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  • Andres, Dora (BE, fdp/plr)
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Jahresrückblick 2019: Aussenpolitik

Im Jahr 2019 beschäftigte sich das Parlament im Rahmen der Schweizer Aussenpolitik mit Geschäften im Bereich der Aussenwirtschaft – wie Freihandelsabkommen und Doppelbesteuerungsabkommen – aber auch mit zwischenstaatlichen Beziehungen. Wie die Medienanalyse von APS zeigt, nahm das mediale Interesse – im Vergleich der letzten drei Jahre – an Geschäften, die sich mit Staatsverträgen oder Entwicklungspolitik befassten, tendenziell eher ab. Über die Beziehung zwischen der Schweiz und der EU wurde besonders oft berichtet. Dies dürfte insbesondere an den neuen Entwicklungen und Eskalationsstufen rund um das institutionelle Rahmenabkommen mit der EU sowie an dem zweiten Beitrag an ausgewählte EU-Mitgliedsstaaten – in den Medien als Kohäsionsmilliarde bezeichnet – liegen.

Ein erster gewichtiger Schwerpunkt im Jahr 2019 bildete jedoch ein anderer Politikbereich, die Aussenwirtschaftspolitik. So entschieden die Räte unter anderem über aktualisierte Freihandelsabkommen zwischen den EFTA-Staaten und der Türkei sowie Ecuador. Hinzu kam das revidierte Agrarabkommen zwischen der Schweiz und der Türkei. Insbesondere gegenüber Letzterem gab es aufgrund der kritischen Menschenrechtslage in der Türkei zwiespältige Gefühle. Eine Minderheit forderte, mit Verweis auf Berichte der EU und der UNO, gar die Rückweisung an den Bundesrat. Der Bundesbeschluss wurde aber vom Ständerat im März und vom Nationalrat im Juni angenommen. Die Kantone Thurgau (Kt.Iv. 17.317) und Genf (Kt.Iv. 18.303) hatten in den vergangenen Jahren Standesinitiativen lanciert, um bei den Verhandlungen von Freihandelsabkommen mit Malaysia und Indonesien die Zollbefreiung von Palmöl und Palmkernöl zu verhindern. Grund dafür war einerseits die Sorge, dass einheimische Ölproduzenten durch die Aufweichung der Grenzschutzmassnahmen benachteiligt werden könnten, andererseits wurden auch die negativen ökologischen Folgen der Palmölproduktion bemängelt. Im März wurden zwei dieser Initiativen durch den Nationalrat versenkt, drei weitere standen aber noch an, womit das Thema beileibe noch nicht vom Tisch war. Ebenfalls im März wurde im Nationalrat – als Zweitrat – eine Motion der APK-SR (Mo. 18.3717) angenommen, die verlangte, dass die beiden Freihandelsabkommen sich nicht negativ auf die inländische Ölproduktion auswirken dürfen. Diesen Forderungen wurde Rechnung getragen, woraufhin der Nationalrat dem Freihandelsabkommen mit Indonesien zustimmte. Eine Minderheit zeigte sich zwar mit den Regelungen zur Nachhaltigkeit von Palmöl nicht zufrieden, doch sie unterlag mit ihrem Antrag. Zwar noch kein konkretes FHA, aber dafür zumindest die Erlaubnis für erste Sondierungsgespräche über ein Freihandelsabkommen mit den USA gab es in der Sommersession. Die Motion von Ständerat Graber (cvp, LU; Mo. 18.3797) aus dem Jahr 2018 erhielt auch vonseiten des Bundesrats Unterstützung und wurde im Juni vom Nationalrat ebenfalls angenommen. Dadurch soll die Schweizer Exportindustrie gestärkt und der Zugang zum amerikanischen Markt, der sich seit 2016 immer protektionistischer gibt, gesichert werden.
Eine Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens mit Grossbritannien wurde ebenso problemlos angenommen wie der Abschluss eines nach mehrjähriger Verhandlung erarbeiteten Doppelbesteuerungsabkommen mit Brasilien. Weitere Anpassungen an bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen zur Implementierung von Mindeststandards stehen 2020 bevor.

Am meisten Gesprächsstoff boten sicherlich jene Debatten, welche die Beziehung zwischen der EU und der Schweiz zum Thema hatten. Für hitzige Diskussionen und Differenzen zwischen der Bundesversammlung und dem Bundesrat sorgte im Juni das kritisierte und noch immer nicht abgeschlossene institutionelle Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der EU. Ausdruck der Unzufriedenheit war die im März abgelehnte Motion von Ständerat Minder (parteilos, SH; Mo. 18.4165), die vom Bundesrat die Nichtunterzeichnung des Abkommens verlangte. Anfang Juni kam es schliesslich zu einer mehr oder weniger offenen Konfrontation zwischen Bundesbern und Brüssel, als der Bundesrat in einer Botschaft Klärung zu fundamentalen Fragen des institutionellen Abkommens forderte. Zwar schätzte man den Entwurf des Abkommens grundsätzlich positiv ein, doch die Europäische Kommission solle mehr Rücksicht auf nationale Prozesse nehmen, damit man in Fragen des Lohn- und Arbeitnehmerschutzes, der Unionsbürgerrichtlinie und der staatlichen Beihilfen eine Einigung finde. Auch der Ständerat schlug in die gleiche Kerbe, als er kurz darauf mittels Motion (Mo. 19.3416) die Regierung und deren Chefunterhändler mit Zusatzverhandlungen beauftragte. Des Weiteren hing die «Begrenzungsinitiative» der SVP quasi als Damoklesschwert über dem bilateralen Weg der Schweiz.
Die Antwort aus Brüssel liess nur einige Tage auf sich warten, als Kommissionspräsident Juncker durchblicken liess, dass Nachverhandlungen kaum eine Chance hätten. Die Medien berichtete, dass sich die EU offiziell «offen für ergänzende Gespräche» zeige, aber durch die Blume deutlich mache, dass der Schweiz kaum Spielraum eingeräumt werden würde. Für Empörung sorgte Jean-Claude Juncker mit seinem Ultimatum, dass die von der Schweiz geforderten ergänzenden Gespräche innert einer Woche abgehandelt werden müssten. Als Druckmittel hatte die EU noch immer die in der Luft hängende Verlängerung der Börsenäquivalenz in der Hinterhand, die bei Nichterfüllung des Ultimatums beendet werden könnte.

Ebenjene Entwicklungen hinsichtlich der Anerkennung der Börsenäquivalenz sorgten in der Schweiz mit ihrem traditionell starken Bankenplatz schon seit geraumer Zeit für rote Köpfe. Die Europäische Kommission hatte Ende Dezember 2017 die Verlängerung der Börsenäquivalenz von den Fortschritten bei den Verhandlungen über ein institutionelles Abkommen abhängig gemacht. Zwar hatte sie die EU anfänglich befristet bis zum 30. Juni 2019 verlängert, erklärte sie danach aber für beendet. Dementsprechend zahlten sich die 2018 ergriffenen Massnahmen des Bundesrats zum Schutz der Börseninfrastruktur im Fall einer Nichtverlängerung der Äquivalenzanerkennung aus. Auch medial war das bevorstehende Ende der Börsenäquivalenz – und damit gezwungenermassen das institutionelle Rahmenabkommen – das dominierende Thema. Eine drohende Eskalation, die mit der Aufhebung der Börsenäquivalenz erst ihren Anfang nähme, wurde befürchtet. Die medial kritisierte bilaterale «Trotzkopf-Logik», die sich durch gegenseitige angedrohte Sanktionen äussere, wurde für enorm kontraproduktiv befunden. Das effektive Ende der Börsenäquivalenz Anfang Juli wurde in der Presse hingegen eher nüchtern thematisiert; man verwies auf die in naher Zukunft marginalen, möglicherweise gar positiven Auswirkungen für die Schweizer Börse. Kritisiert wurde vor allem, dass diese gegenseitige Blockade keine positiven Signale hinsichtlich zukünftiger Verhandlungen über das Rahmenabkommen aussende.

Sehr umstritten war aufgrund dieser Kette von Ereignissen der zweite Schweizer Beitrag an ausgewählte EU-Staaten, der im März und Juni ausgiebig diskutiert wurde. Die Aufstockung der Mittel für den Migrationskredit auf Kosten des Kohäsionsrahmenkredits wurde vor allem von den linken Parteien kritisiert. Im Nationalrat errangen schliesslich zwar beide Kreditanträge eine Mehrheit, doch der Ständerat stimmte den vorgeschlagenen Änderungen nicht zu. Eng verbandelt mit dem Kohäsionskredit war ein Entwurf für eine Asylgesetzesänderung. Dieser sollte es dem Bundesrat erlauben, ohne Zustimmung des Parlaments internationale Abkommen im Rahmen des – vom Parlament bereits beschlossenen – Migrationskredits abzuschliessen. Bei beiden Geschäften entstanden Differenzen zwischen den beiden Parlamentskammern, denn es war bis anhin nicht eindeutig geklärt, ob die Massnahmen der EU – siehe Börsenäquivalenz – als diskriminierend eingestuft werden können, was wiederum die Blockierung der Schweizer Fördergelder zur Folge hätte. Der Bundesrat gelangte im Herbst zum Schluss, dass die EU-Massnahmen unter dem WTO-Gleichbehandlungsgebot tatsächlich als diskriminierend gelten. Somit würden die beiden Kredite selbst bei einer Genehmigung durch die Räte bis auf Weiteres nicht ausbezahlt werden. Im Dezember beriet der Nationalrat schliesslich ein letztes Mal über den zweiten Beitrag der Schweiz an die EU und bereinigte die Differenzen zum Ständerat. Somit waren die beiden Kredite zwar bewilligt, ausbezahlt werden sie aber erst, wenn die Börsenäquivalenz wiederhergestellt ist.
Im August zeigte sich Bundesrat Cassis nicht sehr optimistisch und bezeichnete eine Einigung im Rahmenabkommen mit der amtierenden Kommission als «ein Wunder». Nach ihrem Amtsantritt liess die neue Kommissionspräsidentin, Ursula von der Leyen verlauten, dass die Verhandlungen mit der Schweiz auch weiterhin Chefsache blieben. Die Medien zweifelten aber nach wie vor an einer Einigung vor der Abstimmung zur Begrenzungsinitiative.

Nicht alle Verhandlungen zwischen der EU und der Schweiz gestalteten sich so problematisch wie die bisher aufgeführten. Die Sicherheit des Schengen-Raums und eine qualitativ hochwertige Grenzkontrolle schienen diesbezüglich ein verbindendes Element zu sein. Auf alle Fälle sprachen sich Ständerat und Nationalrat mit grosser Mehrheit für den bundesrätlichen Entwurf zum EES (Entry-Exit-System / Einreise- und Ausreisesystem) und die damit verbundenen Anpassungen des Ausländer- und Integrationsgesetzes aus. Bereits im Mai hatte sich das Volk nachdrücklich zum Schengen-Raum bekannt, als es der Übernahme einer EU-Waffenrichtlinie zustimmte, die unter anderem den Besitz halbautomatischer Waffen verschärfen sollte.

Auch über die Rolle der Schweiz als Gastland und Zentrum der Global Governance wurde intensiv beraten. Ebendiese soll auch weiterhin gestärkt und ausgebaut werden, damit die Schweiz – und insbesondere Genf – weiterhin ein internationales Zentrum für Diplomatie, Krisenbewältigung und NGOs sein kann. In eine ähnliche Richtung zielte die Diskussion über die Erneuerung des Kredits für drei Genfer Zentren in der Herbstsession. Diese bemühen sich um politische Sicherheit, humanitäre Minenräumung und die demokratische Kontrolle von Streitkräften. Obwohl der Kredit noch nicht definitiv beschlossen wurde, zeigten sich beide Kammern von der Wichtigkeit der Schweizer Aussenwahrnehmung in diesen Politikfeldern überzeugt.

Jahresrückblick 2019: Aussenpolitik
Dossier: Jahresrückblick 2019

En novembre 2017, à l'occasion de la venue du président de la Commission européenne Jean-Claude Juncker à Berne, Doris Leuthard, alors présidente de la Confédération, confirmait devant la presse que la Suisse verserait bien un «nouveau milliard de cohésion» à l'Union européenne. Il n'en fallait alors pas moins pour que les commentateurs et commentatrices s'empressent d'annoncer un «réchauffement des relations entre la Suisse et l'UE», du moins pour un temps.
Dans un tel contexte, le Conseil fédéral a publié, au mois de septembre 2018, son message sur la deuxième contribution de la Suisse en faveur de certains Etats membres de l'UE. Deux arrêtés fédéraux – un pour chacun des deux volets différenciés composant cette deuxième contribution – sont ainsi soumis parallèlement à l'approbation du Parlement. Le premier, intitulé «crédit-cadre pour la cohésion», prévoit l'allocation de 1'046.9 millions de francs pour la réduction des disparités économiques et sociales au sein de l'UE-13 – soit les treize pays ayant intégré l'Union européenne depuis 2004. Le deuxième arrêté fédéral, sous l'appellation de «crédit-cadre pour la migration», envisage l'octroi de 190 millions aux Etats membres de l'UE pour le financement de mesures à adopter dans le domaine de la migration. Dans son message, l'exécutif national précise également que si cette deuxième contribution s'inscrit bel et bien dans le cadre de la politique européenne de la Suisse, elle est néanmoins décidée de «manière autonome». Elle ne présente en ce sens «aucun lien direct» avec l'accord-institutionnel ou la reconnaissance de l'équivalence boursière.
En novembre 2018, le Conseil des Etats a approuvé les deux arrêtés fédéraux relatifs à la deuxième contribution en faveur de certains Etats membres de l'UE, mais uniquement à condition que l'Union européenne n'adopte aucune mesure discriminatoire à son encontre. La chambre haute a alors accepté (par 38 voix pour, 1 contre et 2 abstentions) la proposition du sénateur Ruedi Noser (plr, ZH), modifiant le projet initialement proposé par le Conseil fédéral. Tel que mentionné par Christian Levrat (ps, FR), la proposition Noser «est une solution de compromis raisonnable [...] Elle se limite à exiger un traitement non discriminatoire de la part de l'Union européenne, elle ne pose pas d'exigence de réciprocité». Selon le conseiller fédéral Ignazio Cassis, la contribution de la Suisse constitue un signal politique important pour le développement des relations bilatérales. La première contribution avait en ce sens permis d'améliorer la réputation de la Suisse auprès de ses partenaires européens. Le principe général du versement d'une nouvelle contribution n'a d'ailleurs pas été contesté par la chambre des cantons. Lors des votes sur l'ensemble, les crédits-cadres pour la cohésion et pour la migration n'ont chacun récolté qu'une seule et unique voix d'opposition, celle de Peter Föhn (udc, SZ).

Deuxième contribution de la Suisse en faveur de certains Etats membres de l'UE (MCF 18.067)
Dossier: Schweizer Beitrag an die erweiterte EU

Auch 2017 trafen sich die Präsidentinnen und Präsidenten der Bundesratsparteien und deren Fraktionen viermal im Rahmen der von-Wattenwyl-Gespräche mit den Bundesrätinnen und Bundesräten, um strategische Gespräche zu führen.
Die Einschätzung der aktuellen aussen- und sicherheitspolitischen Lage war Hauptdiskussionspunkt Anfang Februar. Übereinstimmung bestand bei allen Akteurinnen und Akteuren darin, dass die Schweiz ihre Interessen auch zu Zeiten von Cyberkriminalität, Terrorismus und Falschinformationen wahren müsse. Über die Bedeutung der anstehenden Abstimmung zur Unternehmenssteuerreform III herrschte jedoch keine Einigkeit.
Mitte Mai stand der Brexit im Fokus der Gespräche, wobei auch die Fortschritte beim Rahmenabkommen mit der EU diskutiert wurden. Hierbei betonten die Parteien, dass nicht nur die Aussen-, sondern auch die Innenpolitik beachtet werden müsse.
Die Gesundheits- und erneut die Europapolitik waren die Traktanden für die Gespräche Anfang September. Ein gut zugängliches und tragbares Gesundheitswesen stelle innerhalb der Legislaturziele 2015-2019 ein Hauptziel des Bundesrates dar, wie dies in der Strategie Gesundheit 2020 dargelegt werde. Betreffend Informationen zu den Verhandlungen mit der EU über die institutionellen Fragen vertröstete der Bundesrat die Parteien auf den Herbst; geplant sei aber ein Treffen von Doris Leuthard mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.
Nicht wie im Vorjahr festgelegt an der dritten Sitzung, dafür bei den Gesprächen Mitte November, die als Klausur organisiert wurden, nahm der Bundesrat in corpore teil. Hauptgegenstand war freilich, wie im Vorjahr vereinbart, die Präsentation der Jahresziele 2018. Darüber hinaus äusserte die Regierung ihre Sorge zur Gewaltenteilung zwischen Exekutive und Legislative, die sie momentan durch das diskutierte Verordnungsveto in Gefahr sehe. Bezüglich der EU erklärte Neo-Aussenminister Ignazio Cassis, dass man im Rahmen eines weiteren Treffens mit Juncker im November die nächsten Schritte in den verschiedenen Bereichen der Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und der EU definieren wolle.

Von-Wattenwyl-Gespräche seit 2013

Au mois de novembre 2017, le Président de la Commission européenne, Jean-Claude Juncker, a été reçu à Berne par la Présidente de la Confédération Doris Leuthard, à l'occasion d'une visite officielle. Mme Leuthard et M. Juncker ont évoqué avec satisfaction les avancées constatées dans de nombreux domaines: signature d'un accord relatif à l'Emissions Trading System (ETS), paraphe à Bruxelles de l'accord permettant aux autorités de poursuite pénale suisses d’accéder aux données de la base de données EURODAC, mise à jour de l'accord sur les entraves techniques au commerce (ARM), progrès en ce qui concerne la coopération scientifique et technique entre l’Office fédéral de la santé et l’Agence européenne des produits chimiques (ECHA) ainsi que l’actualisation de l’accord sur les assurances, ouverture de négociations concernant la coopération de la Suisse avec l’Agence ferroviaire européenne (ERA) et assurance de sa participation à l’Agence du système global de navigation par satellite européen (GSA). Le Président de la Commission européenne a également pris connaissance de la volonté helvétique d'envisager le versement d'une nouvelle contribution à la réduction des disparités économiques et sociales dans certains pays membres de l’UE. Si la Suisse et l'union européenne ont toutes deux renouvelé leur soutien à la voie bilatérale et appelé à la poursuite de relations solides et stables, la Présidente de la Confédération n'en a pas moins fait part des attentes helvétiques dans certains domaines de coopération, et ce notamment en ce qui concerne l'avenir du règlement Dublin, l'accès direct des autorités suisses à la banque de donnée EUROPOL, le fonctionnement de la coopération Schengen, la participation de la Suisse au programme-cadre de l’UE «Europe Créative» et au programme Galileo, la conclusion d'un accord dans le domaine de la santé publique, les reconnaissances d'équivalence dans le domaine financier ou les obstacles au commerce entre la Suisse et l'UE.
Au lendemain de cette rencontre au sommet, une majorité des titres de presse suisse se réjouissait de l'amitié retrouvée entre Berne et Bruxelles, les deux entités étant enfin parvenues à «surmonter les difficultés du passé» et les blocages politiques engendrés, notamment, par le résultat de la votation du 9 février 2014 sur l'initiative «Contre l'immigration de masse».

La Présidente de la Confédération Mme Leuthard reçoit le Président de la Commission européenne
Dossier: Institutionelles Rahmenabkommen

Im Vorfeld der Verabschiedung der – als Folge der Terroranschläge von Paris im November 2015 – angepassten EU-Waffenrichtlinie (2017/853) durch das Europäische Parlament am 14. März 2017 regte sich in der Schweizer Waffenlobby erneut lautstarker Widerstand gegen die bevorstehende Verschärfung des Waffenrechts. Als Schengen-Vertragsstaat ist die Schweiz verpflichtet, Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands nachzuvollziehen, worunter auch die Übernahme der EU-Waffenrichtlinie fällt. Dazu muss die Schweiz etwa die Registrierungspflicht für Waffen verschärfen und den Onlinehandel sowie den Besitz halbautomatischer Waffen für Privatpersonen einschränken. Bereits im Februar 2017 berichtete die Sonntagszeitung von der geplanten Gründung einer neuen parlamentarischen Gruppe «Für ein liberales Waffenrecht», welche sich unter dem Co-Präsidium von SVP-Nationalrat Jean-Luc Addor (VS) und FDP-Ständerat Josef Dittli (UR) dem Kampf gegen ein verschärftes Waffenrecht verpflichten werde. Auch der Schweizer Schiesssportverband (SSV) hatte zusammen mit ProTell und der Interessengemeinschaft Schiessen schon das Referendum angekündigt, sollte die Schweiz die verschärften Regeln übernehmen. Im Anschluss an die Verabschiedung der angepassten Richtlinie durch das Europäische Parlament und deren Bestätigung durch den Ministerrat meldeten sich in der Presse wiederholt Schützenvertreter zu Wort und übten harsche Kritik am vorgesehenen nationalen Waffenregister, am Zwang zur Vereinsmitgliedschaft oder am Verbot von Gewehrmagazinen mit mehr als zehn Schuss. Durch die neuen Regelungen würden sie an der Ausübung ihres Hobbys gehindert, kriminalisiert und «in den gleichen Topf wie die Terroristen gesteckt», wie die Luzerner Zeitung SVP-Nationalrat Werner Salzmann (BE) zitierte. Bestraft würden jene, die sich an das Recht halten, pflichtete ihm die Präsidentin des SSV, die Berner alt-Regierungsrätin Dora Andres, bei.

Konsequenz einer Nichtübernahme der Richtlinie könnte der Ausschluss der Schweiz aus dem Schengen-Vertrag und damit verbunden auch aus dem Dubliner Abkommen sein, dank dessen die Schweiz heute viele Asylgesuche an andere europäische Staaten abgeben kann. Darin begründet liegt die sowohl von liberaler als auch von linker Seite geäusserte Befürchtung einer neuen europapolitischen Grundsatzabstimmung. Während liberale Kreise zur Verhinderung einer solchen auf Ausnahmebestimmungen in der Umsetzung der Richtlinie hofften, betonte SP-Nationalrätin Chantal Galladé (ZH), es sei wichtig aufzuzeigen, dass die Mitgliedschaft im Schengen-Raum für die Sicherheit der Schweiz eine zentrale Rolle spiele. Sollten sich die Waffenlobby und die SVP, welche schon lange Kritik am Schengen-Abkommen übte, in der Abstimmung durchsetzen können, drohe der Schweiz «erneut eine europapolitische Baustelle», so Galladé im Tages-Anzeiger. Dass das angedrohte Referendum durch die Aushandlung weiterer Sonderregelungen für die Schweiz verhindert werden könnte, wurde in der Bundesverwaltung jedoch angezweifelt. Die Schweiz habe bereits in der Entstehungsphase der Richtlinie dahingehend einzuwirken versucht und dabei wenigstens eine Ausnahme errungen, dass Schweizer Armeeangehörige die Ordonnanzwaffe nach dem Ende der Dienstzeit weiterhin behalten dürfen, obwohl das Sturmgewehr neu eigentlich in die Kategorie der verbotenen Waffen fällt. SSV-Geschäftsführer Beat Hunziker legte unterdessen keine grosse Kompromissbereitschaft an den Tag und erklärte, man nehme mit dem Referendum eine allfällige Kündigung von Schengen/Dublin in Kauf. SSV-Präsidentin Dora Andres glaubte gar nicht erst daran, dass dieser Fall eintreten könnte; der Streitwert sei in dieser Sache zu gering, um die Schweiz tatsächlich vom Schengen-Abkommen auszuschliessen. Es wurde jedoch auch Kritik an der «Fundamentalopposition» der Schützenlobby laut; gerade weil die EU der Schweiz einen Ausnahmeparagraphen für das Sturmgewehr zugestanden habe, sei diese «unbegreiflich», äusserte sich etwa die Zürcher SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf gegenüber der Luzerner Zeitung. Es «wäre ein absoluter Verhältnisblödsinn» für die Interessen der Schützen die Errungenschaften aus Schengen/Dublin wie den polizeilichen Informationsaustausch, Erleichterungen im Reiseverkehr und die europäische Zusammenarbeit in Asylverfahren zu opfern. Auch Justizministerin Simonetta Sommaruga zeigte sich in der Presse wenig erfreut über die heftige und ihrer Meinung nach verfrühte Reaktion der Schützen. Sie nehme die Sorgen wahr, aber der übliche Weg der Gesetzgebung stehe noch bevor, weshalb man kühlen Kopf bewahren solle.

In der Zwischenzeit beschäftigten sich verschiedenste parlamentarische Vorstösse mit der anstehenden Übernahme der EU-Richtlinie ins schweizerische Recht. So wollte beispielsweise Chantal Galladé zusammen mit den Nationalratskolleginnen Barbara Schmid-Federer (cvp, ZH) und Kathrin Bertschy (glp, BE) die Gunst der Stunde nutzen, um mit drei gleichlautenden parlamentarischen Initiativen (17.426, 17.427 und 17.428) ein umfassendes Waffenregister für die Schweiz zu fordern. Gemäss «Sonntags-Blick» hofften die Initiantinnen, damit Druck zu machen, dass ein solches in die Vernehmlassungsvorlage zur Umsetzung der EU-Richtlinie einfliessen sollte. Der Aargauer FDP-Ständerat und Hobbyschütze Philipp Müller machte sich indes Sorgen um die Schweizer Schiesstradition und stellte dem Bundesrat mittels Interpellation (Ip. 17.3255) die Frage nach der «Vereinbarkeit der Schweizer Schiesstradition mit der EU-Waffenrichtlinie», wie auch der Titel des Vorstosses lautete. Gegenüber dem Tages-Anzeiger erklärte Müller es zum Ziel, «Schengen/Dublin zu behalten und dabei das traditionelle Schiesswesen nicht zu gefährden.» CVP-Nationalrat Yannick Buttet (VS) stellte dem Bundesrat ebenfalls mittels einer Interpellation (Ip. 17.3280) die Frage nach den Auswirkungen der EU-Beschlüsse zum Waffenrecht auf die Schweiz und Werner Salzmann wollte dem Bundesrat per Motion gar «verbieten, die neuen Regeln zu übernehmen», wie es der «Blick» formulierte. Er hatte im letzten Jahr bereits eine Motion mit dem Titel «Wir lassen uns nicht durch die EU entwaffnen!» eingereicht, die im März 2017 im Nationalrat auf breite Zustimmung gestossen war.

Da die EU-Richtlinie nicht direkt anwendbar ist, besteht bei der Überführung ins nationale Recht ein gewisser Spielraum, den die Schweiz auch nutzen wolle, wie das Fedpol im Mai verlauten liess. So solle sich für ehemalige Armeeangehörige, die bereits im Besitz eines Sturmgewehrs sind, nichts ändern. Die neuen Regeln sollen erst für jene gelten, die zukünftig eine halbautomatische Waffe kaufen oder nach dem Ende der Dienstpflicht behalten wollen. Doch anstatt zu beschwichtigen, liess diese Ankündigung die Wogen erneut hochgehen. Die Basler Zeitung schrieb fortan von der «Entwaffnung auf Zeit» und witterte dahinter die «Wahrung des Besitzstandes für ehemalige Wehrmänner», um die Führungsriege der Schützen vom Referendum abzubringen. Die obligatorische Mitgliedschaft in einem Schützenverein hingegen solle letztere «milde stimmen» und sei darüber hinaus juristisch fragwürdig, da sie gegen die negative Vereinigungsfreiheit laut Art. 23 Abs. 3 BV verstosse, so die Behauptung. Während Werner Salzmann im «Blick» erneut betonte, das schärfere Waffenrecht verhindere keinen Terroranschlag und rette kein Menschenleben, aber schikaniere die Schützen und sei ein «Bürokratiemonster», stellte Werner Hohler, Interimspräsident von ProTell, gegenüber der Basler Zeitung unmissverständlich klar: «Wir akzeptieren keine noch so minimale Verschärfung des Waffenrechts, sondern wir wehren uns mit allen politischen und rechtlichen Mitteln dagegen.»

Mitte Juni 2017 fällte der Bundesrat sodann die formale Entscheidung, dass er die EU-Feuerwaffenrichtlinie akzeptieren und diese ins Schweizer Recht übernehmen will. Die angekündigte «pragmatische» Umsetzung solle nun weder ein zentrales Waffenregister noch eine Beschränkung der Gewehrmagazine auf zehn Schuss enthalten. Auch im letzten wesentlichen Streitpunkt, der Pflicht zur Vereinsmitgliedschaft und zum regelmässigen Üben an der Waffe als Voraussetzungen für den Erwerb einer halbautomatischen Waffe, worunter auch die Armeewaffe fällt, signalisierte der Bundesrat Gesprächsbereitschaft. ProTell sah genau darin jedoch die Einführung eines Bedürfnisnachweises, wie er 2011 vom Volk abgelehnt worden war, und hielt zusammen mit weiteren Schützenkreisen und der SVP trotz aller Zugeständnisse an der Referendumsdrohung fest. Unter den bürgerlichen Politikern, die sich anfänglich noch in breiter Front gegen eine Übernahme der Richtlinie gewehrt hatten, bröckelte der Widerstand jedoch. Wegen so kleiner Einschränkungen wie der Mitgliedschaft in einem Schützenverein solle Schengen/Dublin nicht aufs Spiel gesetzt werden, war vermehrt zu vernehmen. Die Vernehmlassung zur Umsetzung der Richtlinie wird noch im Herbst 2017 erwartet.

Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands. Übernahme der Richtlinie 2017/853 zur Änderung der EU-Waffenrichtlinie
Dossier: Das Bundesgesetz über Waffen, Waffenzubehör und Munition (Waffengesetz)

Die UREK-SR beugte sich im Mai 2017 bereits zum zweiten Mal über eine parlamentarische Initiative Parmelin (svp, VD), die sich eine verstärkte Berücksichtigung regionaler Gegebenheiten bei der Festlegung des Gewässerraums wünschte. Nach wie vor stand sie diesem Vorstoss ablehnend gegenüber und war der Ansicht, dass dessen Forderungen durch die bereits erfolgte Annahme einer eigenen Kommissionsmotion sowie durch deren Umsetzung mittels Änderung der Gewässerschutzverordnung bereits ausreichend berücksichtigt worden seien. Diese – mit 11 zu 1 Stimme beinahe einhellig vertretene – Ansicht teilte der Ständerat in der folgenden Sommersession diskussionslos, womit der Vorstoss endgültig erledigt war.

Parlamentarische Initiative verlangt Flexibilisierung des Gewässerraums in Gewässerschutzgesetz (Pa.lv. 13.455)
Dossier: Volksinitiative "Lebendiges Wasser" und ihre Folgen

Die APK-SR hatte vor der Sommersession 2016 Stellung zur Motion Reimann (svp, SG) mit dem Titel «EU-Beitrittsgesuch, Klarheit schaffen» genommen und nach Stichentscheid des Präsidenten die Ablehnung ebenjener beantragt. Die Mehrheit der Kommission hatte die Motion für überflüssig befunden, während eine Minderheit Keller-Sutter (fdp, SG) gehofft hatte, durch die Annahme endlich Klarheit in der Sache schaffen zu können.
In der Beratung des Geschäfts während der Sommersession 2016 äusserte sich Ständerätin Seydoux-Christe (cvp, JU) als Sprecherin der Kommissionsmehrheit und bezeichnete den Inhalt der Motion als «unnötig», «bizarr» und «lächerlich». Die Vertreterin der Kommissionsminderheit – Karin Keller-Sutter – wies darauf hin, dass der Rückzug des Gesuchs aus Brüssel zwar keinen Vorteil, aber auch keinen Nachteil mit sich bringe und man dennoch nachdrücklich einen Schlussstrich ziehen würde. Der Ständerat tat es schliesslich dem Nationalrat gleich und nahm die Motion mit 27 zu 13 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) an.

Der Bundesrat beantragte im darauffolgenden Jahr die Abschreibung der Motion. Durch ein offizielles Schreiben setzte Bundespräsident Johann Schneider-Ammann den EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker davon in Kenntnis, dass das Gesuch gegenstandslos sei und als zurückgezogen angesehen werden müsse. Die EU nahm davon Kenntnis, womit die Motion erfüllt worden war. National- und Ständerat schrieben das Geschäft in der Sommersession 2017 ab.

EU Beitrittsgesuch, Klarheit schaffen

Im Nachgang einer Recherche der SDA fiel das Schlaglicht der öffentlichen Debatte im Februar 2016 plötzlich auf die schon seit Monaten geplante Verschärfung des EU-Waffenrechts. Als Reaktion auf die Terroranschläge von Paris im vergangenen Jahr solle mit der Einschränkung des Waffenbesitzes und -handels nun verhindert werden, «dass Waffen in die Hände von Terroristen fallen», wie EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker von der NZZ zitiert wurde. Sofern die Richtlinie tatsächlich zustande kommt, muss die Schweiz als Schengen-Vertragsstaat diese übernehmen, um ihre Mitgliedschaft im Schengener und damit verbunden auch im Dubliner Abkommen nicht zu gefährden. Dies erläuterte der Bundesrat in seiner Antwort auf eine entsprechende Interpellation Ruiz (sp, VD; Ip. 15.4199). Die Schweiz sei jedoch in der zuständigen Expertengruppe des Ministerrates vertreten, wenn auch ohne formales Stimmrecht und nur mit beratender Funktion, was eine gewisse Einflussnahme ermögliche. Von der Kommission vorgesehen sind unter anderem strengere Registrierungspflichten, ein Verbot des Onlinehandels von Waffen und Munition, strengere Regeln für unbrauchbar gemachte Waffen, ein Bedürfnisnachweis – sei es als Jäger, Sportschütze oder Sammler – und eine medizinische Untersuchung als Vorbedingungen für den Waffenerwerbsschein sowie ein Verbot von zivilen halbautomatischen Feuerwaffen, die wie vollautomatische Kriegswaffen aussehen. Diese werden von der EU nicht nur wegen des relativ leicht möglichen Umbaus zu vollautomatischen Waffen, sondern auch aufgrund ihrer hohen Munitionskapazität als sehr gefährlich angesehen. Waffen ebendieser Kategorie kommen im ausserdienstlichen Schiesswesen in der Schweiz jedoch zu breitem Einsatz. Die verschärften Regeln liessen es in der Folge auch nicht mehr zu, dass Armeeangehörige Ordonnanzwaffen nach dem Ende der Dienstpflicht mit nach Hause nehmen.
So liess denn auch die Kritik aus dem Umfeld der Waffenlobby nicht lange auf sich warten. Dora Andres, Präsidentin des Schweizerischen Schiesssportverbandes (SSV), erklärte in den Medien, der SSV lehne die Vorschläge der Europäischen Kommission vollumfänglich ab. Die Schweiz brauche kein schärferes Waffenrecht und nötigenfalls werde man dagegen politisch aktiv werden. Mit rund 133'000 Mitgliedern wäre der SSV problemlos referendumsfähig. Schützenhilfe erhielt Andres auch von bürgerlichen Politikerinnen und Politikern, darunter CVP-Präsident Christophe Darbellay (VS), welcher die vorgesehenen Regeln gegenüber dem Sonntags-Blick als «nicht kompatibel» mit dem schweizerischen Schützenwesen und der Milizarmee bezeichnete. FDP-Nationalrätin Corina Eichenberger (AG) erachtete gegenüber der Aargauer Zeitung eine Verschärfung des Waffenrechts als schlicht nicht in der Lage, mehr Sicherheit zu garantieren; es sei ein «Irrglaube», dass mit strengeren Regeln der kriminelle Waffenmissbrauch verhindert werden könne. Die Milizarmee und die Armeewaffen zu Hause seien sogar Teil der «schweizerischen DNA», liess sie im Sonntags-Blick verlauten.

Im März 2016 gab Bundesrätin Simonetta Sommaruga nach einem Treffen der EU-Innenminister erste Entwarnung: «Die EU wird der Schweiz das Sturmgewehr nicht verbieten», wurde sie in der Presse zitiert. Neben der Schweiz hätten sich auch andere EU-Länder, darunter v.a. baltische und nordische Staaten mit Schützen- und Jägertradition, gegen zu zentralistische Verschärfungen gewehrt. In der Folge verabschiedete der Rat der Innenminister Mitte Juni einen entschärften Entwurf mit einer eigens auf die Schweiz zugeschnittenen Ausnahmebestimmung. Diese «Schutzklausel für das Schweizer Sturmgewehr» (Tages-Anzeiger) ermöglicht es Schweizer Armeeangehörigen weiterhin, die Waffe nach Ende der Dienstpflicht zu behalten. Bedingungen dafür sind allerdings die Mitgliedschaft in einem Schützenverein, der Nachweis von jährlichen Schiessübungen sowie die regelmässige medizinische und psychologische Beurteilung des Waffenbesitzers.
Ebendiese Bedingungen waren es denn auch, welche die Freude über den Schweizer Verhandlungserfolg zumindest auf Seiten der Waffenlobby erheblich trübten. So schrieb die Basler Zeitung weiterhin von der «Entwaffnung Hunderttausender Schweizer Bürgerinnen und Bürger»; alle seien auf die Entwarnung Sommarugas hereingefallen, denn durch die von der breiten Öffentlichkeit kaum wahrgenommenen Bedingungen würden «unbescholtene Schweizerinnen und Schweizer, die eine Waffe besitzen», kriminalisiert und «der Grundsatz, wonach der Staat seinen Bürgern so lange vertraut, bis ihnen eine Straftat bewiesen werden kann, [...] ausgehebelt». Stattdessen müssten ehemalige Soldaten nun beweisen, «dass sie keine Gewalttäter sein wollen». Nicht zuletzt sah sie darin über Umwege die Umsetzung der 2011 abgelehnten Initiative gegen Waffengewalt. Auch bürgerliche Parlamentarierinnen und Parlamentarier übten abermals Kritik an der Richtlinie und nun insbesondere an den Bedingungen im «Schweizer Paragraphen». Von einer «schlimme[n] Einmischung in die Schweizer Gesetzgebung» (Walter Müller, fdp, SG) und der Gefährdung der Souveränität der Schweiz (Adrian Amstutz, svp, BE) war die Rede. Die Urteile über die Richtlinie im Allgemeinen wie auch über die medizinisch-psychologischen Tests im Besonderen reichten von «inakzeptabel und lächerlich» (Yannick Buttet, cvp, VS) bis zu «absurd» (Dora Andres, SSV). Der neue CVP-Präsident Gerhard Pfister (ZG) forderte von Bundesrätin Sommaruga gar eine Erklärung und allfällige Nachverhandlungen in Brüssel. Der SVP-Nationalrat und Präsident des Berner Schützenverbandes Werner Salzmann reichte indes Ende September eine Motion mit dem Titel «Wir lassen uns nicht durch die EU entwaffnen!» ein. Dem Vorstoss zufolge sollte die Schweiz gemeinsam mit jenen EU-Staaten, die dem neuen Waffenrecht ebenfalls kritisch gegenüberstehen, die «unannehmbaren Änderungen» bekämpfen.

Im Dezember 2016 einigten sich Vertreter der EU-Mitgliedstaaten, der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments auf eine Fassung der Waffenrichtlinie, über die als nächstes das Europäische Parlament befinden wird. Unterdessen war es der europäischen Waffenlobby gelungen, die Vorlage weiter abzuschwächen. So sieht der Antrag zuhanden des Europäischen Parlaments kein Verbot halbautomatischer Waffen mehr vor, sondern lediglich Einschränkungen betreffend den Verkauf und die maximale Patronenzahl. Den Mitgliedstaaten ist es nun ausserdem freigestellt, ob für den Waffenerwerb medizinisch-psychologische Tests erforderlich sind oder nicht. Bei der Überführung in nationales Recht bietet die Richtlinie daher einen gewissen Spielraum. Was jedoch geblieben ist, sind die Mitgliedschaft in einem Schützenverein und die regelmässige Teilnahme an Schiessanlässen als Voraussetzungen, damit Schweizer Armeeangehörige das Sturmgewehr behalten dürfen. Diese Punkte waren im ausgehenden 2016 denn auch die meistkritisierten, denn mit Vereinspflicht und Schiesszwang wolle die EU die Freiheit und Selbstbestimmung der Schweizer beschränken, zeigte sich Werner Salzmann gegenüber der Luzerner Zeitung besorgt. Mit mehr Dramatik bezeichnete Jean-Luc Addor (VS), SVP-Nationalrat und Vizepräsident von ProTell, die Schusswaffe als «das Symbol des freien Mannes» und die Reform daher als unverhältnismässig. ProTell kündigte bereits das Referendum an; man toleriere keine Verschärfung des Schweizer Waffenrechts. Auch ein Ausschluss aus Schengen/Dublin würde gemäss diversen Zeitungsberichten von der Waffenlobby damit bewusst in Kauf genommen.

Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands. Übernahme der Richtlinie 2017/853 zur Änderung der EU-Waffenrichtlinie
Dossier: Das Bundesgesetz über Waffen, Waffenzubehör und Munition (Waffengesetz)

Im Anschluss an die Ablehnung der Neuenburger Standesinitiative zur Familienbesteuerung Ende 2016 reichte der Neuenburger Ständerat Didier Berberat (sp, NE) deren Forderung als Motion "Familienbesteuerung. Ungleichbehandlungen beseitigen" erneut ein. Die Motion beinhaltete folglich den Auftrag an den Bundesrat, im Rahmen der Änderung der Direkten Bundessteuer (DBG) und des Steuerharmonisierungsgesetzes (StHG) Vorschläge zur steuerlichen Gleichbehandlung von Unterhaltsbeiträgen minderjähriger und volljähriger Kinder sowie zur Harmonisierung der Kinderabzüge verheirateter und geschiedener Eltern zu machen. Wie wichtig dieses Thema für die Parlamentarier ist, verdeutlicht die grosse Anzahl Parlamentsvorschläge der letzten Jahre (unter anderem Motionen von Parmelin (Mo. 05.3319), Frick (Mo. 06.3305), Kohler (Mo. 06.3297), Amstutz (Mo. 09.3129), Baettig (Mo. 09.3239), Maire (Mo. 14.3468), Postulat der WAK-NR (Po. 14.3292), Interpellation Feri (Ip. 16.3307)).

Anders als bei der Neuenburger Standesinitiative, die bezüglich der Kinderabzüge vor allem das unzeitgemässe Familienmodell hinter dem aktuellen System kritisierte, betonte Berberat in seiner Begründung insbesondere die Benachteiligung von gemeinsam besteuerten Eheleuten gegenüber geschiedenen oder getrennten Eltern. So können Letztere im Unterschied zu Verheirateten sowohl Unterhaltsbeiträge als auch einen Kinderabzug geltend machen. Der Bundesrat wiederholte in seiner Begründung vom 15. Februar 2017 dieselben Argumente, die er bereits bezüglich der Standesinitiative und der Motion Maire angeführt hatte: Abzugsfähige Alimentenleistungen an Volljährige würden bedingen, dass die Kinder dieselben Gelder versteuern müssen; die steuerliche Bevorzugung geschiedener oder getrennt lebender Eltern lässt sich dadurch begründen, dass Letztere durchschnittlich finanziell deutlich schlechter gestellt sind als Verheiratete; eine frühere Regelung, die keinen Abzug der Unterhaltsbeiträge vorsah, war als nicht sachgerecht empfunden worden. Der Bundesrat betonte zudem, dass er die aktuelle Lösung grundsätzlich als gerecht empfinde, dass aber in Einzelfällen andere Modelle passender wären und die eidgenössische Steuerverwaltung entsprechende Möglichkeiten prüfe. Bundesrat Maurer ergänzte zudem in der Ständeratsdebatte, dass auf jeden Fall verhindert werden müsse, dass durch Änderungen neue Ungerechtigkeiten geschaffen werden. Der Ständerat folgte der Empfehlung des Bundesrates und lehnte die Motion mit 15 zu 27 Stimmen ab.

Familienbesteuerung. Ungleichbehandlungen beseitigen

Aufgrund der Uneinigkeit zwischen der ständerätlichen UREK-SR und der nationalrätlichen UREK-NR gelangte die parlamentarische Initiative Parmelin (svp, VD) mit der Forderung nach Berücksichtigung regionaler Gegebenheiten bei der Festlegung des Gewässerraums ins Parlament. Dem Nationalrat, der sich in der Wintersession 2016 als Erstrat mit dem Anliegen befasste, lag neben dem befürwortenden Mehrheitsantrag seiner Kommission auch ein linker Minderheitsantrag vor, welcher der Initiative keine Folge geben wollte. Minderheitssprecher Jans (sp, BS) begründete die ablehnende Haltung der Kommissionsminderheit damit, dass dem Anliegen bereits mit einer im Herbst 2015 angenommenen Motion der UREK-SR Rechnung getragen werde. Im Gegensatz zur vorliegenden parlamentarischen Initiative erlaubt diese eine Anpassung der Bestimmungen auf dem Verordnungsweg. Auf der anderen Seite machte sich die Kommissionsmehrheit dafür stark, sich eine Gesetzesänderung vorzubehalten, sollte die in Erfüllung der Kommissionsmotion erarbeitete Verordnungsänderung nicht zufriedenstellend ausfallen. Mit 114 zu 57 Stimmen sprach sich die grosse Kammer für Folge geben aus, womit der Ständerat ebenfalls über die Vorlage beraten wird.

Parlamentarische Initiative verlangt Flexibilisierung des Gewässerraums in Gewässerschutzgesetz (Pa.lv. 13.455)
Dossier: Volksinitiative "Lebendiges Wasser" und ihre Folgen

In der Herbstsession 2016 beschloss der Nationalrat im Rahmen der Beratungen zur Reform der Altersvorsorge 2020, ein Postulat Parmelin (svp, VD) aus dem Jahr 2010, das einen Bericht über die Festlegung des Umwandlungssatzes verlangt hatte, abzuschreiben.

Bericht über die Festlegung des Umwandlungssatzes

Nachdem die Mitglieder des Bundesrates vereidigt worden waren – mit Ausnahme von Simonetta Sommaruga (sp), die das Gelübde ablegte –, wurden die Wahlen des Bundespräsidenten und der Vizepräsidentin für 2016 durchgeführt. Die turnusgemässen Wahlen von Johann Schneider-Ammann (fdp) zum Präsidenten und von Doris Leuthard (cvp) zur Vizepräsidentin waren unbestritten. Schneider-Ammann erhielt 196 Stimmen. Von den 241 eingelangten Stimmzetteln waren 27 leer, sechs waren ungültig und zwölf enthielten andere Namen. In der Presse wurde dieses Resultat als breite Akzeptanz in der Bundesversammlung interpretiert. Auf Doris Leuthard entfielen 180 Stimmen. Lediglich 218 Wahlzettel wurden an die noch anwesenden Parlamentsmitglieder verteilt. Davon blieben acht leer, sieben waren ungültig und auf 23 stand ein anderer Name als jener der CVP-Magistratin.
In seiner Ansprache machte Johann Schneider-Ammann die Verunsicherung im vergangenen Jahr zum Thema, die durch die Aufwertung des Frankens, Terroranschläge und Flüchtlingsströme genährt worden sei und aufgezeigt hätte, wie verletzlich die freien Gesellschaften seien. Auch wenn die Wurzeln dieser Krisen nicht in der Schweiz selber lägen, müsse man in der Schweiz die Reihen schliessen und sich dagegen wehren. Die Schweiz dürfe dabei aber ihre humanitäre Tradition nicht vergessen. Wer Hilfe brauche, werde geschützt, müsse aber die vorherrschenden Regeln akzeptieren. Die anstehenden Herausforderungen – Schneider-Ammann nannte die Verteidigung von Offenheit und Souveränität, von Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit, aber auch die Beziehung zu Europa – müssten gemeinsam mit Reformwillen angegangen werden. Dabei könne man auf eigene Stärken, wie der Innovationskraft, der dualen Bildung oder der intakten Sozialpartnerschaft bauen. Sein Motto als Bundesrat laute "Gemeinsam für Jobs und unser Land".
Der Berner FDP-Bundesrat, der es auch nicht versäumte, der abtretenden Eveline Widmer-Schlumpf, die er als "grosse Persönlichkeit" bezeichnete, zu danken, löste als Regierungschef Simonetta Sommaruga ab, die das Amt im Jahr 2015 inne gehabt hatte. Anders als Didier Burkhalter – ihr Vorgänger in diesem Amt –, der Anfang 2015 zum Schweizer des Jahres gekürt worden war und im März gar für den Friedens-Nobelpreis vorgeschlagen wurde und als neuer UNO-Generalsekretär im Gespräch war, hatte die SP-Magistratin im Wahljahr 2015 einen sehr schweren Stand gehabt, da sie in ihrer Funktion als Justizministerin insbesondere von der Rechten immer wieder angegriffen wurde. Als Verantwortliche für das Migrationsdossier hatte sie nicht nur auf die in den Medien als "Flüchtlingskrise" bezeichnete Migrationswelle reagieren müssen, sondern sie hatte auch das Dossier zur Masseneinwanderungsinitiative und hierzu die Verhandlungen mit der EU zu betreuen. Die Bundespräsidentin war entsprechend ein äusserst beliebtes Sujet in der Weltwoche. Mit Ausnahme der SVP attestierten ihr die Parteien aber, gute Arbeit geleistet zu haben. Als Meilenstein, aus der Sicht der abtretenden Bundespräsidentin, galten ihre Gespräche mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, welche die Situation mit der EU deblockiert hätten.

2016 - Johann Schneider-Ammann
Dossier: Wahlen des Bundespräsidiums

Rund eine Woche vor den Regierungswahlen begannen die Fraktionen mit den Hearings der drei SVP-Kandidaten. Lediglich die Grünen verzichteten auf die Anhörungen, weil sie die Wahl eines Vertreters der Volkspartei grundsätzlich ablehnten, da die SVP die Europäische Menschenrechtskonvention kündigen wolle – eine Anspielung auf die geplante Selbstbestimmungsinitiative der SVP. Die GP setzte nach wie vor auf einen Sprengkandidaten aus der Mitte und gab bekannt, zumindest im ersten Wahlgang keinen der SVP-Kandidierenden wählen zu wollen. Die SP entschied sich erst in letzter Minute, die Kandidaten einen Tag vor den Wahlen doch noch zu Bewerbungsgesprächen einzuladen. Die Genossen gaben im Anschluss bekannt, dass Norman Gobbi (TI, lega) für sie nicht wählbar sei. Die restlichen Fraktionen wollten sich nach den Anhörungen zwar nicht festlegen, gaben aber zu Protokoll, einen der drei offiziellen Kandidaten wählen zu wollen. Ein Sprengkandidat war nicht in Sicht – auch wenn Heinz Brand (svp, GR) erst nach einigem Hin und Her und viel Pressewirbel dementierte, eine Wahl annehmen zu wollen, und sich auch Thomas Hurter (svp, SH) noch einmal ins Gespräch brachte, weil er keine Stellung nehmen wollte zur Idee, bei einer allfälligen Wahl und Ausschluss durch die SVP bei der FDP Unterschlupf zu finden. Alle weiteren, in den Medien kolportierten, möglichen Überraschungskandidaten gaben aber jeweils kurz nach der Medienmeldung an, nicht zur Verfügung zu stehen. Zudem signalisierten die Mitteparteien im Verlaufe dieser Geplänkel immer deutlicher, für Spiele nicht zur Verfügung zu stehen. Aufgrund dieser Ausgangslage sahen die meisten Medien am Tag vor der Bundesratswahl Guy Parmelin (svp, VD) im Vorteil, da er von SP und GP wohl eher unterstützt würde als Norman Gobbi (TI, lega) und Thomas Aeschi (svp, ZG).
Dass der Anspruch der SVP auf einen zweiten Bundesratssitz allgemein akzeptiert und die Lust auf Experimente im Parlament in der Tat sehr gering war, zeigte sich am Wahltag auch in den Voten der einzelnen Fraktionen. Mit Ausnahme der SP und der GP sprachen sich alle Parteien für ein Ende der bisher nicht adäquaten mathematischen Konkordanz aus. Obwohl alle Parteien freilich auch die Ausschlussklausel der SVP kritisierten, die einer Regierungspartei nicht würdig sei, liessen sie den Worten bei der Ersatzwahl von Eveline Widmer-Schlumpf (bdp) Taten folgen. Zwar erhielten im ersten Wahlgang auch Thomas Hurter (svp, SH) und Viola Amherd (cvp, VS) 22 bzw. 16 Stimmen, auf den insgesamt 245 ausgeteilten Wahlzetteln fanden sich aber vorwiegend die drei SVP-Kandidierenden, wobei sich Guy Parmelin mit 90 Stimmen vor Thomas Aeschi (61 Stimmen) und Norman Gobbi (50 Stimmen) schon leicht absetzen konnte. Mit den vier Stimmen an Verschiedene und den zwei leeren Wahlzetteln hatten sich damit 44 Parlamentarier nicht am offiziellen Dreierticket orientiert – zu wenig für einen Coup. Im zweiten Wahlgang verpasste Parmelin das absolute Mehr nur knapp. Er erhielt 117 von 120 nötigen Stimmen; Aeschi wurde von 78 Mitgliedern der Vereinigten Bundesversammlung favorisiert und Gobbi erhielt lediglich noch 30 Voten. Auf Verschiedene entfielen 14 Stimmen und fünf der 244 ausgeteilten Wahlzettel waren leer. Im dritten Wahlgang – für viele überraschend schnell – konnte Guy Parmelin dann genügend Unterstützerinnen und Unterstützer hinter sich scharen. Mit 138 Stimmen wurde der Waadtländer erster französischsprachiger SVP-Bundesrat der Geschichte. Die 88 Stimmen für Aeschi hätten auch zusammen mit den elf noch auf Gobbi entfallenden Stimmen nicht für einen anderen Wahlausgang gereicht. Im dritten Wahlgang, in dem nur noch 243 Wahlzettel ausgeteilt wurden, waren noch deren sechs leer. Guy Parmelin erklärte die Annahme der Wahl und verwies in seiner kurzen Rede auf die Bedeutung und Symbolkraft seiner Wahl für die Westschweiz. Freilich werde er im Rahmen seiner Regierungstätigkeit auch die Ost- und Zentralschweiz, die diesmal leer ausgegangen seien, nicht vergessen.

Ob der mit Spannung erwarteten Ersatzwahl gingen die vorausgehenden Bestätigungswahlen der bisherigen sechs Regierungsmitglieder fast ein wenig unter. Zwar divergierten die Stimmen, welche die einzelnen Magistratinnen und Magistraten erhielten recht stark – insbesondere Ueli Maurer (svp) und Simonetta Sommaruga (sp) wurden wohl jeweils vom gegnerischen Lager abgestraft – aber insgesamt zeigte sich auch bei den Bestätigungswahlen, dass das Parlament in der Mehrheit ein Zurück zur Normalität anstrebte. Doris Leuthard (cvp) wurde mit 215 von 245 Stimmen erneut gewählt (Verschiedene: 19; leer: acht; ungültig: drei), Ueli Maurer (svp) erhielt 173 von 245 Stimmen (Thomas Hurter (svp, SH): zehn Stimmen, Verschiedene: 27; leer: 32; ungültig: drei), Didier Burkhalter (fdp) wurde mit 217 von 244 Wahlzetteln bestätigt (Verschiedene: 14; leer: 13; ungültig: Null), der Name Simonetta Sommaruga (sp) stand auf 182 von 245 ausgeteilten Wahlzetteln (Daniel Jositsch (sp, ZH): elf Stimmen; Verschiedene: 28; leer: 19; ungültig: fünf), Johann Schneider-Ammann machte 191 von 244 Stimmen (Verschiedene: 28; leer: 23; ungültig: zwei) und überraschend deutlich bestätigt wurde auch Alain Berset mit 210 von 244 möglichen Voten (Verschiedene: 23; leer: acht; ungültig: zwei). Alle sechs hatten damit mehr Stimmen als noch vor vier Jahren erhalten.
Die Reaktionen in den Medien waren geteilt. Auf der einen Seite wurde hervorgehoben, dass Parmelin als Nationalrat kaum aufgefallen sei, über keinerlei Führungserfahrung verfüge und auch nicht besonders sprachgewandt sei – wenig spektakulär wie der Chasselas, den er anbaue, so etwa die BaZ. Sein einziger Ausweis sei es, der SVP anzugehören. Es sei aber nachvollziehbar, dass das Parlament die parteipolitische Zusammensetzung der Regierung höher gewichtet habe als personelle Fragen. Zudem müsse man Parmelin eine Chance geben, im Amt zu wachsen. Weil er keine hohe Erwartungen wecke, könne er eigentlich nur positiv überraschen. Für viele, vor allem für Mitte-links sei er wohl auch das kleinere Übel gewesen. Parmelin sei ein SVP-Mitglied der alten Schule und sei wohl als leichter formbar vermutet worden als Thomas Aeschi, der als Blocher-Zögling gelte und die neue SVP-Linie vertrete. In der Westschweizer Presse wurde zudem hervorgehoben, dass sich Parmelin stets moderat und kompromissbereit gezeigt habe – eine nicht zu unterschätzende Fähigkeit im Regierungskollegium. Die Wahl Parmelins sei aber auch ein Zeichen dafür, dass das Parlament angesichts der Erfolge und der immer neuen Forderungen der SVP resigniere – so der Blick. Einig war man sich in der Presse, dass die SVP jetzt in der Verantwortung stehe. Sie müsse wieder in den Kompromiss-Modus zurückfinden – so die NZZ. In den Kommentarspalten wurde zudem darauf hingewiesen, dass die Volkspartei mit ihrem zweiten Regierungssitz nun auch definitiv in der Westschweiz verankert sei – männiglich prognostizierte gar einen weiteren Schub der SVP im französischsprachigen Landesteil.
Die Reaktionen der Parteien waren unterschiedlich. Die SVP feierte ihren neuen Bundesrat mit auffallender Zurückhaltung. Zwar wiesen die Parteispitzen darauf hin, dass man die Westschweiz jetzt noch besser vertreten könne; verschiedene Stimmen machten aber keinen Hehl daraus, dass Parmelin nicht der Wunschkandidat gewesen sei. Die Aufforderung, jetzt mehr Kompromissbereitschaft zu zeigen, prallte an der SVP ab. Man mache weiter eine SVP-Politik und erwarte vielmehr von der FDP, dass sich im Bundesrat jetzt eine bürgerliche Politik durchsetze. Als Siegerinnen sahen sich die SP- und die CVP-Spitzen. In der französischsprachigen Presse wurde kolportiert, dass Guy Parmelin ohne die von Christoph Darbellay (cvp, VS) und Christian Levrat (sp, FR) im Nationalratswahlkampf aufgestellte Forderung an die SVP, einen Westschweizer Kandidaten zu präsentieren, vielleicht jetzt gar nicht Bundesrat wäre. Prompt wurden die beiden Parteipräsidenten als Königsmacher gefeiert. In der FDP und der CVP machte man sich Gedanken über die nächsten Bundesratswahlen. Klar war, dass mit der Übervertretung der Romandie die Chancen für französischsprachige "Papabili" stark gesunken waren. Potenzielle Ostschweizer und Tessiner-Kandidaten konnten sich hingegen freuen.

Gesamterneuerungswahlen des Bundesrats 2015 – Nachfolge Eveline Widmer-Schlumpf
Dossier: Bundesratswahlen seit 2008

Die Forderung der SVP, nach einem zweiten Regierungssitz, gehörte seit der Nichtbestätigung von Christoph Blocher (svp, ZH) nach den Wahlen 2007 zum Standardrepertoire der Volkspartei. Bei den Bundesratswahlen 2011 hatte sich die SVP mit ihrem nicht sehr professionellen Nominierungsverfahren praktisch selber aus dem Rennen genommen. Die Vehemenz der Forderung, nach einer adäquaten Regierungsbeteiligung, nahm 2015 gar noch zu und die Attacken der Volkspartei, vor allem auf den BDP-Bundesratssitz, wurden lauter. Die zahlreichen Kandidierenden, die vor den Parlamentswahlen als mögliche Herausforderer angepriesen wurden, dienten dabei einerseits als Nebelpetarden. Weil diese Ankündigungen und sofortigen Dementis, etwa von Toni Brunner (svp, SG) oder Adrian Amstutz (svp, BE), von den Medien bereitwillig aufgenommen und diskutiert wurden, schadete dies anderseits dem Wahlkampf der SVP in keinster Weise. Auch die anderen Parteien profitierten freilich von der medial breitgeschlagenen Diskussion um mögliche Szenarien für die nach den Gesamterneuerungswahlen anstehenden Bundesratswahlen. Die Bürgerlichen bestätigten zwar den prinzipiellen Anspruch der SVP auf einen zweiten Regierungssitz, Regierungsmitglieder, die ihre Sache gut machten, wolle man aber nicht abwählen. SP und GP betonten mit ebendiesem Argument, dass sie Eveline Widmer-Schlumpf (bdp) auf jeden Fall bestätigen wollten.
Die Ausgangslage änderte sich freilich nach der Demissionsankündigung der BDP-Bundesrätin. Die Linke pochte zwar auf einen neuen Mitte-Kandidaten, falls die SVP Kandidierende nominiere, die gegen die Bilateralen seien, und die Grünen sahen ebenfalls weit und breit keinen wählbaren SVP-Kandidierenden. Die restlichen Parteien signalisierten aber rasch, dass sie den Anspruch der SVP auf einen zweiten Bundesratssitz guthiessen und für Spielchen nicht zu haben seien. Dazu gehörte auch die Bestätigung, Bisherige nicht abwählen zu wollen. In der Tat wurde die Möglichkeit diskutiert, einen FDP-Bundesrat abzuwählen und mit einem Kandidierenden der Mitteparteien zu ersetzen, um eine rechtslastige Regierung mit 2 FDP und 2 SVP Magistraten zu verhindern. Die Chance für ein solches Szenario, war allerdings mehr als gering, würden doch dafür weder die FDP noch die SVP Hand bieten.
Rasch zeigte sich zudem, dass die Volkspartei das Nominierungsverfahren dieses Mal mit grösserer Sorgfalt angegangen war als vier Jahre zuvor. Aus den elf ursprünglichen Bewerbungen präsentierte die SVP nach ihrer Fraktionssitzung am 20. November drei Kandidierende aus den drei hauptsächlichen Sprachregionen: Thomas Aeschi (svp, ZG), Guy Parmelin (svp, VD) und Norman Gobbi (TI, lega). Der Tessiner Lega-Regierungsrat stellte sich unter das Banner der SVP, wollte aber auf kantonaler Ebene Legist bleiben. SVP-Fraktionspräsident Adrian Amstutz (svp, BE) wies darauf hin, dass Gobbi Mitglied der SVP Schweiz sei und das Gedankengut der SVP vertrete. Man kooperiere mit der Lega auf nationaler Ebene schon lange. Die Lega gehöre im Parlament schliesslich auch zur SVP-Fraktion. Gobbi sei von der Fraktion praktisch einstimmig nominiert worden (mit 72 von 74 Stimmen). Parmelin (svp, VD) siegte mit 48 zu 29 Stimmen über Oskar Freysinger (VS, svp) und Aeschi setzte sich im fünften Wahlgang mit 44 zu 37 Stimmen gegen Heinz Brand (svp, GR) durch. Ohne Chancen, oder gar nicht ins engere Auswahlverfahren aufgenommen, waren die Kandidaturen von Hannes Germann (svp, SH), Thomas Hurter (svp, SH), Res Schmid (NW, svp), Thomas de Courten (svp, BL), Albert Rösti (svp, BE) und David Weiss (BL, svp).
Die Dreier-Auswahl überraschte, waren doch im Vorfeld andere Favoriten gehandelt worden, die im Parlament eine breitere Unterstützung erhalten hätten. Die SVP machte aber von Anfang an klar, dass sie ihre – nach der Nicht-Bestätigung Blochers – in den Parteistatuten verankerte Regel, strikte anwenden werde. In diesem Sinne würden nicht nominierte, aber gewählte Kandidaten, die ihre Wahl dennoch annähmen, aus der Partei ausgeschlossen. Die Chancen für Hannes Germann (svp, SH), der laut der NZZ mehr Freunde im Parlament als in seiner Partei habe und der erste Bundesrat aus dem Kanton Schaffhausen gewesen wäre, oder für Heinz Brand (svp, GR), der lange als Kronfavorit aus der vernachlässigten Ostschweiz gegolten hatte, lagen damit praktisch bei Null. Es wurden zwar Szenarien für einen Sprengkandidaten aus der Reihe der SVP diskutiert und linke Stimmen kritisierten die Ausschlussregel als Erpressungsversuch, dem man sich nicht beugen werde. Mögliche Sprengkandidaten gaben allerdings rasch bekannt, eine allfällige Wahl nicht annehmen zu wollen.
Die SVP wurde nicht müde zu betonen, dass man mit dem sprachregional ausgewogenen Dreierticket eine echte Auswahl anbiete. Man sei der Forderung der SP und der CVP nachgekommen, einen Kandidierenden aus der Westschweiz aufzustellen und wolle als grösste Partei auch in der Regierung zwei Landesteile repräsentieren. Die Auswahl sorgte allerdings auch für Misstöne. Mit der Nominierung von Norman Gobbi (TI, lega) und Guy Parmelin (svp, VD) – der eine laut Presse bekannt für seine verbalen Entgleisungen, der andere ein politisches Leichtgewicht – wolle die SVP dem Parlament den Deutschschweizer Kandidaten Thomas Aeschi (svp, ZG) aufzwingen. Die Romandie wäre mit drei Sitzen deutlich übervertreten und Gobbi sei Vertreter der Lega. Dies sei keine echte Auswahl und der schweizerischen Konkordanz unwürdig – liess sich etwa Eric Nussbaumer (sp, BL) zitieren. Auch die NZZ kommentierte die Dreier-Nomination als Auswahl, die keine sei. In den Medien galt vorab der Zuger Thomas Aeschi als Kronfavorit. Er vertrete den neuen Stil der SVP, sei jung und ein Vertreter Blocher'scher Prägung – so etwa der TA. Die SVP wurde freilich nicht müde zu betonen, dass sie gerne Regierungsmitglieder aus unterschiedlichen Sprachregionen hätte.
Die Stimmen – auch aus der SVP – , die gerne eine breitere Auswahl aus der Deutschschweiz gehabt hätten, verstummten allerdings nicht. Es gebe durchaus Spielraum für einen (SVP-internen) Sprengkandidaten, zitierte das SGT Vertreter von SP und CVP. Immerhin war in den letzten 100 Jahren jeder fünfte gewählte Bundesrat wild, also nicht von der eigenen Partei nominiert worden. Freilich hatte die Volkspartei alle ursprünglich elf SVP-Kandidaten dazu bewegt, schriftlich zu bestätigen, eine Wahl als Sprengkandidat nicht anzunehmen.

Gesamterneuerungswahlen des Bundesrats 2015 – Nachfolge Eveline Widmer-Schlumpf
Dossier: Bundesratswahlen seit 2008

Wider den Willen der UREK-NR, die sich im Vorjahr mehrheitlich für Folge geben ausgesprochen hatte, lehnte die UREK-SR im Herbst 2015 eine parlamentarische Initiative Parmelin (svp, VD) ab, die explizit im Gewässerschutzgesetz verankert haben wollte, dass die Kantone den Gewässerraum unter Berücksichtigung regionaler Gegebenheiten festlegen können. Die Kommission sah die Problematik nicht bei den gesetzlichen Bestimmungen an sich, sondern im Bereich des Vollzugs, weswegen sie von einer Gesetzesänderung absehen wollte; eine Haltung, die sie gleichentags auch gegenüber neun Standesinitiativen mit ähnlichen Anliegen zum Ausdruck brachte. Um Vollzugsprobleme zu klären, hatte die UREK-SR im selben Jahr ihrerseits einen Vorstoss in Form einer Motion lanciert, der es erlauben soll, bestehenden Unklarheiten mittels Verordnungsanpassung entgegenzuwirken.

Parlamentarische Initiative verlangt Flexibilisierung des Gewässerraums in Gewässerschutzgesetz (Pa.lv. 13.455)
Dossier: Volksinitiative "Lebendiges Wasser" und ihre Folgen

Dem Kanton Waadt standen bei den Nationalratswahlen 2015 als bevölkerungsmässig drittgrösster Kanton achtzehn Sitze zu. Im Vergleich zu 2011 ging – im Unterschied zu den meisten anderen Kantonen – die Zahl an Kandidierenden leicht zurück auf 326 (2011: 334). Dafür verteilten sich die Anwärterinnen und Anwärter auf neu 23 Listen – einer Liste mehr als vier Jahre zuvor. Der Frauenanteil unter den Kandidierenden betrug 34.7% (2011: 32.3%). Die meisten Parteien traten sowohl mit einer eigenen Liste als auch einer der Jungpartei an. Unter den Parteilisten fanden sich auch zahlreiche Kleinstparteien wie der Piratenpartei oder den Schweizer Demokraten. Abgerundet wurde das Kandidatenfeld von Gruppierungen wie Ecopop, die im November 2014 mit der gleichnamigen Initiative und einer extremen Zuwanderungsbeschränkung auf sich aufmerksam gemacht hatte und auch in den Kantonen Zürich und Aargau antrat, oder der «Liste du Vote Blanc», die dafür eintrat, dass leere Stimmen für die Berechnung von demokratischen Entscheidungen ebenfalls zählen sollen.

Nur drei der achtzehn Amtsinhaber gaben vor den Wahlen ihren Rücktritt bekannt. Die SVP hatte mit André Bugnon und Pierre-François Veillon gleich zwei Abgänge zu beklagen. Nochmals kandidierten dafür Guy Parmelin und Jean-Pierre Grin. Bei der SP war es Eric Voruz der nicht mehr antrat. Die Sozialdemokraten hatten mit insgesamt sechs Mandaten die grösste Fraktion zu verteidigen. Die fünf wieder antretenden Bisherigen waren Cesla Amarelle, Ada Marra, Roger Nordmann, Rebecca Ana Ruiz und Jean Christophe Schwaab. Die Devise für die SP lautete, die zwei bei den Wahlen 2011 dazugewonnen Sitze zu verteidigen. Einer dieser Sitzgewinne ging damals zu Lasten des grünen Stadtpräsidenten von Lausanne, Daniel Brélaz, der 2015 von den Grünen wieder als Kandidat nominiert wurde, um den Abwärtstrend der vergangenen Jahre zu stoppen. Neben ihm traten die Bisherigen Adèle Thorens Goumaz und Christian van Singer an. Ihren 2011 verlorenen Sitz zurückerobern wollte auch die Alternative Linke. Einziger Kandidat, dem reelle Chancen zugerechnet wurden, war PdA-Grossrat Marc Vuilleumier. Die Grünliberalen – welche 2011 erstmals ein Mandat erobert hatten – peilten die Sitzverteidigung mit ihrer Nationalrätin Isabelle Chevalley an. Als weitere Mittepartei präsentierte die BDP mit Christine Bussat eine interessante und nicht unumstrittene Kandidatin. Bussat war als Urheberin der sogenannten «Pädophileninitiatve» bekannt geworden. Laut eigenen Aussagen entschied sie sich für die BDP, da ihr die SVP in Belangen wie der Ausländerpolitik zu extrem sei. Bei der CVP kam es bereits im Juni 2014 parteiintern zu einigem Wirbel, weil man den amtierenden Nationalrat Jacques Neirynck nicht mehr aufstellen wollte. Stattdessen sollte der ehemalige Verwaltungsrat der Post, Claude Béglé als Spitzenkandidat lanciert werden. Um die Wogen zu glätten, entschied man sich schliesslich Neirynck doch kandidieren zu lassen, jedoch auf der CVP-Seniorenliste, was die Wahlchancen des 84-Jährigen freilich arg schmälerte. Die FDP schliesslich, die ihre Delegation bei den letzten Wahlen von drei auf vier Sitze vergrössern konnte, trat mit allen Bisherigen wieder an: Fathi Derder, Olivier Feller, Isabelle Moret und Olivier Français. Français kandidierte zudem für die gleichzeitig stattfindenden Ständeratswahlen.
Im Vorfeld des Urnengangs beherrschte die Frage nach einem möglichen Zusammengehen der FDP mit der SVP die öffentliche Debatte. Im neuen Jahrtausend war eine Listenverbindung der beiden Parteien stets zustande gelommen – obwohl rein rechnerisch die FDP kaum je davon profitiert haben dürfte. Aus diesem Grund war die Skepsis über einen neuerlichen solchen Schulterschluss gross – einerseits bei den Freisinnigen selber und andererseits in der Waadtländer Medienlandschaft. Insbesondere die Annahme der Masseneinwanderungsinitiative im Februar 2014 wurde als Zäsur in der Beziehung zwischen den Parteien wahrgenommen. Für die FDP wäre eine Listenverbindung weniger für die Nationalratswahlen, als für die Ständeratswahlen relevant gewesen, da man dort die Unterstützung der SVP für den eigenen Kandidaten Français suchte. Die SVP betonte zudem, dass eine Zusammenarbeit bei den Nationalratswahlen Bedingung für eine Listenverbindung bei den anstehenden Waadtländer Kommunalwahlen sein würde. In der politischen Mitte hoffte man derweil, die FDP für sich selber gewinnen zu können. Dort hatten sich CVP, GLP, BDP, EDU und EVP wiederum zu einem breiten Bündnis zusammengetan. Für die FDP schien mehr und mehr klar, dass eine Listenverbindung ausschliesslich mit der SVP kaum in ihrem Interesse wäre. Die Partei hatte deshalb Grösseres im Sinn, und versuchte mehrmals die anderen bürgerlichen Parteien zu einem umfassenden bürgerlichen Block von der Mitte bis ganz nach rechts zu bewegen. Die Avancen der Freisinnigen stiessen aber weder im bürgerlichen Lager noch bei der SVP auf offene Ohren. Die CVP wollte sich nicht mit der SVP einlassen, genauso wenig wie dies die SVP mit den Mitteparteien tun wollte. Der Linken konnte die Uneinigkeit im bürgerlichen Lager nur recht sein. Die Sozialdemokraten, die Grünen und die alternative Linke führten ihre traditionelle Listenverbindung diskussionslos weiter.
Inmitten der wahltaktischen Streitigkeiten wurde der Waadtländer Wahlkampf durch interne Affären in der SVP aufgeheizt. Im Sommer wurde bekannt, dass SVP-Parteipräsidentin Fabienne Despot 2014 ein Gespräch mit Parteikollegen ohne deren Zustimmung aufgezeichnet hatte. Die Affäre kam ans Licht, weil Despots ehemaliger Lebenspartner und BDP-Politiker Fred Reichenbach, die SVP mit dem Tondokument unter Druck setzten wollte. Am SVP-Parteitag im August sorgte die Angelegenheit für heftige Diskussionen. Despot sagte, sie wolle Kandidatin für die National- und Ständeratswahlen bleiben, würde aber ihr Amt als Präsidentin zur Verfügung stellen. Die Delegierten der SVP stellten sich letztlich – wenn auch knapp – hinter Despot und beliessen sie sowohl als Kandidatin als auch im Parteipräsidium. Als ob dies nicht genug gewesen wäre, wurde daraufhin publik, dass die Ex-Freundin von Michaël Buffat – ebenfalls SVP-Kandidat für National- und Ständerat – eine Klage wegen Gewalttätigkeit gegen ihn eingereicht hatte. Die Vorwürfe wurden von Buffat bestritten. Auch der ersehnten bürgerlichen Einigung kamen die Affären wohl nicht zu Gute: Die Gespräche zwischen der FDP und der SVP verliefen letztlich im Sand, womit beide Parteien alleine ins Rennen um die Nationalratssitze stiegen.

Die FDP konnte sich schliesslich trotzdem als klare Gewinnerin im Kanton Waadt feiern lassen. Die Partei legte um ganze 4.8 Prozentpunkte auf 26.8% Wähleranteil zu. Die Freisinnigen avancierten mit diesem Resultat zur grössten Partei im Kanton. Der Wahlsieg konnte zudem in einen Sitzgewinn umgemünzt werden, wovon die neugewählten Laurent Wehrli und Frédéric Borloz profitierten. Fathi Derder – welcher sich hinter Wehrli einreihte – schaffte die Wiederwahl dank des späteren Erfolges von Olivier Français im Ständeratsrennen mit leichter Verzögerung ebenfalls. Leidtragende an diesem Wahlsonntag waren die Sozialdemokraten, welche einen ihrer zwei bei den eidgenössischen Wahlen 2011 gewonnenen Sitze wieder abgeben mussten. Da Eric Voruz nicht mehr angetreten war, schafften trotzdem alle ihre Nationalratsmitglieder die Wiederwahl. Die SP verlor 3 Prozentpunkte an Wähleranteil und kam noch auf 22.2 Prozent. Leichte Rückgänge mussten die SVP mit 22.6 Prozent (-0.4 Prozentpunkte) und die Grünen mit 11.3 Prozent (-0.3 Prozentpunkte) in Kauf nehmen. Beide Parteien blieben ohne Sitzverlust, jedoch schaffte bei den Grünen Daniel Brélaz auf Kosten von Christian van Singer wieder den Einzug in den Nationalrat. Adèle Thorens Goumaz gelang die Wiederwahl nur, weil Luc Recordon nach seiner Niederlage bei den Ständeratswahlen auch auf den Nationalratssitz verzichtete. Bei der SVP durften sich Jacques Nicolet und Michaël Buffat zur Neuwahl beglückwünschen lassen. Die Grünliberalen kamen noch auf 3.9 Prozent Wähleranteil (-1.2 Prozentpunkte), konnten aber den Sitz von Isabelle Chevalley halten. Bei der CVP ersetzte wie erwartet Claude Béglé den relegierten und letztlich abgewählten Amtsinhaber Jacques Neirynck. In Sachen Wähleranteil mussten auch die Christdemokraten einen leichten Rückgang verkraften (neu: 4.6%, -1 Prozentpunkt). Weiterhin keine Vertreter nach Bern schicken durften die BDP mit 1.8 Prozent Wähleranteil (+1 Prozentpunkt) und das linke Bündnis zwischen PdA und solidaritéS mit 2.9 Prozent Wähleranteil (-1.1 Prozentpunkte). Aus dem Kanton Waadt reist somit künftig folgende Delegation nach Bern: 5 FDP, 5 SP, 4 SVP, 2 GPS, 1 CVP und 1 GLP. Mit 6 Nationalrätinnen beträgt der Frauenanteil weiterhin 33%. Die Wahlbeteiligung war mit 42.9 Prozent leicht gestiegen (2011: 41.6%).

Kanton Waadt -Nationalratswahlen 2015
Dossier: Resultate Nationalratswahlen 2015 (nach Kantonen)

In der Herbstsession 2015 beschäftigte sich der Ständerat als Zweitrat mit einer Motion Parmelin (svp, VD) zur Abschaffung der Renten für Kinder AHV-beziehender Eltern. Die Kommission beantragte dem Rat einstimmig, den Vorstoss zusammen mit vier weiteren vom Nationalrat angenommenen Motionen (12.3553, 12.4129, 12.4131, 13.3313), welche ebenfalls die Altersvorsorge betreffen, abzulehnen. Im Zuge der Kommissionsdebatte über die Reform der Altersvorsorge seien die Forderungen aller fünf Motionen mehrmals angesprochen worden, ohne dass beantragt worden wäre, diese im Reformprojekt zu berücksichtigen. Es gelte daher, die entsprechenden Vorstösse abzulehnen. Der Rat folgte diesem Antrag diskussionslos.

Renten für Kinder AHV-beziehender Eltern abzuschaffen

Mit denkbar knappem Resultat entschied der Nationalrat in der Sommersession 2015 nach längerer Diskussion, auf den indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative "Grüne Wirtschaft" einzutreten. Auch der grossen Kammer lag ein Nichteintretensantrag ihrer Kommissionsmehrheit vor; eine starke Minderheit der UREK-NR bestehend aus Mitgliedern der Fraktionen der SP, Grünen, GLP und CVP machte sich für Eintreten stark. Die Kommissionsmehrheit, vertreten durch Guy Parmelin (svp, VD) und Peter Schilliger (fdp, LU), erachtete sowohl den indirekten Gegenvorschlag als auch das Volksanliegen aufgrund bereits bestehender Massnahmen – namentlich erwähnt wurde der Masterplan Cleantech, die Biodiversitätsstrategie, die Agrarpolitik 2014-2017 und die Energiestrategie 2050 – als überflüssig und den "Interventionismus" des Bundes auch in der entschlackten Version des Ständerats als zu weit gehend. Der ständerätliche Entwurf verfolgte in erster Linie noch zwei Zielsetzungen, nämlich ein verstärktes Recycling sowie den effizienteren Einsatz von kritischen Rohstoffen. Andere Bestimmungen, etwa diejenigen betreffend die Pflicht zur Information der Käufer über die Umweltauswirkungen der erworbenen Produkte (sog. Produktumweltinformation) oder eine Bewilligungspflicht für Abfallanlagen, waren vom Ständerat im Vorjahr bereits aus der Vorlage gestrichen worden. Der so vorliegende Entwurf setzte in erster Linie auf weiche Massnahmen wie die Bereitstellung von Informationen. Ferner wollte ein Subsidiaritätsprinzip im Bereich des Inverkehrbringens von Rohstoffen und Produkten freiwilligen Vereinbarungen der Wirtschaft Vorrang über staatliche Reglementierungen geben.
Minderheitssprecher Müller-Altermatt (cvp, SO) hingegen lobte die ständerätliche Arbeit; es sei der Kantonskammer gelungen, einen Entwurf zu präsentieren, der im Sinne der Wirtschaft und nicht bürokratisch sei. Durch Erläuterung der Importbestimmungen für ausländisches Holz machte der CVP-Nationalrat darauf aufmerksam, dass die Schweiz in der Umweltpolitik nicht in jedem Bereich eine Vorreiterrolle einnehme: Im Gegensatz zur EU bestünde in der Schweiz keine Gesetzesgrundlage für ein Importverbot von illegalem Holz.
Unter Berufung auf diverse Quellen stützte auch die Umweltministerin die Meinung, dass das 30-jährige Umweltschutzgesetz modernisiert werden müsse; der einzuführende Begriff der Ressourceneffizienz rechtfertige eine Revision nicht nur aus ökologischen, sondern auch aus ökonomischen Gründen. Tatsächlich wussten die Kommissionsminderheit und der Bundesrat gewisse Akteure aus der Wirtschaft hinter sich – neben den Grossverteilern Coop und Migros unterstützte etwa auch die direkt betroffene Holzwirtschaft den indirekten Gegenvorschlag. Starker Gegenwind erfuhr das Revisionsvorhaben jedoch von grossen Wirtschaftsverbänden wie Economiesuisse und Gewerbeverband. Nur mit Stichentscheid des Präsidenten Rossini (sp, VS) und bei insgesamt sechs Enthaltungen aus der CVP/EVP- und der FDP-Fraktion beschloss der Nationalrat schliesslich, auf die Vorlage einzutreten. Während die SP, die Grünen, die GLP und die BDP geschlossen für Eintreten stimmten, stellten sich die SVP und die FDP (mit Ausnahme zweier Enthaltungen) ebenso geschlossen dagegen. Das Zünglein an der Waage spielte die CVP, deren Mitglieder sich mit knapper Mehrheit ebenfalls für Eintreten aussprachen.

Volksinitiative „Für eine nachhaltige und ressourceneffiziente Wirtschaft“ (Grüne Wirtschaft)

Im Kanton Zürich wurden Mitte April die Gesamterneuerungswahlen 2015 bereits zum dritten Mal nach dem Doppelproporzverfahren (doppelter Pukelsheim) durchgeführt. Dieses Wahlverfahren, bei dem zuerst berechnet wird, wie viele Sitze einer Partei im gesamten Kanton zustehen (Oberzuteilung), und anschliessend die Sitzgewinne den Wahlkreisen zugeordnet werden (Unterzuteilung), wirkt sich auf das Verhalten der Parteien aus. Listenverbindungen werden hier obsolet und im Prinzip haben auch kleinere Parteien bessere Chancen, einen Sitz zu erobern. Damit es nicht zu einer zu starken Fraktionalisierung kommt, wird der doppelte Pukelsheim im Kanton Zürich mit einer Wahlhürde von 5 Prozent kombiniert: In mindestens einem Wahlkreis muss eine Partei also wenigstens 5 Prozent der dortigen Wählerschaft von sich überzeugen können, um an der Sitzverteilung teilnehmen zu können.
Das neue Verfahren hatte bereits bei seiner ersten Anwendung 2007 eine massive Reduktion der antretenden Listen von 47 (im Jahr 2003) auf elf (im Jahr 2007) zur Folge gehabt. Im aktuellen Wahljahr 2015 nahm diese Zahl wieder ein wenig zu: Insgesamt standen 13 Listen zur Wahl, auf denen 1734 Kandidierende aufgeführt waren (2003: 1968 Kandidierende; 2007: 1641 Kandidierende; 2011: 1720 Kandidierende). Mit vollen Listen in allen 18 Wahlkreisen und ergo 180 Kandidierenden traten die FDP, die SP, die SVP sowie die GLP an; bei der EVP und den Grünen fehlte jeweils ein Kandidat für eine volle Liste. Auch die CVP (173 Kandidierende), die Alternative Liste (170 Kandidierende) und die EDU (158 Kandidierende) traten in allen Wahlkreisen an, während die BDP (85 Kandidierende) und die Piraten (59 Kandidierende) nicht in jedem Wahlkreis Personal rekrutieren konnten. Lediglich in einem Wahlkreis traten die Juso (7 Kandidierende im Bezirk Uster) und die «Integrale Politik» (IP ZH) (4 Kandidierende im Bezirk Affoltern) an. Weil keine Listenverbindungen möglich sind, war das Engagement der Juso von der Mutterpartei nicht gerne gesehen, da die Jungpartei die SP so Stimmen kosten könnte. Die IP ZH, ein Ableger der 2007 gegründeten IP Schweiz trat zum ersten Mal an, konnte aber kaum mit einem Überspringen der 5-Prozent-Hürde rechnen. Im Gegensatz zu 2011 traten die SD – wie bereits in Basel-Landschaft – nicht mehr zu den Wahlen an; man wolle sich nach dem Debakel bei den lokalen Wahlen 2014 neu orientieren, gab Kantonalpräsident Andreas Stahel zu Protokoll.
Insgesamt traten 159 der 180 Bisherigen wieder an, wesentlich mehr als in bisherigen Jahren. Dies war freilich auch auf den Umstand zurückzuführen, dass mehr als ein Viertel der 2011 gewählten Abgeordneten während der Legislatur zurückgetreten waren. Der Frauenanteil unter den Kandidierenden lag bei 36 Prozent (2011: 34%), wobei bei Links-Grün überdurchschnittlich und bei Rechts-Bürgerlich unterdurchschnittlich viele Frauen kandidierten. Das Durchschnittsalter der Kandidierenden betrug 46 Jahre.
Die stärkste Partei im Zürcher Kantonsrat, die SVP (54 Sitze), hatte 2011 zum zweiten Mal in Folge bei den Kantonsratswahlen eine Niederlage einstecken müssen. Auch bei den nachfolgenden nationalen Wahlen hatte man ein Nationalratsmandat verloren und war ebenso bei der Ausmarchung um den Ständerat unterlegen. Zudem hatte die Volkspartei bei kantonalen Abstimmungen häufig Niederlagen über sich ergehen lassen müssen. Vor den anstehenden Wahlen 2015 zeigte man sich deshalb auffallend bemüht, die bürgerlichen Partner bei den Regierungsratswahlen nicht zu brüskieren, was allerdings nicht gänzlich gelang: Weil einzelne FDP-Exponenten auch die Regierungsratskandidatinnen und -kandidaten von SP und GP unterstützten, verglich der SVP-Kantonspräsident Alfred Heer die FDP mit einem Pudding, der einmal nach links, einmal nach rechts neige.
Erklärtes Ziel der SP, die mit ihren Anliegen im Rat jeweils nur dann durchkam, wenn sie Kompromisse hin zur Mitte eingehen konnte, war eine Steigerung des Wähleranteils um zwei Prozentpunkte und eine damit verbundene Verstärkung der momentan 35-köpfigen Fraktion. Die FDP (23 Sitze) befand sich im Aufwind; sie hatte nicht nur bei den Kommunalwahlen 2014 zulegen können, sondern mit Filippo Leutenegger auch den zweiten Sitz in der Zürcher Stadtregierung zurückerobert. Zum Mindestziel wurde deshalb der Gewinn von drei Sitzen erklärt, womit man allerdings nur die Hälfte der Verluste von 2011 wettgemacht hätte.
Die Grünen hatten 2011 mit der Wahl von Martin Graf in die Regierung einen Erfolg gefeiert. Damals hatte man die Sitzzahl im Parlament (19 Sitze) mit einem leichten Wählerzuwachs halten können. Dank dem Erfolg mit der kantonalen Kulturlandinitiative erhoffte sich die GP auch bei den kantonalen Wahlen 2015 Aufwind. Die Grünen wollten mindestens zwei weitere Mandate erringen und die viertstärkste Partei im Kanton bleiben. Die GLP (19 Sitze) hatte kurz vor den Zürcher Wahlen mit dem überdeutlichen Nein zu ihrer nationalen Initiative «Energie statt Mehrwert besteuern» eine herbe Niederlage einstecken müssen. Es blieb abzuwarten, ob dies auf die kantonale Wählerschaft abfärben würde. Die CVP (9 Sitze) hatte Ende März von sich reden gemacht, als die Kandidatur des im Wahlkreis 3 (Stadtkreise 4 und 5) antretenden Friedrich Studer für ungültig erklärt werden musste, weil der Präsident der CVP der beiden Stadtkreise gar nicht mehr im Kanton Zürich wohnhaft war und so eine Bedingung für seine Wählbarkeit verletzte. Zwar habe die CVP in diesem Wahlkreis ohnehin keine Chance und die Listenstimmen würden trotzdem mitgezählt, die Sache sei aber unschön, so der CVP-Stadtpräsident Markus Hungerbühler. Studer war aus persönlichen Gründen in den Kanton Solothurn umgezogen.
Für die kleineren Parteien war das Überspringen der 5-Prozent-Hürde vordringlichstes Ziel. Die EDU (5 Sitze) hatte dies 2007 und 2011 jeweils nur in einem Wahlkreis geschafft. In Hinwil schien die Partei allerdings über eine relativ treue Wählerschaft zu verfügen. Auch die EVP (7 Sitze) hatte damals über Gebühr zittern müssen. Da sich die EDU und die EVP in den gleichen Wahlkreisen die christlichen Stimmen abspenstig machten, drohte für beide Ungemach. Wenig Sorgen über die Wahlhürde musste sich die Alternative Liste (AL) machen, da sie im Wahlkreis 3 – also in den Stadtkreisen 4 und 5 – jeweils sehr stark abschneidet. In der Regel lag die AL hier jeweils gar noch vor der SVP und der FDP. Entsprechend strebte die Linkspartei Fraktionsstärke an. Zu den drei bisherigen Sitzen, unter anderem gehalten von Markus Bischoff, der auch für die Regierungsratswahlen antrat, sollten also noch mindestens zwei weitere hinzu kommen. Zittern musste hingegen die BDP, die ihre Kandidierenden auf einige Wahlkreise konzentrierte. Vor vier Jahren noch hatte sie ihre sechs Sitze dank mehr als 5 Prozent Wähleranteil in drei Wahlkreisen geschafft. Kaum Chancen konnten sich die Piraten und die IP ausrechnen. Das Scheitern an der 5 Prozent-Hürde könnte mitunter zu dramatischeren Sitzverschiebungen führen als leichte Wählerverschiebungen zwischen den arrivierten Parteien.
In den Medien wurde der Wahlkampf insgesamt als lau bezeichnet, zumal kaum medial verwertbare Skandale oder personalisierte Ereignisse, sondern insbesondere sachliche, aber vermutlich nur wenig mobilisierende Podiumsdiskussionen im Zentrum standen. Zu reden gab immerhin – auch das scheint ein Dauerbrenner kantonaler Wahlkampagnen zu sein – die Plakatierung, die von den verschiedenen Gemeinden mit unterschiedlichen juristischen Grundlagen sehr uneinheitlich bewilligt oder eben nicht bewilligt wurde. Für Gesprächsstoff sorgte auch ein Plakat der SVP, das Bundesrätin Simonetta Sommaruga zeigte, die von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker einen Begrüssungskuss erhielt. Das Plakat war mit dem Slogan «Wähle lieber SVP» versehen. Zu reden gab der Umstand, dass die SVP den Schnappschuss ohne Erlaubnis der Abgebildeten als Wahlwerbung verwendete, was rechtlich nicht zulässig ist. Weil die Magistratin das Plakat aber weder kommentieren noch juristisch dagegen vorgehen wollte, liess man die SVP gewähren.

Als grosse Siegerin der Zürcher Kantonsratswahlen 2015 ging die FDP hervor. Der Freisinn konnte um ganze acht Mandate und 4.4 Prozentpunkte an Wählerstärke zulegen (neu: 31 Sitze; 17.3% Wähleranteil). Dieses «triumphale Comeback» nach «jahrzehntelangem Niedergang» – so der Tages-Anzeiger – verhalf dem Bürgerblock zur absoluten Mehrheit, weil sowohl die SVP (54 Sitze) als auch die CVP (9 Sitze) ihren Besitzstand wahren konnten: Beide legten leicht an Wähleranteil zu (SVP +0.4 Prozentpunkte; CVP +0.1 Prozentpunkte). Für rechtsbürgerliche Anliegen ist allenfalls nicht einmal die CVP nötig, da auch die EDU ihre 5 Sitze zu verteidigen wusste (Wähleranteil: 2.7%; +0.1 Prozentpunkte). Zu den Gewinnerinnen durfte sich aber auch die Linke zählen. Die SP holte mit einem Wähleranteil von 19.7 Prozent (+0.4 Prozentpunkte) einen zusätzlichen Sitz (neu: 36 Sitze) und die AL konnte gar zwei zusätzliche Mandate für sich verbuchen und kommt nun auf 5 Sitze. Sie weiss neu 3 Prozent der Zürcher Wahlberechtigten hinter sich (+1.4 Prozentpunkte); in den Stadtkreisen 4 und 5 sind es gar 17.7 Prozent. Die Gewinne der FDP und der Linken gingen unter anderem auf Kosten der Mitte. Zwar konnte die EVP ihren Wähleranteil um 0.5 Prozentpunkte auf 4.3 Prozent steigern und damit einen Sitz gewinnen, die GLP und die BDP mussten aber Federn lassen. Die BDP verlor einen Sitz (neu: 5 Sitze) und verfügte nur noch über 2.6 Prozent Wähleranteil (-0.9 Prozentpunkte). Schlimmer erging es der GLP, die 5 Sitzverluste verschmerzen musste (neu: 14 Sitze). Mit 7.6 Prozent Wähleranteil (-2.6 Prozentpunkte) überholten die Grünliberalen aber gar noch die Grünen, für die die kantonalen Wahlen zum eigentlichen Debakel verkamen. Sie verloren nicht nur ihren Sitz bei den Regierungsratswahlen, sondern mussten auch im Parlament 6 Sitze räumen (neu: 13 Sitze). Der Verlust von 3.4 Prozentpunkten, der noch einen Wähleranteil von 7.2 Prozent bedeutete, liess das Lager mit den grünen Anliegen (GP und GLP) um einen Viertel schrumpfen. Für die Piraten, die Juso und die IP waren die Hürden zu hoch. Insgesamt 15 wiederkandidierende Kantonsratsmitglieder wurden abgewählt.
Wie schon bei den Wahlen im Kanton Basel-Landschaft und im Kanton Luzern verfügte der Bürgerblock aus SVP, FDP und CVP damit auch im Kanton Zürich wieder über eine komfortable Mehrheit im Parlament. Dies sei der erfolgreichen bürgerlichen Wahlallianz «Top 5» zu verdanken, kommentierten bürgerliche Kreise. Der Fraktionschef der SP, Markus Späth, gab allerdings in einem Interview zu Protokoll, dass die FDP und nicht die Bürgerlichen gewonnen hätten. Er hoffe, die FDP werde jetzt wieder ein wenig selbständiger und unabhängiger von der SVP und dass sich dies dann in bildungs-, sozial- und gesellschaftspolitischen Fragen bemerkbar mache. Die Wählerinnen und Wähler seien der grünen Anliegen überdrüssig und hätten «gemerkt, dass das nur kostet und nichts bringt», erklärte hingegen SVP-Kantonsrat Hans-Peter Amrein am Tag danach. Eine andere Interpretation lieferte indes CVP-Fraktionschef Philipp Kutter: Umweltanliegen seien kein Alleinstellungsmerkmal der grünen Parteien, die Energiewende beispielsweise sei breit abgestützt.
Die Niederlage der grünen Kräfte wurde in den Medien auch als Korrektur interpretiert, nachdem diese vor vier Jahren stark vom Reaktorunfall in Fukushima profitiert hätten. Eine Analyse der Wählerverschiebungen infolge einer Nachwahlbefragung zeigte in der Tat, dass zahlreiche Wählerinnen und Wähler der GLP und der GP aus dem Wahljahr 2011 im aktuellen Wahljahr der Urne ferngeblieben waren. Zudem hatte die GP viele Anhängerinnen an die SP und die AL verloren, während zahlreiche Wählerinnen und Wähler der GLP zur FDP abgewandert zu sein schienen. Der Frauenanteil im Zürcher Parlament nahm von 33.3 auf 33.9 Prozent nur leicht zu. Zu reden gab nach den Wahlen vor allem die historisch tiefe Wahlbeteiligung von 32.7 Prozent (2011: 38.2%). Erklärt wurde diese mit einer Entfremdung von der kantonalen Politik. Die lokale Verwurzelung nehme durch Arbeitsmobilität und Anonymisierung ab, was mit einem sinkenden Interesse an kantonaler Politik und eben auch einer abnehmenden Partizipationsbereitschaft einhergehe.

Kantonsratswahlen Zürich 2015
Dossier: Kantonale Wahlen - Zürich
Dossier: Kantonale Parlamentswahlen 2015

Die Annahme der Masseneinwanderungsinitiative und auch die Diskussionen um deren schwierige Umsetzung gestalten die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU sicher nicht einfacher, was nicht zuletzt der Bundesrat nun ausbaden muss. Harsche Kritik musste sich etwa Simonetta Sommaruga von der SVP anhören, weil sie eine Präsentation zu Umsetzungsvorschlägen verschoben hatte, um ihren Besuch bei EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nicht unnötig zu belasten – so zumindest die Vermutung in den Medien. Prompt warf SVP-Fraktionschef Adrian Amstutz der Justizministerin eine „unsägliche Verzögerungstaktik“ vor. Öl ins Feuer goss dann wenige Tage später Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf, die in einem Online-Interview eine rasche Abstimmung zur Klärung des Verhältnisses zwischen der Schweiz und der EU verlangte, weil die Masseneinwanderungsinitiative mit den bilateralen Verträgen nicht vereinbar sei. In den Medien wurde gemutmasst, dass dies die Mehrheitsmeinung des Bundesrats sei. Einige bürgerliche Parlamentarier forderten in der Folge lautstark, dass die Regierung in der Aussenpolitik mehr Geschlossenheit und mehr Verhandlungsgeschick an den Tag legen müsse. Der Blick bezeichnet die Regierung als „sieben Leichtmatrosen“ ohne Kapitän. Das Gremium komme zwar sehr gut miteinander aus, jede und jeder einzelne arbeite sehr dossiersicher, aber es fehle an einer „zupackenden Steuerfrau oder einem seefesten Kapitän“. In der Weltwoche wurde beanstandet, dass das Kollegialsystem heute nicht mehr funktioniere; man müsse ungeeignete Regierungsmitglieder auch entlassen können. Diese „Diskreditierung“ des Bundesrates (AZ) wurde freilich auch kritisiert: Dass es der Bundesrat niemandem recht machen könne, gehöre zum System.

Kritik an der Geschlossenheit des Bundesrates in der Aussenpolitik

Auch die parlamentarische Initiative Parmelin (svp, VD) pochte auf eine Flexibilisierung des Gewässerraums und reihte sich somit ein in eine Reihe von Vorstössen, die den Unmut zur kürzlich in Kraft getretenen Änderung des Gewässerschutzgesetzes und dessen Verordnung zum Ausdruck brachten. Konkret verlangte der Initiant und 31 Mitunterzeichnende, dass die Breite des Gewässerraumes unter Berücksichtigung regionaler Gegebenheiten festgelegt werden soll. Als Beispiel verwies er auf das waadtländische Laveaux, wo sich Rebparzellen bis in den Gewässerraum erstrecken. In solchen Fällen sehe der Entwurf der Richtlinie zur Umsetzung der Gewässerschutzverordnung eine Interessenabwägung vor, was zu einer faktischen Enteignung der Winzer führen könne. An ihrer Sitzung im Oktober 2014 beschloss die erstberatende UREK-NR mit 14 zu 9 Stimmen bei einer Enthaltung, dem Anliegen Folge zu geben.

Parlamentarische Initiative verlangt Flexibilisierung des Gewässerraums in Gewässerschutzgesetz (Pa.lv. 13.455)
Dossier: Volksinitiative "Lebendiges Wasser" und ihre Folgen

L'Assemblée fédérale a approuvé la ratification de la Convention n° 189 de l'Organisation internationale du Travail concernant la protection des travailleurs domestiques, souvent des femmes et des migrants. Dans son message du 28 août 2013, le Conseil fédéral s'était prononcé en faveur de cette nouvelle convention internationale du travail datant de l'année 2011, notant qu'il s'agissait là du respect des droits fondamentaux et d'une protection sociale minmale. Cette convention contient des dispositions relatives aux conditions de vie et de travail, à la rémunération ainsi qu'à la sécurité et la santé au travail et a pour but de garantir les droits fondamentaux des travailleuses et des travailleurs domestiques ainsi que la protection sociale minimale. Le Conseil fédéral avait noté que cette nouvelle norme marquait une étape importante pour combattre la vulnérabilité des travailleurs domestiques sur les plans sociaux et économiques.
En janvier 2014, la Commission de la sécurité sociale et de la santé publique du Conseil des Etats (CSSS-CE) a voté en faveur de la convention par 9 voix contre 0 (2 abstentions). À l’instar de la CSSS-CE, la Commission de la sécurité sociale et de la santé publique du Conseil national (CSSS-CN) s'est également prononcé en faveur de la ratification de la convention par 13 voix contre 11.
Le 20 mars, le Conseil des Etats a adopté la norme à l'unanimité, suivi du Conseil national le 12 juin (114 voix contre 73). Il a été souligné que le droit suisse n'aurait pas à être modifié pour la ratification, puisque déjà conforme à la convention n° 189 de l'OIT, mais qu'il s'agissait d'un geste important de solidarité envers les 50 millions de travailleurs domestiques dans le monde (chiffre de l'OIT). Lors du vote final pendant la session d'été, les deux chambres ont adopté l'arrêté. Le Conseil des Etats encore une fois à l'unanimité, le Conseil national par 114 voix contre 83. Lors des délibérations au National, une importante minorité (Borer (udc, SO), Bortoluzzi (udc, ZH), Cassis (plr, TI), Clottu (udc, NE), de Courten (udc, BL), Frehner (udc, BS), Moret (plr, VD), Parmelin (udc, VD), Pezzatti (plr, ZG), Stahl (udc, ZH) et Stolz (plr, BS) a contesté la nécessité de la convention en déclarant que toute législation supplémentaire était superflue puisque la catégorie de travailleurs visés benéficiait déjà d'une protection suffisante et que les employeurs étaient contre. Le conseiller fédéral Johann Schneider-Ammann a alors rappelé que cette ratification allait dans le sens de la politique générale de la Suisse et que Berne ratifiait les traités de l'OIT lorsque le droit suisse est déjà conforme.

Convention n° 189 de l'Organisation internationale du Travail

Für die Gesamterneuerungswahlen für den Zürcher Gemeinderat balgten sich im Schnitt fast neun Kandidierende pro Sitz: Total 1'119 Personen bewarben sich um eines der 125 Mandate im Stadtzürcher Parlament. Auch weil während der letzten Legislatur nicht weniger als 50 Rücktritte stattgefunden hatten, traten auf die Wahlen hin lediglich 13 Bisherige nicht mehr an. Zwar dominierten im Wahlkampf die Exekutivwahlen (vgl. nachfolgend), die Resultate der Legislativwahlen waren aber wichtig: Weil vor den Wahlen weder die Linke mit 39 SP-, 14 GP- und fünf AL-Sitzen noch die Bürgerlichen, mit 24 SVP-, 18 FDP-, sieben CVP- und zwei SD-Sitzen eine Mehrheit hatten, konnte man auch gespannt sein auf das Abschneiden der „neuen Mitte“. Die GLP schien mit 12 Mandaten ihr Potenzial noch nicht ausgeschöpft zu haben. Die EVP, die bisher über vier Gemeinderatssitze verfügte, hatte die 5-Prozent-Hürde vor vier Jahren nur sehr knapp übersprungen und musste um den Verbleib im Stadtzürcher Parlament zittern. Neben den im Gemeinderat bereits vertretenen Parteien gingen auch erstmals die BDP, sowie die Piratenpartei und die Aktion für humanen Städtebau (AHS) auf Stimmenfang. Die EDU komplettierte das Parteienkarussell. Allerdings wurden diesen Parteien kaum Chancen auf das Überspringen der Wahlhürde eingerechnet.
Am gleichzeitig mit der eidgenössischen Abstimmung zur Masseneinwanderungsinitiative durchgeführten Wahltag, an dem 43% der Berechtigten an die Urne gingen (2010: 39,1%), wurde ein „Filippo-Effekt“ registriert – Filippo Leutenegger war als Wahllokomotive für die FDP in den Stadtrat gewählt worden (vgl. nachfolgend) und der Freisinn konnte im Gemeinderat nicht nur um drei Sitze zulegen (neu 21) sondern rückte mit 16,0% (+2 Prozentpunkte) auch der stärksten bürgerlichen Kraft, der SVP, auf die Pelle. Die Volkspartei, die ihrerseits einen Sitz verlor (neu: 23 Sitze) und noch 17,3% der Stadtzürcher Wählerschaft hinter sich weiss (2010: 18,6%) konnte sich allerdings noch als insgesamt zweitstärkste Partei im Gemeinderat vor den Freisinnigen halten. Auch die CVP musste ein Mandat abgeben. Mit 4,6% Wählerstärke und neu sechs Sitzen blieb man Juniorpartner im bürgerlichen Lager. Zulegen konnte Links-Grün. Zwar wahrten die SP als stärkste Partei (39 Sitze; 29,2%; -1,1 Prozentpunkte) wie auch die GP (14 Sitze; 10,6%; -0,8 Prozentpunkte) trotz leichten Wählerverlusten lediglich ihren Besitzstand, die AL legte aber um vier zusätzliche Sitze zu und konnte sich als eigentliche Wahlsiegerin feiern lassen. Sie hatte nicht nur ihren Regierungssitz mit Richard Wolff (al) verteidigt (siehe unten), sondern war mit neun Sitzen und einer Zunahme der Parteienstärke um 2,3 Prozentpunkte (neu: 6,5%) eine ernst zu nehmende Kraft geworden. Um einen Sitz zulegen konnte auch die GLP, die mit 13 Sitzen und 10,2% Wählerstärke (2010: 9,8%) nach wie vor das Zünglein an der Waage zwischen den beiden Blöcken spielen wird. Sowohl die EVP als auch die SD schafften die 5-Prozent-Hürde in keinem der zwölf Wahlkreise mehr. Mit gesamtstädtischen 2,5% für die EVP und 0,9% für die SD mussten beide Parteien ihre Sitze im Gemeinderat räumen. Brutal war dies insbesondere für die EVP, für die am Wahlsonntag im Kreis 9 noch eine Wählerstärke von 5,00% ausgewiesen wurde – nur gerade eine einzige Stimme hätte den Ausschlag für die EVP gegeben. Allerdings entschied sich das Wahlbüro zusammen mit dem Stadtrat für eine Nachzählung, die aufzeigte, dass die EVP 31 Stimmen zu wenig hatte, um die Wahlhürde zu überspringen. Ebenfalls keine Chancen hatten erwartungsgemäss die BDP (0,9%), die AHS (0,1%), die Piraten (0,7%) und die EDU (0,5%). Gegen die 5-Prozent-Klausel, die seit der Einführung des doppelten Pukelsheim im Jahr 2006 gilt, sammelte die EVP zusammen mit anderen kleinen Parteien Unterschriften. Die Piratenpartei reichte eine Beschwerde beim Verwaltungsgericht ein, die allerdings abgelehnt wurde. Weil sich das Verwaltungsgericht in seinem Urteil allerdings recht stark auf die bundesgerichtliche Beurteilung stützte und gleichzeitig durchblicken liess, dass es diese Beurteilung für umstritten hält, zogen die Piraten die Sache ans Bundesgericht weiter, um einen Grundsatzentscheid zu erwirken. Dieser wurde dann Ende Jahr vom Bundesgericht gefällt. Dieses begründete den erneut abschlägigen Entscheid mit dem Argument, dass gerade in Gemeindeparlamenten einer Zersplitterung der Kräfte vorgebeugt werden sollte, was mit der Hürde der Fall sei. Die Initiative der Kleinparteien war Ende 2014 noch im Sammelstadium.

Nachdem im April 2013 bei Ersatzwahlen für den zurückgetretenen Martin Vollenwyder (fdp) dem Freisinn ein Sitz weggeschnappt und mit Richard Wolff von der Alternativen Liste (al) ein siebter der neun Stadtratssitze von der Linken erobert wurde, reagierten die Bürgerlichen früh mit Kandidierenden für die regulären Gesamterneuerungswahlen vom Frühjahr 2014. Als erste meldete sich die amtierende Nationalrätin Doris Fiala zu Wort. Ihr blute das Herz bei dieser einseitigen linken Dominanz und sie schliesse nicht aus, mit einer Kandidatur dagegen anzukämpfen. Allerdings kandidierte nicht Fiala, sondern Nationalrat Filippo Leutenegger (fdp), der sein Interesse ebenfalls früh anmeldete; zudem wollte er gleich auch das Stadtpräsidium erobern, das seit 2009 von Corine Mauch (sp) geführt wurde. Erklärtes Ziel der Bürgerlichen, bei denen die amtierenden Gerold Lauber (cvp) und Andres Türler (fdp) wieder antraten, war eine bürgerliche Regierungsmehrheit, die unter dem Label „Top 5 – für ein liberales Zürich“ angestrebt wurde. Die CVP distanzierte sich freilich früh vom „utopischen“ Ziel einer bürgerlichen Mehrheit; man wolle lediglich den eigenen Sitz verteidigen. Dies galt nicht für die SVP, die seit 20 Jahren und trotz einem Wähleranteil von 18,6% nicht mehr in der Stadtregierung vertreten war. Die Volkspartei trat deshalb ebenfalls mit einem Zweierticket an. Nummer vier und fünf der Top 5 waren Roland Scheck und Nina Fehr Düsel, die Tochter von Nationalrat Hans Fehr. Weil mit Martin Waser (sp) und Ruth Genner (gp), zwei der neun Amtierenden nicht wieder antraten, schickten auch die Grünen und die SP neue Kandidierende ins Rennen. Neben dem amtierenden Daniel Leupi (gp) trat Markus Knauss für die Grünen an. Knauss ist Co-Geschäftsleiter des VCS. Für die SP kandidierten die bisherigen Corine Mauch (sp), André Odermatt (sp) und Claudia Nielsen (sp). Raphael Golta trat für die Genossen an, um den Sitz von Martin Waser zu verteidigen. Auch der erst 2013 frisch gewählte Richard Wolff kandidierte erneut. Auch die GLP wollte in den Stadtrat einziehen und stellte den Gemeinderat Samuel Dubno (glp) auf. Für die SD kandidierte Walter Wobmann, der bereits 2010 angetreten und damals abgeschlagen auf dem letzten Platz gelandet war. Den 15. Kandidaten stellten die Piraten, die mit Peter Keel in See stachen. Allgemein wurde erwartet, dass die Linke ihre sieben Sitze, auch in Anbetracht des Wähleranteils von rund 46%, nicht würde halten können. Mit Leutenegger als Lokomotive sollten die Bürgerlichen an der links-grünen Mehrheit sägen können. Der amtierende freisinnige Nationalrat versuchte insbesondere mit Lösungsvorschlägen für die Sanierung der maroden Stadtfinanzen zu punkten. Als wacklig wurden nicht nur die beiden frei werdenden Sitze betrachtet, sondern auch der Sitz des neu gewählten Richard Wolff, der lediglich lose ins linke Lager eingebunden schien. Zudem leistete sich der Vorsteher des Polizeidepartements einen Lapsus, indem er den schwarzen Block als interessante Ergänzung bezeichnete. Auch der Sitz von Lauber (cvp) galt nicht als wirklich sicher. Allerdings zeigte die Geschichte der Regierungswahlen in der Stadt Zürich, dass eine Abwahl aus dem Stadtrat eher selten war. Als wenig spannend wurde der Kampf ums Stadtpräsidium betrachtet: Leutenegger dürfte gegen Mauch kaum eine Chance haben. Der Wahlkampf wurde – im Gegensatz zu vor vier Jahren, als die SVP mit provokativen Plakaten auftrat – als brav bezeichnet. Zurückzuführen sei dies auf die Wahlmüdigkeit, die durch die ausserordentlichen Rücktritte aus der Stadtregierung bzw. die nötigen Ersatzwahlen verursacht worden wäre, auf die Attraktivität der Stadt Zürich, die es der Opposition schwer mache, eine Angriffsfläche zu finden und auf die bewusst gemässigt auftretenden Bürgerlichen, die erstmals wieder einen Schulterschluss zustande brachten. Allerdings gelang es den fünf bürgerlichen Kandidierenden nur selten, als Einheit aufzutreten. Der Linken wurde vorgeworfen, dass sie die Diskussion um die zentralen Finanzfragen im Wahlkampf verweigere und unangenehmen Fragen ausweiche. Erfahrungsgemäss haben es nationale Politiker einfacher, in die Stadtzürcher Exekutive gewählt zu werden. Waren es früher Monika Weber (ldu), Monika Stocker (gp), Elmar Ledergerber (sp) und Ruth Genner (gp), die direkt vom nationalen Parlament in den Stadtrat wechselten, schaffte dies 2014 Filippo Leutenegger, der mit 42'193 Stimmen als achtplatzierter in den Stadtrat gewählt wurde und zwar auf Kosten der Grünen, die ihren zweiten Sitz nicht verteidigen konnten. Markus Knauss (gp) erhielt lediglich 35'330 Stimmen, kam damit auf den zehnten Platz und musste über die Klinge springen. Der dritte Platz für Daniel Leupi (52'744 Stimmen) war für die Grünen nur ein schwacher Trost. Ihren vakanten Sitz verteidigen konnte hingegen die SP. Raphael Golta erhielt 40'178 Stimmen und war damit als Neunter gewählt. Auch die drei Bisherigen SP-Stadträte wurden sicher wiedergewählt. Corine Mauch lag mit 55'646 Stimmen auf dem zweiten, André Odermatt mit 48'143 Stimmen auf dem fünften und Claudia Nielsen mit 44'258 Stimmen auf dem sechsten Platz. Noch vor Leutenegger auf Platz sieben liegend, schaffte auch Richard Wolff mit 42'249 Stimmen die Wiederwahl. Das Spitzenresultat machte Andres Türler (fdp) mit 56'907 Stimmen. Auch Gerold Laubers (cvp) Sitz war nie wirklich in Gefahr. Der viertplatzierte Lauber erhielt 52'157 Stimmen. Keine Chance hatten die Kandidierenden der SVP: Nina Fehr Düsel erhielt 27'696 Stimmen und Roland Scheck 23'585 Stimmen. Beide lagen damit zwar noch vor dem GLP-Kandidaten Samuel Dubno (21'896 Stimmen), aber weit hinter einem Stadtratssitz. Erwartungsgemäss keine Chancen hatten Walter Wobmann (sd; 5'139 Stimmen) und Peter Keel (piraten; 3'919 Stimmen). Chancenlos blieb auch Filippo Leutenegger im Kampf um das Stadtpräsidium. Mauch hatte mit 48'608 Stimmen einen stattlichen Vorsprung auf Leutenegger (32'276 Stimmen), der sich allerdings mit den rund 40% der Stimmen mehr als zufrieden zeigte. Damit war der Status Quo in der Zürcher Stadtregierung wieder hergestellt: drei Bürgerliche stehen sechs links-grünen Stadträten gegenüber. Noch spannender als die Wahlen dürften die anstehenden Debatten um die Finanzen werden.

Kommunale Wahlen Zürich 2014
Dossier: Kommunale Wahlen 2014

Seit einer im Juli 2008 in Kraft getretenen Änderung des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG) werden biogene Treibstoffe von der Mineralölsteuer befreit, sofern sie 40% geringere Treibhausgasemissionen erzeugen und die Umwelt nicht erheblich mehr belasten als fossile Brennstoffe. Weiter dürfen Anbau und Herstellung von Agrotreibstoffen den Kernübereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) nicht widersprechen und der Erhaltung der Regenwälder und der biologischen Vielfalt nicht entgegenstehen. Um auch in Zukunft von Steuererleichterungen profitieren zu können, sollen Hersteller von in der Schweiz zum Einsatz gelangenden Agrotreibstoffen nun an stärkere Auflagen gebunden werden. In der Herbstsession beriet der Nationalrat als Erstrat eine entsprechende Vorlage seiner Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (UREK-NR), die ein Anliegen einer eigenen, im Jahr 2010 Folge gegebenen Kommissionsinitiative zur Berücksichtigung und Vermeidung der indirekten Auswirkungen durch den Einsatz von Agrotreibstoffen aufnahm. Per Änderung des Mineralölsteuergesetzes sollen die Anforderungen zur Gewährung der Steuererleichterung neu dadurch erweitert werden, dass nur Rohstoffe, die auf rechtmässig erworbenen Flächen angebaut wurden, anspruchsberechtigt sind. Weiter erhält der Bundesrat mit dem vorliegenden Entwurf die Möglichkeit, die Steuererleichterung an die Einhaltung von international anerkannten Standards der Ernährungssicherheit zu knüpfen. Mittels Änderung des Umweltschutzgesetzes soll der Bundesrat zudem berechtigt werden, bei Bedarf Zulassungsbeschränkungen für bestimmte biogene Treibstoffe einzuführen, die den im MinöStG konkretisierten Anforderungen nicht entsprechen. In seiner Botschaft äusserte sich der Bundesrat grundsätzlich positiv zum Vorschlag der nationalrätlichen UREK, stellte sich jedoch gegen eine Bevorzugung von inländischen Landwirtschaftserzeugnissen, wie dies der Entwurf zur Teilrevision des MinöStG vorsah. Nach dieser Regelung würden solche Erzeugnisse im Gegensatz zu ausländischen Produkten automatisch von der Steuererleichterung profitieren, ohne die Erfüllung der genannten Kriterien nachweisen zu müssen. Hier ortete der Bundesrat zum einen eine Inkohärenz zu den restlichen Anpassungen sowie zum anderen eine Diskriminierung ausländischer Produzenten und demzufolge eine Verletzung des internationalen Handelsrechts. Einer Kommissionsminderheit Nordmann (sp, VD) folgend beantragte er die Streichung dieses Passus, worauf die Kommissionsmehrheit noch vor der Beratung im Erstrat einschwenkte. In der im September stattfindenden Erstberatung musste der Nationalrat zuerst über einen von SVP-Mitgliedern der Kommission eingebrachten Minderheitsantrag auf Nichteintreten befinden. Minderheitssprecher Parmelin (svp, VD) vertrat die Ansicht, dass der mit der Anpassung zu erwartende personelle und administrative Aufwand in keinem Verhältnis zur marginalen Bedeutung von Agrotreibstoffen in der Schweiz stehe. Da dieses Ansinnen über die Parteigrenzen hinaus keinen Zuspruch fand, nahm der Nationalrat die Detailberatung aber erfolgreich in Angriff. Auf Zustimmung stiess hingegen ein Antrag einer mitte-linken Kommissionsminderheit Girod (gp, ZH), mit welchem ein zusätzliches Kriterium zum Erlangen der Steuererleichterung eingeführt werden soll: Eine solche dürfe nur gewährt werden, wenn der Anbau von Biotreibstoffen nicht zu Lasten der Nahrungsmittelproduktion gehe. Gegen diesen Zusatz stellten sich in erster Linie die Fraktionen der BDP, der FDP/Liberalen und der SVP, die mit 89 zu 94 Stimmen bei drei Enthaltungen allerdings knapp unterlagen. Mit diesem Entscheid wurde nachträglich einer im Berichtsjahr abgewiesenen Standesinitiative des Kantons Luzern Rechnung getragen, die den Schutz der Nahrungsmittelproduktion bei der Herstellung biogener Treibstoffe hatte verstärken wollen. In der Gesamtabstimmung fand das Anliegen mit 111 Stimmen von Mitte-Links gegen 71 Stimmen aus den Reihen der FDP und SVP eine relativ deutliche Mehrheit. Der Ständerat äusserte sich im Berichtsjahr noch nicht zum Geschäft. Für weitere Informationen zum Geschäft, vgl. hier.

Auswirkungen durch den Einsatz von Agrotreibstoffen

Der Nationalrat stimmte gegen den Antrag des Bundesrates sowie gegen den Willen der Ratslinken und grosser Teile der FDP diskussionslos einer Motion Parmelin (svp, VD) zur Anpassung der AHV an die Gegebenheiten der heutigen Gesellschaft zu. Die Vorlage verlangt, im Zuge der 12. AHV-Revision die Renten für Kinder AHV-beziehender Eltern abzuschaffen. Begründet wurde dies einerseits mit der schwierigen finanziellen Situation der AHV. Andererseits sei die Entscheidung zunehmend verbreitet, nach Erreichen des Rentenalters einen ganz neuen Lebensabschnitt inklusive erneuten Kinderwunsches zu beginnen, womit die Allgemeinheit für Kosten aufkommen müsse, welche die betroffenen Rentenbeziehenden durchaus selbst tragen könnten. Dies gelte in besonderem Masse, da zur Kinderrente aus der ersten noch eine aus der zweiten Säule sowie allfällige Familienzulagen des anderen, noch erwerbstätigen Elternteils hinzu kommen können.

Renten für Kinder AHV-beziehender Eltern abzuschaffen