Etwas mehr als 300 Kandidatinnen und Kandidaten auf elf Listen bewarben sich um die 60 Sitze im Bieler Stadtrat (Legislative). Die knappe links-grüne Mehrheit aus SP und Juso (22 Sitze), GP (8 Sitze) und Passarelle (1 Sitz) wurde nicht nur von rechts, sondern auch von der bürgerlichen Mitte angegriffen. Auf der rechten Seite gab es nach dem Niedergang der einst starken Freiheitspartei ein Gerangel um das Wählerpotential zwischen der gespaltenen SVP (6 Sitze) – nach einem Zerwürfnis aufgrund der Ereignisse rund um die kommunalen Ersatzwahlen von 2010 hatte sich die Bürgerliche Volkspartei (BVP) gebildet, zu der fünf Stadträte der SVP wechselten – den Eidgenossen als eigentliche Nachfolger der Freiheitspartei (3 Sitze) sowie der EDU (1 Sitz). Die SVP verband sich mit den Eidgenossen, während die BVP auf der Bürgerlichen Liste Bourgoise zusammen mit der BDP und der CVP (bisher 1 Sitz) antrat. In der Mitte wollten sich die FDP (11 Sitze) und die EVP (3 Sitze) nicht nur gegen die Angriffe der GLP (4 Sitze) wehren, sondern auch Mandate von Links-Grün erobern. Ende September konnte sich die SVP als Wahlsiegerin feiern lassen. Trotz Abspaltung der BVP erhielt sie zusammen mit den Eidgenossen 9 Sitze und konnte 15,9% der Bielerinnen und Bieler von sich überzeugen. Die ehemaligen SVP-Amtsträger der BVP erhielten zusammen mit CVP und BDP sechs Mandate (davon 5 BVP und 1 CVP, 9,3%). Zulegen konnte auch die GLP, die zwei zusätzliche Sitze eroberte (neu: 6 Sitze, 9,3%). Diese Sitzgewinne gingen aber nicht primär auf Kosten der Mitte – die FDP (11 Sitze, neu: 17,3%) und die EDU (1 Sitz, neu: 1,4%) verteidigten trotz Wählerverlusten ihre Sitze und nur die EVP musste einen Sitzverlust hinnehmen (neu 2 Sitze, 3,5%). Vielmehr musste Links-Grün insgesamt sechs Sitzverluste beklagen. Das Stadtparlament verzeichnete somit einen veritablen Rechtsrutsch. Die SP verlor fünf Sitze (neu 17 Sitze) und fast sechs Prozentpunkte an Wählerinnen und Wählern (neu 28,9%). Weil auch die Grünen einen Sitz (neu 7 Sitze) verloren, kam Links-Grün nur noch auf 25 Sitze, inklusive dem Sitz der Passarelle, die mit einem leichten Wählerzuwachs (neu 2,4%) ihren Sitz verteidigen konnte. SP-Präsident Niklaus Baltzer erklärte sich den Sitz- und Wählerstimmenverlust mit dem Wiedererstarken der rechten Opposition, die, neu von der SVP organisiert, das Wählerpotenzial des ehemaligen langjährigen Gemeinderates und Autoparteiexponenten Jürg Scherrer wieder mobilisieren konnte. Die SVP habe im Wahlkampf geschickt die hohe Sozialhilfequote der Stadt – elf Prozent der Bieler Bevölkerung bezieht Sozialhilfe, was der schweizweite Spitzenwert ist – mit dem hohen Ausländeranteil verknüpft und so gepunktet. Die Wahlbeteiligung lag wieder leicht über 30%. Vor vier Jahren hatten lediglich 28,4% der Bielerinnen und Bieler ihr Wahlrecht wahrgenommen. Zu einer seltenen Ausnahmesituation kam es bei der Auszählung der Stimmen: gleich auf zwei Listen (EDU, FDP) hatten zwei Kandidierende die exakt gleiche Stimmenzahl erreicht, worauf das Los über die Vergabe des entsprechenden Sitzes entscheiden musste. Für einen Eklat sorgte zudem ein Stadtrat der GP, der in angetrunkenem Zustand die SVP als „Drecksfaschisten“ bezeichnete. Obwohl in den Bieler Medien Rücktrittsforderungen gestellt wurden, waren die Wogen nach einer Entschuldigung aber rasch wieder geglättet. Mit dem Rechtsrutsch einher ging ein Einbruch hinsichtlich der Frauenrepräsentation: nur noch 17 der 60 Stadtratssitze (28,3%) sind von Frauen besetzt. Nach den Wahlen 2008 hatte dieser Anteil noch 38,3% betragen.

Kommunale Wahlen Biel 2012
Dossier: Kommunale Wahlen 2012