben. Beide Vorschläge wurden als nicht praktikabel beurteilt.

Verbot für bezahlte Unterschriftensammler

Im März befasste sich der Nationalrat mit Massnahmen gegen die vor allem in grossen Kantonen als zu gross empfundene Anzahl von Listen bei den Nationalratswahlen. Da der Bundesrat in Aussicht gestellt hatte, noch im laufenden Jahr seine Vorschläge für eine Teilrevision des Gesetzes über die politischen Rechte vorzulegen, in welcher auch dieses Thema angeschnitten würde, entschied sich der Nationalrat dafür, einer 1991 eingereichten parlamentarischen Initiative Spoerry (fdp, ZH) keine Folge zu geben. Immerhin verabschiedete er eine Motion, welche generell entsprechende Massnahmen verlangt. Da das in der Initiative Spoerry enthaltene Verbot von Listenunterverbindungen sowohl in der vorberatenden Staatspolitischen Kommission als auch im Plenum stark umstritten war, wurde es im Motionstext lediglich unverbindlich als Möglichkeit aufgeführt. Eine weniger umstrittene Motion des Nationalrats verlangte vom Bundesrat die Staffelung der für die Einreichung eines Wahlvorschlags erforderlichen Unterschriftenzahl nach der Kantonsgrösse.

Massnahmen zur Bekämpfung der Listenflut (Pa.Iv. 91.434)
Dossier: Parlamentarische Vorstösse zur Änderung der Politischen Rechte 1990-2000

Der Bundesrat hatte in seiner Botschaft zur Waffenplatzinitiative festgestellt, dass eine Rückwirkungsklausel bei Volksinitiativen in der bisheriger Praxis zugelassen war. Da dem Initiativrecht keine materiellen Schranken (mit Ausnahme der faktischen Durchführbarkeit und der Einheit der Materie) gesetzt sind, plädierten der Staatsrechtler Schindler – der im Auftrag des Bundesrates ein Gutachten erstellt hatte – sowie auch seine Kollegen Eichenberger und Kölz, welche die Frage im Auftrag einer Ständeratskommission abgeklärt hatten, gegen eine Ungültigkeitserklärung von Initiativen mit Rückwirkungsklauseln. Das Parlament schloss sich bei der Waffenplatzinitiative diesen Überlegungen an und erklärte sie für gültig.

Gültigkeit der Waffenplatzinititative
Dossier: Waffenplatz Neuchlen-Anschwilen (SG)

Die Auseinandersetzungen über den EWR belebten nicht nur die Diskussion über das Regierungssystem, sondern gaben auch neuen Ideen bei der Ausgestaltung der Volksrechte Auftrieb. Angesichts der Tatsache, dass die Schweiz im Rahmen des EWR zukünftig hätte EG-Recht fristgerecht übernehmen müssen, schlugen die SP und später auch die Staatspolitische Kommission des Nationalrats (SPK-NR) die Einführung des konstruktiven Referendums vor. Dieses neue Volksrecht würde es den Gegnern eines Behördenentscheides erlauben, diesen weiterhin mit einem Referendum zu bekämpfen, gleichzeitig aber einen eigenen, allerdings ebenfalls mit dem EG-Recht verträglichen Gegenvorschlag einzubringen. Nach Ansicht der Kommission hätte damit die Schweiz den EWR-Verpflichtungen in bezug auf rasche Gesetzesanpassungen genügen können, ohne die Volksrechte abbauen zu müssen. Da der Nationalrat der Meinung war, dass die EWR-Vorlage nicht auch noch mit der Schaffung von neuen Volksrechten belastet werden sollte, zog die Kommission ihren Vorschlag zwecks weiterer interner Beratung zurück. Die Idee des konstruktiven Referendums ist nicht allein auf Bundesebene im Gespräch. Anlässlich der Totalrevision der bernischen Verfassung beantragte die Verfassungskommission die Einführung dieses neuen, hier Volksvorschlag genannten Instruments. Der Grosse Rat lehnte dies zwar knapp ab, beschloss aber, den endgültigen Entscheid darüber dem Volk als Variantenabstimmung im Rahmen des Entscheids über die neue Verfassung zu überlassen.

Einführung des Konstruktiven Referendums im Kanton Bern 1993

Die in den letzten Jahren einige Male festgestellte Praxis, dass Personen für das Sammeln von Unterschriften für Initiativen und Referenden entschädigt worden sind oder dass – wie z.B. bei den Referenden gegen die Parlamentsreform – gleich Werbeagenturen mit der Unterschriftensammlung beauftragt wurden, veranlasste Ständerat Petitpierre (fdp, GE) zur Einreichung einer Motion. Er forderte darin, dass wie in Österreich Volksbegehren nur noch in bestimmten Büros (z.B. Gemeindeverwaltung) unterzeichnet werden dürfen. Nachdem Bundeskanzler Couchepin auf den für 1993 angekündigten Entwurf für die Revision des Gesetzes über die politischen Rechte verwiesen hatte, wandelte der Rat den Vorstoss in ein Postulat um.

Motion Petitpierre zur Unterschriftensammlung
Dossier: Parlamentarische Vorstösse zur Änderung der Politischen Rechte 1990-2000

Die im Vorjahr in Schwung gekommene Diskussion über die Zulässigkeit von Rückwirkungsklauseln in Volksinitiativen wurde im Berichtsjahr aus aktuellem Anlass weitergeführt. Zuerst hatte das Parlament zur Volksinitiative «40 Waffenplätze sind genug» Stellung zu nehmen. Dieses Begehren wurde primär zur Verhinderung des 1989 von der Bundesversammlung beschlossenen Waffenplatzes Neuchlen (SG) eingereicht und ist deshalb mit einer Rückwirkungsklausel ausgestattet. Noch während dieser Auseinandersetzung reichten Armeegegner eine Volksinitiative ein, welche den Parlamentsbeschluss für den Kauf von F/A-18-Kampfflugzeugen ebenfalls mit einer rückwirkenden Bestimmung zu Fall bringen'will. Einige bürgerliche Parlamentarier – unter ihnen der Berner Ständerat Zimmerli (svp) – sprachen sich ,für eine Ungültigkeitserklärung der Waffenplatzinitiative aus, da mit ihr im nachhinein ein gemäss Verfassung dem Parlament zustehender Entscheid korrigiert werden soll und damit die Volksinitiative den Charakter eines nicht vorgesehenen Referendums erhalte.

Gültigkeit der Waffenplatzinititative
Dossier: Waffenplatz Neuchlen-Anschwilen (SG)

Ein Vorschlag, wie vermieden werden könnte, dass vom Parlament beschlossene grosse Rüstungsgeschäfte und Bauprojekte mit rückwirkenden Volksinitiativen bekämpft werden, kam vom Staatsrechtler Kölz und wurde auf politischer Ebene von Nationalrat Rechsteiner (sp, SG) in Form einer parlamentarischen Initiative aufgenommen. Diese verlangt, dass die Bundesversammlung auch Verwaltungsakte von ausserordentlicher Tragweite in der Form eines allgemeinverbindlichen – und damit dem fakultativen Referendum unterstellten – Bundesbeschlusses fassen kann. Gemäss Kölz hatte die anlässlich der Verfassungstotalrevision von 1874 eingeführte Rechtsform des allgemeinverbindlichen Bundesbeschlusses ursprünglich die Bedeutung eines Verwaltungsreferendums für wichtige Entscheide. Sie war dann aber 1962 im Rahmen einer Revision des Geschäftsverkehrsgesetzes restriktiver gefasst worden, indem ihre Anwendung auf zeitlich befristete gesetzgeberische Entscheide beschränkt wurde.

Pa. Iv. Rechsteiner Referendum bei Verwaltungsakten
Dossier: Parlamentarische Vorstösse zur Änderung der Politischen Rechte 1990-2000

Auch wenn das Parlament diese aktuellen sicherheitspolitischen Streitfragen nicht zum Anlass für eine Praxisänderung nehmen wollte, wird das Thema im Gespräch bleiben. Die Staatspolitische Kommission des Nationalrats beschloss mit knappem Mehr, die im Vorjahr überwiesene parlamentarische Initiative Zwingli (fdp, SG) weiter zu behandeln und abzuklären, welche neuen Bestimmungen geschaffen werden müssten, um Rückwirkungsklauseln in Volksinitiativen in Zukunft zu verbieten.

Pa. Iv Zwingli, Verbot von Rückwirkeklausel in Initiativen

Der Grüne Rebeaud (GE) nahm ebenfalls die Praktiken beim Referendum gegen die Parlamentsreform zum Anlass, um mit einer vom Nationalrat noch nicht behandelten parlamentarischen Initiative ein Verbot für bezahlte Unterschriftensammler und für den Massenversand von Unterschriftenbogen zu verlangen. Zwei parlamentarische Initiativen, welche eine Anpassung der für Referendum (Rychen, svp, BE) resp. Volksinitiative (Seiler, svp, BE) benötigten Unterschriftenzahl an die stark gestiegene Zahl der Stimmberechtigten verlangten, fanden in der Staatspolitischen Kommission des Nationalrats keine Unterstützung.

Verbot für bezahlte Unterschriftensammler