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  • Sommaruga, Carlo (sp/ps, GE) SR/CE

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Die Intensivierung der Zusammenarbeit mit der NATO stand im Zentrum eines von Josef Dittli (fdp, UR) im März 2023 eingereichten Postulats. Dittli forderte die Regierung auf darzulegen, wie eine vertiefte, institutionalisierte Zusammenarbeit mit der NATO – unter Wahrung des Neutralitätsrechts – aussehen könnte. Der Bericht solle auch auf mögliche Forderungen und Erwartungen seitens der NATO an die Schweiz eingehen sowie allfällige notwendige Gesetzesanpassungen aufzeigen. Einen Beitritt zur NATO wollte Dittli hingegen explizit nicht anstreben. Der Urner Ständerat untermauerte sein Anliegen unter anderem mit dem Zusatzbericht zum Sicherheitspolitischen Bericht 2021, der die Forderung nach einer Vertiefung der bestehenden Kooperation mit der NATO bestätigt habe. Der Bundesrat beantragte die Annahme des Postulats.
Der Ständerat behandelte das Geschäft in der Sommersession 2023. Nachdem Dittli seine Forderungen wiederholt hatte, äusserte sich Carlo Sommaruga (sp, GE) kritisch zum Geschäft. Er habe zwar keinen Antrag auf Ablehnung gestellt, befürchte jedoch, dass das Postulat die Neutralität gefährde. Wenn der Bericht aber ohnehin erstellt werde, dann solle der Bundesrat darin auch auf die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU eingehen. Verteidigungsministerin Amherd verwies auf die im Zusatzbericht zum Sicherheitspolitischen Bericht 2021 skizzierten Möglichkeiten der Intensivierung der internationalen Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich. Eine verstärkte Kooperation mit der NATO komme aber nicht einer Aufgabe der Neutralität gleich, beschwichtigte Amherd. Die Schweiz werde mit dieser Zusammenarbeit keine Verpflichtung für eine kollektive Verteidigung eingehen. Anschliessend nahm der Ständerat das Postulat stillschweigend an.

NATO-Kooperation im Verteidigungsbereich verstärken, ohne dem Bündnis beizutreten! (Po. 23.3131)

FDP-Ständerat Damian Müller (fdp, LU) forderte im Februar 2023 mittels einer Motion eine «Intervention in Brüssel, damit Italien endlich das Dublin-Abkommen einhält». Müller monierte, dass Italien seit Dezember 2022 keine Überstellungen im Rahmen des Dublin-Abkommens mehr annehme, angeblich aus «plötzlich aufgetretenen technischen Gründen, die mit fehlenden Aufnahmekapazitäten» zusammenhängen. Er verlangte vom Bundesrat, dass dieser das Parlament über die genaue Anzahl der dadurch nicht rücküberführten Personen informiere; dass er Staaten des Dublin-Abkommens suche, die das Anliegen der Schweiz unterstützen; dass er formell beim Rat der Justiz- und Innenministerinnen und -ministern der EU interveniere, um eine Diskussion über die Einhaltung des Abkommens durch Italien zu lancieren; und dass er die Europäische Kommission dazu auffordere, Massnahmen zu ergreifen, um Italien zur Einhaltung des Abkommens zu zwingen.
Der Bundesrat gab in seiner Stellungnahme zu verstehen, dass er das Motionsanliegen teile, wandte jedoch ein, dass Italien aufgrund der hohen Flüchtlingszahlen im Mittelmeerraum einen sechsmonatigen Ausnahmezustand erklärt habe. In dieser Zeit wolle die italienische Regierung besondere Massnahmen zur Steuerung der Migration ergreifen und finanzieren. Die Frist für die Überstellung von Dublin-Fällen laufe jedoch sowieso erst nach sechs Monaten aus und könne mittels einer Beschwerde oder im Falle eines Untertauchens der Betroffenen verlängert werden. Dementsprechend können die in der Schweiz betroffenen Asylsuchenden auch nach Ablauf des Ausnahmezustandes überstellt werden. Die Schweiz engagiere sich jedoch auf bilateraler und multilateraler Ebene dafür, die Überführungen möglichst rasch wieder aufzunehmen. Diese Forderung habe man gemeinsam mit anderen Dublin-Staaten bei der Europäischen Kommission deponiert. Zudem hätten Bundesrätin Baume-Schneider und Bundesrat Cassis das Thema auf Ministerstufe in Rom und Brüssel angesprochen, und des Weiteren stehe das SEM in Kontakt mit den zuständigen italienischen Behörden. Aufgrund der bereits laufenden Arbeiten beantragte der Bundesrat die Ablehnung des Vorstosses.

Der Ständerat setzte sich in der Sommersession 2023 mit der Motion auseinander. Damian Müller zeigte sich enttäuscht darüber, dass der Bundesrat unterdessen davon ausgehe, dass sich die Situation erst im Frühjahr 2024 normalisiere. Müller wies darauf hin, dass nicht nur Italien, sondern auch die Schweizer Kantone Mühe hätten, Unterbringungsmöglichkeiten für Asylsuchende zu finden, und forderte rasches Handeln. Auch SVP-Parteipräsident Chiesa (svp, TI) beklagte sich über den Verstoss Italiens gegen das Dublin-Abkommen und bezeichnete die in der Schweiz auf die Überführung wartenden Asylsuchenden als «illegale Migranten». Die SP-Ständeräte Sommaruga (sp, GE) und Stöckli (sp, BE) befanden die Motion indes für nicht erheblich, da ihr Anliegen durch den Bundesrat bereits aufgegriffen worden sei. Bundesrätin Baume-Schneider warb um Verständnis für die gravierende Situation in Italien, wo die Zahl Asylsuchender im Vergleich zum Vorjahr um 300 Prozent angestiegen sei. Die Schweiz müsse Solidarität zeigen, was aber nicht heisse, dass man sich nicht für die Einhaltung der gesetzlichen Grundlagen starkmache. Die Bundesrätin versprach, das Parlament zu informieren, sobald es formelle Antworten von Italien oder der Europäischen Kommission gebe, und beantragte die Ablehnung der Motion. Damian Müller fand jedoch mit seinem Anliegen Gehör bei den Mitgliedern der FDP-, SVP- und einem Grossteil der Mitte-Fraktion, welche die Motion mit 23 zu 14 Stimmen (bei 5 Enthaltungen) annahmen.

Intervention in Brüssel, damit Italien endlich das Dublin-Abkommen einhält (Mo. 23.3031)

Der Ständerat prüfte in der Sommersession 2023 eine Standesinitiative des Kantons Genf vor. In dieser hatte der Kanton gefordert, dass Mietverträge von über 65-Jährigen nicht mehr gekündigt werden dürfen sofern die Gründe für die Kündigung rein wirtschaftlicher Natur sind. Der Initiant im Grossen Rat des Kantons Genf, Ronald Zacharias (mcg, GE) hatte seinen Vorstoss damit begründet, dass Immobilienverwaltungen in der Stadt Genf systematisch Mieterinnen und Mietern kündigten, um ihre Immobilie für mehr Geld an andere Personen zu vermieten. Ältere Menschen sollten vor diesen Kündigungen geschützt werden. In der Debatte vertrat Philippe Bauer (fdp, NE) die Mehrheit der RK-SR, welche ihrem Rat empfahl, der Initiative keine Folge zu geben. Bauer begründete die ablehnende Haltung der Kommission damit, dass das Problem – und damit das Anliegen der Standesinitiative – hauptsächlich den Genfer Wohnungsmarkt betreffe. Die vorgeschlagene Lösung sei deshalb nicht für die gesamte Schweiz geeignet. Ausserdem würde ein Ausbau des Mietschutzes für über 65-Jährige zu einer «schwer zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung führen». Die beiden Genfer Standesstimmen in der kleinen Kammer, Lisa Mazzone (gp, GE) und Carlo Sommaruga (sp, GE), weibelten vergeblich für die Initiative, welche vom Ständerat schlussendlich mit 29 zu 9 Stimmen abgelehnt wurde.

Mietverträge von über 65-Jährigen. Einschränkung des Kündigungsrechts der vermietenden Partei (St.Iv. 22.309)

Nachdem die eidgenössischen Räte im März 2023 eine Motion Sommaruga (sp, GE; Mo. 22.3362) überwiesen hatten, die die Übernahme des völkerstrafrechtlichen Aggressionsverbrechens ins Schweizer Recht forderte, stimmte der Nationalrat im Mai desselben Jahres mit 109 zu 74 Stimmen bei 3 Enthaltungen auch einer Motion Arslan (basta, BS) mit derselben Forderung zu. Gegenüber Sommaruga ging Arslan jedoch weiter und verlangte vom Bundesrat zusätzlich zu prüfen, ob die Strafbarkeit ausnahmsweise rückwirkend seit 2015 – also seit der Ratifikation der Änderung des Römer Statuts durch die Schweiz – eingeführt werden könne. Die Motionärin anerkannte, dass im Strafrecht eine Rückwirkung grundsätzlich verboten sei, berief sich in der Begründung aber auf Ausführungen des Bundesstrafgerichts, wonach eine Ausnahme bestehe für Verbrechen, «die schon vorher nach den von zivilisierten Völkern anerkannten Rechtsgrundsätzen strafbar waren». Der Bundesrat erklärte sich bereit, die Frage der Rückwirkung zusammen mit dem Auftrag der Motion Sommaruga zu prüfen, und beantragte die Motion Arslan zur Annahme. Bekämpft wurde der Vorstoss von SVP-Nationalrat Yves Nidegger (GE), der die geforderte Rückwirkung als nicht mit dem Schweizer Strafrecht vereinbar ansah. Überdies warnte er davor, die Schweiz als eine Art Weltgericht («tribunal disponible pour le monde entier») zu etablieren; dies laufe nicht zuletzt der Rolle der Schweiz als Anbieterin von Guten Diensten auf neutralem Boden zuwider. Die Fraktionen der SVP und der FDP lehnten den Vorstoss schliesslich ab, während die übrigen Fraktionen geschlossen dafür votierten.

Völkerstrafrechtliche Verbrechen der Aggression ins Strafgesetzbuch aufnehmen (Mo. 22.4503)

Die Revision der Zivilprozessordnung stand in der Frühjahrssession 2023 erneut auf der Agenda der eidgenössischen Räte. Zunächst befasste sich der Ständerat mit den rund zwanzig noch bestehenden Differenzen. Die RK-SR beantragte ihrem Rat in den meisten Fällen, an seiner Position festzuhalten, was dieser dann auch stillschweigend tat. Dies betraf etwa Fragen zu den Auswirkungen falscher Rechtsmittelbelehrungen, zu Streitgenossenschaften, zur Bezifferung der Forderungen und der Berechnung der Gerichtskosten, zur Definition von internationalen Handelsstreitigkeiten – in denen gemäss bereits gefasstem Entschluss künftig Englisch als Verfahrenssprache genutzt werden kann, wenn die Kantone dies erlauben –, zum Schlichtungsverfahren, zum summarischen Verfahren und zu diversen Fristen.
Diskussionsbedarf gab es in der kleinen Kammer nur bei zwei Punkten: Einerseits war umstritten, ob Richterinnen und Richter in einem Gerichtsverfahren in den Ausstand treten müssen, wenn sie zuvor in einer Schlichtungsverhandlung versucht haben, eine gütliche Einigung zu erzielen. Die Kommissionsmehrheit bejahte diese Frage, da sie der Ansicht war, Richterinnen und Richter könnten im Gerichtsverfahren nicht mehr unabhängig sein, wenn sie sich zuvor schon mit dem Thema befasst hätten. Sie wollte deshalb dem Nationalrat folgen, der dies so entschieden hatte. Eine Minderheit in der Kommission lehnte diese Regelung aus prozessökonomischen Gründen hingegen ab. Die Verfahren würden verlängert, wenn nach jedem Schlichtungsversuch der Spruchkörper ausgetauscht werden müsste, argumentierte Minderheitsvertreter Fässler (mitte, AI). Die neuen Richterinnen und Richter müssten die Akten neu studieren und damit ginge nicht nur Zeit, sondern auch Wissen verloren. Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider ergänzte, dass das geltende Recht keine Probleme mache; bei Befangenheit müsse eine Richterin oder ein Richter ohnehin in den Ausstand treten, aber durch einen Schlichtungsversuch allein sei eine Richterin oder ein Richter noch nicht befangen. Die Kantone hätten überdies die Möglichkeit, eine solche Regelung vorzusehen. Der Ständerat folgte mit 27 zu 14 Stimmen der Minderheit Fässler, die beim geltenden Recht bleiben wollte, und erhielt somit auch diese Differenz zum Nationalrat aufrecht.
Der zweite Diskussionspunkt betraf die Berufungsfrist im summarischen Verfahren. Die Kommissionsmehrheit wollte sie, wie vom Bundesrat vorgesehen, bei 10 Tagen festsetzen, während eine Minderheit Sommaruga (sp, GE) dem Nationalrat folgen und die Frist bei familienrechtlichen Streitigkeiten auf 30 Tage ausdehnen wollte. Bei solch sensiblen und komplizierten Fällen, wie sie im Familienrecht vorkommen könnten, seien 10 Tage zu kurz, argumentierte der Minderheitssprecher. Justizministerin Baume-Schneider wandte ein, dass der Bundesrat diesen Vorschlag im Vorentwurf gemacht, ihn dann aber verworfen habe, weil er in der Vernehmlassung überwiegend kritisch beurteilt worden sei. Die Ständekammer entschied daraufhin mit 26 zu 15 Stimmen, an der 10-tägigen Frist festzuhalten.

In der Frage, ob eine Richterin oder ein Richter auch im Hauptverfahren urteilen darf, wenn er oder sie vorher an der gescheiterten Schlichtungsverhandlung beteiligt war, schloss sich der Nationalrat in der Folge mit 95 zu 93 Stimmen bei 3 Enthaltungen knapp dem Ständerat an. Damit bleibt es beim geltenden Recht, wonach ein gescheitertes Schlichtungsverfahren an sich nicht als Ausstandsgrund gilt. Deutlicher, mit 136 zu 42 Stimmen bei 14 Enthaltungen räumte die Volkskammer auch die Differenz betreffend die Konsequenzen falscher Rechtsmittelbelehrungen aus, indem sie die Version des Ständerats akzeptierte. Bei weiteren Punkten fanden die Räte jedoch keinen gemeinsamen Standpunkt, so etwa bei der Berufungsfrist im summarischen Verfahren, bei den Parteientschädigungen, bei den Konsequenzen des Nichterscheinens und der Streitwertgrenze im Schlichtungsverfahren sowie bei der Frage, bis wann im Zivilprozess neue Beweismittel eingebracht werden können.

Für die verbleibenden 13 Differenzen wurde eine Einigungskonferenz einberufen. Diese stellte sich mit 22 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen hinter die von ihr gezimmerte Kompromisslösung, die bei einigen Punkten dem Ständerat, bei einigen dem Nationalrat folgte und bei anderen einen Mittelweg suchte. So übernahm sie etwa die 10-Tages-Frist für Berufungen im summarischen Verfahren bei familienrechtlichen Streitigkeiten vom Ständerat und die strengeren Konsequenzen bei Nichterscheinen im Schlichtungsverfahren vom Nationalrat. Für das Einbringen neuer Beweismittel beschloss sie einen Kompromiss, der die Regeln gegenüber dem geltenden Recht etwas lockert. Beide Parlamentskammern nahmen den Antrag der Einigungskonferenz einstimmig an. Während es im Ständerat keine Enthaltungen gab, enthielten sich im Nationalrat 23 Mitglieder der SP- und der Grünen-Fraktion der Stimme.

In der Schlussabstimmung am Ende der Session stimmte die Ständekammer dem Entwurf ebenfalls einhellig zu. Der Nationalrat verabschiedete die revidierte ZPO schliesslich mit 139 zu 53 Stimmen bei 2 Enthaltungen. Mit Ausnahme von Jean-Luc Addor (svp, VS) stellte sich hier die SVP-Fraktion geschlossen dagegen. Ein allfälliges Referendum vorbehalten, «zu dem es hoffentlich nicht kommen wird», könnten die «sehr wichtigen Verbesserungen» am Zivilprozess auf den 1. Januar 2025 in Kraft treten, stellte Bundesrätin Baume-Schneider in Aussicht.

Änderung der Zivilprozessordnung – Praxistauglichkeit und Rechtsdurchsetzung (BRG 20.026)
Dossier: Debatte über die Pressefreiheit in der Schweiz
Dossier: Revision der Zivilprozessordnung (2018–)

Mit derselben Argumentation wie schon der Ständerat befürwortete in der Frühjahrssession 2023 auch der Nationalrat die Motion Sommaruga (sp, GE) für die Übernahme des Verbrechens der Aggression gemäss Römer Statut ins Schweizer Recht. Mit 127 zu 53 Stimmen erhielt der Vorstoss, der vom Bundesrat und der Mehrheit der RK-NR zur Annahme beantragt wurde, breite Zustimmung. Nur die SVP-Fraktion folgte geschlossen der Kommissionsminderheit und lehnte ihn ab.

Kampf gegen die Straffreiheit. Übernahme des Verbrechens der Aggression gemäss Römer Statut in das Schweizer Recht (Mo. 22.3362)

«Armeniens Überleben sichern», lautete der Titel einer vom Kanton Genf im Oktober 2022 eingereichten Standesinitiative. Darin forderte der Kanton das Parlament dazu auf, Aserbaidschan für seine Angriffe gegen Armenien zu verurteilen; zu verhindern, dass aserbaidschanische Rohstoffgeschäfte in der Schweiz zur Finanzierung der Kriegstätigkeit genutzt werden können; das Selbstbestimmungsrecht der armenischen Bevölkerung in Bergkarabach anzuerkennen und die Kontakte zum IKRK und dem IFRC zu nutzen, um die in Aserbaidschan inhaftierten armenischen Kriegsgefangenen nach Hause zu überführen. Anlass für die Initiative waren die Angriffe aserbaidschanischer Streitkräfte gegen Armenien Mitte September des gleichen Jahres, die in den Augen des Kantons gegen das Römer Statut verstiessen und eine offenkundige Verletzung des Völkerrechts darstellten.

Die APK-SR hatte die Kantonsinitiative im Januar 2023 vorberaten und dem Ständerat beantragt, ihr keine Folge zu geben. Kommissionssprecher Rieder (mitte, VS) teilte im Rahmen der Beratung in der Frühjahrssession 2023 mit, dass man zwar das Kernanliegen der Initiative – die Friedenssicherung – teile, jedoch der Ansicht sei, dass eine Initiative nicht das richtige Mittel sei, um auf diesen Konflikt Einfluss zu nehmen. Er erklärte des Weiteren, dass einige Forderungen des Kantons zu weit gingen, ohne diese jedoch zu spezifizieren. Zwar habe die Kommission der Initiative keine Folge gegeben, doch wolle man damit nicht den Eindruck vermitteln, dass die Völkerrechtsverletzungen und die humanitäre Lage in Armenien nicht dramatisch seien. Daher habe die Kommission beschlossen, den Bundesrat in einem Brief dazu aufzufordern, die Völkerrechtsverletzungen zu verurteilen und im UNO-Sicherheitsrat zu intervenieren, so Rieder.
Die beiden Genfer Ständeratsmitglieder Carlo Sommaruga (sp, GE) und Lisa Mazzone (gp, GE) mahnten eindringlich, dass die Schweiz angesichts der Bedrohung Armeniens nicht stumm zusehen dürfe. Aussenminister Cassis verwies auf die bisherigen Bemühungen des EDA, die Situation der armenischen Bevölkerung zu verbessern, und stellte klar, dass es noch nicht zu einer eigentlichen humanitären Krise gekommen sei. Er bezeichnete die gegenwärtige Situation als «sehr kompliziert» und fügte an, dass die Schweiz bereits seit Dezember 2022 als Vermittlerin für Verhandlungsgespräche fungiere und weiterhin aktiv bleibe. Der Ständerat gab der Initiative stillschweigend keine Folge.

«Armeniens Überleben sichern» (St.Iv. 22.320)

Stefan Engler (mitte, GR) wollte den Bundesrat mittels Motion damit beauftragen, eine Regelung zur zulässigen Nettorendite für Wohn- und Geschäftsliegenschaften vorzulegen für den Fall, dass der Referenzzinssatz auf über 2 Prozent steigen sollte. Das Mietrecht verbietet «übersetzte» Erträge aus Mietsachen. Doch was genau ein unzulässig hoher Ertrag ist, ist nicht in einem Gesetz oder einer Verordnung, sondern durch die ständige Rechtsprechung des BGer geregelt. Konkret durfte seit 1986 die Nettorendite, also der Ertrag auf dem investierten Eigenkapital, maximal 0.5 Prozentpunkte höher liegen als der aktuelle hypothekarische Referenzzinssatz. Seit einem BGer-Urteil aus dem Jahr 2010 galt zudem, dass bei einem Referenzzinssatz von 2 Prozent oder weniger die Nettorendite um maximal 2 Prozentpunkte über dem Referenzzinssatz liegen darf. Da in letzter Zeit die Zinsen anstiegen, ist zu erwarten, dass auch der Referenzzinssatz in naher Zukunft schrittweise steigen wird. Engler fragte sich deshalb, was passieren würde, wenn der Referenzzinssatz über 2 Prozent steigt. Wenn nämlich die bisherige Regelung zur Anwendung käme, dann würde ein Anstieg des Referenzzinssatzes von 2 auf 2.25 Prozent gleichzeitig dazu führen, dass die zulässige Nettorendite von 4 auf 2.75 Prozent sinken würde. Engler ging davon aus, dass das Bundesgericht den für die Berechnung der Nettorendite zulässigen Zuschlag in Schritten reduzieren würde. Im Interesse der Rechtssicherheit sei eine politische Klärung allerdings klar vorzuziehen. Der Bundesrat empfahl die Annahme der Motion.
Der Ständerat befasste sich in seiner Frühjahressession 2023 mit der Motion. Dabei stellte Eva Herzog (sp, BS) einen Ordnungsantrag für eine Zuweisung der Motion an die RK-SR zur Vorprüfung. Sie begründete ihren Antrag damit, dass die Motion so gelesen werden könne, dass sie dem Bundesrat direkt vorschreibt, eine gesetzliche Regelung auszuarbeiten. Dabei sei es angezeigt, zuerst noch eine Auslegeordnung zu machen und zu prüfen, ob eine gesetzliche Regelung überhaupt notwendig und erwünscht sei. Engler zeigte sich mit dem Ordnungsantrag einverstanden, plädierte aber für eine rasche Behandlung in der Kommission. RK-SR-Präsident Carlo Sommaruga (sp, GE) sicherte ihm dies zu und so beschloss der Ständerat einstimmig den Ordnungsantrag und schickte die Motion an seine RK.

Mehr Rechtssicherheit im Mietrecht (Mo. 22.4448)

Ständerat Martin Schmid (fdp, GR) reichte Ende 2022 eine Motion ein, mit der er eine Änderung der BewV erwirken wollte. Konkret forderte der Motionär, dass Personalwohnungen von Hotels als Teil einer Betriebsstätte anerkannt werden sollen. Dies hätte Auswirkungen im Zusammenhang mit dem Bundesgesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (BewG; auch bekannt als Lex Koller). Gemäss der Lex Koller bedarf nämlich der Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland keiner Bewilligung, wenn das Grundstück als ständige Betriebsstätte eines Gewerbes – unter anderem von Hotels – dient. Wie Schmid ausführte, sei ein Hotelbetrieb sehr personalintensiv und gerade in Feriendestinationen sei es sehr schwierig und teuer für Angestellte, ausserhalb von Personalunterkünften eine Wohnung zu finden. Eine Personalunterkunft müsse deshalb funktional einem Hotelbetrieb zugeordnet werden. Gegen eine entsprechende Verfügung des Kantons Graubünden von 2018 legte das BJ Beschwerde ein, welche schlussendlich 2021 vom Bundesgericht (BGer) gutgeheissen wurde. Das BGer begründete seinen Entscheid damit, dass eine Personalunterkunft nicht direkt der wirtschaftlichen Tätigkeit eines entsprechenden Unternehmens diene. Schmid war der Ansicht, dass diese Auslegung zu eng sei und sie den Wohnungsmangel und die schwierige Wohnungssituation von Personal in Tourismusgebieten verschärfe.
Der Bundesrat nahm im Februar 2023 zur Motion Stellung. Er beantragte dem Parlament, die Motion abzulehnen. In seiner Begründung führte der Bundesrat aus, dass für die von Schmid geforderte Änderung eine Anpassung des BewG erforderlich sei, nicht nur eine Änderung der BewV. Dies sei aber nicht notwendig, denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts könne ein Miterwerb von Wohnungen unter dem Titel der Betriebsstätte bei Betriebsnotwendigkeit bereits heute zugelassen werden, so der Bundesrat. Eine wie von Schmid geforderte Änderung würde es hingegen Dritten ermöglichen, Personalwohnungen zu erwerben und als Wohnungen zur Unterbringung von Personal zu vermieten. Damit würde «eine neue reine Kapitalanlagemöglichkeit von Personen im Ausland in Wohnraum geschaffen, was dem Grundgedanken des BewG zuwiderläuft», schloss der Bundesrat seine Ausführungen.
Als sich in der Frühjahrssession 2023 der Ständerat mit der Motion befasste, stiess der Vorstoss jedoch trotz des ablehnenden Antrags des Bundesrates auf viel Zuspruch. Mit dem Walliser Standesvertreter Beat Rieder (mitte, VS) sowie mit dem Berner Ständerat Hans Stöckli (sp, BE) äusserten sich zwei Ratsvertreter positiv zu Schmids Anliegen und zeigten sich zuversichtlich, dass es in der Umsetzung der Motion möglich sein werde, Umgehungstatbestände zu verhindern. Carlo Sommaruga (sp, GE) und Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider hingegen warnten vergeblich davor, dass eine diesbezügliche Gesetzesänderung nicht nötig sei, aber dafür die Lex Koller aufweichen würde. Die kleine Kammer stimmte schliesslich mit 27 zu 9 Stimmen (bei 5 Enthaltungen) für die Motion.

Wohnungsknappheit in Tourismusgemeinden. Personalwohnungen von Hotels als Teil einer Betriebsstätte anerkennen (Mo. 22.4413)
Dossier: Lex Koller

In der Frühjahrssession 2023 befasste sich der Nationalrat mit der Motion von Carlo Sommaruga (sp, GE), die eine Stärkung des Privatsektors in den Schwerpunktländern der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz verlangte. Eine Minderheit der vorberatenden APK-NR, angeführt von Andreas Aebi (svp, BE), beantragte die Ablehnung der Motion. Kommissionssprecherin Elisabeth Schneider-Schneiter (mitte, BL) setzte sich im Namen der Mehrheit für die Annahme des Vorstosses ein und verlangte, dass die Schaffung menschenwürdiger Arbeitsplätze mittels Förderung des lokalen Privatsektors ein Schwerpunkt in der IZA 2025-2028 werden solle. Sie argumentierte, dass dadurch im Sinne der Nachhaltigkeitsziele ein Systemwechsel vor Ort initiiert werden könnte. Die Motion stehe zudem im Einklang mit dem Programm zur Weiterentwicklung der Entwicklungszusammenarbeit. Ihr Kommissionskollege Laurent Wehrli (fdp, VD) ergänzte, dass die Stärkung des Privatsektors zu weiteren thematischen Schwerpunkten der IZA beitrage, namentlich der Bekämpfung des Klimawandels und der nachhaltigen Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen.
Minderheitensprecher Andreas Aebi teilte zwar das Anliegen der Motion, befand sie aber für überflüssig, da die Einbindung des Privatsektors laut DEZA bereits Tatsache sei. Die Motion verursache somit nur unnötige Kosten ohne wirklichen Mehrwert. Bundesrat Ignazio Cassis befürwortete im Namen des Bundesrates die Annahme der Motion und versprach, die bisher in diesem Bereich gemachten Erfahrungen in die Prioritäten der kommenden IZA-Strategie einfliessen zu lassen. Die grosse Kammer nahm die Motion mit 116 zu 61 Stimmen (bei 1 Enthaltung) deutlich an. Die Gegenstimmen stammten mehrheitlich von Mitgliedern der SVP, wobei sich diesen auch einige Vertreter und Vertreterinnen der FDP und der Mitte anschlossen.

Stärkung des Privatsektors in den Schwerpunktländern der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz (Mo. 22.3534)

In der Frühjahrssession 2023 stand die Änderung des Tabaksteuergesetzes zur Besteuerung von E-Zigaretten auf der ständerätlichen Traktandenliste. Roberto Zanetti (sp, SO), Urheber des damaligen Vorstosses auf Steuerbefreiung der E-Zigaretten, nutzte die Chance, um auf seine «immerhin edle[n] Motive» hinzuweisen – er habe sich davon eine «Ausstiegshilfe» erhofft, es habe sich aber herausgestellt, dass es sich dabei eher um eine «Einstiegshilfe» handle. Die Mehrheit der SGK-SR hatte sich zuvor gänzlich mit dem bundesrätlichen Vorschlag einverstanden gezeigt, jedoch lag ein umfassender Minderheitsantrag von Carlo Sommaruga (sp, GE) für eine allgemeine Änderung des Tabakgesetzes vor. Revisionen des Tabakbesteuerungsgesetzes seien selten, deshalb müsse man diese Chance nutzen, um Ungereimtheiten im Gesetz zu beheben, begründete der Antragsteller sein Vorgehen. Heute gebe es neben Zigaretten und Feinschnitttabak eine weitere Kategorie mit Tabakprodukten zum Erhitzen – beispielsweise «Iqos» von Philip Morris – , welche um 88 Prozent tiefer besteuert würde als klassische Zigaretten. Die angeblich geringere Schädlichkeit dieser Produkte sei jedoch nicht erwiesen, argumentierte Sommaruga. Entsprechend sollen diese gleichbehandelt werden wie klassische Zigaretten, während Snus, das insbesondere bei der Jugend im Trend stünde, oder andere Tabakfabrikate zukünftig wie Feinschnitttabak besteuert werden sollten. Finanzministerin Keller-Sutter sprach sich gegen diese Änderung aus, da damit die Steuer auf einigen Produkten fünfmal höher ausfallen würde als bisher. Kommissionssprecher Kuprecht (svp, SZ) befürchtete davon überdies eine Zunahme des Einkaufstourismus und Schmuggels. Mit 31 zu 9 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) sprach sich der Ständerat gegen den Minderheitsantrag aus. Erfolglos blieb auch Sommarugas Antrag, dass neben Zigaretten und Feinschnitttabak auch alle anderen Tabakprodukte über eine Abgabe zur Finanzierung des Präventionsfonds herangezogen würden, um eine Gleichbehandlung aller Produkte herzustellen.
Stillschweigend hiess der Ständerat hingegen die neuen Regelungen zu den E-Zigaretten gut. Einzig bei der Höhe der neuen Steuer lag ebenfalls ein Minderheitsantrag vor: Eine Minderheit Germann (svp, SH) schlug vor, die neue Steuer für nikotinhaltige Flüssigkeiten von nachfüllbaren E-Zigaretten auf 11 statt 20 Rappen pro Milliliter festzulegen. Da deren Schädlichkeitspotenzial um 95 Prozent tiefer liege als dasjenige von Zigaretten, solle auch die Steuer entsprechend 95 Prozent niedriger sein. Zwar seien 20 Rappen «im Vergleich zum Risikoprofil eher hoch», pflichtete ihm die Finanzministerin bei, jedoch entstamme die 95 Prozent tiefere Schädlichkeit aus Schätzungen und sei daher nicht sehr genau. Mit 24 zu 16 Stimmen (bei 1 Enthaltung) folgte der Ständerat seiner Kommissionsmehrheit. Anschliessend nahm er den Entwurf in der Gesamtabstimmung mit 40 zu 1 Stimme – derjenigen von Hannes Germann – an.

Änderung des Tabaksteuergesetzes zur Besteuerung von E-Zigaretten (BRG 22.069)

Nachdem beide Parlamentskammern die Revision des Sexualstrafrechts je einmal beraten hatten, schienen die Differenzen maximal. Die Gretchenfrage war, wie sexuelle Nötigung und Vergewaltigung neu definiert werden sollen. Während der Ständerat als Erstrat beschlossen hatte, dass sexuelle Handlungen «gegen den Willen» der betroffenen Person strafbar sein sollen («Nein heisst Nein»), hatte sich der Nationalrat als Zweitrat für die Formulierung «ohne Einwilligung» und damit für das ebenso lautstark geforderte wie umstrittene «Nur-Ja-heisst-Ja»-Prinzip ausgesprochen.

In der Frühjahrssession 2023 begann der Ständerat also mit der Differenzbereinigung. Seine Kommission schlug ihm einstimmig vor, an der «Nein-heisst-Nein»-Lösung festzuhalten, sie aber um den Zusatz zu ergänzen, dass nicht nur bestraft wird, wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung vornimmt oder vornehmen lässt, sondern auch, wer dazu einen Schockzustand der betroffenen Person, das sogenannte Freezing, ausnützt. Damit habe man der grossen Kontroverse um das «Nein-heisst-Nein»-Prinzip Rechnung getragen, ob davon auch jene Fälle erfasst würden, in denen das Opfer in einen Schockzustand falle und infolgedessen widerstandsunfähig sei, erklärte Kommissionssprecher Carlo Sommaruga (sp, GE). Selbst jene Mitglieder der Kommission, die den «Nur-Ja-heisst-Ja»-Grundsatz bevorzugt hätten, hätten sich pragmatisch hinter diesen Kompromissvorschlag gestellt, betonte er. So erklärte auch Lisa Mazzone (gp, GE), die bei der ersten Behandlung noch die Minderheit für «Nur Ja heisst Ja» vertreten hatte, ihre Unterstützung für den Kompromiss. Der Wert eines Gesetzesentwurfs messe sich nicht an der Symbolik, sondern an den Resultaten, sagte sie. Bezüglich der Resultate – sie nannte etwa die Anerkennung der Opfer und den Schutz der sexuellen Selbstbestimmung – sei die vorgeschlagene Lösung ein wichtiger Fortschritt, gar «einer der grossen Erfolge dieser Legislatur». Lob erhielt der Vorschlag ebenso von Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider. Ohne jegliche Dissonanzen stimmte der Ständerat dem Kompromissvorschlag seiner Kommission stillschweigend zu.

Deutlich weniger harmonisch verlief die Festlegung der Strafrahmen für Vergewaltigung. Als Erstes stand hier zur Debatte, ob bei Vergewaltigung weiterhin Geldstrafen möglich sein sollen oder nicht. Carlo Sommaruga plädierte im Namen der Kommissionsmehrheit für die Beibehaltung der Geldstrafe. Da der Grundtatbestand der Vergewaltigung (Art. 190 Abs. 1 StGB) neu keine Nötigung mehr voraussetze, umfasse der Tatbestand der Vergewaltigung künftig auch weniger schwerwiegende Fälle als bisher. Eine Strafverschärfung sei daher nicht angezeigt, wenn nicht sogar schädlich: Die Gerichte könnten dadurch versucht sein, eher den Tatbestand der sexuellen Nötigung gemäss Art. 189 StGB anzuwenden, um keine unverhältnismässige Strafe verhängen zu müssen. Eine Minderheit Jositsch (sp, ZH) wollte dagegen dem Nationalrat folgen und die Geldstrafe streichen. Die «‹harmloseste› Form von Vergewaltigung» sei auch in der neuen Definition immer noch ein Eindringen in den Körper gegen den Willen einer Person, und dies könne nicht mit einer Geldstrafe abgegolten werden, so Jositsch. Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider wandte ein, es sei «nicht nachvollziehbar», weshalb die Geldstrafe nur beim Grundtatbestand der Vergewaltigung, nicht aber bei der qualifizierten sexuellen Nötigung – d.h. unter Anwendung von Gewalt oder Drohung – gestrichen werden soll. Eine abgenötigte sexuelle Handlung müsste aus ihrer Sicht härter bestraft werden als eine Vergewaltigung ohne Nötigung. Diese «Verzerrung» laufe dem Ziel der Strafrahmenharmonisierung zuwider, mahnte sie. Der Ständerat folgte mit 26 zu 13 Stimmen dennoch der Minderheit Jositsch und schloss sich dem Beschluss des Nationalrats an. Damit wird Vergewaltigung in jedem Fall mit Freiheitsstrafe – allerdings ohne festgelegte Mindestdauer – sanktioniert.
Zweitens stand die Frage im Raum, ob bei qualifizierter Vergewaltigung (Art. 190 Abs. 2 StGB) – d.h. Vergewaltigung, bei der das Opfer genötigt wurde – bedingte Strafen möglich sein sollen oder nicht. Der Ständerat hatte als Erstrat in diesem Absatz eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren festgeschrieben und mit dieser Mindestdauer ausgeschlossen, dass die Strafe bedingt ausgesprochen werden kann. Der Nationalrat war diesem Beschluss gefolgt. Die knappe Mehrheit der RK-SR, die im Erstrat unterlegen war, stand nicht hinter diesem Entscheid und beantragte ihrem Rat mit Stichentscheid von Präsident Sommaruga, zum ursprünglichen Entwurf zurückzukehren. Dieser sah wie das geltende Recht eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr vor. Da der neue Tatbestand der qualifizierten Vergewaltigung im Wesentlichen dem heutigen Vergewaltigungstatbestand entspreche, sei die Verdopplung der Mindeststrafe nicht gerechtfertigt, so Sommaruga. Der Bundesrat unterstützte den Antrag der Kommissionsmehrheit. Verglichen mit anderen Tatbeständen mit ebenfalls einjähriger Mindeststrafe, etwa Totschlag oder schwerer Körperverletzung, sei diese auch bei Vergewaltigung als angemessen zu betrachten, erklärte Justizministerin Baume-Schneider. Ausserdem sei zu befürchten, dass sich mit der höheren Mindeststrafe «für die Gerichte auch der Massstab bei der Beweiswürdigung verschiebt», sodass sie eine Nötigung an strengere Bedingungen knüpfen würden als heute. Eine Minderheit um Beat Rieder (mitte, VS) wollte indes am Beschluss der zweijährigen Mindeststrafe festhalten. Er verwies darauf, dass eine unbedingt ausgefällte Gefängnisstrafe auch teilbedingt abgesessen werden könne, unterlag in der Abstimmung aber äusserst knapp. Die Kantonskammer vollzog die Kehrtwende zurück zur einjährigen Mindeststrafe für qualifizierte Vergewaltigung mit 20 zu 19 Stimmen.

Für Diskussionsbedarf sorgte ferner die im Nationalrat abgelehnte Forderung nach Präventionsprogrammen für Sexualstraftäterinnen und -täter. Im Gegensatz zum Obligatorium, das in der grossen Kammer zur Debatte gestanden hatte, schlug die RK-SR ihrem Rat nun aber eine Kann-Bestimmung vor: Das Gericht soll Sexualstraftäterinnen und -täter verpflichten können – aber nicht müssen –, ein Lernprogramm gegen sexualisierte Gewalt oder eine Gewaltberatung zu absolvieren. Ohne Gegenantrag stimmte die Kantonskammer diesem Vorschlag stillschweigend zu. Eine weitere Differenz hatte der Nationalrat geschaffen, indem er die Altersgrenze für die Unverjährbarkeit von Sexualstraftaten an Kindern von den geltenden 12 Jahren auf 16 Jahre anhob. Wie Berichterstatter Sommaruga erklärte, war die ständerätliche Rechtskommission aber der Ansicht, dass diese Änderung nicht dem Volkswillen entspreche, da die Unverjährbarkeitsinitiative, die am Ursprung dieser Bestimmung stand, explizit die Unverjährbarkeit von Sexualstraftaten an Kindern vor der Pubertät gefordert habe. Sie beantragte ihrem Rat deshalb, an der bestehenden Regelung festzuhalten, was dieser auch stillschweigend tat. Ebenso stillschweigend hielt die kleine Kammer an ihren Beschlüssen zum sogenannten Revenge Porn und zum Grooming fest. Die Rachepornografie wollten im Grundsatz beide Parlamentskammern unter Strafe stellen, wobei sie sich aber über die Formulierung und die Platzierung der Bestimmung innerhalb des Strafgesetzbuchs nicht einig waren. Einen Tatbestand zum Grooming lehnte der Ständerat nach wie vor ab, da man sich damit gefährlich nahe an die Strafbarkeit der Absicht – und nicht mehr einer Handlung oder Vorbereitungshandlung – heran bewege, wie der Kommissionssprecher ausführte. Das Geschäft geht damit zurück an den Nationalrat.

In der Presse wurde der Entscheid des Ständerates für die «Nein-heisst-Nein»-Lösung unter Berücksichtigung des sogenannten Freezings als nonverbales Nein als Befreiungsschlag und als Durchbruch in der Revision des Sexualstrafrechts interpretiert. «Der Nationalrat dürfte diesem Kompromiss im Juni zustimmen», orakelte der «Blick» und titelte: «Funiciello hat ihren grössten Kampf gewonnen». Die «Republik» verkündete, das Parlament habe «endlich eine Lösung für die Modernisierung des Sexualstrafrechts gefunden» und zog Bilanz zu dieser «feministischen Erfolgsgeschichte». «Was aussieht wie ein Kompromiss, ist eine kleine Revolution», proklamierte das Onlinemagazin.

Harmonisierung der Strafrahmen (BRG 18.043)
Dossier: Revision des Strafgesetzbuches (2008– )
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Ständerat Carlo Sommaruga (sp, GE) reichte im September 2022 eine Motion ein, in der er forderte, dass aufgrund des Anstiegs der Energiepreise die Frist für die Begleichung von Nebenkostenrechnungen bei Verzug von Mieterinnen und Mietern vorübergehend von 30 auf 90 Tage verlängert werden soll. Die Motion stand in der Frühjahressession 2023 auf der Traktandenliste der kleinen Kammer. Dort beantragte Bundesrat Guy Parmelin dem Ständerat, die Motion abzulehnen. Die Inflation sei in der Schweiz deutlich tiefer als in anderen Ländern. Ausserdem habe der Bundesrat bereits die AHV-Renten und Ergänzungsleistungen per 1. Januar 2023 an die Inflation angepasst und mit der Kampagne «Energie ist knapp – verschwenden wir sie nicht» versucht, bei der Energieknappheit Gegensteuer zu geben. Schliesslich müssten die Änderungen per Notrecht eingeführt werden, um in der aktuellen Situation noch rechtzeitig Wirkung zu zeigen. Die Situation sei aus Sicht des Bundesrates aber nicht genügend dringend, um Notrecht zu rechtfertigen. Die Mehrheit des Ständerates folgte dem Antrag des Bundesrates und lehnte die Motion mit 29 zu 10 Stimmen ab.

Explosion der Heizkosten. Vorübergehende Verlängerung der Zahlungsfristen für Nebenkosten bei Verzug der Mieterin oder des Mieters (Mo. 22.4125)

Der starke Anstieg der Wohnungsmieten in der Schweiz seit der Jahrtausendwende veranlasste Ständerat Damian Müller (fdp, LU), ein Postulat einzureichen, mit dem er den Bundesrat beauftragte, die wesentlichen Gründe für die Preisentwicklung der Mieten zu untersuchen und in einem Bericht darzulegen. Besonderes Augenmerk sollte laut dem Postulanten auf die Auswirkungen der Einführung der Personenfreizügigkeit und dem damit einhergehenden Bevölkerungswachstum, der Einführung des revidierten Raumplanungsgesetzes sowie der Entwicklung des Angebots und der Nachfrage auf dem Mietwohnungsmarkt gelegt werden.

Zusammen mit einem weiteren Postulat Müller betreffend die tiefe Leerwohnungsquote befasste sich der Ständerat in der Frühjahrssession 2023 mit dem Vorstoss. Im Stöckli stiess das Postulat weitgehend auf Zustimmung. Carlo Sommaruga (sp, GE) kritisierte zwar noch, dass die Gründe und die Massnahmen gegen die Wohnungsnot bereits bekannt seien und das Postulat nur dazu diene, dringend nötige Massnahmen aufzuschieben. Doch nach einem positiven Votum von Bundesrat Guy Parmelin für die beiden Postulate Müller nahm die kleine Kammer die beiden Vorstösse dennoch stillschweigend an.

Mietexplosion in der Schweiz. Analyse der massgeblichen Faktoren für die Preisentwicklung der Wohnungsmieten in der Schweiz seit 2002 (Po. 22.4289)

Ständerat Damian Müller (fdp, LU) ersuchte den Bundesrat mittels eines Postulats, die drohende «Wohnungsnot» zu untersuchen. Müller sorgte sich insbesondere um die tiefe Leerwohnungsquote. Die Quote sei zum Zeitpunkt des Einreichens seines Postulats Ende November 2022 mit 1.31 Prozent so tief gewesen wie seit 20 Jahren nicht mehr. Der Bundesrat solle untersuchen, welche Gründe zu dieser tiefen Quote geführt hätten und mit welchen Massnahmen die Situation entschärft werden könne. Als mögliche Ursachen, die die Regierung evaluieren solle, nannte der Postulant die 2014 erfolgte Einführung des revidierten RPG, die Dauer von Baubewilligungsverfahren, die geltenden Bestimmungen im Kontext der Ausnützungsziffer, die Verhinderung von Wohnbauprojekten aufgrund von Einsprachen sowie das natürliche Bevölkerungswachstum und die Migration. Der Bundesrat beantragte die Annahme des Postulats.

In der Frühjahressession 2023 nahm sich der Ständerat das Postulat vor, zusammen mit einem weiteren Postulat Müller betreffend die Preisentwicklung der Wohnungsmieten. Dabei kritisierte Müllers Ratskollege Carlo Sommaruga (sp, GE), dass die Gründe und die Massnahmen gegen die Wohnungsnot bereits bekannt seien und das Postulat nur dazu diene, dringend nötige Massnahmen aufzuschieben. Statt eines weiteren Berichts solle der Bundesrat besser jetzt schon Massnahmen ergreifen; beispielsweise die Vereinfachung von Wohnungstausch, die Einschränkung von Angeboten wie Airbnb oder die Errichtung von modularen Notunterkünften. Er wolle das Postulat nicht bekämpfen, sondern lediglich darauf hinweisen, dass es nötig sei, bereits vor der Veröffentlichung des geforderten Berichts Massnahmen zu ergreifen, so Sommaruga. Bundesrat Guy Parmelin versicherte dem Genfer SP-Nationalrat, dass der Bundesrat bereits an Lösungen arbeite. Ausserdem kündigte er einen runden Tisch zum Thema an und appellierte an alle Interessenvertreterinnen und -vertreter, an diesem teilzunehmen und sich in diesem Rahmen aktiv für mehrheitsfähige Lösungen einzusetzen. Der Ständerat nahm das Postulat schliesslich stillschweigend an.

Wohnungsnotstand in der Schweiz. Analyse der tiefen Leerwohnungsquote und mögliche Ansätze zu deren Entschärfung (Po. 22.4290)

Überraschend und entgegen der Meinung des Nationalrats und seiner vorberatenden Kommission machte der Ständerat in der Frühlingssession 2023 eine Kehrtwende und wollte nunmehr keine sogenannte Titeläquivalenz für die höhere Berufsbildung vorschreiben. «Bachelor für Berufsleute abgeschmettert», titelte daraufhin etwa der Tages-Anzeiger. Mit 19 zu 16 Stimmen bei 6 Enthaltungen lehnte die kleine Parlamentskammer eine entsprechende Motion Aebischer (sp, BE) ab und folgte damit dem ablehnenden Votum des Bundesrates. Die vorberatende WBK-SR war im Januar 2023 mit 12 Stimmen bei 1 Enthaltung noch klar für eine Annahme gewesen, hatte also eine Stärkung der Profile der Höheren Fachschulen durch die Titelbezeichnungen «Professional Bachelor» und «Professional Master» unterstützt. Während sich im Vorfeld eine Mehrheit der Verbundpartner der Berufsbildung (Höhere Fachschulen) für eine solche Anpassung ausgesprochen hatten, hatten Medienberichten zufolge Universitäten und Fachhochschulen den Entwurf torpediert.

Im Ständerat zeigte sich ein besonderes Bild: Mehrere Nicht-Kommissionsmitglieder äusserten sich ablehnend zur Motion, so etwa Olivier Français (fdp, VD), Mitglied der Schweizerischen Akademie der Technischen Wissenschaften, der eine Gefahr der Verwechslung mit Abschlüssen der Universitäten und der Fachhochschulen befürchtete und einen Einzelantrag auf Ablehnung stellte. Diesem Votum schlossen sich auch Daniel Fässler (mitte, AI) und Carlo Sommaruga (sp, GE) an. Auch Andrea Gmür-Schönenberger (mitte, LU), die zwar Kommissionsmitglied war, jedoch nicht an der entsprechenden Sitzung hatte teilnehmen können, befürchtete eine Vermischung der verschiedenen Titel und hätte es bevorzugt, das Anliegen in Form eines Postulats im Sinne eines Prüfberichts zu behandeln. Die negativen Stellungnahmen der Nicht-Kommissionsmitglieder wechselten sich dabei wiederholt ab mit den Stellungnahmen verschiedener positiv gestimmter Kommissionsmitglieder. So argumentierte etwa Johanna Gapany (fdp, FR) für eine Annahme, da die Titelbezeichnungen die Qualität der Schweizer Berufsbildung auf nationalem und internationalem Parkett verdeutlichen könne. Auch Hannes Germann (svp, SH) wollte den «Sonntagsreden über den Wert unserer dualen Berufsbildung» Taten folgen lassen und den Jungen eine Perspektive geben, indem ihre Ausbildung eine entsprechende Bezeichnung erhalte. Uneinig war sich der Rat schliesslich auch in der Frage, ob die Motion überhaupt vorschreibe, dass eine Aufwertung durch die Titel «Professional Bachelor» und «Professional Master» zu erfolgen habe, da diese im Motionstext nur in Klammern genannt wurden. Matthias Michel (fdp, ZG) meinte schliesslich, dass sich die «Dissonanz» nur auf die Titelfrage beschränke, nicht jedoch auf den Grundsatz, dass die höhere Berufsbildung gestärkt werden sollte. Nach der «achterbahnmässigen» Debatte im Ständerat, wie Eva Herzog (sp, BS) das Geschehen im Rat pointiert zu resümieren wusste, zogen sich die Gräben bei der Abstimmung zwischen den knapp unterliegenden Befürwortenden und den siegreichen Gegnerinnen und Gegnern quer durch die Fraktionen hindurch. Bundesrat Guy Parmelin beruhigte die Gemüter zum Schluss mit der Information, dass der Bundesrat dem Parlament demnächst eine Botschaft für eine Gesetzesrevision betreffend die Titelbezeichnungen unterbreiten wolle, womit sich die Räte schon bald erneut zu dieser Frage würden äussern können.

Der Tages-Anzeiger erkannte hinter dem Nein aus dem Stöckli einen erfolgreichen Widerstand der Universitäten und der Fachhochschulen. In ebendieser Zeitung liess alt-Nationalrat und Bildungsexperte Rudolf Strahm kein gutes Wort an diesem Entscheid. Der Verzicht auf die Bezeichnungen werte die Berufe ab und verstärke den Fachkräftemangel. Auch der Gewerbeverbandsdirektor Ulrich Bigler bedauerte den Entscheid und erkannte darin eine verpasste Chance.

Titeläquivalenz für die höhere Berufsbildung (Mo. 20.3050)
Dossier: Höhere Fachschulen

Thierry Burkart (plr, AG) a déposé une motion au Conseil des Etats qui demande de réviser la loi sur les exportations de matériel de guerre (LFMG). Les défenseur.se.s de la motion affirment que les modifications ne remettraient pas en question la neutralité suisse. En effet, des changements seraient uniquement entrepris avec des pays qui partagent les mêmes valeurs que la Suisse et qui ont un système de contrôle comparable à l'ordonnance suisse sur le matériel de guerre (OMG). Actuellement, l'annexe 2 de l'OMG permet de contrôler l'exportation de matériel de guerre. Avec des conditions strictes, la Suisse fait en sorte que le matériel qu'elle vend ne puisse pas se retrouver dans un pays avec des valeurs différentes des siennes. Ceci a notamment pour conséquence que les pays avec qui la Confédération fait affaire ne peuvent pas revendre leurs acquisitions à un pays à qui la Suisse n'aurait pas vendu ce matériel de guerre. Si l'annexe 2 était modifiée, comme le propose la motion, les pays ayant acheté du matériel de guerre suisse pourraient le réexporter sans demander son accord à la Suisse. De ce fait, cette modification pourrait avoir de lourdes conséquences sur l'accessibilité du matériel suisse.
Lors des débats, la guerre en Ukraine a sans surprise été évoquée. Il a été affirmé que, dans cette guerre, l'attaque menée contre les valeurs démocratiques et les droits humains est centrale. Dans ce contexte, garder une position neutre ne serait pas possible. Alors que les parlementaires favorables à la motion invoquent la nécessité d'apporter de l'aide à l'Ukraine, d'autres, comme Carlo Sommaruga (ps, GE), soutiennent que pour respecter le droit de la neutralité, dont la Suisse profite, il ne faut en aucun cas accepter cette motion. Selon le sénateur genevois, il faudrait plutôt renforcer l'aide humanitaire que la Suisse offre dans les régions ravagées par des conflits, comme en Palestine ou entre l'Arménie et l'Azerbaïdjan.
Guy Parmelin, au nom du Conseil fédéral, a abordé plusieurs aspects de la situation lors des débats parlementaires. Tout d'abord, il a donné un bref aperçu de la pression que l'industrie du matériel de guerre subit actuellement en Suisse. En effet, comme le matériel ne peut pas être réexporté une fois acheté, de grosses questions se posent au sein de l'OTAN qui, en cas de conflit, ne peut pas faire de transferts de matériel suisse entre les pays alliés. Puis, le point central de plusieurs débats actuels a été remis sur le tapis: le droit de la neutralité. En raison des conditions qui sont imposées par ce droit, le Conseil fédéral propose de rejeter la motion. Guy Parmelin a toutefois réaffirmé que le Conseil fédéral n'est pas inactif. Il agit, notamment avec les missions humanitaires, tout en restant dans le cadre de ce que l'on pourrait définir comme son ADN, la neutralité militaire.
Au final, cette motion a suscité une répartition politique peu fréquente. En effet, l'UDC et la gauche étaient dans le même camp, avançant que la neutralité suisse serait en danger et qu'il fallait la protéger en rejetant cette motion. De plus, certains arguments se sont appuyés sur les déclaration du Conseil fédéral en évoquant la valeur non rétroactive de la motion. Cette dernière n'aurait ainsi aucune valeur dans le conflit Ukraine-Russie. Lors du vote, la motion a été rejetée par 23 voix contre 18 et 2 abstentions. Il est à noter que, de manière générale, les socialistes, les vert-e-s et l'UDC étaient opposés à la motion et que les libéraux-radicaux étaient au contraire en faveur de l'objet. Le Centre fut partagé.

Neutralité: munitions et espace aérien (Mo. 22.3557)
Dossier: Die Schweizer Neutralität
Dossier: Der Krieg in der Ukraine und die Schweizer Armee: Sicherheitsfragen

In der Frühjahrssession 2023 begann der Ständerat die Beratung der Mehrwertsteuerrevision. Die WAK-SR beantragte dabei zahlreiche Differenzen gegenüber der nationalrätlichen Version. Zu Beginn der Debatte stellte Kommissionssprecher Ettlin (mitte, OW) klar, dass sich die WAK-SR gegen die diskutierte Ausweitung der Plattformbesteuerung auf elektronische Dienstleistungen ausgesprochen habe. Stattdessen habe man eine Motion eingereicht, um die Auswirkungen einer solchen ausführlich klären zu können.

Die meisten Aspekte der Vorlage hiess der Ständerat als Zweitrat stillschweigend gut, etwa die Unterstellung der Produkte der Monatshygiene (z.B. Tampons und Binden) unter den reduzierten Mehrwertsteuersatz von 2.5 Prozent statt wie bisher 7.7 Prozent (gemäss der Motion Maire: sp, NE; Mo. 18.4205), die Schaffung der neuen Plattformbesteuerung (gemäss der Motion Vonlanthen: damals cvp, FR; Mo. 18.3540) oder die Gleichstellung von Sport- und Kulturvereinen bei der Mehrwertsteuer (gemäss der Motion Page: svp, FR; Mo. 17.3657).

Abweichungen gegenüber dem Nationalrat schuf die kleine Kammer jeweils auf Antrag ihrer Kommission – der sie in allen Anträgen folgte –, beispielsweise bei der Behandlung von gewinnorientierten Anbietenden im Gesundheitsbereich. In mehreren Punkten war der Nationalrat zuvor von der bisherigen Regelung, wonach lediglich nicht gewinnorientierte Unternehmen von der Mehrwertsteuer ausgenommen werden können, abgewichen. So hatte er etwa auch den Belegärzten in Ambulatorien oder Tageskliniken erlaubt, ihre Leistungen ohne Mehrwertsteuer abzurechnen, obwohl diese Gewinne erzielen können. Die Kommissionsmehrheit befürwortete es diesbezüglich hingegen, bei dem Prinzip zu bleiben, wonach alles, «was Gewinn abwirft, [...] auch der Mehrwertsteuerpflicht unterliegen» soll, wie es Kommissionssprecher Ettlin formulierte. Hingegen wich die Kommissionsmehrheit selbst von dieser Regelung ab, als sie beantragte, dass nicht mehr nur wie bisher die gemeinnützigen Organisationen der Krankenpflege (konkret die öffentliche Spitex) Betreuungs- und Begleitungsleistungen mehrwertsteuerbefreit anbieten können sollten, sondern auch die gewinnorientierten. Sie begründete diesen Entscheid damit, dass es keinen Sinn mache, dieselben Leistungen je nach Anbietenden unterschiedlich zu besteuern. Eine Minderheit Sommaruga (sp, GE) lehnte den Bruch mit dem bisherigen Konzept ab und beantragte die Streichung dieser Neuerung. Finanzministerin Keller-Sutter ergänzte, dass damit nur eine neue Ungleichbehandlung geschaffen werde, zum Beispiel gegenüber allen anderen Unternehmen, die Reinigungsleistungen anbieten, aber keine Spitex-Organisation darstellten. Mit 20 zu 18 Stimmen folgte der Ständerat jedoch seiner Kommissionsmehrheit.
Hingegen sträubten sich die Kommissionsmehrheit sowie die kleine Kammer gegen weitere, vom Nationalrat vorgesehene Ausweitungen der Ausnahmen von der Mehrwertsteuer im Gesundheitsbereich. So lehnte der Ständerat etwa eine allgemeine Ausnahme des Zurverfügungstellens von Personal zur Krankenbehandlung oder Sozialhilfe von der Mehrwertsteuer ab – bisher war eine solche Ausnahme nur religiösen oder weltanschaulichen, nicht-gewinnorientierten Einrichtungen möglich gewesen. Auch eine Ausdehnung der Ausnahmen auf alle Leistungen der koordinierten Vorsorge – auch auf die vom Bundesrat ausgenommenen administrativen Leistungen – hiess die Mehrheit der WAK-SR nicht gut.

Differenzen schuf der Ständerat auf Antrag seiner Kommission auch in anderen Themenbereichen. Bei der Umsetzung der Motionen Stöckli (sp, BE; Mo. 18.4194) und von Siebenthal (svp, BE; Mo. 18.4363) für eine Ausnahme von ausländischen Touranbietern von der Schweizer Mehrwertsteuer etwa hatte der Bundesrat vorgeschlagen, dass Dienstleistungen von Reisebüros am Ort der wirtschaftlichen Tätigkeit der Reisebüros besteuert werden sollen. Dies sollte sicherstellen, dass ausländische Reisebüros auch weiterhin Reisen in die Schweiz anbieten, der Nationalrat hatte die neue Regelung jedoch gestrichen, da sie die Schweizer Reiseanbietenden benachteiligen würde. Die WAK-SR schlug stattdessen erfolgreich vor, die Ungleichbehandlung zu beheben, indem auch die Schweizer Anbietenden von der Mehrwertsteuer befreit werden.
Einen Änderungsantrag stellte die Kommission auch zur Umsetzung der Motion Riklin (damals cvp, ZH; Mo. 19.3783). So werden heute «sämtliche Hilfsmittel der Landwirtschaft zum tieferen Satz besteuert», wie der Kommissionssprecher ausführte – somit also auch Pestizide, die auch in Privatgärten eingesetzt werden. Neu sollen gemäss Kommission und Ständerat jedoch nur noch umweltfreundliche Pflanzenschutzmittel dem tieferen Satz unterstehen, womit die Motion erfüllt würde.
Schliesslich ist es möglich, dass bei der ESTV registrierte und nach der effektiven Methode abrechnende steuerpflichtige Importeurinnen und Importeure ihre Mehrwertsteuer nicht am Zoll entrichten und diese später als Vorsteuer zurückfordern müssen, sondern direkt in der Mehrwertsteuerabrechnung verrechnen können. Dieses sogenannte Verlagerungsverfahren sollte gemäss Bundesrat neu auch für die Plattformen gelten. Der Nationalrat wollte es zudem auf alle Importeurinnen und Importeure ausdehnen, was gemäss WAK-SR jedoch eine Verschiebung von CHF 2.9 Mrd. an Einnahmen auf einen späteren Zeitpunkt, Mehraufwand für die Verwaltung und die Unternehmen sowie eine Benachteiligung der Binnenwirtschaft bedeuten würde. Folglich beantragte die Kommission erfolgreich die Streichung der entsprechenden Ausdehnung durch den Nationalrat.

In der Gesamtabstimmung nahm der Ständerat den Entwurf – mit insgesamt 14 Differenzen zum Nationalrat – einstimmig (mit 35 zu 0 Stimmen) an und schrieb verschiedene ihm zugrunde liegende Vorstösse ab. Jedoch entschied er sich auf Antrag seiner Kommission, bei der Motion 16.3431 der WAK-SR auf eine Abschreibung zu verzichten, da man die Grundsatzfrage des Vorstosses, nämlich ob subventionierte Aufgaben der Mehrwertsteuer unterliegen sollen, noch nicht geklärt habe.

Revision des Mehrwertsteuergesetzes: Weiterentwicklung der Mehrwertsteuer in einer digitalisierten und globalisierten Wirtschaft (BRG 21.019)
Dossier: Weiterentwicklung der Mehrwertsteuer in einer globalisierten Wirtschaft – Das Bundesratsgeschäft (BRG 21.019) und der Weg dahin

Nachdem das Rechtshilfeabkommen in Strafsachen mit der Republik Kosovo im Nationalrat eine klare Angelegenheit gewesen war, traf es auch im Ständerat auf keinerlei Widerstand. Die RK-SR habe sich einstimmig für die Ratifizierung des Vertrages ausgesprochen, berichtete Kommissionssprecher Carlo Sommaruga (sp, GE) in der Frühjahrssession 2023. Es sei – auch aufgrund der grossen kosovarischen Gemeinschaft in der Schweiz – wichtig, dass die Kooperation der Strafverfolgungsbehörden beider Länder optimal funktioniere. Carlo Sommaruga wies darauf hin, dass die Republik Kosovo bereits jetzt sehr aktiv mit den Schweizer Behörden zusammenarbeite und einen grossen Willen zeige, gegen die Kriminalität im eigenen Land vorzugehen. Diese Zusammenarbeit fusse aber bisher nur auf dem innerstaatlichen Recht der beiden Länder und nicht auf einem völkerrechtlichen Vertrag. Der Ständerat folgte dem Antrag seiner Kommission und nahm den Entwurf einstimmig an. In den Schlussabstimmungen wurde das Geschäft von beiden Kammer einstimmig verabschiedet.

Rechtshilfeabkommen in Strafsachen mit Kosovo

Im Ständerat gab es keine nennenswerte Opposition gegen den Entwurf der RK-NR für eine Erhöhung der Zahl der ordentlichen Richterinnen und Richter am Bundesgericht. Eintreten war unbestritten und Kommissionssprecher Carlo Sommaruga (sp, GE) berichtete, dass die RK-SR mit 11 zu 1 Stimme der Meinung sei, dass das Bundesgericht mit dieser einfachen Massnahme entlastet werden müsse, da die Arbeitsbelastung am obersten Gericht stetig zunehme. Die Massnahme sei zudem bereits im Budget 2023 integriert, so dass die zwei neuen Personen – das Gericht soll von 38 auf 40 vollamtliche Richterinnen und Richter aufgestockt werden – bereits in der Frühjahrssession 2023 gewählt und im darauffolgenden Sommer ihr Amt antreten könnten. Bundesrätin Karin Keller-Sutter wies darauf hin, dass die Aufstockung kurzfristig helfe, mehr Personalressourcen zu schaffen; langfristig müsse aber eine Modernisierung des Bundesgerichtsgesetzes in Angriff genommen werden – ein Vorhaben, das 2020 am Widerstand der Räte gescheitert war. Sollte die Arbeitsbelastung in Zukunft wieder abnehmen, sei es die Aufgabe des Parlaments, die Zahl der Richterinnen und Richter erneut anzupassen. Mit 29 zu 3 Stimmen (1 Enthaltung) nahm auch der Ständerat die Verordnung an. Wie schon in der grossen Kammer kam die Opposition auch in der kleinen Kammer von der SVP.
Auch in den Schlussabstimmungen änderte sich daran nichts: Der Nationalrat stimmte mit 140 zu 52 Stimmen (3 Enthaltungen) und der Ständerat mit 37 zu 6 Stimmen (1 Enthaltung) für die Erhöhung der Anzahl Gerichtsstellen.

Erhöhung der Zahl der ordentlichen Richterinnen und Richter am Bundesgericht (Pa.Iv. 22.427)
Dossier: Anzahl Richterinnen- und Richterstellen an den eidgenössischen Gerichten

In der Wintersession 2022 nahm der Ständerat eine Motion Silberschmidt (fdp, ZH) für eine vollständig digitale Unternehmensführung stillschweigend an. Sowohl der Bundesrat als auch die vorberatende RK-SR hatten sich im Vorfeld für die Annahme der Forderung ausgesprochen. Eine Herausforderung bei der Umsetzung dürfte es sein, eine Fernauthentifizierung vorzunehmen – also eine Beurkundung der bei der Gründung beteiligten Personen, ohne deren physische Anwesenheit vorauszusetzen –, wie Kommissionssprecher Carlo Sommaruga (sp, GE) im Rat erläuterte. Mit der Annahme im Zweitrat wurde der Bundesrat damit beauftragt, einen Entwurf zur Umsetzung des Anliegens auszuarbeiten.

Création d'entreprises par voie entièrement numérique (Mo. 21.3180)

Einstimmig bei zwei Enthaltungen nahm der Ständerat in der Wintersession 2022 als Erstrat das Bundesgesetz über die Digitalisierung im Notariat (DNG) an. Die wenigen Änderungen gegenüber dem Entwurf des Bundesrates, die die RK-SR beantragte, wurden auch vom Bundesrat unterstützt. Die Ständekammer hiess sie alle stillschweigend gut. Wie Kommissionssprecher Carlo Sommaruga (sp, GE) im Ratsplenum erläuterte, verfolgte die Kommission mit den Änderungen vor allem drei Ziele: Erstens wollte sie einige Definitionen klarer formulieren, zweitens sicherstellen, dass das neue Gesetz nicht in die kantonalen Notariatsregelungen eingreift, und drittens gewährleisten, dass die Geheimhaltung letztwilliger Verfügungen – also von Testamenten – weiterhin garantiert werden kann. In diesem Zusammenhang äusserte die Kommission Bedenken, dass die Geheimhaltung von elektronischen Dokumenten durch Hackerangriffe oder Leaks gefährdet sei. Sie ergänzte deshalb im Gesetz, dass solche Verfügungen, die bis zum Tod der betreffenden Person geheim bleiben müssen, nur mit ausdrücklicher Zustimmung der Urkundsparteien elektronisch erstellt werden dürfen.

Notariatsdigitalisierungsgesetz (BRG 21.083)

In der Wintersession 2022 beugte sich der Ständerat als Zweitrat über die Revision des sechsten Kapitels des IPRG betreffend das internationale Erbrecht. Im Gegensatz zur Schwesterkammer war Eintreten hier unbestritten. Allerdings sorgten vier von der vorberatenden RK-SR eingebrachte Änderungsvorschläge für deutlich mehr Diskussionsbedarf als im Erstrat. Erstens ging es darum, ob im Gesetz – wie vom Bundesrat vorgesehen – ausdrücklich festgehalten werden soll, dass die Schweizer Behörden ihre Zuständigkeit von der Untätigkeit der Behörden anderer für die Zuständigkeit in Frage kommender Staaten abhängig machen können sollen. Hintergrund der Diskussion war der heute angewandte Grundsatz, dass bei verstorbenen Schweizer Bürgerinnen und Bürgern mit letztem Wohnsitz im Ausland die schweizerischen Behörden für die Nachlassabwicklung zuständig sind, sofern sich die Behörden des Wohnsitzstaates nicht damit befassen. Allenfalls kämen aber noch weitere Staaten für eine Zuständigkeit in Frage, wenn die verstorbene Person etwa noch einen anderen ausländischen Heimatstaat hatte oder Grundstücke in einem weiteren ausländischen Staat besass. Der Bundesrat wollte mit einer Ergänzung im genannten Sinne deshalb den Auffangcharakter der Schweizer Zuständigkeit festhalten: Es gehe darum, zu verhindern, dass sich niemand mit dem Nachlass eines Auslandschweizers oder einer Auslandschweizerin befasse. Es sei nicht das Ziel, dass die Schweiz möglichst das Verfahren führen könne, sondern dass Parallelverfahren und Zuständigkeitskonflikte vermieden werden, erklärte Bundesrätin Karin Keller-Sutter. Eine Minderheit Vara (gp, NE) unterstützte die Version des Bundesrates. Die Kommissionsmehrheit plädierte indes dafür, die Ergänzung zu streichen. Es sei «vielleicht nicht das Beste», so Kommissionssprecher Thomas Hefti (fdp, GL), «wenn wir der ganzen Welt kundtun, dass wir unser Recht und unsere Zuständigkeit von der Inaktivität der ausländischen Behörden abhängig machen». Mit 31 zu 10 Stimmen folgte der Ständerat dem Antrag der Mehrheit und strich die Ergänzung aus dem Entwurf. Zweiter Streitpunkt war die gleiche Bestimmung in Bezug auf ausländische Erblasserinnen und Erblasser mit letztem Wohnsitz im Ausland. In diesen Fällen käme eine Zuständigkeit der Schweizer Behörden für den in der Schweiz gelegenen Nachlass in Frage. Mit den gleichen Argumenten gelangte die Ständekammer zur gleichen Entscheidung wie zuvor.
Auch im dritten Diskussionspunkt ging es um eine vom Bundesrat vorgeschlagene Ergänzung zur Vermeidung von Zuständigkeitskonflikten. Die Regierung wollte ausdrücklich im Gesetz festhalten, dass eine Zuständigkeit der Schweizer Behörden ausgeschlossen ist, wenn die verstorbene Person im Testament oder einem Erbvertrag von ihrem Recht Gebrauch gemacht hat, den Nachlass ganz oder teilweise der Zuständigkeit eines ausländischen Heimatstaates zu unterstellen, und sich diese ausländischen Behörden mit dem Nachlass befassen. Das werde heute in der Praxis bereits so gehandhabt; es gehe lediglich um eine Klarstellung, erläuterte Bundesrätin Keller-Sutter, die sich wiederum für die Minderheit Vara aussprach. Kommissionssprecher Hefti vertrat den Mehrheitsantrag auf Streichen: Weil der Vorschlag der heutigen Rechtsprechung entspreche, werde durch den Verzicht auf den Absatz nichts geändert, man erlaube aber der Rechtsprechung, sich später allenfalls weiterzuentwickeln und fallgemässe Lösungen zu finden. Die Kantonskammer folgte auch diesem Antrag mit 28 zu 12 Stimmen und schuf so eine dritte inhaltliche Differenz zum Erstrat.
Dieses Recht, den Nachlass wahlweise dem Recht des Wohnsitz- oder eines Heimatstaates zu unterstellen, war auch Kern des vierten umstrittenen Punktes. Hier schlug die Kommissionsmehrheit eine Ergänzung vor, wonach Schweizer Bürgerinnen und Bürger nur noch das schweizerische Recht wählen können sollen. Wie Kommissionssprecher Hefti ausführte, stand dahinter die Befürchtung, dass Doppel- oder Mehrfachbürger ein ausländisches Recht wählen würden, um die Schweizer Pflichtteilsregelung zu umgehen. Minderheitssprecher Carlo Sommaruga (sp, GE) sprach sich gegen diesen Zusatz aus, weil man damit Schweizer Doppelbürgerinnen und -bürgern ein Recht vorenthalte. Im Vergleich zu Mehrfachbürgerinnen und -bürgern, die keine schweizerische Staatsbürgerschaft besitzen, würden Schweizerinnen und Schweizer mit weiteren Staatsbürgerschaften durch diese Regelung benachteiligt. Für Ausländerinnen und Ausländer gelte das Wahlrecht nämlich weiterhin, fügte die Justizministerin an, und dort habe der Gesetzgeber «die mit einer Rechtswahl verbundene Nichtgeltung des schweizerischen Pflichtteilsrechts in Kauf genommen». Diese Argumentation blieb allerdings mehrheitlich ungehört: Mit 27 zu 13 Stimmen schloss sich der Ständerat auch hier seiner Kommissionsmehrheit an. In der Gesamtabstimmung nahm die kleine Kammer die Vorlage einstimmig bei einer Enthaltung an. Mit vier inhaltlichen Differenzen geht sie zurück an den Nationalrat.

Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht. 6. Kapitel: Erbrecht (BRG 20.034)

Mittels einer im Juni 2022 eingereichten parlamentarischen Initiative forderte Carlo Sommaruga (sp, GE) die Einführung einer Pflicht zur periodischen Revision der Renditen auf Mieteinnahmen bei Wohnimmobilien für alle Eigentümerinnen und Eigentümer von Mietwohnungen, die mehrere Wohnungen vermieten. Wie der Motionär in der Begründung seines Vorstosses erklärte, dürfen in der Schweiz die Mieten prinzipiell nur die Kosten decken, zuzüglich einer Eigenkapitalrendite, die jedoch maximal 2 Prozentpunkte über dem hypothekarischen Referenzzinssatz liegen darf. Laut Sommaruga würden die effektiven Renditen jedoch oft viel höher ausfallen, weshalb die Mieterinnen und Mieter gemäss einer Studie der Raiffeisen-Bank jährlich CHF 14 Mrd. zu viel an Miete bezahlen. Das BWO solle deshalb regelmässig überprüfen, ob die erzielten Mieteinnahmen den gesetzlichen Vorgaben entsprechen.
Nachdem tags zuvor der Nationalrat eine gleichlautende parlamentarische Initiative von Jacqueline Badran (sp, ZH; Pa.Iv. 21.469) abgelehnte hatte, nahm sich der Ständerat in der Wintersession 2022 der Initiative von Sommaruga an. Der Sprecher der vorberatenden RK-SR, Philippe Bauer (fdp, NE), vertrat dabei im Namen der Kommission die Position, dass die kleine Kammer die Initiative ablehnen solle. Da die Berechnung der zulässigen Renditen auf den Anlagekosten basiere, dürften Vermieterinnen und Vermieter mit Liegenschaften, die sie bereits seit Jahrzehnten besitzen, weniger hohe Renditen erzielen als jemand, der eine gleichwertige Liegenschaft vor Kurzem erworben hat – wodurch sie benachteiligt wären. Ausserdem sehe das Mietrecht bereits Möglichkeiten für Mieterinnen und Mieter vor, in bestimmten Situationen eine Renditeberechnung zu verlangen. Schliesslich sei eine solche Berechnung auch mit sehr grossem administrativem Aufwand verbunden. Der Ständerat lehnte die Initiative in der Folge mit 29 zu 12 Stimmen ab.

Periodische Revision der Renditen auf Mieteinnahmen bei Wohnimmobilien zur Sicherstellung des gesetzlichen Zustands (Pa.Iv. 21.476 & Pa.Iv. 21.469)

Im August 2022 reichte die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats eine Kommissionsmotion mit dem aussagekräftigen Titel Schaffung einer Taskforce für die Sperrung von russischen und belorussischen Oligarchengeldern ein. Die geforderte Taskforce solle die im Zuge des Ukraine-Kriegs verhängten internationalen Sanktionen gegen Russland und Belarus umsetzen und insbesondere die in der Schweiz gelagerten Vermögenswerte von sanktionierten Personen finden und sperren.
Eine grosse Minderheit Schneeberger (fdp, BL) beantragte, die Motion abzulehnen. Gleiches tat der Bundesrat, der wie schon in seinen Stellungnahmen zu den ähnlich ausgerichteten Motionen von Carlo Sommaruga (sp, GE) und der SP-Fraktion darauf hinwies, dass die Umsetzung der Sanktionen die betroffenen Bundesstellen allgemein vor neue Herausforderungen stelle (Mo. 22.3236; Mo. 22.3214). Der Bundesrat zeigte sich aber überzeugt, dass die Prozesse zwischen den Bundesbehörden und den privaten Unternehmen funktionierten, das belege nicht zuletzt die hohe Zahl an Meldungen und die grossen Summen an eingefrorenen Vermögenswerten. Der Sanktionsvollzug werde vom SECO koordiniert und überwacht, zudem seien die verschiedenen Ämter in einer ständigen Koordinationsgruppe «Sanktionspolitik» zusammengefasst. Darüber hinaus tausche sich die Schweiz mit der Europäischen Kommission und den EU-Mitgliedstaaten im Rahmen der Taskforce «Freeze and Seize» über die Umsetzung der Sanktionen aus, wobei auch eine Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen internationalen und nationalen Behörden im Raum stehe. Der Bundesrat sah aus diesen Gründen keinen Handlungsbedarf in dieser Angelegenheit.

Der Nationalrat setzte sich in der Wintersession 2022 mit der Motion seiner Kommission auseinander. Kommissionssprecher Bendahan (sp, VD) stellte seiner Begründung voran, dass die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates bereits 2018 ein Koordinationsdefizit bei der Einführung von Sanktionen festgestellt habe und eine verbesserte Überwachung und Koordination durch das SECO verlange. In den Augen der WAK-NR könne die vorgeschlagene Taskforce ein Sanktionsregime effizienter umsetzen, als wenn sich die verschiedenen Departemente koordinieren müssen. Zudem könne ein derartig multidisziplinäres Gremium besser mit den komplexen Problemstellungen umgehen, die bei der Einführung von Sanktionen auftreten. Die WAK-NR wolle damit verhindern, dass die Schweiz im internationalen Netzwerk der Sanktionspartner zu einem schwachen Glied werde, fügte Bendahan weiter an. Der Motionstext sei bewusst offen formuliert, um dem Ständerat und dem Bundesrat genügend Spielraum für situative Anpassungen zu erlauben. Kathrin Bertschy (glp, BE) ergänzte, dass die vorliegende Motion im Gegensatz zu den ähnlich lautenden Vorstössen aus der Sommersession 2022 darauf verzichte, die Vermögenswerte einzuziehen. Daniela Schneeberger vertrat eine grosse Kommissionsminderheit – 12 Kommissionsmitglieder hatten die Ablehnung beantragt – und argumentierte, dass eine derartige Taskforce keinen Mehrwert bringe, sondern eher als Misstrauensvotum gegen das «funktionierende und etablierte System der Zusammenarbeit von Staat und privaten Akteuren» gelesen werden müsste. Eine neue Instanz würde vor allem erhöhten Koordinationsaufwand mit sich bringen, was nicht gerechtfertigt wäre, da nur ein kleiner Teil aller Sanktionen die blockierten Gelder betreffe. Wirtschaftsminister Guy Parmelin wies anschliessend darauf hin, dass die Schaffung einer Taskforce mit der Kompetenz, Vermögen zu blockieren, zahlreiche Doppelspurigkeiten mit dem SECO schaffen würde. Er warnte auch davor, die Wirksamkeit der Sanktionen an der Höhe der gesperrten Vermögenswerte messen zu wollen, da die Sperrung nur eine von vielen Massnahmen sei.
Die grosse Kammer nahm die Motion jedoch gegen den Willen des Bundesrats, sowie der Fraktionen der SVP und der FDP mit 101 zu 84 Stimmen (bei 7 Enthaltungen) an.

Schaffung einer Taskforce für die Sperrung von russischen und belorussischen Oligarchengeldern