Jeder sechste Gesamtarbeitsvertrag (GAV) weist Lohnkategorien auf, die Frauen diskriminieren. Gemäss einer Studie, die im Rahmen des NFP 35 ("Frauen in Recht und Gesellschaft") ausgearbeitet wurde, sind direkte Lohndiskriminierungen zwar - zumindest in den grossen GAV - seltener geworden. Von den 69 grössten GAV, denen 1993 1,24 Mio Beschäftigte (88% aller GAV-Arbeitnehmenden) unterstellt waren, sahen nur noch zwei tiefere Löhne für Frauen vor. Erheblich mehr direkte Lohndiskriminierungen sind in kleineren GAV auszumachen. Zudem sind in allen GAV häufig indirekte Benachteiligungen an die Stelle der direkten getreten, beispielsweise wenn die Kategorien "Frau" und "Mann" durch "leichte Arbeiten" und "schwere Arbeiten" ersetzt wurden.
Die Studie zeigte, dass die GAV in Gleichstellungsfragen zwiespältig sind. Einerseits widerspiegeln sie die Benachteiligung der Frauen im Erwerbsleben, andererseits steckt in den Verträgen durchaus ein Potential zur Gleichstellung der Geschlechter. Im Gegensatz zu den Männern, die grösstenteils Vollzeitstellen besetzen, arbeiten Frauen zu über 50% als Teilzeitangestellte, vor allem wenn sie Kinder haben. Teilzeitarbeitsverhältnisse werden aber von jedem dritten GAV zumindest teilweise ausgeschlossen. Klare Benachteiligungen gibt es auch bei den Bestimmungen bezüglich der Regelung des Überstundenzuschlags. Nur gerade drei GAV sehen vor, dass dieser Zeitzuschlag bereits ab Überschreitung des Teilzeitpensums zu entrichten ist. Andererseits gibt es für 96% aller GAV-unterstellten Frauen eine Mutterschaftsregelung. Auch bei der bezahlten Freistellung zur Pflege kranker Kinder füllen die GAV teilweise eine gesetzliche Lücke. Knapp ein Viertel der Verträge mit einer Drittel aller GAV-Angegliederten enthalten einen Anspruch, der zwei bis fünf Tage pro Jahr beträgt. Aber nur gerade sechs GAV, die 16% aller GAV-unterstellten Frauen umfassen, bekennen sich explizit zur Chancengleichheit und enthalten besondere Bestimmungen zur Frauenförderung. Eine im Frühjahr 1995 im Auftrag des Schweizerischen Kaufmännischen Verbandes durchgeführte Studie, die über 10 000 Einzellöhne in 350 Unternehmen umfasste, zeigte, dass die Frauen in Sachen Lohn umso mehr benachteiligt sind, je älter und je höher sie auf der Karriereleiter gestiegen sind. Für gleiche Arbeit erhalten die Frauen - bei gleicher Funktionsstufe, Branche und Alter - bis zu 35% weniger Lohn als Männer.
GAV in Gleichstellungsfragen zwiespältig