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  • Aebischer, Matthias (sp/ps, BE) NR/CN
  • Thurnherr, Walter (Bundeskanzler / Chancelier de la Confédération)

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Auch 2021 wurden die traditionellen von-Wattenwyl-Gespräche von der Covid-19-Pandemie beeinträchtigt. Nicht nur, weil die Gesundheitskrise zentraler Gegenstand aller vier Veranstaltungen war, sondern auch, weil die Gespräche wie schon teilweise im Jahr zuvor allesamt nicht im namensgebenden Von-Wattenwyl-Haus, sondern im mehr Platz bietenden Bernerhof stattfanden.
Im Beisein von Bundespräsident Guy Parmelin, den Bundesräten Alain Berset und Ignazio Cassis sowie Bundeskanzler Walter Thurnherr diskutierten die Spitzen der Regierungsparteien im Februar die aktuelle Lage, die steigenden Fallzahlen und mögliche Massnahmen, darunter die anlaufende Impfkampagne. Ebenfalls besprochen wurden die Digitalisierung der Verwaltung, insbesondere im Gesundheitsbereich, aber auch die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie auf Arbeitsmarkt und Unternehmen. Die Regierung informierte zudem über den Stand der Europapolitik.
Auch im Mai trafen sich Bundespräsident, Gesundheitsminister, Aussenminister, Bundeskanzler und Parteipräsidien im Bernerhof, um erneut über die Gesundheits- und Wirtschaftslage sowie über das Europadossier zu diskutieren. Die Stabilisierung der Fallzahlen und die Fortschritte bei der Impfung der Bevölkerung – rund 10 Prozent hatten bereits eine Impfung erhalten – liessen die Diskussion erster Öffnungsschritte zu, welche auch dank der Einführung des Covid-Zertifikats möglich werden sollten. Gegenstand der Gespräche waren zudem die verschiedenen Massnahmen, die der Bund aufgrund der pandemiebedingten wirtschaftlichen Probleme ergriffen hatte. Bisher waren zur Bewältigung der Gesundheitskrise Ausgaben von rund CHF 40 Mrd. beschlossen worden. Der Aussenminister informierte über die «weiterhin substanziellen Differenzen» bei den Verhandlungen mit der EU im institutionellen Rahmenabkommen. Schliesslich wurde die China-Strategie diskutiert, die der Bundesrat im Frühjahr 2021 vorgelegt hatte.
Auch die traditionellerweise im Herbst in Form einer Klausur mit dem Gesamtbundesrat organisierten Von-Wattenwyl-Gespräche fanden im Bernerhof statt. Und wieder standen Covid-19 und Europa auf der Traktandenliste. Die gesundheitliche Lage hatte sich in der Zwischenzeit wieder verdüstert – auch weil die Impfquote nach wie vor tief war, worüber sich die Teilnehmenden der Gespräche austauschten. Im Europadossier plädierte der Bundesrat auf eine rasche Freigabe des Kohäsionsbeitrags. Weiteres zentrales Diskussionsthema war das Vorhaben der OECD, einen weltweiten Mindestsatz für Unternehmenssteuern in der Höhe von 15 Prozent einzuführen. Aufgrund der Ablehnung des CO2-Gesetzes im vergangenen Juni 2021 an der Urne, wollte der Bundesrat möglichst rasch eine Basis für eine neue Vorlage schaffen und informierte über erste entsprechende Gespräche mit Verbänden und Parteien.
Mitte November – auch die vierte Gesprächsrunde fand im Bernerhof statt – standen neben Gesundheits- und Europapolitik auch die «Corona-Schulden» auf dem Programm, weshalb neben Bundespräsident Guy Parmelin und Alain Berset auch Finanzminister Ueli Maurer und erneut Bundeskanzler Walter Thurnherr mit den Regierungsparteispitzen diskutierten. Angesichts des anbrechenden Winters, der nach wie vor zu tiefen Impfrate und einer neuen, ansteckenden Virusvariante wurde mit einem Anstieg der Fallzahlen gerechnet und entsprechende Massnahmen diskutiert. Finanzminister Ueli Maurer informierte über die Schulden in Höhe von CHF 25 Mrd., mit denen der Bundesrat bis Ende 2022 rechnete. Sparprogramme oder Steuererhöhungen könnten mit einer Anpassung des Finanzhaushaltsgesetzes vermieden werden, wie der Bundesrat bereits im Sommer vorgeschlagen hatte. Die angestrebte positivere Dynamik der Beziehungen zur EU war in den Gesprächen im November ebenso Gegenstand wie die Migrationssituation – in den ersten 10 Monaten waren rund ein Drittel mehr Asylgesuche gestellt worden als im Vorjahr – und eine mögliche Strommangellage, die mit einem «Konzept Spitzenlast-Gaskraftwerk» vermieden werden soll.

Von-Wattenwyl-Gespräche seit 2013

Der Nationalrat befasste sich in der Wintersession 2021 mit dem Entwurf für ein neues Veloweggesetz. Marco Romano (mitte, TI) und Frédéric Borloz (fdp, VD) stellten die Vorlage vor, deren zentraler Aspekt in der Verpflichtung der Kantone lag, Velowegnetze zu planen und zu realisieren.
In der Eintretensdebatte hiessen Mitglieder der Grünen-, SP- und GLP-Fraktion die Vorlage des Bundesrates – unter anderem mit Verweis auf die wichtige Rolle der Veloförderung im Kampf gegen die Treibhausgase – gut und beabsichtigten, die «Verwässerungen» (Aebischer; sp, BE), die der Ständerat vorgenommen hatte, wieder rückgängig zu machen. Die Mitte- und die FDP.Liberalen-Fraktion wollten ebenfalls auf die Vorlage eintreten, äusserten sich jedoch nicht mit demselben Enthusiasmus zur Vorlage. Sie sahen vor allem «die Einräumung von Kompetenzen zugunsten von Interessenorganisationen» (Fluri; fdp, SO) kritisch, womit Fluri insbesondere auf den Beibezug von Velo-Fachorganisationen bei der Planung und dem Erhalt der Velowegnetze anspielte. Die SVP-Fraktion hingegen sprach sich gegen das Gesetz aus. Für sie bedeutete ein neues Gesetz mehr Ausgaben, welche die Auto- und Lastwagenfahrer sowie die Kantone und Gemeinden berappen müssten. Zudem werde der Ausbau der Velowege in der Stadt zu weniger Platz für die Autofahrer und auf dem Land zum Verlust von Landwirtschaftsfläche führen, befürchteten die Sprechenden der SVP-Fraktion.
Im Anschluss an das unbestrittene Eintreten wurden die einzelnen Minderheitsanträge debattiert, die sich um die Durchgängigkeit der Velowegnetze, um die Information der Öffentlichkeit, um die Aufgliederung in Haupt- und Nebenrouten und um die Fristen für die Umsetzung des Gesetzes drehten. Auch über den Einbezug und das Verbandsbeschwerderecht von Interessenorganisationen im Bereich des Veloverkehrs wurde – wie bereits im Ständerat – intensiv diskutiert. Die Minderheitsanträge wurden allesamt abgelehnt. In Übereinstimmung mit den Anträgen der Kommissionsmehrheit blieb der Nationalrat somit fast gänzlich auf der Linie des Ständerats. Allerdings wurde der Entscheid des Ständerates korrigiert, wonach die Velowegnetze nur «möglichst» sicher und die Streckenführung nur «möglichst» direkt sein solle. In der Version des Nationalrates müssen sie demnach «sicher» und «direkt» sein. Auch beim Ersatz von Velowegen entschied sich der Nationalrat für eine strengere Formulierung: Er strich den Passus, dass ein «ausgewiesenes öffentliches Interesse» an einem Ersatz vorliegen müsse; somit müssten Velowege in jedem Fall ersetzt werden.
In der Gesamtabstimmung nahm die grosse Kammer den Entwurf mit 135 zu 50 Stimmen bei 3 Enthaltungen an. Lediglich die fast geschlossen stimmende SVP-Fraktion lehnte die Vorlage ab.

Veloweggesetz (BRG 21.046)

Matthias Aebischer (ps, BE) n'a eu aucun mal à trouver une majorité pour soutenir sa motion demandant une interdiction d'importation de produits de la pelleterie issus de la maltraitance animale. Ce n'est pas la première fois que les parlementaires s'écharpent sur une telle interdiction. Mais contrairement à la dernière discussion menée en 2019 peu avant le renouvellement du Parlement, un large front issu de l'ensemble des partis souhaite désormais interdire ces produits (144 voix contre 31 et 9 abstentions). Matthias Aebischer a rappelé les lacunes de la législation actuelle datant de 2013, qui aurait dû permettre d'endiguer les importations de fourrures issues d'animaux maltraités. La Suisse connaît, de plus, déjà de telles interdictions pour les produits dérivés du phoque et des peaux de chat et de chien, l'argument d'une plainte des pays lésés auprès de l'OMC ne tenant donc pas selon l'élu socialiste. Ce dernier pouvait compter sur le soutien de l'organisation Chasse Suisse pour qui l'importation de ces produits créé une concurrence déloyale vis-à-vis des produits de chasse suisses, issus principalement du renard roux.
Les arguments du Conseil fédéral – plaidant pour une poursuite et un renforcement des contrôles – n'auront pas suffi à faire rejeter le texte. Les médias se sont faits l'écho des faiblesses du système actuel. Ainsi, on apprenait que les contrôles en la matière menés par l'OSAV en 2020 ont révélé que 80 pour cent des déclarations étaient lacunaires, les producteurs pouvant simplement indiquer «inconnue», lorsque la provenance n'est pas connue.

Interdiction d'importation de produits de la pelleterie issus de la maltraitante animale (Mo. 19.4425)
Dossier: Parlamentarische Vorstösse zum Handel und Import mit Pelzprodukten
Dossier: Deklaration von Herstellungsmethoden, die den Schweizer Standards nicht entsprechen

Nachdem die beiden Kammern in der Sommersession 2021 einen Gegenvorschlag verworfen und die Volksinitiative «Bestimmung der Bundesrichterinnen und Bundesrichter im Losverfahren (Justiz-Initiative)» fast einstimmig zur Ablehnung empfohlen hatten, setzte der Bundesrat den Termin für die Abstimmung über das Volksbegehren auf den 28. November 2021 fest.

Das Ziel der Initiative war eine Reform des Wahlsystems der Bundesrichterinnen und Bundesrichter. Am aktuellen Vorgehen wurde kritisiert, was in der Zeitung «Republik» als «Unheilige Dreifaltigkeit» bezeichnet wurde: Parteizugehörigkeit, Mandatssteuer und Wiederwahl. In der Tat bedingt die Idee des Parteienproporz, also die Verteilung der Sitze an den höchsten eidgenössischen Gerichten entsprechend der Stärke der Parteien im Parlament, dass Kandidierende für höchste Richterämter einer Partei angehören sollten, um gewählt werden zu können. Alle Parteien fordern zudem von ihren Mandatsträgerinnen und -trägern eine Abgabe, die Mandatssteuer. In den Medien wurden zu diesem Obolus von Gerichtspersonen verschiedene Zahlen herumgereicht: Eine Befragung der CH-Medien bei den Parteien wies ein Total aller Abgaben von allen Richterinnen und Richtern aus allen Bundesgerichten zwischen CHF 30'000 bei der GLP und CHF 265'000 bei der SP aus (FDP: CHF 35'000; Grüne: CHF 100'000; Mitte: CHF 65'000; SVP: CHF 172'000). Das aktuelle Wahlsystem sieht schliesslich vor, dass Bundesrichterinnen und -richter nicht nur vom Parlament gewählt, sondern alle sechs Jahre bestätigt werden müssen. Das Initiativkomitee kritisierte, dass diese drei Elemente letztlich die Unabhängigkeit der Judikative gefährdeten, und forderte deshalb mit seinem Begehren, dass ein vom Bundesrat ernanntes Fachgremium Kandidierende nach fachlicher Eignung auswählt und dass die Bundesrichterinnen und Bundesrichter aus einem mit diesen Kandidierenden gefüllten Pool per Losverfahren gezogen werden. Die Gewählten sollen zudem keiner Amtszeitbeschränkung mehr unterliegen, sondern bis maximal fünf Jahre nach Pensionsalter in ihrem Amt verbleiben dürfen, falls sie nicht mittels eines neu einzuführenden Abberufungsverfahrens aufgrund von Fehlverhalten abgesetzt würden. Beim Losverfahren würde einzig eine sprachliche Repräsentation berücksichtigt.

Das Initiativkomitee – neben dem «Vater» der Initiative, dem Multimillionär und Unternehmer Adrian Gasser, sassen der Politikwissenschafter Nenad Stojanovic und die Mitte-Politikerin Karin Stadelmann (LU, mitte) federführend im Komitee – lancierte den Abstimmungskampf am 30. September 2021. An einer Pressekonferenz und in späteren Interviews betonten die Initiantinnen und Initianten, dass mit Annahme ihres Begehrens der Pool an geeigneten Richterinnen und Richtern vergrössert würde: Auch Parteilose könnten am Bundesgericht Einsitz nehmen und es müssten zukünftig nicht mehr zahlreiche geeignete Kandidierende hintanstehen, wenn eine Partei – wie aktuell etwa die Grünen nach ihren Wahlerfolgen 2019 – stark untervertreten sei und deshalb bei Vakanzen lediglich Kandidierende dieser Partei berücksichtigt würden. Adrian Gasser strich in mehreren Interviews das in seinen Augen grosse Problem der Parteiabhängigkeit und der Mandatssteuer hervor: «Die politischen Parteien haben sich die Macht angeeignet, diese Ämter unter sich aufzuteilen, dafür Geld zu verlangen und eine opportun erscheinende Gesinnung einzufordern [...] Vorauseilender Gehorsam ist garantiert», klagte er etwa in einem NZZ-Meinungsbeitrag. In Le Temps behauptete er, dass die fehlende Unabhängigkeit der Gerichte dazu führe, dass in 95 Prozent der Fälle Individuen vor Gericht verlieren würden, wenn sie gegen den Staat antreten müssten.

Obwohl keine einzige etablierte Partei und kein Verband das Begehren unterstützte, wollte keine Organisation die Federführung für eine Nein-Kampagne übernehmen. Ende September gründete deshalb Andrea Caroni (fdp, AR) ein «überparteiliches Nein-Komitee». Weil er wie bereits 2014 bei der sogenannten «Pädophileninitiative» den liberalen, demokratischen Rechtsstaat bedroht sehe, wolle er sich wehren, betonte der FDP-Ständerat im Sonntags-Blick. Im Komitee sassen Mitglieder aller grossen Parteien: Heidi Z’graggen (mitte, UR); Laurence Fehlmann Rielle (sp, GE), Nicolas Walder (gp, GE), Beat Flach (glp, AG) und Yves Nidegger (svp, GE). In den Medien tat sich freilich vor allem Andrea Caroni mit Stellungnahmen hervor. Mit dem Slogan «Wählen statt würfeln, Demokratie statt Lotterie» griff er vor allem das Losverfahren an, das auf Glück beruhe und deshalb nicht geeignet sei, fähige Kandidierende auszuwählen. Darüber hinaus habe sich das bestehende System, das eine repräsentative Vertretung unterschiedlicher politischer Grundhaltungen in der Judikative garantiere, bewährt. Im Verlauf der Kampagne warf Andrea Caroni den Initiantinnen und Initianten zudem auch vor, «falsch und verleumderisch» zu argumentieren.

Am 11. Oktober erörterte Karin Keller-Sutter an einer Pressekonferenz die Position des Bundesrats, der die Initiative zur Ablehnung empfahl. Das Volksbegehren sei «zu exotisch» und stelle das politische System und die demokratische Tradition der Schweiz «auf fundamentale Weise» in Frage, so die Justizministerin. Die Wahl durch das Parlament würde durch Losglück ersetzt, womit die demokratische Legitimation Schaden nehme. Das Losverfahren sei zudem ein «Fremdkörper im institutionellen Gefüge», so die Bundesrätin. Mit dem heute angewandten Parteienproporz werde hingegen gewährleistet, dass politische Grundhaltungen, aber auch das Geschlecht und die regionale Herkunft am Bundesgericht «transparent und ausgewogen» vertreten seien, war in der Medienmitteilung zu lesen. Die Praxis zeige zudem, dass die Unabhängigkeit gewährleistet sei und kein Druck von Parteien auf die Bundesrichterinnen und Bundesrichter ausgeübt werde. Noch nie in der jüngeren Geschichte sei ein Richter oder eine Richterin aus politischen Gründen abgewählt worden, so Karin Keller-Sutter, was zeige, dass der von den Initiantinnen und Initianten kritisierte Konformitätsdruck aufgrund der Angst vor einer Wiederwahl gar nicht bestehe. Es sei zudem falsch anzunehmen, dass parteilose Richterinnen und Richter nicht ebenfalls Werte vertreten würden, die allerdings nicht so transparent seien, wie bei Parteimitgliedern. Die Justizministerin nahm schliesslich auf die aktuelle Pandemie-Diskussion Bezug: Viele Stimmen kritisierten momentan demokratisch nicht legitimierte Gremien aus Expertinnen und Experten. Mit Annahme der Initiative würde mit der vorgesehenen Fachkommission aber ein weiteres solches Gremium geschaffen.

In den Medien wurde laut APS-Analyse und FöG-Abstimmungsmonitor nur selten über die Justizinitiative berichtet. Dies war einerseits dem Umstand geschuldet, dass vor allem das Referendum gegen die zweite Revision des Covid-19-Gesetzes sehr viel Platz in der medialen Berichterstattung einnahm, andererseits ist dies aber wohl auch der Komplexität des Themas zuzuschreiben. In der Tat kamen in den Printmedien neben Adrian Gasser und Andrea Caroni vor allem Expertinnen und Experten, aber auch ehemalige Richterinnen und Richter zu Wort.
Auffällig war, dass die meisten dieser Expertinnen und Experten der Initiative relativ wohlwollend gegenüberstanden. So wurden etwa Studien zitiert, die zeigten, dass eine längere Amtszeit zu mehr richterlicher Unabhängigkeit führe. Kurze Amtszeiten und vor allem die Wiederwahl könnten hingegen als Disziplinierungsmöglichkeit von Parteien erachtet werden, mit der Linientreue von Richterinnen und Richtern erzwungen werde, so etwa der Politikwissenschafter Adrian Vatter in der NZZ. Die Wiederwahl sichere Bodenhaftung der Richter und trage dazu bei, dass «sich die Justiz nicht verselbständigt» und dass Richterinnen und Richter nicht zu einer «Elite ohne Legitimation» würden, meinte hingegen Katharina Fontana, ehemalige Mitarbeiterin im BJ und NZZ-Journalistin für das Themengebiet Recht und Gesellschaft. Bemängelt wurde zudem der Umstand, dass parteilose Kandidierende aktuell keine Chance hätten, gewählt zu werden. Wenn wirklich Repräsentation das Ziel sei, dann dürften in den Gerichten nicht nur Parteimitglieder sitzen, da die grosse Mehrheit der Bevölkerung keine Parteibindung aufweise, so die Argumentation. Adrian Vatter schlug entsprechend ein Modell mit 50 Prozent Parteilosen und 50 Prozent Parteimitgliedern vor. Debattiert wurde auch über die Frage, ob Richterinnen und Richter überhaupt ideologisch neutral sein könnten oder ob Gerichte eben nicht auch genuin politische Institutionen seien. In diesem Falle wäre aber der Parteienproporz folgerichtig, so die NZZ. Auch das Losverfahren erhielt einige Aufmerksamkeit – einige Expertinnen und Experten erachteten es als geeignetes Mittel zur Auswahl von Richterinnen und Richtern. Es sei schliesslich schon von Aristoteles als «Grundlage wahrer Demokratie» betrachtet worden, warb der Ökonom Bruno S. Frey. Das Los sei über längere Frist ebenso repräsentativ wie das momentane Auswahlverfahren, funktioniere aber wesentlich unabhängiger, argumentierte die Ökonomin Margit Osterloh, die zudem betonte, dass das Losverfahren nicht einfach eine Lotterie sei, sondern dass durch das qualitative Losverfahren mit Vorselektion letztlich geeignetere Kandidatinnen und Kandidaten ausgewählt würden als von menschlichen Expertinnen und Experten, die in ihrer Wahl eben nicht frei seien von Beeinflussung. Die anfänglich wohl geringere Akzeptanz des Losverfahrens würde rasch zunehmen und das Vertrauen in die Judikative dadurch gar noch verstärkt, so die Ökonomin. In den medialen Kommentaren stand hingegen die Fachkommission, die gemäss der Justizinitiative vom Bundesrat zusammengestellt werden müsste, eher in der Kritik. Die Diskussion um eine optimale Besetzung würde sich von der Richterinnen- und Richterwahl auf die Bestellung dieser Fachkommission verschieben. Es sei nicht klar, wie diese zusammengesetzt werden solle und ob diese eben nicht auch wiederum politisch agieren würde, so der Tenor der Kritikerinnen und Kritiker. Die Weltwoche sprach gar von einer «brandgefährlichen Illusion», zu meinen, es könne ein Gremium eingesetzt werden, das «objektive Qualifikationsmerkmale» bestimmen könne. Andrea Caroni warnte vor «einer obskuren, bundesratsnahen Kommission [...], die weder Qualität noch Vielfalt noch demokratische Legitimation gewährleisten kann». Allerdings stand auch die Frage im Raum, ob die parlamentarische Gerichtskommission (GK), die momentan mit der Auswahl der Kandidierenden betraut ist, fachlich wirklich dafür geeignet sei. Ein eher pragmatisches Argument gegen die Initiative wurde schliesslich von Rechtsprofessor Lorenz Langer vorgebracht: Da sich die Initiative auf das Bundesgericht beschränke, stelle sich die Frage, woher bei Annahme der Initiative die Kandidierenden kommen sollen, da Bewerbende für einen Bundesgerichtsposten in der Regel an anderen Bundesgerichten (Bundesstrafgericht, Bundesverwaltungsgericht, Bundespatentgericht) oder an kantonalen Gerichten tätig seien, wo aber meist noch nach Parteienproporz gewählt würde. Es gäbe somit nicht mehr viele der verlangten «objektiven», also eben parteiunabhängigen Kandidierenden.

In der medialen Diskussion wurde von Seiten der Befürworterinnen und Befürworter auch immer wieder darauf hingewiesen, dass das aktuelle System – auch im internationalen Vergleich – sehr gut funktioniere. Die Geschichte zeige, dass Richterinnen und Richter unabhängig seien und sich nicht vor einer Wiederwahl fürchteten. In der Tat wurden bisher lediglich drei Bundesrichter abgewählt – zwei aus Altersgründen zu Beginn der modernen Schweiz sowie Bundesrichter Martin Schubarth 1990, der freilich sofort wiedergewählt worden war.
Diskutiert wurde zudem der «Fall Donzallaz»: Die SVP hatte «ihren Bundesrichter» nicht mehr zur Wiederwahl empfohlen, weil er in einigen Urteilen nicht mehr die Parteilinie verfolgt habe. Yves Donzallaz wurde aber in der Folge von allen anderen Fraktionen bei seiner Wiederwahl unterstützt und schliesslich gar zum Bundesgerichtspräsidenten gewählt. Dies zeige, dass sich Richterinnen und Richter nicht von den eigenen Parteien unter Druck setzen liessen. Die Aargauer Zeitung kritisierte freilich, dass sich bei Yves Donzallaz das Problem der Parteifarbe besonders gut zeige: Um Bundesrichter zu werden, habe er einen Parteiwechsel von der CVP zur SVP vorgenommen. Dies komme häufig vor, so die Zeitung: Kandidierende wechselten ihre «Parteifarbe wie Chamäleons», um ihre Wahlchancen zu steigern.
Der einzige Nationalrat, der die Initiative unterstützt hatte, kam ebenfalls in den Medien zu Wort. Lukas Reimann gab zu Protokoll, dass er die Arbeit der GK als deren Mitglied als wenig seriös erlebt habe, da die Kandidierendenauslese eher eine politische als eine fachliche Frage gewesen sei. Einmal habe die Kommission einem sehr geeigneten, aber parteilosen Kandidaten gar offen empfohlen, der GLP oder der BDP beizutreten, damit er zur Wahl eingeladen werden könne.

Für Gesprächsstoff sorgten zudem einige pensionierte Richterinnen und Richter, die den Medien Red und Antwort standen. Praktisch unisono gaben alt-Bundesstrafrichter Bernard Bertossa sowie die alt-Bundesrichter Jean Fonjallaz, Karl Hartmann, Ulrich Meyer und Hans Wiprächtiger, aber auch die Luzerner alt-Oberrichterin Marianne Heer (fdp) zu Protokoll, von ihrer Partei nie auch nur irgendeinen Druck verspürt zu haben – auch ihre Kolleginnen und Kollegen nicht. Angesprochen auf die Angst vor einer Nicht-Wiederwahl erzählte Hans Wiprächtiger, dass sich das Bundesgericht viel mehr vor schlechter Presse als vor dem Parlament fürchte. Zur Sprache kam auch die von der Greco kritisierte Mandatssteuer. Man müsse die Parteien unterstützen, damit die Demokratie in der Schweiz funktioniere, äusserte sich Jean Fonjallaz hierzu. Er habe vielmehr das Gefühl, dass die Partei mehr von ihm als Beitragszahlendem abhängig sei als er von ihr, so der alt-Bundesrichter. Von Ämterkauf könne nur die Rede sein, wenn Höchstbietende einen Posten kriegten; die Abgaben seien aber innerhalb einer Partei für alle gleich.
Eine gegenteilige Meinung vertrat einzig der Zürcher alt-Oberrichter Peter Diggelmann. Es gebe zwar keine offenen Drohungen, den Druck der Parteien spüre man aber etwa an Fraktionsausflügen oder Parteianlässen. Er selber sei zudem zu einer Mandatssteuer gezwungen worden und wäre wohl nicht mehr nominiert worden, wenn er der entsprechenden Mahnung nicht nachgekommen wäre. Im Gegensatz zu Kolleginnen und Kollegen, die momentan im Amt seien und deshalb aus Angst keine öffentliche Kritik anbrächten, sei es ihm als pensioniertem Richter und aufgrund seines Parteiaustritts möglich, Kritik zu äussern. Das Interview von Peter Diggelmann im Tages-Anzeiger blieb nicht unbeantwortet. Andrea Caroni sprach tags darauf in der gleichen Zeitung von «verleumderischen Unterstellungen». Er kenne keinen Richter und keine Richterin, die sich unter Druck gesetzt fühlten.

Beliebtes Mediensujet war auch der Kopf der Initiative, Adrian Gasser. Der Multimillionär und Chef der Lorze Gruppe, einem Firmenkonglomerat mit Sitz in Zug, habe sich seit seiner Jugendzeit für richterliche Unabhängigkeit interessiert. Als Wirtschaftsprüfer habe er einige Fälle erlebt, bei denen diese Unabhängigkeit nicht gegeben gewesen sei, sagte er in einem Interview. 1987 habe Adrian Gasser im Kanton Thurgau erfolglos für den National- und 1999 für den Ständerat kandidiert – als Parteiloser. Erst 40 Jahre nach diesen Erlebnissen könne er sich nun aber die Finanzierung einer Volksinitiative leisten. In der Tat soll Adrian Gasser laut Medien rund CHF 1 Mio für die Sammlung der Unterschriften aufgeworfen haben. «Andere haben ein Motorboot in Monaco, ich habe mir eine Initiative im Interesse der Schweiz geleistet», so Gasser bei der Einreichung seiner Initiative im St. Galler Tagblatt.

Auch für die Abstimmungskampagne schien das Initiativkomitee einiges an Geld aufgeworfen zu haben. Im Sonntags-Blick wurde vermutet, dass Adrian Gasser für die Kampagne kaum weniger aufgewendet haben dürfte als für die Unterschriftensammlung, was Andrea Caroni in derselben Zeitung zum Vorwurf verleitete, dass sich «eine Einzelperson [...] praktisch eine Initiative gekauft und die Schweiz zuplakatiert» habe. Der Gegnerschaft fehle es hingegen an spendablen Geldgebenden. Bei der APS-Inserateanalyse zeigt sich zwar in der Tat ein Ungleichgewicht zugunsten der Befürwortenden, allerdings finden sich von beiden Lagern kaum Inserate in den grössten Schweizer Printmedien.

Bei den Abstimmungsumfragen im Vorfeld des Urnengangs vom 28. November zeigte sich ein für Initiativen typisches Bild. Hätten Mitte Oktober noch 48 Prozent der Befragten Ja oder eher Ja zur Initiative gesagt, lag dieser Anteil rund zwei Wochen vor der Abstimmung noch bei 37 Prozent. Für eine inhaltlich komplexe Vorlage ebenfalls gängig war der hohe Anteil Befragter, die sich zu Beginn der Kampagne noch keine Meinung gebildet hatten (Anteil «weiss nicht» am 15.10.2021: 19%; 17.11.2021: 7%).

Wie aufgrund der Umfragewerte zu vermuten, wurde die Initiative am Abstimmungssonntag deutlich verworfen. Bei einer wohl vor allem dem gleichzeitig stattfindenden Referendum gegen das Covid-19-Gesetz, aber auch der «Pflegeinitiative» geschuldeten aussergewöhnlich hohen Stimmbeteiligung von fast 65 Prozent lehnten mehr als zwei Drittel der Stimmberechtigten eine Reform des geltenden Systems der Wahlen von Bundesrichterinnen und Bundesrichtern ab.


Abstimmung vom 28. November 2021

Volksinitiative «Bestimmung der Bundesrichterinnen und Bundesrichter im Losverfahren (Justiz-Initiative)»
Beteiligung: 64.7%
Ja: 1'382'824 Stimmen (31.9%) / 0 Stände
Nein: 2'161'272 Stimmen (68.1%) / 20 6/2 Stände

Parolen:
-Ja: Piratenpartei
-Nein: EDU, EVP, FDP, GLP (2), GPS (2), Mitte, PdA, SD, SP, SVP; SGV
-Stimmfreigabe: BastA
* in Klammern Anzahl abweichende Kantonalsektionen


Die Medien sprachen am Tag nach der Abstimmung von einer deutlichen Niederlage. Das Resultat zeige, dass die Stimmberechtigten mit dem System zufrieden seien, liessen sich die Gegnerinnen und Gegner vernehmen. «Das Volk hält den Wert der Institutionen hoch», interpretierte Justizministerin Karin Keller-Sutter das Resultat. Die Initiative habe zwar einige wunde Punkte aufgezeigt, sei aber zu extrem gewesen, um diese Probleme zu lösen, meinte Matthias Aebischer (sp, BE) in La Liberté. Die Initiantinnen und Initianten erklärten sich die Niederlage mit der zu wenig gut gelungenen Information der Bürgerinnen und Bürger über die Probleme des jetzigen Systems. Adrian Gasser machte zudem die einseitige Information durch die Bundesbehörden und die öffentlich-rechtlichen Medien, welche die Meinungsbildung beeinträchtigt habe, für das Scheitern der Initiative verantwortlich. Er kündigte zudem noch am Abend des Abstimmungssonntags einen weiteren Anlauf an. Innert zwei bis drei Jahren könne die Bevölkerung für die Fehlfunktionen im Justizsystem besser sensibilisiert werden. Er wolle deshalb bald mit der Sammlung von Unterschriften für eine identische Initiative beginnen.
Diskutiert wurden in den Medien freilich auch noch einmal die Schwachstellen des Systems, die nun angegangen werden sollten. Die Justizinitiative habe eine «Debatte rund um das Schweizer Justizsystem ausgelöst und uns zu Verbesserungen angespornt», lobte etwa Andrea Caroni im St. Galler-Tagblatt. So dürften die Diskussionen um mehr Transparenz bei den Parteienfinanzen zu einer Offenlegung der Mandatssteuern führen. Im Parlament hängig war zudem die in einer parlamentarischen Initiative von Beat Walti (fdp, ZH; Pa.Iv. 20.468) aufgeworfene Frage, ob diese Mandatssteuern nicht gänzlich abgeschafft werden sollen. Mit der Ablehnung eines Gegenvorschlags zur Justizinitiative schien hingegen die Frage einer Amtszeitverlängerung der Bundsrichterinnen und Bundesrichter vom Tisch, wie sie von der Schweizerischen Vereinigung der Richterinnen und Richtern am Tag nach der Abstimmung erneut gefordert wurde. Eine mögliche Professionalisierung der Kandidierendenauswahl bzw. die Ergänzung der GK durch eine Fachkommission, die Bewerbungen für Richterinnen- und Richterämter mitsichten soll, war ebenfalls Gegenstand einer noch hängigen parlamentarischen Initiative (Pa.Iv. 21.452).

Die VOX-Analyse fand nur schwache Muster, mit denen das Abstimmungsverhalten bei der Justizinitiative erklärt werden könnte. Personen mit einer Berufsbildung sagten etwas stärker Nein als andere Bildungskategorien. Sympathisantinnen und Sympathisanten der Grünen sagten mehrheitlich Ja – im Gegensatz zu den Anhängerinnen und Anhänger aller anderer Parteien. Hohes Vertrauen in die Judikative ging zudem eher mit einem Nein einher. Bei den Motiven für ein Ja zeigte sich der Wunsch nach Unabhängigkeit von Richterinnen und Richtern von den Parteien sowie nach einem System, das auch für Parteilose Chancen einräumt, als zentral. Ein Nein wurde hingegen laut VOX-Analyse eher mit der Skepsis gegenüber dem Losverfahren und der Meinung, dass das bisherige System gut funktioniere, begründet.

Justizinitiative (BRG 20.061)
Dossier: Unabhängigkeit der Judikative
Dossier: Justizinitiative

Im September 2019 reichte Olivier Feller (fdp, VD) eine Motion ein, mit welcher er eine Anpassung der Strassenverkehrsordnung forderte, damit Blaulichtorganisationen im Einsatzfall das vereinzelt eingeführte nächtliche Tempolimit von 30 km/h überschreiten dürfen. Feller legte dar, dass diese Temporeduktion ein grosses Problem für Polizei, Feuerwehr und Sanität darstelle. Dadurch liefen die Einsatzkräfte Gefahr, bei einer Übertretung des Limits angeklagt und «mit einer Freiheitsstrafe von einem bis zu vier Jahren und einem Entzug des Führerausweises für mindestens zwei Jahre bestraft» zu werden. Ausserdem könne die Einhaltung des Tempolimits Leben gefährden, wenn es dadurch zu einer Verlängerung des Einsatzes komme.
Der Bundesrat beantragte die Ablehnung der Motion. Er anerkenne, dass es in manchen Situationen zu einem Dilemma kommen könne. Er erachte die starke Ausdehnung der Strafbefreiung ohne Prüfung jedoch nicht als das richtige Mittel. Vielmehr möchte er das Anliegen im Rahmen des von ihm unterstützten Postulats Aebischer (sp, BE; Po.19.4113) prüfen.
Die Motion wurde in der Herbstsession 2021 vom Nationalrat behandelt. Zu diesem Zeitpunkt war das angesprochene Postulat Aebischer bereits angenommen und erfüllt worden. Olivier Feller gab im Plenum zu bedenken, dass der Bericht in Erfüllung des Postulats zwar interessant sei, aber keinen Zeitplan für konkrete Massnahmen zu Gunsten der Blaulichtorganisationen enthalte. Verkehrsministerin Sommaruga plädierte noch immer für Ablehnung der Motion und begründete diese Haltung damit, dass der Bundesrat plane, das Problem im Rahmen der anstehenden Revision des Strassenverkehrsgesetzes anzugehen. Darin würden verschiedene Massnahmen vorgeschlagen, die beispielsweise die Mindeststrafe bei Raserdelikten abschaffen und den Rasertatbestand selber weniger strikt definieren würden. Dadurch erhielten die Vollzugsbehörden mehr Ermessensspielraum. Der Nationalrat schenkte den Argumenten der Bundesrätin jedoch mehrheitlich kein Gehör und nahm die Motion mit 172 zu 20 Stimmen deutlich an. Die Gegenstimmen stammten ausschliesslich von Mitgliedern der Grünen-Fraktion.

Anpassungen bei Via sicura. Die Blaulichtorganisationen sollen unter Bedingungen arbeiten können, die ihnen die Erfüllung ihrer Aufgaben erlauben, auch bei Tempolimit 30 (Mo. 19.4067)

In der Herbstsession wurde die verschobene Debatte zur Motion von Baptiste Hurni (sp, NE), mit der dieser Betrug bei Unterschriftensammlungen bekämpfen möchte, nachgeholt. Der Motionär bedankte sich zuerst für die Verschiebung und zitierte Beispiele von aktuellen Unterschriftensammlungen, bei denen Unterschriften nachweislich auf betrügerische Weise gesammelt worden seien. Laut Zeugenaussagen hätten für das Referendum gegen den Vaterschaftsurlaub Unterschriften sammelnde Personen behauptet, sie seien für einen Urlaub für Väter, währen Sammelnde für das Referendum gegen die erweiterte Rassismusstrafnorm angegeben hätten, gegen Homophobie zu sein. Zahlreiche Unterzeichnende hätten somit wegen dieser Irreführung ihre Unterschrift genau für die gegenteilige Haltung in die Unterschriftenbögen gesetzt. Im Strafgesetzbuch sei «betrügerisches Einholen von Unterschriften durch Lügen oder Täuschung» nicht als strafbare Handlung vermerkt und die entsprechenden Unterschriften seien auch nicht ungültig. Beides solle auf der Basis seiner Motion geändert werden, so Hurni.
Der Bundesrat hatte die Motion zur Ablehnung empfohlen, weil er das Strafrecht nicht als geeignet erachtete, um die Demokratie zu schützen. Zudem würden direktdemokratische Prozesse verlängert, wenn nach einer Unterschriftensammlung zuerst ein Strafverfahren abgewartet werden müsste. Schliesslich könne eine «aus Unachtsamkeit oder Gutgläubigkeit» abgegebene Unterschrift bei der Volksabstimmung wieder korrigiert werden. Der Rat folgte dieser von Bundeskanzler Walter Thurnherr in der Ratsdebatte vorgebrachten Argumentation und versenkte den Vorstoss mit 109 zu 61 Stimmen (1 Enthaltung). Die Unterstützung für das Anliegen stammte aus dem rot-grünen Lager.

Betrug bei Unterschriftensammlungen bekämpfen (Mo. 19.4431)

Die beiden Kammern beugten sich in der Herbstsession 2021 über die Differenzbereinigung zur Revision des Filmgesetzes (Lex Netflix), die in derselben Session auch gelang. Damit fand die Debatte nach fast einem Jahr ein Ende – als mit Abstand letzte der verschiedenen Vorlagen zur Kulturbotschaft 2021-2024.

Der Nationalrat, welcher als erster an der Reihe war, befasste sich mit vier bestehenden Differenzen zur ständerätlichen Version des Gesetzes. Mit der Begründung, dass der vorgeschlagene Kompromiss für alle Beteiligten ausgewogen sei und eine gute Stärkung des Schweizer Films ermögliche, schloss sich die Mehrheit der WBK-NR in allen offenen Punkten dem Ständerat an.

Die erste Differenz bezog sich auf die vom Bundesrat vorgeschlagene Höhe der Investitionspflicht. Damit würden neu auch Online-Plattformen, wie etwa Netflix, verpflichtet, einen gewissen Prozentsatz ihres in der Schweiz erreichten Bruttogewinns in Schweizer Filme zu investieren. Die Frage war nun, wie hoch dieser Ansatz festgelegt werden sollte. Der Nationalrat hatte sich in der Herbstsession 2020 auf 1 Prozent geeinigt, was durch den Ständerat wieder rückgängig gemacht worden war. Dieser entschied in der Sommersession 2021, dem Entwurf des Bundesrates zu folgen, und verlangte eine Abgabe von mindestens 4 Prozent. Da dadurch inländische und ausländische TV-Stationen gleiche Bedingungen hätten und der Schweizer Film nachhaltig unterstützt und gefördert werden könnte, unterstützte die Mehrheit der WBK-NR mit 14 zu 10 Stimmen den Ständerat. Eine Kommissionsminderheit, angeführt von Peter Keller (svp, NW), forderte die Senkung der Investitionspflicht von 4 auf 2 Prozent. Der Schweizer Film werde bereits stärker gefördert als früher, 2013 mit rund CHF 100 Mio. und heute gemäss NZZ bereits mit bis zu CHF 150 Mio. jährlich. Mit diesem Gesetz würden nun ausländische Anbietende und Streaming-Dienste verpflichtet, den Schweizer Filmsektor «zwangsweise mit[zu]subventionieren», was einem liberalen Verständnis des Marktes mehr als widerspreche, wie Keller seine Minderheit begründete. Ausserdem warf er die Frage in den Raum, ob die Probleme beim Schweizer Film wirklich darauf zurückzuführen seien, dass dieser zu wenig Geld bekomme, oder nicht eher zu viel erhalte. «Wenn man der Katze jeden Tag ein Whiskas hinstellt, geht sie nicht mehr jagen. Staatsknete macht träge.» Mit 119 zu 71 Stimmen entschied der Nationalrat jedoch, der Kommissionsmehrheit und somit dem Entwurf des Ständerates zu folgen und die Investitionspflicht auf 4 Prozent anzusetzen. Die Fraktionen der SP und der Grünen stimmten geschlossen, die Fraktionen der Mitte und der Grünliberalen mit einer klaren Mehrheit für, die SVP-Fraktion geschlossen gegen die Kommissionsmehrheit. Die Fraktion der FDP.Liberalen zeigte sich stark gespalten, so stimmten 15 Mitglieder für den Mehrheitsantrag und 14 für die Minderheit Keller.

Als zweiter Punkt wurde die Frage diskutiert, welche Firmen von dieser Investitionspflicht ausgenommen werden sollen. Hier hatte der Nationalrat im Herbst 2020 beschlossen, dass nebst der SRG auch regionale TV-Anbietende sowie Kabelnetzbetreibende von dieser Regelung ausgeschlossen bleiben sollen. Dem widersprach jedoch der Ständerat im Sommer 2021, welcher nebst der SRG keine weiteren Ausnahmen ins Gesetz aufnehmen wollte. Auch hier folgte die Kommissionsmehrheit mit 13 zu 10 Stimmen dem Ständerat. Regionale Anbietende seien gar nicht von dieser Regelung betroffen, da diese sehr oft gar keine Filme zeigen würden, was eine Ausnahme für diese Fälle obsolet mache, so Matthias Aebischer (sp, BE) für die Kommissionsmehrheit im Rat. Eine Minderheit Kutter (mitte, ZH) verlangte Festhalten an dem Entwurf des Nationalrates. Schnelles Internet in allen Landesteilen sei ein extrem wichtiges Anliegen, welches auch der Bundesrat unterstütze. Ziel solle sein, Kabelnetzbetreibende dabei zu unterstützten, den dafür nötigen Ausbau so schnell wie möglich zu erreichen. Mit dieser Investitionspflicht werde diesen aber ein riesiger Stein in den Weg gelegt, weshalb Kabelnetzbetreibende im Interesse aller aus dieser Regelung ausgeschlossen werden sollten, wie der Minderheitensprecher sein Anliegen begründete. Auch hier folgte der Nationalrat jedoch mit 110 zu 77 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) der Kommissionsmehrheit und gab dem Ständerat in diesem Punkt nach. Die geschlossenen Fraktionen der SP und der Grünen sowie eine klare Mehrheit der Grünliberalen Fraktion stimmten für die Mehrheitsposition, die SVP-Fraktion, etwa die Hälfte der FDP.Liberalen-Fraktion sowie ein Drittel der Mitte-Fraktion sprachen sich für den Minderheitsantrag Kutter aus.

Die dritte Differenz drehte sich um Werbeleistungen zur Bewerbung von Schweizer Filmen und deren Anrechenbarkeit an die Investitionspflicht. Gemäss geltendem Recht können private TV-Sender den Schweizer Film in Form von Werbeminuten statt mit Geld unterstützen. Die offene Frage war nun, wie hoch der Werbebetrag sein darf, der an die Investitionspflicht angerechnet werden kann. Während der Bundesrat in seiner Botschaft vorsah, diese Möglichkeit der Anrechenbarkeit ganz abzuschaffen, hatte der Nationalrat eine Anrechenbarkeit von Werbeminuten im Umfang von bis zu CHF 1 Mio. vorgesehen. In der Differenzbereinigung setzte sich die nationalrätliche Kommissionsmehrheit dem Ständerat folgend für eine Anrechnung eines Betrags bis CHF 500'000 ein. Eine Kommissionsminderheit Kutter verlangte hingegen Festhalten an der vorher im Rat gefassten Position (CHF 1 Mio.). Kutter argumentierte damit, dass auch private Sender zunehmend mit rückläufigen Zahlen zu kämpfen hätten und alles andere als in Geld schwimmen würden. Der von der Kommissionsmehrheit berechnete Rückgang der Unterstützungszahlungen für den Schweizer Film von CHF 18 auf CHF 14 Mio. erachtete Kutter als vertretbaren Kompromiss. Stattdessen würden in Zukunft die Investitionen der Streaming-Anbietenden massiv zunehmen, was diesen Rückgang mehr als kompensieren werde. Der Nationalrat folgte aber auch hier mit 106 zu 85 Stimmen (bei 1 Enthaltung) wieder der Kommissionsmehrheit. Erneut stimmten die SP- und die Grüne Fraktion geschlossen für die Kommissionsmehrheit, die SVP-Fraktion geschlossen für die Kommissionsminderheit. Die Grünliberale Fraktion sprach sich mehrheitlich für den Mehrheitsantrag aus, während sich die FDP.Liberalen-Fraktion und die Mitte-Fraktion auch in dieser Frage gespalten zeigten.

Zu guter Letzt hatte das Parlament auch über eine von Christian Wasserfallen (fdp, BE) angeführte Minderheit zu befinden, der die gesamte «Lex Netflix», also jegliche Investitionspflicht, streichen wollte. Er argumentierte, dass es nicht zielführend sei, sich als kleine Schweiz mit Anbietenden wie Netflix anzulegen. Vielmehr sollte sich der Schweizer Filmsektor mit den Produzentinnen und Produzenten in Verbindung setzen und Kollaborationen anstreben, um von deren grossen Reichweite zu profitieren. Auch er betonte, dass die derzeitige Unterstützung in der Höhe von CHF 150 Mio. vom BAK, den Kantonen, Städten, Gemeinden und den SRG-Abgaben ausreichend sei. Lieber solle man sich auf die Qualität des Filmes berufen und bessere Drehbücher schreiben, dann hätte der Schweizer Film vielleicht auch bessere Chancen auf dem internationalen Markt, forderte er. Ein Drittel der FDP.Liberalen-Fraktion, die SVP-Fraktion sowie einzelne Mitglieder der Grünen und der Grünliberalen unterstützten Wasserfallen; mit 121 zu 65 Stimmen (bei 5 Enthaltungen) lehnte der Nationalrat den Minderheitsantrag Wasserfallen ab und hielt an der Lex Netflix fest.

Da in der Nationalratsdebatte alle inhaltlichen Differenzen beseitigt worden waren, ging es im Ständerat nur noch um zwei rein sprachliche Anpassungen. Diese wurden von der kleinen Kammer in der Folge diskussionslos und stillschweigend gutgeheissen.

Damit war die Vorlage nach langen Diskussionen im Oktober 2021 bereit für die Schlussabstimmungen. Im Nationalrat wurde die «Lex Netflix» mit 124 zu 67 (bei 3 Enthaltungen) angenommen. Die Fraktionen der SP, der Grünen und der GLP stimmten geschlossen für, die SVP-Fraktion geschlossen gegen den Gesetzesentwurf. Uneinig waren sich die Fraktionen der FDP.Liberalen und der Mitte, wobei jeweils eine Mehrheit für die Vorlage stimmte. Im Ständerat fand das Gesetz mit 32 zu 8 Stimmen (4 Enthaltungen) deutliche Zustimmung.

Revision des Filmgesetzes (Lex Netflix; BRG 20.030)

Im Juni 2021 vermeldeten die Medien, dass das SBFI eine Überprüfung der Titel in der Höheren Berufsbildung (HBB) plane. Das Staatssekretariat wolle diese Analyse vornehmen, um die Bildungsabschlüsse an den Höheren Fachschulen besser zu positionieren. Dabei solle auch die Einführung der Titel «Professional-Bachelor» und «Professional-Master» geprüft werden. Wie die Sonntagszeitung berichtete, führte Deutschland Anfang 2020 ebendiese akademischen Titel für Absolventinnen und Absolventen einer Berufslehre ein. Darauf reagierte Nationalrat Aebischer (sp, BE) mit einer Motion, die die Einführung der Bezeichnungen «Professional Bachelor» und «Professional Master» für die Abschlüsse der HBB forderte. Befürworter dieser Titeläquivalenz wie Aebischer oder Alt-Nationalrat Rudolf Strahm argumentierten, dass solche englischen Titel für die Höhere Berufsbildung gerade im Ausland einen Mehrwert generieren würden. In anderen Ländern würden die Schweizer Bezeichnungen nämlich nicht verstanden, wodurch Schweizer Absolventinnen und Absolventen der HBB anderen Stellenbewerberinnen und -bewerbern gegenüber schlechter gestellt würden. Diesem Argumentarium schloss sich auch SGV-Direktor Hans-Ulrich Bigler an. Die Kritikerinnen und Kritiker einer solchen Anpassung, namentlich swissuniversities und FH Schweiz, der Dachverband der Absolventinnen und Absolventen Fachhochschule, befürchteten hingegen gemäss Sonntagszeitung, dass die Einführung von Titeln in der HBB zu Verwechslungsgefahr mit den akademischen Abschlüssen auf der universitären und der Fachhochschul-Ebene führen würde.

Akademisierung der Höheren Berufsbildung
Dossier: Höhere Fachschulen

Im Differenzbereinigungsverfahren zur dritten Revision des Covid-19-Gesetzes bestanden noch vier offene Punkte: Die Verlängerungen der Geltungsdauer der Ausnahmebestimmungen beim Aktienrecht, bei den Massnahmen im Kulturbereich und bei den KAE für tiefe Einkommen sowie die ergänzende Regelung bei den Sportklubs, wonach diese auch 50 Prozent der Ausfälle aus den Ticketverkäufen vergütet bekommen sollten, wenn sie ihre Lohnsumme über die nächsten fünf Jahre erhöhen. Letztere Regelung, welche der Nationalrat auf Antrag der WBK-NR ergänzt hatte, stiess bei der Mehrheit der WBK-SR auf Unverständnis. Man bedauere «die Änderung der Spielregeln während des laufenden Spiels», betonte Hannes Germann (svp, SH) für die Kommission. Zumal in der nationalrätlichen Kommission und mit ihr im Nationalrat kein Widerstand gegen die Regelung auszumachen gewesen sei und zumindest keine Verordnungsänderung nötig würde, akzeptierte die ständerätliche Kommission die Regelung, «wenn auch ohne Begeisterung und mit einigen Bedenken». Stillschweigend bereinigte der Ständerat daraufhin diese Differenz.
Keinen Widerspruch von Seiten der WBK-SR gab es bezüglich der nationalrätlichen Änderung beim Aktienrecht: Stillschweigend sprach sich der Ständerat nach seinem Schwesterrat für die Verlängerung der Ausnahmeregelung zu den Generalversammlungen bis Ende 2021 aus.
Auch die Verlängerung der Erhöhung der KAE bei tiefen Einkommen auf 100 Prozent bis Ende 2021 hiess der Ständerat im zweiten Anlauf ohne Abstimmung gut.

Keine Zustimmung gab der Ständerat hingegen in der ersten Runde des Differenzbereinigungsverfahrens zur Verlängerung der Kulturhilfen bis Ende April 2022, wie sie der Nationalrat geschaffen hatte. Eine solche Verlängerung würde eine Ausnahme im Covid-19-Gesetz darstellen, dessen Massnahmen grösstenteils bis Ende 2021 begrenzt seien, und dem «Sinn und Geist einer Notfallgesetzgebung» widersprechen, argumentierte Germann für die Kommission. Zudem würde man dadurch ein Präjudiz für andere Branchen schaffen. Beide Argumente hob auch Finanzminister Maurer hervor, der überdies darauf hinwies, dass der Bundesrat die Sondergesetzgebung wenn möglich auf Ende 2021 aufheben möchte. In der Folge zeigten sich beide Räte unnachgiebig, der Nationalrat hielt etwa trotz den jeweiligen Minderheitsanträgen Gutjahr (svp, TG) mehrmals an der Verlängerung fest. In der grossen Kammer gewann jeweils das Argument, dass kulturelle Veranstaltungen auch in absehbarer Zukunft noch «unter erschwerten Bedingungen» durchgeführt werden müssten und die Verlängerungsdauer entsprechend mit der Geltungsdauer der Covid-19-Verordnung für Publikumsanlässe übereinstimme. Die Verlängerung sei folglich nötig, um Planungssicherheit zu schaffen. Dieses Argument überzeugte jedoch den Ständerat nicht, dieser lehnte die Regelung mehrmals ab. In der letzten Runde vor der Einigungskonferenz rang sich der Nationalrat durch und verzichtete mit 96 zu 88 Stimmen auf die Verlängerung der Kulturhilfen. Er folgte damit schlussendlich der Minderheit Gutjahr und stellte sich gegen seine Kommissionsmehrheit, die erneut Festhalten beantragt hatte.

Damit war die dritte Revision des Covid-19-Gesetzes aber noch nicht fertig beraten. In der Zwischenzeit hatte die WBK-NR einen Rückkommensantrag auf die ursprünglich von ihrer Schwesterkommission ergänzte und von beiden Kammern angenommene Ausnahme von den Zugangsbeschränkungen für Inhaberinnen und Inhaber mit einem Covid-19-Zertifikat bei öffentlich zugänglichen Einrichtungen, Veranstaltungen und Messen angenommen. Entsprechend durften die beiden Kammern diese Regelung erneut beraten. Nun zeigten sich beide Kommissionen nicht gänzlich zufrieden mit dieser Regelung, zumal unsicher sei, ob diese «überhaupt durchsetzbar sei» (Germann). Folglich beschäftigte sich der Nationalrat im Differenzbereinigungsverfahren zuerst noch einmal damit. Die Kommissionssprechenden Roth Pasquier (mitte, FR) und Aebischer (sp, BE) führten dieselben Argumente gegen die Regelung an wie bei der ersten Behandlung: Sie stelle eine unnötige Hürde für den Bundesrat dar und führe zu einer Zweiklassengesellschaft für Personen mit und ohne Zertifikat. Neu sorgte man sich aber auch davor, dass sich die Regelung aufgrund ihrer weiten Formulierung nicht nur auf Grossveranstaltungen, sondern auch auf den Restaurantbesuch beziehen könnte. Dadurch könnten zukünftig Personen mit Zertifikat im Restaurant «stehen und an Zehnertischen feiern», während Personen ohne Zertifikat «mit Maske und Registrierung nur an Sechsertischen platziert werden dürften». Daher beantragte die Kommissionsmehrheit einmal mehr die Streichung der Regelung, während eine Minderheit Kutter (mitte, ZH) dieses Problem durch eine ausdrückliche Beschränkung der Regelung auf Veranstaltungen und Messen lösen wollte. Damit könne man den Personen mit Zertifikat «einen Teil ihrer individuellen Freiheiten» zurückgeben und gleichzeitig die Kapazitäten von Veranstaltungen und Messen erhöhen. Der Nationalrat folgte jedoch seiner Kommissionsmehrheit und strich die Bestimmung. Dies kam bei der ständerätlichen Kommission nicht gut an: Kommissionssprecher Germann betonte, man habe den Rückkommensantrag gutgeheissen, um die Regelung zu verbessern, nicht um sie zu streichen. Der Ständerat setzte in der Folge auf den Vorschlag von Philipp Kutter im Nationalrat und lehnte einen Minderheitsantrag Graf (gp, BL) auf Streichung ab. Da sich die beiden Kammern in dieser Frage bis zum Schluss des Differenzbereinigungsverfahrens nicht einig wurden, musste dafür eine Einigungskonferenz einberufen werden. Diese schlug diskussionslos, wie Hannes Germann betonte, vor, in dieser Frage dem Nationalrat zu folgen und die Bestimmung zu streichen. Der Ständerat hiess den Antrag der Einigungskonferenz mit 37 zu 0 Stimmen (bei 1 Enthaltung) gut, der Nationalrat stimmte ihm mit 148 zu 9 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) zu.

Die Ergebnisse der Schlussabstimmungen wiederspiegelten diejenigen der vorangegangenen Revisionen des Covid-19-Gesetzes: Während der Ständerat die Revision mit 44 zu 0 Stimmen einstimmig annahm, zeigte sich der Nationalrat nicht gänzlich geschlossen: Er nahm die Änderung mit 174 zu 18 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) an, wobei die ablehnenden und enthaltenden Stimmen von Mitgliedern der SVP-Fraktion stammten.

Dritte Revision des Covid-19-Gesetzes (Änderung Covid-Erwerbsersatz und Massnahmen im Sportbereich; BRG 21.033)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

Nicht wie im Vorjahr erst in der Herbstsession, sondern wie gewohnt in der Sommersession nahmen National- und Ständerat Kenntnis vom Geschäftsbericht 2020 des Bundesrates. In diesem Bericht legt die Regierung jahrweise einen Soll-Ist-Vergleich zwischen Legislaturplanung, Jahreszielen und im entsprechenden Jahr erledigten oder angegangenen Geschäften vor. Covid-19 war nicht nur schuld an der Verschiebung der Beratung im Jahr 2020, sondern auch weiterhin zentraler Gegenstand im Bericht und der parlamentarischen Beratung darüber. So bot der Bundesrat in einem eigenen Kapitel des Berichts eine Übersicht über die Entwicklungen der Pandemie und über alle rund 250 im Jahr 2020 dazu gefällten Bundesratsbeschlüsse. Er leitete den Bericht zudem mit dem Hinweis ein, dass zahlreiche Projekte wegen der Coronapandemie nicht so weit gediehen seien, wie geplant.

Im Ständerat erörterte Maya Graf (gp, BL) den Bericht für die GPK-SR. Das Management der Covid-19-Krise ziehe sich wie ein roter Faden durch den Bericht. Sie erinnere zudem daran, dass eine von der GPK einberaumte Inspektion zur Bewältigung der Pandemie am Laufen sei. Die GPK würden den Bericht und die Anhörungen der Departementsvorsteherinnen und -vorsteher jeweils mit Querschnittthemen versehen. Beim ersten Querschnittthema «Krisenmanagementstrukturen» habe sich die GPK informiert, ob solche Strukturen in Normalzeiten geplant gewesen seien, jetzt eingesetzt würden und wie gut dies funktioniere. Beim Thema «Cybersicherheit» habe sich die GPK zur IT-Sicherheit in den Departementen erkundigt und dazu, wo es diesbezüglich Verbesserungen brauche. Im Anschluss an die Ausführungen der GPK-Präsidentin ergriffen die Präsidenten der verschiedenen Subkommissionen das Wort, die basierend auf dem Geschäftsbericht jeweils zwei Departemente sowie die Bundeskanzlei genauer unter die Lupe genommen hatten.
Charles Juillard (mitte, JU) berichtete über das VBS und das EDA. Hier hob der Sprecher den Aktionsplan für die Cyberverteidigung hervor, bei dem praktisch alle Ziele erreicht worden seien. Hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz habe das VBS, das insbesondere aufgrund der Luftwaffenflotte und der schweren Militärfahrzeuge jährlich Emissionen von 200'000 Tonnen CO2 verursache, verschiedene Massnahmen ergriffen, um das 40-Prozent-Reduktionsziel bis 2030 zu erreichen. Im Rahmen des Programms «Natur, Landschaft und Armee» leiste das VBS zudem einen Beitrag zur Erhaltung der Biodiversität. Beim EDA sei der Umgang mit der Pandemie genauer geprüft worden. Die GPK verfolge in diesem Departement zudem die Entwicklung bezüglich der Personalsituation.
Daniel Fässler (mitte, AI) erörterte die Berichtsteile, die dem EJPD und der BK zugeordnet waren. Er hob hier den Informationsaustausch bei der Polizeiarbeit hervor. Dieser funktioniere national und international noch nicht, wie er sollte. Insbesondere die Möglichkeiten der Digitalisierung würden zu wenig gut eingesetzt. International solle dem mit verschiedenen Abkommen begegnet werden. National stosse man aber «offenkundig an Grenzen des Föderalismus», deren Aufhebung man im EJPD aber in Angriff nehmen wolle, damit alle kantonalen Polizeikorps Zugriff auf alle verschiedenen kantonalen Datenbanken erhielten, um Kriminalität effizienter bekämpfen zu können. Im Gespräch mit dem Bundeskanzler Walter Thurnherr sei es insbesondere um die Digitalisierung in der Bundesverwaltung gegangen. Ab 1. Januar 2021 werde das Informatiksteuerorgan des Bundes aufgelöst und dessen Aufgaben – insbesondere Koordination und Unterstützung bei der Umsetzung der Digitalisierung – von einer neuen Verwaltungseinheit innerhalb der BK übernommen. Dies sei eine grosse Aufgabe, bei der man erst am Anfang stehe. Darüber hinaus werde man sich hier auch dem Problem der Fremdbestimmung durch mächtige IT-Unternehmen stellen müssen.
Matthias Michel (fdp, ZG) nahm das EFD und das WBF genauer unter die Lupe. Auch hier sei Digitalisierung ein zentraler Punkt. Es sei zwar erfreulich, dass 2021 «nicht weniger als 13 Massnahmen» umgesetzt worden seien, um das Ziel 2 der Legislaturplanung – die effiziente und möglichst digitale Erbringung der staatlichen Leistungen – zu erreichen. Im aktuellen Bericht sei aber nur «ein einziges – ein einziges! – quantifizierbares Ziel», also nur ein Indikator angegeben; die Entwicklung im Bereich der Digitalisierung müsse adäquater gemessen werden. «Etwas mehr Substanz in der Berichterstattung» wünschte sich der Kommissionssprecher auch im Bereich der Berufsbildung, auch wenn dies eine Verbundaufgabe mit den Kantonen darstelle.
Marco Chiesa (svp, TI) berichtete schliesslich zu den Berichtsteilen des EDI und des UVEK. Beim EDI seien in den Gesprächen vor allem die Massnahmen gegen die Covid-Pandemie Gegenstand gewesen. Alain Berset habe erklärt, dass sich der Bundesrat darauf konzentriert habe, die Auswirkungen der Krise auf die Bevölkerung und die Wirtschaft möglichst zu begrenzen. Das begrenzte Wissen und die unvollständigen Informationen hätten immer wieder Anpassungen bedingt. Eine wichtige Massnahme seien deshalb auch die Tests gewesen, bei denen sehr rasch eine funktionierende Infrastruktur habe aufgebaut werden können. Als schwierig habe sich die Entwicklung einer Impfstrategie entpuppt, weil der Verlauf der Pandemie nicht vorhersehbar gewesen sei. Die Schweiz sei aber mittlerweile eines der wenigen Länder, das mRNA-Impfstoffe für die ganze Bevölkerung anbieten könne. Zum UVEK äusserte sich Chiesa nicht.
Am Schluss der Ratsdebatte meldete sich Bundespräsident Guy Parmelin zu Wort. Der Bundesrat sei – obwohl zahlreiche geplante Massnahmen wegen Covid-19 nicht hätten umgesetzt werden können – zufrieden mit der Zielerreichung. Würden normalerweise rund 40 Bundesratssitzungen in einem Jahr stattfinden, seien es im Jahr 2020 mehr als 60 gewesen. Zudem seien wesentlich mehr Vorstösse eingereicht worden als in früheren Jahren, was die enorme Arbeitsbelastung für den Bundesrat noch weiter erhöht habe. Die Regierungsarbeit sei aber nur möglich, «parce que de nombreux employés de la Confédération ne regardaient ni leur montre ni le jour de la semaine». Dafür sei der Bundesrat sehr dankbar. Auch Parmelin ging auf ein paar Punkte des Berichts ein, darunter die beschlossenen Massnahmen zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie, die Verabschiedung der BFI-Botschaft, den Bericht zur Finanzierung des Betriebs und Substanzerhalts der Bahninfrastruktur, das «dossier éléphantesque» zu den Verordnungsänderungen im Rahmen des revidierten Krankenversicherungsgesetzes und darin die Planung des Bedarfs an Ärztinnen und Ärzten oder die bundesrätliche Position zur Europapolitik. In der Folge nahm der Ständerat den Bundesbeschluss über den Geschäftsbericht des Bundesrates für das Jahr 2020 stillschweigend an.

Dies tat gleichentags auch der Nationalrat, wo Erich von Siebenthal (svp, BE), Thomas de Courten (svp, BL), Yvonne Feri (sp, AG) und Nicolo Paganini (mitte, SG) die Berichterstattung übernahmen. Grösstenteils nahmen sie die gleichen Punkte auf wie in der kleinen Kammer.
Eine Ausnahme stellte der Bericht von Thomas de Courten dar, der auf das UVEK einging: Der Bundesrat habe im Berichtjahr die wichtigen Ausbauschritte für den Strassen- und Schienenverkehr geplant und werde hier dem Parlament, das darüber zu entscheiden habe, bald einen Bericht vorlegen. Darüber hinaus erwähnte der Kommissionssprecher die «etwas chaotische» Situation in der Covid-Task-Force Anfang Jahr, was sich mit dem Einbezug der Wissenschaft in eine Science Task Force verbessert habe.
Nicolo Paganini erwähnte zudem die IZA-Strategie, mit der die Bereiche der humanitären Hilfe und der Entwicklungszusammenarbeit enger zusammengefasst würden. Auch das «drastische Räumungskonzept» in Mitholz fand Erwähnung im Bericht von Paganini.
Auch im Nationalrat hob schliesslich Bundespräsident Guy Parmelin die wichtigsten Punkte des Berichts hervor – auch dieses Votum unterschied sich kaum von jenem im Ständerat – und auch die grosse Kammer stimmte dem Bundesbeschluss diskussionslos zu und nahm den Bericht zur Kenntnis.

Geschäftsbericht des Bundesrates 2020 (BRG 21.001)
Dossier: Geschäftsberichte des Bundesrats

Anfang Juni gab die GK ihre Wahlvorschläge für die beiden vakanten ordentlichen deutschsprachigen Gerichtsstellen am Bundesgericht bekannt: Sie beantragte für die Amtsperiode 2021-2026 die Wahl von Stephan Hartmann (gp) und Marianne Ryter (sp), die Andreas Zünd (sp) und Hansjörg Seiler (svp) ersetzen sollten. Zünd war an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gewählt worden und Seiler ging in Pension. Die GK habe sich aus 22 Bewerbungen (10 von Frauen) für die beiden vorgeschlagenen Personen entschieden, die zudem mit der GP und der SP zwei Parteien vertreten, die im Bundesgericht «stark untervertreten» seien.
Während der Wahlvorschlag für Stephan Hartmann von allen Fraktionen unterstützt wurde, sprach sich die SVP-Fraktion aufgrund «schwerwiegender Vorwürfe» gegen die Wahl der aktuellen Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts, Marianne Ryter, aus. Die SVP-Minderheit in der GK beantragte entsprechend, die für die Sommersession 2021 vorgesehene Wahl auf die Herbstsession zu verschieben und anstelle von Marianne Ryter den aktuell nebenamtlichen Bundesrichter Markus Berger (sp) zu wählen.
In einer Medienmitteilung konkretisierte die SVP die Vorwürfe: Ryter habe ihre Fürsorgepflicht als Gerichtspräsidentin verletzt, weil sie wegen eines «Mobbing-Falls» gegen einen SVP-Richter am BVGer keine Untersuchung eingeleitet habe. Es gelte die Unschuldsvermutung, aber die Vorwürfe seien bei der Anhörung Ryters nicht ausgeräumt worden, weshalb es hier eine Untersuchung und entsprechend eine Verschiebung der Wahl brauche – so das Communiqué der Volkspartei.
Es kam – nachdem GK-Präsident Andrea Caroni (fdp, AR) erklärt hatte, dass die Kommission mehrheitlich zum Schluss gekommen sei, dass es keine Anhaltspunkte gebe, die eine Wahl von Marianne Ryter in Frage stellen würden – zu einem teilweise recht heftigen Schlagabtausch in der Versammlung: Die SVP versuchte zu zeigen, dass gewichtige Fragen zur Integrität von Marianne Ryter bestehen, während die Sprecherinnen und Sprecher der anderen Fraktionen der SVP mehr oder weniger vorwarfen, die Richterwahlen zu «verpolitisieren» (Mathias Aebischer, sp, BE) bzw. «Kampagnen» zu betreiben (Sibel Arslan basta, BS). Lorenz Hess (bdp, BE) warnte mit Verweis auf die anstehende Justizinitiative, dass das Parlament gut daran täte, «hier zu zeigen, dass wir in der Lage sind, korrekte Prozesse durchzuführen». In der Folge lehnte die Vereinigte Bundesversammlung den Minderheitenantrag ab. Die Ständerätinnen und Ständeräte taten dies per Namensaufruf mit 39 zu 6 Stimmen, die elektronische Abstimmung der Nationalrätinnen und Nationalräte ergab ein Stimmenverhältnis von 180 zu 55 Stimmen. Der Minderheitsantrag wurde lediglich von der SVP-Fraktion unterstützt. Diese Opposition zeigte sich dann noch einmal bei der Wahl: Von den 235 eingelangten Wahlzetteln waren 6 leer und 229 gültig. Der Name «Stefan Hartmann» stand auf 223 dieser Zettel, der Name «Marianne Ryter» hingegen lediglich 161 Mal. Er war in 58 Fällen mit dem Namen «Markus Berger» ersetzt worden.
In den Medien wurden in der Folge der «Sittenzerfall in der Bundesjustiz» (Aargauer Zeitung) und das «zu sorglose» Parlament (NZZ) kritisiert. Damit würde «Wasser auf die Mühlen» der Kritikerinnen und Kritiker dieses Wahlsystems geleitet, so die NZZ.

Wahlen ans Bundesgericht

Die WBK-NR reichte im Januar 2021 eine Motion zur Kulturvermittlung zugunsten des literarischen und kulturellen Erbes durch Buchhandlungen ein, mit der sie den Bundesrat dazu aufforderte, in der nächsten Kulturbotschaft ab 2025 eine Unterstützung für Buchhandlungen nach dem Subsidiaritätsprinzip einzubauen. Dies sei nötig, da Buchhandlungen einen wichtigen Beitrag zur Kultur der Schweiz leisteten und langsam aber sicher verschwinden würden. So hätten vor 20 Jahren noch über 600 existiert, während es heute noch gerade 394 Buchhandlungen gebe, wie Matthias Aebischer (sp, BE) als Sprecher der Kommissionsmehrheit argumentierte.
Der Bundesrat beantragte die Ablehnung der Motion, da die Bedeutung der Buchhandlungen in der Schweiz bereits in der Kulturbotschaft 2021-2024 anerkannt worden sei. Jedoch könne keine Unterstützung auf nationaler Ebene gewährt werden, da die Kulturförderung erstens in der Verantwortlichkeit der Kantone liege, es zweitens nicht möglich sei, einen einzelnen Kultursektor bevorzugt zu behandeln, es sich drittens um privatwirtschaftliche Unternehmen handle, welche eine eigene unternehmerische Verantwortung trügen, und die Buchhandlungen viertens aufgrund der Möglichkeit des Onlineversandes während der Pandemie besser gestellt gewesen seien als andere Kultursektoren. Dadurch sei eine solche Vorrangstellung der Buchhandlungen nicht zu rechtfertigen, wie Bundesrat Alain Berset in der Ratsdebatte erläuterte. Phillip Kutter (mitte, ZH) stimmte der Argumentation des Bundesrates als Vertreter der Kommissionsminderheit, welche Ablehnung der Motion beantragte, zu. Ergänzend hielt er fest, dass diese Motion die nächste Kulturbotschaft negativ beeinflussen würde, da es zentral sei, diese jeweils als Gesamtes zu betrachten. Durch eine isolierte Vorwegnahme einzelner Anliegen würde dies jedoch unmöglich gemacht. Der Nationalrat folgte der Empfehlung des Bundesrates sowie der Minderheit Kutter und lehnte die Motion in der Sommersession 2021 mit 94 zu 84 Stimmen bei 7 Enthaltungen ab.

Kulturvermittlung zugunsten des literarischen und kulturellen Erbes durch Buchhandlungen (Mo. 21.3011)

Wie kann der Bundesrat Fehlinformationen bei Volksabstimmungen verhindern? Antworten auf diese Frage forderte die CVP-Fraktion 2019 mittels Postulat, nachdem sich herausgestellt hatte, dass im Vorfeld der Abstimmung zur CVP-Volksinitiative «für Ehe und Familie» falsche Angaben zur Zahl der Ehepaare gemacht worden waren, die von der so genannten Heiratsstrafe betroffen sind. Die Angabe von 80'000 statt 454'000 Paaren war später gar vom Bundesgericht als gravierend beurteilt worden.
Für eine klare Meinungsäusserung brauche es korrekte Informationen bei Volksabstimmungen, argumentierte Leo Müller (mitte, LU) im Namen der nun als Mitte-Fraktion antretenden CVP in der Sommersession 2021. Der Bundesrat stehe in der Pflicht, die «objektive Meinungsbildung des Stimmvolks in Zukunft zu garantieren» und solle deshalb ein Strategiepapier ausarbeiten, wie er dies zu tun gedenke. Quantitative Angaben müssten in der Tat vollständig und korrekt sein – nicht nur für die Stimmbevölkerung, sondern auch für Bundesrat, Parlament und Verwaltung, betonte Bundeskanzler Walter Thurnherr. Dem sei sich die Regierung durchaus bewusst. Bereits 2019 habe man Massnahmen für mehr Verlässlichkeit von Daten im Vorfeld von Abstimmungen ergriffen. So versuche man etwa die Entwicklung von Daten über die Zeit – zwischen der Botschaft und den Informationen im Abstimmungsbüchlein vergehen nicht selten Jahre und die Angaben können sich über diese Zeit verändern – besser im Auge zu behalten. Mit einem sogenannten «Quick-Check» versuche man zudem, verwaltungsintern mögliche Folgekosten von neuen Regulierungen frühzeitig abzuschätzen. Ein Postulatsbericht, wie er von der Mitte-Fraktion gefordert werde, generiere also keinen Mehrwert – so der Bundeskanzler. Dies sah die grosse Kammer freilich anders: Mit 155 zu 25 Stimmen (2 Enthaltungen) verlangte eine grosse Mehrheit ein entsprechendes Strategiepapier. Nur die FDP-Fraktion lehnte den Vorstoss ab.

Korrekte Informationen bei Volksabstimmungen (Po. 19.3435)

Als «Sargnägel bezüglich der Konkordanz» bezeichnete Benedikt Würth (mitte, SG) die zunehmenden Indiskretionen im Rahmen von Verhandlungen des Bundesrats. Vor allem während der Covid-19-Pandemie habe das «System» der Indiskretionen noch zugenommen. Er mache den Medien keinen Vorwurf, dass sie von diesem Malaise profitierten, aber es gehe nicht an, dass Anträge von Regierungsmitgliedern in der Presse erschienen, bevor das Kollegium über sie beraten habe, und dann im Nachgang der Beratungen auch noch nachgelesen werden könne, wer im Bundesrat wie gestimmt habe. Wenn die «inhaltliche Konkordanz», also das Kollegialsystem, gerettet werden solle, dann müssten Massnahmen gegen Indiskretionen diskutiert und umgesetzt werden. Indiskretionen würden zudem vor allem die in Krisen bedeutende Kommunikationsstrategie behindern. Der Bundesrat können so nicht mehr mit einer Stimme sprechen. Die Regierung dürfe nicht einfach zu einer «Konferenz von sieben Departementsvorstehern» verkommen. Hart ins Gericht ging Würth deshalb mit der Verwaltung: Die «Stäbe der Departemente [hätten] in ihrem Informationsmanagement letztlich nur die mediale Positionierung des eigenen Bundesrates im Fokus und dabei [sei] jedes Mittel recht». Es müssten deshalb strafrechtliche Konsequenzen für fehlende Integrität geschaffen werden – so die Hauptforderung des Vorstosses. Unterstützung fand der St.Galler Kantonsvertreter bei Andrea Caroni (fdp, AR), der anregte, das Anliegen auch auf die Legislative auszuweiten. Immer wieder könnten «mit schöner Regelmässigkeit» in den Medien Informationen gelesen werden, die eigentlich dem Kommissionsgeheimnis unterstünden. Der Bundesrat, in der Ratsdebatte während der Sommersession 2021 vertreten durch Bundeskanzler Walter Thurnherr, empfahl die Motion zur Ablehnung. Indiskretionen würden zwar die Zusammenarbeit erschweren und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Bundesrat untergraben, seien kriminell und zeugten von Charakterschwäche, es gebe aber bereits klare Regelungen, wie dagegen vorgegangen werden könne. Zudem könne nicht von einem «System» gesprochen werden, weil ganz viele Informationen den Weg nach draussen eben nicht fänden. Thurnherr nannte das Beispiel von als geheim klassierten Geschäften, bei denen Dokumente versiegelt, vom Weibel persönlich überbracht und nur gegen Unterschrift abgegeben würden. Statt vergangene Indiskretionen in einem Bericht aufzuarbeiten, schlage der Bundesrat vielmehr eine klare Haltung gegen Indiskretion und eine striktere Anwendung der geltenden Vorschriften vor. Einer Mehrheit von 29 zu 15 Stimmen genügte dieser bundesrätliche Vorschlag allerdings nicht; sie hiess den Vorstoss gut und schickte ihn weiter an den Nationalrat.

Massnahmen gegen Indiskretionen (21.3080)

Einige Tage später setzte sich der Nationalrat mit der dritten Revision des Covid-19-Gesetzes auseinander. Marie-France Roth Pasquier (mitte, FR) und Matthias Aebischer (sp, BE) berichteten für die WBK-NR von den Kommissionsentscheiden: Unumstritten seien auch hier die Vorschläge des Bundesrates gewesen, da auch der Nationalrat ein abruptes Auslaufen der Covid-Hilfen verhindern wolle. Zusätzlich zu den neuen ständerätlichen Regelungen lägen jedoch auch im Nationalrat verschiedene Vorschläge von Kommissionsmehrheit und -minderheiten vor.

In der Eintretensdebatte forderten die SVP- und die FDP-Fraktion eine Rückkehr zur Normalität, während sich die GLP insbesondere gegen die Maskenpflicht im Freien aussprach. Auch die Mitte-, die SP- und die Grünen-Fraktionen zeigten sich über die bereits erfolgten Lockerungen erfreut, sprachen sich aber für einen «kontrollierten Ausstieg» aus den Covid-19-Massnahmen aus. Eintreten war in der Folge unbestritten.
Widerstandslos verlängerte der Nationalrat die Covid-19-Erwerbsausfallentschädigungen bis Ende 2021, wie es der Bundesrat vorgeschlagen hatte. Stillschweigend stimmte er auch der Aufhebung der Obergrenze der A-Fonds-perdu-Beiträge für die Sportklubs zu. Gleichzeitig nahm er aber auch eine ergänzende Bestimmung der WBK-NR an, welche die Regelungen zu den A-Fonds-perdu-Beiträgen erneut ändern wollte. Ursprünglich hatte das Parlament entschieden, dass nur Klubs, die bestimmte Vorgaben erfüllen – darunter eine Reduktion der Löhne und ein Verzicht auf Lohnerhöhung während fünf Jahren – A-Fonds-perdu-Beiträge in der Höhe von 66 Prozent ihrer entgangenen Ticketeinnahmen erhalten sollen. In der Frühjahrssession 2021 hatte das Parlament diese Regelung insofern abgeschwächt, als die Sportklubs auch ohne die Erfüllung einer dieser Vorgaben, nämlich der Lohnreduktion, Finanzhilfen in der Höhe von 50 Prozent der entgangenen Ticketeinnahmen erhalten sollten – aber eben nicht die vollen 66 Prozent. Nun habe sich aber auch neben der Lohnreduktion auch die Klausel zum Verbot der Lohnerhöhungen als problematisch erwiesen, weshalb diese Regel ebenfalls geändert werden soll, wie Matthias Aebischer für die Kommission erklärte. Demnach sollen neu Sportklubs, welche die Gesamtlohnsumme aller Mitarbeitenden und aller Spielerinnen und Spieler in den nächsten fünf Jahren erhöhen, nur die erhaltenen A-Fonds-perdu-Beträge, die 50 Prozent der entgangenen Ticketeinnahmen übersteigen, – nicht aber die gesamten erhaltenen A-Fonds-perdu-Beiträge – zurückzahlen müssen.

Auch weitere Entscheidungen wurden ohne grosse Diskussionen getroffen: So entschied der Nationalrat auf Vorschlag der WBK-NR auch, die Ausnahmeregelung zur Durchführung von Generalversammlungen von Aktiengesellschaften auf schriftlichem oder elektronischem Weg bis Ende 2021 zu verlängern – der Ständerat hatte eine Verlängerung bis zum Inkrafttreten der Revision des Aktienrechts oder spätestens bis Ende 2023 vorgesehen.
Stillschweigend folgte der Nationalrat seiner Kommission zudem bei der Verlängerung der 100-prozentigen Kurzarbeitsentschädigung für Personen mit tiefen Einkommen bis Ende 2021. Hingegen lehnte die grosse Kammer einen Antrag Piller Carrard (sp, FR), basierend auf einem Mitbericht der SGK-NR, ab und sprach für die Zeit zwischen Juni und Dezember 2021 keine zusätzlichen Taggelder. Umstrittener war zudem der Antrag der Kommissionsmehrheit auf Verlängerung der Massnahmen im Kul­turbereich bis Ende April 2022: Eine Minderheit Gutjahr (svp, TG) hatte sich hier für einen Verzicht auf die vorzeitige Verlängerung ausgesprochen, war aber mit 96 zu 91 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) knapp unterlegen.

Besonders umstritten waren schliesslich die vom Ständerat eingefügten Änderungen: Die Streichung der Möglichkeit für Zugangsbeschränkungen zu öffentlich zugänglichen Einrichtungen und Veranstaltungen, sobald alle impfwilligen Erwachsenen geimpft sind, hatte die Kommission zuvor mit 12 zu 10 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) abgelehnt. Auch das ähnliche Anliegen, Inhaberinnen und Inhaber eines Covid-Zertifikats von Zugangsbeschränkungen auszunehmen, hatte bei der WBK-NR mit 11 zu 11 Stimmen bei 2 Enthaltungen und Stichentscheid der Vizepräsidentin knapp keine Zustimmung gefunden. Beide Anträge würden den Handlungsspielraum des Bundesrates einschränken, kritisierte Roth Pasquier für die Kommissionsmehrheit. Man lehne zudem generell die Aufnahme von Terminen und Kriterien ins Covid-19-Gesetz ab. Christian Wasserfallen (fdp, BE) befürwortete hingegen insbesondere diesen «GGG-Ansatz» (Geimpfte, Genesene oder Getestete), mit dem man die Lockerungen vorantreiben könne. In der Folge sprach sich die grosse Kammer mit 106 zu 81 Stimmen (bei 1 Enthaltung) und mit 103 zu 78 Stimmen (bei 1 Enthaltung) für beide Minderheitsanträge auf Annahme der Bestimmungen aus und folgte damit dem Ständerat. Zustimmung fanden diese bei der SVP-, der FDP.Liberalen-, einer Mehrheit der Mitte-Fraktion und einem Teil der GLP-Fraktion.

Zu einer eigentlichen Antragsflut der SVP-Fraktion kam es bei den Massnahmen im Bereich der Gesundheitsversorgung sowie zum Covid-19-Zertifikat. Dabei forderten Mitglieder der Fraktion unter anderem die Aufhebung der Maskenpflicht – im Allgemeinen (Haab, svp, ZH), für Personen mit Covid-19-Zertifikat (Martullo, svp, GR), im Freien (mit Ausnahmen für Veranstaltungen; Haab), bei Kindern und Jugendlichen auf der Primar- und Sekundarstufe I und II (Haab) sowie im Aussenbereichen von Schularealen (Aeschi, svp, ZG). Erneut ging es auch um Fragen des Umgangs mit dem Covid-19-Zertifikat. So wurde beantragt, dass dieses ausschliesslich für den internationalen Reiseverkehr und für Grossveranstaltungen in Innenräumen mit mehr als 5'000 Teilnehmenden, in Diskotheken und bei Tanzveranstaltungen gelten soll, nicht aber zum Beispiel für einen Restaurantbesuch (Gutjahr, ähnlich auch Addor (svp, VS), Aeschi sowie als einziges Mitglied einer anderen Fraktion Léonore Porchet (gp, VD)). In einem weiteren Antrag sollte die Nutzung des Zertifikats in der Schweiz bis Ende September 2021 begrenzt werden (Aeschi). Des Weiteren sollten Veranstaltungen für Geimpfte von der Verpflichtung zu zusätzlichen Massnahmen wie einem Schutzkonzept oder einer Maskenpflicht befreit werden (Herzog, svp, TG). Andere Vorstösse verlangten Rechtsgleichheit für die Impfunwilligen (Gafner, edu, BE), die Auflösung des Mandats der Swiss National Covid-19 Science Task Force (Keller, svp, NW) oder ganz allgemein ein Ende der Einschränkungen – etwa der Homeofficepflicht (Gutjahr), der Personenobergrenzen bei Veranstaltungen, Versammlungen, in Läden oder beim Schulunterricht sowie der Einschränkungen für Restaurants, sobald 80 Prozent der über 65-Jährigen geimpft sind (Aeschi) –, eine Streichung der Ordnungsbussen für Maskenverweigernde (Gafner) sowie eine systematische Kontrolle der Landesgrenzen (Aeschi) und eine Einreisebeschränkung für Personen ohne Covid-19-Zertifikat (Aeschi). Keiner der Anträge fand im Nationalrat jedoch eine Mehrheit.

Mit 149 zu 39 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) verabschiedete der Nationalrat in der Folge die dritte Revision des Covid-19-Gesetzes in der Gesamtabstimmung. Sämtliche Nein-Stimmen und Enthaltungen stammten von Mitgliedern der SVP-Fraktion.

Dritte Revision des Covid-19-Gesetzes (Änderung Covid-Erwerbsersatz und Massnahmen im Sportbereich; BRG 21.033)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

Der Bundesrat veröffentlichte Ende März 2021 einen Bericht in Erfüllung des Postulates Aebischer (sp, BE) «Anpassung der Bussen bei Blaulichtfahrern im Notfalleinsatz». Um die im Postulat gestellten Fragen zu beantworten, hatte der Bundesrat ein Rechtsgutachten erstellen lassen. Dieses kam zum Schluss, «dass die bestehenden gesetzlichen Grundlagen genügten, damit verhältnismässige Verkehrsregelverletzungen von Führerinnen und Führern von Dienstfahrzeugen im Notfalleinsatz nicht bestraft würden und auch kein Führerausweisentzug erfolge». Lediglich beim so genannten «Rasertatbestand» hätten die Gerichte das Mindeststrafmass bislang grundsätzlich nicht unterschritten. Daher möchte der Bundesrat dieses Thema im Rahmen der anstehenden Teilrevision des Strassenverkehrsgesetzes aufgreifen. Gemäss Vorschlag des Bundesrates soll bei einer grossen Tempolimitüberschreitung nicht mehr automatisch ein Delikt wegen Raserei vorliegen; die Gerichte müssten dies im Einzelfall entscheiden können. Zudem dürfe der Rasertatbestand nicht zur Anwendung kommen, wenn kein hohes Risiko eines gravierenden Unfalls vorlag oder wenn die Tempoüberschreitung auf Fahrlässigkeit zurückgeführt werden kann. Auch soll bei einem festgestellten Rasertatbestand keine Mindestfreiheitsstrafe mehr verhängt werden. Schliesslich werde bei der SVG-Teilrevision auch vorgeschlagen, dass die zuständigen Instanzen bei der Beurteilung von grundlegenden Verkehrsübertretungen im Rahmen von Einsätzen in jedem Fall eine Strafmilderung vorsehen sollen, damit der besonderen Lage bei Blaulichtfahrten Rechnung getragen werden könne.

Anpassung der Bussen bei Blaulichtfahrern im Notfalleinsatz (Po. 19.4113)

Wie vom Ordnungsantrag Juillard (cvp, JU) verlangt worden war, nahm sich die SPK-SR in einer Vorprüfung der Motion von Carlo Sommaruga (sp, GE) an, die vom Bundesrat verlangte, elektronische Tools zur Ausübung der politischen Rechte zu entwickeln. Die Kommission kam im entsprechenden Bericht zum Schluss, dass «der Bundesrat (...) auf Kurs» sei. Es sei ein neuer Versuchsbetrieb für E-Voting geplant, der wissenschaftlich begleitet werde. Zudem seien im Rahmen eines Berichts zu «Civic-Tech» einige Möglichkeiten für digitalisierte politische Partizipation angedacht worden. Die Kommission sehe deshalb in der Motion keinen Mehrwert, fasste Andrea Caroni (fdp, AR) die Situation in der Frühjahrssession 2021 im Ständerat für die SPK-SR zusammen. Der im Rat anwesende Motionär erwähnte, dass er genau diese schrittweise Verbesserung mit seiner Motion habe anstossen wollen, die vom Bericht beschrieben werde. Folgerichtig zog Sommaruga nach einer längeren Auslegeordnung von Bundeskanzler Walter Thurnherr seine Motion zurück. Der Bundeskanzler beschrieb, was bisher unternommen worden sei und erwähnte dabei das Spannungsfeld, in dem sich vor allem die politischen Rechte befänden. Auf der einen Seite nutze man digitale Instrumente mit grosser Selbstverständlichkeit, auf der anderen Seite gebe es gegenüber Digitalisierung aber auch zunehmend Skepsis und Verunsicherung. Der Bundesrat wolle bestehende Instrumente nutzen und Entwicklungen von Privaten, mit denen Meinungsbildung gefördert werde, zulassen, aber immer auch die «staatspolitischen Konsequenzen der Digitalisierung bedenken». Nach wie vor gelte deshalb der Grundsatz «Sicherheit vor Tempo». Im Moment würden drei Projekte verfolgt: Ein Datenmodell, mit dem politische Geschäfte vollständig verfolgt werden können, um den Datenaustausch zwischen Behörden zu verbessern, die Prüfung der Möglichkeit einer digitalisierten Vernehmlassung sowie einer digitalen Plattform für Petitionen.

Elektronische Tools zur Ausübung der politischen Rechte (Mo. 20.3908)

Fabien Fivaz (gp, NE) eröffnete in der Frühlingssession 2021 als Sprecher der WBK-NR, welche sich zuvor mit 17 zu 8 Stimmen für Eintreten ausgesprochen hatte, die Eintretensdebatte über das neue Bundesgesetz zum Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiel. Ziel der Vorlage sei es, eine schweizweite Vereinheitlichung des Jugendschutzes zu erreichen, welche Hand in Hand mit den EU-Richtlinien in diesem Themenbereich gehe. Zudem gehe der Entwurf auf die Forderungen diverser Standesinitiativen (Kt.Iv. BE 08.316; Kt.Iv. SG 09.313; Kt.Iv. TI 09.314; Kt.Iv. FR 09.332; Kt.Iv. ZG 10.302), deren Behandlung seit 2011 ausgesetzt war, sowie auf zwei angenommene Motionen (Mo. 07.3870, Mo. 09.3422) ein – welche alle in irgendeiner Form ein Verbot von Videospielen und/oder Gewaltfilmen forderten. Matthias Aebischer (sp, BE) führte für die Kommission ergänzend an, dass die derzeitige Gesetzeslage in Anbetracht des rasanten Wandels bezüglich des Konsums von Filmen und Videospielen in den letzten beiden Jahrzehnten, der sich vom Kino hin zu Online Streaming-Plattformen verlagert habe, nicht mehr ausreiche. Der Videospielmarkt sei mittlerweile doppelt so gross wie der Film- und Musikmarkt, werde aber von internationalen Anbieterinnen und Anbietern auf internationalen Plattformen dominiert. Somit sei es zwingend notwendig, ein Gesetz zu erlassen, welches international kompatible Lösungen und Regeln insbesondere für diese neuen Medien schaffe. Eine Kommissionsminderheit Herzog (svp, TG) sprach sich gegen Eintreten aus. Das Gesetz werde in kürzester Zeit bereits veraltet sein, da sich das Nutzungsverhalten der Jugendlichen sehr schnell verändere, erklärte die Minderheitensprecherin. Deshalb bringe dieses Gesetz nur unnötige zusätzliche Bürokratie mit sich, auch wenn der Jugendschutz grundsätzlich zu unterstützen sei. Ausserdem liege die Verantwortung bei den Erziehungsberechtigten, welche durch Erziehung, Vorbildfunktion und eigener kritischer Auseinandersetzung mit den Inhalten von Filmen und Videospielen für einen angemessenen Schutz ihrer Kinder besorgt sein sollten. Die SVP-Fraktion, sowie eine Mehrheit der FDP-Fraktion sprach sich folglich gegen, die Fraktionen der SP, der Mitte, der GLP, sowie der Grünen für Eintreten aus. Mit 115 zu 69 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) sprach sich der Nationalrat in der Folge dafür aus, auf den Entwurf des Bundesrates einzutreten. Nachdem die ersten Minderheitsanträge begründet wurden, wurde die Detailberatung der Vorlage in die Sommersession 2021 verlegt. Hingegen nahm der Rat im Rahmen der Eintretensdebatte auch das Postulat der WBK-NR zur Stärkung der Nationalen Strategie Sucht durch den Einbezug der Cyberabhängigkeit an.

Bundesgesetz über den Jugendschutz bei Filmen und Videospielen (BRG 20.069)

Die Gesetzeslage hinsichtlich der Parlaments- sowie der Volksrechte sei entweder nicht klar genug oder erlaube es sogar überhaupt nicht, eine ausserordentliche Lage zu bewältigen, eröffnete die Sprecherin der SPK-NR, Marianne Binder-Keller (mitte, AG) ihr Plädoyer für die Annahme der Motion von Beat Rieder (mitte, VS) zur Bewahrung der demokratischen Rechte. Die Motion verlange einerseits, dass der Stillstand von Fristen bei direktdemokratischen Instrumenten oder die Möglichkeit, Wahlen zu verschieben, in einem Bundesgesetz geregelt werden sollen, damit man sich auch in Krisenzeiten verlässlich darauf stützen könne. Andererseits verlange der Vorstoss mehr digitale Möglichkeiten, damit das Parlament auch in Krisenzeiten handlungsfähig bleibe. Zwar nehme sich eine Subkommission diesen Fragen im Rahmen der Überlegungen zum «Parlament in Krisenzeiten» bereits an, die Annahme der Motion würde aber die Notwendigkeit der Bemühungen verdeutlichen. Eine Kommissionsminderheit, die aus SVP-Mitgliedern bestand, beantragte hingegen die Ablehnung der Motion, weil kein Handlungsbedarf bestehe und die erwähnte Subkommission ja bereits an der Arbeit sei, wie Martina Bircher (svp, AG) die Minderheitsposition zusammenfasste. Auch der Bundesrat – vertreten durch Bundeskanzler Walter Thurnherr – plädierte gegen die Motion. Eine gesetzliche Regelung sei nicht unbedingt zielführend; die situativ ergriffenen Massnahmen hätten auch dank guter Zusammenarbeit mit den Kantonen funktioniert. Der Bundesrat wolle gemäss den Jahreszielen 2021 die Prozesse bei Abstimmungen und Wahlen überdies sowieso überprüfen. Der zweite Punkt der Motion, die Forderung nach mehr Digitalisierung, sei zudem derart allgemein formuliert, dass er vor dem Hintergrund der zahlreichen Massnahmen in diesem Bereich ebenfalls keinen Mehrwert bringe. Dies sahen allerdings lediglich die geschlossen stimmende SVP-Fraktion und eine Mehrheit der FDP.Liberalen-Fraktion ebenfalls so. Punkt 1 der Motion wurde entsprechend mit 109 zu 61 Stimmen und Punkt 2 mit 114 zu 57 Stimmen angenommen und die Motion somit an den Bundesrat überwiesen.

Bewahrung der demokratischen Rechte (Mo. 20.3419)

In der Frühjahrssession nahm sich der Nationalrat der Justiz-Initiative an. Zur Debatte standen dabei drei Minderheitsanträge, welche die Ausarbeitung eines Gegenvorschlags bezweckten, was der Bundesrat in seiner Vorlage abgelehnt hatte. Ein Minderheitsantrag Min Li Marti (sp, ZH) verlangte die Rückweisung des Geschäfts an die RK-NR, damit diese ihren in Form einer parlamentarischen Initiative (Pa.Iv. 20.480) bereits eingereichten indirekten Gegenvorschlag weiter ausarbeite. Zwei weitere links-grüne Minderheiten präsentierte einen eigenen direkten Gegenentwurf, der gleichzeitig mit der Initiative zur Abstimmung kommen soll.
Die RK-NR selber sehe aber keinen Handlungsbedarf mehr, berichtete Barbara Steinemann (svp, ZH) für die Kommission. Nach einigen Anhörungen sei man zum Schluss gekommen, dass sich das aktuelle System bewährt habe. Die Wahl von Richterinnen und Richtern, wie sie heute praktiziert werde, sei nicht über alle Zweifel erhaben und es gebe durchaus «diskussionswürdige Punkte», so die Kommissionssprecherin. Alle anderen Systeme seien aber «noch weniger perfekt», weshalb die Kommission mit 22 zu 0 Stimmen (3 Enthaltungen) empfehle, die Volksinitiative ohne indirekten Gegenvorschlag und ohne direkten Gegenentwurf abzulehnen.
In der Begründung ihres Rückweisungsantrags machte Min Li Marti (sp, ZH) auf die wunden Punkte aufmerksam, auf welche die Initiative die Finger legt: Die Frage der Wiederwahl – Richterinnen und Richter müssen periodisch in ihrem Amt bestätigt werden, was in jüngerer Zeit nicht immer reibungslos vonstatten gegangen war –; die Mandatsabgaben, die von Richterinnen und Richtern an ihre Parteien bezahlt werden müssen und die auch von der Greco kritisiert werden, weil sie das bestehende Abhängigkeitsverhältnis noch verstärken; oder die Auswahl der Richterinnen und Richter durch die Gerichtskommission, die kein eigentliches Fachgremium darstellt und weniger auf Fachkompetenz als auf politische Einstellungen und Parteizugehörigkeit achtet. Diese Punkte müssten von der Rechtskommission noch einmal überdacht und in eine Gesetzesrevision gegossen werden, forderte die Zürcher Sozialdemokratin. Sibel Arslan (basta, BS) skizzierte in der Folge die beiden direkten Gegenentwürfe. Vorgesehen war eine Erhöhung der Amtsdauer von Richterinnen und Richter auf zwölf oder sechzehn Jahre in Verbindung mit einem noch zu regelnden Amtsenthebungsverfahren. Das bisherige Wiederwahlverfahren gefährde die Unabhängigkeit der Judikative, weil Richterinnen und Richter mit ihrer Wiederwahl unter Druck gesetzt werden könnten, so die Begründung der Baslerin.

In der nachfolgenden Debatte wiesen auch zahlreiche Votantinnen und Votanten auf die Mängel des bestehenden Systems hin. Freilich war umstritten, ob diese Mängel mit einem Gegenvorschlag oder einem Gegenentwurf behoben werden müssten oder ob sie sich «im Rahmen der heutigen Strukturen lösen» lassen, wie sich etwa Pirmin Schwander (svp, SZ) überzeugt zeigte. Wichtig sei freilich, dass man bereits bei der Selektion der Kandidierenden die «richtigen Persönlichkeiten» auswähle. Das System funktioniere, befand auch Christoph Eymann (ldp, BS). Änderungen seien weder auf Gesetzes- noch auf Verfassungsstufe nötig. Der von der Initiative kritisierte Parteienproporz bei Richterwahlen sei gar nicht so schlecht, führte dann Philipp Matthias Bregy (mitte, VS) aus. Er garantiere vielmehr eine Vertretung aller «ideologischen Richtungen». Auch die regelmässigen Wiederwahlen wurden verteidigt: In Realität seien die Richterinnen und Richter unabhängig von ihren Parteien und zu einer Abwahl komme es praktisch nie, argumentierte Sidney Kamerzin (mitte, VS) gegen eine Reform des Systems. Gegen ein zu hastiges Vorgehen mit Hilfe von Gegenvorschlägen und Gegenentwürfen stellte sich auch Kurt Fluri (fdp, SO). Man müsse die bestehenden Probleme in Ruhe angehen. So sei ja etwa eine Motion von Beat Walti (fdp, ZH) für ein Verbot von Mandatssteuern bereits eingereicht worden.
Die Ratslinke – unterstützt von der GLP, für die Beat Flach (glp, AG) Handlungsbedarf aufgrund der undurchsichtigen Mandatsabgaben feststellte – hätte hingegen die Initiative gerne als Treiberin für nötige Reformen genutzt. Es sei ein Glücksfall, dass es dank der Initiative zu einer öffentlichen Debatte über die Judikative komme, lobte Matthias Aebischer (sp, BE). Wenn ein indirekter Gegenentwurf jetzt ausgearbeitet werden müsse, könnten die «kritischen und berechtigten Aspekte der Initiative» aufgenommen werden, warb auch Ursula Schneider Schüttel (sp, FR) für die Rückweisung an die Kommission.

Eine solche wurde dann allerdings von der Ratsmehrheit mit 99 zu 81 Stimmen (1 Enthaltung) abgelehnt. Dabei zeigte sich der aufgrund der vorgängigen Diskussion zu erwartende Graben zwischen SVP-, FDP- und der Mehrheit der Mitte-Fraktion, die den Rückweisungsantrag ablehnten, und den Fraktionen von SP, GP und GLP sowie der EVP. Auf die beiden Vorlagen für mögliche direkte Gegenentwürfe mochte der Rat sodann gar nicht erst eintreten. Mit 102 zu 79 Stimmen (3 Enthaltungen) wurde eine mögliche Debatte abgelehnt. Dabei zeigten sich die praktisch gleichen Fronten wie bei der abgelehnten Rückweisung.

Die Initiative selber fand bei den Rednerinnen und Rednern kaum Unterstützung. Das Losverfahren sei «schlicht unseriös», urteilte Philipp Matthias Bregy (mitte, VS). Der Zufall mache seine Sache nur selten gut, befand auch Nicolas Walder (gp, GE) und mit dem Los bestünde das grosse Risiko, dass nicht alle politischen Sensibilitäten in der Judikative repräsentiert seien. Auch die Idee eines Fachgremiums, mit dem die auszulosenden Kandidierenden bestimmt würden, stiess auf Kritik. Auch die Mitglieder eines solchen Gremiums könnten nicht politisch neutral sein, warnte Matthias Aebischer (sp, GE). Eine durch Los oder ein Fachgremium bestimmte Judikative sei demokratisch weniger legitimiert als durch das Parlament oder die Stimmbevölkerung gewählte Richterinnen und Richter, pflichtete Andreas Glarner (svp, AG) bei. Ein «Sympathie-Ja» erhielt das Begehren einzig von Lukas Reimann (svp, SG): Richterwahlen seien sehr wohl politisch und die Parteizugehörigkeit verhindere die Auswahl der besten Kandidierenden, begründete der St. Galler seine Unterstützung.
Der Nationalrat folgte stillschweigend dem Antrag der Kommission, die Initiative zur Ablehnung zu empfehlen. Die NZZ sprach nach der nationalrätlichen Debatte von einer verpassten Chance. Es sei fraglich, ob das Parlament ohne den Druck einer Volksinitiative gewillt sei, die Mängel im bestehenden System zu beheben.

Justizinitiative (BRG 20.061)
Dossier: Unabhängigkeit der Judikative
Dossier: Justizinitiative

Matthias Aebischer (sp, BE) forderte in seiner im März 2020 eingereichten Motion «Titeläquivalenz für die höhere Berufsbildung» erneut, dass die Abschlüsse der höheren Berufsbildung (eidgenössische Berufsprüfung, eidgenössische höhere Fachprüfung sowie eidgenössisch anerkannte Bildung an einer höheren Fachschule) aufgewertet werden und neue Bezeichnungen erhalten, die vergleichbar mit denjenigen im Ausland sind. Er begründete seinen Vorstoss mit dem Fakt, dass in Deutschland zu Beginn des Jahres 2020 die Titelbezeichnungen «Bachelor Professional» und «Master Professional » eingeführt worden seien; dies führe dazu, dass die Schweizer Absolventinnen und Absolventen der höheren Berufsbildung nun im In- und Ausland mehr Mühe bekunden würden, eine Stelle zu finden. Ausserdem gingen die Titelbezeichnungen «Bachelor Professional» und «Master Professional» auch mit einem höheren Lohn einher. Der Bundesrat beantragte die Ablehnung der Motion. Hauptgrund sei die befürchtete «Vermischung der Titelstrukturen der Berufsbildung und der Hochschulen, im Besonderen der Fachhochschulen». Ausserdem sei durch die Einführung von englischen Diplomzusätzen die Vergleichbarkeit der Abschlüsse bereits erhöht worden. Schliesslich nehme das SBFI im Rahmen der Initiative «Berufsbildung 2030» bereits eine Auslegeordnung zum System der höheren Fachschulen vor.
Im Sommer 2021, und damit vor einer allfälligen Behandlung der Motion im Nationalrat, liess das SBFI gemäss Medienberichten verlauten, dass es die Einführung der Titel «Professional-Bachelor» und «Professional-Master» entgegen dem ursprünglichen Ansinnen des Bundesrates nun doch prüfen werde.

Titeläquivalenz für die höhere Berufsbildung (Mo. 20.3050)
Dossier: Höhere Fachschulen

Nachdem die KVF-NR im Februar 2021 ein weiteres Mal zum Entwurf des Massnahmenpakets zugunsten der Medien zusammengekommen war, beugte sich in der Frühjahrssession 2021 der Nationalrat zur Detailberatung über das Dossier. Die umfangreiche Debatte wurde wie bereits in vorangehenden Sitzungen in drei Blöcke aufgeteilt: Der Erste betraf die durch das Postgesetz geregelte indirekte Presseförderung, der zweite Block nahm sich Anpassungen betreffend das RTVG an und im dritten Block schliesslich wurde über die Förderung von Online-Medien beraten.

Tages- und Wochenzeitungen, welche ihre gedruckten Ausgaben von der Post austeilen lassen, erhielten bis anhin eine Zustellermässigung in Höhe von CHF 30 Mio. Im ersten Diskussionsblock betreffend die indirekte Presseförderung teilte der Nationalrat die Ansicht des Ständerats, diesen Betrag auf CHF 50 Mio. zu erhöhen. Ebenso sollen für Früh- und Sonntagszustellungen neu CHF 40 Mio. zur Verfügung stehen. Damit folgte der Nationalrat auf Anraten seiner Kommission dem Entscheid des Ständerats, gemäss dem Credo: «Jede Zeitung, die zur Leserin, zum Leser kommt, ist eine gute Zeitung» (Aebischer, sp, BE). Auch die Gelder für die Stiftungs- und Mitgliedspresse sollen von CHF 20 Mio. auf 30 Mio. erhöht werden, womit der Nationalrat der Kommissionsminderheit und somit dem Beschluss des Ständerates folgte; dieser Entscheid fiel nach wiederholter Abstimmung mit 97 zu 96 Stimmen bei 2 Enthaltungen sehr knapp aus. Die erneute Abstimmung war wegen eines Ordnungsantrags Regazzi (mitte, TI) notwendig geworden, weil anscheinend einige Ratsmitglieder nicht auf die erste Abstimmung vorbereitet gewesen waren und diese so verpasst hatten. Diverse andere Minderheitenanträge sahen derweil vergeblich Anpassungen der ständerätlichen Beschlüsse vor, wie etwa die Forderung zur Streichung der Bedingung, es müsse sich um Abonnementszeitschriften handeln, damit die Unterstützung beansprucht werden könne.

Viel zu reden gab im zweiten Block Artikel 26a des RTVG, denn dieser sah vor, der SRG zusätzliche Einschränkungen im Online-Bereich aufzuerlegen, obschon Auflagen für die SRG ursprünglich nur marginal hätten diskutiert werden sollen. Gefordert wurde, Online-Beiträge des gebührenfinanzierten Radios und Fernsehens auf 1'000 Zeichen zu beschränken. Zudem müsse bei Texten fortan ein zeitlicher und inhaltlicher Sendungsbezug bestehen. Denn, so argumentierte Kommissionssprecher Kutter (mitte, ZH) im Sinne der Kommissionsmehrheit, die SRG würde zunehmend in den schriftlichen Bereich vordringen und dort die privaten Anbieter bedrängen. Diesem Argument entgegnete Bundesrätin Sommaruga, dass Beschränkungen bereits in den neu bestimmten Konzessionen ausgehandelt worden seien und die nun diskutierten Bestimmungen auf einen Teil des Angebots abziele, der nicht in Konkurrenz mit privaten Anbietern stehe und vom Publikum generell geschätzt würde (Kultur, Religion, Bildung). Auch eine Kommissionsminderheit Pult (sp, GR) betonte, mehr Einschränkungen würden dem Service public schaden. Letztlich folgte der Nationalrat aber der Mehrheit seiner Kommission und stimmte mit 122 zu 69 Stimmen bei 4 Enthaltungen dafür, das Angebot und den Umfang der Onlinetextbeiträge der SRG zu limitieren. Ausgenommen von den Beschränkungen wären Inhalte in rätoromanischer Sprache. Gleichzeitig sprach sich der Nationalrat für die Förderung von Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten für Journalistinnen und Journalisten aus. Präzisiert wurden die Voraussetzungen für Unterstützungsgelder seitens des BAKOM durch einen angenommenen Einzelantrag Aebischer (sp, BE). Keine Mehrheit fand ein Antrag der Kommissionsmehrheit, jungen Erwachsenen Mediengutscheine in der Höhe von bis zu CHF 100 zu schenken, damit diese quasi auf den Geschmack des Medienkonsums kommen. Mit 97 zu 95 Stimmen bei 2 Enthaltungen lehnte der Nationalrat diese Idee knapp ab.

Im dritten Block wurde über das eigentliche Kernanliegen des Pakets beraten, die Förderung der Online-Medien. Einig waren sich alle, dass die Demokratie auf Medien angewiesen sei und deren Vielfalt gross sein müsse. Nicht alle fanden aber, dass staatlich unterstützte Online-Medien Sinn machen: Gregor Rutz (svp, ZH) beantragte die Streichung der geplanten Hilfsgelder (CHF 30 Mio.), da die Vielfalt an Online-Medien unerreicht sei und staatliche Unterstützung lediglich nicht-profitable Unternehmen künstlich am Leben erhalten würde. Bundesrätin Sommaruga entgegnete, im Online-Markt werde das Angebot massgeblich durch grosse ausländische Konzerne wie Google oder Facebook bestimmt. Diese ausländischen Grosskonzerne würden sicher nie darüber berichten, wenn in einer Schweizer Gemeinde ein Schulhaus gebaut werde, weshalb es lokale Online-Angebote auch zukünftig brauche. In den folgenden Detailabstimmungen sprach sich der Nationalrat für die Förderung aus: Der Antrag Rutz' zur Streichung dieser Unterstützung wurde mit 109 zu 83 Stimmen bei 2 Enthaltungen abgelehnt. Hier neu hinzugekommen ist der Beschluss des Nationalrats, eine Starthilfe für neu gegründete Online-Medien zu schaffen (angenommen mit 106 zu 87 Stimmen bei 2 Enthaltungen).
Eine Differenz zum Stände- und Bundesrat schuf der Nationalrat betreffend die Höhe der Unterstützungsgelder für Online-Medien: Während erstere eine Unterstützung in der maximalen Höhe von 80 Prozent des anrechenbaren Umsatzes der Unternehmen vorsahen, beabsichtigte der Nationalrat diese Hilfe auf maximal 60 Prozent des Umsatzes zu senken. Auch die Dauer der Unterstützung möchte der Nationalrat auf fünf Jahre anstatt die vom Ständerat vorgesehenen zehn Jahre herabsetzen.

In der Gesamtabstimmung wurde der Entwurf mit 111 zu 67 Stimmen bei 17 Enthaltungen angenommen. Abgelehnt wurden die Massnahmen von einem Grossteil der SVP-Fraktion sowie von Teilen der FDP.Liberalen und der GLP. Die neuen Bestimmungen dürften frühestens 2023 und damit ein Jahr später als ursprünglich geplant in Kraft treten. Zur Differenzbereinigung ging das Geschäft erneut an den Ständerat.

Massnahmenpaket zur Förderung der Medien (BRG 20.038)
Dossier: Vorstösse zur Presseförderung (2000-)
Dossier: Die geräteunabhängige Radio- und Fernsehabgabe für Unternehmen in der Kritik
Dossier: Diskussionen zur Förderung von Online-Medien

Die WBK-NR befasste sich im Februar 2021 ausführlich mit dem Bereich der frühkindlichen Bildung und Betreuung. Da dieses Thema für die Kommission von grosser Bedeutung ist, beschloss sie, eine eigene parlamentarische Initiative einzureichen, mit welcher die bereits mehrmals verlängerte Anstossfinanzierung für die familienergänzende Kinderbetreuung in eine stetige Unterstützung überführt werden soll. Gleichzeitig soll die parlamentarische Initiative Aebischer (sp, BE) «Chancengerechtigkeit vor dem Kindergartenalter» bis Ende 2021 sistiert werden.

Chancengerechtigkeit vor dem Kindergartenalter (Pa. Iv. 17.412)
Dossier: Frühe Kindheit

Im Februar 2021 lancierte die WBK-NR mit 15 zu 9 Stimmen eine parlamentarische Initiative mit dem Ziel, das bereits mehrfach verlängerte Impulsprogramm für die Schaffung von Betreuungsplätzen in familienergänzenden Strukturen von einer zeitlich befristeten in eine stetige Lösung zu überführen. Die Kommission tat dies in Kenntnis eines jüngst erschienenen bundesrätlichen Berichts «Politik der frühen Kindheit» und unter anderem nach Konsultation der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK), des Gewerkschaftsbundes und des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes.
Gleichzeitig beantragte die Kommissionmehrheit, einer parlamentarischen Initiative Prelicz-Huber (gp, ZH; Pa.Iv. 20.413) mit der Forderung nach Schaffung einer Verfassungsgrundlage für familien- und schulergänzende Betreuung keine Folge zu geben. Weiter wollte die Kommission die parlamentarische Initiative Aebischer (sp, BE) zur Förderung der Chancengleichheit vor dem Kindergarteneintritt aufgrund der in Angriff genommenen Arbeiten bis Ende Jahr sistieren.

Überführung der Anstossfinanzierung in eine zeitgemässe Lösung (Pa.Iv. 21.403)
Dossier: Finanzhilfen zur Förderung familienergänzender Kinderbetreuung

2021 oblag die Aufgabe der Inszenierung des Bundesratsfotos dem amtierenden Bundespräsidenten Guy Parmelin. Vor dem mittels Drohne von schräg oben fotografierten Bundeshaus – der Fotograf Markus A. Jegerlehner habe dafür im Mai 2020 eine Sonderbewilligung erhalten, so die bundesrätliche Medienmitteilung zum Bild – stehen die sieben Bundesratsmitglieder zusammen mit dem Bundeskanzler Covid-19-bedingt in einer Fotomontage in einer Reihe gruppiert. Die ungewohnte Perspektive solle helfen «in diesen schwierigen Zeiten gemeinsam und unvoreingenommen scheinbar Unverrückbares neu zu betrachten [... und so] einen konkreten Beitrag zum Zusammenhalt unseres Landes» zu leisten, so die Botschaft des Bundespräsidenten zum Foto.

Die «sich längst zu einer eigenen polit-journalistischen Disziplin» entwickelnde mediale Analyse des Bildes – so der Sonntags-Blick – brachte das Bild mit Aktualität und unterschiedlichen Stimmungslagen in Verbindung. Ebendieser Sonntags-Blick meinte etwa, dass das «brav per Computer zusammengeklebte Grüppchen» symbolhaft für die momentane Lage sei: «Irgendwie gut gemeint, aber halt doch nicht überzeugend». Zumindest rufe das Werk in Erinnerung, dass es einst eine Zeit gegeben habe, als lediglich der Umstand diskutiert worden sei, dass ein Bild schief sei, und es keine anderen Probleme gegeben habe. Die Sonntagszeitung interpretierte das Lachen im Gesicht des Bundespräsidenten in der Mitte damit, dass er zweimal eine Corona-Quarantäne überstanden habe; Alain Berset stehe wohl deshalb in der zweiten Reihe, weil er in letzter Zeit aufgrund von Covid-19 sehr oft zuvorderst gestanden habe. Und Ueli Maurer gelinge wohl «als Einzigem nicht einmal der Anflug eines Lächelns», weil er die anstehenden Milliarden-Ausgaben vor Augen habe. Die Weltwoche fühlte sich gar an «Sowjetzeiten» erinnert. Auch hier sei «manipuliert, montiert und retuschiert» worden. Das fröhliche Lachen sei heuchlerisch und damit werde nicht Optimismus verbreitet, sondern man fühle sich vom Bundesrat ausgelacht. «Man denkt spontan: Ja, diese sieben haben gut lachen, es kann ihnen nicht viel passieren. Während wir...». Einzig Bundesrat Ueli Maurer habe sich dem verwehrt und «wie ein trotziges Kind [...] bewusst nicht gelacht». Wie in Sowjetzeiten gelte aber: «Mächtige, die meinen, sie könnten mit gekünsteltem Lachen beim Volk Optimismus und Glaubwürdigkeit verbreiten, irren sich».

Das jährliche Bundesratsfoto