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  • Rechsteiner, Paul (sp/ps, SG) SR/CE

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Im Juli 2016 entschied der Bundesrat auf Empfehlung der AHV/IV-Kommission, die AHV- und IV-Renten fürs Jahr 2017 – zum ersten Mal überhaupt seit Einführung der AHV 1948 – nicht zu erhöhen. Die Erhöhungen seien abhängig von der Lohn- und Preisentwicklung; dieses Jahr würden die negative Teuerung sowie die schwache Lohnentwicklung folglich keine Erhöhung rechtfertigen, erklärte der Bundesrat. Rein rechnerisch wäre gemäss Stéphane Rossini, Präsident der Kommission, auch eine Senkung der Renten möglich gewesen, eine solche sei aber nie zur Debatte gestanden. SGB-Präsident Paul Rechsteiner (sp, SG) verwies darauf, dass bei diesem Entscheid die Krankenkassenprämien nicht berücksichtigt würden, die durchschnittlich wieder um 5 Prozent stiegen. Aus diesem Grund sei ein Ja zur AHVplus-Initiative, über die im September abgestimmt wird, nötig; die Rentenentwicklung hinke ansonsten der Lohnentwicklung immer stärker hinterher.

Keine Erhöhung der Renten in der ersten Säule per Anfang 2017
Dossier: Anpassung der AHV- und IV-Renten

In der Wintersession 2016 behandelte der Ständerat den Entwurf zum Ausgleichsfondsgesetz. Dieser hat die Errichtung einer öffentlich-rechtlichen Anstalt – der Compenswiss – zur Verwaltung der Ausgleichsfonds von AHV, IV und EO zum Inhalt. Als Kommissionssprecher erklärte Pirmin Bischof (cvp, SO), dass die SGK-SR einen Zusatzbericht zu drei offenen Fragen verlangt hatte. Dabei habe sich insbesondere gezeigt, dass der zu behandelnde Gesetzesentwurf für eine gesetzliche Regelung der Rückzahlung der IV-Schuld ab 2018 dringend sei. Zudem solle gemäss Zusatzbericht die Zentrale Ausgleichsstelle (ZAS) nicht in die Compenswiss integriert werden, da dies einen unverhältnismässigen Aufwand mit sich bringen würde. Schliesslich klärte der Bericht, dass in Zukunft anstelle der drei Ausgleichsfonds die neue Anstalt mit ihrem Gesamtvermögen gegen aussen hafte.

In der Detailberatung beabsichtigte die SGK-SR – abweichend vom Bundesrat – nicht die Eidgenössische Finanzkontrolle, die diese Aufgabe bisher übernommen hatte, als Revisionsstelle zu beauftragen, sondern diesen Auftrag durch den Verwaltungsrat der Compenswiss vergeben zu lassen. Dies sei, so Hans Stöckli (sp, BE), aus dem Blickwinkel der Compliance schwierig. Entsprechend beantragte er mit einer Kommissionsminderheit, in diesem Punkt dem Bundesrat zu folgen. Kommissionssprecher Bischof entgegnete diesbezüglich, dass sich der Bund zwar mit fast CHF 12 Mrd. an der Finanzierung der AHV beteilige, aber eben nicht als Einziger beteiligt sei. Die Frage der Unabhängigkeit der Revisionsstelle gelte als wichtiges Erfordernis und eine Loslösung von der EFK trage dem Einwand Rechnung, der Staat solle nur dann Dienstleistungen anbieten, wenn der private Markt dies nicht zufriedenstellend tue. Da es aber gerade im internationalen Umfeld genügend entsprechende Firmen gebe, andere Unternehmen wie zum Beispiel die SUVA eine ähnliche Regelung kennen und die Oberaufsichtskompetenz der Bundesversammlung erhalten bleibe, sei die Lösung der SGK-SR zu bevorzugen. Dies überzeugte eine äusserst knappe Mehrheit des Ständerats: Mit 21 zu 20 Stimmen (0 Enthaltungen) wurde der Antrag der Mehrheit angenommen.

Ebenfalls diskutiert wurde auf Antrag von Liliane Maury Pasquier (sp, GE), ob der Bund auch über das Jahr 2017 hinaus und bis zur definitiven Entschuldung den jährlichen Zinsaufwand auf dem IV-Verlustvortrag übernehmen solle. Paul Rechsteiner (sp, SG) begründete diese Forderung damit, dass man diese Übernahme der Schulden durch den Bund 2010 beschlossen hatte, weil nicht die AHV für die Schulden verantwortlich war, sondern der Bund. Entsprechend solle man auch heute nicht die AHV dafür büssen lassen. Durch die Übernahme dieser Zinsen wäre die Entschuldung der IV bei der AHV nach heutigen Prognosen ein Jahr früher möglich. Wiederum entgegnete Pirmin Bischof, dass die Entschuldung unter anderem aufgrund des Tiefzinsumfelds schneller vorangehe als geplant. Dass der IV-Ausgleichsfonds seine Schulden verzinsen müsse, sei richtig, jedoch solle die Übernahme dieser Zinsen durch den Bund nur temporär sein und daher wie geplant Ende 2017 enden. Anschliessend solle der IV-Ausgleichsfonds dem AHV-Ausgleichsfonds den entsprechenden Zins bezahlen. Dies halte auch den Druck zur Sanierung der IV weiter hoch. Der Ständerat nahm diesen Antrag der Mehrheit mit 28 zu 13 Stimmen (0 Enthaltungen) an und sprach sich anschliessend in der Gesamtabstimmung einstimmig für das Ausgleichsfondsgesetz aus.

Ausgleichsfondsgesetz

Nachdem sich die SPK-SR einstimmig für die Idee eines obligatorischen Referendums für völkerrechtliche Verträge mit verfassungsmässigem Charakter ausgesprochen hatte, passierte die Motion Caroni in der Frühjahrssession 2016 auch den Ständerat. Allerdings erwuchs der Idee in der kleinen Kammer Opposition in der Person von Paul Rechsteiner (sp, SG). Der St. Galler Ständerat wies darauf hin, dass es schwierig sei, gegen eine Idee einzustehen, die vom Nationalrat diskussionslos durchgewunken, vom Bundesrat zur Annahme empfohlen und von der eigenen Kommission oppositionslos zur Annahme empfohlen werde. Es lohne sich aber sehr wohl, sich der Schwere der Konsequenzen dieses Vorschlages bewusst zu werden. Mit Verweis auf den abgelehnten Gegenvorschlag zur Initiative "Staatsverträge vors Volk!" mahnte der SP-Ständerat, dass damals nicht nur abstimmungstaktische Gründe, sondern insbesondere im Ständerat auch zahlreiche inhaltliche Bedenken geäussert wurden. Rechsteiner fasste diese Bedenken von damals noch einmal zusammen: Über zahlreiche, eigentlich unbestrittene Konventionen müsste obligatorisch abgestimmt werden, was zu einer Überlastung des direktdemokratischen Systems führen könnte. Darüber hinaus bestehe mit dem fakultativen Staatsvertragsreferendum bereits ein Instrument, mit dem die Legitimation eines Vertrages gestärkt werden könne – so ein weiteres Argument gegen die Annahme der Motion Caroni. Zudem würde ein obligatorischer Urnengang die Handlungsfreiheit vor allem auch bei wirtschaftlichen Staatsverträgen stark einschränken. Schliesslich erinnerte Rechsteiner daran, dass die Volksinitiative "Staatsverträge vors Volk!" deutlich abgelehnt worden sei – mit der Motion würde aber mindestens die Hälfte eingeführt, von dem was damals vom Begehren der AUNS gefordert worden war.
Die Bedenken von Rechsteiner wurden nur von weiteren 8 Ständerätinnen und -räten geteilt – zu wenig gegen die 36 Befürworterinnen und Befürworter. Einig schien man sich in der Diskussion aber zu sein, dass die Umsetzung der Idee noch viel Konfliktpotenzial habe. Thomas Minder (parteilos, SH) wies etwa darauf hin, dass auch die Kündigung von bestehenden Verträgen berücksichtigt werden müsse. Bundesrätin Simonetta Sommaruga äusserte gar Zweifel, dass dieses Projekt dann wirklich bis zum Ende durchhalte. Sie verwahrte sich zudem gegen den Gedanken, dass völkerrechtliche Verträge, über die nicht abgestimmt werde, eine geringere Legitimität hätten.

Obligatorisches Referendum für völkerrechtliche Verträge (Mo. 15.3557)
Dossier: Obligatorisches Referendum für völkerrechtliche Verträge mit Verfassungscharakter

Im Kanton St. Gallen traten mit Karin Keller-Sutter und Paul Rechsteiner beide amtierenden Vertreter erneut zu den Ständeratswahlen an. Von FDP-Ständerätin Keller-Sutter wurde die Wiederwahl von allen Seiten erwartet, da die ehemalige Regierungsrätin nicht erst seit ihrer glanzvollen Wahl vor vier Jahren als politisches Schwergewicht in ihrer Partei galt. Für den SP-Mann Rechsteiner bahnte sich wie bereits 2011 Konkurrenz aus der CVP und der SVP an, namentlich waren dies Kantonsrat Thomas Ammann und Nationalrat Thomas Müller. Die CVP hatte sich in den letzten Wahlen von ihrer ungeschickten Seite gezeigt, als sie im zweiten Wahlgang mit Michael Hüppi einen weithin unbekannten und entsprechend erfolglosen Kandidaten ins Rennen geschickt hatte. Dem kantonalen Fraktionspräsidenten Thomas Ammann wurden zwar wesentlich bessere Chancen eingeräumt, er konnte jedoch sein mediales Image als blasser Kandidat nie wirklich ablegen. Auf der anderen Seite galt Thomas Müller als aussichtsreichster Herausforderer des Gewerkschaftspräsidenten Rechsteiners. SVP-Präsident Toni Brunner hatte bereits 2011 den Einzug ins „Stöckli“ nur äusserst knapp im zweiten Wahlgang verpasst, weswegen man sich von einem gemässigteren Kandidaten wie Müller viel versprach. Das Kandidatenfeld im Rennen um die beiden Ständeratssitze wurde ergänzt durch Yvonne Gilli (GPS), Margrit Kessler (GLP), Richard Ammann (BDP), Hans Oppliger (EVP) sowie Andreas Graf (Parteifrei SG).
Für Diskussionen in der Wahlkampfberichterstattung sorgte hauptsächlich die Frage der Eignung des CVP-Vertreters Ammann als Kandidat für den Ständerat. Ausgerechnet CVP-Präsident Christophe Darbellay sorgte mit Äusserungen anlässlich eines Interviews mit der Ostschweiz am Sonntag für Irritationen. Darbellay schien von einer möglichen Nichtwahl Ammanns auszugehen, indem er behauptete, dass die Wahl eines CVP-Kandidaten spätestens 2019 gelingen würde. Daraufhin schob er den Namen des amtierenden Regierungsrats Beni Würth nach, was in den Augen vieler einer Diskreditierung Ammanns gleichkam.

Mit einem überragenden Resultat schaffte Karin Keller-Sutter erwartungsgemäss die Wiederwahl bereits im ersten Wahlgang problemlos. Sie konnte 103‘258 Stimmen auf sich vereinen, womit sie das absolute Mehr um mehr als 25‘000 Stimmen übertraf. Hinter ihr folgten Paul Rechsteiner mit 62‘944 Stimmen, Thomas Müller mit 50‘692 Stimmen und – zur grossen Überraschung – Yvonne Gilli mit 19‘191 Stimmen. Thomas Ammann musste sich mit 16‘821 Stimmen und einem enttäuschenden fünften Platz zufrieden geben. Aufgrund dieses äusserst mageren Resultats zog man bei der CVP die Konsequenzen und verzichtete auf ein Antreten im zweiten Wahlgang. Nachdem sich auch Yvonne Gilli und die restlichen Kandidaten auf den hinteren Rängen zurückgezogen hatten, kam es wie schon 2011 zum Duell zwischen SP und SVP, also zwischen Gewerkschaftspräsident Paul Rechsteiner und Nationalrat Thomas Müller. Dem SVP-Mann wurden zwar gute Chancen auf die Sitzeroberung eingeräumt, allerdings wurde ihm vor allem in CVP-Kreisen auch misstrauisch begegnet. Neben der generell harten Rhetorik, mit welcher die St. Galler SVP die restlichen bürgerlichen Parteien über die vergangenen Jahre angegangen war, war hierbei die Vergangenheit Thomas Müllers als CVP-Mitglied wohl mitschuldig. Den Parteiwechsel Müllers von der CVP zur SVP anlässlich der letzten Wahlen wurde ihm in weiten Kreisen übel genommen. Rechsteiner andererseits wurde von der SP geschickt als starker Standesvertreter porträtiert, welcher sich für die St. Galler Interessen stark gemacht habe. Untermauert wurde diese Sichtweise durch prominente bürgerliche Unterstützung, beispielsweise durch die zurückgetretene CVP-Nationalrätin Lucrezia Meier-Schatz, sowie durch die ihm attestierte gute Zusammenarbeit mit FDP-Ständerätin Keller-Sutter.

Im zweiten Wahlgang bestätigten sich die positiven Vorzeichen für Paul Rechsteiner, welcher mit 70‘250 Stimmen seinen Konkurrenten Thomas Müller (49‘662 Stimmen) klar distanzierte. Wie schon vor vier Jahren konnte der pointiert links politisierende SGB-Präsident damit bis weit ins bürgerliche Lager Stimmen holen. Nach einem erneuten Scheitern dürfte die SVP sich damit trösten, dass sie mit einer stärkeren CVP-Kandidatur in vier Jahren vielleicht doch noch als „lachende Dritte“ einen Sitz im Stöckli erobern könnte.

Kanton St. Gallen -Ständeratswahlen 2015
Dossier: Resultate Ständeratswahlen 2015 (nach Kantonen)

In der Herbstsession 2015 stand die Debatte zur Reform der Altersvorsorge 2020 als wichtigstes Traktandum im Sessionsprogramm des Ständerates. Die kleine Kammer hatte über 15 Bundesgesetze zur Reform der Altersvorsorge (Entwurf 1) sowie über den Bundesbeschluss über die Zusatzfinanzierung der AHV durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer (Entwurf 2; Verfassungsebene) zu bestimmen. Die SGK-SR hatte zahlreiche Änderungen gegenüber dem Entwurf des Bundesrates vorgenommen und brachte 13 Minderheitsanträge ins Plenum. Die Debatte zog sich über drei Tage.

Die Eintretensdebatte behandelte beide Entwürfe gemeinsam. Da Eintreten vollkommen unbestritten war, diente dieser Teil der Debatte den Angehörigen der kleinen Kammer und dem Sozialminister dazu, ausführlich ihre Haltung für die anschliessend stattfindende Detailberatung darzulegen. Die Sprechenden betonten unisono die hohe Wichtigkeit und auch Dringlichkeit der anstehenden Reform. Vor dem Hintergrund, dass die AHV das wichtigste Sozialwerk der Schweiz ist und die Vorlage Millionen Menschen im Land betreffen wird, wurde die Reform als die wichtigste seit Jahren bezeichnet, ja als Garantie zur Erhaltung des Generationenfriedens. Obwohl periodische Anpassungen bei der Altersvorsorge notwendig seien, war seit 20 Jahren keine AHV-Reformvorlage mehr erfolgreich. Entsprechend riefen die Kantonsvertreterinnen und -vertreter dazu auf, verantwortungsvoll zu handeln, die ideologischen Schützengräben zu verlassen und ein Scheitern der komplexen Vorlage an der Urne zu verhindern.

Auch die Kommissionssprecherin Maury-Pasquier (sp, GE) und der Kommissionssprecher Schwaller (cvp, FR) betonten die Wichtigkeit der Vorlage aufgrund des demografischen Wandels. Obwohl die Kommission zahlreiche Änderungen gegenüber dem Entwurf des Bundesrates vorgenommen hatte, bleibe das Ziel identisch: Eine Stabilisierung der Altersvorsorge bis ins Jahr 2030. In der Kommissionsdebatte seien die Gemeinsamkeiten grösser gewesen als die Differenzen und der Entscheid für ein finanziell ausgeglichenes Gesamtpaket war einstimmig gefallen.

Die sozialdemokratische Fraktion im Rat erklärte, die Revision müsse in ihrer Gesamtheit auf die Bedürfnisse der Personen mit tiefem und mittlerem Einkommen abgestimmt sein, um an der Urne zu bestehen. Für diese Bevölkerungsgruppen seien die erste und zweite Säule von hoher Wichtigkeit. Während beide Entwürfe, jener des Bundesrats und jener der Kommission, das Ziel eines ausgeglichenen Stands des AHV-Fonds im Jahr 2030 erreichten, schwäche der Vorschlag des Bundesrates die AHV, während jener der SGK-SR sie stärke. Dies komme insbesondere Personen mit tiefem Einkommen zugute. Als einzige Verschlechterung bei der AHV sei im Kommissionsentwurf die Erhöhung des Rentenalters der Frauen übrig geblieben. Die Erhöhung der AHV für Ehepaare und für alle neu Pensionierten bezeichneten die SP-Abgeordneten als Herzstück der Vorlage. Die fixe Erhöhung stärke dabei die soziale Komponente der AHV, und eine Ansiedlung der Kompensationsmassnahmen in der AHV statt in der beruflichen Vorsorge sei kostengünstiger. Eine Erhöhung der AHV-Renten sei schon alleine deshalb notwendig, weil die Renten in den letzten 35 Jahren gegenüber der Lohnentwicklung in Rückstand geraten seien, so die Genossen. Insgesamt sei die Vorlage solide, da Einnahmen und Ausgaben übereinstimmen, und sie sei transparent und verständlich und somit mehrheitsfähig.

Einen ganz anderen Standpunkt vertraten wenig überraschenderweise die Sprecherinnen und Sprecher der FDP-Liberalen Fraktion. Nachdem sie diverse Vorteile der Vorlage herausgestrichen hatten, erläuterten sie die Gründe für ihre Ablehnung eines AHV-Ausbaus. Dieser funktioniere nach dem Giesskannenprinzip, was angesichts der starken Bevölkerungsalterung nicht finanzierbar sei. Anstatt wie ursprünglich vorgesehen die AHV zu stabilisieren, werde sie durch diesen Ausbau destabilisiert. Das Ausbauvorhaben sei dem Umstand geschuldet, dass man mit der Vorlage implizit zwei hängigen Volksinitiativen – „AHV plus" der SP und „Gegen die Heiratsstrafe" der CVP – habe entgegenkommen wollen. Der fixe Ausbau um CHF 70 stehe bei einer Sanierungsvorlage quer in der Landschaft, eine „Heiratsstrafe", die es zu kompensieren gälte, existiere summa summarum gar nicht. Nicht zuletzt wäre eine Erhöhung ausschliesslich der Neurenten ohnehin ungerecht. In klassisch-liberaler Manier wurde auch angemerkt, eine Erhöhung der Lohnbeiträge würde die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft schwächen. Ganz grundsätzlich, so die Ausführungen, sollten die erste und die zweite Säule nicht vermischt werden und Kompensationen für Kürzungen grundsätzlich in der selben Säule vorgenommen werden.

Auf Seiten der kleinen Mitteparteien zeigte sich Uneinigkeit: Während Verena Diener Lenz (glp, ZH) sich insgesamt mit der Vorlage zufrieden zeigte, kritisierte Werner Luginbühl (bdp, BE) insbesondere den Verzicht der Kommission auf einen Interventionsmechanismus. Beide Räte hätten einem solchen mehrmals zugestimmt. Insgesamt sei die Vorlage zu wenig nachhaltig und um eine Erhöhung des Rentenalters führe letztlich kein Weg herum.

Die Sprecher der SVP-Fraktion betonten, die Reform müsse zwar referendumsfest sein, man könne dem Volk jedoch keinen Sand in die Augen streuen. Für Spezialwünsche sei in der Vorlage kein Platz. Zwar sei der Entwurf der Kommission gegenüber jenem des Bundesrats bereits schlanker, jedoch gefährde der vorgesehene Ausbau der AHV deren Stabilität und sei darüber hinaus nicht notwendig, da die anderen vorgesehenen Massnahmen die durch die Senkung des BVG-Umwandlungssatzes verursachten Rentenkürzungen kompensieren würden. Entsprechend sei auch eine Erhöhung der Lohnbeiträge, welche aufgrund der aktuellen Wirtschaftslage ohnehin nicht vertretbar sei, nicht vonnöten, so die Volkspartei. Die Sprecher befürworteten zudem die Angleichung des Rentenalters von Mann und Frau. Diese sei gemäss neuen Umfragen in der Bevölkerung akzeptiert.

Die CVP-EVP-Fraktion schliesslich, grösste Fraktion im Ständerat, hatte am Kommissionsentwurf in entscheidender Position mitgearbeitet und erklärte sich mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Da das Konzept ausgewogen sei, könne es auch an der Urne akzeptiert werden. Die Sozialeinrichtungen würden mit dem vorliegenden Entwurf stabilisiert und die Renten gesichert. Damit entstehe für die Arbeitgeber auch wichtige Planungssicherheit. Insgesamt, so die Sprecher, sei der Vorschlag der Kommission zudem um CHF 250 Mio. günstiger als jener des Bundesrats.

Am Ende der Eintretensdebatte führte Bundesrat Berset in einem langen Plädoyer noch einmal die aktuelle Problemlage, die Eckwerte und Ziele der Reform, die Unterschiede zwischen dem Entwurf des Bundesrates und jenem der Kommission, sowie die Haltung des Bundesrates gegenüber dem Vorschlag der Kommission aus. Es handle sich hier tatsächlich um eine Reform des Bundesrates, und nicht um eine „Reform Berset", wie in den Medien oft dargestellt, beantwortete der Innenminister eine Frage, die zuvor gestellt worden war. Der Gesamtbundesrat habe sich seit dem Jahr 2012 intensiv mit der Materie beschäftigt. In den wichtigsten Punkten, so der Sozialminister, sei die vorberatende Kommission nun auch dem Entwurf des Bundesrates gefolgt. Diese seien insbesondere die Behandlung der ersten und zweiten Säule in einer einzigen Vorlage und der Erhalt des Rentenniveaus. Die wichtigsten Unterschiede sah er bei der Kompensation durch eine Erhöhung der AHV und bei der Anhebung der Mehrwertsteuer bloss um einen statt 1,5 Prozentpunkte. Während er sich mit dem ersten Punkt anfreunden könne, führte Berset aus, wäre eine stärkere Erhöhung der Mehrwertsteuer bei gleichzeitiger Senkung des Bundesbeitrags an die AHV aus Sicht des Bundesrates erstrebenswerter. Insgesamt drückte Berset jedoch seine Zufriedenheit mit der Arbeit der Kommission und der Haltung des Rates aus, wonach es nicht nur zu „versuchen" gelte, die Altersvorsorge zu reformieren, sondern dies auch tatsächlich gelingen müsse. In diesem Sinne empfahl der Bundesrat Eintreten, und der Ständerat folgte ohne Gegenantrag.

Nachdem Eintreten ohne Gegenantrag beschlossen worden war, begann noch am selben Tag die Detailberatung. Zuerst wurde Entwurf 1 behandelt, der die 15 Bundesgesetze zur Reform der Altersvorsorge enthält. Erster Diskussionspunkt war die Angleichung des Rentenalters für Männer und Frauen. Der Rat beschloss gegen eine Minderheit Rechsteiner Paul (sp, SG), die das Rentenalter der Frauen bei 64 Jahren belassen wollte, die Rentenalter auf 65 anzugleichen, den Angleichungsprozess direkt bei Inkrafttreten der Reform zu beginnen und diesen auf drei Jahre zu beschränken. Der Entscheid fiel mit 37 zu 8 Stimmen. Damit hatte auch ein Teil der SP-Fraktion die Erhöhung des Frauenrentenalters als Kompromiss mitgetragen. Gegen eine weitere Minderheit Rechsteiner, die den Umwandlungssatz im obligatorischen Teil der zweiten Säule hatte bei 6,8 Prozent belassen wollen, beschloss die kleine Kammer, den Satz auf 6 Prozent zu senken. 37 Ratsmitglieder sprachen sich für die Senkung aus, 7 dagegen. In der Frage des Koordinationsabzuges folge der Rat seiner Kommission einstimmig und ohne Enthaltungen.

Am 15. September 2015, so die späteren Pressereaktionen, setzte sich im Ständerat eine Mitte-Links-Allianz durch. SVP und FDP hofften nun auf den Nationalrat für eine Korrektur, hiess es. Als erstes Traktandum fällte die kleine Kammer nämlich einen Grundsatzentscheid und beschloss die von ihrer Kommission vorgesehene Erhöhung der AHV-Neurenten – einerseits eine lineare Erhöhung um CHF 70, andererseits die Erhöhung der Ehepaarrenten von 150 auf 155 Prozent einer Maximalrente. Der Entscheid fiel mit 21 zu 17 Stimmen bei einer Enthaltung gegen den Willen einer rechts-bürgerlichen Minderheit Gutzwiller (fdp, ZH), die die Erhöhung hatte streichen wollen. Eine sozialdemokratische Minderheit Rechsteiner Paul (sp, SG), die eine Erhöhung für alle Renten statt nur der Neurenten gefordert hatte, wurde dagegen zurückgezogen. In der weiteren Debatte folgte der Rat diskussionslos seiner Kommissionsmehrheit darin, die Lohnbeiträge für die AHV um 0,3 Punkte anzuheben, welche je hälftig auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu verteilen sind. Eine Minderheit Rechsteiner hatte eine Anhebung um 0,5 Punkte gefordert, eine Minderheit Gutzwiller wehrte sich gegen eine Anhebung der Lohnbeiträge.

Entsprechend dem Antrag seiner Kommissionsmehrheit beschloss der Rat, die AHV-Beitragssätze für Angestellte und Selbstständigerwerbende zwar anzunähern, jedoch nicht ganz zu vereinheitlichen. Er blieb auch bei der sinkenden AHV-Beitragsskala für Selbstständige mit kleinem Einkommen. Eine Minderheit Rechsteiner hatte die sinkende Skala abschaffen wollen, eine Minderheit Gutzwiller wollte dem Vorschlag des Bundesrates folgen. Eine weitere Differenz zum Bundesratsentwurf entstand, indem der Ständerat mit 25 zu 11 Stimmen bei 5 Enthaltungen seiner Kommissionsmehrheit folgte und jegliche Änderungen bei den Witwen- und Witwerrenten sowie den Waisenrenten strich. Die Kommissionssprecherin erklärte, nach ausführlicher Diskussion habe die Kommission die Änderungen als verfrüht klassiert. Weiter strich die kleine Kammer auf Antrag ihrer Kommission und gegen eine sozialdemokratische Minderheit Bruderer (sp, AG) mit 25 zu 15 Stimmen bei einer Enthaltung die vom Bundesrat vorgesehene Flexibilisierung des Altersrücktritts für Personen, welche bereits früh in die AHV einbezahlt und insgesamt ein tiefes Einkommen erzielt haben. Gemäss aktueller Rechtslage fliessen vor dem 21. Altersjahr bezahlte AHV-Beiträge nicht in die Rentenberechnung ein; die Flexibilisierung wäre gemäss der Minderheitssprecherin mehrheitlich Frauen zugute gekommen. Auch in der Frage der Höhe der Bundesbeiträge zur AHV folgte der Ständerat seiner Kommission und beliess diese einstimmig auf der ursprünglichen Höhe, während der Bundesrat eine Senkung vorgesehen hatte. Ebenfalls einstimmig verzichtete der Rat auf die Einführung eines zweistufigen Interventionsmechanismus in der AHV mit automatischen Stabilisierungsmassnahmen. Er erhöhte aber den Schwellenwert für die Verpflichtung zu nicht-automatischen politischen Massnahmen von einem Stand des AHV-Fonds bei 70% einer Jahresausgabe auf 80% einer Jahresausgabe. Die Übergangsbestimmungen für die Anhebung des Referenzalters der Frauen beschloss die kleine Kammer gemäss Antrag ihrer Kommission mit 26 zu 11 Stimmen bei drei Enthaltungen, womit der Übergang innerhalb von drei Jahren vollzogen wird.

Nachdem die Gesetzesänderungen zur Reform der AHV beraten waren, wandte sich der Ständerat der Reform der beruflichen Vorsorge zu. Er führte auf Antrag seiner Kommission einen neuen Artikel ein, welcher es Personen, die nach ihrem 58. Altersjahr arbeitslos werden, ermöglicht, ihre Einzahlungen in die zweite Säule fortzuführen. Die weitere Beratung verlief unkontrovers, mit Ausnahme einer Bestimmung über die Evaluation der beruflichen Vorsorge, bei der die kleine Kammer vom Bundesrat vorgesehene Kompetenzen für das Bundesamt für Statistik wieder strich. Argumentiert wurde mit Doppelspurigkeiten und zusätzlichen Kosten. Die Sitzung schloss am Mittag und wurde am Morgen des Folgetages wieder aufgenommen. Zu reden gab dabei insbesondere noch die „Legal Quote", jenen Anteil der Erträge in der beruflichen Vorsorge, den ein Lebensversicherer seinen Versicherten mindestens auszahlen muss. Nach geltendem Recht beträgt die Quote 90% und die Kommissionsmehrheit beantragte, daran festzuhalten. Der Bundesrat hatte eine Anhebung auf 92% vorgesehen, und eine Minderheit Egerszegi (fdp, AG) beantragte, dem Bundesrat zu folgen. Der Rat entschied mit 28 zu 15 Stimmen gemäss dem Antrag seiner Kommission.

Damit war die Beratung der Bundesgesetze im Ständerat abgeschlossen und es blieb die Verfassungsbestimmung zur Anpassung des Mehrwertsteuersatzes. Eintreten war obligatorisch. Gemäss Vorschlag des Bundesrates sollte die Mehrwertsteuer gestaffelt um 1,5 Punkte angehoben werden. Die Kommissionsmehrheit beantragte eine ebenfalls gestaffelte Erhöhung um bloss einen Prozentpunkt. Der erste Erhöhungsschritt soll dabei mit dem Ende der Zusatzfinanzierung der Invalidenversicherung über die Mehrwertsteuer zusammenfallen, womit der Satz faktisch gleich bleibt. Ein zweiter Erhöhungsschritt soll dann im Jahr 2021 zusammen mit der Angleichung des Referenzalters von Mann und Frau vollzogen werden. Eine Minderheit Gutzwiller (fdp, ZH) verlangte eine Erhöhung um nur insgesamt 0,9 Prozentpunkte, eine Minderheit Stöckli (sp, BE) eine Anhebung um 1,5 Prozentpunkte. Letztere wurde im Laufe der Debatte zurückgezogen. Der Antrag der Kommissionsmehrheit obsiegte schliesslich gegenüber jenem der Minderheit Gutzwiller mit 27 zu 17 Stimmen ohne Enthaltung. Anschliessend bevorzugten die Kantonsvertreterinnen und Kantonsvertreter den Antrag ihrer Kommissionsmehrheit gegenüber jenem des Bundesrates mit 42 zu einer Stimme bei einer Enthaltung.

In der Gesamtabstimmung sprachen sich 29 Ständeratsmitglieder für die Annahme des Entwurfes aus, fünf dagegen, bei 10 Enthaltungen. Das Resultat bestätigte den Eindruck, dass sich Mitte-links im Rat durchgesetzt hatte: Während sämtliche Vertreterinnen und Vertreter von CVP, SP, GP und GLP für die Vorlage stimmten, kamen aus der FDP bloss zwei Ja-Stimmen, aus der SVP gar keine. Die Enthaltungen verteilten sich gleichmässig auf die FDP-Liberale- und die SVP-Fraktion sowie den BDP-Vertreter.

Reform «Altervorsorge 2020» (BRG 14.088)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter
Dossier: Erhöhung des Rentenalters
Dossier: Koordinationsabzug und Eintrittsschwelle BVG

Das Postulat „Bericht zum Schweizer Franken“, eingereicht durch Ständerat Rechsteiner (sp, SG), verlangte die Erstellung eines Berichts zur Rolle des Schweizer Frankens in Bezug auf die gegenwärtige Situation und im Hinblick auf zukünftige Entwicklungen. Als Begründung führte Rechsteiner die Tatsache an, dass sich seit der letztmaligen Änderung des Nationalbankgesetzes im Jahre 2003 und der damit einhergehenden Diskussion die Rahmenbedingungen stark verändert hätten. Die fortschreitende Modernisierung der Finanzmärkte, die Frankenaufwertung – insbesondere gegenüber dem Euro – und die zunehmende Wichtigkeit von China und anderen Schwellenländern in der Weltwirtschaft erforderten ein erneutes Aufgreifen dieses Themas. Der Ständerat folgte dieser Argumentation und der Empfehlung des Bundesrats und überwies das Postulat diskussionslos.

Postulat - Bericht zum Schweizer Franken
Dossier: Bericht zur Geldpolitik
Dossier: Kurs des Schweizer Franken seit 2011

Im Ständerat, welcher sich in der Sommersession 2015 als Zweitrat mit dem Nachrichtendienstgesetz auseinanderzusetzen hatte, zeigten sich bereits in der Eintretensdebatte die gleichen Konflikt- und Argumentationslinien, welche schon die Debatte im Nationalrat geprägt hatten. Mit 37 gegen 3 Stimmen bei 2 Enthaltungen sprach sich die kleine Kammer klar für Eintreten aus. Inhaltlich war analog zum Nationalrat auch im Ständerat die Kabelaufklärung besonders umstritten. Paul Rechsteiner (sp, SG) beantragte, «diese überschiessenden neuen Kompetenzen» des NDB aus dem Gesetz zu streichen. Mit 29 zu 6 Stimmen bei 3 Enthaltungen schloss sich der Ständerat jedoch seiner vorberatenden Kommission und dem Bundesrat an und unterstützte das Argument, dass die Massnahmen der Kabelaufklärung entscheidend zur Erhöhung der Sicherheit in der Schweiz beitragen würden. Eine weitere Debatte entzündete sich an Art. 66 NDG und damit an der Frage, ob der NDB grundsätzlich dem Öffentlichkeitsprinzip unterstellt sein soll oder nicht. Während die Kommissionsmehrheit dem Nationalrat und dem Bundesrat folgen und nur die Informationsbeschaffung durch den NDB vom Öffentlichkeitsprinzip ausnehmen wollte, forderte eine Kommissionsminderheit, die Unterstellung des NDB unter das Öffentlichkeitsgesetz vollumfänglich aufzuheben. Dazu soll im Bundesgesetz über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung ausdrücklich verankert werden, dass der NDB – wie bisher schon die Nationalbank und die Finma – von dessen Geltungsbereich ausgenommen ist. Bundesrat Maurer pries den Bundesratsvorschlag als Kompromiss zwischen Information und damit Vertrauen von der Bevölkerung einerseits und Vertraulichkeit und dadurch besserer Zusammenarbeit mit ausländischen Partnerdiensten andererseits an. Die Kantonskammer liess sich davon jedoch nicht überzeugen und entschied mit 22 zu 19 Stimmen ohne Enthaltungen zugunsten der Kommissionsminderheit.

Als verbleibende grosse Baustelle im neuen Gesetz hatte die vorberatende SiK-SR die Aufsicht und Kontrolle über den NDB identifiziert. Von keinem der vorhandenen Lösungsvorschläge überzeugt, hatte sie zu diesem Thema eine Kommissionsmotion eingereicht, damit der Bundesrat hierzu ein neues, ganzheitliches, ausgereiftes Konzept erarbeite. Der Ständerat schuf hier folglich eine Differenz zum Nationalrat, welche in erster Linie bewirken soll, dass dieser Abschnitt der Gesetzesvorlage in der Differenzbereinigung im Nationalrat mit einigen neuen Inputs erneut beraten wird. Das zentrale Anliegen des Ständerates war hier die Schaffung eines unabhängigen, ausserdepartementalen Kontrollorgans.

Die restlichen Bestimmungen der Vorlage waren in der kleinen Kammer kaum umstritten und wurden grösstenteils stillschweigend angenommen, auch wenn der Ständerat damit seiner Kommission folgend einige weitere Differenzen schuf. So darf der NDB selbst keine Personen anhalten und Streitigkeiten betreffend den Quellenschutz sollen vom Bundesstrafgericht und nicht vom Bundesverwaltungsgericht entschieden werden. Darüber hinaus darf der Bundesrat Entscheide über das Eindringen in Computernetzwerke nicht delegieren und muss das Bundesverwaltungsgericht auch das Eindringen in Computer, welche sich im Ausland befinden, genehmigen. Die maximale Aufbewahrungsdauer für Restdaten wurde auf 10 Jahre verkürzt und Beschwerden gegen das Organisationsverbot sollen entgegen der Absicht des Nationalrates vor dem Bundesverwaltungsgericht angefochten werden können. In der Gesamtabstimmung nahm der Ständerat den Entwurf mit grosser Mehrheit (32 zu 5 Stimmen bei 2 Enthaltungen) an.

Neues Nachrichtendienstgesetz (BRG 14.022)
Dossier: Staatliche Überwachung
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen

In der Sommersession 2015 behandelte der Ständerat als Erstrat die Botschaft des Bundesrates zur Volksinitiative „AHVplus: für eine starke AHV. Das Anliegen des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes stiess bei den Kantonsvertreterinnen und Kantonsvertretern auf wenig Zustimmung. Die Kommissionsmehrheit beantragte, dem Bundesrat zu folgen und die Initiative der Stimmbevölkerung zur Ablehnung zu empfehlen. Eine linke Minderheit Rechsteiner (sp, SG) beantragte, die Initiative zur Annahme zu empfehlen. Die Gegnerinnen und Gegner machten geltend, das Volksbegehren stehe vor dem Hintergrund der angespannten Situation der AHV, der anstehenden Rentenreform und der aktuell schwierigen Wirtschaftslage „quer in der Landschaft". Bereits eine langfristige Sicherung der AHV auf dem aktuellen Niveau sei eine Herausforderung. Eine Erhöhung aller Renten um zehn Prozent würde jährlich fünf bis sechs Milliarden Franken kosten, so die Kommissionssprecherin. Diese zusätzlichen finanziellen Mittel könnten nicht innerhalb nützlicher Frist beschafft werden, müsste doch die Rentenerhöhung gemäss dem Initiativtext spätestens ab dem zweiten Kalenderjahr nach Annahme der Initiative vorgenommen werden. Die Mehrausgaben würden bei der AHV zudem zu einem strukturellen Umlagedefizit führen, was die aktuellen und zukünftigen Erwerbstätigen belaste und den Generationenvertrag weiter strapaziere. Nicht zuletzt würden die finanzschwächsten Rentnerinnen und Rentner gar nicht von einer Erhöhung der AHV-Renten profitieren, da diese bei ihnen vollumfänglich durch eine entsprechende Senkung der Ergänzungsleistungen kompensiert werden würde. Wohlhabenderen Rentnern und Rentnerinnen, die grundsätzlich gar nicht auf eine Rente der ersten Säule angewiesen wären, würde die Volksinitiative dagegen zu einer Einkommenserhöhung verhelfen. Sprecherinnen und Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion machten sich für das Volksbegehren stark. Minderheitssprecher Rechsteiner erklärte, seit der Einführung des Mischindex' zur Berechnung der AHV-Renten im Jahr 1980 habe sich aufgrund des Effekts der sogenannten kalten Degression ein Rückstand der Renten auf die Löhne von zehn Prozent aufgelaufen. Ziel der Initiative sei es, diese zehn Prozent auszugleichen, um den verfassungsmässigen Auftrag der AHV, zusammen mit der Pensionskasse eine angemessene Fortführung des bisherigen Lebensstandards zu garantieren, wieder zu erfüllen. Dies sei wichtig, weil die AHV für eine Mehrheit der Bevölkerung, und insbesondere für die Frauen, die wichtigste Säule der Altersvorsorge darstelle. Aufgrund dieses Verfassungsgrundsatzes könnten auch nicht die Ergänzungsleistungen anstelle der AHV ausgebaut werden. Das Verhältnis zwischen Rentenverbesserung – diese würde für Alleinstehende rund 200, für Ehepaare 350 Franken monatlich betragen – und Erhöhung der Lohnbeiträge sei bei der AHV zudem hervorragend. Eine Rentenerhöhung sei verkraftbar, denn die Finanzierung der AHV sei aufgrund der umfassenden Beitragspflicht bei gleichzeitig nach oben begrenzten Renten aussergewöhnlich solide. Dem Argument, Wohlhabende sollten keine Erhöhung der AHV-Rente erhalten, weil sie gar nicht auf die erste Säule angewiesen seien, hielt der SP-Ständerat ein Zitat des Alt-Bundesrates Tschudi entgegen: „Die Reichen brauchen die AHV nicht, aber die AHV braucht die Reichen." Auf hohe Einkommen würden hohe Beiträge bezahlt. Weitere Mitglieder der SP betonten, die Ergänzungsleistungen seien unter Druck geraten, weshalb es die AHV zu stärken gelte. Diese sei als Mittel zur Existenzsicherung gegenüber den nur auf Antrag ausbezahlten EL ohnehin vorzuziehen. Bezüglich der Finanzierung wurde angemerkt, auch die Initiative „gegen die Heiratsstrafe" der CVP würde zu einer Erhöhung des Rentenvolumens führen, die Mittepartei könne die Initiative also eigentlich nicht mit dem Argument der Finanzierbarkeit bekämpfen. Schliesslich, führten die Befürworter aus, sei die Initiative nicht als Opposition gegen das Projekt Altersvorsorge 2020 zu verstehen, wie bürgerliche Politiker dies darstellten. Vielmehr stehe sie komplementär zur Rentenreform. Man hätte sich deshalb eine Behandlung in derselben Session gewünscht, wozu es jedoch aufgrund strategischer Überlegungen der bürgerlichen Kommissionsmehrheit nicht gekommen sei. In der Schlussabstimmung erklärte die kleine Kammer die Volksinitiative stillschweigend für gültig; der Minderheitsantrag Rechsteiner unterlag gegen die ablehnende Kommissionsmehrheit mit 33 gegen 11 Stimmen bei einer Enthaltung.

Volksinitiative „AHVplus: für eine starke AHV“

Wenn es bei über das Internet organisierten Demonstrationen – wie «Tanz dich frei» 2013 – zu Sachbeschädigungen und Ausschreitungen kommt, steht die Polizei vor dem Problem, dass die Urheber nur schwer zu fassen sind. Um diesem Problem abzuhelfen, forderte eine Standesinitiative des Kantons Bern, dass die Anonymität von Organisatoren, die über das Internet zu unbewilligten Demonstrationen und Grossanlässen aufrufen, aufgehoben würde. Durch eine gerichtliche Anordnung soll den Polizeibehörden die IT-Adresse der Organisatoren bekannt gegeben werden. Die dadurch ermöglichte Zusammenarbeit zwischen Behörden und Organisatoren dient der präventiven Gefahrenminimierung. Der Ständerat gab der Initiative zwar keine Folge, unterstützte jedoch mit 31 zu 8 Stimmen ein ähnliches Postulat seiner Sicherheitskommission (Po. 14.3672). Dieses beauftragt den Bundesrat bis Mitte 2015 mit der Ausarbeitung eines Berichts zu allfälligen Umsetzungsmöglichkeiten der Standesinitiative. Ein Ordnungsantrag Rechsteiner (sp, SG) für die Rückweisung des Geschäfts an die Kommission fand keine Mehrheit. Der Bundesrat selbst hatte das Postulat abgelehnt. Da der Aufruf zu solchen Events an sich noch keinen Straftatbestand darstelle, würde bei der Bekanntgabe der Adressen das Verhältnismässigkeitsprinzip nicht gewahrt. Zudem wollte der Bundesrat zuerst die Beratungen des BÜPF und des Nachrichtendienstgesetzes abwarten.

Fertig mit den anonymen Aufrufen zu Demonstrationen und Grossanlässen ohne Übernahme von Verantwortung (Kt.Iv. 14.305)
Dossier: Aufhebung der Anonymität von Organisatoren von Demonstrationen und Grossveranstaltungen

Im Zusammenhang mit einer Standesinitiative des Kantons Bern (Kt.Iv. 14.305) über die präventive Bekanntgabe der Internetadressen von Organisatoren von Demonstrationen und Grossanlässen hatte die SiK-SR ein Postulat eingereicht, welches den Bundesrat beauftragen sollte, bis Mitte 2015 in einem Bericht darzulegen, wie der Inhalt der Standesinitiative allenfalls umgesetzt werden könnte. Der Bundesrat empfahl dem Ständerat, das Postulat abzulehnen. Er begründete seine Ablehnung unter anderem damit, dass der Aufruf zu unbewilligten Versammlungen keine Straftat und die von der Standesinitiative geforderte präventive Bekanntgabe der Identitäten der Organisatoren deshalb nicht verhältnismässig sei. Weiter zeigte sich der Bundesrat überzeugt, dass die abschreckende Wirkung einer solchen Regelung einen erheblichen Eingriff in die verfassungsrechtlich garantierte Versammlungsfreiheit darstellen würde. Schliesslich bat Bundesrätin Simonetta Sommaruga den Ständerat, zumindest mit der Annahme des Postulates zuzuwarten, bis die Beratungen des BÜPF und des Nachrichtendienstgesetzes abgeschlossen sind. Sonst sei zu befürchten, dass die Geschäfte in der Bevölkerung vermischt und Referenden gegen die beiden Vorlagen wahrscheinlicher würden. Der Ständerat setzte sich in der Wintersession 2014 jedoch über die Vorbehalte des Bundesrates hinweg, indem er zuerst einen Antrag von Paul Rechsteiner (sp, SG) zur Rückweisung des Postulates an die Kommission ablehnte und das Postulat anschliessend mit 31 zu 8 Stimmen annahm.

Demonstrationen und Grossanlässe. Bekanntgabe von Internetadressen (Po. 14.3672)
Dossier: Aufhebung der Anonymität von Organisatoren von Demonstrationen und Grossveranstaltungen

Der Bundesrat erhielt in der Herbstsession durch die ständerätliche Annahme eines Postulats Rechsteiner (sp, BS) den Auftrag, die Einberufung einer nationalen Konferenz zum Thema "Ältere Arbeitnehmende" zu prüfen und dabei die Sozialpartner miteinzubeziehen.

Nationale Konferenz zum Thema «Ältere Arbeitnehmende» (Po 14.3569)
Dossier: Mangel an qualifizierten Arbeitskräften
Dossier: Ältere Arbeitnehmende

Um verstärkten Datenschutz bemühte sich eine Motion Rechsteiner (sp, SG), welche die Einsetzung einer Expertenkommission zur Zukunft der Datenbearbeitung und Datensicherheit wünschte. Auslöser des Vorstosses waren die eine historische Wende darstellenden Enthüllungen durch Edward Snowden, die die Welt in ein Vor- und Nach-Snowden teilten. Der eidgenössische Datenschutzbeauftragte begrüsste die Prüfung der Frage, ob die Verfassungs- und Gesetzesbestimmungen in diesem Bereich noch adäquat seien. Nach dem Ständerat nahm denn auch der Nationalrat die Motion mit 97 zu 80 Stimmen bei 4 Enthaltungen an, änderte sie jedoch dahingehend, dass der Einsatz einer solchen Expertenkommission auf drei Jahre beschränkt wird. Die kleine Kammer stimmte dieser Änderung zu.

Expertenkommission zur Zukunft der Datenbearbeitung und Datensicherheit (Mo. 13.3841)

Nach der Niederlage bei der Abstimmung über den Mindestlohn von 4‘000 CHF räumte Paul Rechsteiner, der Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SGB), im Rahmen einer Delegiertenversammlung Fehler bei der Formulierung des Initiativtexts ein. Eine regionale Abstufung des Mindestlohns hätte möglich sein müssen, zudem wäre es wichtig gewesen, die bedeutendsten Ausnahmen wie etwa jene für die Jungen auszuformulieren. Rechsteiner stellte zudem grundsätzlich die Angemessenheit des Instruments Volksinitiative bei der Lohnpolitik infrage. Künftig solle man sich überlegen, wieder vermehrt mit Kampagnen Druck zu machen. Die Delegierten entschieden über die Ziele des Dachverbands in den nächsten Jahren. So soll die GAV-Abdeckung um 10 Prozentpunkte auf 60% aller Beschäftigten gehoben werden. Auch die Lohngleichheit zwischen Frau und Mann will man nun endlich erreichen.

Niederlage bei der Abstimmung über den Mindestlohn

In der Frühlingssession verabschiedete die Bundesversammlung ein auf eine parlamentarische Initiative Rechsteiner (sp, SG) zurückgehendes Bundesgesetz über die Rehabilitierung administrativ versorgter Menschen. Zu den Opfern dieser Art fürsorgerischer Zwangsmassnahmen zählen Menschen, die bis 1981 von Verwaltungsbehörden aufgrund von Tatbeständen wie "Arbeitsscheue", "lasterhaftem Lebenswandel" oder "Liederlichkeit" ohne gerichtliches Verfahren in Anstalten eingewiesen wurden. Neben der gesetzlichen Anerkennung des begangenen Unrechts bringt der Erlass ein umfassendes Akteneinsichtsrecht für die Betroffenen. Weiter sieht er eine wissenschaftliche Aufarbeitung der Fälle durch eine unabhängige Expertenkommission vor. Nicht vorgesehen sind jedoch finanzielle Wiedergutmachungen.
Nachdem der Nationalrat 2013 dem Entwurf des Bundesgesetzes zugestimmt hatte, schuf der Ständerat im Frühjahr 2014 eine kleine Differenz. Die kleine Kammer zeigte sich einmal mehr als Vertreter des Föderalismus und forderte die Streichung der Bestimmung, die eine 80-jährige Schutzfrist für Akten administrativ Versorgter vorsah. Die kantonalen Schutzfristen seien ausreichend und es gäbe daher keinen Grund, in die kantonale Archivhoheit einzugreifen und die Schutzfristen zu harmonisieren. Da sowohl die Wissenschaft als auch die Betroffenen aber jederzeit ein Einsichtsrecht haben, ist die Schutzfristfrage von untergeordneter Bedeutung, weshalb der Nationalrat der Änderung zustimmte. Das Bundesgesetz konnte so im Nationalrat mit 142 zu 34 Stimmen bei 19 Enthaltungen und im Ständerat einstimmig verabschiedet werden. Nach ungenutzt verstrichener Referendumsfrist konnte das Gesetz am ersten August 2014 in Kraft treten. Im November 2014 setzte der Bundesrat dann eine unabhängige, multidisziplinär zusammengesetzte Expertenkommission unter der Leitung des Zürcher alt Regierungsrats Markus Notter ein, welche die administrativen Versorgungen vor 1981 aufarbeiten wird.

Rehabilitierung administrativ versorgter Menschen (Pa.Iv. 11.431)
Dossier: Wiedergutmachung für Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen

Der Bundesrat beschloss aufgrund der Ablehnung eines indirekten Gegenvorschlags durch das Parlament und der negativen Reaktionen in der Vernehmlassung, die Botschaft zur Volksinitiative „für eine öffentliche Krankenkasse“ bereits in der Herbst- und nicht wie geplant erst in der Wintersession vorzulegen. Damit würde eine Abstimmung noch im Jahre 2014 und nicht erst, wie von bürgerlichen Parteien befürchtet, im Wahljahr 2015 möglich. Die Regierung beantragte den Räten lediglich, die Initiative dem Volk zur Ablehnung zu empfehlen und damit verbundene parlamentarische Vorstösse abzuschreiben. Als Erstrat behandelte der Ständerat die Botschaft in der Wintersession. Nachdem der Nationalrat wenige Tage zuvor den Gesetzesentwurf zur Aufsicht über die soziale Krankenversicherung an den Bundesrat zurückgewiesen hatte, kam es trotz der klaren Mehrheitsverhältnisse zu einer längeren Debatte, in der mehrere Volksvertreter aus Mitteparteien angaben, Sympathien für die Einheitskasse zu hegen. Die bürgerliche Mehrheit der Kommission für Gesundheit und Soziales des Ständerates (SGK-S) beantragte jedoch, die Initiative abzulehnen. Die Möglichkeiten für Kosteneinsparungen bei einer Einheitskasse seien gering, da bereits beim aktuellen System die Verwaltungskosten weniger als 5% der totalen Kosten ausmachten. Wegfallen würden allein die Marketing- und ein Teil der Wechselkosten. Diese Einsparungen stünden aber in keinem Verhältnis zu den hohen Kosten der Einrichtung einer Einheitskasse. Zudem würde im neuen System höchstwahrscheinlich der Leistungsbezug ausgeweitet, was zu höheren Prämien für die Versicherten und höheren Ausgaben der öffentlichen Hand zur Gewährleistung der Prämienverbilligung führe. Hauptargument gegen die Einheitskasse sei aber der Verlust des Wahlrechts der Versicherten im Falle von Unzufriedenheit. Die Monopolsituation und mögliche Interessenskonflikte der Führungspersonen der Einheitskasse, unter denen auch Vertreter der Kantone und der Leistungserbringer wären, würden zu Ineffizienzen bei der Behandlung und zu hohen Tarifen führen. Die kantonal einheitliche Prämie sei angesichts grosser Unterschiede zwischen Stadt und Land nicht angemessen. Nicht zuletzt würden Doppelspurigkeiten zwischen der für die Grundversicherung zuständigen Einheitskasse und den weiterhin bestehenden privaten Anbietern von Zusatzversicherungen zu einem erhöhten Verwaltungsaufwand bei Kassen und Leistungserbringern führen. Weitere Gegner aus dem bürgerlichen Lager ergänzten, der angestrebte Systemwechsel sei ein grosses Risiko, das es nicht einzugehen gelte, und der internationale Vergleich zeige, dass ein staatliches Monopol zu einer schlechteren Versorgungsqualität führe. Eine Minderheit Rechsteiner (sp, SG) beantragte, die Initiative anzunehmen. Da die Leistungen der obligatorischen Grundversicherung im Gesetz abschliessend geregelt und das Erwirtschaften eines Gewinns nicht erlaubt sind, sei ein Wettbewerb unter den derzeit 61 Kassen in Bezug auf die Leistungen auch heute gar nicht möglich. Die einzige Konkurrenzmöglichkeit bestehe für die Versicherer daher darin, sich gegenseitig die guten Risiken abzujagen. Dies sei ein Nullsummenspiel, verursache jedoch hohe Marketing- und Wechselkosten von CHF 300 bis 500 Mio. jährlich. Die Marketingaktivitäten in Form von Telefonanrufen seien nicht zuletzt ein Ärgernis für die Versicherten. Eine Einheitskasse sei effizienter, günstiger und transparenter. Sie würde sich zudem nachhaltiger und sorgfältiger um die Behandlung der Versicherten kümmern, da sie wisse, bis an deren Lebensende für sie verantwortlich zu sein. Bis heute würde eine wirksame Aufsicht über die soziale Krankenversicherung fehlen, was durch die ebenfalls störende intensive Lobbyarbeit der Versicherungsunternehmen weiter verhindert werde. Schliesslich folgte der Rat dem Antrag der Kommissionsmehrheit und lehnte die Initiative mit 28 zu 13 Stimmen ab, wobei sich die drei Mittepolitiker, welche sich in der Beratung positiv zur Einheitskasse geäussert hatten, ihrer Stimme enthielten. Die Beratung im Nationalrat wird 2014 stattfinden.

Volksinitiative „für eine öffentliche Krankenkasse“ (BRG 13.079)
Dossier: Vorstösse zur Ermöglichung von Einheitskrankenkassen (seit 1998)

2011 hatte das Parlament einer parlamentarischen Initiative Rechsteiner (sp, SG) Folge gegeben, die ein Gesetz zur Rehabilitierung der administrativ versorgten Menschen forderte. Konkret geht es um Personen, die bis 1981 wegen "Arbeitsscheue", "lasterhaften Lebenswandels" oder "Liederlichkeit" von Verwaltungsbehörden in psychiatrische Anstalten und Strafanstalten eingewiesen wurden. Im Berichtjahr legte die Rechtskommission des Nationalrates einen entsprechenden Gesetzesentwurf vor. Dieser sieht eine Anerkennung des den Opfern zugefügten Unrechts vor und beauftragt den Bundesrat mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung der administrativen Versorgung. Weiter sollen die Betroffenen Zugang zu ihren Akten erhalten. Im Rahmen des Bundesgesetzes nicht geregelt wird jedoch die Frage nach einer finanziellen Wiedergutmachung. Es sei nicht Aufgabe des Bundes, für auf kantonaler und kommunaler Ebene begangenes Unrecht aufzukommen. Genau diese nicht enthaltene Regelung prägte die Debatte in den Räten. Der Nationalrat fasste schliesslich mit 142 zu 45 Stimmen bei 4 Enthaltungen einen Beschluss nach dem Entwurf seiner Kommission. Dagegen votierte die Mehrheit der SVP, allerdings ohne ihre Argumente gegen die Rehabilitierung darzulegen. Die Frage der finanziellen Wiedergutmachung war Gegenstand eines Runden Tisches. Die Organisationen der Opfer forderten die Einrichtung eines Fonds für Härtefälle in der Höhe von 50 Mio. CHF. Das Geld solle von der Täterseite bereitgestellt werden. Am 11. April des Berichtjahres fand in Bern ein Gedenkanlass statt. Er eröffnete eine umfassende Auseinandersetzung mit diesem dunklen Kapitel der Schweizer Sozialgeschichte.

Rehabilitierung administrativ versorgter Menschen (Pa.Iv. 11.431)
Dossier: Wiedergutmachung für Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen

Eine interdisziplinäre Expertenkommission soll die Zukunft der Datensicherheit und Datenbearbeitung untersuchen. Dies forderte eine in Reaktion auf die Enthüllungen durch den ehemaligen NSA-Mitarbeiter Edward Snowden eingereichte Motion Rechsteiner (sp, SG), welche der Ständerat in der Wintersession 2013 mit 21 zu 15 Stimmen bei 3 Enthaltungen an den Nationalrat überwies. Auch der Bundesrat ortete Handlungsbedarf in diesem Bereich und stellte in Aussicht, zu Beginn 2014 ein Bundesgesetz über die Informationssicherheit in die Vernehmlassung zu schicken. Das Gesetz werde einheitliche, formell-gesetzliche Grundlagen für die Steuerung und die Organisation der Informationssicherheit im Bund schaffen. Der Vorentwurf erfasst unter anderem die Klassifizierung von Informationen, den Schutz von IKT-Mitteln, die Personensicherheitsprüfungen sowie das vereinheitlichte Betriebssicherheitsverfahren. Weiter ist eine behördenübergreifende Organisation der Informationssicherheit im Bund vorgesehen. Eine Expertenkommission wollte der Bundesrat nicht einsetzen und er warnte vor „übertriebenem Aktivismus“.

Expertenkommission zur Zukunft der Datenbearbeitung und Datensicherheit (Mo. 13.3841)

Die 2012 akzentuierte Zunahme von Ärzten, welche den Antrag stellten, ihre Leistungen über das Krankenversicherungsgesetz (KVG) abrechnen zu lassen, blieb im Berichtsjahr auf der Agenda der Räte. Nachdem im Vorjahr je ein Postulat Rossini (sp, VS) und Cassis (fdp, TI) in ebendieser Angelegenheit überwiesen worden war, sah sich der Bundesrat genötigt zu handeln und legte eine Botschaft zur Änderung des KVG vor. Darin beantragte die Regierung die vorübergehende Wiedereinführung der bedarfsabhängigen Zulassung. Vordringlich galt es eine per Ende 2011 ausgelaufene Bestimmung zu erneuern, womit die Zulassungsbegrenzung vorübergehend wieder eingeführt werden soll. Die 2001 in Kraft getretene Zulassungsbegrenzung für Leistungserbringer war 2011 nicht mehr erneuert worden. Zwar war eine Verlängerung im Rahmen der Änderung des KVG im Zusammenhang mit den integrierten Versorgungsnetzen („Managed Care“) angedacht worden, mit der Ablehnung durch die Stimmberechtigten im Juni 2012 liess sie sich aber nicht umsetzen. Diese Lücke führte dazu, dass die Kantone über kein Instrument mehr verfügten, um das Angebot im ambulanten Bereich zu steuern. Die vom Bundesrat beantragte Zulassungsbeschränkung soll auf drei Jahre terminiert werden. Damit soll es zum einen ermöglicht werden, die Auswirkungen der Aufhebung der Zulassungsbeschränkung zwischen dem 1. Januar 2012 und dem Inkrafttreten der vorliegenden Änderung zu untersuchen. Zum anderen können in der Zwischenzeit Bestimmungen vorbereitet werden, welche die Kosten längerfristig eindämmen. Der Bundesrat wollte angesichts des Masterplans „Hausarztmedizin und medizinische Grundversorgung“ sowie der Volksinitiative „Ja zur Hausarztmedizin“ nicht auf die zuletzt angewandte Fassung der Zulassungsbeschränkung zurückkommen, sondern schlug eine leicht abgeänderte Version vor: Einerseits sollen Leistungserbringer im Bereich der Grundversorgung nicht mehr von der Zulassungssteuerung ausgeschlossen sein, andererseits sollen entsprechende Übergangsbestimmungen jedoch sicherstellen, dass die Zulassung von Personen, die bereits vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung tätig waren, nicht eingeschränkt werden kann. Mit einer raschen Umsetzung dieser Gesetzesänderung sollen die in Bedrängung geratenen Kantone die erforderlichen rechtlichen Instrumente erhalten, um die Zulassungen zu steuern. Der Bundesrat versprach sich davon eine bessere Steuerung der Kostenentwicklung in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung, was sich auch auf die Finanzen von Bund und Kantonen positiv auswirken könne. Im Parlament war die als dringlich zu behandelnde Vorlage enorm umstritten.

Im Nationalrat, welcher sich im März zuerst damit befasste, beantragte eine Minderheit bürgerlicher Kommissionsmitglieder um Nationalrat de Courten (svp, BL) Nichteintreten. Eine weitere, ähnlich zusammengesetzte Minderheit Cassis (fdp, TI) wollte das Geschäft an den Bundesrat zurückweisen mit dem Auftrag, innert zwei Jahren Alternativvorschläge zur Steuerung der ambulanten Medizin zu erarbeiten. Die SVP erachtete die Massnahme als rechtsstaatlich bedenklich und erkannte darin eine ungebührliche Verschleierungspolitik. Von Seiten der FDP wurde gefordert, endlich eine kluge Strategie zu entwickeln. Die bis anhin gefahrene Politik mit mehreren Verlängerungen des 2001 eingeführten Moratoriums wurde indes von allen Seiten angeprangert. Die Ratslinke, welche die Vorlage unterstützte, bediente sich vor allem föderalistischer Argumente. Den Kantonen müsse dieses Instrument zur Verfügung gestellt werden damit jene Kantone, die das Problem zu vieler Gesuche um Praxisbewilligung kennen, handeln können. Kantone, die nicht mit der Problematik konfrontiert seien, wären auch nicht zum Handeln verpflichtet, so Nationalrätin Fehr (sp, ZH). Dass sich nicht alle Kantone in der gleichen Ausgangslage befanden, liess sich in den verschiedenen Voten gut erkennen. Eintreten wurde schliesslich mit 106 zu 74 Stimmen deutlich beschlossen. Der Minderheitsantrag um Rückweisung scheiterte mit 89 zu 94 Stimmen jedoch nur knapp. Die Detailberatung war in der Folge weniger umstritten. Zwei Kommissionsanträge wurden beschlossen. Einerseits sollte der Zulassungsstopp nur auf Ärztinnen und Ärzte angewandt werden, und nicht auf Apotheker. Andererseits beschränkten die Räte eine vom Bundesrat noch offen formulierte Frist auf Verfall der Zulassung bei Nicht-Einlösung auf sechs Monate. Die damit geschaffene Abweichung vom Bundesratsentwurf wird die Ständekammer beurteilen müssen. Ein Antrag Ingold (evp, ZH) wurde sehr deutlich angenommen: Dieser wollte den Bedürfnisnachweis für Personen, welche mindestens fünf Jahre an einer anerkannten schweizerischen Weiterbildungsstätte gearbeitet haben, aufheben. Dagegen soll ein Bedürfnisnachweis für praktische Ärztinnen und Ärzte, die über keinen anderen Weiterbildungstitel verfügen, eingeführt werden. Damit sollte eine entscheidende Schwäche der neuen Zulassungsregulierung ausgemerzt werden, nämlich diejenige, dass schlechter qualifizierte Ärztinnen und Ärzte direkt aus dem Ausland eine Praxistätigkeit aufnehmen könnten. In der Gesamtabstimmung wurde die Vorlage mit 103 zu 76 Stimmen überwiesen, wobei sich nach wie vor FDP- und SVP-Vertreter dagegen stellten.

Der Ständerat behandelte das Geschäft nur eine Woche später. Zwar sprach sich die Mehrheit der SGK für Eintreten aus, jedoch mit dem Antrag, das Geschäft sogleich an den Bundesrat zurückzuweisen. Die Regierung solle eine definitive Lösung präsentieren, welche unter anderem auch eine Lockerung des Vertragszwangs vorsehen würde. Eine Minderheit Eder (fdp, ZG) war für Nichteintreten. Stattdessen sei eine langfristige, zukunftsorientierte und nachhaltige Lösung, welche allen Beteiligten Sicherheit bringt, gefragt. Eine zweite Minderheit Schwaller (cvp, FR) sprach sich für Eintreten ohne Rückweisung aus. Der Rückweisungsantrag wurde in der Kommission schliesslich mit einer knappen Mehrheit gefasst. Ein erster wichtiger Grund liege darin, dass seit zwölf Jahren eingesetztes dringliches Bundesrecht nicht mehr tatsächlich als solches gelten könne, so das Empfinden der SGK. Die Kommission verlangte darum eine rasche Antwort des Bundesrates auf die seit Jahren bestehenden Probleme und wollte mit der Rückweisung den entsprechenden Druck aufrechterhalten. Diese Begründung stützte sich auch auf ein Versprechen von Bundesrat Berset, der in der Kommission festgehalten hatte, dass eine definitive Vorlage per Ende 2013 geplant sei. Die Eintretensdebatte war langwierig und stellte auch den vom Nationalrat gefassten Beschluss infrage, da er möglicherweise gegen die Personenfreizügigkeit verstosse durch die Diskriminierung ausländischer Ärzte. Das Ratsplenum war mit 27 zu 17 Stimmen für Eintreten, wurde sich jedoch nicht einig über den Antrag Schwaller. Ratspräsident Lombardi (cvp, TI) entschied beim Stichentscheid im Sinne der Minderheit. Damit war Eintreten beschlossen, die Rückweisung wurde abgelehnt und die Kommission musste die Detailberatung nachholen. Bis zur Ständeratsdebatte in der Sommersession hatte die SGK mehrere Expertisen eingeholt: Sie informierte sich über die Anpassungen des Nationalrates und deren Vereinbarkeit mit der Personenfreizügigkeit, über die Übereinstimmung des Bundesratsentwurfs mit der Verfassung und über die Auswirkungen des früheren Systems der Zulassungsbeschränkung. In der Kommission halte sich der „Enthusiasmus gegenüber der wiederaufgenommenen vorübergehenden Zulassungsbeschränkung im Rahmen“, so Sprecherin Egerszegi (fdp, AG). Die Frage, was nach erneuter Aufhebung der Beschränkung in drei Jahren folgen wird, erschien auch den Ständeräten prioritär. Es wurde jedoch auch betont, dass es bei dieser Vorlage darum gehe, dass die Kantone die Leistungserbringer bestimmen und deren Zulassung an Bedingungen knüpfen können. Spreche sich die Regierung eines Kantons dagegen aus, die Zulassung ihrer Leistungserbringer an bestimmte Bedingungen zu knüpfen, so ändere sich auch nichts. Aufgrund zweier Bittschreiben der Grenzkantone Genf und Tessin, die dringlichen Massnahmen zu unterstützen und in Hinblick auf die Funktion der Ständekammer, beantragte die SGK die Annahme des Geschäfts. Gegenüber dem Nationalrat wurden während der Detailberatung zwei Differenzen geschaffen: Die Abhängigkeit eines Bedürfnisnachweises soll nur von den Weiterbildungstiteln abhängen und nicht zusätzlich von einer Mindestanstellung an einer schweizerischen Institution. In dieser Hinsicht wollte die Kommission dem Bundesrat folgen. Eine Minderheit Rechsteiner (sp, SG) schlug erfolglos als Kompromiss eine kürzere Mindestanstellung von drei Jahren vor (gegenüber den im Nationalrat gemäss Bundesratsentwurf beschlossenen fünf Jahren). Zur Kriterienfestlegung für den Bedürfnisnachweis nahm der Nationalrat die Fassung des Bundesrates an: Die Regierung selbst solle die Kriterien beschliessen. Im Gegensatz zur Exekutive wollte die SGK des Ständerates jedoch das Mitspracherecht der Kantone im Gesetz niederschreiben. Diese Änderung wurde gegen eine Minderheit Stöckli (sp, BE), welche den Bundesratsentwurf unterstützen wollte, angenommen. Eine redaktionelle Anpassung über Inkrafttreten des Gesetzes wurde zwangsläufig verabschiedet, da der ursprünglich festgelegte Zeithorizont trotz Dringlichkeit nicht eingehalten werden konnte.

In der Differenzbereinigung standen sich die oben genannten Divergenzen gegenüber. Bei der Festlegung der Erforderlichkeit eines Bedürfnisnachweises übernahm die SGK des Nationalrates den Vorschlag Rechsteiner (sp, SG), welcher im Ständerat knapp durchgefallen war. Sie beantragte damit ihrem Plenum die Forderung nach drei Jahren Anstellung an einer schweizerischen Weiterbildungsstätte und ging selbst einen Kompromiss gegenüber dem zuvor gefassten Nationalratsbeschluss von fünf Jahren ein. Mit 102 zu 77 Stimmen wurde dies im Rat angenommen. In der Frage, wer die Kompetenz der Kriterienfassung erhalten soll, schuf der Nationalrat wieder eine Differenz zum Ständerat. Die Kantone seien laut Fassung des Nationalrats anzuhören, jedoch nicht einzubeziehen. Dieser redaktionellen Änderung fügte sich der Ständerat. Auch mit der Bedingung, drei Jahre in der Schweiz gearbeitet haben zu müssen, zeigte sich die ständerätliche SKG schliesslich einverstanden. Angesichts der hohen Zustimmung, mit welcher der Nationalrat an dieser zeitlichen Bedingung festgehalten hatte, schien es ihr angezeigt, einzulenken – wenngleich Sprecherin Egerszegi (fdp, AG) nicht umhin kam, den dadurch entstehenden Konflikt mit der Personenfreizügigkeit zu erwähnen. Den jeweiligen Mehrheitsanträgen folgte das Ratsplenum, womit das Geschäft zum Abschluss gebracht werden konnte. Am Ende der Beratungen bekräftigte Nationalrat Stahl (svp, ZH) Namens der SVP-Fraktion nochmals deren Ablehnung gegen die Vorlage. Sie widerspreche dem freiheitlichen und liberalen Geist des Berufes des Arztes und diese zwölf Jahre, während denen der Ärztestopp gegolten hatte, seien in Sachen Kostenexplosion im Gesundheitswesen wenig erfolgreich gewesen. Dennoch erklärten beide Kammern noch in der Sommersession das Geschäft mit 115 zu 79 und 27 zu 15 Stimmen als dringlich und verabschiedeten es mit 107 zu 77, respektive mit 28 zu 16 Stimmen, wobei die bürgerlichen Fraktionen jeweils unterlagen. Das abgeänderte Gesetz trat per 1. Juli 2013 in Kraft und gilt bis zum 30. Juni 2016.

Wiedereinführung der bedarfsabhängigen Zulassung (BRG 12.092)
Dossier: Zulassungsbeschränkung für Ärztinnen und Ärzte (seit 1998)

Nachdem der Nationalrat im Vorjahr diverse Änderungen beschlossen hatte, ging der Entwurf 1 zur 6. IV-Revision im Berichtsjahr ins Differenzbereinigungsverfahren. In der Frühjahrssession befasste sich der Ständerat mit dem Geschäft und hielt dabei an den geforderten Einsparungen fest. Seiner Kommissionsmehrheit und dem Bundesrat folgend und entgegen einer Minderheit Kuprecht (svp, SZ), beschloss der Rat, dem nationalrätlichen Entscheid aus dem Vorjahr, mit den Kinderrenten und der Übernahme von Reisekosten einen umstrittenen Teil des Entwurfes 1 als Entwurf 3 auszukoppeln und an die Kommission zurückzuweisen, zuzustimmen. Die Befürworter der Aufteilung argumentierten, die Chancen der Vorlage bei einem – nicht unwahrscheinlichen – Referendum seien auf diese Weise deutlich höher und die Verzögerung der neu im Entwurf 3 eingeplanten Einsparungen seien angesichts der durch die Revisionen 5 und 6a bereits erreichten Ausgabenrückgänge zu verkraften. Die Gegner beklagten dagegen eine Verwässerung der Revision wegen ungenügender Sparbemühungen. Diese seien beim Volks-Ja zu einer befristeten Erhöhung der Mehrwertsteuer zugunsten der IV Bedingung gewesen. Es sei zu befürchten, dass der Entwurf 3 schliesslich unbehandelt von der politischen Bildfläche verschwinde. Der Nationalrat hatte im Vorjahr die Einführung eines stufenlosen Rentensystems auch für laufende Renten von Personen bis 55 Jahren beschlossen und dabei den minimalen Invaliditätsgrad für eine Vollrente von 80 auf 70% gesenkt. Die Mehrheit der ständerätlichen Kommission empfahl gegen eine Minderheit Maury Pasquier (sp, GE), am ursprünglichen Beschluss des Ständerates festzuhalten. Somit würde das neue System erst für Neurenten eingeführt und der minimale Invaliditätsgrad wäre bei 80% anzusetzen. Im Gegensatz zum Vorschlag des Nationalrates könnten damit tatsächlich Kosten eingespart werden, so die Begründung. Wichtig sei auch der vom Systemwechsel ausgehende Erwerbsanreiz, da zusätzlich verdientes Geld fast vollumfänglich behalten werden könne. Zudem sei das Reintegrationsziel gefährdet, sollte eine volle Rente bereits bei 70% Invalidität gewährt werden. Die Gegner sprachen sich zwar ebenfalls für ein lineares Rentensystem aus, lehnten aber ab, Einsparungen zulasten der Behinderten mit einem Invaliditätsgrad zwischen 70 und 79% vorzunehmen. Die blosse Kostenneutralität der Massnahme sei angesichts der schwarzen Zahlen der IV und der positiven Aussichten durchaus akzeptabel. Die durch die Erhöhung auf 80% angestrebten Einsparungen seien blosse Kostenverlagerungen, denn die Eingliederung gelinge in der Regel nicht und die entstehenden Härtefälle würden in Zukunft auf Ergänzungsleistungen oder Sozialhilfe angewiesen sein. Mit 25 zu 19 Stimmen entschied die kleine Kammer sich schliesslich für den Antrag der Mehrheit, womit eine Differenz zum Nationalrat erhalten blieb. Ein Minderheitsantrag Kuprecht (svp, SZ), der eine Verrechnung der IV-Kinderrenten mit den Familienzulagen verlangte, um zu verhindern, dass IV-beziehende Eltern ein höheres Einkommen erzielen als erwerbstätige, fand keine Mehrheit. Grössere Abweichungen zum Nationalrat bestanden zudem beim Interventionsmechanismus, wo der Nationalrat die Festschreibung von automatischen Massnahmen im Falle einer finanziellen Schieflage gänzlich abgelehnt hatte. Die Kommissionsmehrheit im Ständerat beantragte, am ursprünglichen Beschluss mit einer automatischen Beitragserhöhung und Sistierung der Anpassung der Renten an die Lohn- und Preisentwicklung festzuhalten. Die Schuldenbremse könne eine vernünftige Balance zwischen Einnahmen und Ausgaben herstellen, die nachhaltige Sanierung der IV sei notwendig und dem Volk versprochen worden. Eine Minderheit I Rechsteiner (sp, SG) beantragte, nur den Beitragssatz automatisch zu erhöhen, die selbe Minderheit II sprach sich alternativ für den Beschluss des Nationalrates und damit den Verzicht auf jegliche automatischen Massnahmen aus. Die Bestimmungen, wonach der Gesetzgeber beim Erreichen einer kritischen Grenze Massnahmen zu beschliessen habe, welche durch eine automatische Beitragserhöhung ergänzt würden, sei demokratisch und habe sich in der Arbeitslosenversicherung bewährt, so die Minderheit. Ein automatischer Eingriff in die Renten sei dagegen präzedenzlos und würde zu einer Entkoppelung der IV- von den AHV-Renten führen, womit faktisch das Niveau des Anspruchs zur Existenzsicherung gesenkt werde. Eine solche Absenkung sei verfassungswidrig. Dieser Argumentation folgte jedoch nur knapp ein Drittel der Ratsmitglieder, womit der Mehrheitsantrag deutlich angenommen wurde. In der Sommersession kam das Geschäft zum zweiten Mal in den Nationalrat, wo die Differenzen zum Ständerat nicht vollständig bereinigt werden konnten. So blieb die grosse Kammer gegen den Antrag ihrer Kommissionsmehrheit und mit einer Minderheit Lohr (cvp, TG) bei ihrem Beschluss, bereits ab einem Invaliditätsgrad von 70% eine Vollrente zuzusprechen. Das Resultat fiel dabei mit 108 zu 78 Stimmen recht deutlich aus; Unterstützung fand die Verschärfung nur bei der SVP, der FDP und bei einzelnen Mitgliedern der CVP/EVP-Fraktion. Mit einem sehr ähnlichen Stimmenverhältnis von 107 zu 74 Stimmen sprach der Rat sich dagegen für ein Streichen der Bestimmung zur Anpassung der Renten für Kinder im Ausland lebender IV-Beziehender an die dortige Kaufkraft und diesbezüglich also zugunsten einer Bereinigung mit dem Ständerat aus. Eine Minderheit Bortoluzzi (svp, ZH) hatte verlangt, am früheren Beschluss festzuhalten. Mit 108 zu 74 Stimmen blieb die grosse Kammer hingegen entsprechend dem Antrag ihrer Kommission bei ihrer Haltung gegen eine Schuldenbremse mit automatischen Massnahmen. Wie bereits in früheren Verhandlungen stellten sich dabei SP und Grüne gegen automatische Rentenkürzungen, während die SVP sich gegen höhere Lohnbeiträge wehrte. Diese unheilige Allianz überstimmte die Mitteparteien. Alle Fraktionen stimmten geschlossen ab und es gab keine Enthaltungen. Damit verblieben als Differenzen zwischen den beiden Kammern die Festlegung des minimalen Invaliditätsgrads zur Auszahlung einer Vollrente, die Ausgestaltung des Interventionsmechanismus sowie eine Begriffsänderung im IV-Gesetz. Bereits eine Woche später kam die Vorlage erneut zur Verhandlung in den Ständerat. Dieser hielt gegen Minderheitsanträge von linker Seite an der Schwelle von 80% Invalidität für eine volle Rente und an der Ausgestaltung der Schuldenbremse mit automatischen Beitragserhöhungen und Einfrieren der Renten fest. Zwei Tage später beschloss der Nationalrat, ebenfalls bei seiner Position zu bleiben. Damit kam der Entwurf in die Einigungskonferenz, welche noch in der gleichen Session zusammentrat. Die Konferenz schloss sich mit jeweils sehr knappen Mehrheiten bei der Frage des minimalen Invaliditätsgrads dem Nationalrat, bei jener der Schuldenbremse dem Ständerat an, womit eine Einigung nicht zustande kam. Die Kommissionen mussten daher ihren Räten beantragen, das Geschäft abzuschreiben. Dagegen wehrte sich im Ständerat ein Antrag
Gutzwiller (fdp, ZH), der eine nochmalige Einberufung der Einigungskonferenz verlangte. Dieser Antrag wurde angenommen, am selben Tag lehnte jedoch der Nationalrat einen gleichlautenden Antrag Weibel (glp, ZH) klar ab, wobei sich wiederum eine unheilige Allianz aus Grünen, SP und SVP durchsetzte. Damit wurde Entwurf 1 der IV-Revision 6b definitiv abgeschrieben. Entwurf 3 war im Vorjahr an die Kommission zurückgewiesen und im Berichtsjahr nicht mehr behandelt worden.

Zweites Massnahmenpaket der 6. IV-Revision (IV-Revision 6b)

Im Ständerat empfahl die Kommissionsmehrheit, auf das Geschäft einzutreten und es anschliessend mit dem Antrag an den Bundesrat zurückzuweisen, eine Lösung mit einer Lockerung des Vertragszwangs vorzulegen. Eine Minderheit Eder (fdp, ZG) sprach sich für Nichteintreten aus, eine Minderheit Schwaller (cvp, FR) für eine Ablehnung der Rückweisung und damit für die noch nicht erfolgte Detailberatung in der Kommission. Die Mehrheit stellte die Verfassungsmässigkeit des Zulassungsstopps, welcher per dringliches Bundesrecht eingeführt worden und danach zwei Mal verlängert worden war, in Frage. Sie befürchtete eine Verschärfung des Mangels an inländischem Ärztenachwuchs bei einem erneuten Stopp und kritisierte die Unklarheit darüber, ob die Massnahme in den vergangenen Jahren überhaupt zu Kosteneinsparungen geführt habe. Nicht zuletzt sei zweifelhaft, ob der im Nationalrat angenommene Einzelantrag überhaupt mit der Personenfreizügigkeit vereinbar sei, da er ausländische Ärzte diskriminiere. Die Minderheit Eder erklärte, sie sei mit der Hin-und-Her-Politik der letzten Jahre nicht mehr einverstanden und wolle endlich eine umfassende Lösung. Sie wisse dabei verschiedene Parteien und Verbände sowie etliche Kantone hinter sich. Eine erneute Zulassungsbeschränkung sei ein schlechtes Signal an die jungen Ärztinnen und Ärzte, laufe dem Grundsatz „ambulant vor stationär“ zuwider und sei rechtsstaatlich bedenklich. Zudem sei eine konsequente Marktlösung einer erneuten Regulierung des Angebots vorzuziehen. Die Minderheit Schwaller warnte vor ein bis zwei zusätzlichen Prämienprozenten, würde das Wachstum der Anzahl Zulassungen nicht gebremst, und führte aus, einzig die Massnahme eines Zulassungsstopps könne bereits kurzfristig dagegen wirksam werden. Eintreten wurde schliesslich mit 27 zu 17 Stimmen beschlossen. Beim Rückweisungsantrag ergab sich ein Patt von 22 zu 22 Stimmen. Mit Stichentscheid des Präsidenten Lombardi (cvp, TI) ging das Geschäft zur Detailberatung an die Kommission. Diese nahm umfassende Abklärungen vor bezüglich der Verfassungsmässigkeit des Bundesratsentwurfes, der Wirkungen der bisherigen Zulassungsbeschränkungen und insbesondere der Vereinbarkeit des vom Nationalrat aufgenommenen Zusatzes mit der Personenfreizügigkeit. Die Gutachten verschiedener Experten zu letzterem kamen zu widersprüchlichen Ergebnissen. Die Abklärungen dauerten einige Zeit, womit das ursprüngliche Ziel des Innenministers Berset, den Zulassungsstopp bereits im April wieder einzuführen, nicht mehr erreicht werden konnte. Um eine möglichst rasche Beschlussfassung zu erreichen, hatte der Bundesrat im Vorjahr beschlossen, das Gesetz als dringlich einzustufen. Die Detailberatung im Ständerat fand in der Sommersession statt. Berset betonte zu Beginn der Debatte, bei dem 2012 beobachteten Anstieg der Neuzulassungen handle es sich nicht um einen simplen Aufholeffekt, was daran zu erkennen sei, dass der Anstieg in der ersten Jahreshälfte 2013 unverändert angehalten habe. Zu reden gab insbesondere die vom Nationalrat eingefügte Ausnahmebestimmung, wonach Ärzte mit mindestens fünfjähriger Schweizer Berufserfahrung von der Zulassungspflicht ausgenommen wären. Die Kommissionsmehrheit sprach sich mit Verweis auf die Personenfreizügigkeit dagegen aus. Eine Minderheit Rechsteiner (sp, SG) strebte einen Kompromiss an, indem sie die Frist auf drei Jahre beschränken wollte und gab an, ein allfälliges Ritzen der Personenfreizügigkeit angesichts der Vorteile in Kauf nehmen zu wollen. Diese Position unterlag mit 22 zu 18 Stimmen. Diskutiert wurden auch die Kompetenzen der Kantone bei der Festlegung der Kriterien für ein Bedürfnis nach Zulassungen von Leistungserbringern. Eine Minderheit Stöckli (sp, BE) sprach sich für die Version des Bundesrates aus, wonach die Kantone „anzuhören“ seien. Die Kommissionsmehrheit verlangte dagegen, der Bund habe die Kriterien mit den Kantonen zusammen einvernehmlich festzulegen. Die Minderheit begründete ihre Position damit, dass die Haltungen der Kantone stark auseinandergingen und eine Lösung im Einvernehmen damit nicht zu finden sei. Die Mehrheit hielt dagegen, die Kantone würden die Bedürfnisse auf ihrem Gebiet am besten kennen und dürften nicht von der Hauptstadt aus bevormundet werden. Mit 22 zu 21 Stimmen folgte der Rat der Position der Mehrheit. In der Gesamtabstimmung sprachen sich 25 Kantonsvertreter für den Entwurf aus, 15 dagegen.

Wiedereinführung der bedarfsabhängigen Zulassung (BRG 12.092)
Dossier: Zulassungsbeschränkung für Ärztinnen und Ärzte (seit 1998)

In seiner Botschaft zur Volksinitiative „Für den öffentlichen Verkehr“ und zum direkten Gegenentwurf (Bundesbeschluss über Finanzierung und Ausbau der Eisenbahninfrastruktur FABI) vom Januar 2012 beantragte der Bundesrat dem Parlament, die Volksinitiative Volk und Ständen zur Ablehnung und den direkten Gegenentwurf zur Annahme zu empfehlen. Der Bundesrat wies in der Botschaft auf die Finanzierungslücke von bis zu CHF 500 Mio. pro Jahr hin, welche durch den notwendigen Ausbau, die Inbetriebnahme von neuen Projekten (Durchmesserlinie Zürich, NEAT Gotthard und Ceneri, CEVA (Cornavin-Eaux-Vives-Annemasse) Genf) sowie durch den Unterhalt der immer stärker belasteten Infrastruktur anfalle. Neue Ausbauvorhaben wurden auf weitere CHF 500 Mio. pro Jahr geschätzt und der mittelfristige finanzielle Bedarf auf rund CHF eine Milliarde pro Jahr veranschlagt. Zudem verursachten Verzinsung und Rückzahlung des FinöV-Fonds ab 2019 jährlich Kosten von CHF 600-700 Mio. Der befristete FinöV-Fonds solle in den neuen, unbefristeten Bahninfrastrukturfonds BIF überführt werden. Der BIF solle künftig Betrieb, Unterhalt und Ausbau des Bahn- und Agglomerationsverkehrs finanziell tragen. Zu den Finanzierungsinstrumenten des BIF gehören die Quellen des FinöV (zwei Drittel der LSVA-Erträge, ein Mehrwertsteuerpromille sowie befristete Mittel aus der Mineralölsteuer), die ordentlichen Mittel des Bundeshaushalts für Betrieb und Erhaltung der Bahninfrastruktur sowie drei neue Instrumente: Mehreinnahmen aus der direkten Bundessteuer (aus dem verkleinerten Fahrkostenabzug), Mittel aus der Erhöhung der Trassenpreise und eine Neuregelung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Kantonen, welche die Kantone zur Finanzierung der Publikumsanlagen der Bahn verpflichtet. Auch das strategische Entwicklungsprogramm Bahninfrastruktur „STEP“ war Teil der bundesrätlichen Botschaft. Akzente in der Langfristperspektive setzte der Bundesrat mit der Kapazitätssteigerung bei Schiene, Zügen und Bahnhöfen. Im Personenverkehr soll auf Strecken mit grosser Nachfrage der Viertelstundentakt eingeführt und der Güterverkehr gestärkt werden. STEP soll in mehreren Ausbauschritten erfolgen, wobei der Bundesrat diese dem Parlament alle vier oder acht Jahre unterbreiten will. Der Ausbauschritt 2025 beinhaltet die Einführung des Halbstundentaktes auf den Strecken Locarno–Lugano, Zürich–Chur, Zürich–Lugano und Bern–Luzern, den Ausbau der letzten eingleisigen Strecke für den Güterverkehr (Ligerz-Twann), sowie Massnahmen und Investitionen in betriebsnotwendige Anlagen bei Privatbahnen und auf dem gesamten Eisenbahnnetz. Die Diskussion der Vorlage wurde im November des Berichtjahres im Ständerat aufgenommen. Anfang Dezember 2012 fasste der Ständerat sowohl im Entwurf 2 (direkter Gegenentwurf zur Volksinitiative „Für den öffentlichen Verkehr“) als auch in den Entwürfen 3 (FABI) und 4 (Ausbauschritt 2025 der Eisenbahninfrastruktur) vom Entwurf des Bundesrates abweichende Beschlüsse. Der Ständerat folgte geschlossen seiner Kommission, welche aus taktischen Gründen so viele weitere Projekte aufnahm, dass das Investitionsvolumen mit CHF 6,4 Mrd. fast doppelt so hoch ausfiel, wie vom Bundesrat vorgesehen (CHF 3,5 Mrd.). Eingang in das Ausbaupaket fand im Ständerat die erste Etappe des sogenannten Bahn-Y (Bodensee-Rheintal-Verbindung bis Chur), was die Verbindung St. Gallen-Chur verbessern soll. Das Bahn-Y war von den St. Galler Standesvertretern Rechsteiner (sp) und Keller-Sutter (fdp) lanciert und mit geschicktem Lobbying in die Vorlage eingebracht worden. Da das Programm des Bundesrates den überwiegenden Teil der Investitionen in der Westschweiz bzw. im westlichen Mittelland vorsah, verbündeten sich die Ostschweizer Kantone, um mit dem Bahn-Y auch vom Ausbauprogramm zu profitieren. Folgende weiteren Projekte wurden vom Ständerat aufgenommen: Ein drittes Gleis zwischen Gümligen und Münsingen, der Ausbau des Bahnhofs Genf Cornavin, eine Überwerfung im Knotenpunkt Pratteln, Massnahmen zur Reisezeitverkürzung zwischen Bern und Lausanne sowie Ausbauten in Aarau. Um die Nordwestschweiz, Zürich und Luzern ins Boot zu holen, sah der Ständerat CHF 300 Mio. für Projektierungsarbeiten für den Brüttenertunnel (Zürich), den dritten Jura-Durchstich (Nordwestschweiz) und den Luzerner Tiefbahnhof vor. Nach dem Entscheid des Ständerates kommentierten kritische Stimmen in den Medien, das Paket sei überladen und bringe langfristig untragbare Unterhaltskosten mit sich. Der Nationalrat wird die Vorlage 2013 behandeln. Beide Räte verlängerten zudem die Behandlungsfrist der VCS-Initiative um ein Jahr (bis März 2014).

BRG: Finanzierung und Ausbau der Eisenbahninfrastruktur FABI (12.016)
Dossier: Volksinitiative "Für den öffentlichen Verkehr" und Finanzierung und Ausbau der Eisenbahninfrastruktur (FABI)

Im Nachgang zur globalen Finanzkrise und der Rettung der UBS durch den Staat im Herbst 2008 hatte der Gesetzgeber 2011 die Grossbankregulierung („Too-big-to-fail“-Vorlage) erarbeitet. Die damals verabschiedeten Änderungen des Bankengesetzes hatten unter anderem vorgesehen, die zugehörigen Verordnungsentwürfe zur erstmaligen Genehmigung dem Parlament vorzulegen. 2012 gelangte der Bundesrat mit diesem Vorhaben an die Räte, wenn auch vorerst unter Ausschluss der Liquiditätsverordnung. Zur Beurteilung standen die Änderungen der Eigenmittelverordnung (ERV) und der Bankenverordnung (BankV). Formal betrachtet besassen die Räte nur die Möglichkeit, die Verordnungen in ihrer Gesamtheit anzunehmen oder abzulehnen, faktisch nahmen sie sich jedoch das Recht, auf die Ausgestaltung der Detailregeln Einfluss zu nehmen. Vor allem die Bestimmungen zur Höhe der Eigenkapitalanforderungen und zur Umsetzung und Aktivierung des Notfallplans gaben erneut, nicht zuletzt auf vorparlamentarischer Ebene, zu Diskussionen Anlass. Die bundesrätlichen Entwürfe wurden jedoch nicht mehr substanziell angepasst. Konkretisiert wurde die Höhe der Eigenmittelanforderungen und die Regelung, wonach diese sowohl auf Stufe Finanzgruppe (Konzernebene) als auch auf Stufe Einzelinstitut gelten sollte. Der Bundesrat versicherte in dieser Hinsicht, dass die Finma angehalten sei, auf Stufe Finanzgruppe Rabatte zu gewähren, so dass diese nicht übermässig belastet würde. Erleichterungen waren im Zusammenhang mit dem Grad der gruppeninternen (organisatorischen, rechtlichen und finanziellen) Entflechtungen vorgesehen. Ebenfalls präzisiert wurde die Bestimmung, wonach der gesetzlich vorgesehene Notfallplan (Plan zur Abspaltung systemrelevanter Funktionen) im Krisenfall (anrechenbares, hartes Kernkapital unterschreitet 5% der risikogewichteten Positionen) nicht automatisch ausgelöst werden musste. Bundesrat und Parlament stimmten überein, dass die Auslösung des Notfallplans im Prinzip vorgesehen sein sollte, die Finma jedoch davon absehen könne, wenn eine bessere Alternative vorläge. In der Herbstsession nahmen sowohl der Ständerat einstimmig und der Nationalrat mit 128 zu 40 Stimmen die Vorlage an. Paul Rechsteiner (sp, SG) zog nach der Verabschiedung der neuen Grossbankenregeln eine „ernüchterte“ Bilanz. Die Eigenkapitalvorschriften der neuen Regulierung gingen ihm zu wenig weit. Ähnlich äusserte sich Thomas Minder (parteilos, SH), der monierte, dass das Ziel, wonach die Schweizer Volkswirtschaft nie mehr durch die Grossbanken in Mitleidenschaft gezogen werden sollte, nicht erreicht wurde. Deutlich positiver beurteilte Hannes Germann (svp, SH) die Fortschritte. Er betonte, dass die Schweiz mit den beschlossenen Änderungen eines der strengsten Regime punkto Eigenmittel hätte. Damit könne man gut leben. Ruedi Noser (fdp, ZH) sah in der Verabschiedung der Vorlage ein klares Bekenntnis zum internationalen Finanzplatz. Auch Markus Ritter (cvp, SG) zeigte sich „sehr erfreut“ über die Ausgestaltung der Regelungen.

Änderungen der Eigenmittelverordnung (ERV) und der Bankenverordnung (BankV; 2012)
Dossier: Too-big-to-fail (TBTF) nach der Finanzkrise 2008

Da sich nach dem Rücktritt von Kathrin Hilber (sp) und Karin Keller-Sutter (fdp) neben der bisherigen Heidi Hanselmann (sp) nur Männer um ein Regierungsamt bewarben, war bereits vor den Gesamterneuerungswahlen klar, dass die Frauenvertretung in der St. Galler Exekutive stark abnehmen würde. Neben Hanselmann stellten sich auch Martin Gehrer (cvp), Willi Haag (fdp), Stefan Kölliker (svp) und der bei den Ersatzwahlen von 2010 gewählte Beni Würth (cvp) der Wiederwahl. Hinzu kamen der 52jährige Kantonsrat Fredy Fässler (sp) und der fünf Jahre ältere Arboner (TG!) Stadtammann Martin Klöti (fdp), die für ihre Parteien die vakanten Sitze halten sollten sowie der 32jährige Kantonsrat und Tübacher Gemeindepräsident Michael Götte, der für die SVP, die erst vier Jahre zuvor in der St. Galler Regierung Einsitz genommen hatte, einen zusätzlichen Sitz erobern wollte. Da er als moderater und moderner SVP-Vertreter galt, wurde ihm durchaus zugetraut, den vakanten Sitz der SP zu erobern. Anders als vor vier Jahren stellten die Grünen und die Grünliberalen keinen Regierungskandidaten. Die Grünen empfahlen Hanselmann und Fässler. Auch die noch junge BDP verzichtete auf eine Kandidatur und unterstützte die beiden Regierungsräte der CVP. Verschiedene Umwelt- und Naturschutzverbände sprachen sich für Fässler, Würth und Hanselmann aus, der Mieterverband unterstützte das Zweierticket der SP. Die Regierungskandidaten wurden von den Parteien als Wahllokomotiven für die Kantonsratswahlen eingespannt. Besonders viel Einsatz zeigte dabei der SVP-Kandidat Götte, der in zwei Wochen rund um den Kanton joggte. In der Kritik stand sein Parteikollege Kölliker, dem als Vorsteher des Erziehungsdepartements vom Lehrerverband aufgrund eines Streits um die Reduktion von Pensen für Volksschullehrer „Vertrauensmissbrauch“ vorgeworfen wurde.

Tatsächlich musste Stefan Kölliker lange um seine Wiederwahl zittern. Letztlich übersprang er die Hürde des absoluten Mehrs (61'876 Stimmen) aber dennoch im ersten Wahlgang um 1647 Stimmen. Auch die anderen vier Bisherigen wurden bereits im ersten Wahlgang bestätigt. Am meisten Stimmen erhielt dabei Martin Gehrer (86'871 Stimmen) gefolgt von Willi Haag (86'674 Stimmen), Beni Würth (85'759 Stimmen) und Heidi Hanselmann (84'375 Stimmen). Eigentlicher Sieger der Wahl, an der sich 42.3% der Wahlberechtigten beteiligten, war aber Martin Klöti (72'254 Stimmen), der es noch vor Kölliker liegend als neuer Kandidierender im ersten Wahlgang auf Anhieb in die Regierung schaffte. Dass die FDP bei der Kandidatensuche nicht an der Kantonsgrenze Halt gemacht hatte, schien sich also auszuzahlen. Für den zweiten Wahlgang antreten mussten hingegen Fredy Fässler (58'923 Stimmen) und Michael Götte (53'071 Stimmen). Der Vorsprung Fässlers und die Sitzverluste der SVP im Kantonsparlament bei gleichzeitigen Sitzgewinnen der SP wurden bei den Sozialdemokraten als positive Zeichen gewertet. Ähnlich wie bei den Ständeratswahlen von 2011, bei denen der SP-Kandidat Paul Rechsteiner über den SVP-Kandidaten Toni Brunner obsiegte, habe ein Stad-Land-Effekt zugunsten der SP gespielt, zeigte sich die SVP überzeugt. Für kurze Zeit überlegte sich die CVP, einen neuen Kandidaten für den zweiten Wahlgang zu präsentieren. Die Delegiertenversammlung entschied sich allerdings nicht nur gegen diese Strategie sondern auch für eine Stimmfreigabe. Auch die GLP tat sich schwer mit einer Empfehlung: der eine Kandidat stehe zu sehr links, der andere zu sehr rechts. Ebenfalls auf eine Stimmempfehlung verzichteten die BDP und die Piratenpartei. Die Grünen, die Gewerkschaften, die Umweltverbände und der Mieterverband sprachen sich noch einmal für Fässler aus und die FDP – allerdings erst nachdem sich die CVP entschieden hatte, keinen Kandidaten zu stellen – empfahl Götte. Dieser Empfehlung schlossen sich neben der EDU auch der Gewerbeverband sowie die Industrie- und Handelskammer und der Hauseigentümerverband an. Für zusätzlichen Wirbel sorgte die parteilose Christa Köppel, Gemeindepräsidentin von Widnau, die unterstützt von bürgerlichen Kreisen mit einer Kandidatur lavierte, schliesslich aber dennoch darauf verzichtete. Dafür, dass es letztlich doch nicht zu einem Zweikampf Götte gegen Fässler kam, sorgte der parteilose Thimo Forrer, dem mit Jahrgang 1992 allerdings keine Chancen eingeräumt wurden. Er selbst bezeichnete sich als Mischung zwischen Grün und SVP. Auch weil die Kandidierenden sich Mühe gaben, fair und sachlich zu argumentieren, warf der Wahlkampf vor dem zweiten Umgang keine hohen Wellen. Bei einer wohl auch deshalb tiefen Stimmbeteiligung von 31,6% änderte sich am Resultat aus dem ersten Umgang nichts mehr. Fredy Fässler wurde mit 46'629 Stimmen der Vorzug vor Götte (42'859 Stimmen) gegeben. Während sich die SP erleichtert zeigte, entlud sich seitens der SVP Zorn über die anderen bürgerlichen Parteien, welche die SVP im Stich gelassen habe. Erneut erzielte Götte auf dem Land mehr Stimmen als Fässler. Weit abgeschlagen erhielt Thimo Forrer 4'786 Stimmen. An der Zusammensetzung der St. Galler Regierung änderte sich somit nichts: Die CVP, die FDP und die SP hielten nach wie vor je zwei Sitze und die SVP war nach wie vor mit einem Sitz vertreten. Neu sass hingegen nur noch eine Frau – statt wie vor den Wahlen drei – im Regierungsrat des Kantons St. Gallen.

Regierungsratswahlen St.Gallen 2012
Dossier: Kantonale Regierungswahlen 2012
Dossier: Kantonale Wahlen - St. Gallen

Der Andrang auf die 120 Sitze – der Rat war vor den letzten Wahlen 2008 von 180 auf 120 Sitze verkleinert worden – im St. Galler Kantonsparlament war 2012 nicht mehr so gross wie vier Jahre zuvor. Die 797 Kandidierenden – 235 Frauen und 562 Männer – bedeuteten einen Rückgang von rund zwei Prozent im Vergleich zu den Wahlen 2008 (813 Kandidierende). Der Frauenanteil unter den Kandidierenden ging dabei stark, von 33,7% auf 29,5% zurück. 182 Kandidierende waren unter 30 Jahre alt. Damit war der Anteil an jungen Kandidierenden von 19% auf 23% gestiegen. Tatsächlich frei wurden jedoch nur 16 Sitze, weil 104 Bisherige wieder antraten. Insgesamt wurden in den acht Wahlkreisen zusammen 68 Listen eingereicht. Neben der SVP (2008: 41 Sitze), der CVP (33 Sitze), der FDP (23 Sitze) und der SP (16 Sitze), die in allen Distrikten antraten, kandidierten die GP (4 Sitze), die GLP (1 Sitz) und die EVP (2 Sitze) nur in einzelnen Wahlkreisen. Die neu antretende BDP und die Piratenpartei, aber auch die wie vor vier Jahren antretende, damals jedoch erfolglose EDU konnten ebenfalls nicht alle Wahlkreise bedienen. Die wiederum antretenden SD, die regional verankerte UGS Linth sowie eine Einzelkandidatur auf der Liste „ReAbility“ traten nur in einem Wahlkreis an. Im Wahlkreis Sarganserland verbanden sich die SP und die GP sowie die GLP und die BDP in zwei Listenverbindungen. Ebenfalls gemeinsam traten die CVP und die EVP im Wahlkreis Wil an. Erwartet wurde, dass sich der Trend der nationalen Wahlen in St. Gallen wiederholt, dass also die neue Mitte mit BDP und GLP auf Kosten der arrivierten Parteien Sitze gewinnen können. Für die SVP stellten die Grossratswahlen den ersten Formtest nach dem Krebsgang bei den nationalen Wahlen dar. Insbesondere für den aus dem Kanton St. Gallen stammende Parteipräsidenten Toni Brunner, der in den Ständeratswahlen im Herbst 2011 unterlegen war, waren die St. Galler Parlamentswahlen eine wichtige Angelegenheit, für die er sich persönlich ins Zeug legte. Die SVP war in den letzten Jahren lediglich im Kanton Schwyz noch stärker gewachsen als im Kanton St. Gallen. Vor vier Jahren wurde sie stärkste Partei im Ostschweizer Kanton. Der Wahlkampf wurde trotz der interessanten Ausgangslage als flau und langweilig bezeichnet.
Bei den Wahlen zeigte sich tatsächlich eine Ähnlichkeit mit den wenige Monate vorher stattfindenden Nationalratswahlen: die neue Mitte konnte zulegen – die BDP schaffte auf Anhieb zwei Sitze (2,8% Wähleranteil) und die GLP konnte vier neue Sitze erobern (neu: 5 Sitze, 5,3%), während CVP und FDP an Sitzen und Wählerstimmen einbüssten. Während die FDP ihren Sitzverlust und den leichten Wählerverlust gelassen nahm (neu: 22 Sitze, 17,8%), zeigte sich die CVP über die vier Sitzverluste (neu: 29 Sitze, 19,4%) und die starken Wählerverluste von über fünf Prozentpunkten enttäuscht. Zwar war bereits während der Legislatur ein Sitz an die SVP verloren gegangen, trotzdem waren die Mandatsverluste die Bestätigung eines bereits Jahrzehnte andauernden Negativtrends der einst stärksten St. Galler Partei. Zur eigentlichen grossen Verliererin zählte aber die SVP, die im Vergleich zu 2008 sechs Sitze, den durch einen Parteiwechsel während der Legislatur von der CVP geerbten Sitz nicht hinzugerechnet, einbüsste. Mit neu 35 Sitzen und einem Wähleranteil von 24,1% blieb die SVP trotzdem deutlich stärkste Partei im Kantonsparlament. Zulegen konnte Links-Grün. Die SP gewann vier zusätzliche Mandate und die GP konnte sich über einen zusätzlichen Sitz freuen. Die Sozialdemokraten (neu: 20 Sitze, 16,5%) waren vor vier Jahren mit der Verkleinerung des Parlaments massiv eingebrochen, konnten im Berichtsjahr aber anscheinend von einem „Rechsteiner-Effekt“ profitieren – Paul Rechsteiner (sp) hatte sich im zweiten Wahlgang der Ständeratswahlen nur wenige Monate vor der Kantonsratswahl gegen Toni Brunner durchgesetzt. Die Grünen waren, anders als auf nationaler Ebene, nicht die Leidtragenden des Erfolgs der GLP, nahmen neu 5 Sitze ein und konnten ihren Wähleranteil auf 6,5% steigern. Ihre Sitze halten konnte die EVP (2 Sitze, 1,8%). Das vor vier Jahren stark nach rechts ausschwingende Pendel schlug also im Berichtjahr ein wenig nach links zurück. Zwar konnte von einem eigentlichen Linksrutsch nicht die Rede sein, die SVP werde aber im Vergleich zur letzten Legislatur ein wenig mehr Kompromissbereitschaft zeigen müssen und die neue Mitte könne stärker als bisher das Zünglein an der Waage spielen, so die Pressekommentare. Die mit 37,6% leicht höhere Stimmbeteiligung im Vergleich zu 2008 (35,3%) wurde auf die hohe Zahl jugendlicher Kandidierender zurückgeführt, die wohl auch die jüngere Wählerschaft stärker mobilisiert habe. Ein nach 2008 erneuter Rückgang wurde hinsichtlich des Frauenanteils verzeichnet. Lediglich noch 27 Sitze des 120-köpfigen Kantonsrates waren von Frauen besetzt (22,5%). Nach den Wahlen von 2008 waren es noch 29 (24,2%). Im 180-köpfigen Rat nach 2004 hatte der Frauenanteil noch 25% betragen.

Kantonsratswahlen St.Gallen 2012
Dossier: Kantonale Parlamentswahlen 2012
Dossier: Kantonale Wahlen - St. Gallen

Eher unerwartet konnte die SP auch bei den Ständeratswahlen zulegen. Die zwei Sitzgewinne in den Kantonen Aargau (Bruderer) und St. Gallen (Rechsteiner) und die Rückeroberung des Berner Sitzes (Stöckli), den die SP aufgrund der Ersatzwahl für Bundesrätin Sommaruga im Frühjahr noch an die SVP verloren hatte, sorgten dafür, dass die Sozialdemokraten die höchste Zahl an Ständeratsmandaten in ihrer Geschichte erreichten. Mit elf Mandaten war man in der kleinen Kammer neu sogar gleich stark wie die FDP. Die acht Sitze in den Kantonen FR (Berset), SO (Zanetti) BS (Fetz), BL (Janiak), VD (Savary), NE (Berberat), GE (Maury Pasquier) und JU (Hêche) konnten relativ problemlos verteidigt werden. Nur im Kanton Waadt musste die SP in einen zweiten Wahlgang. Ohne Erfolg blieben die Sozialdemokraten in den Kantonen ZH, LU, OW (mit der Juso), ZG, SH, TG, TI und VS.

Wahlkampf und Resultate der SP bei den eidgenössischen Wahlen 2011
Dossier: Resultate der wichtigsten Parteien bei nationalen Wahlen 2011