Die Debatte um die Vereinbarkeit von Volksinitiativen mit internationalen Abkommen sowie dem Völker- und Menschenrecht verstummte auch 2010 nicht. Nicht nur die Minarett-, die Ausschaffungs- und die Verwahrungsinitiative sondern auch die 2010 angekündigte, aber wieder zurückgezogene Initiative zur Wiedereinführung der Todesstrafe waren Anlass für zahlreiche Vorschläge und Vorstösse. Der Bundesrat hatte im März 2010 in einem ersten Bericht (in Erfüllung der Postulate 07.3764 und 08.3765) lediglich Optionen aufgelistet, wie das Verhältnis von Völkerrecht und Volksinitiativen zu klären wäre. Gleichzeitig hatte die Regierung aber einen ausführlichen Zusatzbericht in Auftrag gegeben, der Ende 2010 allerdings noch nicht vorlag. In der Staatspolitischen Kommission des Ständerats wurden nicht nur diese Optionen diskutiert, sondern auch die vom Nationalrat 2009 überwiesene parlamentarische Initiative Vischer (gp, ZH), welche anregt, nicht nur jenen Initiativen die Gültigkeit absprechen zu können, die gegen zwingendes Völkerrecht verstossen, sondern auch jenen, die Grundrechtschutz verletzen. Die SPK-SR bevorzugt allerdings ein Vorprüfungsverfahren und steht der Ausweitung des Katalogs, der die Gründe für eine Ungültigkeitserklärung umfasst, eher skeptisch gegenüber. Bevor sie sich zur Initiative Vischer äussert, will sie aber den Zusatzbericht des Bundesrats abwarten. Auch Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf schaltete sich in die Diskussion ein und schlug vor, völkerrechtlich heikle Initiativen bei der Unterschriftensammlung mit einem Warnhinweis zu versehen. Eine Gruppe aus Menschenrechtsorganisationen und des Club Helvétique beschloss die Lancierung einer Initiative, die Bundesverfassung dahingehend zu ändern, dass Grundrecht verletzende Volksinitiativen für ungültig erklärt werden können. Weiter wurde vorgeschlagen, eine materielle Prüfung von Volksbegehren bereits vor der Unterschriftensammlung vorzunehmen. Die nationalrätliche SPK-NR hatte eine solche Prüfung empfohlen, wobei aber noch umstritten war, wer diese Prüfung vornehmen soll. Zur Diskussion standen richterliche Gremien oder aber das Parlament selbst.

Gültigkeit von Volksinitiativen (Pa.Iv. 07.477)
Dossier: Ungültigkeitsgründe von Volksinitiativen