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  • Ruiz, Rebecca (sp/ps, VD) NR/CN
  • Darbellay, Christophe (cvp/pdc, VS) NR/CN
  • Schmid, Martin (fdp/plr, GR) SR/CE

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Dem Kanton Wallis stand anlässlich der Nationalratswahlen 2015 neu ein zusätzlicher, achter Sitz zu. Um diesen und die restlichen sieben Sitze kämpften 173 Kandidierende auf 33 verschiedenen Listen. Die hohe Listenzahl – nur zwei weniger als im Kanton Zürich – war hauptsächlich den zahlreichen regionalen Listen geschuldet, welche sich zumeist zwischen Valais Romand und dem Oberwallis aufteilten. Der Frauenanteil auf den Listen betrug insgesamt 26% (2011: 26.5%). Die Grünen, die Sozialdemokraten und die CSP Centre Gauche beschlossen eine gemeinsame Listenverbindung – inklusive ihrer jeweiligen Jungparteien. Dies war insofern nicht selbstverständlich, als es vor vier Jahren beinahe zum Bruch zwischen Rot-Grün gekommen war. Die CVP, die FDP und die SVP traten jeweils alleine an, verbanden also einzig ihre parteiinternen Listen und jene ihrer Jungparteien. Somit blieb in Sachen «Listen-Arithmetik» die Ausgangslage gegenüber den letzten Wahlen gleich. Einzig die damals erfolglosen Kandidaten der BDP und der alternativen Linken fehlten dieses Mal auf den Wahlunterlagen.
Im Vorfeld gaben drei politische Schwergewichte ihren Rücktritt bekannt. Bei den Sozialdemokraten trat der ehemalige Nationalratspräsident Stéphane Rossini nicht mehr an. Bei der CVP machte Parteipräsident Christophe Darbellay bekannt, dass er sowohl sein Mandat als Präsident als auch jenes als Nationalrat abgeben werde. Schliesslich erklärte auch SVP-Nationalrat Oskar Freysinger seinen Rücktritt, da er 2013 in den Walliser Staatsrat gewählt worden war.
Der nationale Trend, welcher FDP und SVP im Aufwind sah, galt auch für das Wallis als wahrscheinliches Szenario. Bei den Freisinnigen trat Jean-René Germanier nochmals an, nachdem ihm von der Partei ausnahmsweise die Kandidatur für eine vierte Amtszeit erlaubt wurde. Er bekam jedoch harte Konkurrenz von seinem aufstrebenden Parteikollegen Philippe Nantermod. Bei der SVP galt der Oberwalliser Franz Ruppen als wahrscheinlichster Nachfolger von Oskar Freysinger. Den Sozialdemokraten hingegen wurde ein schwieriger Kampf um die Verteidigung ihrer zwei Sitze vorausgesagt. Der Bisherige Mathias Reynard war der unbestrittene Spitzenkandidat, welcher als Wahllokomotive die SP vor einem Sitzverlust retten sollte. Hinter ihm reihten sich Kantonalpräsident Gaël Bourgeois, Olivier Salamin und der einzige Oberwalliser auf der gesamtkantonalen SP-Liste, German Eyer, ein. Für die CVP, schliesslich, war das Wallis noch eine der wenigen traditionellen Bastionen, in welcher von ihr auch weiterhin ein starkes Abschneiden erwartet wurde. Zudem war rechnerisch ein Sitzverlust für die Christdemokraten recht unwahrscheinlich, weswegen die CVP eher auf einen möglichen zusätzlichen vierten Sitz schielte. Die erfolgreiche Verteidigung der Mandate von Viola Amherd und Yannick Buttet war abzusehen. Als mögliche Nachfolgerin von Christophe Darbellay wurde Géraldine Marchand-Balet gehandelt, aber auch Davide Théoduloz durfte sich Hoffnungen machen. Kaum Chancen wurden den Grünen und der CSP Centre Gauche zugerechnet. Beide Parteien hatten Mühe damit, bekannte Persönlichkeiten auf ihre Listen zu setzen.

Am Wahltag durfte sich neben der SVP auch die CVP – und nicht etwa die Freisinnigen – über einen Sitzgewinn freuen. Die Christdemokraten erzielten im gesamten Kanton 30.4 Prozent der Stimmen (-0.6 Prozentpunkte), während die CSP Oberwallis – Teil der nationalen CVP – auf zusätzliche 9.3 Prozent kam (+0.4%). Géraldine Marchand-Balet ersetzte bei der CVP Christophe Darbellay und Roberto Schmidt holte sich für die CSP Oberwallis einen Sitz zurück. Viola Amherd und Yannick Buttet wurden beide deutlich wiedergewählt, letzterer gar als bestgewählter Nationalrat im Kanton. Bei der SVP ersetzte Franz Ruppen wie erwartet Oskar Freysinger. Zudem schaffte Jean-Luc Addor neu den Einzug in die grosse Kammer. Die Partei gewann 2.4 Prozentpunkte an Wähleranteil (neu: 22.1%), vor allem dank des Zuwachses im Oberwallis. Die Sitzgewinne der CVP und der SVP hatten zur Folge, dass die SP eines ihrer beiden Mandate nach vier Jahren wieder abgeben musste. Mathias Reynard schaffte die Wiederwahl klar, wogegen der Sitz des abtretenden Stéphane Rossini nicht verteidigt werden konnte. Die Sozialdemokraten verloren deutlich an Wähleranteil (-3.9 Prozentpunkte) und kamen noch auf 13.3 Prozent aller Wählerstimmen. Die FDP verlor ebenfalls an Wähleranteil (-0.7 Prozentpunkte, neu: 18.1%) und verpasste damit den erhofften Sitzgewinn. Jedoch gelang es Philippe Nantermod tatsächlich den bisherigen Nationalrat Germanier aus dem Amt zu bugsieren. Ohne Chance auf einen Sitz blieben, wie erwartet, die Grünen mit 4.9% (-0.1 Prozentpunkte) und die CSP Centre Gauche mit 1.4% (+0.7 Prozentpunkte). Die neue, ziemlich durchmischte Walliser Delegation setzt sich nun wie folgt zusammen: 4 CVP, 2 SVP, 1 SP und 1 FDP. Mit Viola Amherd, Roberto Schmidt und Franz Ruppen ist das deutschsprachige Oberwallis neu mit drei Mandaten statt wie bisher nur einem vertreten. Die Wahlbeteiligung lag im Kanton Wallis bei 59.8%. Der Frauenanteil der Delegation stieg mit der Wahl von Géraldine Marchand-Balet auf 25 Prozent an (2011: 14%).

Kanton Wallis -Nationalratswahlen 2015
Dossier: Resultate Nationalratswahlen 2015 (nach Kantonen)

Dem Kanton Waadt standen bei den Nationalratswahlen 2015 als bevölkerungsmässig drittgrösster Kanton achtzehn Sitze zu. Im Vergleich zu 2011 ging – im Unterschied zu den meisten anderen Kantonen – die Zahl an Kandidierenden leicht zurück auf 326 (2011: 334). Dafür verteilten sich die Anwärterinnen und Anwärter auf neu 23 Listen – einer Liste mehr als vier Jahre zuvor. Der Frauenanteil unter den Kandidierenden betrug 34.7% (2011: 32.3%). Die meisten Parteien traten sowohl mit einer eigenen Liste als auch einer der Jungpartei an. Unter den Parteilisten fanden sich auch zahlreiche Kleinstparteien wie der Piratenpartei oder den Schweizer Demokraten. Abgerundet wurde das Kandidatenfeld von Gruppierungen wie Ecopop, die im November 2014 mit der gleichnamigen Initiative und einer extremen Zuwanderungsbeschränkung auf sich aufmerksam gemacht hatte und auch in den Kantonen Zürich und Aargau antrat, oder der «Liste du Vote Blanc», die dafür eintrat, dass leere Stimmen für die Berechnung von demokratischen Entscheidungen ebenfalls zählen sollen.

Nur drei der achtzehn Amtsinhaber gaben vor den Wahlen ihren Rücktritt bekannt. Die SVP hatte mit André Bugnon und Pierre-François Veillon gleich zwei Abgänge zu beklagen. Nochmals kandidierten dafür Guy Parmelin und Jean-Pierre Grin. Bei der SP war es Eric Voruz der nicht mehr antrat. Die Sozialdemokraten hatten mit insgesamt sechs Mandaten die grösste Fraktion zu verteidigen. Die fünf wieder antretenden Bisherigen waren Cesla Amarelle, Ada Marra, Roger Nordmann, Rebecca Ana Ruiz und Jean Christophe Schwaab. Die Devise für die SP lautete, die zwei bei den Wahlen 2011 dazugewonnen Sitze zu verteidigen. Einer dieser Sitzgewinne ging damals zu Lasten des grünen Stadtpräsidenten von Lausanne, Daniel Brélaz, der 2015 von den Grünen wieder als Kandidat nominiert wurde, um den Abwärtstrend der vergangenen Jahre zu stoppen. Neben ihm traten die Bisherigen Adèle Thorens Goumaz und Christian van Singer an. Ihren 2011 verlorenen Sitz zurückerobern wollte auch die Alternative Linke. Einziger Kandidat, dem reelle Chancen zugerechnet wurden, war PdA-Grossrat Marc Vuilleumier. Die Grünliberalen – welche 2011 erstmals ein Mandat erobert hatten – peilten die Sitzverteidigung mit ihrer Nationalrätin Isabelle Chevalley an. Als weitere Mittepartei präsentierte die BDP mit Christine Bussat eine interessante und nicht unumstrittene Kandidatin. Bussat war als Urheberin der sogenannten «Pädophileninitiatve» bekannt geworden. Laut eigenen Aussagen entschied sie sich für die BDP, da ihr die SVP in Belangen wie der Ausländerpolitik zu extrem sei. Bei der CVP kam es bereits im Juni 2014 parteiintern zu einigem Wirbel, weil man den amtierenden Nationalrat Jacques Neirynck nicht mehr aufstellen wollte. Stattdessen sollte der ehemalige Verwaltungsrat der Post, Claude Béglé als Spitzenkandidat lanciert werden. Um die Wogen zu glätten, entschied man sich schliesslich Neirynck doch kandidieren zu lassen, jedoch auf der CVP-Seniorenliste, was die Wahlchancen des 84-Jährigen freilich arg schmälerte. Die FDP schliesslich, die ihre Delegation bei den letzten Wahlen von drei auf vier Sitze vergrössern konnte, trat mit allen Bisherigen wieder an: Fathi Derder, Olivier Feller, Isabelle Moret und Olivier Français. Français kandidierte zudem für die gleichzeitig stattfindenden Ständeratswahlen.
Im Vorfeld des Urnengangs beherrschte die Frage nach einem möglichen Zusammengehen der FDP mit der SVP die öffentliche Debatte. Im neuen Jahrtausend war eine Listenverbindung der beiden Parteien stets zustande gelommen – obwohl rein rechnerisch die FDP kaum je davon profitiert haben dürfte. Aus diesem Grund war die Skepsis über einen neuerlichen solchen Schulterschluss gross – einerseits bei den Freisinnigen selber und andererseits in der Waadtländer Medienlandschaft. Insbesondere die Annahme der Masseneinwanderungsinitiative im Februar 2014 wurde als Zäsur in der Beziehung zwischen den Parteien wahrgenommen. Für die FDP wäre eine Listenverbindung weniger für die Nationalratswahlen, als für die Ständeratswahlen relevant gewesen, da man dort die Unterstützung der SVP für den eigenen Kandidaten Français suchte. Die SVP betonte zudem, dass eine Zusammenarbeit bei den Nationalratswahlen Bedingung für eine Listenverbindung bei den anstehenden Waadtländer Kommunalwahlen sein würde. In der politischen Mitte hoffte man derweil, die FDP für sich selber gewinnen zu können. Dort hatten sich CVP, GLP, BDP, EDU und EVP wiederum zu einem breiten Bündnis zusammengetan. Für die FDP schien mehr und mehr klar, dass eine Listenverbindung ausschliesslich mit der SVP kaum in ihrem Interesse wäre. Die Partei hatte deshalb Grösseres im Sinn, und versuchte mehrmals die anderen bürgerlichen Parteien zu einem umfassenden bürgerlichen Block von der Mitte bis ganz nach rechts zu bewegen. Die Avancen der Freisinnigen stiessen aber weder im bürgerlichen Lager noch bei der SVP auf offene Ohren. Die CVP wollte sich nicht mit der SVP einlassen, genauso wenig wie dies die SVP mit den Mitteparteien tun wollte. Der Linken konnte die Uneinigkeit im bürgerlichen Lager nur recht sein. Die Sozialdemokraten, die Grünen und die alternative Linke führten ihre traditionelle Listenverbindung diskussionslos weiter.
Inmitten der wahltaktischen Streitigkeiten wurde der Waadtländer Wahlkampf durch interne Affären in der SVP aufgeheizt. Im Sommer wurde bekannt, dass SVP-Parteipräsidentin Fabienne Despot 2014 ein Gespräch mit Parteikollegen ohne deren Zustimmung aufgezeichnet hatte. Die Affäre kam ans Licht, weil Despots ehemaliger Lebenspartner und BDP-Politiker Fred Reichenbach, die SVP mit dem Tondokument unter Druck setzten wollte. Am SVP-Parteitag im August sorgte die Angelegenheit für heftige Diskussionen. Despot sagte, sie wolle Kandidatin für die National- und Ständeratswahlen bleiben, würde aber ihr Amt als Präsidentin zur Verfügung stellen. Die Delegierten der SVP stellten sich letztlich – wenn auch knapp – hinter Despot und beliessen sie sowohl als Kandidatin als auch im Parteipräsidium. Als ob dies nicht genug gewesen wäre, wurde daraufhin publik, dass die Ex-Freundin von Michaël Buffat – ebenfalls SVP-Kandidat für National- und Ständerat – eine Klage wegen Gewalttätigkeit gegen ihn eingereicht hatte. Die Vorwürfe wurden von Buffat bestritten. Auch der ersehnten bürgerlichen Einigung kamen die Affären wohl nicht zu Gute: Die Gespräche zwischen der FDP und der SVP verliefen letztlich im Sand, womit beide Parteien alleine ins Rennen um die Nationalratssitze stiegen.

Die FDP konnte sich schliesslich trotzdem als klare Gewinnerin im Kanton Waadt feiern lassen. Die Partei legte um ganze 4.8 Prozentpunkte auf 26.8% Wähleranteil zu. Die Freisinnigen avancierten mit diesem Resultat zur grössten Partei im Kanton. Der Wahlsieg konnte zudem in einen Sitzgewinn umgemünzt werden, wovon die neugewählten Laurent Wehrli und Frédéric Borloz profitierten. Fathi Derder – welcher sich hinter Wehrli einreihte – schaffte die Wiederwahl dank des späteren Erfolges von Olivier Français im Ständeratsrennen mit leichter Verzögerung ebenfalls. Leidtragende an diesem Wahlsonntag waren die Sozialdemokraten, welche einen ihrer zwei bei den eidgenössischen Wahlen 2011 gewonnenen Sitze wieder abgeben mussten. Da Eric Voruz nicht mehr angetreten war, schafften trotzdem alle ihre Nationalratsmitglieder die Wiederwahl. Die SP verlor 3 Prozentpunkte an Wähleranteil und kam noch auf 22.2 Prozent. Leichte Rückgänge mussten die SVP mit 22.6 Prozent (-0.4 Prozentpunkte) und die Grünen mit 11.3 Prozent (-0.3 Prozentpunkte) in Kauf nehmen. Beide Parteien blieben ohne Sitzverlust, jedoch schaffte bei den Grünen Daniel Brélaz auf Kosten von Christian van Singer wieder den Einzug in den Nationalrat. Adèle Thorens Goumaz gelang die Wiederwahl nur, weil Luc Recordon nach seiner Niederlage bei den Ständeratswahlen auch auf den Nationalratssitz verzichtete. Bei der SVP durften sich Jacques Nicolet und Michaël Buffat zur Neuwahl beglückwünschen lassen. Die Grünliberalen kamen noch auf 3.9 Prozent Wähleranteil (-1.2 Prozentpunkte), konnten aber den Sitz von Isabelle Chevalley halten. Bei der CVP ersetzte wie erwartet Claude Béglé den relegierten und letztlich abgewählten Amtsinhaber Jacques Neirynck. In Sachen Wähleranteil mussten auch die Christdemokraten einen leichten Rückgang verkraften (neu: 4.6%, -1 Prozentpunkt). Weiterhin keine Vertreter nach Bern schicken durften die BDP mit 1.8 Prozent Wähleranteil (+1 Prozentpunkt) und das linke Bündnis zwischen PdA und solidaritéS mit 2.9 Prozent Wähleranteil (-1.1 Prozentpunkte). Aus dem Kanton Waadt reist somit künftig folgende Delegation nach Bern: 5 FDP, 5 SP, 4 SVP, 2 GPS, 1 CVP und 1 GLP. Mit 6 Nationalrätinnen beträgt der Frauenanteil weiterhin 33%. Die Wahlbeteiligung war mit 42.9 Prozent leicht gestiegen (2011: 41.6%).

Kanton Waadt -Nationalratswahlen 2015
Dossier: Resultate Nationalratswahlen 2015 (nach Kantonen)

In der Herbstsession 2015 verhandelte der Ständerat als Zweitrat das erste Massnahmenpaket der Energiestrategie 2050. Während die UREK-SR dem Rat das Eintreten empfahl, verlangte eine Minderheit Hösli (svp, GL) Nichteintreten und ein Antrag Hefti (fdp, GL) die Rückweisung der Vorlage an die UREK-SR mit dem Auftrag, den Wirtschaftsstandort Schweiz nicht übermässig durch Förderabgaben zu belasten und die Regulierungsdichte in der Vorlage zu senken. In der Eintretensdebatte wurde von verschiedenen Seiten die grosse Arbeit verdankt, welche die UREK-SR in dieser Sache geleistet habe. Obschon in jedem Votum der Eintretensdebatte gewisse Vorbehalte vorgetragen wurden, so begrüssten doch ausser den Antragstellern Hösli und Hefti alle das Eintreten auf das von Ständerätin Bruderer Wyss (sp, AG) als "Generationenvorlage" bezeichnete Geschäft. In der Abstimmung wurde mit grosser Mehrheit Eintreten beschlossen, die Minderheit Hösli (Nichteintreten) erhielt nur 2 Stimmen, der Rückweisungsantrag Hefti 3 Stimmen.
In der Detailberatung schlug die Kommission vor, den Richtwert der durchschnittlichen inländischen Produktion im Jahre 2035 auf mindestens 11 400 Gigawattstunden zu legen, was realistischer sei als die vom Bundesrat vorgeschlagenen und vom Nationalrat übernommenen 14 500 GWh. Eine Minderheit Bruderer Wyss (sp, AG) wollte an der Version des Nationalrates festhalten und eine Minderheit Theiler (fdp, LU) wollte den Richtwert ganz aus der Vorlage streichen. Der Antrag für den höheren Richtwert unterlag dem Kommissionsantrag mit 16 zu 27 Stimmen, der Antrag auf Streichen wurde mit 32 zu 11 Stimmen abgelehnt.
Zwei Minderheitsanträge Hösli (svp, GL), welche die Richtziele in Energie- und Stromverbrauch gegenüber der Mehrheit tiefer ansetzen wollten, wurden ebenfalls abgelehnt. Einen Einzelantrag Gutzwiller (fdp, ZH), welcher die vom Nationalrat gekippte bundesrätliche Bestimmung zur Prüfung von Alternativen beim Bau eines neuen fossil-thermischen Kraftwerks wieder aufnehmen wollte, wurde mit 21 zu 19 Stimmen abgelehnt. Während die Kommissionsmehrheit an der bundesrätlichen Vorgabe eines Energie-Richtplanes festhalten wollte, verlangte eine Minderheit Imoberdorf (cvp, VS) die Zustimmung zum Nationalrat, welcher diese Vorgabe gekippt hatte. Imoberdorf beklagte, der Bund mische sich mit der bundesrätlichen Bestimmung in die raumplanerische Kompetenz der Kantone ein. Obschon Bundesrätin Leuthard diese Einmischung des Bundes bestritt, folgte die kleine Kammer mit 25 zu 15 Stimmen der Minderheit und dem Nationalrat. Eine Minderheit Hösli (svp, GL) wollte dem Nationalrat auch darin folgen, in einem Zusatz zu Artikel 13 die Unterstützung der Kantone durch den Bund festzuhalten. Weil dies nach der zuvor abgelehnten Regelung sinnvoll sei, sprach sich auch Bundesrätin Leuthard dafür aus und der Antrag wurde mit 32 zu 10 Stimmen bei 3 Enthaltungen angenommen. Die kleine Kammer folgte dem Nationalrat in den ersten beiden Absätzen des Artikels 14, welcher die Nutzung erneuerbarer Energie als nationales Interesse einstuft und die Grundlage zur Interessenabwägung beim Neubau von Kraftwerken in Schutzgebieten legt. Allerdings schuf die kleine Kammer auch eine Differenz zur grossen, indem sie bei den zwei weiteren Absätzen des Artikels dem Bundesrat folgte und sich dabei für die Anhörung von Umwelt- und Heimatschutzverbänden aussprach. In diesem Zusammenhang wurde auf die parlamentarische Initiative Eder (fdp, ZG) verwiesen, deren Anliegen damit teilweise begegnet wurde.
Bei Artikel 17 strich der Ständerat die Absätze, welche der Nationalrat eingefügt hatte, mit der Begründung, die Abnahmepflicht von Strom zu staatlich vorgegebenen Preisen sei zu bürokratisch. Eine Differenz zur grossen Kammer schuf der Ständerat weiter auch bei Artikel 18, in welchem die Kommission des Ständerates das Konzept des Eigenverbrauchs gemäss den Anforderungen der Praxis klarer regeln wollte. Die Kommission hatte zusammen mit Fachleuten und dem Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen sowie Nationalrat Grossen (glp, BE), dessen diesbezüglicher Antrag im Nationalrat angenommen worden war, eine Lösung gefunden, welche auch von Bundesrätin Leuthard gutgeheissen und vom Ständerat ohne Einwände angenommen wurde. Leuthard wies in diesem Zusammenhang auf die angenommene parlamentarische Initiative der UREK-NR hin. Während die Kommissionsmehrheit in der Frage der Förderung von Kleinwasserkraftwerken eine Untergrenze bei der Leistung von 300 Kilowatt setzen wollte, verlangte eine Minderheit Luginbühl (bdp, BE) eine Untergrenze von 1 Megawatt. Luginbühl begründete dies mit den hohen Förderkosten, die einer kleinen Leistung gegenüberstünden. Unterstützung erhielt der Antrag von Ständerat Zanetti (sp, SO), welcher als "Vertreter der Fische" um eine höhere Fördergrenze bat. Alle weiteren Voten von links bis rechts hielten fest, dass es eben auch die Kleinkraftwerke brauche, um den Atomstrom zu ersetzen. Die Minderheit Luginbühl unterlag in der Abstimmung schliesslich mit 18 zu 25 Stimmen. Ein Einzelantrag Graber (cvp, LU) wollte Kleinproduzenten von der Direktvermarktung befreien: Kleinproduzenten mit weniger als 1 Megawatt Leistung sollen vom Netzbetreiber den Referenzmarktpreis für den produzierten Strom erhalten, da der Aufwand der Selbstvermarktung gemessen an der Produktion zu hoch sei. Der Ständerat verwarf den Antrag Graber und folgte im übrigen der Fassung des Bundesrates, was die Schaffung einer Differenz zum Nationalrat bedeutete. In Artikel 22 wich die kleine Kammer erneut von der nationalrätlichen Fassung ab: Sie strich die Festlegung der maximal anrechenbaren Gestehungskosten auf höchstens 20 Rappen pro Kilowattstunde. Ein Antrag Schmid (fdp, GR), der günstige Bundesdarlehen für neue Wasserkraftwerke ermöglichen wollte, wurde kontrovers diskutiert und schliesslich mit 23 zu 22 Stimmen abgelehnt. Die ständerätliche Kommission hatte neu ein als Notfalllösung ausgelegtes Konzept zur Unterstützung der Grosswasserkraft aufgenommen. Grosswasserkraftwerke, die aufgrund der schwierigen Marktlage in finanzielle Probleme geraten, sollen für eine beschränkte Zeit Unterstützung erhalten - dies, weil die Grosswasserkraft weiterhin eine zentrale Rolle im schweizerischen Energiehaushalt einnehmen soll und Konkurse die Versorgungssicherheit gefährden könnten. Die UREK-S schlug vor, die Unterstützung auf jährlich CHF 120 Mio. zu beschränken sowie eine maximale Unterstützungsdauer von 5 Jahren festzulegen. Die Finanzierung soll über den Netzzuschlagsfonds sowie über eine Wasserzinsreduktion erfolgen. Laut Kommissionssprecher Bischofberger (cvp, AI) soll eine Differenz zum Nationalrat geschaffen werden, damit eine Lösung für die sich akzentuierenden Probleme der Grosswasserkraft vertieft geprüft werden können. Gegen diese Kommissionsmehrheit wandte sich eine Minderheit I Imoberdorf, die nur die Finanzierung ändern wollte - keine Wasserzinsreduktion, stattdessen grössere Beiträge aus dem Netzzuschlagfonds - und eine Minderheit II Theiler, die im Vertrauen auf die Marktkräfte ganz auf die vorgeschlagene Notfallunterstützung verzichten wollte. Ein Einzelantrag Engler (cvp, GR) wollte die Grosswasserkraft substanziell an den KEV-Beiträgen teilhaben lassen, wurde aber vor der Abstimmung zurückgezogen. Die beiden Minderheitsanträge unterlagen mit 33 zu 11 und mit 32 zu 11 Stimmen bei einer Enthaltung. Die Kommission schlug weiter Regelungen vor, um Rückerstattungen des Netzzuschlages zu begrenzen und auf stromintensive Unternehmen zu beschränken. Eine Minderheit Hösli (svp, GL) wollte die Rückerstattung des Netzzugschlages für Unternehmen in förderungswürdigen Regionen verstärken und ein Einzelantrag Germann (svp, SH) verlangte, dass alle Grossverbraucher dann eine Rückerstattung des Netzzuschlages erreichen können, wenn sie interne Massnahmen für Energieeffizienz nachweisen. Sowohl Kommissionssprecher Bischofberger wie auch Bundesrätin Leuthard wiesen darauf hin, dass es hier um die Finanzierung der KEV gehe und nicht um Wirtschaftsförderung und schon gar nicht um Regionalpolitik. Die Grossverbraucher profitierten schon heute gegenüber den KMU, weil sie auf dem liberalisierten Markt einkaufen können. Könnten sie ihre Netzzuschläge zurückforden, müssten die Abgaben von kleineren Unternehmen und von Haushalten höher sein, um die angestrebte Alimentation der KEV zu erreichen. Sowohl der Minderheits- wie auch der Einzelantrag wurden in der Abstimmung deutlich verworfen. In Abweichung vom Nationalrat wollte die Kommissionsmehrheit die Kompetenzen zur Ausgestaltung von Vorschriften im Gebäudebereich den Kantonen überlassen. Ein Antrag Hess (fdp, OW) wollte in dieser Frage die nationalrätliche Fassung beibehalten und eine Minderheit Bruderer Wyss (sp, AG) verlangte, dass die von der Kommissionsmehrheit abgelehnten Regelungen zu effizienten Geräten, zur Haustechnik und zur Energieverbrauchserfassung beibehalten werden. Während der Minderheitsantrag Bruderer Wyss abgelehnt wurde, erklärte eine Ratsmehrheit mit Unterstützung von Bundesrätin Leuthard ihre Zustimmung zum Antrag Hess. Mit dem vom Nationalrat aufgenommenen Bonus-Malus-System für Stromlieferanten war die Kommissionsmehrheit nicht einverstanden, sie beantragte dem Rat, diesen Artikel zu streichen. Eine Minderheit Cramer (grüne, GE) wollte dem Nationalrat folgen und eine Minderheit Diener Lenz (glp, ZH) schlug andere Regelungen vor, um die Energieeffizienz zu erhöhen. Der Rat zog die Minderheit Diener Lenz der Minderheit Cramer deutlich vor, gab aber in einer zweiten Abstimmung der Mehrheit mit 23 zu 21 Stimmen den Vorzug, so dass der Artikel gestrichen wurde. Die Kommissionsmehrheit wollte die vom Bundesrat vorgeschlagene und vom Nationalrat übernommene Lösung für das Einspeisevergütungssystem nicht mittragen und beantragte die Streichung der Artikel 39 und 76. Der Rat stimmte zu, die geschaffene Differenz erlaube es dem Nationalrat, in dieser Sache weiter nach einer brauchbaren Lösung zu suchen. Mit 27 zu 16 Stimmen bei zwei Enthaltungen strich der Ständerat die sogenannte "Dreckstromabgabe", eine Abgabe auf nicht garantiert CO2-freien Strom. Was von der Kommission als Stützung der einheimischen Wasserkraft gedacht war, erschien der Ratsmehrheit als kaum tragbare "Industriesteuer". Die Ratskommission wollte weiter, dass die Hälfte der Rückbaukosten von den Steuern abgezogen werden kann, wenn statt einer Gebäudesanierung ein Ersatzneubau realisiert wird. Eine Minderheit Luginbühl (bdp, BE) beantragte die Streichung und berief sich dabei auch auf die Finanzdirektoren- und Energiedirektorenkonferenz. Mit 25 zu 15 Stimmen bei einer Enthaltung folgte der Rat dieser Minderheit. Der Ständerat folgte dem Bundesrat und dem Nationalrat in der Änderung des Kernenergiegesetzes bezüglich der Wiederaufbereitung von abgebrannten Brennelementen und nahm das Verbot der Wiederaufbereitung an. Ständerat Eberle (svp, TG) hielt fest, dass es sich dabei um eine Ressourcenverschwendung "der gröberen Art" handle, verzichtete aber auf einen Antrag, weil er diesen für chancenlos hielt. Die vom Nationalrat eingebrachte Regelung eines Langzeitbetriebskonzepts, welches die Betreiber eines AKW nach 40 Betriebsjahren vorlegen müssten, war in der ständerätlichen Kommission sehr kontrovers diskutiert und schliesslich mit 7 zu 6 Stimmen abgelehnt worden. Eine Minderheit Diener Lenz beantragte dem Rat, dem Nationalrat zuzustimmen und die Langzeitbetriebskonzepte gutzuheissen. Während die Ständeräte Eberle (svp, TG) und Theiler (fdp, LU) die bisherigen Sicherheits- und Aufsichtsmechanismen lobten und Änderungen als gefährlich darstellten, betonten die Ständerätinnen Diener Lenz (glp, ZH) und Bruderer Wyss (sp, AG), dass das ENSI selber solche Konzepte wünsche und die Sicherheit ohne diese Konzepte durch ausbleibende Investitionen gefährdet sei. Mit 25 zu 20 Stimmen folgte der Rat seiner Kommissionsmehrheit und strich die Langzeitbetriebskonzepte aus dem Gesetz. Eine Laufzeitbeschränkung auf 50 Jahre, die eine Minderheit Berberat (sp, NE) einbringen wollte, fand keine Mehrheit im Rat. Bevor das Geschäft in der Schlussabstimmung mit 27 zu 4 Stimmen bei 8 Enthaltungen angenommen wurde, drückte Ständerat Recordon (grüne, VD) in deutlichen Worten sein Missfallen über die vom Ständerat getroffenen Entscheide aus - er werde Mühe haben, nach diesen Entscheiden auf das Ende der Legislatur anstossen zu können.

Stratégie énergétique 2050
Dossier: Ausbau und Erhalt von erneuerbaren Energien versus Umweltschutz

In der Herbstsession 2015 befasste sich dann der Ständerat mit der Revision des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) und der Thematik der gewerbsmässigen Vertretung im Zwangsvollstreckungsverfahren. Die vorberatende Rechtskommission (RK-SR) hatte sich bei vier Enthaltungen mit 9 zu 0 Stimmen für den schweizweiten Marktzugang für gewerbsmässige Vertreter ausgesprochen. Zudem war die Kommission dem Nationalrat gefolgt und hatte entgegen dem Entwurf des Bundesrates einstimmig beschlossen, den Kantonen die Möglichkeit zu belassen, einer Person aus wichtigen Gründen die gewerbsmässige Vertretung zu verbieten. In der eingangs geführten Eintretensdebatte bezeichnete Martin Schmid (fdp, GR) die Vorlage als "verfassungswidrig", da die ebenfalls beantragten redaktionellen Bereinigungen der Zivilprozessordnung (ZPO) in keinem Zusammenhang mit dem Hauptrevisionspunkt stünden. Der Nichteintretensantrag blieb aber auch in der kleinen Kammer ohne Erfolg. Der Ständerat entschied mit 27 zu 14 Stimmen bei einer Enthaltung auf Eintreten. In der Detailberatung folgte der Ständerat seiner Rechtskommission und stimmte dem Beschluss des Nationalrates zu. In der Gesamtabstimmung nahmen 27 Ständerate den Entwurf an, 13 lehnten ihn ab.

Am 25. September 2015 gelangte die Vorlage dann in beiden Kammern zur Schlussabstimmung. Als einziger Parlamentarier stimmte Ständerat Luc Recordon (gp, VD) gegen die SchKG-Revision. Die Referendumsfrist verstrich indes am 14. Januar 2016 ungenutzt.

Revision des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) (BRG 14.073)
Dossier: Gewerbsmässige Vertretung im Zwangsvollstreckungsverfahren

Rund 800 Parteimitglieder nahmen Ende August 2015 am CVP-Sommerparteitag in Le Châble (VS) teil und verabschiedeten ein Zukunfts-Manifest. Die extremistische Politik von links und rechts bringe Wohlstand und Sicherheit in der Schweiz in Gefahr, so Parteipräsident Darbellay zum Auftakt. Es gelte, den Standort Schweiz zu sichern. Dies sei nur dank Innovationsförderung – hier forderte die CVP einen Zukunftsfonds – und einer starken Flüchtlings- und Asylpolitik möglich, wobei – dies wurde von Bundesrätin Doris Leuthard betont – vor allem eine verstärkte Hilfe vor Ort angestrebt werden müsse. Weitere zentrale Forderung des Manifests ist die Regelung des Verhältnisses der Schweiz mit der EU. Diese Absicht wurde am Parteitag auch durch zwei Gäste unterstrichen. Der französische Präsident der Europäischen Volkspartei, Joseph Daul, sowie der amtierende Aussenminister Österreichs, Sebastian Kurz, beehrten die Christlichdemokraten im Wallis.

CVP-Parteitag in Le Châble

Im Wahljahr stiessen die 1.-August-Ansprachen von Bundesräten und Parteipräsidenten auf grössere mediale Resonanz. Dabei schlugen die Vertreter der Parteien lautere Töne an und richteten ihre Festreden thematisch anders aus als die Regierungsmitglieder. So warnte etwa SVP-Parteipräsident Toni Brunner vor der Zuwanderung, die noch immer nicht gestoppt worden sei. SP-Präsident Christian Levrat warf der SVP Polemik und Niveaulosigkeit vor und rief dazu auf, Menschen in Not aufzunehmen. Christophe Darbellay - Präsident der CVP - warnte vor "Brandstiftern", die Panik schürten, obwohl die Integration von Einwanderinnen und Einwandern trotz einigen Problemen gut funktioniere. Auch BDP-Präsident Martin Landolt sprach sich für eine Aufnahme von Zuflucht suchenden Menschen aus. Das seien nicht einfach Wirtschaftsflüchtlinge, sondern Menschen, die per Geburt weniger privilegiert seien als Schweizerinnen und Schweizer.
Die Bundesrätinnen und Bundesräte betonten derweil eher die Europapolitik. In ihrer Radioansprache und ihrer Festrede auf dem Rütli betonte Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga, dass die anstehenden Weichenstellungen mit Europa nur mit einer lösungsorientierten politischen Kultur bewältigt werden könnten. Auch Eveline Widmer-Schlumpf betonte bei ihrer Festrede in Titterten (BL), dass schrille Töne in der Politik nicht zu Lösungen führten. Leider werde die Kultur des Ausgleichs von einigen immer stärker aufs Spiel gesetzt. Die wirtschaftliche Bedeutung der Zusammenarbeit mit der EU wurde von Doris Leuthard in Ottenbach (ZH) und Zurzach (AG) betont. Als einzige Magistratin sprach sie auch die Flüchtlingspolitik an: Die Schweiz könne im Bewusstsein ihrer humanitären Tradition mehr tun als andere Länder. Die Wirtschaft war Thema von Johann Schneider-Ammanns Rede. Auch der Wirtschaftsminister, der ebenfalls im Kanton Basel-Landschaft, in Allschwil und in Windisch (AG), auftrat, betonte dabei die Bedeutung der Zusammenarbeit mit Europa. Einer Stärkung des inneren Zusammenhaltes redeten Didier Burkhalter (in Zürich und in Sumiswald, BE) und Alain Berset (in Lindau, ZH) das Wort - Berset war der einzige Regierungsvertreter, der zudem auch noch eine Ansprache in der Romandie hielt (in Sierre, VS): Die Masseneinwanderungsinitiative scheine die Schweiz gespalten zu haben; trotz wachsender kultureller Vielfalt müsse die Gesellschaft aber zusammengehalten werden. Einzig Ueli Maurer warnte in Grosswangen (LU) und Nottwil (LU) vor einem engeren Anschluss an die EU und lobte auch bezugnehmend auf die Geschichte der Eidgenossenschaft den bewährten Weg der Unabhängigkeit.

1.-August-Ansprachen

Im Sommer dieses Jahres fand die Flüchtlingsdebatte ihren Einzug auch offiziell in Institutionen, welche sich ausserhalb des tagespolitischen Geschehens bewegen – die Landeskirchen. Diverse Kantone schienen mit ihren bis dahin gängigen Unterbringungsmöglichkeiten wie Zivilschutzanlagen oder Pfadiheimen an ihre Kapazitätsgrenzen gestossen zu sein, weshalb sie sich entschieden, ein Gesuch an "höherer Stelle" einzureichen. Im Kanton Bern beispielsweise wurde nach einer Behördenanfrage eine Anzeige in den Pfarreiblättern geschaltet, in welcher man sich bei den Mitgliedern nach freiem Wohnraum für Flüchtlinge erkundete. Aber auch in den Kantonen Zug, Schwyz oder Luzern hoffte man auf die Hilfe kirchlicher Institutionen. Oft stiess man aber wider Erwarten auf verschlossene Pforten. Die Argumente für die ablehnende Haltung äusserten sich dabei oft in ähnlicher Weise: Es sei nicht genug Platz vorhanden, um zusätzlich Leute unterzubringen und zudem wäre die Nutzbarmachung des vorhandenen Platzes oft mit zusätzlichen Umbaumassnahmen verbunden. Des Weiteren befürchte man teilweise grosse Einschnitte im Alltag der bisherigen Bewohner – Störung der klerikalen Gepflogenheiten oder Einschränkung der Privatsphäre als Beispiele –, zumal man den Asylsuchenden keine besondere Unterhaltung bieten könne und diese folglich mit Nichtstun beschäftigt wären. Diese Haltung rief aber auch Kritiker auf den Plan: Viele Gotteshäuser schienen in der Frage der Nächstenliebe ihre Grenze beim traditionellen Engagement in der Form von Betreuungsprogrammen wie Deutschkursen oder Rechtsberatungen zu ziehen. Die Kritik richtete sich an dieser Stelle aber primär an die Kirchenoberen; die Kirchenbasis setze sich bereits für die Menschen in Not ein. So setzte beispielsweise Matthias Hui (Co-Redaktor der Zeitschrift "Neue Wege") gemeinsam mit anderen Mitgliedern aus seinem Netzwerk "Kirche? NordSüdUntenLinks" eine "Migrationscharta" auf, welche Kirchen konkret aufforderte, schärferen Protest gegen die heutige Migrationspolitik zu äussern und sich mehr in die Debatte einzubringen. Walter Müller, Sprecher der Bischofskonferenz, wollte diesbezüglich keinen Kommentar abgeben, liess es sich aber nicht nehmen zu betonen, dass die Tagespolitik kein Einmischungsfeld der Kirche darstelle.
Der Bischof des Bistums Basel, Felix Gmür, schien diesbezüglich aber eine gänzlich andere Meinung zu vertreten: Über Monate wurde er nicht müde, Kritik an der Asyldebatte in der Schweiz zu üben und die Engstirnigkeit mancher Politiker anzuprangern. Die Grenzen für Asylsuchende zu schliessen sei "völlig daneben" und bringe im Endeffekt niemandem etwas; die westlichen Länder müssten sich ihrer Verantwortung stellen. Auf diese Aussagen Gmürs folgte wiederum Kritik aus den Reihen der politischen Elite – überraschenderweise ausgerechnet von Seiten des CVP-Präsidenten Christophe Darbellay. Seiner Auslegung nach könne die Kirche nicht nur Offenheit predigen, sondern müsse ihren Worten auch Taten folgen lassen. Bischof Gmür liess sich diesbezüglich nicht zweimal bitten: Er setzte ein Zeichen, indem er Anfangs August 2015 ankündigte, dass das Bistum prüfen lassen wolle, ob die Wohneinheiten des Schlosses Steinbrugg in Solothurn für diesen Zweck geeignet seien. Im September konnte er sodann auch, nach einem Behördentreffen zwecks Klärung organisatorischer Fragen, einen positiven Bescheid verkünden; es sollen Wohneinheiten für bis zu zwölf Personen geschaffen werden, welche nach Umbauarbeiten – Rückbau von Büroräumlichkeiten – voraussichtlich ab Ende Oktober 2015 bezugsbereit sein könnten.

Aufnahme von Flüchtlingen

Etant donné que l’Initiative populaire contre la sexualisation à l’école maternelle et à l’école primaire a récolté le nombre de signatures requises pour amener les citoyens suisses aux urnes, afin qu'ils se prononcent sur la question. L’initiative vise, d’un côté, à supprimer les cours d’éducation sexuelle aux enfants de moins de 9 ans et, d’un autre côté, à rendre ces cours facultatifs pour les enfants de 9 à 12 ans. A partir de 12 ans, un cours serait dispensé dans le cadre de l’enseignement de la biologie. Uniquement les questions de reproduction et de développement humain y seraient abordées. Le Conseil fédéral propose de rejeter l’initiative. Il estime qu’elle porte atteinte aux droits des enfants de profiter d’une information fiable et d’une protection relative à leur intégrité. Selon le Conseil fédéral, les cours d’éducation sexuelle permettent de prévenir les jeunes contre la violence sexuelle, les maladies sexuellement transmissibles et les grossesses non désirées. De plus, il ajoute que ces informations doivent être transmises indépendamment de la situation familiale. L’école obligatoire, à travers sa mission publique, apparaît ainsi comme le meilleur acteur. Finalement, le Conseil fédéral ne souhaite pas interférer dans la souveraineté cantonale. Du côté des chambres, le débat a d’abord pris ses quartiers au Conseil national. A l’instar de la Commission de la science, de l’éducation et de la culture du Conseil national (CSEC-CN), la chambre du peuple a proposé de rejeter l’initiative par 146 voix contre 45. Des arguments similaires à ceux du Conseil fédéral ont été avancés. De plus, Elisabeth Schneider-Schneiter (pdc, BL) a souligné que les abus sexuels avaient lieu, dans la majorité des cas, sur des enfants de 7 à 12 ans. Rebecca Ruiz (ps, VD) a renchéri, précisant que de nombreux abus se déroulaient au sein même du cercle familial. Pour sa part, l’UDC, seul soutien de l’initiative, a connu des divisions internes. Néanmoins, la majorité a soutenu que l’éducation sexuelle devait rester du ressort des parents et a attaqué les méthodes pédagogiques actuellement en vigueur, en citant comme exemple la sex-box bâloise. Après le rejet du Conseil national, le débat s’est déplacé du côté de la chambre haute. Géraldine Savary (ps, VD), présidente de la Commission de la science, de l’éducation et de la culture du Conseil des Etats (CSEC-CE), a mis en avant l’importance des cours d’éducation sexuelle, soulignant notamment la baisse du nombre d’avortements, lors des dernières décennies, comme preuve de l’efficacité de ces cours. Finalement, le Conseil des Etats a clos le débat en rejetant l’initiative par 40 voix contre 1 et 4 abstentions. Après cet échec au parlement, 15 membres du comité de lancement de l’initiative ont signé le retrait de l’initiative. Ainsi, la question de la sexualisation ne sera pas soumise au verdict des urnes. Les auteurs de l’initiative, pour justifier le retrait, estiment avoir atteint leur but : sensibiliser l’opinion publique sur la question de l’éducation sexuelle. De plus, le comité a créé l’ «Association initiative de protection», qui a pour objectif d’observer l’évolution de l’éducation sexuelle en Suisse.

« contre la sexualisation à l’école maternelle et à l’école primaire

Nachdem ein direkter Gegenvorschlag im März in letzter Sekunde vom Ständerat gekippt worden war, trafen sich National- und Ständerat im Juni 2015 zur Einigungskonferenz über die Volksinitiative "Für Ehe und Familie - gegen die Heiratsstrafe". Eine Minderheit Darbellay (cvp, VS) versuchte dabei das Parlament dazu zu bewegen, auf eine Abstimmungsempfehlung zu verzichten, was den Befürwortern der Initiative in die Karten gespielt hätte. Der Antrag blieb aber im National- (72 zu 97 Stimmen bei 7 Enthaltungen) wie auch im Ständerat (16 zu 25 Stimmen) ohne Erfolg. Daran änderte sich diesmal auch in der Schlussabstimmung nichts. Die Räte fassten mit 107 zu 85 Simmten bei 1 Enthaltung bzw. 25 zu 20 Stimmen den Entscheid, Volk und den Ständen die Volksinitiative zur Ablehnung zu empfehlen. Für das Initiativbegehren hatten sich einzig die Fraktionen der CVP und der SVP sowie die Hälfte der BDP-Vertreter ausgesprochen. Bis zuletzt hatte auch noch der Bundesrat für eine Annahmeempfehlung geweibelt. Finanzministerin Widmer-Schlumpf prophezeite, dass bei einer Ablehnung der Initiative "die nächsten zwanzig Jahre wieder über Individualbesteuerung, Splitting und alternative Methoden" diskutiert würde.

Volksinitiative der CVP «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe»
Dossier: Abschaffung der Heiratsstrafe
Dossier: Volksinitiative «für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe»: Initiative, Annullierung und Rückzug
Dossier: Reform der Ehe- und Familienbesteuerung seit 2000 – Gemeinschaftsbesteuerung oder Individualbesteuerung?

Laut Geschäftsbericht 2014 des Bundesgerichtes wurden die Gerichte im Jahr 2014 mit etwas weniger neuen Fällen (total 7'702 Fälle) belastet als im Vorjahr (7'918). Weil gleichzeitig weniger Fälle (7'563) erledigt werden konnten als noch 2013 (7'876) stiegen die Pendenzen gegenüber dem Vorjahr um 139 Fälle auf 2'650 leicht an. Die durchschnittliche Dauer eines Prozesses lag unverändert bei 131 Tagen. Bei elf Fällen hatte die Erledigung mehr als zwei Jahre gedauert. Der Bericht erwähnte auch die Zahl der Beschwerden gegen die Schweiz beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Im Vergleich zu 2013 hatte diese Zahl von 514 auf 292 abgenommen. 2014 hatte der EGMR 386 Entscheide gefällt, davon 18 Urteile. In neun Fällen - diese Zahl blieb im Vergleich zum Vorjahr unverändert - hatte das internationale Gericht eine Verletzung der Menschenrechtskonvention festgestellt. Das Bundesgericht hatte 2014 zudem einige Vorschläge für eine Revision des Bundesgerichtsgesetzes angeregt, die im EJPD bearbeitet werden. Ziel ist nach wie vor eine Entlastung des obersten Gerichtes von Bagatellfällen.
Corina Eichenberger-Walther (fdp, AG) im Nationalrat bzw. Martin Schmid (fdp, GR) im Ständerat wies als KommissionssprecherIn darauf hin, dass sich die GPK-Subkommission dem Thema individuelle Erledigungsstatistik angenommen habe. Ab und zu werde der Wunsch nach einer Überprüfung der Effizienz der einzelnen Bundesrichterinnen und Bundesrichter laut. Zwar zeigten anonymisierte Zahlen eine grosse Diskrepanz in der Anzahl Mitwirkungen bei Entscheiden, dies liesse sich aber aufgrund der Schwere der Fälle erklären. Beide lobten die Arbeit der Gerichte und wiesen darauf hin, dass der Umstand, dass die Geschäftsführung der obersten Justizbehörden kaum medial beleuchtet werde, ein sehr gutes Zeichen sei. In beiden Kammern wurde der Bericht denn auch ohne Diskussion zur Kenntnis genommen.

Geschäftsbericht 2014 des Bundesgerichts
Dossier: Geschäftsberichte des Bundesgerichts

Ende April 2015 trafen sich die CVP-Delegierten in Brugg (AG). Die Delegiertenversammlung stand im Zeichen der anstehenden eidgenössischen Wahlen. Parteipräsident Christoph Darbellay motivierte die Anwesenden: Die Chancen für die Wahlen 2015 seien intakt, es werde aber kein Spaziergang werden. Darbellay appellierte zudem an die anderen Parteien, für die weltweite Flüchtlingsproblematik gemeinsam Lösungen zu suchen. Die Delegierten hiessen ein Positionspapier zur Reform der AHV gut und fassten die Parolen für drei der vier im Juni anstehenden Abstimmungen: Ja sagten die Delegierten zum RTVG und zur Präimplantationsdiagnostik, ein Nein empfahlen sie zur Stipendieninitiative. Gegen die Erbschaftssteuerreform hatte sich die CVP bereits 2013 ausgesprochen.

CVP - Delegiertenversammlung April 2015

Anfang März 2015 standen die Präsidenten der drei bürgerlichen Parteien CVP (Christophe Darbellay; cvp, VS), FDP (Phillip Müller; fdp, AG) und SVP (Toni Brunner; svp, SG) vor die Medien, um einen bürgerlichen Schulterschluss in der Wirtschaftspolitik anzukünden. Mit Hilfe eines Programms, das möglichst viele gemeinsame Punkte wie etwa ein Verbot neuer Steuern in den nächsten fünf Jahren oder die Bekämpfung administrativer Kosten für Unternehmen enthalte, wolle man einen einheitlichen bürgerlichen wirtschaftspolitischen Kurs einschlagen, um den von der Frankenstärke verursachten Problemen Herr zu werden.
Weniger konkrete Übereinstimmung fand sich im Ende März vorgelegten Programm dann freilich in der AHV-, der Energie- und der Europapolitik. Das St. Galler Tagblatt sprach denn auch von einer «bürgerliche[n] Schnittmenge mit Lücke». Die Linke reagierte skeptisch auf das gemeinsame Wirtschaftsprogramm. Christian Levrat (sp, FR), Parteipräsident der SP, sprach davon, dass FDP und CVP vor der SVP kapitulierten und zu Juniorpartnerinnen würden, sich damit aber für die anstehenden eidgenössischen Wahlen wohl «das eigene Grab schaufeln» würden. In Le Temps wurde die Vermutung geäussert, dass vor allem die CVP mit diesem Bündnis die rechte Flanke sichern wolle; dies sei nach dem BDP-Nein zu einer Fusion mit der CVP nötig, so die «Schweiz am Sonntag».
Das als gemeinsamer roter Faden gedachte bürgerliche Projekt bekam schon im Mai 2015 erste Risse. Die CVP versagte einem im Rahmen des Konsolidierungs- und Aufgabenüberprüfungspakets (KAP) von der SVP gestellten Antrag für eine Deckelung der Staatsausgaben ihre Unterstützung und hiess auch Mehrausgaben im Kulturbereich gut. Freilich hatten sich auch FDP und SVP im Rahmen des KAP für ein höheres Armeebudget und eine Entschärfung des Sparprogramms in der Agrarpolitik ausgesprochen. Der Blick sprach deshalb von einem «Wortbruch in Serie» und von einem gebrochenen «Sparschwur» und startete für die Sommersession 2015 einen «Schwur-Check», um aufzuzeigen, wo die bürgerlichen Parteien von ihren Sparversprechen abwichen. In der Folge meldeten sich im Boulevardblatt kritische Stimmen von CVP- und FDP-Nationalratsmitgliedern, wonach der Schulterschluss zu einem Verlust der Glaubwürdigkeit der eigenen Partei führen könnte.
Mitte Juni bezeichnete dann SVP-Parteipräsident Toni Brunner den Schulterschluss in einem Interview in der «Schweiz am Sonntag» als «Makulatur». Grund dafür war vor allem auch die Weigerung der FDP, mit der SVP flächendeckende Listenverbindungen für die eidgenössischen Wahlen einzugehen. Die SVP habe alles versucht, die beiden anderen Parteien «auf den Pfad der Tugend zurückzubringen», die CVP bewege sich aber nach links und der FDP sei egal, ob bei den Wahlen die SP oder die SVP zulege. In der Folge kam es zu gegenseitigen Schuldzuweisungen via Medien. Laut Christophe Darbellay verabschiede sich die SVP aus dem bürgerlichen Lager, weil sie keine Hand für Lösungen biete. Zurückhaltender zeigte sich Philipp Müller. Man dürfe nicht nur auf die Differenzen zeigen, sondern müsse auch darauf schauen, was die bürgerliche Zusammenarbeit bereits gebracht habe. Die FDP halte deshalb am Schulterschluss fest, weil es ihr um den Erhalt von Arbeitsplätzen gehe. Die in der Herbstsession von der bürgerlichen Mehrheit gegen den Willen der eigenen Bundesratsmitglieder gutgeheissenen Deregulierungsvorstösse wurden denn etwa von der Aargauer Zeitung als «Lebenszeichen» für die angekündigte bürgerliche Zusammenarbeit interpretiert.

Bürgerlicher Schulterschluss in der Wirtschaftspolitik

Nach den Anschlägen in Paris haben die Schweizer Muslime ihre Forderung nach der Anerkennung des Islams als Landeskirche erneut aufgegriffen. Ihr designiertes Ziel hierbei sei es, Muslime besser in die hiesige Gesellschaft integrieren zu können und zugleich aufkommenden Radikalisierungstendenzen Einhalt bieten zu können. Erste Gesuche hierfür seien bereits in Vorbereitung und würden zunächst im Pilotkanton Basel-Stadt und zu einem späteren Zeitpunkt dann auch in der Waadt eingereicht. Für den Vorstoss verantwortlich zeigen sich die beiden nationalen Muslim-Verbände KIOS und FIDS. Die Organisationen erarbeiten zur Zeit gemeinsam ein Musterstatut für islamische Gesellschaften, welches den kantonalen Verfassungen entspreche, um somit eine solide Grundlage für das staatliche Akzeptanzsiegel zu schaffen. Das Gesuch selbst soll sodann von offiziellen Muslimvertreterinnen und -vertretern, welche mittels Testwahlen von Basler Muslimen bestimmt werden, an offizieller Stelle eingereicht werden. Farhad Afshar, Präsident der KIOS, betonte, dass den Frauen für die Wahlen das gleiche aktive und passive Wahlrecht zugesprochen werde wie den Männern. Zudem soll zur Offenlegung der geforderten demokratischen Organisation und Transparenz eine unabhängige Rekurskommission geschaffen werden. Somit greift das Musterstatut relevante Eckpfeiler des juristischen Gutachtens auf, welches im Jahr zuvor an der Universität Luzern in Auftrag gegeben worden war. Dass nebst dem Kanton Basel-Stadt auch die Waadt in den Fokus der beiden Verbände gerückt war, kam nicht von ungefähr: Im November des vergangenen Jahres hatte der Waadtländer Staatsrat Anpassungen im Reglement für die Anerkennung weiterer, auch nicht christlicher Religionsgemeinschaften vorgenommen. Beide Muslimverbände erhoffen sich durch den Vorstoss zunächst die "kleine Anerkennung" – welche in Basel schon länger möglich ist – zu erlangen, um danach die volle staatliche Anerkennung zu erreichen. Der Kirchenstatus würde es der Gemeinschaft ermöglichen, eine adäquate islamisch-religiöse Infrastruktur aufzugleisen und hätte zugleich auch eine starke Signalwirkung an die anderen Kantone.
In der Schweizer Parteienlandschaft sind aber nicht alle von diesem Vorstoss angetan. Die SVP-Spitze beispielsweise stellte zwar klar, dass sie die Kultusfreiheit zu keinem Zeitpunkt in Frage stelle, die Anerkennung des Islams als integralen Bestandteil der Landeskirche jedoch explizit ablehne. Mit einer verfassungsrechtlichen Anerkennung seien diverse Privilegien verbunden, deren Fürsprache aber – zur Wahrung des religiösen Friedens – der Mitsprache der kantonalen Bürger bedürfe. Zudem seien die Muslime in keiner Organisation zusammengefasst, welche alle Glaubensangehörigen vertrete. Christoph Neuhaus (BE, svp), Berner Kirchendirektor und Regierungsrat, schlägt als eine mögliche Alternative zur staatlichen Anerkennung eine Anerkennung der muslimischen Gemeinschaften als gemeinnützige Vereine vor. Dadurch könne man die nötige Transparenz schaffen und hätte noch einen gewissen Einfluss auf die Vereinstätigkeit. Christian Levrat (sp, FR) betrachtet die Diskussion jedoch aus einer ganz anderen Perspektive: Die SVP schüre mit ihrer Haltung lediglich den Hass gegen die Muslime und würde sich somit zugleich auch gegen jegliche Integrationsmassnahmen wehren. Die Schweiz müsse aber viel entschiedener gegen die Islamophobie vorgehen und sich vermehrt für die Integration einsetzen, wobei genau diese Anerkennung als eine passende Massnahme zu verstehen sei. Dieser Meinung schloss sich auch Regula Rytz (gp, BE) an und betonte, dass durch eine solche Anerkennung zugleich auch die Rechte und Pflichten klar geregelt werden könnten. Christophe Darbellay (cvp, VS) hielt sich indes etwas mehr zurück: Zur Religionsfreiheit gebe es definitiv ein Ja, nicht aber zur Anerkennung, schliesslich sei die Schweiz ein christlich-abendländisch geprägtes Land und, wie Erfahrungen mit anderen Glaubensgemeinschaften zeigten, sei eine staatliche Anerkennung für eine gelungene Integration nicht vonnöten. Philipp Müller (fdp, AG) hingegen stellte klar, dass die staatliche Anerkennung den Kantonen obliege, wobei für ihn persönlich die kulturelle Verwurzelung einer Glaubensgemeinschaft innerhalb eines Kantons im Fokus stehe. Zudem verwies er auf die viel diskutierte Trennung von Staat und Kirche, welche zwischenzeitlich sogar Anklang in der Kirche selbst finde.
So befindet selbst der Churer Generalvikar Martin Grichting, dass das heutige System nicht mehr mit der Religionsvielfalt in der Schweiz vereinbar sei. Anstelle der Volkskirche könne er sich eine kleinere Glaubensgemeinschaft mit einer treuen Gefolgschaft vorstellen. Gerade in der heutigen Zeit, in der so viele Personen aus der Kirche austreten würden und sehr wahrscheinlich irgendwann mehr als die Hälfte der Steuerzahlenden konfessionslos sein werde, stelle sich unweigerlich die Frage nach der Legitimationsgrundlage für die staatlich unterstützte Erhebung der Kirchensteuer – in diesem Sinne hätten die Landeskirchen also ausgedient.

Anerkennung ausserchristlicher Religionsgemeinschaften

Die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative (MEI) führte zum Streit zwischen den beiden grössten Wirtschaftsverbänden Economiesuisse und dem Gewerbeverband (SGV). Gleich zu Beginn des Jahres knallte es zwischen den beiden, nachdem sich der Arbeitgeberverband und die Wirtschaftsverbände Economiesuisse, Swissmem und Scienceindustries in einem „Vorschlag der Wirtschaft“ zur Umsetzung der MEI anstatt für Kontingente für eine Schutzklausel stark machten. In ihren Augen soll die Zuwanderung grundsätzlich offengelassen und erst nach dem Erreichen einer gewissen Schwelle, die vom Bundesrat definiert werden soll, beschränkt werden. Noch gleichentags verschickte der SGV eine Medienmitteilung mit dem Titel „Keine Wirtschaft ohne Schweizer KMU und Gewerbe“. Der SGV zeigte sich darin verärgert, dass die vier Verbände ihren Vorschlag als generelle Position der Wirtschaft bezeichneten und deutete dies als eine „Irreführung der öffentlichen Meinung“. Denn der SGV, dessen KMU zwei Drittel aller Arbeitsplätze stellten und der damit die „Nummer 1“ unter den Wirtschaftsverbänden sei, unterstütze die Schutzklausel nicht, hiess es im Communiqué. Obwohl der SGV mit Economiesuisse einigging, dass die Kündigung der Bilateralen „schwerwiegende negative Folgen“ für die KMU hätte, glaubte der Verband nicht daran, dass die vier Verbände die Wirtschaft freiwillig beschränken würden. Der SGV befürchtete, dass mit einer Schutzklausel die Einwanderungsschwelle zu hoch angesetzt würde, was dem Volkswillen nicht gerecht werde und auch nicht im Interesse der KMU sei. Man wolle deshalb die Botschaft des Bundesrats abwarten und bis dahin dessen Verhandlungsposition nicht durch eine „wenig durchdachte Serie theoretischer Vorschläge“ unnötig schwächen. An einem Treffen der Wirtschaftsdachverbände Mitte Februar in Lausanne – die Stimmung wurde von einem Teilnehmer als unheimlich bezeichnet – konnten sich die beiden Verbände neben der Migrationsthematik auch bei der Rentenreform und beim neuen RTVG, gegen das der SGV das Referendum ergriffen hatte, nicht einigen. Obwohl die Medien den Schlagabtausch dankbar annahmen, wurde auch etwas wehmütig den Zeiten gedacht, als die vormaligen FDP-Nationalräte Gerold Bührer (Economiesuisse) und Edi Engelberger (SGV) die beiden Wirtschaftsverbände führten und ihre Differenzen jeweils beim Jassen klärten.

Ebenfalls zu Beginn des Jahres veröffentlichte der SGV im Hinblick auf die Parlamentswahlen im Herbst ein Rating, das die derzeitigen National- und Ständeräte betreffend ihrer KMU-Freundlichkeit bewertete. Zum Ärger der Mitte-Rechts-Parteien trat die SVP dabei mit Abstand als KMU-freundlichste Partei hervor: Gemäss dem Rating gehören 40 der 50 KMU-freundlichsten Nationalräte der SVP an; im Ständerat belegen vier der fünf SVP-Ständeräte die ersten vier Plätze. Weil bekannte KMU-nahe Politiker aus CVP und FDP zum Teil weit abgeschlagen waren, kritisierten CVP-Präsident Christophe Darbellay und FDP-Präsident Philipp Müller das Rating heftig. Es würden zu viele Geschäfte bewertet und deren Gewichtung sei unverhältnismässig, so ihr Fazit. So würde die Haltung eines Parlamentariers zur MEI als ebenso wichtig beurteilt wie die Haltung zur Einheitskrankenkasse oder zur Autobahnvignette, obwohl die MEI für die Wirtschaft „hundertmal wichtiger“ sei, sagte etwa Darbellay. Für Müller und Darbellay fiel im Rating, das 169 KMU-relevante Parlamentsgeschäfte bewertete, die unterstützende Haltung der SVP-Politiker zur MEI und damit die potenzielle Gefährdung der Bilateralen Verträge mit der EU zu wenig ins Gewicht.

In den Medien wurde daraufhin einerseits die Emanzipation des SGV von der Economiesuisse in den Fokus genommen, andererseits die Nähe des SGV zur SVP untersucht. Die Emanzipation des SGV setzte 2013 ein, als Economiesuisse als Kampagnenführerin gegen die Abzocker-Initiative an der Urne eine herbe Niederlage einstecken musste. Aufgrund der dadurch verursachten Krise bei Economiesuisse, übernahm in der Folge der SGV die Kampagnenführung gegen die 1:12- und gegen die Mindestlohn-Initiative – beides Male erfolgreich. Dadurch gewann der SGV an Selbstbewusstsein, was auch SGV-Präsident Jean-François Rime gegenüber der Zeitung Le Temps bezeugte: Die Zeiten, als der SGV als Kofferträger der Economiesuisse fungierte, seien vorbei. Der Machtkampf wurde von den Medien allerdings relativiert, weil die gegenseitige Abhängigkeit der Verbände offensichtlich war. Denn obwohl Economiesuisse die Kampagnenführung bei den jüngsten Abstimmungen dem SGV überliess, finanzierte sie zu grossen Teilen die Kampagnen und trug dadurch wesentlich zu deren Erfolgen bei. Das mediale Fazit lautete: Für den SGV sind die Giftpfeile gegen Economiesuisse identitätsstiftend, im Grunde wissen aber beide, dass es ohne den Anderen nicht geht.

Die SVP-Nähe des Gewerbeverbands fand nicht erst mit dem umstrittenen KMU-Rating im Januar den Weg in die öffentliche Debatte: Mitte-rechts-Parteien monierten schon länger, der SGV stehe unter zunehmendem Einfluss der SVP. Erste Hinweise gab es 2010: Jahrelang war der SGV von einem FDP-Vertreter präsidiert worden, bis 2010 mit Bruno Zuppiger ein SVP-Nationalrat das Präsidium übernahm. Nach der politischen Affäre Zuppiger und dessen Rücktritt sowohl als Nationalrat als auch als SGV-Präsident konnte mit Jean-François Rime das Spitzenamt in SVP-Hand behalten werden. Es war aber insbesondere die MEI, die Nährboden für Zweifel an der Unabhängigkeit des SGV von der SVP bot. Zwar sprach sich der SGV an der Seite der restlichen Wirtschaftsverbände im Vorfeld der Abstimmung klar gegen die Initiative aus, allerdings büsste der Verband an Glaubwürdigkeit ein, weil Rime Mitglied des Initiativkomitees der MEI war. Auch dass der SGV bei der Umsetzung der MEI den Alleingang antrat und nicht eine gemeinsame Position mit den anderen Wirtschaftsverbänden vertrat, wurde auf die SVP-Nähe des Verbands zurückgeführt. Direktor Hans-Ulrich Bigler, der selber im Herbst des gleichen Jahres für die FDP in den Nationalrat gewählt wurde, widersprach dieser Auslegung. Der Vorstand und die Gewerbekammer – das Parlament des SGV – seien beide parteipolitisch breit abgestützt und ausgewogen mit Vertretern aller wichtigen bürgerlichen Parteien besetzt, sagte er gegenüber der Sonntagszeitung.

Streit zwischen Economiesuisse und dem Gewerbeverband über die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative
Dossier: Masseneinwanderungsinitiative

Wie schon ein Jahr zuvor entpuppt sich die CVP bei ihren Parolenfassungen als recht präzise Spürnase für die Bürgermeinung. Erneut stimmte die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger bei acht der elf Vorlagen, bei denen die CVP eine Parole beschloss, wie von ihr empfohlen. Bereits 2013 hatte die CVP-Basis die Fabi-Vorlage zur Annahme empfohlen (mit 169 zu 6 Stimmen) und der Masseneinwanderungsinitiative eine Abfuhr erteilt (mit 147 zu 23 Stimmen). Im Januar sprachen sich die Delegierten in Bern relativ deutlich gegen die drei Initiativen „Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache“ (180 zu 28 Stimmen bei 6 Enthaltungen), die „Mindestlohninitiative“ (186 zu 17 Stimmen) und die „Abschaffung der Pauschalbesteuerung“ (151 zu 43 Stimmen bei 15 Enthaltungen) aus. Der Wirtschaftsstandort Schweiz mit einem flexiblen Arbeitsmarkt müsse mit einer Ablehnung der beiden linken Initiativen verteidigt werden. Allerdings beschlossen die CVP-Sektionen Genf und Waadt ein Ja für die Mindestlohninitiative. Im April entschied sich der Parteivorstand für die Ja-Parole bei der medizinischen Grundversorgung. Ein Indiz für die nicht immer gelingende parteiinterne Suche nach gemeinsamen Positionen zeigte sich an der Delegiertenversammlung in Zug, wo die Basis sich mit 119 zu 106 Stimmen für die Nein-Parole zur Pädophileninitiative aussprach, für die sich Parteipräsident Darbellay im Initiativkomitee engagierte. Es waren insbesondere die CVP-Frauen, die sich gegen die „rechtsstaatlich bedenkliche“ Vorlage wehrten. Nicht nur die knappe Abstimmung bei der Pädophilenabstimmung, sondern auch die zehn kantonalen Abweichungen – die Kantonalsektionen Aargau, Basel-Landschaft, Freiburg, Genf, Graubünden, Jura, St. Gallen, Tessin, Waadt und Unterwallis entschieden sich für ein Ja – zeugten von der parteiinternen Umstrittenheit des Begehrens. Für den Kauf des Kampfjets Gripen sprachen sich ebenfalls in Zug 171 gegen 60 Delegierte aus – diesmal trotz Einwänden der Frauensektion. Lediglich die Kantonalsektion von Basel-Landschaft wich vom Gripen-Ja ab und empfahl, den Kampfjet nicht zu beschaffen. Ebenfalls in Zug sprach sich die CVP gegen die Einheitskrankenkasse aus und zwar mit 179 zu 46 Stimmen. Auch hier wichen die Sektionen Genf und Waadt ab und plädierten für ein Ja. Zur Gastro-Initiative beschloss der Parteivorstand Ende August die Stimmfreigabe, allerdings stimmten neun Kantonalsektionen für eine Ja- und elf für eine Nein-Empfehlung. Am 22. November empfahlen die Delegierten in Bern mit einer Gegenstimme und sieben Enthaltungen ein Nein für die Initiative der GLP „Energie- statt Mehrwertsteuer“. Die eigene Familieninitiative „für steuerfreie Kinder- und Ausbildungszulagen“ hiess die CVP-Basis einstimmig gut. Beide Vorlagen kommen erst 2015 an die Urne. Kurz nach der Delegiertenversammlung, am 24 Oktober, beschloss der Vorstand die Nein-Parole zur Ecopop- sowie zur Gold-Initiative.

Abstimmungsparolen der CVP im Jahr 2014

Wie bereits im Vorjahr nutzten die CVP-Frauen 2014 die innerparteiliche Demokratie, um in einzelnen Fragen gegen die Parteispitze zu opponieren. So setzte sich die Frauensektion etwa gegen den Kauf des Kampfflugzeuges Gripen ein und schaffte es sogar, die Mehrheit der Delegierten gegen die Pädophileninitiative hinter sich zu scharen – obwohl sich die Parteispitze hinter Christophe Darbellay (cvp, VS), der zudem im Initiativkomitee sass, für das Volksbegehren stark machen wollte. Die Präsidentin der CVP-Frauen, Babette Sigg Frank sprach gar von einem kleinen Aufstand. Die Parteispitze dürfe sich nicht so früh positionieren, sondern solle in Zukunft die Diskussionen innerhalb der Partei abwarten. Darbellay versprach, den Entscheid zu respektieren und sich nicht für die Initiative einzusetzen; allerdings auch nicht dagegen. Nachdem sich Sigg Frank später zudem skeptisch gegenüber der eigenen Familieninitiative geäussert hatte, wollte Darbellay das Verhältnis zwischen Mutterpartei und Vereinigungen klären – geladen zu einer Aussprache waren nicht nur die Frauensektion, sondern auch die Junge CVP und die CVP 60+. Eine Profilierung auf Kosten der nationalen Partei dürfe nicht sein. In Kernfragen müsse man am gleichen Strick ziehen, sonst gehe man das Risiko ein, Wählerinnen und Wähler zu verlieren. Darbellay strebte eine Leistungsvereinbarung an. Anders, als von den Frauen befürchtet, ging es bei der Aussprache allerdings schliesslich nicht darum, die Sektionen auf eine Linie zu trimmen. Im Gegenteil wurde der Frauensektion unter dem Stichwort „Einheit in der Vielfalt“ explizit zugesichert, dass sie auch weiterhin andere Meinungen vertreten dürfe.

CVP-Frauen

Im Berichtsjahr gaben einige Schwergewichte der CVP bekannt, nicht mehr für die nationalen Wahlen 2015 zu kandidieren. Neben Urs Schwaller (FR) und Christophe Darbellay (VS) kündigten auch Lucrezia Meier-Schatz (SG), Ruedi Lustenberger (LU), Peter Bieri (ZG) und Paul Niederberger (NW) ihren Rücktritt an. Auch René Imoberdorf (VS), der der CSP Oberwallis und damit der CVP-Familie angehört, wollte 2015 nicht mehr antreten.

CVP Rücktritt

Auch 2014 kam es im Parlament zu einigen Mutationen. Insgesamt wurden im Berichtsjahr elf neue Parlamentsmitglieder vereidigt. Tragisch war dies im Falle beider Ständeräte aus dem Kanton Glarus. Für den 2013 überraschend verstorbenen Pankraz Freitag (fdp, GL) und den 2014 zurückgetretenen und kurz darauf aufgrund seines Krebsleidens aus dem Leben geschiedenen This Jenny (svp, GL) wurden in Ersatzwahlen Thomas Hefti (fdp, GL) und Werner Hösli (svp, GL) als Nachfolger bestimmt (vgl. Kapitel 1e, Wahlen). Gleich vier Nationalräte rutschten aus dem Kanton Zürich nach: Christoph Blocher (svp, ZH) und Hans Kaufmann (svp, ZH) wollten eigentlich jüngeren SVP-Mitgliedern Platz machen, aber Ernst Schibli (svp, ZH; Jahrgang 1952), der 2011 nach 10 Jahren nicht mehr in den Nationalrat gewählt worden, aber erster Ersatz auf der SVP-Liste war, entschied sich für eine Rückkehr nach Bern. Für Blocher rutschte dann freilich der 15 Jahre jüngere Thomas Matter (svp, ZH) nach. Markus Hutter (fdp, ZH) trat zurück, weil er sich seinem Unternehmen widmen wollte. Für ihn kam Beat Walti (fdp, ZH) zum Handkuss. Der zweite neue Zürcher FDP-Vertreter war Hans-Peter Portmann (fdp, ZH). Er wurde Nachfolger von Filippo Leutenegger (fdp, ZH), der in die Zürcher Stadtexekutive gewählt wurde. Auch der ehemalige Präsident der FDP, Fulvio Pelli (fdp, TI) hatte seinen Rücktritt eingereicht und machte Platz für Giovanni Merlini (fdp, TI). Der fünfte Abgeordnetenaustausch für die FDP wurde zwischen Pierre-André Monnard (fdp, NE) und Laurent Favre (fdp, NE) getätigt. Favre war bei Ersatzwahlen in die Neuenburger Regierung gewählt worden. Neben Blocher, Jenny und Kaufmann trat für die SVP mit Caspar Baader (svp, BL) ein weiteres Schwergewicht zurück. Er wurde durch Christian Miesch (svp, BL) ersetzt. Die SP – Rebecca Ruiz (sp, VD) rutschte für Josiane Aubert (sp, VD) nach – und die BDP – mit Heinz Siegenthaler (bdp, BE) für Ursula Haller (bdp, BE) – hatten je eine Mutation vorzunehmen. Die 49. Legislatur war damit bis Ende 2014 bereits von 24 Wechseln geprägt. Fast jeder zehnte Sitz im nationalen Parlament wurde damit ausserhalb der regulären Wahlen getauscht.

Mutationen 2014
Dossier: Mutationen im nationalen Parlament

National- und Ständerat überwiesen 2014 eine Motion Schmid (fdp, GR), die den Bundesrat beauftragt, das Zollgesetz dahingehend zu ändern, dass Transportunternehmen von der Solidarhaftung für Zollschulden befreit werden. Die Motion sieht vor, dass eine Befreiung von der solidarischen Haftung dann möglich ist, wenn der Frachtführer nicht in der Lage ist zu erkennen, ob die mitgeführte Ware richtig angemeldet worden ist. Der Bundesrat beantragte die Ablehnung der Motion. Insbesonders befürchtete er, dass es durch die neue Regelung vemehrt zu Ausfällen bei den Einfuhrabgaben kommen könnte. Dieses Argument fand aber weder bei der Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK-NR), die bei 5 Enthaltungen einstimmig für eine Annahme der Motion votierte, noch in den beiden Räten Gehör.

Solidarhaftung für Zollschulden (Mo. 14.3044)

Die geplante schrittweise Annäherung zwischen CVP und BDP war auch 2014 im medialen Fokus, kam aber nicht voran. Nachdem man sich bereits 2013 gegen eine Fusion ausgesprochen hatte, wurden im Februar 2014 auch Pläne für eine gemeinsame Fraktion begraben. Während sich Neo-Fraktionspräsident Filippo Lombardi (cvp, TI) in einem Interview für eine gemeinsame Fraktion aussprach, relativierte BDP-Parteipräsident Martin Landolt (bdp, GL) diese Idee. In der Presse wurde gemutmasst, dass eine interne Arbeitsgruppe aus BDP- und CVP- Vertretern (Christophe Darbellay, Gerhard Pfister und Pirmin Bischof bei der CVP sowie Martin Landolt, Lorenz Hess und Rosmarie Quadranti bei der BDP) Pläne für eine Union nach dem Vorbild der CDU-CSU in Deutschland schmiede. Ziel sei vor allem die Verteidigung der jeweiligen Bundesratssitze. Gemeinsam kämen die beiden Parteien auf 17,7% Wählerstärke, was mindestens eine mathematische Legitimierung von zwei Sitzen in der Regierung bedeuten würde. Die medialen Spekulationen wurden von den Parteienvertretern wenn überhaupt nur sehr zurückhaltend interpretiert. Geplant sei eine Kooperation, nicht mehr aber auch nicht weniger. Angestrebt würden vor allem flächendeckende Listenverbindungen für die eidgenössischen Wahlen 2015. Die Basis der BDP, die bereits einer mittlerweile nicht mehr spruchreifen Fusion sehr skeptisch gegenüber stand, befürchtete auch in einer Union einen Identitätsverlust der noch jungen Partei. Ende August informierte die Arbeitsgruppe die Öffentlichkeit, dass die Fraktionen von CVP und BDP künftig unter dem Namen BDP-CVP-Union die Bundespolitik gemeinsam gestalten wollten. Beschlossen sei aber noch nichts, weil zuerst die Kantonalsektionen vertieft informiert werden müssten. Anfang Oktober wehte dem Plan dann aus eben diesen Kantonen ein steifer Wind entgegen. Insbesondere die BDP Graubünden, Heimatkanton der BDP-Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf, lehnte jede strukturelle Verschmelzung kategorisch ab. Die Wählerschaft würde ein Zusammengehen mit der katholischen CVP nicht goutieren. In anderen Kantonen war man ebenfalls vonseiten der BDP nicht grundsätzlich gegen eine Zusammenarbeit, wollte aber nicht auf Eigenständigkeit verzichten. Definitiv war die Absage dann Ende Oktober. Die Gründe für das Nein – die in den letzten Jahren vorgenommene, beschwerliche Aufbauarbeit einer neuen Partei, die mit einer Union obsolet würde, sowie die in einzelnen Kantonen schwierige Zusammenarbeit – waren zwar nachvollziehbar. In der Presse, und hinter vorgehaltener Hand auch in der CVP, wurde aber von einem Fehlentscheid der BDP gesprochen. Die Unterstützung für Bundesrätin Widmer-Schlumpf werde durch den BDP-Entscheid nicht grösser, liess sich Gerhard Pfister (cvp, ZG) zitieren. Die CVP werde ihre Zusammenarbeit vermehrt wieder auf andere Parteien ausrichten. Es sei eine historische Chance verpasst worden. Die BDP war demgegenüber bemüht, den Ball flach zu halten. Die Kantonalsektionen hätten sich nicht nur zu einer Absage der Union, sondern auch zu einer Stärkung der lösungsorientierten Mitte bekannt. Daran wolle man weiterhin zusammen mit der CVP arbeiten.

Zusammenarbeit zwischen CVP und BDP

Die Annahme der Masseneinwanderungsinitiative und die Forderungen der SVP in der Asylpolitik sowie hinsichtlich des Völkerrechts (fremde Richter) wurden in den Medien als neue, in ihrer Schärfe aussergewöhnliche und zunehmende Radikalität der SVP beschrieben. Die radikalen Forderungen weckten vor allem auch Kritik der anderen Parteien, die an der Regierungsfähigkeit der Volkspartei zweifelten. Die Radikalität schade letztlich dem Anspruch der SVP auf einen zweiten Bundesratssitz, so die Kritik nicht nur der Linken, sondern auch der CVP und der BDP. Auch einzelne FDP-Vertreter distanzierten sich immer vehementer von der SVP und sprachen sich laut gegen mögliche Listenverbindungen für die Wahlen 2015 aus. Die zunehmende Radikalisierung wurde mit der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative erklärt: Die SVP habe nicht mit einem Ja gerechnet, nun aber bemerkt, dass man mit radikalen Ideen mehr Wählerstimmen gewinnen könne als angenommen. Um bei den Wahlen 2015 noch einmal zulegen zu können, stellte die Volkspartei deshalb immer weiterreichende Forderungen auf. CVP-Präsident Christophe Darbellay verglich die Volkspartei mit kleinen Kindern, die immer mehr wollten, sobald sie etwas bekämen. Die Wählerschaft müsse 2015 Stopp sagen und dieser destruktiven Politik Einhalt gebieten. BDP-Parteichef Martin Landolt warf der SVP grässlichen Populismus und eine braune Tendenz vor. Auch SP-Präsident Christian Levrat unterstellte der SVP faschistoide Tendenzen. Die Nazi-Vorwürfe wurden allerdings von verschiedener Seite als kontraproduktiv und falsch verurteilt.
Mitte August schaltete sich alt-Bundesrat Adolf Ogi mit einem Interview in der Sonntagspresse in die Diskussion ein. Er sprach von einem Weckruf, den es brauche, um die „Allmachtsfantasien“ von Christoph Blocher zu stoppen. Ogi sprach auch davon, dass sich viele in der Partei an der neuen, „zerstörerischen“ und kompromisslosen Politik stiessen, sich aber nicht getrauten, dies öffentlich zu machen. Ogi bleibe in der SVP, auch um an seine Parteikollegen zu appellieren, diesem Irrweg ein Ende zu bereiten. Die Aussagen Ogis weckten einige Reaktionen. Parteipräsident Toni Brunner wies auf die bestehenden Differenzen zwischen Ogi und seiner Partei in der Aussenpolitik hin. Gegen "fremde Richter" und die Forderung, Volksinitiativen richtig umzusetzen, hätte Ogi aber bestimmt nichts einzuwenden. Die von Ogi als mögliche parteiinterne Kritiker bezeichneten Personen – etwa Albert Rösti (BE), Hannes Germann (SH) oder Roland Eberle (TG) – gaben an, hinter den Initiativprojekten der SVP zu stehen. Zudem sollten solche Fragen parteiintern und nicht via Medien gelöst werden. Ogi selber gab zu Protokoll, dass er auf seinen Aufruf nur positive Reaktionen aus dem In- und Ausland erhalten habe. Sein Weckruf würde Wirkung zeigen, so der alt-Bundesrat, wenn nicht heute, dann morgen.

Radikalität der SVP

Auch 2014 war die direkte Demokratie Auslöserin für Gedanken und Polemik zur nationalen Kohäsion. Allen voran das Ja zur Masseneinwanderungsinitiative sorgte für zahlreiche Reaktionen. So wurde etwa der sich bei der Abstimmung zeigende Sprachgraben kurz nach dem Urnengang vom ehemaligen SVP-Bundesrat Christoph Blocher mit einem „schwächeren Bewusstsein der Welschen für die Schweiz“ erklärt. Diese in einem Interview mit der BaZ gemachte Aussage sorgte auf beiden Seiten der Saane für teilweise harsche Reaktionen. Künstlerisch wurde die Aussage vom Maison du dessin de presse in Morge verarbeitet, wo eine Ausstellung mit dem Titel „Les Romands sont-ils Suisses?“ mit verschiedenen Karikaturen zum Thema stattfand. Blocher hatte bereits Anfang Januar – wie bereits vor der EWR-Abstimmung 1992 – Niklaus von Flüe bemüht, der gemahnt haben soll, den Zaun nicht zu weit zu machen. Die sich auf der Verliererseite breit machende Konsternation verschaffte sich in einigen Unmutsbekundungen Luft. So demonstrierten Anfang März auf Aufruf eines Bündnisses von verschiedenen Parteien, Gewerkschaften und Ausländerorganisationen rund 12'000 Personen auf dem Bundesplatz für eine offene und solidarische Schweiz. Mehrere Organisationen – ähnlich wie noch 1992 nach dem EWR-Nein – wurden ins Leben gerufen, so etwa die Aktion Libero, die sich unter anderem für den Erhalt der bilateralen Verträge einsetzen will. Mitte Oktober riefen über 100 Persönlichkeiten, darunter etwa auch die alt-Bundesräte Pascal Couchepin (fdp, VS) und Micheline Calmy-Rey (sp, GE) zu einem Überdenken der negativen Einstellung zur europäischen Integration der Schweiz auf. Die Weltoffenheit der Schweiz und die guten wirtschaftlichen Beziehungen zur EU waren zudem häufiger Gegenstand der behördlichen 1.-August-Reden. Ausnahme bildete Bundesrat Maurer, der Carl Spittelers „Standpunkt“ als Appell für die Eigenständigkeit und Neutralität der Schweiz zitierte. Beklagt wurde im Berichtjahr auch hie und da ein Wandel von der Konkordanz zur „Diskordanz“: Die noch 2011 mit der Stärkung der „neuen“ Mitte einhergehende Hoffnung auf ein Ende der Polarisierung habe sich zerschlagen, die Regierungsparteien seien nicht mehr an Kompromissen interessiert und die Stimmbevölkerung – aufgehetzt von Brandstiftern – habe auf Fundamentalopposition geschaltet. Die Schweizer Politik müsse wieder zu mehr Verständigung zurückkehren. Bei einer im August veröffentlichten GfS-Umfrage bei rund 1000 Befragten unterstützten 75% die Forderung nach mehr Kompromissbereitschaft, um das politische System zu stärken und zu deblockieren. Für Diskussionen sorgten die Vorwürfe der Parteipräsidenten der SP und der BDP: Martin Landolt (bdp, GL) wie auch Christian Levrat (sp, FR) warfen der SVP „faschistoide Tendenzen“ vor. Levrat begründete dies damit, dass die Volkspartei die Institutionen verleumde, Völker- und Menschenrechte angreife und das Asylrecht abschaffen wolle. Auch der Parteipräsident der BDP, Martin Landolt, attackierte die SVP und warf ihr eine die menschliche Würde missachtende und heuchlerische Politik vor. Er frage sich, bis zu welchem Punkt eine Politik „noch brauner werden“ müsse, „bis alle merken, dass sie stinkt“. Die als „provozierender Elektroschock“ (Levrat) gedachten Vorwürfe stiessen auch bei Rechtsextremismus-Experten auf Kritik. Während CVP-Präsident Darbellay eine gewisse Radikalisierung der SVP nicht abstreiten, dafür aber keine Vergleiche mit dem Faschismus anstellen wollte, kritisierte der Parteipräsident der FDP, Philipp Müller (AG), die Debatte als „daneben“. Nicht zu den Vorwürfen äussern wollte sich SVP-Parteipräsident Toni Brunner (SG). In den Medien wurden die Vorwürfe unterschiedlich kommentiert. Während die NZZ etwa darauf hinwies, dass die politischen Debatten in der Regel sachlich blieben, wurden die Parteichefs im Blick als Politclowns betitelt. Die Ablehnung der teilweise als Schicksalsabstimmungen bezeichneten drei Initiativen, die im November zur Abstimmung gelangten – Ecopop-Initiative, Abschaffung der Pauschalbesteuerung und Goldinitiative – schien zumindest vorübergehend die Diskussionen um den nationalen Zusammenhalt etwas zu beruhigen.

Verlust des politischen und gesellschaftlichen nationalen Zusammenhalts

Die 2011 von SVP-Exponenten lancierte Volksinitiative „Rettet unser Schweizer Gold (Gold-Initiative)“ kam am 30. November 14 zur Abstimmung. Die Initiative verlangte, dass die Aktiva der Schweizerischen Nationalbank (SNB) zu mindestens 20% aus Gold bestehen müssen. Zudem solle das Gold in der Schweiz zu lagern sein und nicht veräussert werden dürfen. Der Ständerat behandelte das Volksbegehren am 6. März 2014 als Erstrat. Alle Redner sprachen sich gegen das Begehren aus. Die Initiative schränke die Handlungsfähigkeit der Nationalbank ein, weil deren Bilanz aufgrund des Verkaufsverbots langfristig zu grossen Teilen aus Gold bestehen würde. Dadurch sei eine restriktive Geldpolitik erschwert, was die Glaubwürdigkeit expansiver Massnahmen (genannt wurde beispielsweise die Aufrechterhaltung des Mindestkurses gegenüber dem Euro) beeinträchtigen würde. Zudem sei bei höherem Goldanteil mit tieferen Gewinnausschüttungen zu rechnen, weil Goldanlagen keine Zinserträge generieren. Gold sei nicht der Stabilitätsanker, wie von den Initianten behauptet. Der Goldpreis neige vielmehr zu starken Schwankungen, wie der jüngste Wertzerfall um rund 30% gezeigt habe, argumentierte Martin Schmid (fdp, GR). Ohne Gegenantrag lehnte der Ständerat in der Detailberatung die Volksinitiative „Rettet unser Schweizer Gold (Gold-Initiative)“ ab. Erst in der Schlussabstimmung rangen sich zwei Kantonsvertreter zu einer Ja-Stimme durch. Die Initiative wurde jedoch erneut deutlich (43 zu 2 Stimmen, keine Enthaltungen) zur Ablehnung empfohlen. Im Nationalrat äusserten sich die Initianten Lukas Reimann (svp, SG) und Luzi Stamm (svp, AG) zugunsten des gemeinsam mit Alt-Nationalrat Ulrich Schlüer (svp, ZH) lancierten Begehrens. Der derzeitige Anteil von Gold in der Bilanz der SNB betrage nur rund 10%. Die Schweiz habe damit eine extrem tiefe Quote (die SNB widersprach im Abstimmungskampf: die Schweiz hätte im Pro-Kopf-Vergleich weltweit die höchsten Goldreserven). Ein höherer Goldanteil hätte den Vorteil, mit dem „Betrug von Fiat-Money“ zu brechen, so Lukas Reimann (svp, SG). Es sei vielmehr die Golddeckung, die den Schweizer Franken stabil, sicher und unabhängig mache, und nicht die Geldpolitik der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Dieser Argumentation folgten in der Grossen Kammer nur 20 Parlamentarier und Parlamentarierinnen. Selbst in der eigenen Fraktion konnten die Initianten damit nicht einmal die Hälfte der Stimmen gewinnen. Die Initiative wurde in der nationalrätlichen Schlussabstimmung mit 156 zu 22 Stimmen bei 20 Enthaltungen zur Ablehnung empfohlen.

Volksinitiative „Rettet unser Schweizer Gold (Gold-Initiative)“ (BRG 13.093)
Dossier: Verwendung der nicht mehr benötigten Goldreserven der SNB

Ein Postulat Leutenegger Oberholzer (sp, BL) wurde im Sommer 2014 abgeschrieben. Der Bundesrat betrachtete die Forderung, einen Bericht zu den volkswirtschaftlichen Auswirkungen eines Agrarfreihandelsabkommens mit der EU auf Konsumentinnen und Konsumenten sowie auf den Wirtschaftsstandort zu erstellen, als erfüllt an. Zwar war kein solcher verfasst worden; angesichts der gegenwärtigen Blockade in den Verhandlungen mit der EU und einem 2012 angenommenen Postulat Darbellay (cvp, VS), welches einen Abbruch von Agrarfreihandels-Verhandlungen bis zum Ende der WTO-Doharunde verlangte, sei es aber nicht sinnvoll, bereits jetzt über allfällige Auswirkungen zu spekulieren. Sobald der Abschluss eines Abkommens in tatsächliche Reichweite komme, werde sich der Bundesrat dieser Aufgabe widmen. Im Nationalrat war die Abschreibung des Postulats umstritten. Eine Kommissionsmehrheit machte geltend, dass es wichtig sei, die ökonomischen Rahmenbedingungen zu kennen, um überhaupt fundierte Diskussionen führen zu können. Sie verlor aber im Ratsplenum gegen eine Überzahl von geschlossenen SVP-Parlamentariern und Grünen sowie Grossteilen der BDP und CVP.

libre-échange agricole

Der Abstimmungssonntag am 18. Mai 2014, wurde nicht nur Höhe-, sondern auch Schlusspunkt eines langwierigen Seilziehens um die Gripen-Beschaffung bzw. den Tiger-Teilersatz. Dieses grosse Rüstungsvorhaben hatte zahlreiche Hürden zu nehmen. Die letzte davon - der Urnengang - wurde 2013 durch den Bundesrat selbst ermöglicht, indem als Finanzierungsgrundlage ein Fondsgesetz vorgeschlagen wurde. Erst dieser Kniff ermöglichte es, die Finanzierung und damit sehr unmittelbar auch die Beschaffung selbst, dem fakultativen Referendum zu unterstellen. Mit der Ablehnung des Gripen-Fondsgesetzes an der Urne wurde die aufsehenerregende Kampfflugzeugbeschaffung erfolglos abgeschlossen.

Dass das Referendum ergriffen würde, war schon früh klar. Noch vor den parlamentarischen Debatten Ende 2013 kündigte die Grüne Partei an, sie werde dieses Geschäft zu verhindern suchen. Zwei Referendumskomitees hatten sich dann bereits vor der letzten Beratung im Ständerat konstituiert, so dass einer Unterschriftensammlung nichts mehr im Wege stand. Links-grün und die Grünliberale Partei stellten sich je individuell an, die nötige Anzahl Unterschriften zu sammeln. Der Erfolg liess nicht lange auf sich warten. Innert zwei Monaten und damit noch 2013, hatte das Komitee um SP und GPS rund 80‘000 Unterschriften beisammen. Damit zeichnete sich rasch ab, dass die Referendumsabstimmung bereits im Frühjahr 2014 abgehalten werden konnte. Entsprechend früh erkannte auch der Verteidigungsminister den Ernst der Lage und noch Ende 2013 stieg er in den Abstimmungskampf. Fortan standen sich bürgerliche Gripen-Befürworter und Gripen-Gegner aus links-grünen Kreisen gegenüber. Neu standen aber erstmals auch bürgerliche Politiker einer Armeevorlage kritisch gegenüber: die GLP hatte sich nicht nur an der Unterschriftensammlung beteiligt, sondern sie stellte sich fortan auch in einem Gegnerkomitee gegen die Beschaffung der Gripen-Jets.

Erster Meilenstein war Mitte Januar 2014 die Einreichung der Unterschriften. Das links-grüne Bündnis um SP, GPS und andere Organisationen konnte rund 100'000 Unterschriften für das Referendum zusammentragen, nur etwa 5'000 davon waren vom grünliberalen Anti-Gripenkomitee beigesteuert worden. Da schon Mitte Mai abgestimmt werden sollte, war die Einreichung der Unterschriften gleichzeitig der Startschuss für den Abstimmungskampf. Sogleich wurde dieser befeuert, als es nicht nur darum ging, ob sich die Herstellerfirma Saab an der Finanzierung der Ja-Kampagne beteiligen soll, sondern ob dies überhaupt zulässig sei. Das Gegnerkomitee meldete sehr rasch seine Ablehnung an. Aber auch Gripen-Befürworter standen einer finanziellen Beteiligung aus Schweden kritisch gegenüber. Thomas Hurter (svp, SH) forderte, dass sich Saab gänzlich aus der Abstimmungskampagne raushalte.

Unangenehme Tage musste der Verteidigungsminister auch im Februar erleben: Nachdem bereits der Prozess zum Typenentscheid durch verschiedene Nebenereignisse und Indiskretionen für negative Schlagzeilen gesorgt hatte, wurden auch im neuen Jahr geheime (und brisante) Informationen publik. So hatte sich Verteidigungsminister Ueli Maurer in mehreren Treffen mit dem Schwedischen Botschafter Per Thöresson ausgetauscht. Dabei soll es nicht nur um gute Kontakte gegangen sein, sondern ganz konkret um ein Engagement Schwedens im Abstimmungskampf. Diese Informationen hatte ein Schwedischer Radiosender veröffentlicht, der drei Berichte des Botschafters an das Aussen- und Verteidigungsministerium Schwedens vorliegen hatte. Der Inhalt war insofern brisant, als dass angeblich Bundesrat Maurer selbst um Unterstützung aus Schweden gebeten haben soll. Zwar solle sich Schweden nicht direkt in den Abstimmungskampf einmischen, jedoch durch verschiedene Anlässe in Schweden und der Schweiz eine positive Stimmung erzeugen. Ein Beispiel wären Journalisten-Besuche in den Saabwerken zu Informationszwecken. Maurer musste sich in der Folge erklären und versuchte den Ball flach zu halten. Dass Gespräche geführt wurden konnte er nicht in Abrede stellen, er wollte jedoch darin keine gemeinsame Kampagnenplanung sehen. Dass er sich als Vorsteher des VBS an vorderster Front für den Gripen stark mache, sei nicht mehr als opportun. Die Ungereimtheiten spielten den Gegnern dennoch in die Hände und den Befürwortern wie auch dem Verteidigungsminister selbst blieb nichts anderes übrig, als gebetsmühlenartig festzuhalten, dass der Gripen die richtige Lösung für die Schweiz sei. Fast täglich wurde in den Zeitungen über den Gripen berichtet.

Die Kampagnenleitung der Befürworter sollte von der CVP übernommen werden, allerdings stellte sie sich nur zögerlich dafür zur Verfügung, denn scheinbar sah sich Parteipräsident Darbellay mit zu wenig finanziellen Mitteln ausgestattet. Dass bis zu CHF 5 Mio. für die Befürworterkampagne aufgewendet werden sollten, liess man seitens des Vereins für eine sichere Schweiz VSS, dem CVP-Nationalrat Jakob Büchler (SG) vorsteht, unkommentiert. Auch diese Informationen stammten aus geheimen Berichten aus Schweden. Beim VSS versuchte man derweil, sich von Schweden zu distanzieren. Das Durchsickern dieser Informationen führte indes dazu, dass sich die CVP zurückzog und nicht mehr als Kampagnenleiterin fungieren wollte. Ausschlaggebend waren unter anderem auch verunglimpfende, persönliche Kommentare des Schwedischen Botschafters gegen CVP-Exponenten. Im Engagement der CVP hätte man sich auf Befürworterseite erhofft, dass Gripen-kritische Wähler in der politischen Mitte abgeholt werden könnten. Daraus wurde nun vorerst nichts. Dass zudem die Sektion der CVP-Frauen im Gegensatz zur Mutterpartei die Nein-Parole fasste, schien für die CVP ebenfalls eine Hypothek darzustellen. Wer die Kampagnenleitung übernehmen sollte, war in der Folge offen. Die CVP wollte die Volkspartei vorschicken, da es schliesslich ein Dossier ihres Magistraten sei. Bei der SVP zeigte man sich jedoch bedeckt und Parteipräsident Brunner (SG) stellte eine Einigung „in einigen Wochen“ in Aussicht, rund drei Monate vor dem Abstimmungstermin, notabene.
Während auf politischer Ebene weiter gestritten wurde, führte Saab eine regelrechte Promotionstour durch die Schweiz durch. Mitte Februar wurde an einem Anlass mit Wirtschaftsvertretern über Kompensationsgeschäfte informiert, daneben sollte der Gripen zu verschiedenen Gelegenheiten vorgeführt, beziehungsweise ausgestellt werden, etwa an Ski-Weltcuprennen oder an der Mustermesse in Basel. Dies wurde den Gripengegnern zu viel und Nationalrätin Chantal Galladé (sp, ZH) tat ihren Unmut öffentlich kund. Dass mitunter Geld fliesse, sei in Abstimmungskämpfen normal, jedoch sei die Omnipräsenz des Gripen-Herstellers Saab störend und eine „Einmischung aus dem Ausland in diesem Masse bedenklich.“ Derweil und schneller als erwartet stellte sich Ende Februar tatsächlich die SVP als neue Koordinatorin der Ja-Kampagne vor. Angesichts des nahenden Abstimmungstermins sah sie sich in der Verantwortung. Man habe keine Zeit mehr zu verlieren und wolle diese Abstimmung gewinnen, so SVP-Präsident Brunner.

Etwas Aufwind erhielt der Gripen durch eine Flugzeugentführung im Raum Genf, als der Schweiz vor Augen geführt wurde, weshalb eine intakte Luftabwehr nötig sein kann. Der Co-Pilot einer Maschine der Ethiopian Airline hatte das eigene Flugzeug nach Genf entführt, um in der Schweiz einen Asylantrag zu stellen – was jedoch erst nach dem Vorfall bekannt wurde. Zuvor irrte die vollbesetzte Passagiermaschine, von zwei Eurofighter-Jets der Italienischen Luftwaffe begleitet, über Italien, ehe sie über dem Montblanc-Massiv von der Französischen Luftwaffe weiterbegleitet wurde und schliesslich in Genf zur Landung gezwungen werden konnte. Dass die Schweizerische Luftwaffe nur zu Bürozeiten operativ ist und nicht eingreifen konnte, sorgte im Ausland für Erstaunen und in der Schweiz einerseits zur Forderung nach einem ausgebauten Luftschirm, andererseits aber auch zu Spott und Häme. Später wurde auch die Krim-Krise in der Ukraine als Argument für eine funktionierende Luftwaffe herangezogen.
Am 25. Februar präsentierte das Ja-Komitee seine Argumente für den Abstimmungskampf. „Sicherheit zuerst!“ sollte als Leitmotiv die Stimmbürgerschaft mobilisieren. Sicherheit sei die Garantie für Frieden, Freiheit und Wohlstand, so Jakob Büchler (cvp, SG). Ab März und damit rund zwei Monate vor dem Urnengang sorgte ein allfälliger „Plan B“ für Irritation. Aus verschiedenen Kreisen wurde kolportiert, Bundesrat Maurer arbeite für den Fall eines Volks-Neins an einer alternativen Gripen-Beschaffung: er wolle Gripen-Jets mieten, leasen oder über das ordentliche Armeebudget – und damit ohne Mitsprache der Stimmbevölkerung – beschaffen. Trotz Dementi Maurers selbst, seines Sekretariats und auch der armasuisse, hielt sich das Gerücht über einen allfälligen „Plan B“ hartnäckig in den Medien.
Ebenfalls Mitte März lancierte das Gegnerkomitee seinen Abstimmungskampf und setzte vor allem auf die Kostenfrage. Man wollte die Gripen-Beschaffung nicht zu einer Armee-Grundsatzfrage machen und auch nicht sicherheitspolitische Argumente ins Feld führen, da man sich daraus eher weniger Chancen versprach. Vielmehr erhoffte man sich mit dem Slogan „Kampfjetmilliarden gegen Bildung, Verkehr oder AHV“ einen Erfolg an der Urne. In der Zwischenzeit wurde der Tonfall im Abstimmungskampf gehässiger. SVP-Patron Christoph Blocher hinterfragte die Finanzierung der Gegnerkampagne, indem er den Verdacht äusserte, dass möglicherweise die beim Typenentscheid unterlegenen Rüstungskonzerne (EADS und Dassault) Geld gegen den Gripen einschiessen würden – dies, um bei einer Neu-Evaluation zum Zug kommen zu können. Aus dem bürgerlichen Nein-Komitee wurde jedoch postwendend klargestellt, man habe weder Kontakt mit anderen Rüstungsgesellschaften, noch Geld erhalten, so etwa Beat Flach (glp, AG). Gar als absurd betitelte Chantal Galladé (sp, ZH) die Vorwürfe.
Kurz darauf bemühte sich der Sonntags Blick um einen ersten Trend in der Gripen-Frage und stellte eine Ablehnung von über 60 Prozent fest. Trotz dieser erstmaligen Stimmungsaufnahme zeigte sich der Verteidigungsminister gegenüber der Presse betont gelassen und zuversichtlich. Dennoch legte er einen regelrechten Redemarathon hin und trat von April bis zur Abstimmung im Mai an über 20 Veranstaltungen für den Gripen auf.

Das bürgerliche Nein-Komitee wurde ab Anfang April aktiv. Man stehe für eine starke Armee ein, sei jedoch gegen den Gripen, weil Geld und ein Konzept fehle - Argumente, die bereits in den Parlamentsdebatten von Roland Fischer (glp, LU) vorgebracht worden waren. In diesem Nein-Komitee waren auch die CVP-Frauen vertreten.
Über Alternativen zur Gripen-Beschaffung, also wiederum über einen „Plan B“, wurde weiter berichtet, als sich im April auch der ehemalige Jetpilot und Nationalrat Thomas Hurter (svp, SH), seines Zeichens Präsident der SiK-NR, über solche Pläne äusserte. Es brauche einen „Plan B“ für den Fall, dass der Gripen an der Urne scheitern sollte. Seine Vorstellung war die Beschaffung von zwölf Fliegern alle 15 Jahre. Eine Forderung, die sogar von Parteikollegen kritisiert wurde. Hans Fehr (svp, ZH) gab etwa zu bedenken, dass es ungeschickt sei, bereits vor der Abstimmung laut über Alternativen nachzudenken. Alex Kuprecht (svp, SZ) bezeichnete die Aussage gar als „absoluten Blödsinn“. Hurter rechtfertigte seine Idee mit dem Umstand, dass beim Urnengang nicht für oder gegen neue Flieger, sondern nur für oder gegen die Art der Finanzierung abgestimmt werde. Mit einer Alternativbeschaffung würde der Volkswillen – von der SVP gemeinhin hochgehalten – also nicht umgangen. Ein erneuter Evaluationsprozess für einen neuen Flugzeugtyp würde zudem viel zu lange dauern. Deswegen müsse man sich für den Ersatz der Tiger-Flotte bereits zu diesem Zeitpunkt und auch unter Berücksichtigung eines möglichen Volks-Neins Gedanken machen.
Auch über weitere Alternativen zur Luftraumüberwachung wurde diskutiert, etwa über den Kauf gebrauchter F/A 18 Jets der neueren Generation, die Beschaffung von Kampf-Helikoptern, einen Ausbau der Boden-Luft-Fliegerabwehr (die ohnehin konkretisiert werden sollte) oder über die Aufrüstung der alten Tiger Flotte. Anfang Juni wurde bekannt, dass das VBS beabsichtige, israelische Drohnen beschaffen zu wollen. Immer mehr wurde auch die Frage debattiert, wie die budgetierten Mittel verwendet werden sollen, falls der Gripen an der Urne abgelehnt würde. Für Sicherheitspolitiker war klar, dass dieses Geld der Armee gehöre, weil es über das ordentliche Armeebudget hätte aufgebracht werden müssen. Linke Politiker hingegen sahen eine Chance, neu über die Verteilung der ca. CHF 3 Mia. zu beraten. Ihrer Vorstellung nach sollte das Geld zu Gunsten der Bildung, zur Sicherung der sozialen Sicherheit, des öffentlichen Verkehrs, oder auch zu Gunsten der Entwicklungshilfe, die richtig eingesetzt friedensfördernd wirke, eingesetzt werden. Dieser Punkt blieb freilich vorerst offen.
Als sehr unsicher musste der Erfolg der Gripen-Beschaffung ab Mitte April betrachtet werden: Nachdem die oben genannte Sonntags Blick-Umfrage noch nicht zu Unruhe bewogen hatte, tat dies die erste SRG-Trendumfrage des gfs.bern. Nur 42 Prozent der Befragten sprachen sich darin für den Gripenkauf aus, ein Ergebnis, das sich fast mit der ersten Umfrage deckte. Freilich gaben die Demografen zu bedenken, dass die Unterschiede zwischen den Ja- und Nein-Anteilen zu gering seien, um sich bereits festlegen zu können. Noch am selben Tag liess sich Bundesrat Maurer zitieren, er glaube, dass sich die Stimmbevölkerung der sicherheitspolitischen Tragweite der Gripen-Vorlage bewusst sei. Weiterhin gab sich der Verteidigungsminister kämpferisch. Sein Engagement für den Gripen gipfelte jedoch zwischenzeitlich in einem Fiasko, als Maurer in der Sendung „Rundschau“ des SRF zu einem Rundumschlag ausholte und kurz sogar die Contenance verlor. Er enervierte sich derart über die Berichterstattung zum Gripen-Kauf, dass er sich mit dem Moderator einen verbalen Schlagabtausch lieferte. Die als einseitig kritisierte Sendung löste eine Rekordzahl an Beschwerden bei der Ombudsstelle der SRG aus, die allerdings Ende Mai sämtlich abgewiesen wurden, da das Sachgerechtigkeitsgebot nicht verletzt worden sei und das Publikum durchaus in der Lage gewesen sei, sich eine eigene Meinung zum fraglichen Rundschau-Beitrag zu bilden. Dennoch wurde auch die Sendung selbst kritisiert. So habe der ausgestrahlte Bericht „die hohen Anforderungen an die Ausgewogenheit, welche im Vorfeld einer Volksabstimmung verlangt werden, nicht erfüllt.“ Zudem wurde festgehalten, dass einige der gestellten Fragen „manchmal unnötig provokativ waren“.
Später und mit zunehmender Nähe zum Abstimmungstermin setzte der Verteidigungsminister im Lichte des ungewissen Abstimmungsausgangs auf warnende Worte und beschwor die Angst vor einem ungeschützten Luftraum, ja er bediente sich gar erpresserischer Formulierungen. „Wenn man jetzt nicht Flieger bestellt, steht man zehn Jahre später ohne Luftwaffe da“, mahnte Maurer. Dass die „F/A 18 im Krisenfall nicht genügen“, doppelte auch Divisionär Bernhard Müller, stellvertretender Kommandant der Luftwaffe, nach. Doch die Stimmbevölkerung zeigte sich in der zweiten Welle der SRG Trendumfrage unbeeindruckt. Knapp zehn Tage vor der Abstimmung schien der Gripen noch immer nicht abzuheben: mit 44 Prozent Zustimmung war nach wie vor nur eine Minderheit der Befragten für die Kampfjetbeschaffung. Zudem zeichnete sich ab, dass tatsächlich die Kostenfrage entscheidendes Argument werden dürfte. Trotz der gemäss gfs.bern bereits weit fortgeschrittenen Meinungsbildung machten sich beide Lager zu einer Schlussoffensive auf. Die vier Parteipräsidenten Martin Landolt (bdp, GL), Christophe Darbellay (cvp, VS), Philipp Müller (fdp, AG) und Toni Brunner (svp, SG) – diese Parteien hatten die Ja-Parole ausgegeben – versammelten sich in der Folge in Bern zu einer Medienorientierung, um nochmals ihre besten Argumente vorzutragen. Der hochkarätig besetzte Anlass wurde kurzfristig anberaumt und zeigte die Nervosität der Parteispitzen offensichtlich. Vor dem Bundeshaus gingen sie gemeinsam symbolisch auf einer Hebebühne „in die Luft“. Ein unglücklicher Entscheid, wie sich später herausstellen sollte. Ihre von den Stadtberner Behörden nicht bewilligte Aktion führte nämlich zu einer Anzeige.

Einziger Lichtblick für die Befürworter war die Erfahrung, dass das Stimmvolk kaum je eine Armeevorlage versenkt hatte. Doch auch dieser wurde am Abstimmungstag zerschlagen. 53,4 Prozent der Stimmenden (Stimmbeteiligung: 55,5 Prozent) lehnten das Gripen-Fondsgesetz an der Urne ab, ein Erfolg für die linken Parteien, die zusammen mit der GLP die Nein-Parole beschlossen hatten und eine herbe Niederlage für Verteidigungsminister Maurer, der sich über Jahre für neue Kampfjets eingesetzt hatte. Er hielt fest, dass es ein Votum gegen den Gripen sei, nicht gegen die Armee und wiederholte, dass nun kein „Plan B“ aus der Schublade gezogen werde. Zunächst sei das Resultat zu analysieren, erst dann wollte der Verteidigungsminister über neue Varianten sprechen. Er gab jedoch auch zu bedenken, dass die Diskussion über neue Kampfflieger bald wieder beginnen müsse, zumal auch die F/A 18 Flieger irgendwann ersetzt werden müssten. Die Linken sahen sich dagegen in ihren Bemühungen gegen das teure Rüstungsgeschäft bestätigt und auch aus dem bürgerlichen Gegnerlager hörte man erleichterte Stimmen. Das Resultat zeige, dass auch viele liberale und bürgerliche Wählerinnen und Wähler den Gripen-Kauf ablehnten, so Roland Fischer (glp, LU). In seinen Augen hätten sich die zwei Gegnerkomitees gelohnt. Aus der SVP wurde hingegen konsterniert verkündet, dass man „jetzt erst recht in die Landesverteidigung investieren müsse“.
Im Nachgang an die Volksabstimmung beherrschten die Fragen um die Zukunft der Armee und der Luftwaffe den politischen Diskurs, jedoch auch und wiederholt die Frage, was mit den frei gewordenen „Gripen Milliarden“ nun geschehen soll. Ernüchtert musste auch der Wirtschaftsstandort Schweiz den Volksentscheid hinnehmen. Rund 500 Verträge mit 125 Unternehmen und einem Volumen von rund CHF 400 Mio. hatte Saab im Vorfeld der Abstimmung mit Schweizer Unternehmen unterzeichnet – Anlagen, die nun ungewiss waren. Der Rüstungskonzern Ruag befürchtete, rund 200 Stellen streichen zu müssen, unter anderem von Mitarbeitern, die bereits seit langem auch an Gripen-Konfigurationen arbeiteten.


Abstimmung vom 18. Mai 2014

Beteiligung: 56,33%
Ja: 1 345 726 (46,6%)
Nein: 1 542 761 (53,4%)

Parolen:
– Ja: SVP, CVP(3*), FDP, BDP, GLP; Economiesuisse, SGV, SOG, AUNS, Swissmem.
– Nein: SP, GPS, GLP (1*); SGB, VPOD, GSoA.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Das Gripen-Nein veranlasste Bundesrat Maurer schliesslich auch dazu, die Weiterentwicklung der Armee (WEA) zu vertagen und die Botschaft erst im Herbst zu verabschieden. Das Reformprojekt wurde dadurch um mindestens drei Monate verzögert. Mit der dadurch gewonnenen Zeit sollen, unter anderem, finanzielle Fragen neu abgesteckt werden, die durch die abgelehnte Jet-Beschaffung aufkamen. Entscheidend war dabei, ob das Armeebudget revidiert werden musste – ein zentrales Element der WEA.
Die allfällige Geld-Neuverteilung selbst wurde vom Verteidigungsminister ausgeschlagen; er wollte die für den Jet-Kauf eingeplanten Mittel für andere Rüstungsgeschäfte einsetzen und mit CHF 790 Mio. weniger als die Hälfte der Bundeskasse zurückgeben. Dies führte zu Unstimmigkeiten innerhalb der Landesregierung, da Finanzministerin Widmer-Schlumpf in einem Mitbericht bereits Widerstand gegen dieses Ansinnen angekündigt hatte. Seitens der SP wurde eine ganz neue Ausrichtung der Armee gefordert und die Gripen-Ablehnung als Chance dafür betrachtet. Die Rückgabe der CHF 790 Mio. wurde indes von bürgerlichen Politikern nicht goutiert. Ihrer Meinung nach „gehörte“ das Geld der Armee, gleich wie es eingesetzt werden sollte. Es gebe „unzählige Möglichkeiten, dieses Geld zu verwenden“, so Jakob Büchler (cvp, SG), der das Thema in der SiK-NR nochmals durchdiskutiert wissen wollte. Im selben Zeitraum gab der Rüstungschef Ulrich Appenzeller seinen Rücktritt bekannt, womit Ueli Maurer noch ein personelles Problem zu lösen hatte. Appenzeller gab seinen Posten wegen „unterschiedlicher Auffassungen über die Ausrichtung der Armasuisse und die Rolle des Rüstungschefs“ auf.

In der Analyse der Abstimmung (Vox) wurden die ausschlaggebenden Argumente für die Ablehnung des Gripen ermittelt. Vor allem die Gruppe der jüngeren Stimmenden und Frauen sowie zahlreiche Mitte-Wählende und FDP-Anhänger waren gegen den Flugzeug-Kauf. Ein Drittel der Befragten kritisierte die hohen Kosten dieses Rüstungsgeschäfts und rund zehn Prozent gaben an, der Gripen sei nicht das richtige Flugzeug für die Schweiz. Nochmals zehn Prozent sprachen sich dafür aus, dass erst die Rolle der Ausgestaltung der Armee geklärt werden müsse, bevor ein solches Rüstungsvorhaben umgesetzt werden könne. Ebenfalls knapp zehn Prozent lehnten den Gripen wegen einer grundsätzlich ablehnenden Haltung zur Armee ab. Im unterlegenen Ja-Lager wurden überwiegend sicherheitspolitische Argumente für den Stimmentscheid vorgebracht. Die Politologen der Universität Zürich hielten zudem fest, dass im Vergleich zu anderen Abstimmungen auffällig häufig die Kampagne und die Informationspolitik der Gripen-Befürworter als Grund für ein Nein genannt wurden. So seien auch das langwierige Auswahlverfahren, wie auch die zahlreichen Ungereimtheiten und Indiskretionen über die gesamte Dauer aller Verfahren hinweg ausschlaggebend für das Nein gewesen.

Beschaffung des Kampfflugzeuges Gripen (BRG 12.085)
Dossier: Armee-Rüstungsprogramme
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