In den Räten war die allgemeine Stossrichtung der Vorlage nicht bestritten. Im Nationalrat votierten die Fraktionen zu Beginn der rund dreizehnstündigen Debatte durchwegs für Eintreten, wobei die Linke, die Grünen und die LdU/EVP-Vertreter ihre vorwiegend humanitären Bedenken nicht verschwiegen, während bürgerliche Vertreter ihrer Befürchtung Ausdruck verliehen, das neue Instrumentarium werde nicht genügen, um die schwierige, Lage zu entschärfen. Rückweisungs- oder Nichteintretensanträge wurden nur von ganz links und rechts aussen gestellt, aber mit offensichtlichem Mehr zurückgewiesen.
Die meisten Punkte der Vorlage wurden relativ diskussionslos angenommen. In einer wesentlichen und hart umkämpften Frage allerdings, nämlich der Schaffung einer verwaltungsunabhängigen Rekursinstanz, stellte sich die Grosse Kammer gegen den Bundesrat und die Mehrheit der vorberatenden Kommission. Die bundesrätliche Vorlage sah eine derartige Kommission zwar vor, wollte deren Einsetzung aber mit einer Kann-Formel dem Gutdünken der Regierung vorbehalten. Für die SP, die sich damit zum Sprachrohr der Hilfswerke machte, war dagegen ein diesbezüglicher verbindlicher Auftrag gewissermassen der Preis, den sie für die Unterstützung der Gesamtvorlage in Rechnung stellen wollte. Eine Koalition aus SP, GP, LdU/EVP, LP und Teilen der CVP verhalf schliesslich einem Kompromissvorschlag Guinand (lp, NE) zum Durchbruch: Der Bundesrat wurde verpflichtet, eine vom EJPD unabhängige Beschwerdeinstanz einzusetzen; es bleibt ihm aber anheimgestellt, wann und wie er diese Kommission einführen will.
Nicht weniger heftig umstritten waren Anträge, welche die Beschränkungen im Erwerbsleben der Asylbewerber über die bundesrätlichen Vorschläge hinaus verschärfen wollten. Aus den Reihen der SVP stammte die Idee, Asylsuchende während der Dauer des Arbeitsverbotes zu unbezahlter gemeinnütziger Arbeit zu verpflichten. Mit dem Hinweis auf die Europäische Menschenrechtskonvention trat Bundespräsident Koller dieser Form von Zwangsarbeit entschieden entgegen. Der Rat lehnte den Antrag schliesslich deutlich ab. Problemlos passierte hingegen ein Antrag Nabholz (fdp, ZH), bescheiden entschädigte, freiwillig geleistete gemeinnützige Arbeit vom Arbeitsverbot auszunehmen.
Nur ganz knapp konnte sich die Auffassung des Bundesrates vorerst in einem anderen Punkt durchsetzen. In Verschärfung der Vorlage hatte die vorberatende Kommission die Bestimmung einfügen wollen, wonach erwerbstätige Asylbewerber kein Anrecht auf Kinderzulagen für ihre im Ausland lebenden Kinder hätten. Unter Berufung auf einen Entscheid des Bundesgerichtes, welches in einem Urteil gegen den Kanton Thurgau festgehalten hatte, die Streichung der Kinderzulagen für einzelne Kategorien von Arbeitnehmern verstosse gegen den verfassungsmässig verankerten Grundsatz der Rechtsgleichheit, bat Koller den Rat dringend, auf dieses Vorgehen zu verzichten. Ausserst knapp – mit Stichentscheid von Nationalratspräsident Ruffy (sp, VD) – wurde der Antrag schliesslich abgelehnt. Etwas deutlicher unterlag auch ein Eventualantrag Nabholz (fdp, ZH), der die Kinderzulagen entsprechend der Kaufkraft in den Herkunftsländern kürzen wollte.
Verhandlungen im Parlament
Dossier: Revision des Asylgesetzes 1990