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  • Büchel, Roland Rino (svp/udc, SG) NR/CN
  • Graber, Konrad (cvp/pdc, LU) SR/CE

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Jahresrückblick 2020: Aussenpolitik

Nebst dem Dauerbrenner «Institutionelles Rahmenabkommen» hielten auch die Auswirkungen der Corona-Krise im Bereich der Aussenpolitik das Parlament und den Bundesrat auf Trab. Sie waren aber beileibe nicht die einzigen Themen, welche die Schweizer Aussenpolitik im Jahr 2020 prägten.

Mitte März beschloss der Bundesrat aufgrund der Corona-Pandemie die Einführung von Schengen-Grenzkontrollen – und damit faktisch die Schliessung der Grenzen – zu allen Nachbarländern mit Ausnahme Liechtensteins. Diese Restriktionen wurden in den darauffolgenden Wochen auf die Schengen-Aussengrenzen und Flüge aus sämtlichen Schengen-Staaten ausgeweitet. Kurz darauf ergriff das EDA erste Massnahmen, um den im Ausland gestrandeten Bürgerinnen und Bürgern die Rückreise in die Schweiz zu erleichtern. Da diese Massnahmen bereits nach wenigen Tagen nicht mehr ausreichten, da abgesagte Flüge und geschlossene Grenzen die eigenständige Rückreise verunmöglichten, initiierte das EDA die bis anhin grösste Rückholaktion von Schweizer Reisenden aller Zeiten. Im Rahmen dieser Aktion führten Edelweiss und Swiss bis Ende April Repatriierungsflüge für rund 7000 Personen durch. Mit dem Abflachen der ersten Infektionswelle wurde im Mai rasch der Ruf nach einer möglichst baldigen Öffnung der Grenzen zu Deutschland und Frankreich und der Wiederherstellung der Personenfreizügigkeit laut. Trotz des Drängens der Parlamentarierinnen und Parlamentarier führte der Bundesrat Lockerungen erst wie geplant im Juni ein.

Das Evergreen der Schweizer Aussenpolitik, das institutionelle Rahmenabkommen, geriet ob der Corona-Krise bisweilen fast ein wenig in Vergessenheit, gewann aber spätestens nach der Ablehnung der Begrenzungsinitiative an der Urne wieder an Bedeutung. Das hatte einerseits mit einer Erklärung der Sozialpartner zu tun, welche sich nicht hinter die zuletzt vorgestellte Fassung des Rahmenabkommens stellen wollten. Andererseits sorgte aber vor allem auch die Absetzung des bisherigen EU-Chefunterhändlers – Roberto Balzaretti – und die damit einhergehende Ernennung von Livia Leu zur neuen Staatssekretärin und Chefunterhändlerin für mediale Schlagzeilen. Während zahlreiche Parlamentarierinnen und Parlamentarier den Nutzen des Wechsels in Frage stellten und den Bundesrat für seinen Personalverschleiss kritisierten, zeigten Vertreter der EU wenig Verständnis für erneute Verzögerungen aufseiten der Schweiz. Durch die Annahme eines Postulats Nussbaumer(sp, BL; Po. 18.3059) forderte das Parlament vom Bundesrat derweil die Möglichkeit der parlamentarischen Mitwirkung in den Angelegenheiten Schweiz-EU, sofern das Rahmenabkommen angenommen werden sollte. Deutlich weniger polarisierend waren die Genehmigung und Umsetzung des Europäischen Reiseinformations- und Genehmigungssystems für den Schengen-Raum sowie eine nötig gewordene Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes, die vom Ständerat einstimmig angenommen wurden.

Neben diesen zwei zentralen Aspekten tat sich aber in der Aussenpolitik 2020 noch einiges: Begonnen hatte das aussenpolitische Jahr im Januar mit der Veröffentlichung der Aussenpolitischen Strategie 2020-2023, die erstmals im Rahmen eines interdepartementalen Prozesses erarbeitet worden war, um die Kohärenz zwischen Innen- und Aussenpolitik zu verbessern. Frieden und Sicherheit, Wohlstand, Nachhaltigkeit sowie Digitalisierung bildeten die vier inhaltlichen Schwerpunkte der Strategie. Im Februar folgte sodann die Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2021-2024, welche den Handlungsrahmen für die Bereiche der Entwicklungszusammenarbeit, der humanitären Hilfe, der Förderung des Friedens und der menschlichen Sicherheit vorgab. Im Vergleich zur Strategie der Vorperiode (2017-2020) wurden die Beendigung der extremen Armut und die Bekämpfung des Klimawandels stärker gewichtet.

Von besonderer Bedeutung für die Schweizer Aussenpolitik ist traditionsgemäss die Rolle der Schweiz in internationalen Organisationen aber auch als Sitz ebenjener. Die Kandidatur für ein nichtständiges Mandat im UNO-Sicherheitsrat 2023/24 beschäftigte das Parlament im abgelaufenen Jahr auf ganz unterschiedliche Weise. Während Roland Büchel (svp, SG) noch immer für einen Verzicht auf die Kandidatur kämpfte, sorgte sich die Aussenpolitische Kommission des Ständerats vor allem um den Einbezug des Parlaments im Falle eines Erfolgs. Für den Bundesrat stand die Kandidatur ausser Frage, was er unter anderem durch die Erwähnung in der Aussenpolitischen Strategie zementierte. Er argumentierte überdies, dass das Mandat nicht zuletzt auch der Standortförderung des internationalen Genfs diene. Die Wettbewerbsfähigkeit Genfs wurde 2020 auch durch die Finanzhilfen an die Internationale Fernmeldeunion und die Strategie zur Digitalaussenpolitik, mit welcher Genf zum Zentrum der internationalen Gouvernanz im Bereich Cyberspace gemacht werden soll, gefördert. Die SVP bemühte sich zudem um den Rückzug der Schweiz vom UNO-Flüchtlingspakt und eine Senkung des Finanzbeitrags an die UNRWA, fand aber keine Unterstützung über die Fraktionsgrenzen hinaus.

In der Entwicklungspolitik gaben vor allem die Kapitalerhöhungen der Weltbankgruppe und der Afrikanischen Entwicklungsbank Anlass zu ausführlichen Ratsdebatten. Zwei Minderheiten der Ratsrechten setzten sich für ein Nichteintreten ein und begründeten ihre Ablehnung unter anderem mit der finanziellen Belastung der Schweiz in der Corona-Krise, die solche Ausgaben nicht zuliesse. Im Endeffekt nahmen beide Räte die Krediterhöhungen an, genauso wie einen von der APK-NR beantragten Nachtragskredit für die humanitäre Hilfe.

Ferner beschäftigte sich das Parlament ausgiebig mit dem Umgang der Schweiz mit dem Brexit. Im Rahmen der sogenannten Mind-the-Gap-Strategie setzten sich die Räte unter anderem mit einem Abkommen zur Fortsetzung der Personenfreizügigkeit auseinander und loteten eine vertiefte wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem Vereinigten Königreich aus. In beiden Fällen sprach sich das Parlament mit grosser Mehrheit für die Kooperation mit Grossbritannien aus.
Im Nachgang des 2019 gefällten EDA-Entscheids zu den Tätigkeiten der Pilatus AG in Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten veröffentlichte der Bundesrat Anfang Jahr einen Bericht zur Überprüfung des Bundesgesetzes über die im Ausland erbrachten Sicherheitsdienstleistungen. Er beschloss die Prüfung einer Gesetzesrevision, weshalb im Juni eine Motion der SIK-NR zur gleichen Thematik abgelehnt wurde.
Wenn auch inhaltlich nicht sonderlich bedeutsam, war die schiere Menge an Anpassungen von Doppelbesteuerungsabkommen im Jahr 2020 dennoch bemerkenswert. Grund für die Änderungsprotokolle waren die neuen OECD-Mindeststandards, denen sich die Schweiz im Rahmen des BEPS-Übereinkommens bereits im vergangenen Jahr unterworfen hatte. Zudem genehmigte das Parlament auch das lange Zeit sistierte Doppelbesteuerungsabkommen mit Saudi-Arabien.
Obwohl die Genfer Standesinitiative für ein Referendum über das Freihandelsabkommen mit Mercosur (Kt.Iv. 19.313) im März noch klar vom Ständerat abgelehnt worden war und sich mehrere Kantone bereits im vergangenen Jahr erfolglos gegen das Freihandelsabkommen mit Indonesien gewehrt hatten, zeichnete sich allmählich ein Wandel in der Schweizer Aussenwirtschaftspolitik ab. Im Juni kam es mit dem erfolgreichen Referendum gegen das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit Indonesien nun zu einer Anomalie in der Schweizer Wirtschaftspolitik. Erst einmal hatte die Bevölkerung über ein Abkommen im Bereich der Aussenwirtschaft abstimmen können – wobei die Abstimmung über den EWR dem ausserordentlichen obligatorischen Referendum unterlegen hatte – und noch nie war bisher ein fakultatives Referendum zu einem Freihandelsabkommen zustande gekommen.

Die Corona-Krise wirkte sich erwartungsgemäss auch auf die Themenkonjunktur in den Zeitungen aus. So sank die Zahl der aussenpolitischen Artikel von über 10 Prozent im Dezember 2019 auf 4 Prozent im April 2020. Wenig erstaunlich waren Artikel zu zwischenstaatlichen Beziehungen überaus stark vertreten, was sich mit den Grenzschliessungen/-öffnungen und den Quarantänebestimmungen erklären lässt. Gegen Jahresende nahm die Berichterstattung zu Europa, die im Vergleich zu den Vorjahren unterdurchschnittlich ausfiel, etwas zu. Grund hierfür war das Rahmenabkommen, dessen Verhandlung nach der Abstimmung zur Begrenzungsinitiative weiter vorangetrieben wurde.

Jahresrückblick 2020: Aussenpolitik
Dossier: Jahresrückblick 2020

In der Wintersession 2020 reichte Thomas Aeschi (svp, ZG) in der grossen Kammer einen Ordnungsantrag ein, mit dem die Behandlung von fünf hängigen Motionen zur Terrorismusbekämpfung noch für die gleiche Session traktandiert werden sollte. Nebst den Motionen Addor (svp, VS; Mo. 19.3301 und Mo. 19.3306), der Motion Büchel (svp, SG; Mo. 19.3376) und der Motion Quadri (lega, TI; Mo. 19.3598) führte Aeschi auch die SVP-Fraktionsmotion (Mo. 19.4005), die neuerlich die Bekämpfung der Ausbreitung eines radikalen Islams in der Schweiz verlangte, auf. Er argumentierte, dass – auch wenn aktuell Corona das dominierende Thema zu sein scheine – die Terroristen keine Corona-Pause machten und die Schweiz sich daher stets auf ein mögliches Attentat vorbereiten müsse. Im Nationalrat fand der Antrag jedoch kein Gehör und wurde mit 125 zu 56 Stimmen bei 4 Enthaltungen abgelehnt. Überraschenderweise kamen die Motionen Addor und Büchel dennoch in der Wintersession zur Behandlung, wurden aber allesamt abgelehnt.

«Stopp der Ausbreitung des radikalen Islams in der Schweiz!» (Mo. 19.4005)
Dossier: Stopp der Ausbreitung des radikalen Islams in der Schweiz!
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen

Nur 67 Tage, nachdem das Parlament das Covid-19-Gesetz verabschiedet hatte und noch bevor die Referendumsfrist dazu abgelaufen war – ein Referendum zum Gesetz war überdies bereits angekündigt worden –, behandelte der Nationalrat in der Wintersession 2020 bereits die erste Revision des Covid-19-Gesetzes. Dazu blieb ihm nur ein Tag Zeit, da das Geschäft noch in der Wintersession fertig beraten werden sollte und daher am nächsten Tag bereits die Behandlung im Zweitrat anstand. Esther Friedli (svp, SG) und Fabio Regazzi (cvp, TI) stellten die Vorlage aus Sicht der WAK-NR vor, die in ihren Positionen auch Mitberichte der SGK-NR und der WBK-NR berücksichtigt hatte. Esther Friedli betonte, dass man bei der Verabschiedung des Gesetzes im September 2020 noch nicht gewusst, habe, «dass wir bereits wenige Wochen später von einer zweiten Welle heimgesucht» würden. Aufgrund dieser zweiten Welle gebe es nun aber «punktuelle[n] Handlungsbedarf». Fabio Regazzi strich noch einmal die Relevanz des Gesetzes hervor und betonte, dass es «das umfangreiche Hilfspaket des Bundes ermöglicht […], Löhne zu garantieren, zum Erhalt von Arbeitsplätzen beizutragen und von der Covid-19-Krise besonders betroffene Branchen zu unterstützen». Grosse Hoffnung setzte die Kommission auch in die Härtefallverordnung, die gleichentags in Kraft getreten war. Die Fraktionssprecherinnen und -sprecher betonten in der Folge einhellig die Relevanz der geplanten Änderungen und kündigten weitgehende Unterstützung der bundesrätlichen Botschaft an. Entsprechend lag auch kein Antrag auf Nichteintreten vor. In der Folge behandelte der Nationalrat die zahlreichen verschiedenen Aspekte der Revision in drei Blöcken.

Im ersten Block wurden sämtliche Massnahmen, welche nicht die Härtefallhilfe oder die Arbeitslosenversicherung betrafen, diskutiert:
Grosse Änderungen schlug der Bundesrat im Sportbereich vor. So sollten CHF 115 Mio. der bereits als Darlehen für Sportvereine zur Verfügung gestellten CHF 175 Mio. in A-Fonds-perdu-Beiträge umgewandelt werden. Diese sollten für Fussball- und Eishockeymannschaften der beiden höchsten Ligen sowie für Frauenfussball- oder Fraueneishockeymannschaften und Klubs in den höchsten Ligen anderer Sportarten bereitstehen. Die Beträge sollten dem Ausgleich der Mindereinnahmen durch Spiele ohne oder mit weniger Zuschauerinnen und Zuschauern dienen und höchstens zwei Dritteln der durchschnittlichen Ticketeinnahmen der Saison 2018/2019 abzüglich tatsächlicher Ticketeinnahmen entsprechen. Dabei sah der Bundesrat jedoch eine Reihe von Bedingungen vor: ein fünfjähriges Verbot, Dividenden oder Kapitaleinlagen auszuzahlen, eine Reduktion der Einkommen aller Angestellten über einer gewissen Grenze, fünfjährige Einschränkungen von Lohnerhöhungen, einen fünfjährigen Verzicht auf Reduktion der Nachwuchs- und Frauenförderung sowie die Möglichkeit für Rückforderungen der Beträge bei Nichteinhalten dieser Bedingungen. Darüber hinaus sollten auch weiterhin zinslose, innert zehn Jahren rückzahlbare Darlehen für die Sportvereine möglich sein, etwa bei Liquiditätsengpässen. Dafür stellte der Bundesrat CHF 235 Mio. zur Verfügung.
Bei diesen Massnahmen gehe es nicht nur um die nach aussen sichtbaren Spitzensportler, sondern auch um die Junioren- und Frauenabteilungen, für welche die Klubs verantwortlich seien, argumentierte Finanzminister Maurer. Damit hätten diese Gelder eine «gute Hebelwirkung für die Gesellschaft, für die Gesundheit und für den Sport». Während die Darlehen im Rat nicht umstritten waren, beantragte Marcel Dettling (svp, SZ), die A-Fonds-perdu-Beiträge an eine 20-prozentige Kostenübernahme durch den Standortkanton zu knüpfen – Roland Büchel (svp, SG) forderte gar eine 50-prozentige kantonale Beteiligung, zumal Sportklubs vor allem lokal verankert seien, wie beide argumentierten. Zudem sollten die Klubs gemäss Büchel mindestens 5 Prozent der Beiträge bis fünf Jahre nach Erhalt für die «Prävention und die Bekämpfung von Spielmanipulationen und Wettbetrug» einsetzen müssen. Die WAK-NR wollte überdies die Einkommensbeschränkungen oder -reduktionen auf die am Spielbetrieb beteiligten Angestellten beschränken, während Mathias Reynard (sp, VS) in einem Einzelantrag Rücksicht auf Aufsteiger nehmen und diesen Lohnerhöhungen erlauben wollte. Zudem war umstritten, welcher Zeitpunkt für die Festlegung der bisherigen Höhe der Nachwuchs- und Frauenförderung, die während fünf Jahren nicht unterboten werden darf, massgeblich sein soll. Der Nationalrat hiess in der Folge die Einführung der A-Fonds-perdu-Beiträge gut und lehnte eine Beteiligung der Kantone ab. Hingegen folgte er dem Mehrheitsantrag der Kommission entgegen dem Antrag Reynard und schuf einzig Einkommensbeschränkungen für am Spielbetrieb Beteiligte.

Auch für den Kulturbereich lag mit dem Einzelantrag Aebischer (sp, BE) ein Änderungsvorschlag für das Covid-19-Gesetz vor. Aebischer verlangte, auch die Kulturschaffenden an der bereits im September 2020 geschaffenen Hilfe für Kulturunternehmen in der Höhe von CHF 100 Mio. teilhaben zu lassen. Die Gelder sollten Kulturschaffenden wie Kulturunternehmen als Ausfallentschädigung oder für Transformationsprojekte zugesprochen werden und Kulturschaffende mit Auftritten oder Aufträgen in der Privatwirtschaft zugutekommen. Letztere könnten weder Ausfallentschädigungen noch fehlende Gagen geltend machen. Für Selbständigerwerbende im Kulturbereich sei es überdies schwierig, Umsatzeinbussen von mindestens 55 Prozent zu belegen. Neben der SP- stimmten auch die Grünen- und die GLP-Fraktion dem Antrag zu, die bürgerlichen Parteien lehnten ihn jedoch (fast) geschlossen ab, womit er keine Mehrheit fand.

Neu wollte der Bundesrat mit der Revision des Covid-19-Gesetzes die Möglichkeiten für Ordnungsbussen für Maskenverweigerinnen und -verweigerer schaffen – bisher konnte das Verweigern des Tragens einer Schutzmaske nur in einem Strafverfahren geahndet werden. Die Neuregelung wollte Thomas Aeschi (svp, ZG) mit einem Minderheitsantrag verhindern, während die Kommission als Mittelweg die Möglichkeit für Ordnungsbussen auf klar abgrenzbare Bereiche wie den öffentlichen Verkehr beschränken, Orte wie Dorfkerne oder belebte Plätze jedoch davon ausnehmen wollte. Bundesrat Maurer verteidigte den bundesrätlichen Vorschlag damit, dass man der Bevölkerung «sehr viel Eigenverantwortung» gebe, es aber auch Sanktionen bedürfe, wenn diese Eigenverantwortung nicht wahrgenommen werde. Dies hätten nicht zuletzt auch die Kantone gefordert. Thomas Aeschi verwies darauf, dass unter anderem Gesundheitsminister Berset vor kurzer Zeit noch gesagt habe, dass Masken nichts bringen würden, und sprach sich gegen einen «Polizeistaat» oder «noch mehr Denunziantentum» aus. Der Antrag Aeschi fand in allen Fraktionen gewissen Anklang: Die SVP-Fraktion stimmte dem Minderheitsantrag mehrheitlich zu, auch bei den Grünen (8), bei der SP (3), den FDP.Liberalen (je 3) und bei der Mitte-Fraktion (2) gab es vereinzelt Zustimmung. Insgesamt sprach sich der Nationalrat jedoch mit 121 zu 65 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) gegen Aeschis Vorschlag und im Sinne der Kommissionsmehrheit für die Ausweitung der Ordnungsbussen auf die Nichteinhaltung der Maskenpflicht aus.

Im Bereich der Gesundheitsversorgung verlangte die WAK-NR eine Änderung am bisherigen Gesetz. So solle der Bundesrat die Abgeltung derjenigen Kosten regeln, welche den Leistungserbringenden zukünftig durch verbotene und eingeschränkte Untersuchungen oder Behandlungen, wie sie im Frühjahr 2020 veranlasst worden waren, um die Kapazität des Gesundheitswesens zu gewährleisten, entstünden. Diese seien in der Tarifstruktur nicht aufgeführt und könnten entsprechend nicht abgerechnet werden, erklärte Esther Friedli für die Kommission. Diese Abgeltung der Kosten diene überdies dazu, «dass der Bund künftig Wirksamkeit und Verhältnismässigkeit vorsichtig prüft, bevor er Massnahmen anordnet» (Friedli). Eine Minderheit Aeschi erachtete diesen Vorschlag jedoch als Eingriff in den Föderalismus, zumal die Kantone selbst entscheiden könnten, ob sie die entsprechenden Untersuchungen einschränkten oder nicht, und folglich auch die Kosten dieser Entscheidung tragen sollten. Die von der WAK-NR vorgeschlagene Regelung fand jedoch bei allen Fraktionen im Nationalrat mit Ausnahme der SVP-Fraktion Anklang.

Eine Minderheit Wermuth (sp, AG) wollte neu auch eine Regelung zu den Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose ins Covid-19-Gesetz aufnehmen. Die Überbrückungsleistungen sollten auf den 1. Juli 2021 in Kraft treten, Wermuth schlug jedoch vor, rückwirkend auch älteren Personen, die zwischen dem 1. Januar 2021 und dem Inkrafttreten des Gesetzes ausgesteuert wurden, Zugang zu ÜL zu gewähren. Entgegen anderslautender Aussagen der Kommission sei das Problem der Aussteuerung älterer Arbeitnehmender aufgrund der Pandemie nämlich akut, betonte er. Folglich sei es nicht fair, dass Personen, die vor dem 31. Juni 2021 ausgesteuert würden, nicht von den ÜL profitieren können. Der Antrag fand jedoch nur in der SP- und der Grünen-Fraktion sowie bei den EVP-Mitgliedern Unterstützung und wurde folglich abgelehnt.

Verschiedene links-grüne Minderheiten sahen auch bei der Erwerbsersatzordnung Änderungsbedarf – entgegen der Meinung von Bundesrat und Kommission. Eine Minderheit Michaud Gigon (gp, VD) wollte die für eine Entschädigung des Erwerbsausfalls als Bedingung festgelegten Umsatzeinbussen in der Höhe von mindestens 55 Prozent streichen. Bei tieferen Einkommen könne man mit 45 Prozent des Gehalts nicht überleben, argumentierte sie. Eine weitere Minderheit Bendahan (sp, VD) schlug vor, nicht nur gefährdeten Personen Anspruch auf EO zu gewähren, sondern auch kranken, jedoch nicht an Corona erkrankten Personen. In einem weiteren Einzelantrag forderte Fabian Fivaz (gp, NE), auch Betriebszulagen gemäss EOG für Selbständigerwerbende zu ermöglichen, wie sie Militärdienstleistende bereits geltend machen können. So müssten Personen mit hohen Fixausgaben diese auch weiterhin bezahlen, weshalb sie einen Zuschlag auf ihren Erwerbsersatz erhalten sollten. Sämtliche Anträge zur EO stiessen jedoch nur bei Mitgliedern der SP- und der Grünen-Fraktion auf Zustimmung.

Im zweiten Block beschäftigte sich der Nationalrat ausführlich mit der Härtefallhilfe, die ein Paket über CHF 1 Mrd. umfasste. Zu den bisherigen CHF 400 Mio., an denen die Kantone mit 50 Prozent beteiligt waren, sollten CHF 600 Mio. hinzukommen, an denen sich die Kantone zu 20 Prozent beteiligen müssten – dabei könnten die Kantone aber erst auf die zweite Tranche zurückgreifen, wenn die Gelder der für sie teureren ersten Tranche verteilt sind. Bundesrat Maurer begründete die Änderung des Verteilschlüssels damit, dass dieses zweite Paket «möglicherweise die Kräfte der Kantone finanziell übersteigt». Da die Kantone zudem für den Vollzug verantwortlich blieben, würden ihnen dadurch noch zusätzliche Kosten anfallen, erklärte der Finanzminister. Mehrfach verwies Maurer darauf, dass dieser Übergang «vom Massengeschäft des Frühjahrs» zu den aktuellen Einzelfallbeurteilungen längere Entscheidungsprozesse mit sich bringe und entsprechend Zeit brauche.
Auch bezüglich der Härtefallhilfen standen verschiedene Mehr- und Minderheitsanträge zur Debatte, etwa zu den Bedingungen für den Erhalt von Härtefallhilfe, für die der Bundesrat keine materielle Änderung vorgesehen hatte. Nach wie vor sollte gemäss bundesrätlicher Vorlage Anspruch auf Hilfe haben, wessen Jahresumsatz 60 Prozent unter dem mehrjährigen Durchschnitt liegt. Die WAK-NR wollte hingegen neben der Vermögens- und Kapitalsituation der Betroffenen auch ihre nicht gedeckten Fixkosten berücksichtigen, da Letztere zwischen den Unternehmen stark variieren könnten. Dies lehnte der Finanzminister ab, zumal eine Berücksichtigung der Fixkosten den administrativen Aufwand stark vergrössern und das Verfahren damit deutlich verlängern würde. Bundesrat Maurer wies bezüglich diesem und sämtlichen folgenden Ausbauanträgen überdies darauf hin, dass der Bund nicht festlege, welche Unternehmen die Kantone unterstützen könnten, sondern lediglich, an welchen Hilfen sich der Bund beteilige. Die Kantone dürften also auch zusätzlichen Unternehmen Härtefallhilfen zukommen lassen. Die Kommission verlangte zudem, Härtefallhilfen auch Unternehmen ab einem Jahresumsatz von CHF 50'000 zuzusprechen – der Bundesrat hatte seine Beteiligung diesbezüglich auf Unternehmen mit einem Mindestumsatz von CHF 100'000 beschränkt. Christa Markwalder (fdp, BE) stellte sich gegen diesen Antrag der WAK-NR: Bei den Bundeshilfen gehe es darum, Existenzen zu schützen. Unternehmen mit einem monatlichen Umsatz von CHF 4'167 (beziehungsweise eben einem Jahresumsatz von CHF 50'000) dienten aber mehrheitlich dem Nebenerwerb und sollten entsprechend nicht berücksichtigt werden. Schliesslich wollte die Kommission Unternehmen mit abgrenzbaren Teilbereichen sowohl Anrecht auf Sport- und Kultur-Hilfen als auch auf Härtefallhilfe gewähren – bislang war nur der Zugang zu jeweils einem der beiden Töpfe möglich gewesen. Trotz Minderheiten Schneeberger (fdp, BL) und Markwalder gegen die Anträge der WAK-NR, setzte sich die Kommission in allen drei Punkten durch.
Nationalrätinnen und Nationalräte der SP und der Grünen forderten in verschiedenen Minderheits- oder Einzelanträgen einen Ausbau der Härtefallhilfen. Unter anderem beantragten sie einen Verzicht auf einen maximalen Gesamtbetrag für die Härtefallhilfen (Minderheit Andrey, gp, FR), eine Möglichkeit für den Bund, Unternehmen direkt zu unterstützen (Minderheit Wermuth) oder den Zugang zu Härtefallhilfen ab einer Umsatzeinbusse von 70 Prozent (Minderheit Rytz, gp, BE). Ein Einzelantrag Weichelt-Picard (al, ZG) verlangte ein Dividendenauszahlungsverbot im Gesetz – bisher war ein solches lediglich in der Verordnung enthalten. Der Nationalrat lehnte sämtliche Minderheiten zu den Härtefallhilfen ab, im Falle des Einzelantrags Weichelt-Picard jedoch äusserst knapp mit 96 zu 96 Stimmen und Stichentscheid von Ratspräsident Aebi (svp, BE).

Im dritten Block beriet der Nationalrat die Änderungen an den Massnahmen zur Arbeitslosenversicherung. Der Bundesrat hatte hier vorgesehen, die Möglichkeiten auszudehnen, mit denen von den Regelungen zur Kurzarbeit im AVIG abgewichen werden darf – insbesondere sollte der Zugang zu KAE wieder erweitert werden können, wie der Finanzminister erklärte. So sollten auch Personen in befristeten oder temporären Arbeitsverhältnissen sowie in Lehrverhältnissen zur Kurzarbeit zugelassen und die Karenzzeit und die maximale Bezugsdauer für KAE angepasst werden können. Von diesen bundesrätlichen Anliegen war einzig die Ausdehnung der Kurzarbeit auf Personen in befristeten und temporären Arbeitsverhältnissen umstritten; eine Minderheit Burgherr (svp, AG) wollte auf diese verzichten. Temporäre Arbeitskräfte seien derzeit in der Wirtschaft sehr willkommen, argumentierte Burgherr. Eine Minderheit Michaud Gignon wollte hingegen die bundesrätliche Änderung gar rückwirkend auf Anfang September 2020 – und somit ohne Unterbrechung nach deren Aufhebung nach der ersten Welle – in Kraft setzen. Der Nationalrat entschied sich nicht nur für eine Möglichkeit zur Ausdehnung der KAE auf Temporärmitarbeitende, sondern äusserst knapp mit 96 zu 95 Stimmen auch für die rückwirkende Inkraftsetzung. Die SVP- und FDP.Liberalen-Fraktionen sowie knapp die Hälfte der Mitte-Fraktion stimmten geschlossen gegen die Ausdehnung, wurden jedoch überstimmt.
Die Kommissionsmehrheit machte bezüglich der Regelungen zur Arbeitslosenversicherung keine Änderungsvorschläge, hingegen reichten auch hier Mitglieder der SP und der Grünen zahlreiche Anträge ein. Viel Aufmerksamkeit erhielten die Rahmenfristen für den Leistungsbezug und die Beitragszeit für Versicherte, die allgemein (Minderheit Jans: sp, BS), für Angestellte in befristeten Verhältnissen (zweite Minderheit Jans) oder in Berufen, in denen Arbeitgeberwechsel und befristete Verträge üblich sind (Minderheit Bendahan), verlängert werden sollten. Gerade Personen in befristeten Verhältnissen hätten aktuell Mühe, ihre Beitragszeit zu erreichen, begründete Wermuth die Anliegen.
Auf eine Verbesserung der Situation von Personen mit niedrigen Einkommen zielten zwei weitere Anträge ab. Eine neuerliche Minderheit Jans beantragte eine teilweise Kompensation der Einkommenseinbussen von Personen unter dem Medianlohn durch den Bezug von Kurzarbeitsleistungen, während eine Minderheit Andrey die zukünftigen KAE für Personen mit Nettolöhnen unter CHF 4'000 auf 100 Prozent erhöhen wollte. Für eine kurze Dauer sei eine Lohnreduktion auf 80 Prozent bei tieferen Löhnen möglich, aber über längere Dauer führe dies für die Betroffenen zu grossen Problemen, argumentierte Wermuth. Auch diese Anträge blieben jedoch alle erfolglos.

Bereits im ersten Block hatte die grosse Kammer die Frage der Geltungsdauer des Gesetzes behandelt, die im Unterschied zur Schaffung des Covid-19-Gesetzes im September 2020 nicht umstritten war. Weiterhin sollte die Mehrheit der Massnahmen des Covid-19-Gesetzes bis Ende 2021 befristet sein. Ein Teil der Regelungen zur Kurzarbeit wurde jedoch bis Ende 2023 verlängert – ursprünglich sollten diese nur bis Ende 2022 in Kraft sein. Mit 179 zu 12 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) sprach sich der Rat in der Folge für Annahme des Entwurfs aus. Sowohl die ablehnenden Stimmen als auch die Enthaltungen stammten von Mitgliedern der SVP-Fraktion. Trotz der zahlreichen Minderheitsanträge war der Nationalrat in dieser ersten Behandlung der Revision des Covid-19-Gesetzes weitgehend dem Bundesrat gefolgt.

Erste Revision des Covid-19-Gesetzes (BRG 20.084)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

In der Herbstsession 2020 beriet der Nationalrat über die Motion der APK-NR zur Absicherung der bisherigen Erfolge der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit in Zentralamerika und der Karibik. Fabian Molina (sp, ZH) und Nicolas Walder (gp, GE) argumentierten im Namen der Kommission für die Annahme der Motion, da die vorgesehene Einstellung der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit in Lateinamerika zu weit ginge und sowohl die Kontinuität wie auch die nachhaltige Entwicklung in Zentralamerika und der Karibik schädigen würde. Eine Minderheit Büchel (svp, SG) setzte sich für die Ablehnung der Motion ein. Der Minderheitsführer wehrte sich in der Folge gegen den von der Kommissionsmehrheit vermittelten Eindruck, dass die Schweiz ihre Aktivitäten in Lateinamerika einstellen würde. Büchel, der sich selber als «Lateinamerika-Fan» outete, folgte in seiner Argumentation der Stellungnahme des Bundesrats. Durch die Arbeit der Schweiz in entsprechenden internationalen Organisationen, durch ihre Botschaften und durch die Projekte des SECO werde man weiterhin eine aktive Rolle in der Region spielen. Des Weiteren seien viele von der DEZA mitfinanzierte NGOs in Lateinamerika tätig und auch die DEZA selbst sei aufgrund des universellen Mandats der Globalprogramme vor Ort im Einsatz. Die grosse Kammer lehnte die Motion mit 90 zu 89 Stimmen (bei 1 Enthaltung) denkbar knapp ab. Frédéric Borloz (fdp, VS) spielte mit seiner Enthaltung das Zünglein an der Waage.

Absicherung der bisherigen Erfolge der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit in Zentralamerika und der Karibik

In der Herbstsession 2020 stand die Strategie der IZA 2021-2024 im Nationalrat zum zweiten Mal zur Debatte. Zuvor hatte der Ständerat eine vom Nationalrat vorgeschlagene Änderung abgelehnt und damit eine Differenz geschaffen. Die grosse Kammer hätte mit einem Artikel 2a die Höhe der Rahmenbeträge an die wirtschaftliche Entwicklung der Schweiz und den Abbau der Covid-19-bedingten Schulden koppeln wollen, was der Ständerat aber für unpassend befand. Eine Mehrheit der APK-NR schlug vor, sich dem Ständerat anzuschliessen. Eine Minderheit Büchel (svp, SG) wollte jedoch am betroffenen Artikel 2a festhalten. Roland Büchel sah im umstrittenen Artikel eine Möglichkeit, im Bereich der Entwicklungshilfe Einsparungen vornehmen zu können. Die Minderheit verlangte, die Schweiz «von innen her» zu stärken und kritisierte die hohen Beträge, die in den kommenden Jahren in die IZA investiert werden sollten. Claudia Friedl (sp, SG) unterstützte in ihrem Votum den Mehrheitsantrag, da das Parlament im jährlichen Budget sowieso den effektiven Betrag eines Rahmenkredits festlegen könne und man mit Artikel 2a den eigenen Handlungsspielraum nur noch verkleinern würde. Hans-Peter Portmann, welcher den Artikel ursprünglich mittels Minderheitsantrag eingebracht hatte, verwies auch auf die Zusicherung des Bundesrats, dass dieser in den Zahlungskrediten die wirtschaftliche Entwicklung und den Covid-19-Schuldenabbau berücksichtigen werde.
Der Nationalrat nahm schliesslich den Antrag der Mehrheit mit 112 zu 56 Stimmen (bei 25 Enthaltungen) an und strich damit Artikel 2a wieder aus dem Entwurf, womit er die Differenz zum Ständerat bereinigte. Somit wurden die vier Bundesbeschlüsse zur IZA angenommen. Für die Gegenstimmen bei der Gesamtabstimmung zeichnete fast ausschliesslich die SVP-Fraktion verantwortlich, die Enthaltungen stammten mehrheitlich von Mitgliedern der FDP-Fraktion.

Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2021-2024 (BRG 20.033)
Dossier: Strategien zur internationalen Zusammenarbeit

Die beiden Räte schrieben das Postulat «CO2-Reduktion durch Anschluss an das Fernwärmenetz» von Konrad Graber (cvp, LU) in der Herbstsession 2020 ab, nachdem der Bundesrat im Sommer 2019 seinen Bericht in Erfüllung des Postulates veröffentlicht hatte.

Réduction des émissions de CO2 par le raccordement au réseau de chaleur à distance

Im Vorfeld der Sommersession 2020 befassten sich sowohl die FK-NR wie auch die APK-NR ausführlich mit der Botschaft zur Strategie der IZA 2021-2024. Wie bereits in der Vernehmlassung führte die APD-Quote zu inhaltlichen Differenzen. Die FK-NR lehnte sowohl eine progressive Erhöhung der APD-Quote auf 0.7 Prozent, wie auch eine Senkung der Quote auf 0.45 Prozent ab. Auch ein weiterer Kürzungsantrag, welcher die Rahmenkredite – ausser denjenigen zur humanitären Hilfe – halbieren wollte, wurde abgelehnt. Eine Kommissionsmehrheit beantragte dem Nationalrat, den Vorschlag des Bundesrats anzunehmen. Die APK-NR kam in ihrer Beratung hingegen zum Schluss, dass in Krisenzeiten eine starke internationale Zusammenarbeit und eine effektive humanitäre Hilfe unabdingbar sei. Aus diesem Grund beschloss die Kommission von der bundesrätlichen Vorlage abzuweichen, und die Rahmenkredite um CHF 241 Mio. zu erhöhen. Diese Erhöhung entspräche einer progressiven Erhöhung der APD-Quote auf die vom Parlament 2011 festgesetzten 0.5 Prozent. Zudem reichte die APK-NR zwei Vorstösse ein, eine Motion zur Fortführung der Tätigkeiten in ausgewählten Ländern in Zentralamerika und der Karibik und ein Postulat (20.3469), welches einen Bericht zu Zoonosen und deren Eindämmung forderte.
Der Sprecher der APK-NR, Hans-Peter Portmann (fdp, ZH) empfahl dem grossen Rat in der Sommersession 2020, auf alle vier Bundesbeschlüsse einzutreten und den Gesamtbetrag des Rahmenkredits um den bereits erwähnten Betrag zu erhöhen. Daraufhin entspann sich eine langwierige Debatte entlang der Parteigrenzen für oder gegen eine Erhöhung der Rahmenkredite. Elisabeth Schneider-Schneiter (cvp, BL) brachte die Debatte mit der Feststellung: «Die Linke möchte immer mehr finanzielle Mittel und die Rechte immer weniger» konzise auf den Punkt. CVP und FDP unterstützten die bestehende Vorlage des Bundesrates während die Parteien links und rechts davon abwichen. SP, Grüne und GLP auf der einen und die SVP auf der anderen Seite argumentierten allesamt mit den Konsequenzen der Corona-Krise für ihr jeweiliges Anliegen. Die davon abgeleiteten Folgerungen standen sich aber diametral gegenüber. Sibel Arslan (gp, BS) verwies auf die «verheerende» Wirkung der Corona-Massnahmen für die Wirtschaft in den Entwicklungsländern und forderte, dass sich die Schweiz als – auch nach Corona – stabiles und reiches Land ihrer Verantwortung bewusst werden müsse. Auch Nationalrätin Tiana Angelina Moser (glp, ZH) befand es für notwendig, die Kredite bzw. die ADP-Quote zu erhöhen, da sich die Schweiz als Globalisierungsgewinnerin für die Bewältigung globaler Krisen einsetzen sollte. Die SVP-Fraktion interpretierte die Folgen der Corona-Pandemie gänzlich anders. So verlangte Nationalrat Roland Büchel (svp, SG) im Namen seiner Fraktion die Kürzung des IZA-Budgets und die Aufhebung der ADP-Quote, da qualitative Messgrössen wichtiger seien als quantitative. Auch sein Parteikollege Franz Grüter (svp, LU) stellte die Höhe des Entwicklungshilfe-Budgets angesichts der «grössten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg» in Frage. Ein Rückweisungsantrag von Rino Büchel wurde mit 140 zu 53 Stimmen abgelehnt. Ebenfalls abgelehnt wurden die zahlreichen Minderheitsanträge, darunter auch jene von Roland Büchel und Sibel Arslan, welche die Höhe der Rahmenkredite anpassen wollten und inhaltlich teilweise identisch waren. Der Nationalrat nahm hingegen einen Minderheitsantrag Portmann (fdp, ZH) an. Dieser legte fest, dass die Beträge der Rahmenkredite mit der wirtschaftlichen Entwicklung und dem Abbaupfad der Corona-bedingten Schulden fluktuieren werden. Mit Ausnahme der SVP stimmten alle Fraktionen für die vom Bundesrat vorgebrachten Bundesbeschlüsse.

Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2021-2024 (BRG 20.033)
Dossier: Strategien zur internationalen Zusammenarbeit

Im April 2020 beantragte die APK-NR ihrem Rat mit 16 zu 6 Stimmen (bei 2 Enthaltungen), eine Erklärung für einen globalen Waffenstillstand aufgrund der Corona-Pandemie zu verabschieden. Die Kommission wollte die Staatengemeinschaft und sämtliche Konfliktparteien dazu auffordern, sich an einem globalen Waffenstillstand zu beteiligen, um die Herausforderungen der Corona-Pandemie solidarisch angehen zu können. Der Bundesrat werde damit aufgefordert, das Parlament an den Schweizer Tätigkeiten in der UNO teilhaben zu lassen, den Weltfrieden und die menschliche Sicherheit zu fördern und den Wiederaufbau der Weltwirtschaft entlang der Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 mitzugestalten. Die Kommission nahm dabei auch explizit Bezug auf eine Erklärung des UNO-Generalsekretärs Antonio Guterres, der die Absurdität des Kriegs angesichts einer solchen Katastrophe hervorgehoben und die Unterbrechung bewaffneter Konflikte gefordert hatte.
In der Sondersession im Mai 2020 befasste sich der Nationalrat mit dem Antrag seiner Kommission, wobei Stefanie Heimgartner (svp, AG) aufgrund der «irreführenden und unrealistischen» Natur der Erklärung deren Ablehnung verlangte. Unterstützt wurde sie von ihrem Parteikollegen Roland Büchel (svp, SG), der die Erklärung als Grundlage für Zahlungen in Millionenhöhe für die humanitäre Hilfe erachtete – Geld, welches gemäss Büchel im Inland dringend benötigt werde. Nationalrat Büchel richtete sich mit seinem Appell primär an die übrigen bürgerlichen Parteien, erhielt von diesen jedoch kaum Unterstützung. Nationalrat Portmann (fdp, ZH) zum Beispiel zeigte sich überzeugt, dass die reiche Schweiz innerhalb des bestehenden Budgets durch Einsparungen etwas «Luxus und Reichtum» abgeben könne. Die Erklärung wurde dementsprechend mit 129 zu 44 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) eindeutig angenommen.

Corona-Pandemie: Für einen globalen Waffenstillstand

Nationalrat Roland Büchel (svp, SG) versuchte mittels einer Motion im November 2018 den Verzicht auf die Kandidatur für den UNO-Sicherheitsrat herbeizuführen. Die vom EDA mehrfach geäusserte Absicht eine Mitgliedschaft anzustreben, widerspräche dem Neutralitätsprinzip der Schweiz, argumentierte der Motionär. Der Sicherheitsrat verhänge Sanktionen und militärische Interventionen gegen Staaten, die oftmals «spezifischen machtpolitischen Mehrheitsverhältnissen» unterlägen, weshalb die Schweizer Neutralität nicht mehr gewährleistet wäre.
Der Bundesrat nahm im Februar 2019 Stellung zum Anliegen von Nationalrat Büchel und erinnerte daran, dass die Möglichkeit eines Sicherheitsratsmandats bereits in der Botschaft zur Volksinitiative für den Beitritt zur UNO nicht ausgeschlossen worden war. Des weiteren habe der Bericht in Erfüllung des Postulats der APK-NR (Po.13.3005) die Vereinbarkeit eines nichtständigen Sicherheitsratsmandats mit der Neutralität der Schweiz belegt. Auch andere neutrale Staaten wie Österreich, Schweden oder Irland hätten mit ihrer Mitgliedschaft gezeigt, dass die Glaubwürdigkeit der Neutralität nicht unter dem Mandat leide. Der Bundesrat hob hervor, dass Frieden und Sicherheit die Grundlage für Prosperität, Wachstum und Entwicklung seien und sich die Schweiz für eine auf Rechtsstaatlichkeit beruhende internationale Ordnung einsetzen wolle. Er beantragte in Folge die Ablehnung der Motion.
In der Nationalratsdebatte während der Frühlingssession 2020 warnte Roland Büchel erneut vor den Gefahren eines Sicherheitsratsmandats für die Schweizer Neutralität. Einerseits gestalte man als Mitglied des Rats die Weltpolitik in Bezug auf Krieg und Frieden mit. Andererseits gebe es keine Instanz, welche die Kompatibilität der Entscheidungen mit der UNO-Charta überprüfen würde. Bundesrat und EDA-Vorsteher Cassis bestand darauf, dass eine Kandidatur aus drei Gründen im Interesse der Schweiz sei. Erstens fördere man damit die aussenpolitischen Interessen der Schweiz. Zweitens sei die Schweiz als Brückenbauerin nötiger denn je. Drittens intensiviere man mit der Kandidatur die Standortförderung des internationalen Genfs. Der Nationalrat folgte der Empfehlung des Bundesrats und lehnte die Motion mit 127 zu 52 Stimmen (bei 12 Enthaltungen) ab; die SVP-Fraktion stimmte geschlossen dafür.

Verzicht auf Kandidatur für den UNO-Sicherheitsrat (Mo. 18.4123)
Dossier: Schweizer Sitz im UNO-Sicherheitsrat

Jahresrückblick 2019: Aussenpolitik

Im Jahr 2019 beschäftigte sich das Parlament im Rahmen der Schweizer Aussenpolitik mit Geschäften im Bereich der Aussenwirtschaft – wie Freihandelsabkommen und Doppelbesteuerungsabkommen – aber auch mit zwischenstaatlichen Beziehungen. Wie die Medienanalyse von APS zeigt, nahm das mediale Interesse – im Vergleich der letzten drei Jahre – an Geschäften, die sich mit Staatsverträgen oder Entwicklungspolitik befassten, tendenziell eher ab. Über die Beziehung zwischen der Schweiz und der EU wurde besonders oft berichtet. Dies dürfte insbesondere an den neuen Entwicklungen und Eskalationsstufen rund um das institutionelle Rahmenabkommen mit der EU sowie an dem zweiten Beitrag an ausgewählte EU-Mitgliedsstaaten – in den Medien als Kohäsionsmilliarde bezeichnet – liegen.

Ein erster gewichtiger Schwerpunkt im Jahr 2019 bildete jedoch ein anderer Politikbereich, die Aussenwirtschaftspolitik. So entschieden die Räte unter anderem über aktualisierte Freihandelsabkommen zwischen den EFTA-Staaten und der Türkei sowie Ecuador. Hinzu kam das revidierte Agrarabkommen zwischen der Schweiz und der Türkei. Insbesondere gegenüber Letzterem gab es aufgrund der kritischen Menschenrechtslage in der Türkei zwiespältige Gefühle. Eine Minderheit forderte, mit Verweis auf Berichte der EU und der UNO, gar die Rückweisung an den Bundesrat. Der Bundesbeschluss wurde aber vom Ständerat im März und vom Nationalrat im Juni angenommen. Die Kantone Thurgau (Kt.Iv. 17.317) und Genf (Kt.Iv. 18.303) hatten in den vergangenen Jahren Standesinitiativen lanciert, um bei den Verhandlungen von Freihandelsabkommen mit Malaysia und Indonesien die Zollbefreiung von Palmöl und Palmkernöl zu verhindern. Grund dafür war einerseits die Sorge, dass einheimische Ölproduzenten durch die Aufweichung der Grenzschutzmassnahmen benachteiligt werden könnten, andererseits wurden auch die negativen ökologischen Folgen der Palmölproduktion bemängelt. Im März wurden zwei dieser Initiativen durch den Nationalrat versenkt, drei weitere standen aber noch an, womit das Thema beileibe noch nicht vom Tisch war. Ebenfalls im März wurde im Nationalrat – als Zweitrat – eine Motion der APK-SR (Mo. 18.3717) angenommen, die verlangte, dass die beiden Freihandelsabkommen sich nicht negativ auf die inländische Ölproduktion auswirken dürfen. Diesen Forderungen wurde Rechnung getragen, woraufhin der Nationalrat dem Freihandelsabkommen mit Indonesien zustimmte. Eine Minderheit zeigte sich zwar mit den Regelungen zur Nachhaltigkeit von Palmöl nicht zufrieden, doch sie unterlag mit ihrem Antrag. Zwar noch kein konkretes FHA, aber dafür zumindest die Erlaubnis für erste Sondierungsgespräche über ein Freihandelsabkommen mit den USA gab es in der Sommersession. Die Motion von Ständerat Graber (cvp, LU; Mo. 18.3797) aus dem Jahr 2018 erhielt auch vonseiten des Bundesrats Unterstützung und wurde im Juni vom Nationalrat ebenfalls angenommen. Dadurch soll die Schweizer Exportindustrie gestärkt und der Zugang zum amerikanischen Markt, der sich seit 2016 immer protektionistischer gibt, gesichert werden.
Eine Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens mit Grossbritannien wurde ebenso problemlos angenommen wie der Abschluss eines nach mehrjähriger Verhandlung erarbeiteten Doppelbesteuerungsabkommen mit Brasilien. Weitere Anpassungen an bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen zur Implementierung von Mindeststandards stehen 2020 bevor.

Am meisten Gesprächsstoff boten sicherlich jene Debatten, welche die Beziehung zwischen der EU und der Schweiz zum Thema hatten. Für hitzige Diskussionen und Differenzen zwischen der Bundesversammlung und dem Bundesrat sorgte im Juni das kritisierte und noch immer nicht abgeschlossene institutionelle Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der EU. Ausdruck der Unzufriedenheit war die im März abgelehnte Motion von Ständerat Minder (parteilos, SH; Mo. 18.4165), die vom Bundesrat die Nichtunterzeichnung des Abkommens verlangte. Anfang Juni kam es schliesslich zu einer mehr oder weniger offenen Konfrontation zwischen Bundesbern und Brüssel, als der Bundesrat in einer Botschaft Klärung zu fundamentalen Fragen des institutionellen Abkommens forderte. Zwar schätzte man den Entwurf des Abkommens grundsätzlich positiv ein, doch die Europäische Kommission solle mehr Rücksicht auf nationale Prozesse nehmen, damit man in Fragen des Lohn- und Arbeitnehmerschutzes, der Unionsbürgerrichtlinie und der staatlichen Beihilfen eine Einigung finde. Auch der Ständerat schlug in die gleiche Kerbe, als er kurz darauf mittels Motion (Mo. 19.3416) die Regierung und deren Chefunterhändler mit Zusatzverhandlungen beauftragte. Des Weiteren hing die «Begrenzungsinitiative» der SVP quasi als Damoklesschwert über dem bilateralen Weg der Schweiz.
Die Antwort aus Brüssel liess nur einige Tage auf sich warten, als Kommissionspräsident Juncker durchblicken liess, dass Nachverhandlungen kaum eine Chance hätten. Die Medien berichtete, dass sich die EU offiziell «offen für ergänzende Gespräche» zeige, aber durch die Blume deutlich mache, dass der Schweiz kaum Spielraum eingeräumt werden würde. Für Empörung sorgte Jean-Claude Juncker mit seinem Ultimatum, dass die von der Schweiz geforderten ergänzenden Gespräche innert einer Woche abgehandelt werden müssten. Als Druckmittel hatte die EU noch immer die in der Luft hängende Verlängerung der Börsenäquivalenz in der Hinterhand, die bei Nichterfüllung des Ultimatums beendet werden könnte.

Ebenjene Entwicklungen hinsichtlich der Anerkennung der Börsenäquivalenz sorgten in der Schweiz mit ihrem traditionell starken Bankenplatz schon seit geraumer Zeit für rote Köpfe. Die Europäische Kommission hatte Ende Dezember 2017 die Verlängerung der Börsenäquivalenz von den Fortschritten bei den Verhandlungen über ein institutionelles Abkommen abhängig gemacht. Zwar hatte sie die EU anfänglich befristet bis zum 30. Juni 2019 verlängert, erklärte sie danach aber für beendet. Dementsprechend zahlten sich die 2018 ergriffenen Massnahmen des Bundesrats zum Schutz der Börseninfrastruktur im Fall einer Nichtverlängerung der Äquivalenzanerkennung aus. Auch medial war das bevorstehende Ende der Börsenäquivalenz – und damit gezwungenermassen das institutionelle Rahmenabkommen – das dominierende Thema. Eine drohende Eskalation, die mit der Aufhebung der Börsenäquivalenz erst ihren Anfang nähme, wurde befürchtet. Die medial kritisierte bilaterale «Trotzkopf-Logik», die sich durch gegenseitige angedrohte Sanktionen äussere, wurde für enorm kontraproduktiv befunden. Das effektive Ende der Börsenäquivalenz Anfang Juli wurde in der Presse hingegen eher nüchtern thematisiert; man verwies auf die in naher Zukunft marginalen, möglicherweise gar positiven Auswirkungen für die Schweizer Börse. Kritisiert wurde vor allem, dass diese gegenseitige Blockade keine positiven Signale hinsichtlich zukünftiger Verhandlungen über das Rahmenabkommen aussende.

Sehr umstritten war aufgrund dieser Kette von Ereignissen der zweite Schweizer Beitrag an ausgewählte EU-Staaten, der im März und Juni ausgiebig diskutiert wurde. Die Aufstockung der Mittel für den Migrationskredit auf Kosten des Kohäsionsrahmenkredits wurde vor allem von den linken Parteien kritisiert. Im Nationalrat errangen schliesslich zwar beide Kreditanträge eine Mehrheit, doch der Ständerat stimmte den vorgeschlagenen Änderungen nicht zu. Eng verbandelt mit dem Kohäsionskredit war ein Entwurf für eine Asylgesetzesänderung. Dieser sollte es dem Bundesrat erlauben, ohne Zustimmung des Parlaments internationale Abkommen im Rahmen des – vom Parlament bereits beschlossenen – Migrationskredits abzuschliessen. Bei beiden Geschäften entstanden Differenzen zwischen den beiden Parlamentskammern, denn es war bis anhin nicht eindeutig geklärt, ob die Massnahmen der EU – siehe Börsenäquivalenz – als diskriminierend eingestuft werden können, was wiederum die Blockierung der Schweizer Fördergelder zur Folge hätte. Der Bundesrat gelangte im Herbst zum Schluss, dass die EU-Massnahmen unter dem WTO-Gleichbehandlungsgebot tatsächlich als diskriminierend gelten. Somit würden die beiden Kredite selbst bei einer Genehmigung durch die Räte bis auf Weiteres nicht ausbezahlt werden. Im Dezember beriet der Nationalrat schliesslich ein letztes Mal über den zweiten Beitrag der Schweiz an die EU und bereinigte die Differenzen zum Ständerat. Somit waren die beiden Kredite zwar bewilligt, ausbezahlt werden sie aber erst, wenn die Börsenäquivalenz wiederhergestellt ist.
Im August zeigte sich Bundesrat Cassis nicht sehr optimistisch und bezeichnete eine Einigung im Rahmenabkommen mit der amtierenden Kommission als «ein Wunder». Nach ihrem Amtsantritt liess die neue Kommissionspräsidentin, Ursula von der Leyen verlauten, dass die Verhandlungen mit der Schweiz auch weiterhin Chefsache blieben. Die Medien zweifelten aber nach wie vor an einer Einigung vor der Abstimmung zur Begrenzungsinitiative.

Nicht alle Verhandlungen zwischen der EU und der Schweiz gestalteten sich so problematisch wie die bisher aufgeführten. Die Sicherheit des Schengen-Raums und eine qualitativ hochwertige Grenzkontrolle schienen diesbezüglich ein verbindendes Element zu sein. Auf alle Fälle sprachen sich Ständerat und Nationalrat mit grosser Mehrheit für den bundesrätlichen Entwurf zum EES (Entry-Exit-System / Einreise- und Ausreisesystem) und die damit verbundenen Anpassungen des Ausländer- und Integrationsgesetzes aus. Bereits im Mai hatte sich das Volk nachdrücklich zum Schengen-Raum bekannt, als es der Übernahme einer EU-Waffenrichtlinie zustimmte, die unter anderem den Besitz halbautomatischer Waffen verschärfen sollte.

Auch über die Rolle der Schweiz als Gastland und Zentrum der Global Governance wurde intensiv beraten. Ebendiese soll auch weiterhin gestärkt und ausgebaut werden, damit die Schweiz – und insbesondere Genf – weiterhin ein internationales Zentrum für Diplomatie, Krisenbewältigung und NGOs sein kann. In eine ähnliche Richtung zielte die Diskussion über die Erneuerung des Kredits für drei Genfer Zentren in der Herbstsession. Diese bemühen sich um politische Sicherheit, humanitäre Minenräumung und die demokratische Kontrolle von Streitkräften. Obwohl der Kredit noch nicht definitiv beschlossen wurde, zeigten sich beide Kammern von der Wichtigkeit der Schweizer Aussenwahrnehmung in diesen Politikfeldern überzeugt.

Jahresrückblick 2019: Aussenpolitik
Dossier: Jahresrückblick 2019

Im Oktober 2019 befasste sich die FK-NR mit dem Verpflichtungskredit zur Weiterentwicklung des Schengen/Dublin-Besitzstands. Sie sprach sich für den Verpflichtungskredit aus, sofern die APK-NR die Schweizer Teilnahme an Schengen/Dublin weiterhin für unumgänglich halte. Die APK des Nationalrats beriet im November 2019 über die Botschaft des Bundesrats. Ein Antrag auf Sistierung des Geschäfts bis zur Klärung des institutionellen Abkommens und dessen Kosten, lehnte die Kommission mit 17 zu 8 Stimmen ab und nahm stattdessen die Vorlage in der Gesamtabstimmung mit der gleichen Stimmenzahl an. Sie fügte dieser jedoch eine Klausel hinzu, gemäss welcher der Kredit erst freigegeben werden kann, wenn das Parlament die gesetzlichen Grundlagen – vor allem im Bereich des Datenschutzes – dafür beschlossen hat.

Das Geschäft gelangte in der Wintersession in den Nationalrat, wo sich eine SVP-Ratsminderheit um Nationalrat Büchel (svp, SG) für die Sistierung des Kredits einsetzte. Bis die offenen Fragen zum institutionellen Abkommen mit der EU geklärt und die hohen Kosten überdacht seien, solle man die Kreditvergabe verschieben. Diese Haltung stiess bei den Vertreterinnen und Vertretern der anderen Parteien auf wenig Resonanz. Nationalrätin Schneider-Schneiter (cvp, BL) befand es für notwendig, die Informationssysteme auszubauen, und warf den Gegnerinnen und Gegnern der Vorlage vor, nicht wirklich Interesse an einer geregelten Migration und an einem effizienten Asylverfahren zu haben. Selbst Hans-Peter Portmann (fdp, ZH) nahm sich in seiner Kritik an der SVP-Fraktion nicht zurück und zeigte sich irritiert, dass die ansonsten «befreundete» SVP-Fraktion den Nutzen von Schengen/Dublin in den Bereichen Tourismus und Migration nicht erkenne. Darüber hinaus warf er ihr vor, Falschinformationen zu verbreiten. Denn das Rahmenabkommen sei vertraglich unabhängig von Schengen/Dublin. Der fragliche Kredit stelle einen weiteren Vollzug bereits getroffener Entscheide zur Weiterentwicklung der Informationssysteme dar. Konsequenterweise müsse der Nationalrat diesen also annehmen.
Die Minderheit erhielt für ihren Sistierungsantrag über die eigene Fraktionsgrenze hinaus keine Unterstützung und blieb mit 55 zu 138 Stimmen (bei zwei Enthaltungen) chancenlos. Mit 137 zu 6 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) folgte der Nationalrat schliesslich der Empfehlung seiner aussenpolitischen Kommission und übernahm dabei auch die vorgeschlagene Änderung.

Weiterentwicklung des Schengen/Dublin-Besitzstands. Verpflichtungskredit
Dossier: Dublin-Verordnung

Nach der Konstituierung und Vereidigung des Nationalrats, schritt dieser – noch einmal geleitet von der Alterspräsidentin Maya Graf (gp, BL) – zur Wahl des Nationalratspräsidiums 2019/20. Die amtierende erste Vizepräsidentin, Isabelle Moret (fdp, VD), wurde erwartungsgemäss als Präsidentin bestimmt. Von den 200 ausgeteilten Wahlzetteln waren 2 ungültig und 5 entfielen auf Diverse. Mit 193 Stimmen gelang der 14. Frau im Präsidentenamt ein Rekordresultat. Damit wurde zum 19. Mal eine Volksvertretung aus dem Kanton Waadt ins oberste Schweizer Amt gewählt.
Moret dankte in ihrer Rede ihrer Vorgängerin Marina Carobbio Guscetti (sp, TI), die die Repräsentation der Frauen in der Politik immer wieder thematisiert habe – mit Freude nehme sie auch die Zahl der Frauen im Saal zur Kenntnis. Es sei Moret auch hinsichtlich der Feierlichkeiten zum 50-jährigen Jubiläum der Einführung des Frauenstimmrechts ein Anliegen, die Bemühungen ihrer Ratskollegin weiterzuführen. Das neue Parlament habe die Chance, wichtige Themen anzupacken: So etwa die Familien- und Gleichstellungspolitik, die Reform der Sozialversicherungen, die Umweltpolitik, aber auch die Gesundheitspolitik, momentan eine der grössten Sorgen der Schweizerinnen und Schweizer. Mit ihrem Ausruf «Vive la Suisse! Es lebe die Schweiz! Viva la Svizzera! Viva la Svizra!» erntete die neue Präsidentin Applaus. Bevor sie zur Wahl des ersten Vizepräsidenten überleitete, verwies Moret auf den Umstand, dass das Parlament nicht nur noch nie so weiblich, sondern auch noch nie so jung gewesen sei. Als Zeichen, wie wichtig die Jugend sei, liess Moret die olympische Flamme der Jugend-Winterspiele, die im Januar 2020 im Kanton Waadt stattfinden werden, in den Saal tragen. Dies solle ein Ansporn für die Schweizer Jugend sein, über sich selbst hinauszuwachsen.
Zum ersten Vizepräsidenten wurde im Anschluss Andreas Aebi (svp, BE) gewählt. Für dieses Amt wäre eigentlich Heinz Brand (svp, GR) vorgesehen gewesen. Der Bündner, der im November 2018 zum ersten Vizepräsidenten gekürt worden war, war allerdings bei den eidgenössischen Wahlen nicht wiedergewählt worden. Aebi, der 2018 innerhalb der SVP neben Brand ebenfalls als Kandidat für das Amt gehandelt worden war und jetzt zum Handkuss kam, erhielt 178 Stimmen. Von den ausgeteilten Wahlzetteln blieben 9 leer und auf 13 standen andere Namen als jener des Berner SVP-Mitglieds.
In der Folge wurde Irène Kälin (gp, AG) zur zweiten Vizepräsidentin bestimmt. Die Aargauerin erhielt vergleichsweise wenige 112 Stimmen. Von den 195 eingelangten Wahlzetteln blieben 23 leer und 3 waren ungültig. Andere Personen erhielten 57 Stimmen, darunter Regula Rytz (gp, BE; 23 Stimmen) und Bastien Girod (gp, ZH; 11 Stimmen). Das magere Resultat dürfte – neben der Parteizugehörigkeit der neuen zweiten Vizepräsidentin – auch damit zusammenhängen, dass Kälin erst seit 2017 im Nationalrat sass. Kälin war von der Fraktion der grünen Partei Ende November 2019 nominiert worden.
Die vier Stimmenzählenden und die vier Ersatzstimmenzählenden wurden in globo gewählt. Auch hier zeigten sich aufgrund der Stimmenzahl einige ideologische Animositäten, alle acht wurden aber letztlich deutlich gewählt. Zu Stimmenzählerinnen und -zählern wurden Edith Graf-Litscher (sp, TG; 193 Stimmen), Roland Rino Büchel (svp, SG; 194 Stimmen), Daniel Brélaz (gp, VD; 179 Stimmen) und Benjamin Roduit (cvp, VS; 187 Stimmen) gewählt. Die vier sind damit Mitglieder des Büro-NR und sitzen dem Ratsplenum gegenüber, mit der Präsidentin im Rücken. Am gleichen Ort sitzen die Ersatzstimmenzählerinnen und -zähler, die aber nicht Mitglieder des Büros sind: Yvette Estermann (svp, LU; 191 Stimmen), Pierre-Alain Fridez (sp, JU; 193 Stimmen), Gerhard Andrey (gp, FR; 192 Stimmen) und Philipp Kutter (cvp, ZH; 190 Stimmen).

Wahl des Nationalratspräsidiums 2019/20
Dossier: Nationalrat und Ständerat. Wahl des Präsidiums und des Büros

Bei den Ständeratswahlen 2019 im Kanton St. Gallen waren die St. Galler Wahlberechtigten schon das zweite Mal im laufenden Jahr dazu aufgerufen, ihre Vertreter im Stöckli zu bestimmen. Im Frühjahr, bei den Ständeratsersatzwahlen für den freigewordenen Sitz von Bundesrätin Karin Keller-Sutter (FDP) hatte sich Benedikt Würth (cvp) im zweiten Wahlgang durchgesetzt. Während Würth für die regulären Gesamterneuerungswahlen im Oktober 2019 wie erwartet antrat, um seinen erst kürzlich hart erkämpften Sitz zu verteidigen, verzichtete seine damals stärkste Gegnerin, Susanne Vincenz-Stauffacher (fdp), darauf, Würth erneut herauszufordern und konzentrierte sich stattdessen auf die Nationalratswahlen. Auch der andere bisherige Ständerat, Paul Rechsteiner (sp), bewarb sich auf ein weiteres Mandat. Für Rechsteiner wäre es die dritte Legislatur im Ständerat – zuvor hatte er wohlgemerkt schon 25 Jahre lang im Nationalrat politisiert und war somit aktuell dienstältester Bundesparlamentarier. Die aussichtsreichsten Kandidaten um einem der beiden amtierenden Ständeräte gefährlich zu werden, kamen auch bei diesen Wahlen aus der SVP und der FDP. Beide richteten ihre Kandidatur vor allem gegen Rechsteiner. Der Traum von der ungeteilten bürgerlichen St. Galler Standesstimme sollte damit 2019 endlich Realität werden. Für den Freisinn kandidierte der Digitec-Gründer und Nationalrat Marcel Dobler. Die SVP nominierte Roland Rino Büchel. Büchel war 2010 für die abtretende Jasmin Hutter in den Nationalrat nachgerutscht und hatte sein Mandat bisher zwei Mal verteidigen können. SVP-intern musste sich Büchel gegen Mike Egger durchsetzen, der im Frühjahr bei den Ersatzwahlen bereits erfolglos kandidiert hatte. Eggers damals eher enttäuschendes Resultat dürfte dazu beigetragen haben, dass sich eine Mehrzahl der SVP-Delegierten für Büchel aussprach. Die drei weiteren Kandidaturen besassen lediglich Aussenseiterchancen. Franziska Ryser (gp) hoffte, dass sie im Wahljahr der Frauen- und Klimastreiks eine Überraschung landen oder zumindest ihre Position als grüne Spitzenkandidatin für den Nationalrat zementieren könnte. Für die Grünliberalen trat Pietro Vernazza an. Vernazza war bekannter Infektologe und Chefarzt, doch er hatte bis zu den diesjährigen eidgenössischen Wahlen, wo er für beide Kammern kandidierte, wenig mit Politik am Hut gehabt. Seine Ständeratskandidatur war daher wohl auch dazu gedacht, seine Chancen für den Gewinn eines Nationalratssitzes zu steigern. Die BDP nominierte ebenfalls einen Kandidaten: Norbert Feldmann, glänzte jedoch im Wahlkampf vor allem durch Abwesenheit.

Der erste Wahlgang verlief ohne grosse Überraschungen, war doch allgemein erwartet worden, dass ein zweiter Umgang entscheiden müsste. Benedikt Würth erzielte das beste Ergebnis, doch die 70'594 Stimmen reichten knapp nicht um das absolute Mehr von 71'095 zu erreichen. Direkt hinter Würth platzierte sich Paul Rechsteiner, der 64'077 Stimmen holte. Sowohl Büchel (45'941 Stimmen) als auch Dobler (30'755) enttäuschten. Sie hatten sich erhofft, die Bisherigen stärker unter Druck setzten zu können. Nur rund 3'000 Stimmen hinter Dobler reihte sich Franziska Ryser ein, die damit einen Achtungserfolg verzeichnete. Abgeschlagen auf den letzten beiden Plätzen landeten Pietro Vernazza (12'695) und Norbert Feldmann (4'174).
Für den zweiten Wahlgang traten die drei bestplatzierten Kandidaten erneut an. Marcel Dobler zog sich explizit zugunsten des SVP-Kandidaten Büchel zurück, der sich erst nach einiger Bedenkzeit für eine Teilnahme am zweiten Wahlgang entschied. Gemeinsam weibelten FDP und SVP für die ersehnte ungeteilte bürgerliche Standesstimme mit Würth und Büchel. Doch die CVP revanchierte sich nicht und unterstützte offiziell nur ihren eigenen Kandidaten, wohl auch weil dieser innerhalb der CVP dem christlich-sozialen Flügel nahesteht. So erstaunte es denn auch nicht, dass im zweiten Wahlgang die beiden Bisherigen ungefährdet wiedergewählt wurden. Wie im ersten Wahlgang erzielte Benedikt Würth das beste Ergebnis (77'893 Stimmen). Roland Rino Büchel (45'904) fehlten schlussendlich rund 17'000 Stimmen auf Paul Rechsteiner (62'750). Die Wahlbeteiligung beim vierten Ständeratswahlgang innerhalb eines Jahres betrug magere 36.1 Prozent.

Ständeratswahlen 2019 – St. Gallen
Dossier: Resultate Ständeratswahlen 2019 (nach Kantonen)
Dossier: Eidgenössische Wahlen 2019 - Überblick

Die Frage ob bei den Ständeratswahlen 2019 im Kanton Luzern die historische Dominanz von FDP und CVP gebrochen werden würde, war in diesem Jahr spannender als auch schon. Der Sitz des bisherigen Damian Müller (FDP) galt zwar als ungefährdet. Doch Konrad Graber, der das Amt für die CVP seit 2007 innehatte, trat nicht erneut zur Wahl an. Um den Sitz das als «Polit-Schwergewicht» bezeichneten Graber zu verteidigen, schickten die Delegierten der CVP Luzern die Nationalrätin Andrea Gmür ins Rennen. Sie hatte sich intern gegen andere Parteigrössen durchgesetzt, namentlich Parteivizepräsidentin Yvonne Hunkeler und Fraktionschef Ludwig Peyer. Gmür trat zusätzlich auch bei den Nationalratswahlen an – eine Premiere bei der Luzerner CVP, die sich bisher gegen solche Doppelkandidaturen ausgesprochen hatte. Die Parteileitung änderte ihre Meinung wohl aufgrund des drohenden Sitzverlustes im Nationalrat. Die besten Chancen der CVP den Sitz streitig zu machen hatte Franz Grüter (SVP). Der Nationalrat und ehemalige kantonale SVP-Präsident Grüter hoffte auf ein gemeinsames Ticket mit FDP-Kandidat Müller. FDP-Präsident Markus Zenklusen bezeichnete dies anfänglich als Option. Schlussendlich entschied sich die FDP jedoch, wie bei den Nationalratswahlen mit der CVP zusammenzuspannen. Allerdings sassen zwei prominente FDP-Frauen im Unterstützungskomitees für Franz Grüter. Zumindest eine davon, FDP-Vizepräsidentin Anne-Sophie Morand, trat nach Kritik der FDP-Parteileitung freilich wieder aus dem Komitee aus. In einer Videobotschaft aus der Wandelhalle empfahl auch Bundespräsident Ueli Maurer Franz Grüter zur Wahl. Maurer setzte sich damit über den bundesrätlichen Verhaltenskodex hinweg, welcher besagt, dass amtierende Bundesräte sich im Vorfeld eidgenössischer Wahlen von parteipolitischen Aktivitäten distanzieren sollten. Das Kandidatenfeld komplettierten SP-Parteipräsident David Roth, Kantonsrätin Monique Frey (gp), Kantonsrätin Michèle Graber (glp) und der parteilose Florian Studer. Diese Mitte-Links Kandidaturen galten allerdings alle als wenig aussichtsreich.

Bereits am Wahlsonntag feiern lassen konnte sich Damian Müller. Er übertraf das absolute Mehr um 308 Stimmen und wurde damit schon im ersten Wahlgang in seinem Amt bestätigt. Das erwartete Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Andrea Gmür und Franz Grüter entschied die CVP-Frau im ersten Wahlgang deutlich für sich. Sie holte rund 16'000 Stimmen mehr als Grüter. Zwar zeigte sich dieser nach der klaren Niederlage anfänglich noch zuversichtlich. Doch nachdem sich alle Mitte-Links-Kandidierenden zurückzogen um die Wahl von Gmür nicht zu gefährden, musste Grüter einsehen, dass ein Sieg im zweiten Wahlgang sehr unwahrscheinlich wäre. Er verzichtete deshalb ebenfalls auf die Teilnahme am zweiten Wahlgang, der daraufhin abgesagt wurde. Andrea Gmür wurde somit in stiller Wahl zur zweiten Luzerner Ständerätin neben Müller gewählt.

Ständeratswahlen 2019 – Luzern
Dossier: Resultate Ständeratswahlen 2019 (nach Kantonen)
Dossier: Eidgenössische Wahlen 2019 - Überblick

Mit dem Postulat «Plastikmüll. Vermeiden und Wiederverwerten statt Exportieren» beabsichtigte die CVP-Fraktion – mittlerweile umbenannt zur Mitte-Fraktion – im September 2019, das Thema Plastik ganzheitlich anzugehen. Sie forderte dafür einen Bericht zu vier Punkten. Erstens sollte eine Analyse zum Stand des Plastikrecyclings in der Schweiz mit Zahlen zum generell verbrauchten Plastik sowie zum wiederverwerteten und zum exportierten Plastik inklusive einer Auslegeordnung zum Potential der Plastik-Kreislaufwirtschaft und darauf aufbauend eine Darstellung des Bedarfs an politischen Massnahmen vorgelegt werden. Zweitens sollte eine Antwort auf die Frage, wie der Bundesrat sicherstellt, dass der exportierte Plastik nicht irgendwo im Meer landet, gegeben werden. Drittens verlangte das Postulat eine Strategie, wie in asiatischen Ländern Programme für die Etablierung einer Plastik-Kreislaufwirtschaft gefördert werden können, und viertens sollte ein Bericht darüber erstellt werden, wie Pilotprojekte unterstützt werden können, «mit welchen aus Plastik speicherfähiges Gas und daraus Strom produziert werden kann».
Der Bundesrat beantragte die Annahme des Vorstosses. Falls der Nationalrat diesem Postulat zustimmen sollte, werde er es zusammen mit den bereits überwiesenen Postulaten von Adèle Thorens Goumaz (gp, VD; 18.3196) und Martina Munz (sp, SH; 18.3496) beantworten, welche sich ebenfalls dem Thema Kunststoffe/Plastik widmeten, erklärte der Bundesrat.
Der Nationalrat beugte sich im Dezember 2019 ein erstes Mal über das Postulat der CVP-Fraktion. Dabei wurden die Punkte 1, 2 und 4 stillschweigend angenommen. Punkt 3 wurde von Roland Rino Büchel (svp, SG) bekämpft und die entsprechende Diskussion darüber verschoben. In der Sommersession 2021 nahm der Nationalrat schliesslich auch den dritten Punkt des Postulates an. Die 46 ablehnenden Stimmen stammten allesamt von Mitgliedern der SVP-Fraktion.

Plastikmüll. Vermeiden und Wiederverwerten statt Exportieren (Po. 19.4355)
Dossier: Plastikbelastung
Dossier: Vorstösse zur Kreislaufwirtschaft seit Ablehnung der Volksinitiative «Grüne Wirtschaft»

Wie bereits der Nationalrat in der Sommersession 2018 behandelte auch der Ständerat die Sistierung der Motion der SGK-NR für eine Entpolitisierung der technischen Parameter im BVG zusammen mit der parlamentarischen Initiative Bortoluzzi (svp, ZH; Pa.Iv. 12.414) für eine Herauslösung der technischen Parameter aus dem BVG. Einstimmig hatte sich die SGK-SR zuvor erneut für eine Sistierung der Motion ausgesprochen. Dies begründete Konrad Graber (cvp, LU) damit, dass die Diskussion um die technischen Parameter in der neusten Revision der beruflichen Vorsorge geführt werden müsse und eine parallele Behandlung hier keinen Mehrwert bringe. Stillschweigend sprach sich der Ständerat in der Folge für die Sistierung aus.

Entpolitisierung der technischen Parameter im BVG
Dossier: BVG-Mindestzinssatz

Wie bereits der Nationalrat in der Sommersession 2018 behandelte auch der Ständerat die parlamentarische Initiative Bortoluzzi (svp, ZH) für eine Herauslösung der technischen Parameter aus dem BVG zusammen mit der Frage nach einer Sistierung der Motion der SGK-NR für eine Entpolitisierung der technischen Parameter im BVG (Mo. 16.3350). Diskussionslos folgte der Ständerat dem Antrag der SGK-SR, der Initiative keine Folge zu geben. Konrad Graber (cvp, LU) erklärte, dass die Diskussion um die technischen Parameter in der neusten Revision der beruflichen Vorsorge geführt werden müsse und es keinen Sinn mache, hier «auf zwei Gleisen zu fahren».

Herauslösung der technischen Parameter aus dem BVG
Dossier: BVG-Mindestzinssatz

Im August 2019 setzte sich die WAK-SR mit dem Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer bezüglich einer ausgewogenen Paar- und Familienbesteuerung auseinander und zeigte sich mit der bundesrätlichen Botschaft mehrheitlich einverstanden: Eintreten war unbestritten und die Kommission nahm die Vorlage mit nur einer Änderung – die Kommission will den Elterntarif nicht abschaffen – mit 8 zu 4 Stimmen (bei 1 Enthaltung) an. Dennoch war die Behandlung der Vorlage keinesfalls so einhellig, wie diese Resultate vermuten lassen: Die Kommission lehnte äusserst knapp, mit 6:6 Stimmen und Stichentscheid des Präsidenten, zwei Rückweisungsanträge an den Bundesrat zur Schaffung von alternativen Besteuerungsmodellen respektive einer zivilstandsneutralen Ausgestaltung des Gesetzes ab. Ähnlich knapp sprach sie sich auch gegen Minderheitsanträge auf die Streichung des Zweiverdienerabzugs, des Einverdienerabzugs sowie des Verheiratetenabzugs aus.

Die entsprechenden Minderheitsanträge versprachen Spannung in die Behandlung durch den Ständerat in der Herbstsession 2019 zu bringen. Eine Minderheit Hefti (fdp, GL) wollte den Bundesrat beauftragen, auf die Individualbesteuerung oder andere alternative Steuermodelle zu setzen, während eine Minderheit Caroni (fdp, AR) auch Paaren im qualifizierten Konkubinat die Möglichkeit geben wollte, die Steuern alternativ berechnen zu lassen. Kommissionssprecher Bischof (cvp, SO) fasste die neuere Vorgeschichte dieses Geschäfts zusammen und verwies darauf, dass diese Vorlage allenfalls als faktischer Gegenvorschlag zur Volksinitiative der CVP, nicht aber als tatsächlicher, indirekter Gegenvorschlag verstanden werden könne. Die Frist für eine allfällige erneute Abstimmung, die der Bundesrat auf den 27. September 2020 gesetzt habe, könne bei einer Verbindung der Initiative mit dieser aktuellen Vorlage und im Falle der Rückweisung Letzterer an den Bundesrat nicht eingehalten werden.
In der Folge legte Thomas Hefti seinen Minderheitsantrag dar. Er erklärte, dass der administrative Mehraufwand durch den sogenannten «Mehrfachtarif mit alternativer Steuerberechnung» vermutlich deutlich grösser sei, als der Bundesrat jetzt anerkenne, und dass die Zuordnung der Einkommen, zum Beispiel bei Ehepartnern mit einem gemeinsamen Geschäft, vermutlich nicht immer so einfach sei. Zudem habe dieser Vorschlag zahlreiche Probleme zur Folge, die ihrerseits neue Lösungen und Probleme nach sich zögen. Dies alles könne umgangen werden, wenn man stattdessen auf die im Kanton Waadt bereits bewährte Individualbesteuerung setze. Andrea Caroni verwies in der Folge und in Bezug zu seinem Minderheitsantrag darauf, dass es eben nicht nur die Heiratsstrafe gebe, sondern diese auf Kantonsebene durch verschiedene Boni aufgehoben würde und es auch einen Heiratsbonus sowie eine Konkubinatsstrafe gebe. Die aktuelle Vorlage wolle nun wieder eine Bevorzugung eines Zivilstandes schaffen – Ehepaare würden neu im schlimmsten Fall gleich behandelt wie Konkubinatspaare, aber allenfalls besser gestellt. Zudem würden diejenigen Instrumente, die zur Milderung der Heiratsstrafe geschaffen worden seien, konkret also der Verheiratetentarif, der Zweiverdienerabzug, und neu auch der Einverdienerabzug, beibehalten und die Verheirateten so sogar noch stärker bevorzugt. «Das wären dann also ein Fünfer, ein Weggli und ungefähr drei Bäckersfrauen dazu», kritisierte er. Man solle es daher den Konkubinatspaaren ermöglichen, dieselben Vorteile zu geniessen wie die Verheirateten.
Die folgenden Wortmeldungen verdeutlichten den Graben im Rat: Unterstützung erhielt der Antrag Hefti von linker Seite; Anita Fetz (sp, BS), Christian Levrat (sp, FR) und Paul Rechsteiner (sp, SG) meldeten sich unterstützend zu Wort. Konrad Graber (cvp, LU) hingegen nannte den Minderheitsantrag Hefti aufgrund seiner Wirkung «ein Spielen auf Zeit», da es im Rat zwei ungefähr gleich starke Lager für die Individualbesteuerung und für ein Splitting gebe, wie es Hans-Rudolf Merz in seiner Zeit als Finanzminister einmal formuliert habe. Eine Rückweisung an den Bundesrat habe folglich eine Verzögerung um zwei bis drei Jahre zur Folge, anschliessend sei man aber noch immer nicht klüger. Deshalb solle man diese mit der Verfassung konforme Vorlage, wie sie heute auf dem Tisch liege, beraten und ihr zustimmen. Mit diesem Fazit zeigten sich Mitglieder der CVP, der SVP und teilweise der FDP sowie Finanzminister Maurer einverstanden.
Nach zahlreichen Hinweisen verschiedener Sprecher darauf, dass dieses Problem seit 35 Jahren auf eine Lösung warte, sprach sich der Rat ohne Gegenantrag für Eintreten aus. Mit 25 zu 18 Stimmen stimmte der Ständerat in der Folge jedoch für den Minderheitsantrag Hefti und somit für eine Rückweisung an den Bundesrat sowie für eine umfassende Neubehandlung durch Letzteren, worauf Andrea Caroni seinen Minderheitsantrag zurückzog.

Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (ausgewogene Paar- und Familienbesteuerung; BRG 18.034)
Dossier: Abschaffung der Heiratsstrafe
Dossier: Reform der Ehe- und Familienbesteuerung seit 2000 – Gemeinschaftsbesteuerung oder Individualbesteuerung?
Dossier: Bestrebungen zur Einführung der Individualbesteuerung

Eine «schöne Schweizer Politgeschichte» erzählte im September 2019 die NZZ. Diese zeige, dass Bundesbern nicht einfach zerstritten sei, sondern dass sich «Politikerinnen und Politiker unterschiedlicher Lager auch menschlich gut verstünden» – so dann das Urteil der Aargauer Zeitung im Jahresrückblick. Die Episode verrate viel über den Betrieb in Bern, begann die NZZ ihre Geschichte: Bei einem Nachtessen nach einer WAK-Sitzung in Solothurn erzählte Christian Levrat (sp, FR), dass er am nächsten Tag nicht zur Maturafeier seiner Tochter fahre, da er in der Kommission die Position der SP im Versicherungsvertragsgesetz vertreten müsse. Dass der politische Kampf vorgehe, sei mit der Tochter abgesprochen. Konrad Graber (cvp, LU), der in der Nähe von Christian Levrat sass, redete dem Sozialdemokraten ins Gewissen: So einen wichtigen Anlass dürfe er nicht verpassen. Weil der SP-Präsident aber so kurzfristig keinen Ersatz fand, schlug ihm der CVP-Politiker vor, in der Kommission sozusagen für Levrat und immer gleich zu stimmen, wie das zweite SP-Mitglied in der WAK, Roberto Zanetti (sp, SO). Levrat nahm das Angebot an, fand dann aber seinen Autoschlüssel nicht, was Finanzminister Ueli Maurer auf den Plan rief, der ebenfalls anwesend war, um über die Vorlage zu diskutieren. Flugs bot der SVP-Magistrat seine Bundesratslimousine samt Chauffeur an: «Und so kommt es, dass der oberste Sozialdemokrat in der Limousine des einstigen SVP-Präsidenten nach Bulle chauffiert wird und dort pünktlich eintrifft», bilanzierte die NZZ. In der Zwischenzeit war der Autoschlüssel Levrats gefunden worden, worauf sich erneut Ueli Maurer anbot, tags darauf seiner Limousine hinterherzufahren und das Auto von Levrat nach Bern zu fahren. Laut NZZ habe Roberto Zanetti seinem Parteikollegen in der Folge eine SMS geschickt: Graber habe stets korrekt gestimmt, Levrat solle aber in Zukunft sein Auto aufräumen. Man wisse nie, ob nicht der Bundespräsident damit im Land herumfahren müsse.

Bundesrat Maurer bietet SP-Präsident Levrat Bundesratslimousine an

In einer Motion forderte Ständerat Olivier Français (fdp, VD) vom Bundesrat einen Investitionsplan, wie die Energieautonomie der Immobilien des Bundes bis in 12 Jahren sichergestellt werden kann. Dem Waadtländer Ständerat ging es hierbei vor allem um die Investitionen in Fotovoltaikanlagen, um eine autonome und umweltfreundliche Stromversorgung im Immobilienbestand des Bundes sicherzustellen. Erstaunt reagierte der Motionär in der Herbstsession 2019 im Stöckli jedoch auf die ablehnende Haltung des Bundesrates, dies vor allem, weil der Bundesrat eine praktisch identische Forderung (Mo. 19.3784) von seinem Deutschschweizer Nationalratskollegen Matthias Samuel Jauslin (fdp, AG) am selben Tag (4.9.2019) zur Annahme empfohlen hatte. Sarkastisch richtete sich Français deshalb an Bundesrätin Simonetta Sommaruga mit den Fragen, ob das Gremium einen Unterschied bei der Behandlung von französich- und deutschsprachigen Texten mache, ob es womöglich einen Röstigraben durch die Bundesverwaltung gebe oder ob Vorstösse aus dem Ständerat nicht gleich behandelt würden wie solche aus dem Nationalrat. Er nahm den Antrag des Bundesrates nicht zuletzt auch persönlich und stellte die Frage in den Raum, ob er vielleicht einen schlechteren Ruf habe als sein geschätzter Amtskollege im Nationalrat. Umweltministerin Sommaruga versuchte daraufhin die zwei unterschiedlichen Haltungen des Bundesrates zu erklären und verwies auf den Unterschied im Motionstext, wonach sein Amtskollege Jauslin von einer Versorgung mit «erneuerbaren Energien» spreche und die vorliegende Motion von einer «autonomen Versorgung». Der Bundesrat unterstütze demnach die Versorgung der Bundesgebäude mit erneuerbaren Energien – so wie dies beispielsweise auch schon die bundesnahen Betriebe mit der Initiative «Energievorbild Bund» anstrebten – halte jedoch wenig von einer jederzeit vollständig gedeckten Energie-Eigenproduktion in der Bundesverwaltung. Das Schlusswort ergriff Ständerat Konrad Graber (cvp, LU), der die vorliegende Motion ebenfalls zur Annahme empfahl und anmerkte, dass der Bundesrat im Zweitrat immer noch die Möglichkeit habe, eine kleinere Änderung des Motionstextes zu beantragen, sodass dann beide Vorstösse deckungsgleich wären. Allenfalls könnte auch die zuständige Kommission die Anpassung vornehmen. Mit nur einer Gegenstimme bei 36 Befürworterinnen und Befürwortern folgte der Ständerat diesem Votum und nahm die Motion Français im Herbst 2019 deutlich an.

Energieautonomie der Immobilien des Bundes (Mo. 19.3750)
Dossier: Energieautonomie der Immobilien des Bundes. Fotovoltaik-Offensive

Au mois de septembre 2018, le conseiller aux États Konrad Graber (pdc, LU) déposait une motion enjoignant le Conseil fédéral à conclure un accord de libre-échange (ALE) – ou du moins un accord commercial préférentiel – avec les États-Unis, afin de permettre à la Suisse de renforcer son industrie d'exportation et de s'assurer un accès au marché américain. Alors qu'en 2006, les négociations en vue de la conclusion d'un ALE entre la Suisse et les Etats-Unis avait été interrompues faute de consensus, le Conseil fédéral s'est déclaré en faveur de l'acceptation de la motion Graber. Le géant américain représente en effet le deuxième partenaire commercial de la Suisse, après l'UE. Au mois de septembre 2018, la CER-CN a d'ailleurs approuvé une proposition recommandant de mener des entretiens exploratoires avec les États-Unis en vue de la conclusion d'un éventuel ALE. En cas d'issue positive des discussions en question et sur mandat de négociation, l'exécutif fédéral consultera alors les commissions parlementaires compétentes, les cantons ainsi que les milieux intéressés.
Le Conseil des États et le Conseil national (122 voix pour, 47 contre et 7 abstentions) ont tous deux accepté la motion Graber, respectivement en décembre 2018 et juin 2019. Si, dans la chambre des cantons, le texte n'a suscité aucune opposition, dans la chambre du peuple, la minorité Arslan (basta, BS) optait pour le rejet de la motion. «Le commerce est important, mais nécessite des garde-fous sociaux et écologiques», a déclaré à ce propos l'élue bâloise.

Pour un accord de libre-échange entre la Suisse et les Etats-Unis

Im Juni 2019 beriet die kleine Kammer als Zweitrat über die Verpflichtungskredite ab 2019 des Programms Agglomerationsverkehr. Umstritten war nur das vom Nationalrat in der ersten Debatte aufgenommene Projekt zur Umfahrung Oberburg bei Burgdorf BE. Weil dieses die Anforderungen zur Aufnahme in die Agglomerationsprojekte am Stichtag nicht erfüllt hatte, war es vom Bundesrat nicht in die Vorlage aufgenommen worden. Aus diesem Grund hatte die KVF-SR ihrem Rat beantragt, das Projekt wieder aus der Vorlage zu streichen. Ständerat Stöckli (sp, BE) verteidigte die Umfahrung Oberburg in der kleinen Kammer, worauf Ständerat Graber (cvp, LU) einen Ordnungsantrag stellte, um das Geschäft an die Kommission zurückzugeben: Die Kommission solle das Projekt im Lichte von Stöcklis Ausführungen nochmals prüfen. Die Mehrheit der Ständeratsmitglieder lehnte den Ordnungsantrag jedoch ab, folgte mit 35 zu 9 Stimmen dem Antrag der Kommission und strich die Umfahrung Oberburg aus der Vorlage. In der Gesamtabstimmung nahm der Ständerat das Geschäft einstimmig mit 44 Stimmen (keine Enthaltungen) an.

Agglomerationsverkehr. Verpflichtungskredite für die Beiträge ab 2019
Dossier: Programme Agglomerationsverkehr

In der Debatte um die parlamentarische Initiative von Thomas Aeschi (svp, ZG), der eine Neuregelung für die Zusammensetzung des Büros-NR verlangte, konkretisierte der Zuger sein Anliegen: Die Zusammensetzung solle analog zur Zusammensetzung der Gerichtskommission erfolgen. Dort werden in einem ersten Schritt die Sitze nach Fraktionsstärke zugewiesen und in einem zweiten Schritt wird darauf geschaut, dass alle Fraktionen berücksichtigt werden. Roland Büchel (svp, SG), der den Minderheitenantrag unterstützte, argumentierte, dass es für eine Demokratie eigentlich selbstverständlich sei, dass eine Fraktion in einem so wichtigen Gremium wie dem Büro angemessen vertreten sein müsse. Angemessen heisse eben proportional zur Sitzstärke. Aufgrund der wechselnden Präsidien könne es aber immer wieder dazu kommen, dass einzelne Fraktionen über- und andere untervertreten seien. Dem müsse entgegengewirkt werden, vor allem, weil das Büro «verstärkt legislativ tätig ist». Edith Graf-Litscher (sp, TG) argumentierte als Sprecherin für die Mehrheit des Büro-NR, dass im Parlamentsgesetz verankert sei, dass das Büro aus Funktionsträgerinnen und Funktionsträgern und eben nicht parteipolitisch zusammengesetzt sei, was sich in der Arbeitsweise des Büros niederschlage. Es sei keine politische Organisation, sondern habe die Funktion, den Ratsbetrieb vorzubereiten. Eine proportionale Vertretung wäre nur mit einer Erhöhung der Mitgliederzahl im Büro zu erreichen – ein entsprechender Vorstoss der SPK-NR sei aber 2015 wegen mangelnder Erfolgsaussichten zurückgezogen worden. Die Volkskammer sprach sich schliesslich mit einer deutlichen Mehrheit von 115 zu 64 Stimmen gegen Folge geben aus. Die befürwortenden Stimmen stammten allesamt aus der SVP-Fraktion.

Zusammensetzung des Büros

Die SRG-Produktionsstandorte im Gesetz festschreiben wollte die parlamentarische Initiative Vonlanthen (cvp, FR), die das Plenum des Ständerates in der Sommersession 2019 beschäftigte. Die Kommission hatte beantragt, der Initiative keine Folge zu geben, wie es ihr Sprecher Janiak (sp, BL) im Rat abermals bekräftigte. Im Anschluss an diese Erklärung entwickelte sich eine umfassende und lange Debatte – der Ständerat hielt sich über zwei Stunden mit dem Geschäft auf –, die zahlreiche Argumente für und wider die Initiative hervorbrachte. Letztlich zeichnete sich ab, dass sich eine Mehrheit der Ständerätinnen und Ständeräte mit dem ökonomisch motivierten Standortentscheid der SRG-Leitung abfinden würde und sich aus dem operativen Geschäft des Unternehmens heraushalten wollte. Stellvertretend für diese Position gab etwa Konrad Graber (cvp, LU) zu Protokoll, dass der Ständerat nicht zu einem «Super-Verwaltungsrat» gemacht werden dürfe. Die Diskussion deutete mit zunehmendem Fortschritt auf eine recht deutliche Ablehnung der Initiative hin. Dieser kam jedoch Initiant Vonlanthen zuvor, indem er seinen Vorstoss zurückzog. Dies wiederum stiess Claude Janiak etwas sauer auf. Er war der Meinung, dass die Debatte zu einem Ende und einer Abstimmung gebracht werden solle und dass eine bereits früher gefasste Absicht, die Initiative zurückzuziehen, eingangs der Diskussion hätte geäussert werden sollen. Der Entscheid führte auch zu Unsicherheit: Ständerat Eder (fdp, ZG) wollte gleichwohl eine Abstimmung veranlassen, was jedoch das Geschäftsreglement nicht vorsah. So endete eine langwierige Auslegeordnung zur Frage der SRG-Produktionsstandorte vorerst im Nichts.

Fünf parlamentarische Initiativen gegen Wegzug des Radiostudios Bern

Mit einem Postulat bat die KVF-SR den Bundesrat um die «Berücksichtigung von städtebaulichen und landschaftsverträglichen Zielsetzungen beim Bypass Luzern und bei anderen Nationalstrassen-Bauprojekten». Konkret soll der Bund bei Nationalstrassen-Projekten mit Überdeckungen fachliche Unterstützung für Kantone, Gemeinden, Städte oder Dritte vorsehen, sofern die Überdeckung einer städtebaulichen oder landschaftsverträglichen Zielsetzung folgt oder dem Lärmschutz dient. Die gesetzlichen Möglichkeiten der Mitfinanzierung durch den Bund seien auszuschöpfen und eine Anpassung der Verordnungen und der Gesetzesgrundlagen sei zu prüfen, falls dies erforderlich sei.
Das Postulat war im April 2019 eingereicht worden, im Mai beantragte der Bundesrat die Annahme und im Juni 2019 behandelte der Ständerat das Postulat in der Debatte zum Ausbauschritt 2019. Ständerat Graber (cvp, LU) erläuterte die Umstände: Der Bypass Luzern werde vom Kanton Luzern begrüsst, stosse aber in der Stadt Luzern und auch in der Stadt Kriens auf massiven Widerstand: Es wird eine unzumutbare Lärmbelastung der Anwohnenden befürchtet. Ein überparteiliches Komitee aus Kriens habe beim Bund die Petition «Ein Herz für Kriens. Bypass - so nicht!» mit 3'000 Unterschriften eingereicht, welche eine weitergehende Eintunnelung verlangt. Ständerat Graber sah das Kommissionspostulat quasi als «flankierende Massnahme zum Bundesbeschluss», denn wenn der Bund Hand biete und Bestrebungen für eine weitere Überdeckung (Eintunnelung) nach Kräften unterstütze, könne mit Luzern und Kriens eine Lösung gefunden werden, wie der Bypass Luzern zu realisieren sei.
Nach der einstimmigen Annahme des Bundesbeschlusses zum Ausbauschritt 2019 am 6. Juni 2019 wurde auch das «flankierende» Postulat vom Ständerat stillschweigend gutgeheissen.

Städtebauliche und landschaftsverträgliche Zielsetzungen bei Nationalstrassen-Bauprojekten