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  • Büchel, Roland Rino (svp/udc, SG) NR/CN
  • Müri, Felix (svp/udc, LU) NR/CN

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Jahresrückblick 2020: Aussenpolitik

Nebst dem Dauerbrenner «Institutionelles Rahmenabkommen» hielten auch die Auswirkungen der Corona-Krise im Bereich der Aussenpolitik das Parlament und den Bundesrat auf Trab. Sie waren aber beileibe nicht die einzigen Themen, welche die Schweizer Aussenpolitik im Jahr 2020 prägten.

Mitte März beschloss der Bundesrat aufgrund der Corona-Pandemie die Einführung von Schengen-Grenzkontrollen – und damit faktisch die Schliessung der Grenzen – zu allen Nachbarländern mit Ausnahme Liechtensteins. Diese Restriktionen wurden in den darauffolgenden Wochen auf die Schengen-Aussengrenzen und Flüge aus sämtlichen Schengen-Staaten ausgeweitet. Kurz darauf ergriff das EDA erste Massnahmen, um den im Ausland gestrandeten Bürgerinnen und Bürgern die Rückreise in die Schweiz zu erleichtern. Da diese Massnahmen bereits nach wenigen Tagen nicht mehr ausreichten, da abgesagte Flüge und geschlossene Grenzen die eigenständige Rückreise verunmöglichten, initiierte das EDA die bis anhin grösste Rückholaktion von Schweizer Reisenden aller Zeiten. Im Rahmen dieser Aktion führten Edelweiss und Swiss bis Ende April Repatriierungsflüge für rund 7000 Personen durch. Mit dem Abflachen der ersten Infektionswelle wurde im Mai rasch der Ruf nach einer möglichst baldigen Öffnung der Grenzen zu Deutschland und Frankreich und der Wiederherstellung der Personenfreizügigkeit laut. Trotz des Drängens der Parlamentarierinnen und Parlamentarier führte der Bundesrat Lockerungen erst wie geplant im Juni ein.

Das Evergreen der Schweizer Aussenpolitik, das institutionelle Rahmenabkommen, geriet ob der Corona-Krise bisweilen fast ein wenig in Vergessenheit, gewann aber spätestens nach der Ablehnung der Begrenzungsinitiative an der Urne wieder an Bedeutung. Das hatte einerseits mit einer Erklärung der Sozialpartner zu tun, welche sich nicht hinter die zuletzt vorgestellte Fassung des Rahmenabkommens stellen wollten. Andererseits sorgte aber vor allem auch die Absetzung des bisherigen EU-Chefunterhändlers – Roberto Balzaretti – und die damit einhergehende Ernennung von Livia Leu zur neuen Staatssekretärin und Chefunterhändlerin für mediale Schlagzeilen. Während zahlreiche Parlamentarierinnen und Parlamentarier den Nutzen des Wechsels in Frage stellten und den Bundesrat für seinen Personalverschleiss kritisierten, zeigten Vertreter der EU wenig Verständnis für erneute Verzögerungen aufseiten der Schweiz. Durch die Annahme eines Postulats Nussbaumer(sp, BL; Po. 18.3059) forderte das Parlament vom Bundesrat derweil die Möglichkeit der parlamentarischen Mitwirkung in den Angelegenheiten Schweiz-EU, sofern das Rahmenabkommen angenommen werden sollte. Deutlich weniger polarisierend waren die Genehmigung und Umsetzung des Europäischen Reiseinformations- und Genehmigungssystems für den Schengen-Raum sowie eine nötig gewordene Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes, die vom Ständerat einstimmig angenommen wurden.

Neben diesen zwei zentralen Aspekten tat sich aber in der Aussenpolitik 2020 noch einiges: Begonnen hatte das aussenpolitische Jahr im Januar mit der Veröffentlichung der Aussenpolitischen Strategie 2020-2023, die erstmals im Rahmen eines interdepartementalen Prozesses erarbeitet worden war, um die Kohärenz zwischen Innen- und Aussenpolitik zu verbessern. Frieden und Sicherheit, Wohlstand, Nachhaltigkeit sowie Digitalisierung bildeten die vier inhaltlichen Schwerpunkte der Strategie. Im Februar folgte sodann die Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2021-2024, welche den Handlungsrahmen für die Bereiche der Entwicklungszusammenarbeit, der humanitären Hilfe, der Förderung des Friedens und der menschlichen Sicherheit vorgab. Im Vergleich zur Strategie der Vorperiode (2017-2020) wurden die Beendigung der extremen Armut und die Bekämpfung des Klimawandels stärker gewichtet.

Von besonderer Bedeutung für die Schweizer Aussenpolitik ist traditionsgemäss die Rolle der Schweiz in internationalen Organisationen aber auch als Sitz ebenjener. Die Kandidatur für ein nichtständiges Mandat im UNO-Sicherheitsrat 2023/24 beschäftigte das Parlament im abgelaufenen Jahr auf ganz unterschiedliche Weise. Während Roland Büchel (svp, SG) noch immer für einen Verzicht auf die Kandidatur kämpfte, sorgte sich die Aussenpolitische Kommission des Ständerats vor allem um den Einbezug des Parlaments im Falle eines Erfolgs. Für den Bundesrat stand die Kandidatur ausser Frage, was er unter anderem durch die Erwähnung in der Aussenpolitischen Strategie zementierte. Er argumentierte überdies, dass das Mandat nicht zuletzt auch der Standortförderung des internationalen Genfs diene. Die Wettbewerbsfähigkeit Genfs wurde 2020 auch durch die Finanzhilfen an die Internationale Fernmeldeunion und die Strategie zur Digitalaussenpolitik, mit welcher Genf zum Zentrum der internationalen Gouvernanz im Bereich Cyberspace gemacht werden soll, gefördert. Die SVP bemühte sich zudem um den Rückzug der Schweiz vom UNO-Flüchtlingspakt und eine Senkung des Finanzbeitrags an die UNRWA, fand aber keine Unterstützung über die Fraktionsgrenzen hinaus.

In der Entwicklungspolitik gaben vor allem die Kapitalerhöhungen der Weltbankgruppe und der Afrikanischen Entwicklungsbank Anlass zu ausführlichen Ratsdebatten. Zwei Minderheiten der Ratsrechten setzten sich für ein Nichteintreten ein und begründeten ihre Ablehnung unter anderem mit der finanziellen Belastung der Schweiz in der Corona-Krise, die solche Ausgaben nicht zuliesse. Im Endeffekt nahmen beide Räte die Krediterhöhungen an, genauso wie einen von der APK-NR beantragten Nachtragskredit für die humanitäre Hilfe.

Ferner beschäftigte sich das Parlament ausgiebig mit dem Umgang der Schweiz mit dem Brexit. Im Rahmen der sogenannten Mind-the-Gap-Strategie setzten sich die Räte unter anderem mit einem Abkommen zur Fortsetzung der Personenfreizügigkeit auseinander und loteten eine vertiefte wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem Vereinigten Königreich aus. In beiden Fällen sprach sich das Parlament mit grosser Mehrheit für die Kooperation mit Grossbritannien aus.
Im Nachgang des 2019 gefällten EDA-Entscheids zu den Tätigkeiten der Pilatus AG in Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten veröffentlichte der Bundesrat Anfang Jahr einen Bericht zur Überprüfung des Bundesgesetzes über die im Ausland erbrachten Sicherheitsdienstleistungen. Er beschloss die Prüfung einer Gesetzesrevision, weshalb im Juni eine Motion der SIK-NR zur gleichen Thematik abgelehnt wurde.
Wenn auch inhaltlich nicht sonderlich bedeutsam, war die schiere Menge an Anpassungen von Doppelbesteuerungsabkommen im Jahr 2020 dennoch bemerkenswert. Grund für die Änderungsprotokolle waren die neuen OECD-Mindeststandards, denen sich die Schweiz im Rahmen des BEPS-Übereinkommens bereits im vergangenen Jahr unterworfen hatte. Zudem genehmigte das Parlament auch das lange Zeit sistierte Doppelbesteuerungsabkommen mit Saudi-Arabien.
Obwohl die Genfer Standesinitiative für ein Referendum über das Freihandelsabkommen mit Mercosur (Kt.Iv. 19.313) im März noch klar vom Ständerat abgelehnt worden war und sich mehrere Kantone bereits im vergangenen Jahr erfolglos gegen das Freihandelsabkommen mit Indonesien gewehrt hatten, zeichnete sich allmählich ein Wandel in der Schweizer Aussenwirtschaftspolitik ab. Im Juni kam es mit dem erfolgreichen Referendum gegen das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit Indonesien nun zu einer Anomalie in der Schweizer Wirtschaftspolitik. Erst einmal hatte die Bevölkerung über ein Abkommen im Bereich der Aussenwirtschaft abstimmen können – wobei die Abstimmung über den EWR dem ausserordentlichen obligatorischen Referendum unterlegen hatte – und noch nie war bisher ein fakultatives Referendum zu einem Freihandelsabkommen zustande gekommen.

Die Corona-Krise wirkte sich erwartungsgemäss auch auf die Themenkonjunktur in den Zeitungen aus. So sank die Zahl der aussenpolitischen Artikel von über 10 Prozent im Dezember 2019 auf 4 Prozent im April 2020. Wenig erstaunlich waren Artikel zu zwischenstaatlichen Beziehungen überaus stark vertreten, was sich mit den Grenzschliessungen/-öffnungen und den Quarantänebestimmungen erklären lässt. Gegen Jahresende nahm die Berichterstattung zu Europa, die im Vergleich zu den Vorjahren unterdurchschnittlich ausfiel, etwas zu. Grund hierfür war das Rahmenabkommen, dessen Verhandlung nach der Abstimmung zur Begrenzungsinitiative weiter vorangetrieben wurde.

Jahresrückblick 2020: Aussenpolitik
Dossier: Jahresrückblick 2020

In der Wintersession 2020 reichte Thomas Aeschi (svp, ZG) in der grossen Kammer einen Ordnungsantrag ein, mit dem die Behandlung von fünf hängigen Motionen zur Terrorismusbekämpfung noch für die gleiche Session traktandiert werden sollte. Nebst den Motionen Addor (svp, VS; Mo. 19.3301 und Mo. 19.3306), der Motion Büchel (svp, SG; Mo. 19.3376) und der Motion Quadri (lega, TI; Mo. 19.3598) führte Aeschi auch die SVP-Fraktionsmotion (Mo. 19.4005), die neuerlich die Bekämpfung der Ausbreitung eines radikalen Islams in der Schweiz verlangte, auf. Er argumentierte, dass – auch wenn aktuell Corona das dominierende Thema zu sein scheine – die Terroristen keine Corona-Pause machten und die Schweiz sich daher stets auf ein mögliches Attentat vorbereiten müsse. Im Nationalrat fand der Antrag jedoch kein Gehör und wurde mit 125 zu 56 Stimmen bei 4 Enthaltungen abgelehnt. Überraschenderweise kamen die Motionen Addor und Büchel dennoch in der Wintersession zur Behandlung, wurden aber allesamt abgelehnt.

«Stopp der Ausbreitung des radikalen Islams in der Schweiz!» (Mo. 19.4005)
Dossier: Stopp der Ausbreitung des radikalen Islams in der Schweiz!
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen

Nur 67 Tage, nachdem das Parlament das Covid-19-Gesetz verabschiedet hatte und noch bevor die Referendumsfrist dazu abgelaufen war – ein Referendum zum Gesetz war überdies bereits angekündigt worden –, behandelte der Nationalrat in der Wintersession 2020 bereits die erste Revision des Covid-19-Gesetzes. Dazu blieb ihm nur ein Tag Zeit, da das Geschäft noch in der Wintersession fertig beraten werden sollte und daher am nächsten Tag bereits die Behandlung im Zweitrat anstand. Esther Friedli (svp, SG) und Fabio Regazzi (cvp, TI) stellten die Vorlage aus Sicht der WAK-NR vor, die in ihren Positionen auch Mitberichte der SGK-NR und der WBK-NR berücksichtigt hatte. Esther Friedli betonte, dass man bei der Verabschiedung des Gesetzes im September 2020 noch nicht gewusst, habe, «dass wir bereits wenige Wochen später von einer zweiten Welle heimgesucht» würden. Aufgrund dieser zweiten Welle gebe es nun aber «punktuelle[n] Handlungsbedarf». Fabio Regazzi strich noch einmal die Relevanz des Gesetzes hervor und betonte, dass es «das umfangreiche Hilfspaket des Bundes ermöglicht […], Löhne zu garantieren, zum Erhalt von Arbeitsplätzen beizutragen und von der Covid-19-Krise besonders betroffene Branchen zu unterstützen». Grosse Hoffnung setzte die Kommission auch in die Härtefallverordnung, die gleichentags in Kraft getreten war. Die Fraktionssprecherinnen und -sprecher betonten in der Folge einhellig die Relevanz der geplanten Änderungen und kündigten weitgehende Unterstützung der bundesrätlichen Botschaft an. Entsprechend lag auch kein Antrag auf Nichteintreten vor. In der Folge behandelte der Nationalrat die zahlreichen verschiedenen Aspekte der Revision in drei Blöcken.

Im ersten Block wurden sämtliche Massnahmen, welche nicht die Härtefallhilfe oder die Arbeitslosenversicherung betrafen, diskutiert:
Grosse Änderungen schlug der Bundesrat im Sportbereich vor. So sollten CHF 115 Mio. der bereits als Darlehen für Sportvereine zur Verfügung gestellten CHF 175 Mio. in A-Fonds-perdu-Beiträge umgewandelt werden. Diese sollten für Fussball- und Eishockeymannschaften der beiden höchsten Ligen sowie für Frauenfussball- oder Fraueneishockeymannschaften und Klubs in den höchsten Ligen anderer Sportarten bereitstehen. Die Beträge sollten dem Ausgleich der Mindereinnahmen durch Spiele ohne oder mit weniger Zuschauerinnen und Zuschauern dienen und höchstens zwei Dritteln der durchschnittlichen Ticketeinnahmen der Saison 2018/2019 abzüglich tatsächlicher Ticketeinnahmen entsprechen. Dabei sah der Bundesrat jedoch eine Reihe von Bedingungen vor: ein fünfjähriges Verbot, Dividenden oder Kapitaleinlagen auszuzahlen, eine Reduktion der Einkommen aller Angestellten über einer gewissen Grenze, fünfjährige Einschränkungen von Lohnerhöhungen, einen fünfjährigen Verzicht auf Reduktion der Nachwuchs- und Frauenförderung sowie die Möglichkeit für Rückforderungen der Beträge bei Nichteinhalten dieser Bedingungen. Darüber hinaus sollten auch weiterhin zinslose, innert zehn Jahren rückzahlbare Darlehen für die Sportvereine möglich sein, etwa bei Liquiditätsengpässen. Dafür stellte der Bundesrat CHF 235 Mio. zur Verfügung.
Bei diesen Massnahmen gehe es nicht nur um die nach aussen sichtbaren Spitzensportler, sondern auch um die Junioren- und Frauenabteilungen, für welche die Klubs verantwortlich seien, argumentierte Finanzminister Maurer. Damit hätten diese Gelder eine «gute Hebelwirkung für die Gesellschaft, für die Gesundheit und für den Sport». Während die Darlehen im Rat nicht umstritten waren, beantragte Marcel Dettling (svp, SZ), die A-Fonds-perdu-Beiträge an eine 20-prozentige Kostenübernahme durch den Standortkanton zu knüpfen – Roland Büchel (svp, SG) forderte gar eine 50-prozentige kantonale Beteiligung, zumal Sportklubs vor allem lokal verankert seien, wie beide argumentierten. Zudem sollten die Klubs gemäss Büchel mindestens 5 Prozent der Beiträge bis fünf Jahre nach Erhalt für die «Prävention und die Bekämpfung von Spielmanipulationen und Wettbetrug» einsetzen müssen. Die WAK-NR wollte überdies die Einkommensbeschränkungen oder -reduktionen auf die am Spielbetrieb beteiligten Angestellten beschränken, während Mathias Reynard (sp, VS) in einem Einzelantrag Rücksicht auf Aufsteiger nehmen und diesen Lohnerhöhungen erlauben wollte. Zudem war umstritten, welcher Zeitpunkt für die Festlegung der bisherigen Höhe der Nachwuchs- und Frauenförderung, die während fünf Jahren nicht unterboten werden darf, massgeblich sein soll. Der Nationalrat hiess in der Folge die Einführung der A-Fonds-perdu-Beiträge gut und lehnte eine Beteiligung der Kantone ab. Hingegen folgte er dem Mehrheitsantrag der Kommission entgegen dem Antrag Reynard und schuf einzig Einkommensbeschränkungen für am Spielbetrieb Beteiligte.

Auch für den Kulturbereich lag mit dem Einzelantrag Aebischer (sp, BE) ein Änderungsvorschlag für das Covid-19-Gesetz vor. Aebischer verlangte, auch die Kulturschaffenden an der bereits im September 2020 geschaffenen Hilfe für Kulturunternehmen in der Höhe von CHF 100 Mio. teilhaben zu lassen. Die Gelder sollten Kulturschaffenden wie Kulturunternehmen als Ausfallentschädigung oder für Transformationsprojekte zugesprochen werden und Kulturschaffende mit Auftritten oder Aufträgen in der Privatwirtschaft zugutekommen. Letztere könnten weder Ausfallentschädigungen noch fehlende Gagen geltend machen. Für Selbständigerwerbende im Kulturbereich sei es überdies schwierig, Umsatzeinbussen von mindestens 55 Prozent zu belegen. Neben der SP- stimmten auch die Grünen- und die GLP-Fraktion dem Antrag zu, die bürgerlichen Parteien lehnten ihn jedoch (fast) geschlossen ab, womit er keine Mehrheit fand.

Neu wollte der Bundesrat mit der Revision des Covid-19-Gesetzes die Möglichkeiten für Ordnungsbussen für Maskenverweigerinnen und -verweigerer schaffen – bisher konnte das Verweigern des Tragens einer Schutzmaske nur in einem Strafverfahren geahndet werden. Die Neuregelung wollte Thomas Aeschi (svp, ZG) mit einem Minderheitsantrag verhindern, während die Kommission als Mittelweg die Möglichkeit für Ordnungsbussen auf klar abgrenzbare Bereiche wie den öffentlichen Verkehr beschränken, Orte wie Dorfkerne oder belebte Plätze jedoch davon ausnehmen wollte. Bundesrat Maurer verteidigte den bundesrätlichen Vorschlag damit, dass man der Bevölkerung «sehr viel Eigenverantwortung» gebe, es aber auch Sanktionen bedürfe, wenn diese Eigenverantwortung nicht wahrgenommen werde. Dies hätten nicht zuletzt auch die Kantone gefordert. Thomas Aeschi verwies darauf, dass unter anderem Gesundheitsminister Berset vor kurzer Zeit noch gesagt habe, dass Masken nichts bringen würden, und sprach sich gegen einen «Polizeistaat» oder «noch mehr Denunziantentum» aus. Der Antrag Aeschi fand in allen Fraktionen gewissen Anklang: Die SVP-Fraktion stimmte dem Minderheitsantrag mehrheitlich zu, auch bei den Grünen (8), bei der SP (3), den FDP.Liberalen (je 3) und bei der Mitte-Fraktion (2) gab es vereinzelt Zustimmung. Insgesamt sprach sich der Nationalrat jedoch mit 121 zu 65 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) gegen Aeschis Vorschlag und im Sinne der Kommissionsmehrheit für die Ausweitung der Ordnungsbussen auf die Nichteinhaltung der Maskenpflicht aus.

Im Bereich der Gesundheitsversorgung verlangte die WAK-NR eine Änderung am bisherigen Gesetz. So solle der Bundesrat die Abgeltung derjenigen Kosten regeln, welche den Leistungserbringenden zukünftig durch verbotene und eingeschränkte Untersuchungen oder Behandlungen, wie sie im Frühjahr 2020 veranlasst worden waren, um die Kapazität des Gesundheitswesens zu gewährleisten, entstünden. Diese seien in der Tarifstruktur nicht aufgeführt und könnten entsprechend nicht abgerechnet werden, erklärte Esther Friedli für die Kommission. Diese Abgeltung der Kosten diene überdies dazu, «dass der Bund künftig Wirksamkeit und Verhältnismässigkeit vorsichtig prüft, bevor er Massnahmen anordnet» (Friedli). Eine Minderheit Aeschi erachtete diesen Vorschlag jedoch als Eingriff in den Föderalismus, zumal die Kantone selbst entscheiden könnten, ob sie die entsprechenden Untersuchungen einschränkten oder nicht, und folglich auch die Kosten dieser Entscheidung tragen sollten. Die von der WAK-NR vorgeschlagene Regelung fand jedoch bei allen Fraktionen im Nationalrat mit Ausnahme der SVP-Fraktion Anklang.

Eine Minderheit Wermuth (sp, AG) wollte neu auch eine Regelung zu den Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose ins Covid-19-Gesetz aufnehmen. Die Überbrückungsleistungen sollten auf den 1. Juli 2021 in Kraft treten, Wermuth schlug jedoch vor, rückwirkend auch älteren Personen, die zwischen dem 1. Januar 2021 und dem Inkrafttreten des Gesetzes ausgesteuert wurden, Zugang zu ÜL zu gewähren. Entgegen anderslautender Aussagen der Kommission sei das Problem der Aussteuerung älterer Arbeitnehmender aufgrund der Pandemie nämlich akut, betonte er. Folglich sei es nicht fair, dass Personen, die vor dem 31. Juni 2021 ausgesteuert würden, nicht von den ÜL profitieren können. Der Antrag fand jedoch nur in der SP- und der Grünen-Fraktion sowie bei den EVP-Mitgliedern Unterstützung und wurde folglich abgelehnt.

Verschiedene links-grüne Minderheiten sahen auch bei der Erwerbsersatzordnung Änderungsbedarf – entgegen der Meinung von Bundesrat und Kommission. Eine Minderheit Michaud Gigon (gp, VD) wollte die für eine Entschädigung des Erwerbsausfalls als Bedingung festgelegten Umsatzeinbussen in der Höhe von mindestens 55 Prozent streichen. Bei tieferen Einkommen könne man mit 45 Prozent des Gehalts nicht überleben, argumentierte sie. Eine weitere Minderheit Bendahan (sp, VD) schlug vor, nicht nur gefährdeten Personen Anspruch auf EO zu gewähren, sondern auch kranken, jedoch nicht an Corona erkrankten Personen. In einem weiteren Einzelantrag forderte Fabian Fivaz (gp, NE), auch Betriebszulagen gemäss EOG für Selbständigerwerbende zu ermöglichen, wie sie Militärdienstleistende bereits geltend machen können. So müssten Personen mit hohen Fixausgaben diese auch weiterhin bezahlen, weshalb sie einen Zuschlag auf ihren Erwerbsersatz erhalten sollten. Sämtliche Anträge zur EO stiessen jedoch nur bei Mitgliedern der SP- und der Grünen-Fraktion auf Zustimmung.

Im zweiten Block beschäftigte sich der Nationalrat ausführlich mit der Härtefallhilfe, die ein Paket über CHF 1 Mrd. umfasste. Zu den bisherigen CHF 400 Mio., an denen die Kantone mit 50 Prozent beteiligt waren, sollten CHF 600 Mio. hinzukommen, an denen sich die Kantone zu 20 Prozent beteiligen müssten – dabei könnten die Kantone aber erst auf die zweite Tranche zurückgreifen, wenn die Gelder der für sie teureren ersten Tranche verteilt sind. Bundesrat Maurer begründete die Änderung des Verteilschlüssels damit, dass dieses zweite Paket «möglicherweise die Kräfte der Kantone finanziell übersteigt». Da die Kantone zudem für den Vollzug verantwortlich blieben, würden ihnen dadurch noch zusätzliche Kosten anfallen, erklärte der Finanzminister. Mehrfach verwies Maurer darauf, dass dieser Übergang «vom Massengeschäft des Frühjahrs» zu den aktuellen Einzelfallbeurteilungen längere Entscheidungsprozesse mit sich bringe und entsprechend Zeit brauche.
Auch bezüglich der Härtefallhilfen standen verschiedene Mehr- und Minderheitsanträge zur Debatte, etwa zu den Bedingungen für den Erhalt von Härtefallhilfe, für die der Bundesrat keine materielle Änderung vorgesehen hatte. Nach wie vor sollte gemäss bundesrätlicher Vorlage Anspruch auf Hilfe haben, wessen Jahresumsatz 60 Prozent unter dem mehrjährigen Durchschnitt liegt. Die WAK-NR wollte hingegen neben der Vermögens- und Kapitalsituation der Betroffenen auch ihre nicht gedeckten Fixkosten berücksichtigen, da Letztere zwischen den Unternehmen stark variieren könnten. Dies lehnte der Finanzminister ab, zumal eine Berücksichtigung der Fixkosten den administrativen Aufwand stark vergrössern und das Verfahren damit deutlich verlängern würde. Bundesrat Maurer wies bezüglich diesem und sämtlichen folgenden Ausbauanträgen überdies darauf hin, dass der Bund nicht festlege, welche Unternehmen die Kantone unterstützen könnten, sondern lediglich, an welchen Hilfen sich der Bund beteilige. Die Kantone dürften also auch zusätzlichen Unternehmen Härtefallhilfen zukommen lassen. Die Kommission verlangte zudem, Härtefallhilfen auch Unternehmen ab einem Jahresumsatz von CHF 50'000 zuzusprechen – der Bundesrat hatte seine Beteiligung diesbezüglich auf Unternehmen mit einem Mindestumsatz von CHF 100'000 beschränkt. Christa Markwalder (fdp, BE) stellte sich gegen diesen Antrag der WAK-NR: Bei den Bundeshilfen gehe es darum, Existenzen zu schützen. Unternehmen mit einem monatlichen Umsatz von CHF 4'167 (beziehungsweise eben einem Jahresumsatz von CHF 50'000) dienten aber mehrheitlich dem Nebenerwerb und sollten entsprechend nicht berücksichtigt werden. Schliesslich wollte die Kommission Unternehmen mit abgrenzbaren Teilbereichen sowohl Anrecht auf Sport- und Kultur-Hilfen als auch auf Härtefallhilfe gewähren – bislang war nur der Zugang zu jeweils einem der beiden Töpfe möglich gewesen. Trotz Minderheiten Schneeberger (fdp, BL) und Markwalder gegen die Anträge der WAK-NR, setzte sich die Kommission in allen drei Punkten durch.
Nationalrätinnen und Nationalräte der SP und der Grünen forderten in verschiedenen Minderheits- oder Einzelanträgen einen Ausbau der Härtefallhilfen. Unter anderem beantragten sie einen Verzicht auf einen maximalen Gesamtbetrag für die Härtefallhilfen (Minderheit Andrey, gp, FR), eine Möglichkeit für den Bund, Unternehmen direkt zu unterstützen (Minderheit Wermuth) oder den Zugang zu Härtefallhilfen ab einer Umsatzeinbusse von 70 Prozent (Minderheit Rytz, gp, BE). Ein Einzelantrag Weichelt-Picard (al, ZG) verlangte ein Dividendenauszahlungsverbot im Gesetz – bisher war ein solches lediglich in der Verordnung enthalten. Der Nationalrat lehnte sämtliche Minderheiten zu den Härtefallhilfen ab, im Falle des Einzelantrags Weichelt-Picard jedoch äusserst knapp mit 96 zu 96 Stimmen und Stichentscheid von Ratspräsident Aebi (svp, BE).

Im dritten Block beriet der Nationalrat die Änderungen an den Massnahmen zur Arbeitslosenversicherung. Der Bundesrat hatte hier vorgesehen, die Möglichkeiten auszudehnen, mit denen von den Regelungen zur Kurzarbeit im AVIG abgewichen werden darf – insbesondere sollte der Zugang zu KAE wieder erweitert werden können, wie der Finanzminister erklärte. So sollten auch Personen in befristeten oder temporären Arbeitsverhältnissen sowie in Lehrverhältnissen zur Kurzarbeit zugelassen und die Karenzzeit und die maximale Bezugsdauer für KAE angepasst werden können. Von diesen bundesrätlichen Anliegen war einzig die Ausdehnung der Kurzarbeit auf Personen in befristeten und temporären Arbeitsverhältnissen umstritten; eine Minderheit Burgherr (svp, AG) wollte auf diese verzichten. Temporäre Arbeitskräfte seien derzeit in der Wirtschaft sehr willkommen, argumentierte Burgherr. Eine Minderheit Michaud Gignon wollte hingegen die bundesrätliche Änderung gar rückwirkend auf Anfang September 2020 – und somit ohne Unterbrechung nach deren Aufhebung nach der ersten Welle – in Kraft setzen. Der Nationalrat entschied sich nicht nur für eine Möglichkeit zur Ausdehnung der KAE auf Temporärmitarbeitende, sondern äusserst knapp mit 96 zu 95 Stimmen auch für die rückwirkende Inkraftsetzung. Die SVP- und FDP.Liberalen-Fraktionen sowie knapp die Hälfte der Mitte-Fraktion stimmten geschlossen gegen die Ausdehnung, wurden jedoch überstimmt.
Die Kommissionsmehrheit machte bezüglich der Regelungen zur Arbeitslosenversicherung keine Änderungsvorschläge, hingegen reichten auch hier Mitglieder der SP und der Grünen zahlreiche Anträge ein. Viel Aufmerksamkeit erhielten die Rahmenfristen für den Leistungsbezug und die Beitragszeit für Versicherte, die allgemein (Minderheit Jans: sp, BS), für Angestellte in befristeten Verhältnissen (zweite Minderheit Jans) oder in Berufen, in denen Arbeitgeberwechsel und befristete Verträge üblich sind (Minderheit Bendahan), verlängert werden sollten. Gerade Personen in befristeten Verhältnissen hätten aktuell Mühe, ihre Beitragszeit zu erreichen, begründete Wermuth die Anliegen.
Auf eine Verbesserung der Situation von Personen mit niedrigen Einkommen zielten zwei weitere Anträge ab. Eine neuerliche Minderheit Jans beantragte eine teilweise Kompensation der Einkommenseinbussen von Personen unter dem Medianlohn durch den Bezug von Kurzarbeitsleistungen, während eine Minderheit Andrey die zukünftigen KAE für Personen mit Nettolöhnen unter CHF 4'000 auf 100 Prozent erhöhen wollte. Für eine kurze Dauer sei eine Lohnreduktion auf 80 Prozent bei tieferen Löhnen möglich, aber über längere Dauer führe dies für die Betroffenen zu grossen Problemen, argumentierte Wermuth. Auch diese Anträge blieben jedoch alle erfolglos.

Bereits im ersten Block hatte die grosse Kammer die Frage der Geltungsdauer des Gesetzes behandelt, die im Unterschied zur Schaffung des Covid-19-Gesetzes im September 2020 nicht umstritten war. Weiterhin sollte die Mehrheit der Massnahmen des Covid-19-Gesetzes bis Ende 2021 befristet sein. Ein Teil der Regelungen zur Kurzarbeit wurde jedoch bis Ende 2023 verlängert – ursprünglich sollten diese nur bis Ende 2022 in Kraft sein. Mit 179 zu 12 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) sprach sich der Rat in der Folge für Annahme des Entwurfs aus. Sowohl die ablehnenden Stimmen als auch die Enthaltungen stammten von Mitgliedern der SVP-Fraktion. Trotz der zahlreichen Minderheitsanträge war der Nationalrat in dieser ersten Behandlung der Revision des Covid-19-Gesetzes weitgehend dem Bundesrat gefolgt.

Erste Revision des Covid-19-Gesetzes (BRG 20.084)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

A la suite de l'adoption de la révision de la loi sur les marchés publics (LMP) et des accords sur les marchés publics de l'OMC, le Conseil fédéral a recommandé dans son rapport le classement de la motion Müri (udc, LU) sur l'adjudication de marchés publics portant sur des imprimés. En effet, il considère que sa teneur est désormais caduque.

Soutenir la branche de l'imprimerie (Mo. 17.3571)
Dossier: Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen. Totalrevision

In der Herbstsession 2020 beriet der Nationalrat über die Motion der APK-NR zur Absicherung der bisherigen Erfolge der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit in Zentralamerika und der Karibik. Fabian Molina (sp, ZH) und Nicolas Walder (gp, GE) argumentierten im Namen der Kommission für die Annahme der Motion, da die vorgesehene Einstellung der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit in Lateinamerika zu weit ginge und sowohl die Kontinuität wie auch die nachhaltige Entwicklung in Zentralamerika und der Karibik schädigen würde. Eine Minderheit Büchel (svp, SG) setzte sich für die Ablehnung der Motion ein. Der Minderheitsführer wehrte sich in der Folge gegen den von der Kommissionsmehrheit vermittelten Eindruck, dass die Schweiz ihre Aktivitäten in Lateinamerika einstellen würde. Büchel, der sich selber als «Lateinamerika-Fan» outete, folgte in seiner Argumentation der Stellungnahme des Bundesrats. Durch die Arbeit der Schweiz in entsprechenden internationalen Organisationen, durch ihre Botschaften und durch die Projekte des SECO werde man weiterhin eine aktive Rolle in der Region spielen. Des Weiteren seien viele von der DEZA mitfinanzierte NGOs in Lateinamerika tätig und auch die DEZA selbst sei aufgrund des universellen Mandats der Globalprogramme vor Ort im Einsatz. Die grosse Kammer lehnte die Motion mit 90 zu 89 Stimmen (bei 1 Enthaltung) denkbar knapp ab. Frédéric Borloz (fdp, VS) spielte mit seiner Enthaltung das Zünglein an der Waage.

Absicherung der bisherigen Erfolge der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit in Zentralamerika und der Karibik

In der Herbstsession 2020 stand die Strategie der IZA 2021-2024 im Nationalrat zum zweiten Mal zur Debatte. Zuvor hatte der Ständerat eine vom Nationalrat vorgeschlagene Änderung abgelehnt und damit eine Differenz geschaffen. Die grosse Kammer hätte mit einem Artikel 2a die Höhe der Rahmenbeträge an die wirtschaftliche Entwicklung der Schweiz und den Abbau der Covid-19-bedingten Schulden koppeln wollen, was der Ständerat aber für unpassend befand. Eine Mehrheit der APK-NR schlug vor, sich dem Ständerat anzuschliessen. Eine Minderheit Büchel (svp, SG) wollte jedoch am betroffenen Artikel 2a festhalten. Roland Büchel sah im umstrittenen Artikel eine Möglichkeit, im Bereich der Entwicklungshilfe Einsparungen vornehmen zu können. Die Minderheit verlangte, die Schweiz «von innen her» zu stärken und kritisierte die hohen Beträge, die in den kommenden Jahren in die IZA investiert werden sollten. Claudia Friedl (sp, SG) unterstützte in ihrem Votum den Mehrheitsantrag, da das Parlament im jährlichen Budget sowieso den effektiven Betrag eines Rahmenkredits festlegen könne und man mit Artikel 2a den eigenen Handlungsspielraum nur noch verkleinern würde. Hans-Peter Portmann, welcher den Artikel ursprünglich mittels Minderheitsantrag eingebracht hatte, verwies auch auf die Zusicherung des Bundesrats, dass dieser in den Zahlungskrediten die wirtschaftliche Entwicklung und den Covid-19-Schuldenabbau berücksichtigen werde.
Der Nationalrat nahm schliesslich den Antrag der Mehrheit mit 112 zu 56 Stimmen (bei 25 Enthaltungen) an und strich damit Artikel 2a wieder aus dem Entwurf, womit er die Differenz zum Ständerat bereinigte. Somit wurden die vier Bundesbeschlüsse zur IZA angenommen. Für die Gegenstimmen bei der Gesamtabstimmung zeichnete fast ausschliesslich die SVP-Fraktion verantwortlich, die Enthaltungen stammten mehrheitlich von Mitgliedern der FDP-Fraktion.

Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2021-2024 (BRG 20.033)
Dossier: Strategien zur internationalen Zusammenarbeit

Im Vorfeld der Sommersession 2020 befassten sich sowohl die FK-NR wie auch die APK-NR ausführlich mit der Botschaft zur Strategie der IZA 2021-2024. Wie bereits in der Vernehmlassung führte die APD-Quote zu inhaltlichen Differenzen. Die FK-NR lehnte sowohl eine progressive Erhöhung der APD-Quote auf 0.7 Prozent, wie auch eine Senkung der Quote auf 0.45 Prozent ab. Auch ein weiterer Kürzungsantrag, welcher die Rahmenkredite – ausser denjenigen zur humanitären Hilfe – halbieren wollte, wurde abgelehnt. Eine Kommissionsmehrheit beantragte dem Nationalrat, den Vorschlag des Bundesrats anzunehmen. Die APK-NR kam in ihrer Beratung hingegen zum Schluss, dass in Krisenzeiten eine starke internationale Zusammenarbeit und eine effektive humanitäre Hilfe unabdingbar sei. Aus diesem Grund beschloss die Kommission von der bundesrätlichen Vorlage abzuweichen, und die Rahmenkredite um CHF 241 Mio. zu erhöhen. Diese Erhöhung entspräche einer progressiven Erhöhung der APD-Quote auf die vom Parlament 2011 festgesetzten 0.5 Prozent. Zudem reichte die APK-NR zwei Vorstösse ein, eine Motion zur Fortführung der Tätigkeiten in ausgewählten Ländern in Zentralamerika und der Karibik und ein Postulat (20.3469), welches einen Bericht zu Zoonosen und deren Eindämmung forderte.
Der Sprecher der APK-NR, Hans-Peter Portmann (fdp, ZH) empfahl dem grossen Rat in der Sommersession 2020, auf alle vier Bundesbeschlüsse einzutreten und den Gesamtbetrag des Rahmenkredits um den bereits erwähnten Betrag zu erhöhen. Daraufhin entspann sich eine langwierige Debatte entlang der Parteigrenzen für oder gegen eine Erhöhung der Rahmenkredite. Elisabeth Schneider-Schneiter (cvp, BL) brachte die Debatte mit der Feststellung: «Die Linke möchte immer mehr finanzielle Mittel und die Rechte immer weniger» konzise auf den Punkt. CVP und FDP unterstützten die bestehende Vorlage des Bundesrates während die Parteien links und rechts davon abwichen. SP, Grüne und GLP auf der einen und die SVP auf der anderen Seite argumentierten allesamt mit den Konsequenzen der Corona-Krise für ihr jeweiliges Anliegen. Die davon abgeleiteten Folgerungen standen sich aber diametral gegenüber. Sibel Arslan (gp, BS) verwies auf die «verheerende» Wirkung der Corona-Massnahmen für die Wirtschaft in den Entwicklungsländern und forderte, dass sich die Schweiz als – auch nach Corona – stabiles und reiches Land ihrer Verantwortung bewusst werden müsse. Auch Nationalrätin Tiana Angelina Moser (glp, ZH) befand es für notwendig, die Kredite bzw. die ADP-Quote zu erhöhen, da sich die Schweiz als Globalisierungsgewinnerin für die Bewältigung globaler Krisen einsetzen sollte. Die SVP-Fraktion interpretierte die Folgen der Corona-Pandemie gänzlich anders. So verlangte Nationalrat Roland Büchel (svp, SG) im Namen seiner Fraktion die Kürzung des IZA-Budgets und die Aufhebung der ADP-Quote, da qualitative Messgrössen wichtiger seien als quantitative. Auch sein Parteikollege Franz Grüter (svp, LU) stellte die Höhe des Entwicklungshilfe-Budgets angesichts der «grössten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg» in Frage. Ein Rückweisungsantrag von Rino Büchel wurde mit 140 zu 53 Stimmen abgelehnt. Ebenfalls abgelehnt wurden die zahlreichen Minderheitsanträge, darunter auch jene von Roland Büchel und Sibel Arslan, welche die Höhe der Rahmenkredite anpassen wollten und inhaltlich teilweise identisch waren. Der Nationalrat nahm hingegen einen Minderheitsantrag Portmann (fdp, ZH) an. Dieser legte fest, dass die Beträge der Rahmenkredite mit der wirtschaftlichen Entwicklung und dem Abbaupfad der Corona-bedingten Schulden fluktuieren werden. Mit Ausnahme der SVP stimmten alle Fraktionen für die vom Bundesrat vorgebrachten Bundesbeschlüsse.

Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2021-2024 (BRG 20.033)
Dossier: Strategien zur internationalen Zusammenarbeit

Im April 2020 beantragte die APK-NR ihrem Rat mit 16 zu 6 Stimmen (bei 2 Enthaltungen), eine Erklärung für einen globalen Waffenstillstand aufgrund der Corona-Pandemie zu verabschieden. Die Kommission wollte die Staatengemeinschaft und sämtliche Konfliktparteien dazu auffordern, sich an einem globalen Waffenstillstand zu beteiligen, um die Herausforderungen der Corona-Pandemie solidarisch angehen zu können. Der Bundesrat werde damit aufgefordert, das Parlament an den Schweizer Tätigkeiten in der UNO teilhaben zu lassen, den Weltfrieden und die menschliche Sicherheit zu fördern und den Wiederaufbau der Weltwirtschaft entlang der Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 mitzugestalten. Die Kommission nahm dabei auch explizit Bezug auf eine Erklärung des UNO-Generalsekretärs Antonio Guterres, der die Absurdität des Kriegs angesichts einer solchen Katastrophe hervorgehoben und die Unterbrechung bewaffneter Konflikte gefordert hatte.
In der Sondersession im Mai 2020 befasste sich der Nationalrat mit dem Antrag seiner Kommission, wobei Stefanie Heimgartner (svp, AG) aufgrund der «irreführenden und unrealistischen» Natur der Erklärung deren Ablehnung verlangte. Unterstützt wurde sie von ihrem Parteikollegen Roland Büchel (svp, SG), der die Erklärung als Grundlage für Zahlungen in Millionenhöhe für die humanitäre Hilfe erachtete – Geld, welches gemäss Büchel im Inland dringend benötigt werde. Nationalrat Büchel richtete sich mit seinem Appell primär an die übrigen bürgerlichen Parteien, erhielt von diesen jedoch kaum Unterstützung. Nationalrat Portmann (fdp, ZH) zum Beispiel zeigte sich überzeugt, dass die reiche Schweiz innerhalb des bestehenden Budgets durch Einsparungen etwas «Luxus und Reichtum» abgeben könne. Die Erklärung wurde dementsprechend mit 129 zu 44 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) eindeutig angenommen.

Corona-Pandemie: Für einen globalen Waffenstillstand

Nationalrat Roland Büchel (svp, SG) versuchte mittels einer Motion im November 2018 den Verzicht auf die Kandidatur für den UNO-Sicherheitsrat herbeizuführen. Die vom EDA mehrfach geäusserte Absicht eine Mitgliedschaft anzustreben, widerspräche dem Neutralitätsprinzip der Schweiz, argumentierte der Motionär. Der Sicherheitsrat verhänge Sanktionen und militärische Interventionen gegen Staaten, die oftmals «spezifischen machtpolitischen Mehrheitsverhältnissen» unterlägen, weshalb die Schweizer Neutralität nicht mehr gewährleistet wäre.
Der Bundesrat nahm im Februar 2019 Stellung zum Anliegen von Nationalrat Büchel und erinnerte daran, dass die Möglichkeit eines Sicherheitsratsmandats bereits in der Botschaft zur Volksinitiative für den Beitritt zur UNO nicht ausgeschlossen worden war. Des weiteren habe der Bericht in Erfüllung des Postulats der APK-NR (Po.13.3005) die Vereinbarkeit eines nichtständigen Sicherheitsratsmandats mit der Neutralität der Schweiz belegt. Auch andere neutrale Staaten wie Österreich, Schweden oder Irland hätten mit ihrer Mitgliedschaft gezeigt, dass die Glaubwürdigkeit der Neutralität nicht unter dem Mandat leide. Der Bundesrat hob hervor, dass Frieden und Sicherheit die Grundlage für Prosperität, Wachstum und Entwicklung seien und sich die Schweiz für eine auf Rechtsstaatlichkeit beruhende internationale Ordnung einsetzen wolle. Er beantragte in Folge die Ablehnung der Motion.
In der Nationalratsdebatte während der Frühlingssession 2020 warnte Roland Büchel erneut vor den Gefahren eines Sicherheitsratsmandats für die Schweizer Neutralität. Einerseits gestalte man als Mitglied des Rats die Weltpolitik in Bezug auf Krieg und Frieden mit. Andererseits gebe es keine Instanz, welche die Kompatibilität der Entscheidungen mit der UNO-Charta überprüfen würde. Bundesrat und EDA-Vorsteher Cassis bestand darauf, dass eine Kandidatur aus drei Gründen im Interesse der Schweiz sei. Erstens fördere man damit die aussenpolitischen Interessen der Schweiz. Zweitens sei die Schweiz als Brückenbauerin nötiger denn je. Drittens intensiviere man mit der Kandidatur die Standortförderung des internationalen Genfs. Der Nationalrat folgte der Empfehlung des Bundesrats und lehnte die Motion mit 127 zu 52 Stimmen (bei 12 Enthaltungen) ab; die SVP-Fraktion stimmte geschlossen dafür.

Verzicht auf Kandidatur für den UNO-Sicherheitsrat (Mo. 18.4123)
Dossier: Schweizer Sitz im UNO-Sicherheitsrat

Im März 2020 publizierte der Bundesrat die Botschaft für das SIS und das Europäische Reiseinformations- und genehmigungssystem im Rahmen der Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstandes. Mit der Botschaft beantragte der Bundesrat dem Parlament die Zustimmung bezüglich der Übernahme der Rechtsgrundlagen für die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des SIS sowie zur Änderung des Bundesgesetzes über das Informationssystem für den Ausländer- und Asylbereich. Im Rahmen dieser Neuerungen stellte er zudem auch den Antrag auf Abschreibung der Motion Müri (svp, LU; Mo. 13.3455), deren Forderungen durch die vorliegenden Anpassungen des BGIAA umgesetzt würden. Da die Schweiz drei Schengen-Verordnungen im Rahmen des SIS übernehmen und umsetzen müsse, seien verschiedene Rechtsgrundlagen anzupassen. Mit der Verordnung «SIS Polizei» würde unter anderem die Fahndung nach Personen verbessert, denen Straftaten mit Terrorismusbezug vorgeworfen werden. Zukünftig könnten besonders schutzbedürftige Personen – beispielsweise Opfer von Menschenhandel, von Zwangsheiraten oder von elterlichen Entführungen – zudem präventiv zur Fahndung ausgeschrieben werden, um diese damit zu schützen. Gemäss der Verordnung «SIS Grenze» seien bei einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung von nun an zwingende Ausschreibungen zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung vorgesehen, was zu mehr Ausschreibungen und mehr Einreiseverboten gestützt auf das AIG führe. Zudem soll mit der Verordnung «SIS Rückkehr» auch die Zusammenarbeit hinsichtlich der Rückkehr «illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger» verbessert werden. Der Vollzug der Wegweisung von Drittstaatsangehörigen mit irregulärem Aufenthalt im Schengen-Raum soll erleichtert werden, indem diese im SIS ausgeschrieben und damit für alle Mitgliedstaaten sichtbar gemacht werden. Im Fall der Schweiz würden die Informationen der kantonalen Migrationsbehörden aus dem ZEMIS bei erfüllter Voraussetzung automatisch an das SIS übermittelt. Die Änderung des BGIAA rühre daher, dass man damit die Eingabe von Landesverweisungen in besagtem ZEMIS sicherstellen wolle und dabei eine vollständige Statistik zur Rückkehr von EU/EFTA-Angehörigen und Drittstaatsangehörigen gewährleiste.
Das SIS-Reformpaket und auch die Änderung des BGIAA seien im Vernehmlassungsverfahren von einer Mehrheit der Beteiligten gutgeheissen worden, insbesondere die höhere Sicherheit im Schengen-Raum sei begrüsst worden. Bemängelt worden sei indes der grosse Zusatzaufwand für die kantonalen Migrationsbehörden; der Bundesrat versprach aber zur Entlastung der Kantone gewisse Abläufe anzupassen.

Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstandes: Schengener Informationssystem

Im Oktober 2019 befasste sich die FK-NR mit dem Verpflichtungskredit zur Weiterentwicklung des Schengen/Dublin-Besitzstands. Sie sprach sich für den Verpflichtungskredit aus, sofern die APK-NR die Schweizer Teilnahme an Schengen/Dublin weiterhin für unumgänglich halte. Die APK des Nationalrats beriet im November 2019 über die Botschaft des Bundesrats. Ein Antrag auf Sistierung des Geschäfts bis zur Klärung des institutionellen Abkommens und dessen Kosten, lehnte die Kommission mit 17 zu 8 Stimmen ab und nahm stattdessen die Vorlage in der Gesamtabstimmung mit der gleichen Stimmenzahl an. Sie fügte dieser jedoch eine Klausel hinzu, gemäss welcher der Kredit erst freigegeben werden kann, wenn das Parlament die gesetzlichen Grundlagen – vor allem im Bereich des Datenschutzes – dafür beschlossen hat.

Das Geschäft gelangte in der Wintersession in den Nationalrat, wo sich eine SVP-Ratsminderheit um Nationalrat Büchel (svp, SG) für die Sistierung des Kredits einsetzte. Bis die offenen Fragen zum institutionellen Abkommen mit der EU geklärt und die hohen Kosten überdacht seien, solle man die Kreditvergabe verschieben. Diese Haltung stiess bei den Vertreterinnen und Vertretern der anderen Parteien auf wenig Resonanz. Nationalrätin Schneider-Schneiter (cvp, BL) befand es für notwendig, die Informationssysteme auszubauen, und warf den Gegnerinnen und Gegnern der Vorlage vor, nicht wirklich Interesse an einer geregelten Migration und an einem effizienten Asylverfahren zu haben. Selbst Hans-Peter Portmann (fdp, ZH) nahm sich in seiner Kritik an der SVP-Fraktion nicht zurück und zeigte sich irritiert, dass die ansonsten «befreundete» SVP-Fraktion den Nutzen von Schengen/Dublin in den Bereichen Tourismus und Migration nicht erkenne. Darüber hinaus warf er ihr vor, Falschinformationen zu verbreiten. Denn das Rahmenabkommen sei vertraglich unabhängig von Schengen/Dublin. Der fragliche Kredit stelle einen weiteren Vollzug bereits getroffener Entscheide zur Weiterentwicklung der Informationssysteme dar. Konsequenterweise müsse der Nationalrat diesen also annehmen.
Die Minderheit erhielt für ihren Sistierungsantrag über die eigene Fraktionsgrenze hinaus keine Unterstützung und blieb mit 55 zu 138 Stimmen (bei zwei Enthaltungen) chancenlos. Mit 137 zu 6 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) folgte der Nationalrat schliesslich der Empfehlung seiner aussenpolitischen Kommission und übernahm dabei auch die vorgeschlagene Änderung.

Weiterentwicklung des Schengen/Dublin-Besitzstands. Verpflichtungskredit
Dossier: Dublin-Verordnung

Nach der Konstituierung und Vereidigung des Nationalrats, schritt dieser – noch einmal geleitet von der Alterspräsidentin Maya Graf (gp, BL) – zur Wahl des Nationalratspräsidiums 2019/20. Die amtierende erste Vizepräsidentin, Isabelle Moret (fdp, VD), wurde erwartungsgemäss als Präsidentin bestimmt. Von den 200 ausgeteilten Wahlzetteln waren 2 ungültig und 5 entfielen auf Diverse. Mit 193 Stimmen gelang der 14. Frau im Präsidentenamt ein Rekordresultat. Damit wurde zum 19. Mal eine Volksvertretung aus dem Kanton Waadt ins oberste Schweizer Amt gewählt.
Moret dankte in ihrer Rede ihrer Vorgängerin Marina Carobbio Guscetti (sp, TI), die die Repräsentation der Frauen in der Politik immer wieder thematisiert habe – mit Freude nehme sie auch die Zahl der Frauen im Saal zur Kenntnis. Es sei Moret auch hinsichtlich der Feierlichkeiten zum 50-jährigen Jubiläum der Einführung des Frauenstimmrechts ein Anliegen, die Bemühungen ihrer Ratskollegin weiterzuführen. Das neue Parlament habe die Chance, wichtige Themen anzupacken: So etwa die Familien- und Gleichstellungspolitik, die Reform der Sozialversicherungen, die Umweltpolitik, aber auch die Gesundheitspolitik, momentan eine der grössten Sorgen der Schweizerinnen und Schweizer. Mit ihrem Ausruf «Vive la Suisse! Es lebe die Schweiz! Viva la Svizzera! Viva la Svizra!» erntete die neue Präsidentin Applaus. Bevor sie zur Wahl des ersten Vizepräsidenten überleitete, verwies Moret auf den Umstand, dass das Parlament nicht nur noch nie so weiblich, sondern auch noch nie so jung gewesen sei. Als Zeichen, wie wichtig die Jugend sei, liess Moret die olympische Flamme der Jugend-Winterspiele, die im Januar 2020 im Kanton Waadt stattfinden werden, in den Saal tragen. Dies solle ein Ansporn für die Schweizer Jugend sein, über sich selbst hinauszuwachsen.
Zum ersten Vizepräsidenten wurde im Anschluss Andreas Aebi (svp, BE) gewählt. Für dieses Amt wäre eigentlich Heinz Brand (svp, GR) vorgesehen gewesen. Der Bündner, der im November 2018 zum ersten Vizepräsidenten gekürt worden war, war allerdings bei den eidgenössischen Wahlen nicht wiedergewählt worden. Aebi, der 2018 innerhalb der SVP neben Brand ebenfalls als Kandidat für das Amt gehandelt worden war und jetzt zum Handkuss kam, erhielt 178 Stimmen. Von den ausgeteilten Wahlzetteln blieben 9 leer und auf 13 standen andere Namen als jener des Berner SVP-Mitglieds.
In der Folge wurde Irène Kälin (gp, AG) zur zweiten Vizepräsidentin bestimmt. Die Aargauerin erhielt vergleichsweise wenige 112 Stimmen. Von den 195 eingelangten Wahlzetteln blieben 23 leer und 3 waren ungültig. Andere Personen erhielten 57 Stimmen, darunter Regula Rytz (gp, BE; 23 Stimmen) und Bastien Girod (gp, ZH; 11 Stimmen). Das magere Resultat dürfte – neben der Parteizugehörigkeit der neuen zweiten Vizepräsidentin – auch damit zusammenhängen, dass Kälin erst seit 2017 im Nationalrat sass. Kälin war von der Fraktion der grünen Partei Ende November 2019 nominiert worden.
Die vier Stimmenzählenden und die vier Ersatzstimmenzählenden wurden in globo gewählt. Auch hier zeigten sich aufgrund der Stimmenzahl einige ideologische Animositäten, alle acht wurden aber letztlich deutlich gewählt. Zu Stimmenzählerinnen und -zählern wurden Edith Graf-Litscher (sp, TG; 193 Stimmen), Roland Rino Büchel (svp, SG; 194 Stimmen), Daniel Brélaz (gp, VD; 179 Stimmen) und Benjamin Roduit (cvp, VS; 187 Stimmen) gewählt. Die vier sind damit Mitglieder des Büro-NR und sitzen dem Ratsplenum gegenüber, mit der Präsidentin im Rücken. Am gleichen Ort sitzen die Ersatzstimmenzählerinnen und -zähler, die aber nicht Mitglieder des Büros sind: Yvette Estermann (svp, LU; 191 Stimmen), Pierre-Alain Fridez (sp, JU; 193 Stimmen), Gerhard Andrey (gp, FR; 192 Stimmen) und Philipp Kutter (cvp, ZH; 190 Stimmen).

Wahl des Nationalratspräsidiums 2019/20
Dossier: Nationalrat und Ständerat. Wahl des Präsidiums und des Büros

Bei den Ständeratswahlen 2019 im Kanton St. Gallen waren die St. Galler Wahlberechtigten schon das zweite Mal im laufenden Jahr dazu aufgerufen, ihre Vertreter im Stöckli zu bestimmen. Im Frühjahr, bei den Ständeratsersatzwahlen für den freigewordenen Sitz von Bundesrätin Karin Keller-Sutter (FDP) hatte sich Benedikt Würth (cvp) im zweiten Wahlgang durchgesetzt. Während Würth für die regulären Gesamterneuerungswahlen im Oktober 2019 wie erwartet antrat, um seinen erst kürzlich hart erkämpften Sitz zu verteidigen, verzichtete seine damals stärkste Gegnerin, Susanne Vincenz-Stauffacher (fdp), darauf, Würth erneut herauszufordern und konzentrierte sich stattdessen auf die Nationalratswahlen. Auch der andere bisherige Ständerat, Paul Rechsteiner (sp), bewarb sich auf ein weiteres Mandat. Für Rechsteiner wäre es die dritte Legislatur im Ständerat – zuvor hatte er wohlgemerkt schon 25 Jahre lang im Nationalrat politisiert und war somit aktuell dienstältester Bundesparlamentarier. Die aussichtsreichsten Kandidaten um einem der beiden amtierenden Ständeräte gefährlich zu werden, kamen auch bei diesen Wahlen aus der SVP und der FDP. Beide richteten ihre Kandidatur vor allem gegen Rechsteiner. Der Traum von der ungeteilten bürgerlichen St. Galler Standesstimme sollte damit 2019 endlich Realität werden. Für den Freisinn kandidierte der Digitec-Gründer und Nationalrat Marcel Dobler. Die SVP nominierte Roland Rino Büchel. Büchel war 2010 für die abtretende Jasmin Hutter in den Nationalrat nachgerutscht und hatte sein Mandat bisher zwei Mal verteidigen können. SVP-intern musste sich Büchel gegen Mike Egger durchsetzen, der im Frühjahr bei den Ersatzwahlen bereits erfolglos kandidiert hatte. Eggers damals eher enttäuschendes Resultat dürfte dazu beigetragen haben, dass sich eine Mehrzahl der SVP-Delegierten für Büchel aussprach. Die drei weiteren Kandidaturen besassen lediglich Aussenseiterchancen. Franziska Ryser (gp) hoffte, dass sie im Wahljahr der Frauen- und Klimastreiks eine Überraschung landen oder zumindest ihre Position als grüne Spitzenkandidatin für den Nationalrat zementieren könnte. Für die Grünliberalen trat Pietro Vernazza an. Vernazza war bekannter Infektologe und Chefarzt, doch er hatte bis zu den diesjährigen eidgenössischen Wahlen, wo er für beide Kammern kandidierte, wenig mit Politik am Hut gehabt. Seine Ständeratskandidatur war daher wohl auch dazu gedacht, seine Chancen für den Gewinn eines Nationalratssitzes zu steigern. Die BDP nominierte ebenfalls einen Kandidaten: Norbert Feldmann, glänzte jedoch im Wahlkampf vor allem durch Abwesenheit.

Der erste Wahlgang verlief ohne grosse Überraschungen, war doch allgemein erwartet worden, dass ein zweiter Umgang entscheiden müsste. Benedikt Würth erzielte das beste Ergebnis, doch die 70'594 Stimmen reichten knapp nicht um das absolute Mehr von 71'095 zu erreichen. Direkt hinter Würth platzierte sich Paul Rechsteiner, der 64'077 Stimmen holte. Sowohl Büchel (45'941 Stimmen) als auch Dobler (30'755) enttäuschten. Sie hatten sich erhofft, die Bisherigen stärker unter Druck setzten zu können. Nur rund 3'000 Stimmen hinter Dobler reihte sich Franziska Ryser ein, die damit einen Achtungserfolg verzeichnete. Abgeschlagen auf den letzten beiden Plätzen landeten Pietro Vernazza (12'695) und Norbert Feldmann (4'174).
Für den zweiten Wahlgang traten die drei bestplatzierten Kandidaten erneut an. Marcel Dobler zog sich explizit zugunsten des SVP-Kandidaten Büchel zurück, der sich erst nach einiger Bedenkzeit für eine Teilnahme am zweiten Wahlgang entschied. Gemeinsam weibelten FDP und SVP für die ersehnte ungeteilte bürgerliche Standesstimme mit Würth und Büchel. Doch die CVP revanchierte sich nicht und unterstützte offiziell nur ihren eigenen Kandidaten, wohl auch weil dieser innerhalb der CVP dem christlich-sozialen Flügel nahesteht. So erstaunte es denn auch nicht, dass im zweiten Wahlgang die beiden Bisherigen ungefährdet wiedergewählt wurden. Wie im ersten Wahlgang erzielte Benedikt Würth das beste Ergebnis (77'893 Stimmen). Roland Rino Büchel (45'904) fehlten schlussendlich rund 17'000 Stimmen auf Paul Rechsteiner (62'750). Die Wahlbeteiligung beim vierten Ständeratswahlgang innerhalb eines Jahres betrug magere 36.1 Prozent.

Ständeratswahlen 2019 – St. Gallen
Dossier: Resultate Ständeratswahlen 2019 (nach Kantonen)
Dossier: Eidgenössische Wahlen 2019 - Überblick

Bei den Nationalratswahlen 2019 im Kanton Luzern waren neu nur noch neun Sitze zu vergeben. Aufgrund seines geringeren Bevölkerungswachstums verlor der Kanton im Vergleich zur vergangenen Legislatur einen Sitz. Trotzdem bewarben sich 252 Kandidaten auf 33 Listen für einen der verbliebenen Sitze, beides Rekordwerte. Die CVP (8) und die SVP (7) traten mit besonders vielen Listen an. Der Frauenanteil unter den Kandidierenden betrug 42.9 Prozent.

Bei den eidgenössischen Wahlen 2015 war die SVP als klare Siegerin hervorgegangen. Sie hatte ihren Wähleranteil gesteigert, die CVP überholt und ihren dritten Sitz zurückerobert. Auch die CVP hatte drei Sitze geholt, die FDP zwei, die SP und die Grünen je einen.
Aufgrund des verlorenen Mandates vor den Wahlen 2019 beschränkten sich die meisten Parteien auf das Verteidigen ihrer Sitze. Für Spannung sorgte der Umstand, dass alle Bisherigen erneut kandidierten. Es war deshalb schon vor dem Abstimmungssonntag klar, dass mindestens jemand aus der aktuellen Luzerner Nationalratsdelegation für die kommende Legislatur nicht mehr in der Grossen Kammer sitzen würde. Aufgrund ihrer Verluste bei den kantonalen Wahlen im März 2019 besonders gefährdet schienen die SVP und die CVP. Die SVP hätte sich eine Listenverbindung mit der CVP oder der FDP «vorstellen können». Doch eine derartige Verbindung kam nicht zustande. So musste die SVP auf die Bekanntheit ihrer drei bisherigen Nationalräte, Yvette Estermann, Felix Müri und Franz Grüter (gleichzeitig Ständeratskandidat) setzen – und auf die Unterstützung ihrer sechs Unterlisten. Statt mit der SVP gingen die ehemaligen Erzrivalen CVP und FDP zum zweiten Mal nach 2015 gemeinsam eine Listenverbindung ein und spannten auch vielerorts im Wahlkampf zusammen. Dieses Bündnis wurde jedoch arg strapaziert, als die CVP in einer umstrittenen CVP-Online Kampagne auch verschiedene Luzerner FDP-Kandidaten kritisierte. Nachdem sich die kantonale FDP bei der CVP beschwerte, wurden alle Einträge über die Luzerner FDP-Kandidaten entfernt. Die betroffenen Kandidaten sahen von einer Klage ab und die Parteien nahmen den gemeinsamen Wahlkampf wieder auf. Die GLP setzte sich die Rückgewinnung des 2015 an die SVP verlorenen Sitzes von Roland Fischer zum Ziel. Dafür ging sie wie schon vor vier Jahren eine im nationalen Vergleich eher ungewöhnliche Listenverbindung mit den Grünen und der SP ein. Die SP, rund um den kantonalen Parteipräsident David Roth, hegte derweil leise Ambitionen auf einen zweiten Sitz. Die BDP trat dieses Jahr in Luzern nicht zu den Nationalratswahlen an. Die Partei begründete den Verzicht mit den geringen Chancen auf einen Sitzgewinn und ihren Fokus auf die Kommunalwahlen im März 2020.

Am Wahlsonntag verbuchte die CVP einen unerwarteten Erfolg. Dank einer leichten Zunahme ihres Wähleranteils (+1.6 Prozentpunkte auf 25.5%) überholte sie die SVP und wurde neu wieder stärkste Kraft im Kanton. Entgegen der Prognosen konnte sie damit alle ihre drei Sitze halten. Gewählt wurden Ida Glanzmann-Hunkeler, Andrea Gmür und Leo Müller. Aufgrund der erfolgreichen Ständeratskandidatur von Andrea Gmür, verzichtete diese auf ihr Nationalratsmandat und Priska Wismer-Felder rutschte für sie nach. Einen etwas weniger überraschenden Erfolg feierten die Mitte-Links-Parteien. Ihre Listenverbindung gewann einen dritten Sitz, welchen die GLP für sich beanspruchen konnte. Damit zog Roland Fischer zum zweiten Mal nach 2011 in den Nationalrat ein. Die beiden Bisherigen Michael Töngi (Grüne) und Prisca Birrer-Heimo (sp) wurden beide wiedergewählt. Das grösste Wähleranteilwachstum verzeichneten die Grünen, die mit neu 12.2 Prozent (+5.1 Prozentpunkte) nur noch knapp hinter der SP lagen (13.5%). Grosse Enttäuschung verbreitete sich hingegen bei der FDP, denn die Listenpartnerin der CVP verlor überraschend ihren zweiten Sitz. Während Albert Vitali den erneuten Einzug in den Nationalrat schaffte, musste Peter Schilliger seine Abwahl verdauen. Auch die SVP verlor, neben ihrer Vorherrschaft im Kanton (-3.8 Prozentpunkte auf 24.7%), einen Sitz. Bei ihr traf es Felix Müri, während Franz Grüter – mit dem besten Ergebnis aller Kandidierenden – und Yvette Estermann die Wiederwahl schafften. Die Zusammensetzung der Luzerner Nationalratsdelegation lautete somit neu: 3 CVP, 2 SVP, 1 FDP, 1 SP, 1 GPS und 1 GLP. Die Stimmbeteiligung fiel zwar im Vergleich zu 2015 (-2.5 Prozentpunkte), lag mit 48.4 Prozent aber dennoch über dem nationalen Durchschnitt.

Nationalratswahlen 2019 – Luzern
Dossier: Eidgenössische Wahlen 2019 - Überblick

Mit dem Postulat «Plastikmüll. Vermeiden und Wiederverwerten statt Exportieren» beabsichtigte die CVP-Fraktion – mittlerweile umbenannt zur Mitte-Fraktion – im September 2019, das Thema Plastik ganzheitlich anzugehen. Sie forderte dafür einen Bericht zu vier Punkten. Erstens sollte eine Analyse zum Stand des Plastikrecyclings in der Schweiz mit Zahlen zum generell verbrauchten Plastik sowie zum wiederverwerteten und zum exportierten Plastik inklusive einer Auslegeordnung zum Potential der Plastik-Kreislaufwirtschaft und darauf aufbauend eine Darstellung des Bedarfs an politischen Massnahmen vorgelegt werden. Zweitens sollte eine Antwort auf die Frage, wie der Bundesrat sicherstellt, dass der exportierte Plastik nicht irgendwo im Meer landet, gegeben werden. Drittens verlangte das Postulat eine Strategie, wie in asiatischen Ländern Programme für die Etablierung einer Plastik-Kreislaufwirtschaft gefördert werden können, und viertens sollte ein Bericht darüber erstellt werden, wie Pilotprojekte unterstützt werden können, «mit welchen aus Plastik speicherfähiges Gas und daraus Strom produziert werden kann».
Der Bundesrat beantragte die Annahme des Vorstosses. Falls der Nationalrat diesem Postulat zustimmen sollte, werde er es zusammen mit den bereits überwiesenen Postulaten von Adèle Thorens Goumaz (gp, VD; 18.3196) und Martina Munz (sp, SH; 18.3496) beantworten, welche sich ebenfalls dem Thema Kunststoffe/Plastik widmeten, erklärte der Bundesrat.
Der Nationalrat beugte sich im Dezember 2019 ein erstes Mal über das Postulat der CVP-Fraktion. Dabei wurden die Punkte 1, 2 und 4 stillschweigend angenommen. Punkt 3 wurde von Roland Rino Büchel (svp, SG) bekämpft und die entsprechende Diskussion darüber verschoben. In der Sommersession 2021 nahm der Nationalrat schliesslich auch den dritten Punkt des Postulates an. Die 46 ablehnenden Stimmen stammten allesamt von Mitgliedern der SVP-Fraktion.

Plastikmüll. Vermeiden und Wiederverwerten statt Exportieren (Po. 19.4355)
Dossier: Plastikbelastung
Dossier: Vorstösse zur Kreislaufwirtschaft seit Ablehnung der Volksinitiative «Grüne Wirtschaft»

In der Debatte um die parlamentarische Initiative von Thomas Aeschi (svp, ZG), der eine Neuregelung für die Zusammensetzung des Büros-NR verlangte, konkretisierte der Zuger sein Anliegen: Die Zusammensetzung solle analog zur Zusammensetzung der Gerichtskommission erfolgen. Dort werden in einem ersten Schritt die Sitze nach Fraktionsstärke zugewiesen und in einem zweiten Schritt wird darauf geschaut, dass alle Fraktionen berücksichtigt werden. Roland Büchel (svp, SG), der den Minderheitenantrag unterstützte, argumentierte, dass es für eine Demokratie eigentlich selbstverständlich sei, dass eine Fraktion in einem so wichtigen Gremium wie dem Büro angemessen vertreten sein müsse. Angemessen heisse eben proportional zur Sitzstärke. Aufgrund der wechselnden Präsidien könne es aber immer wieder dazu kommen, dass einzelne Fraktionen über- und andere untervertreten seien. Dem müsse entgegengewirkt werden, vor allem, weil das Büro «verstärkt legislativ tätig ist». Edith Graf-Litscher (sp, TG) argumentierte als Sprecherin für die Mehrheit des Büro-NR, dass im Parlamentsgesetz verankert sei, dass das Büro aus Funktionsträgerinnen und Funktionsträgern und eben nicht parteipolitisch zusammengesetzt sei, was sich in der Arbeitsweise des Büros niederschlage. Es sei keine politische Organisation, sondern habe die Funktion, den Ratsbetrieb vorzubereiten. Eine proportionale Vertretung wäre nur mit einer Erhöhung der Mitgliederzahl im Büro zu erreichen – ein entsprechender Vorstoss der SPK-NR sei aber 2015 wegen mangelnder Erfolgsaussichten zurückgezogen worden. Die Volkskammer sprach sich schliesslich mit einer deutlichen Mehrheit von 115 zu 64 Stimmen gegen Folge geben aus. Die befürwortenden Stimmen stammten allesamt aus der SVP-Fraktion.

Zusammensetzung des Büros

Alors que la commission de l’économie et des redevances du Conseil des États (CER-CE) préconisait de rejeter la motion Müri par 9 voix contre 0 et 4 abstentions, le sénateur Müller (plr, LU) a relancé le débat en soulignant l’importance de soutenir le secteur de l’imprimerie, et la possibilité d’élargir le champ d’interprétation de la révision de la loi sur les marchés publics afin de prendre en considération la volonté de la motion de confier les mandats d’impression exclusivement à des entreprises suisses. Lors du vote final, la motion a été adoptée par 23 voix contre 8 et 3 abstentions.

Soutenir la branche de l'imprimerie (Mo. 17.3571)
Dossier: Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen. Totalrevision

Es verging einige Zeit, bis die Motion Romano (cvp, TI) wieder auf der Agenda der eidgenössischen Räte stand. Zunächst befasste sich die WAK-SR mit dem Thema, wobei sie dies gleichzeitig mit weiteren Geschäften tat, die ebenfalls das Beschaffungswesen betrafen. In Sachen Armasuisse und der Forderung der Motion, Produktionsmengen auf die Möglichkeiten der KMU abzustimmen, nahm die Kommission eine ablehnende Haltung ein, da das Bundesamt für Rüstung bereits heute bestrebt sei, die Beschaffungsmengen so aufzuteilen, dass sie besser auf KMU zugeschnitten seien. Mit 5 zu 3 Stimmen und 4 Enthaltungen wurde dem Plenum die Ablehnung beantragt.

In der Wintersession 2018 setzte sich der Ständerat ebenfalls im Rahmen einer grösseren Debatte zum Beschaffungswesen mit der Vorlage auseinander. Eine Debatte zur Motion Romano fand nicht statt, sie wurde in globo mit den anderen Geschäften abgelehnt. Einzig eine Motion Müri (svp, LU; Mo. 17.3571) nahm die kleine Kammer an.

Armasuisse. Die Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen soll auf regionaler Ebene erfolgen und auf die KMU ausgerichtet sein
Dossier: Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen. Totalrevision

Zu Beginn der Wintersession 2018 schritt der Nationalrat zur jährlichen Wahl des Nationalratspräsidiums. Der scheidende Präsident Dominique de Buman (cvp, FR) betonte in seiner Rede, dass er sich in seinem Präsidialjahr durch zahlreiche Kontakte im In- und Ausland bewusst geworden sei, wie gross das Privileg sei, in der Schweiz in Glück und Würde leben zu können. Dafür seien nicht zuletzt die Institutionen verantwortlich. Erwartungsgemäss wurde die amtierende erste Vizepräsidentin, Marina Carobbio (sp, TI), zur neuen Präsidentin der grossen Kammer gewählt. Zum ersten Mal wurde damit eine Tessiner Genossin höchste Schweizerin. Die sieben bisherigen Nationalratspräsidenten aus dem Südkanton hatten der CVP oder der FDP angehört. Carobbio wurde mit 154 von 183 Stimmen zur 198. Präsidentin bestimmt (9 leer, 2 ungültig, 18 Diverse). In ihrer Rede, die sie auf Italienisch hielt – Carobbio hatte angekündigt, die Sitzungen vor allem in der dritten Landessprache leiten zu wollen –, gab die Tessinerin ihrer Hoffnung Ausdruck, dass sie in ihrem Amt mehr Frauen und junge Menschen für die Politik interessieren könne. Ihre erste Amtshandlung war, nach einem kurzen musikalischen Intermezzo, die Leitung der Wahl der beiden Vizepräsidien. Zur ersten Vizepräsidentin stieg die amtierende zweite Vizepräsidentin, Isabelle Moret (fdp, VD), auf. Auf 162 der 188 eingelangten Wahlzetteln stand ihr Name (6 blieben leer, 2 waren ungültig und 18 fielen auf Diverse).
Für etwas Spannung sorgt im Vorfeld des nationalrätlichen Sesselrückens jeweils die fraktionsinterne Bestimmung der Kandidatin oder des Kandidaten für die Besetzung des zweiten Vizepräsidiums. Da die Person auf diesem Posten zuerst zum ersten Vizepräsidenten oder zur ersten Vizepräsidentin aufsteigt und ein Jahr später dann das Präsidium übernimmt, bestimmt eine Fraktion, wer in drei Jahren höchste Schweizerin oder höchster Schweizer wird. Turnusgemäss entfiel diese Aufgabe für die Periode 2018/19 auf die SVP. Nachdem sich der aussichtsreichste Kandidat Felix Müri (svp, LU) aus dem Rennen genommen hatte, bewarben sich vier SVP-Mitglieder für das begehrte Amt. Weil Pierre-André Page (svp, FR) wie der scheidende Präsident de Bumann aus dem Kanton Freiburg stammt, Andreas Aebi (svp, BE) wie die Präsidentin 2015/16, Christa Markwalder (fdp, BE), aus Bern stammt und David Zuberbühler (svp, AR) als zu jung und unerfahren galt, fiel die Wahl auf Heinz Brand (svp, GR), der von der SVP zum designierten Nationalratspräsidenten für das Jahr 2021 bestimmt wurde – gesetzt der Fall, dass er bei den eidgenössischen Wahlen 2019 auch wiedergewählt wird. Zumindest die Wahl von Brand zum zweiten Vizepräsidenten war in der grossen Kammer eher wenig umstritten: Er erhielt 146 von 169 möglichen Stimmen. Von den 182 eingelangten Wahlzetteln blieben 12 leer, einer ungültig und 23 Stimmen entfielen auf andere Personen.

Wahl des Nationalratspräsidiums für 2018/19
Dossier: Nationalrat und Ständerat. Wahl des Präsidiums und des Büros

Die in den Medien sogenannte «Kasachstan-Affäre» zeitigte auch nach ihrer vermeintlichen Erledigung noch Auswirkungen. Zwar waren in die Affäre involvierte Parlamentsmitglieder als «blauäugige Erfüllungsgehilfen» (Tages-Anzeiger) betitelt worden, weil sie unbedarft von Lobbyisten verfasste Vorstösse eingereicht hätten, es konnte aber nicht nachgewiesen werden, dass jemand für die Gefälligkeit des Einreichens eines Vorstosses auch Geld entgegengenommen hätte. Markus Häfliger, der die Affäre ins Rollen gebracht hatte und in der Zwischenzeit von der NZZ zum Tages-Anzeiger gewechselt war, machte allerdings Anfang März 2018 publik, dass dies wohl nicht ganz der Wahrheit entspreche. Ins Schussfeld geriet vor allem alt-Nationalrat Christian Miesch (svp, BL), der 2014 für das Einreichen einer Interpellation (Ip. 14.3957), im Sinne Kasachstans verfasst von der Lobbyfirma Dr. Borer Consulting, bezahlt worden sein soll. Es soll sich um eine Rechnung für ein 1. Klasse Generalabonnement über CHF 4'635 gehandelt haben. Miesch nahm Stellung und erklärte, dass es sich um ein Missverständnis gehandelt und er das Geld im Jahr 2017 wieder zurückgezahlt habe.
Ende März 2018 gab die Bundesanwaltschaft allerdings bekannt, aufgrund eines anonymen Schreibens mit Informationen zu Geldflüssen zwischen Borer und Miesch Ermittlungen aufzunehmen. Diese führten ein paar Wochen später zur Anstrengung eines Strafverfahrens. Allerdings war ein solches nur möglich, wenn die Immunität von Miesch aufgehoben würde, weil dieser bis Ende 2015 im Nationalrat gesessen hatte.

Mitte Juni beschloss die Immunitätskommission des Nationalrats (IK-NR) auf das Gesuch der Bundesanwaltschaft einzutreten. Damit bejahte sie gleichzeitig die Frage, ob die Tat in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Stellung als Parlamentarier stehe und ob Immunität auch nach dem Ausscheiden aus dem Rat noch Gültigkeit haben könne. Allerdings beschloss die Kommission mit 5 zu 3 Stimmen die Immunität von Miesch nicht aufzuheben. Da es sich lediglich um eine folgenlose Interpellation und einen geringen Betrag gehandelt habe, der auch wieder zurückbezahlt worden sei, müsse bei Miesch von einem «tiefen Unrechtsgehalt des Verhaltens» ausgegangen werden. Die Kommissionsminderheit wies allerdings darauf hin, dass es sich hier um einen Verdacht auf Bestechung handle und dass für ein Ratsmitglied eine Interpellation zwar unbedeutend sein könne, für einen Staat aber eine wertvolle Möglichkeit darstelle, eine direkte Frage beim Bundesrat zu platzieren – ein Recht, das eigentlich Parlamentsmitgliedern vorbehalten sei.
In den Medien wurde der Entscheid der IK-NR kritisiert. Die NZZ sprach von einem «schlechten Witz» und einer «bemerkenswerten Anmassung» einer Legislativkommission. Der Tages-Anzeiger sah im Entscheid ein «verheerendes Signal» und warf der Kommission vor, die Demokratie zu «beschädigen». Zudem zitierte er Juristen, die den Entscheid der Kommission «nicht nachvollziehen» konnten.

Auch die ständerätliche Kommission für Rechtsfragen (RK-SR), die in der kleinen Kammer für die Frage der Aufhebung der Immunität zuständig war, kam im August 2018 zum Schluss, dass die Immunität für während der Amtszeit begangene Handlungen auch nach Ausscheiden aus dem Rat noch gelte und trat entsprechend auf das Gesuch ein. Im Gegensatz zur IK-NR entschied die RK-SR aber, dass im vorliegenden Fall der strafrechtlich relevante Verdacht auf Korruption höher zu gewichten sei als die institutionellen Interessen des Parlaments – die Kommissionen haben bei ihrem Entscheid eine Interessenabwägung vorzunehmen, ob der reibungslose Ratsbetrieb durch die Immunität sichergestellt oder aber das öffentliche Interesse an einem Strafverfahren durch Aufhebung der Immunität höher gewichtet werden soll – und beschloss mit 11 zu 1 Stimmen die Aufhebung der Immunität von Christian Miesch.
Die Medien kommentierten auch den ständerätlichen Entscheid, der nur schon deshalb «historisch» sei – so der Tages-Anzeiger –, weil damit zum ersten Mal in der Geschichte der Schweiz die Immunität eines Parlamentsmitglieds aufgehoben werde. Die IK-NR, an die das Geschäft zurückging, habe nun die Möglichkeit, einen «staatspolitisch desaströsen Beschluss zu korrigieren», so der Tages-Anzeiger weiter. Auch die NZZ argumentierte, dass die Immunität «kein Freipass» sein dürfe. Alleine der Verdacht auf Bestechlichkeit könne politisches Vertrauen beschädigen. Die Basler Zeitung verwies darauf, dass die FDP-SVP-Mehrheit in der IK-NR parteipolitisch entschieden habe und dies nun korrigieren müsse. Auch die Aargauer Zeitung empfahl eine Korrektur durch die IK-NR, die nicht nur «nonchalant» mit dem Vorwurf der Korruption umgegangen sei, sondern auch die Idee der Immunität ad absurdum geführt habe. Kaum kommentiert wurde hingegen eine weitere Begründung der RK-SR, dass Miesch nämlich seinen Ruf im Rahmen eines Strafverfahrens verteidigen könne, was in seinem Interesse sein müsste und die Aufhebung der Immunität ebenfalls nahe lege. Ohne Aufhebung könnte ja eben nie klar werden, ob eine strafbare Handlung vorliege oder nicht.
Mitte September 2018 revidierte die IK-NR in der Tat ihren ursprünglichen Entscheid: Mit 5 zu 3 Stimmen beschloss sie, die Immunität von Miesch aufzuheben. Dieser habe nicht ganz klar darlegen können, wofür er damals eine Rechnung gestellt habe. Es sei nicht Sache der Kommission, eine strafrechtliche Untersuchung zu führen. Die Beurteilung der Bundesanwaltschaft, dass hier Verdacht auf Bestechung bestehe, werde von der Mehrheit der IK-NR gestützt und man teile die Meinung der RK-SR, dass es wichtig sei, ein ordentliches Strafverfahren nicht zu verhindern, um sich allenfalls von einem Korruptionsverdacht auch befreien zu können. Es sei also – nach nochmaliger Erwägung – durchaus auch im Interesse des Parlaments, wenn der Sachverhalt aufgeklärt werden könne.
In den Medien wurde gemutmasst, dass die beiden FDP-Kommissionsmitglieder für den Positionswechsel in der IK-NR verantwortlich seien. Roland Rino Büchel (svp, SG) sprach von einem politischen Entscheid und forderte eine Rückkehr zum alten System der Entscheidung über die Immunität, als noch beide Räte offen abstimmen mussten und den Entscheid nicht den Kommissionen überlassen hatten. Ebenfalls Gegenstand in der Presse war der Umstand, dass Miesch der erste von insgesamt 37 Fällen seit 1980 sei, bei dem die Immunität aufgehoben worden sei. Die Weltwoche fragte sich freilich, ob mit der Aufhebung der Immunität nicht ein «gefährlicher Präzedenzfall» geschaffen und ein «Schlag gegen das Milizsystem» geführt worden sei. Es sei nicht unmittelbar einsehbar, weshalb Parlamentsmitglieder im Sold einer Interessengruppe stehen dürften und dabei wohl auch in deren Sinne abstimmen würden, aber keine Geschenke von solchen annehmen dürften. Eine Strafuntersuchung wurde in der Folge auch gegen Thomas Borer angestrengt, der in der Presse von «unhaltbaren Vorwürfen» sprach.

Aufhebung der Immunität von Miesch

Par le biais du postulat «Participation à la coopération européenne», le conseiller national Martin Naef (ps, ZH) invite le Conseil fédéral à préciser la stratégie de la Suisse en ce qui concerne sa coopération avec l'UE, notamment dans les domaines ayant trait à l'accès des entreprises suisses au marché européen, à la formation, à la recherche, à la sécurité ou à la contribution helvétique au processus d'intégration européenne.
Si le Conseil fédéral propose d'accepter le postulat, ce dernier est dans un premier temps combattu par le député Roland Büchel (udc, SG), et donc renvoyé.
En juin 2018, le représentant de l'Union démocratique du centre s'explique devant la chambre du peuple: un rapport sur l'état des relations entre la Suisse et l'UE serait superflu, puisque la question appartient aux affaires courantes du DFAE. Ignazio Cassis fait toutefois part de la volonté du Conseil fédéral d'établir un tel rapport, afin de répondre conjointement au présent postulat et au postulat 13.3151. Le compte-rendu sera publié durant le dernier trimestre de l'année 2018.
Le postulat est finalement adopté par une majorité de la chambre basse (120 voix pour, 68 contre, 0 abstention) lors du vote du 5 juin 2018.

Participation à la coopération européenne (Po. 17.4147)

Die unterschiedlichen Bezüge der Parlamentarierinnen und Parlamentarier waren in letzter Zeit Gegenstand einiger parlamentarischer Vorstösse. Sei es die Übernachtungsentschädigung (Pa.Iv. 16.413; Pa.Iv. 17.435), die Aufhebung des lediglich Kosten verursachenden Freitags in der letzten Sessionswoche (zurückgezogene Pa.Iv. 17.433), die Reduzierung der Entschädigung bei der Präsentation von parlamentarischen Initiativen vor einer Kommission (Pa.Iv. 17.436) oder gleich die komplette Halbierung der Bezüge der Parlamentsmitglieder (Pa.Iv. 17.505): Stets wurden – vorwiegend von der Ratsrechten – Vorschläge für eine Einschränkung der Entschädigungen vorgetragen. Das Büro-NR sah deshalb den Moment gekommen, die aktuelle, relativ komplizierte Regelung, die auf konkreten Anwesenheiten und Tätigkeiten beruht, durch eine Pauschalregelung für Spesen zu ersetzen bzw. einen Vorschlag dazu zu unterbreiten. Neu solle eine einmalige Pauschale entrichtet werden, die alle Grundkosten decke. Damit solle der administrative Aufwand, den die aktuell separate Vergütung aller einzelner Auslagen verursacht, reduziert werden. Die neue Regelung solle freilich Ausnahmen vorsehen für besonders lange Anreisen oder ausserordentliche in parlamentarischer Funktion ausgeübte Tätigkeiten. Insgesamt solle die Pauschalregelung kostenneutral sein.
Dem im Februar 2018 vom Büro-NR gefällten Beschluss stand die SPK-SR allerdings mit einiger Skepsis gegenüber. Das Büro-NR ist freilich in der Ausgestaltung seines Vorschlags nicht abhängig vom Plazet der SPK-SR. Letztere äusserte aber Bedenken, dass die einzelnen Vorstösse in Erwartung des Vorschlags des Büro-NR nicht umgesetzt würden. Insbesondere die parlamentarische Initiative Eder (fdp, ZG; 16.413), die fordert, dass keine Übernachtungsentschädigung entrichtet wird, wenn keine Übernachtung erfolgt, könnte übergangen werden. Skepsis gegen den Vorschlag einer Pauschale wurde auch in den Medien geäussert: Eine Pauschale verleite dazu, weniger präsent und aktiv zu sein. Wenn man sein Taggeld nicht mehr einzeln, sondern pauschal und somit auch dann kriege, wenn man nicht in Bern sei, sei das ein eher negativer Anreiz, gab etwa Roland Büchel (svp, SG) im Tages-Anzeiger zu bedenken.

Pauschalregelung für Spesen (Pa.Iv. 18.403)
Dossier: Entschädigung von Parlamentsmitgliedern

Félix Müri (svp/udc, LU) a déposé une motion afin que les mandats d'impression des marchés publics soient attribués exclusivement à des entreprises helvétiques. L'objectif est d'encourager la création de valeur ajouté en Suisse. En outre, le dépositaire estime nécessaire de soutenir la branche de l'imprimerie qui souffre de désavantages comparatifs, inhérents à la législation suisse, en comparaison internationale.
Le Conseil fédéral a proposé de rejeter la motion. Non seulement la part de mandats publics d'impression accordés à des soumissionnaires étrangers n'était que de 2 pour cent en 2015, mais surtout les marchés publics ne représentent qu'environ 1 pour cent du chiffre d'affaire de la branche de l'imprimerie. En outre, il a précisé que l'égalité de traitement devait primer pour les marchés publics.
Malgré ces arguments, le Conseil national a adopté la motion par 96 voix contre 85 et 10 abstentions. Les voix de l'UDC couplées aux voix du PDC ont fait pencher la balance.

Soutenir la branche de l'imprimerie (Mo. 17.3571)
Dossier: Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen. Totalrevision

Die Diskussionen um das Milizsystem wurden Anfang 2016 durch eine Ankündigung von Christoph Blocher, eine Initiative zur Abschaffung des Berufsparlaments lancieren zu wollen, neu entfacht. Massnahmen gegen die «Classe politique» hätten im Parlament keine Chance, deshalb wolle er ein Volksbegehren lancieren, mit dem die Bezüge der Parlamentsmitglieder gekürzt werden sollten. Ein Pauschalsalär – Blocher forderte CHF 50'000 – solle die verschiedenen Vergütungen zwischen CHF 120'000 und 150'000 ersetzen. Die Forderung, die Blocher bereits kurz nach seinem Rücktritt aus dem Nationalrat gestellt hatte, wolle er als Privatmann realisieren.
In den Medien wurden Parlamentsmitglieder zum Vorschlag befragt: Während Roland Büchel (svp, SG) die Idee unterstützte und darauf hinwies, dass im Parlament Leute sitzen müssten, die daneben arbeiten und «im realen Leben verankert sind», gab Sebastian Frehner (svp, BS) zu bedenken, dass mit der Lohnsenkung auch der Arbeitsaufwand gesenkt werden müsste. Elisabeth Schneider-Schneiter (cvp, BL) hingegen hielt in Anbetracht von Aufwand und Ertrag die momentane Entschädigung für angemessen und Beat Jans (sp, BS) warnte, dass er mit weniger Entschädigung und weniger Zeit eine Vorlage wohl nicht mehr genau prüfen könne. Im Gegensatz zu Peter Keller (svp, NW), der vor immer mehr «verkappten Berufspolitikern» warnte, die durch Annahme von Mandaten nicht nur den Milizgedanken untergruben, sondern sich dadurch auch abhängig machten, hielt Jacqueline Badran (sp, ZH) eine genügende Entschädigung von Parlamentsmitgliedern für die eigentliche Bedingung politischer Unabhängigkeit. Ansonsten müsste man sich entweder in den Sold der Wirtschaft begeben oder sonst könnten sich nur noch Reiche wählen lassen.
Die Medien zitierten zudem verschiedene Studien, die zeigten, dass das Milizparlament «längst ein Mythos» sei, da es aufgrund der Komplexität der Geschäfte kaum mehr möglich sei, nebenamtlich Politikerin oder Politiker zu sein. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass die Schweiz im internationalen Vergleich ein sehr kostengünstiges Parlament habe. Eine neue, Ende 2016 erschienene Studie aus Lausanne (Pilotti 2017) zeigte, dass im Zeitraum von 1910 bis 2016 sowohl eine Professionalisierung des Parlaments als auch eine zunehmende Demokratisierung der Rekrutierung der Mitglieder im Sinne einer Öffnung für neue soziale Schichten stattgefunden hat.
Diskutiert wurde auch die gesellschaftliche Unterstützung der Milizidee: Das Milizsystem sei auch deshalb unter Druck, weil es zwar überall gelobt werde, aber die Milizarbeit vor allem auch auf lokaler Ebene kaum honoriert werde. Immer weniger Menschen seien bereit, politische Freiwilligenarbeit zu übernehmen. Dies werde zudem von den meisten Arbeitgebern auch nicht sonderlich unterstützt. Gefordert wurden etwa flexible Arbeitszeiten oder die Möglichkeit für Home-Office.

Diskussionen zum Milizsystem 2016 / 2017
Dossier: Milizparlament in der Krise?

Mitte November 2017 wählte die SVP-Fraktion ihren neuen Fraktionschef. Die Wahl war nötig geworden, weil Adrian Amstutz (svp, BE) das Amt im Hinblick auf seinen Rücktritt aus dem Nationalrat auf Ende Legislatur abgeben wollte. Gleich drei Nationalräte hatten ihren Hut in den Ring für eine Nachfolge geworfen. Neben Thomas Aeschi (svp, ZG), seines Zeichens Partei- als auch Fraktionsvizepräsident, bekundeten Werner Salzmann (svp, BE), Berner Kantonalpräsident, sowie Alfred Heer (svp, ZH), bis 2016 Zücher Kantonalpräsident, ihr Interesse an der Leitung der Bundeshausfraktion. Eigentlich war in den Medien erwartet worden, dass auch von SVP-Parlamentsmitgliedern aus der lateinischen Schweiz eine Kandidatur eingereicht würde, Céline Amaudruz (svp, GE) und Michaël Buffat (svp, VD) kandidierten aber lediglich für das Fraktionsvizepräsidium. In den Medien wurden allen drei Kandidierenden gute Chancen eingeräumt, weil sie in wichtigen Kommissionen sässen und eine «stattliche» Hausmacht hinter sich hätten, so etwa der Tages-Anzeiger. Die Aargauer Zeitung sah je nach Kandidat eine unterschiedliche, neue Ausrichtung der Partei. Während Aeschi «SVP-Chefstratege Christoph Blocher» nahestehe, vertrete Salzmann «die alten Werte der Partei» und Heer den «Zürcher SVP-Flügel». Der Tages-Anzeiger fragte sich gar, ob die SVP jetzt «nett» werde. Nach Amstutz, der «mit eiserner Hand» regiert habe, könnte der neue Fraktionschef verhandlungsbereiter sein. Laut Blick, der Aeschi in der Poleposition sah, wollte der 2015 noch erfolglose Bundesratskandidat via Fraktionsvorstand einen neuen Anlauf in die Regierung nehmen. Auch der neue Bundesrat Ignazio Cassis sei schliesslich Fraktionschef gewesen, so der Blick. Im Vorfeld war die Wahl in den Medien als Kampf zwischen Aeschi und Heer bzw. zwischen «Pro- und Anti-Blocher» zugespitzt worden. Salzmann wurde eher als Aussenseiter betrachtet. Eher überraschend nahm sich dann Alfred Heer kurz vor der Ausmarchung «auf Wunsch von aussen» und aus «Sorge um die Einheit der Partei» selber aus dem Rennen. Damit war der Weg frei für Thomas Aeschi, der mit 39 Stimmen gewählt wurde. Auf Werner Salzmann entfielen 20 Stimmen. Er wolle die Linie seines Vorgängers weiterverfolgen, die Fraktion von den Positionen der Partei jeweils überzeugen und die Fraktionsgeschlossenheit hoch halten, so Aeschi nach seiner Wahl in den Medien. Eine Kampfwahl hätte der Fraktion auch vor dem Hintergrund der «tendenziösen Artikel» in den Medien nicht gut getan, erklärte Heer nach der Wahl im Tages-Anzeiger. Heer blieb aber Kandidat für das fünfköpfige Fraktionsvizepräsidium und wurde in dieser Funktion auch gewählt. Neben Heer (neu) sitzen wie erwartet Céline Amaudruz (bisher) und Michael Buffat (neu) sowie die bisherigen Felix Müri (svp, LU) und Hannes Germann (svp, SH) im Vizepräsidium.

SVP - neuer Fraktionschef