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  • Flach, Beat (glp/pvl, AG) NR/CN
  • Dandrès, Christian (sp/ps, GE) NR/CN

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In einer im September 2020 eingereichten Motion verlangte Nationalrat Christian Dandrès (sp, GE) vom Bundesrat, dass sich die Schweiz für die Beilegung der kollektiven Arbeitsstreitigkeiten bei der UNO einsetzen müsse, indem sie ihre Guten Dienste anbiete. Motionär Dandrès führte aus, dass die Arbeitsbedingungen bei der UNO und deren Sonderorganisationen regelmässig für Konflikte sorgten, auch weil gewisse Grundprinzipien des kollektiven Arbeitsrechts nicht respektiert würden. Auf eine Interpellation Rennwald (sp, JU; Ip. 03.3501) habe der Bundesrat im Jahr 2003 geantwortet, dass die Schweiz sich als Sitzstaat nicht für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen bei der UNO einsetzen könne. Dandrès argumentierte nun jedoch, dass die Schweiz durchaus ihre Guten Dienste zur Beilegung der kollektiven Arbeitsstreitigkeiten anbieten könne. Dadurch würde man zur Einhaltung der internationalen Rechte beitragen, zu denen auch die Standards der ILO gehörten.
Der Bundesrat betonte in seiner Stellungnahme, dass die Schweizer Behörden gemäss Sitzabkommen die Unabhängigkeit und Handlungsfreiheit der hierzulande ansässigen internationalen Organisationen garantieren müssen. Durch das Sitzabkommen seien die Organisationen aber verpflichtet, einen Streitbeilegungsmechanismus einzurichten, der auch Arbeitskonflikte einschliesse. Die Mitarbeitenden der UNO könnten sich an das Gericht der Vereinten Nationen für dienstrechtliche Streitigkeiten, jene der Sonderorganisationen an das Verwaltungsgericht der ILO wenden. Als Gaststaat mische sich die Schweiz nicht in die internen Angelegenheiten der Organisationen ein, auch weil eine Streitbeilegung politisiert und instrumentalisiert werden könne. Sie könne sich aber als Mitgliedstaat in den Gremien der internationalen Organisationen engagieren. Vor diesem Hintergrund beantragte der Bundesrat die Ablehnung der Motion.
In der Frühjahrssession 2022 erklärte Motionär Dandrès, dass sich die internationalen Spannungen der letzten Jahre auch auf die Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst ausgewirkt hätten, insbesondere weil gewisse Staaten – wie die USA unter Präsident Trump – ihre Beiträge gekürzt oder zurückbehalten hätten. Durch das gesunkene Lohnniveau in den internationalen Organisationen hätten einige Staaten ihren Beamtinnen und Beamten bei der UNO zusätzliche Gehälter auszahlen müssen. Das habe Abhängigkeitsverhältnisse geschaffen und schränke aufgrund der abschreckenden Wirkung zudem den Kreis der Personen ein, die sich auf diese Ämter bewerben würden. Der Motionär appellierte erneut an den Bundesrat, die Guten Dienste der Schweiz anzubieten und damit zur Streitbeilegung beizutragen. Aussenminister Cassis pochte aber auf die Verpflichtungen, die der Schweiz aus dem Sitzabkommen erwachsen würden. Als Mitgliedstaat nutze die Schweiz informelle Wege und bilaterale Gespräche, um das Thema zu diskutieren. Die grosse Kammer lehnte die Motion mit 125 zu 65 Stimmen ab, sehr zum Unmut der Fraktionen der SP und der Grünen, die dafür gestimmt hatten.

Die Schweiz muss sich für die Beilegung der kollektiven Arbeitsstreitigkeiten bei der UNO einsetzen

Der Ständerat hatte in der Frühjahrssession 2020 die vom Bundesrat vorgeschlagenen polizeilichen Massnahmen zur Terrorismusbekämpfung (PMT) weitgehend unverändert übernommen. Damit sollen terroristische Gefährderinnen und Gefährder als letztes Mittel unter Hausarrest gestellt werden können, auch wenn sie noch minderjährig sind. Daran entzündete sich nachfolgend eine öffentliche Debatte über die Rechtsstaatlichkeit solcher Massnahmen. Wer ein Gefährder oder eine Gefährderin ist, sei nur «äusserst schwammig» definiert, monierte die WOZ, und es sei beängstigend, «wie sorglos die ParlamentarierInnen mit den Grundrechten umgehen». Weiter lastete die Zeitung der Kantonskammer «Arbeitsverweigerung» an, weil sie sich nicht mit diesen grundlegenden Fragen auseinandergesetzt habe. Kritisch ausgefallen ist, wie die Presse im Mai berichtete, auch ein Rechtsgutachten, das vom Bund und den Kantonen in Auftrag gegeben worden war. Darin warnte Rechtsprofessor Andreas Donatsch vor einer Verletzung der EMRK – dass ein Mensch als gefährlich eingestuft werde, genüge nicht, um ihn einzusperren. Zum selben Schluss kamen sowohl das UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte als auch die Menschenrechtskommissarin des Europarates, Dunja Mijatović. Man befürchte, «dass die Anwendung dieses Gesetzes zu erheblichen Verletzungen der Menschen- und Grundrechte führt», zitierte beispielsweise der «Sonntags-Blick» aus dem Schreiben an den Bundesrat, das fünf UNO-Sonderberichterstatter unterzeichnet hatten. Die unpräzisen Formulierungen bzw. das vage Konzept des «potenziellen Terroristen» bereiteten das Feld für willkürliche Freiheitsentzüge und die vorgesehenen Massnahmen seien so weder mit der EMRK noch – da zum Teil schon ab 12 Jahren angedacht – mit der UNO-Kinderrechtskonvention vereinbar, lautete die internationale Schelte. Europaratskommissarin Mijatović forderte die Schweizer Parlamentarierinnen und Parlamentarier zudem in einem Brief auf, «ihr Vorhaben zu revidieren», wie «Le Temps» berichtete.
Die SiK-NR goss unterdessen munter Öl ins Feuer, als sie ungeachtet der Kritik am bundesrätlichen Entwurf diesen noch verschärfte. In ihrer Sitzung Mitte Mai 2020 ergänzte sie die polizeilichen Massnahmen mit 11 zu 10 Stimmen bei 4 Enthaltungen um eine sogenannte gesicherte Unterbringung von Gefährdern (GUG), d.h. eine Präventivhaft für Personen, die keine Straftat begangen haben, denen der Nachrichtendienst dies aber zutraut. Sie wolle damit eine vom Nationalrat 2018 angenommene entsprechende Motion 16.3673 umsetzen, war ihrer Medienmitteilung zu entnehmen. Die Aargauer Zeitung kommentierte diesen Entscheid in Anbetracht der Debatte um die Rechtsstaatlichkeit des – im Vergleich zur Haft weniger einschneidenden – Hausarrests als «überraschend». Als Anführer der starken Minderheit, die sich in der Kommission gegen die Präventivhaft stellte, liessen die Medien Nationalrat Beat Flach (glp, AG) zu Wort kommen: Ein liberaler Rechtsstaat müsse andere – auch «verrückt andere» – Meinungen zulassen, denn wenn wir unsere Grundwerte über Bord würfen, hätten die Terroristen uns «in die Knie gezwungen», so Flach gegenüber der Aargauer Zeitung. Relativierend äusserte sich in derselben Zeitung dagegen Kommissionspräsidentin Ida Glanzmann-Hunkeler (cvp, LU): «Damit man in der Schweiz als Gefährder eingestuft wird, braucht es mehr als eine extreme Meinungsäusserung.»
Bevor sich in der Sommersession 2020 der Nationalrat mit dem Geschäft befassen wird, sprachen sich in der Presse Vertreterinnen und Vertreter von Menschenrechtsorganisationen sowie Kinder- und Grundrechtsexperten noch einmal vehement gegen die umstrittenen Massnahmen aus. Bei der Terrorbekämpfung dürften die Menschenrechte nicht aussen vor bleiben, forderten sie unisono. Ausserdem habe die Schweiz mit Genf als «UNO-Menschenrechtshauptstadt» durchaus einen Ruf zu verlieren, gab eine Vertreterin von Amnesty International gegenüber dem «Corriere del Ticino» zu bedenken.

Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT; 19.032)
Dossier: Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung
Dossier: PMT und damit umgesetzte Vorstösse
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen