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Bereits im Vorjahr waren die Meinungen über die Leistungen der Landesregierung während der Covid-19-Pandemie auseinandergegangen. Die Kritik am Bundesrat nahm im Covid-19-Jahr 2021 aber noch einmal merklich zu. Besondere Aufmerksamkeit erhielt dabei Alain Berset. Insbesondere die SVP übte via Medien Kritik am Gesundheitsminister und forderte Mitte Januar 2021, dem SP-Magistraten solle das Gesundheitsdossier entzogen werden, weil er versagt habe. Christoph Blocher bezeichnete Berset gar als «Diktator». Obwohl der amtierende Bundespräsident und SVP-Bundesrat Guy Parmelin daran erinnerte, dass es sich bei der Regierung um «ein Team» handle, und die Kollegialität betonte und der zweite SVP-Bundesrat Ueli Maurer darauf hinwies, dass es niemandem diene, wenn die Bunderatsmitglieder gegeneinander ausgespielt würden – Aussagen, die etwa vom Tages-Anzeiger als Zeichen eines Zusammenschweissens der Landesregierung und von La Liberté als «grand moment d'unité» bezeichnet wurden –, gingen die Angriffe auf einzelne Regierungsmitglieder weiter. So urteilte etwa die Weltwoche, dass Alain Berset «beide Pandemiewellen verschlampt und wirtschaftlich einen Schlamassel angerichtet» habe, von den Medien aber als Held gefeiert werde. Die SVP forderte derweil die Einführung eines Impeachmentverfahrens in der Schweiz, mit dem Regierungsmitglieder abgewählt werden könnten. Die Macht des Bundesrats, der die Diktatur eingeführt habe, müsse gebrochen werden, gab auch SVP-Präsident Marco Chiesa (svp, TI) in Interviews zu Protokoll. Und wiederum die Weltwoche wähnte sich ob des von ihr festgestellten gegenseitigen Misstrauens in der Regierung, in der Anträge von rechts auf eine links-bürgerliche Blockade stossen würden, «wie in einem kalten Krieg». Es brauche deshalb «sieben neue Bundesräte».

Aber auch der Gesamtbundesrat wurde kritisiert. Es brauche ein «deutlich rascheres und entschlosseneres Vorgehen» gegen die Pandemie, forderte etwa die NZZ Mitte Januar 2021. Der Bundesrat müsse seinen Verfassungsspielraum konsequenter ausnutzen und dürfe «entgegen den helvetischen Gepflogenheiten» nicht den langwierigen Mittelweg gehen, bei dem alle Kritikerinnen und Kritiker angehört und integriert würden. Ende Februar ärgerte sich die gleiche Zeitung dann allerdings über die «magistrale Sturheit», die Restaurant-Terrassen noch nicht wieder öffnen zu wollen. Dass die Regierung dem «Druck zur schnelleren Öffnung nicht nachgegeben» habe, sei zwar «hart für die Betroffenen – aber leider richtig», beurteilte denselben Umstand freilich der Tages-Anzeiger und attestierte dem Bundesrat «Rückgrat».

Schriller war die Kritik von Covid-19-Massnahmengegnerinnen und -gegnern an der Regierung. So wusste etwa der Tages-Anzeiger zu berichten, dass der stellvertretenden Armeechef Aldo C. Schellenberg Briefe erhalten habe, die ihn aufforderten, für den Bundesrat ein Kriegsgericht einzurichten. Ende Februar leitete die Bundesanwaltschaft gleich fünf Verfahren wegen Bedrohungen einzelner Magistratspersonen via soziale Medien ein. Bei einem Auftritt in der politischen Diskussionssendung «Arena» im Sommer 2021 erhielt Alain Berset Polizeischutz und auch das Fedpol ergriff zunehmend Schutzmassnahmen wegen massiver Drohungen gegen Bundesrätinnen und Bundesräte.

Immer wieder kritisierten die Medien zudem die Informationspolitik der Regierung. Auf der einen Seite wurden die Indiskretionen gerügt, die verhindert hätten, dass der Bundesrat Entscheidungen über Covid-19-Massnahmen wenigstens so lange habe geheimhalten können, bis sie mit den Kantonen abgesprochen worden seien. Auf der anderen Seite wurde vermutet, dass jene Medien beneidet werden, die mit ebendiesen Indiskretionen versorgt wurden und diese medial ausschlachteten. Die Weltwoche sprach etwa von der «Berset-Verschwörung». Dank «Schützenhilfe von den Medien» könne er die von ihm vorgesehenen Covid-19-Massnahmen stets durchsetzen.

Für einige Diskussionen sorgte auch die Zusammenarbeit zwischen Bundesrat und Wissenschaft. Noch im Januar warfen die Medien der aus Wissenschafterinnen und Wissenschaftern unterschiedlicher Disziplinen zusammengesetzten Task Force vor, selber Politik machen zu wollen. Im Februar wendete sich das Blatt, nachdem bekannt geworden war, dass ebendiese Task Force im Sommer 2020 vor einer zweiten Welle gewarnt hatte, die Behörden diese Warnung allerdings in den Wind geschlagen und wichtige Massnahmen zu früh aufgehoben hätten. Die NZZ kam dabei etwa zum Schluss, dass die Wissenschaft «zu lange ignoriert» worden sei.

Die Kritik flaute parallel mit den abnehmenden Fallzahlen ab dem Frühjahr 2021 dann merklich ab. Zwar wiederholte die Weltwoche noch lange Zeit ihre Kritik an Alain Berset («Captain Long Covid», «Impfdebakel heisst Alain Berset», «Stricken an der eigenen Legende»), bei den restlichen Medien geriet die Regierung allerdings bald aus der Schusslinie.

In die Schlagzeilen geriet Mitte September freilich Ueli Maurer, weil er als «Freiheitstrychler» posierte. An einem SVP-Lokalanlass hatte sich der Finanzminister ein T-Shirt der Covid-19-Massnahmengegnerinnen und -gegner übergestreift und sich fotografieren lassen. Das Bild verbreitete sich via soziale Medien und wurde auf der einen Seite als «Bruch der Kollegialität» (Tages-Anzeiger), ja gar als Versuch, das Land zu spalten (Balthasar Glättli, gp, ZH im Blick) kritisiert, auf der anderen Seite als freie Meinungsäusserung (Thomas Matter, svp, ZH im Tages-Anzeiger) oder auch als Zeichen, dass «vielen Unzufriedenen im Land zumindest inoffiziell magistrales Verständnis» entgegengebracht werde (NZZ), verteidigt. Maurer selber gab in der Aargauer Zeitung zu Protokoll, dass er gar nicht gewusst habe, in «welchen Zusammenhang dieses Leibchen offenbar gebracht wird». Ähnlich wie die SVP im Frühjahr Alain Berset angegriffen hatte, nutzte die SP die T-Shirt-Affäre für Kritik an Ueli Maurer und stellte in der parlamentarischen Fragestunde nicht weniger als neun Fragen zu Maurers von der SP als «Bedrohung der Regierungskollegialität» bezeichneten Aktion. Bundespräsident Guy Parmelin beantwortete alle neun Fragen gleichzeitig, indem er auch bei den Angriffen von links auf das Kollegialitätsprinzip verwies: «Le Conseil fédéral ne commente pas les propos que l'un de ses membres a ou aurait prononcés en public».

Kritik am Bundesrat wegen Covid-Politik 2021

Auf ein medial stärkeres Echo als die offizielle Feier zu 50 Jahre Frauenstimm- und -wahlrecht stiess die ebenfalls zu diesem Anlass im Oktober 2021 durchgeführte Frauensession. Zum zweiten Mal seit der Einführung des Frauenstimmrechts – das erste Mal war 1991 zum 20. Jahrestag der Einführung – debattierten 200 in einer offenen Wahl gewählte Frauen zwischen 17 und 82 Jahren, mit oder ohne Schweizer Staatsbürgerschaft und in den meisten Fällen ohne bisherige politische Erfahrung, während zweier Tage über Vorstösse, die im Vorfeld von den Teilnehmerinnen in acht verschiedenen Kommissionen ausgearbeitet worden waren. Während der Frauensession gesellten sich 46 aktive und ehemalige Bundesparlamentarierinnen und Regierungsrätinnen zu den gewählten Frauen. Auch die drei aktuellen Bundesrätinnen, Viola Amherd, Karin Keller-Sutter und Simonetta Sommaruga, sowie Bundesrat Alain Berset würdigten die Frauen und deren Anliegen mit Ansprachen an der Frauensession.

Als solidarisch und inklusiv beschrieb «Le Temps» das Klima an der vom Frauendachverband Alliance f organisierten Session. Weitere Zeitungen bezeichneten die dort herrschende Stimmung auch als laut und euphorisch. Die ehemalige Nationalrätin Cécile Bühlmann, die zwischen 1991 und 2005 für die Grünen im eidgenössischen Parlament gesessen war und der Frauensession 2021 beiwohnte, drückte ihre Empfindungen zur aktuell stattfindenden Mobilisierung von Frauen, wie sie auch mit der Frauensession geschehe, gegenüber «Le Temps» gar als «la politisation des femmes la plus forte à laquelle j’assiste depuis celle de mai 1968» aus. Die Frauensession, die in den Beschluss von über 20 Petitionen ans Parlament mündete, wurde in den Medien auf der einen Seite als «umfassende Standortbestimmung», «starkes Statement» (Sonntags-Blick) oder «signal fort» (Le Temps) aufgefasst. Auf der anderen Seite sprach die NZZ von «fröhlichem Geldverteilen in Bern» und Markus Somm stellte in der Sonntagszeitung die Bedeutung der Frauensession als «Pseudosession für unsere lieben Frauen» in Frage.

Inwiefern die aus der Frauensession resultierenden Forderungen tatsächlich wegweisend für die künftige Gleichstellungspolitik in der Schweiz sein werden, wird sich zeigen müssen. Einige der vor 30 Jahren an der Frauensession 1991 geäusserten Forderungen hatten die Diskussionen um die Gleichstellungspolitik in den Folgejahren sehr wohl geprägt – zu nennen ist etwa die Einführung von Betreuungsgutschriften, die 1995 mit der 10. AHV-Revision erfüllt worden war. Unter den 1991 geäusserten Forderungen gab es jedoch solche, die auch im Jahr 2021 noch immer aktuell waren und an der zweiten Frauensession erneut gestellt wurden, so diejenige zur Erhöhung der Chancengleichheit im Erwerbsleben durch Herstellung von Lohngleichheit oder adäquate ausserfamiliäre Kinderbetreuungsstrukturen. Bisher ebenfalls noch unerfüllt waren weitere in Petitionen eingebrachte Forderungen, wie diejenigen zur Einführung der Individualbesteuerung oder einer Elternzeit, zur Verbesserung der finanziellen Situation von Bäuerinnen oder zur Einführung politischer Rechte für Personen ohne Schweizer Staatsbürgerschaft. Eine zentrale Forderung der Frauensession war insbesondere auch die verstärkte Bekämpfung der geschlechtsspezifischen Gewalt. Aber auch neue Forderungen fanden Eingang in die Petitionen. Als Beispiel genannt sei hier die Forderung nach verstärkter Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Unterschiede im Gesundheitsbereich, denen mit einem nationalen Forschungsprogramm auf den Grund gegangen werden soll.

Frauensession 2021
Dossier: Behandlung der Petitionen der Frauensession 2021 in parlamentarischen Vorstössen

20 ans après l'attentat du parlement zougois du 27 septembre 2001, plusieurs articles de presse sont revenus sur cet événement. Un forcené, connu de la justice pour avoir commis différents délits, avait abattu onze députés et trois conseillers d'État après avoir fait irruption dans la salle du Grand Conseil du canton de Zoug, où se tenaient les débats parlementaires habituels. Les commémorations de ce drame ont trouvé un écho particulier dans le contexte actuel, marqué par des tensions grandissantes en lien avec la pandémie.
À la suite de l'attentat, des mesures de sécurité autour des bâtiments publics du pays ont été mises en place, a relevé le journal Le Temps, alors qu'auparavant, on y entrait «comme dans des moulins». Cependant, la Suisse est restée une exception quant à la proximité de la sphère politique avec la population. À de nombreuses reprises, la presse a pu se délecter de situations pittoresques, à l'image de la conseillère fédérale Doris Leuthard qui effectuait un trajet en train assise dans l'escalier, n'ayant pas pu trouver de place dans un compartiment. Cette proximité a néanmoins été mise à mal par les tensions apparues dans le cadre de la pandémie. Le conseiller fédéral en charge du département de l'intérieur, Alain Berset, en première ligne face à la crise, est désormais accompagné en permanence d'agents de la police fédérale, alors que des socles permettant de mettre en place des barricades en métal ont été installés devant le palais fédéral. Ces mesures ont notamment été prises en raison des manifestations non-autorisées qui ont eu lieu à plusieurs reprises à Berne. La police bernoise a dû être engagée pour modérer une foule parfois agressive, qui s'opposait aux mesures sanitaires édictées par la Confédération. Relatant ces incidents, la NZZ a relevé le rôle que jouent les réseaux sociaux dans ce phénomène de radicalisation d'une frange des opposantes et opposants aux mesures sanitaires.
Dans le sillage de ces événements, les fronts ont semblé bouger sur le sujet de la réglementation des réseaux sociaux. Jusqu'alors, le Conseil fédéral ne voulait pas d'une loi spécifique sur les propos haineux tenus sur ces canaux de communication. Cependant, la situation pourrait évoluer prochainement. La verte Greta Gysin (TI) a déposé en décembre 2021 un postulat demandant au gouvernement d'étudier la possibilité de demander des chiffres aux plateformes telles que Facebook, Instagram, Twitter et Youtube au sujet des incidents impliquant des discours haineux, du harcèlement sexuel ainsi que des Fake News. En outre, le socialiste Jon Pult (GR) a déposé une initiative parlementaire pour que les plateformes soient tenues responsables des contenus illégaux diffusés par leur intermédiaire. Son intervention prévoit également que la diffusion de Fake News soit combattue avec de nouveaux outils. Dans le même temps, l'Aargauer Zeitung relatait que l'OFCOM prend part au financement de projets de recherche sur la désinformation et les discours de haine.
D'autres éléments ont mis en avant le rôle des réseaux sociaux dans la dégradation du climat politique. Fedpol a en effet indiqué que la majorité des menaces adressées aux politiciennes et politiciens le sont par l'intermédiaire d'Internet. Alors qu'une augmentation du nombre de messages «litigieux» avait déjà été constatée en 2020, les chiffres de la police fédérale pour la première partie de l'année semblent indiquer que 2021 ne dérogera pas à la tendance.
Dans ce contexte, Guy Parmelin a endossé son rôle de président pour rappeler que «si les arguments parfois vifs font partie du jeu politique, il y a des limites, il y a le respect de l'adversaire». Il a appelé à éviter toute agressivité afin de lutter contre la montée des tensions et de l'incompréhension. Selon lui, l'ennemi à combattre est bel et bien le virus, et non pas les concitoyennes et concitoyens qui pensent différemment. Il s'exposait ainsi à des critiques de la part de la presse: Le Temps ne se privait pas de rappeler que «la défiance à l'égard de la politique sanitaire fédérale est principalement alimentée au sein de son parti», l'UDC, qui déclarait dix jours après la déclaration de son conseiller fédéral la guerre à la «dictature sanitaire» à l'occasion de l'assemblée générale du parti. Et dans le même temps, le président du parti Marco Chiesa répétait ses propos du 1er août, où il prenait la défense des milieux ruraux, exploités selon lui par les «parasites des villes».

Menaces à l'encontre des politiciens
Dossier: Regulierung von sozialen Netzwerken und Kommunikationsplattformen

Der Start des neuen Schuljahres im August 2021 gab in Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie Anlass zu einer medialen Debatte über die Maskentragepflicht für die Stufen Sek I und II (ab 12 Jahren) und insbesondere zu den Fragen, ob und wie regelmässig die Schülerinnen und Schüler getestet werden sollen, ob es für die Klassenzimmer CO2-Messgeräte und Luftfilter braucht und wie sinnvoll eine Impfung für die Jugendlichen ist. Dabei zeichneten sich gemäss Medienberichten mehrere Konflikte entlang dieser Themen ab:
Während die Dachorganisation der Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH sowie deren Westschweizer Pendant SER (Syndicat des enseignant*es romand*es) repetitive Spucktests, CO2-Messgeräte für jedes Klassenzimmer sowie prioritäre Booster-Impfungen für Lehrpersonen forderten, erachtete der Verband der Schulleiterinnen und Schulleiter regelmässiges Testen für wenig sinnvoll und zu aufwändig.
Ein zweiter Konflikt tat sich innerhalb der Gruppe der Erziehungsberechtigten auf. Hier gab es auf der einen Seite die Interessengruppe «Protect the kids», welche sich mittels einer Petition für eine generelle Maskenpflicht, präventives Testen sowie für den Einsatz von Luftfiltern und CO2-Messgeräten starkmachte. Auf der anderen Seite machte die impfskeptische Website und Petition «Schützt die Kinder», welche ein Impfmoratorium für unter 16-Jährige forderte, von sich reden. Diese Petition werde zudem unter anderem von der Gruppe «Eltern für Freiheit» unterstützt, welche gegen die repetitiven Tests und die Maskentragepflicht kämpft, berichtete der Tages-Anzeiger.
Schliesslich wurde auch eine gewisse Diskrepanz in den Aussagen zwischen Bund und Kantonen ersichtlich: Gemäss Medienberichten sprach sich Gesundheitsminister Alain Berset für repetitive Tests an den Schulen aus, während die Kantone darauf beharrten, dass die Entscheidung darüber in ihrer Kompetenz liegen solle. Dies führte gemäss Tages-Anzeiger zu einem «kantonalen Flickenteppich». Doch nicht nur zwischen ihnen, auch innerhalb der Kantone gab es Unterschiede: So überliessen viele Kantone den einzelnen Gemeinden die Entscheidung, ob sie beispielsweise Investitionen in Luftfilter tätigen möchten.
Gegen Ende August 2021, und damit nach nur einigen wenigen Wochen Unterricht, kam es bereits zu stark ansteigenden Fallzahlen bei den Kindern und Jugendlichen. Trotzdem wurde kein starker Ruf nach einem Lockdown der Schulen laut – im Gegenteil. Die Akteure schienen sich dieses Mal einig zu sein, dass ein solcher unbedingt verhindert werden müsse, da zahlreiche Kinder aufgrund des Lockdowns im letzten Jahr stark gelitten hatten, den Schulstoff nicht bewältigen konnten und (noch mehr) zurückgefallen waren.

Debatte um Maskenpflicht und Tests in den Schulen
Dossier: Schulen und Ausbildung während Covid-19 – Reaktionen und Folgen

2021 oblag die Aufgabe der Inszenierung des Bundesratsfotos dem amtierenden Bundespräsidenten Guy Parmelin. Vor dem mittels Drohne von schräg oben fotografierten Bundeshaus – der Fotograf Markus A. Jegerlehner habe dafür im Mai 2020 eine Sonderbewilligung erhalten, so die bundesrätliche Medienmitteilung zum Bild – stehen die sieben Bundesratsmitglieder zusammen mit dem Bundeskanzler Covid-19-bedingt in einer Fotomontage in einer Reihe gruppiert. Die ungewohnte Perspektive solle helfen «in diesen schwierigen Zeiten gemeinsam und unvoreingenommen scheinbar Unverrückbares neu zu betrachten [... und so] einen konkreten Beitrag zum Zusammenhalt unseres Landes» zu leisten, so die Botschaft des Bundespräsidenten zum Foto.

Die «sich längst zu einer eigenen polit-journalistischen Disziplin» entwickelnde mediale Analyse des Bildes – so der Sonntags-Blick – brachte das Bild mit Aktualität und unterschiedlichen Stimmungslagen in Verbindung. Ebendieser Sonntags-Blick meinte etwa, dass das «brav per Computer zusammengeklebte Grüppchen» symbolhaft für die momentane Lage sei: «Irgendwie gut gemeint, aber halt doch nicht überzeugend». Zumindest rufe das Werk in Erinnerung, dass es einst eine Zeit gegeben habe, als lediglich der Umstand diskutiert worden sei, dass ein Bild schief sei, und es keine anderen Probleme gegeben habe. Die Sonntagszeitung interpretierte das Lachen im Gesicht des Bundespräsidenten in der Mitte damit, dass er zweimal eine Corona-Quarantäne überstanden habe; Alain Berset stehe wohl deshalb in der zweiten Reihe, weil er in letzter Zeit aufgrund von Covid-19 sehr oft zuvorderst gestanden habe. Und Ueli Maurer gelinge wohl «als Einzigem nicht einmal der Anflug eines Lächelns», weil er die anstehenden Milliarden-Ausgaben vor Augen habe. Die Weltwoche fühlte sich gar an «Sowjetzeiten» erinnert. Auch hier sei «manipuliert, montiert und retuschiert» worden. Das fröhliche Lachen sei heuchlerisch und damit werde nicht Optimismus verbreitet, sondern man fühle sich vom Bundesrat ausgelacht. «Man denkt spontan: Ja, diese sieben haben gut lachen, es kann ihnen nicht viel passieren. Während wir...». Einzig Bundesrat Ueli Maurer habe sich dem verwehrt und «wie ein trotziges Kind [...] bewusst nicht gelacht». Wie in Sowjetzeiten gelte aber: «Mächtige, die meinen, sie könnten mit gekünsteltem Lachen beim Volk Optimismus und Glaubwürdigkeit verbreiten, irren sich».

Das jährliche Bundesratsfoto

Fin d'année rime traditionnellement dans la presse avec bilan des douze mois écoulés et perspectives des douze prochains. Avec son caractère hors du commun, 2020 n'a pas dérogé à cette règle. C'est dans cette optique que Le Temps a réuni pour une heure de discussion Alain Berset et Alexandre Jollien. Le conseiller fédéral et le philosophe ont échangé leurs réflexions sur la crise du Covid-19 et ses incertitudes. Si Alain Berset a souligné que «l'absence de certitudes est précisément ce qui caractérise le mieux une crise», Alexandre Jollien, qui a été confiné enfant et adolescent dans une institution pour personnes en situation de handicap, a rappelé que «certains n'ont pas eu besoin de cette crise pour se prendre l'imprévu dans la figure». Pour lui, les personnes malades ou en situation de handicap étaient déjà conscientes avant cela que «l'imprévu, le tragique de l'existence constituent un monde». Cependant, c'est collectivement que la société y a été confrontée avec la pandémie. Le retour de la collectivité a marqué Alain Berset: «Avec cette crise, l'individualisme martelé durant des décennies comme un idéal s'est effondré. Dès qu'une crise apparaît, le collectif s'impose.» Le conseiller fédéral fribourgeois a apprécié la solidarité entre des personnes qui ne se connaissaient pas, notamment lorsque la jeunesse proposait des services aux plus âgé.e.s, qui devaient éviter de sortir de chez eux au plus fort de la première vague, ainsi que la cohésion symbolisée par les applaudissements quotidiens adressés au personnel soignant. Il a cependant relevé que la deuxième vague a brisé cette union sacrée, provoquant un contrecoup compréhensible: «Après dix mois d'incertitudes, nous sommes toutes et tous épuisés.» Lui le premier, puisqu'il a avoué que cette crise, «le pire choc dans [sa] carrière politique», l'a porté «aux limites physique de ce que l'on peut supporter dans le travail». Répondant à Alexandre Jollien, qui lui demandait comment il fait pour «ne pas être bouffé par les critiques», le conseiller fédéral a confié n'avoir que peu lu les médias ou passé de temps sur les réseaux sociaux, laissant son équipe jouer le rôle de «filtre» afin de se concentrer sur ses responsabilités. Il a également souligné que le Conseil fédéral avait «toujours eu la conviction d'avoir pris les bonnes décisions pour le pays».

Dans un entretien accordé au Temps, Simonetta Sommaruga a également défendu les décisions prises par le Conseil fédéral durant l'année. Tirant le bilan de son année de présidence, la conseillère fédérale a notamment relevé que les mesures prises en octobre, qui laissaient une grande marge de manœuvre aux cantons, ont été très appréciées sur le moment, bien qu'elles furent ensuite passablement critiquées. Elle concède cependant avoir sous-estimé le fait qu'il n'est pas facile de «trouver un chemin commun au sein des 26 gouvernements cantonaux». La pandémie constitue en ce sens un grand défi pour le fédéralisme, selon la bernoise. Soulignant l'importance d'être honnête et transparente, la ministre socialiste a avoué s'être parfois trompée, par exemple à propos du port du masque dans les transports publics, qui aurait probablement dû être rendu obligatoire plus tôt. A la question de savoir si le virus, qui a fortement touché la Suisse durant la seconde vague, a écorné l'image du pays à l'étranger, la présidente a rétorqué que l'image n'est pas primordiale. C'est la situation réelle qui est préoccupante, en particulier le nombre de décès. Elle a ainsi envoyé des pensées «aux personnes qui n'ont pas pu prendre congé de leurs proches dans des conditions dignes».
Simonetta Sommaruga est également revenue sur d'autres moments forts qui ont émaillé son année présidentielle. Si de nombreux voyages ont dû être annulés, elle a néanmoins pu se rendre en Ukraine fin juillet. Là-bas, elle s'est rendue sur la ligne de front du conflit avec le président Volodymyr Zelensky. Malgré les menaces et la peur, les deux dirigeants ne se sont pas laisser intimider. La présidente a ainsi confié avoir entendu Zelensky dire à un de ses gardes: «She is a strong lady» («Elle est une femme forte»). Le reste de son agenda diplomatique s'est majoritairement résumé à des visioconférences ou des appels téléphoniques. Elle a aussi été marquée par la mobilisation des jeunes pour le climat. L'occupation par des activistes de la place fédérale en septembre a permis de rappeler que la crise climatique n'a pas disparu avec l'arrivée de celle du Covid-19. L'occasion pour elle de souligner que le peuple votera en 2021 sur la loi sur le CO2. 2021 sera aussi l'année des 50 ans du droit de vote des femmes: la ministre avait 11 ans lors de son introduction en 1971. Elle a raconté se souvenir du moment où sa mère a pu voter pour la première fois, sans devoir se contenter de regarder son père le faire. Quand elle était encore ministre de la justice, elle s'est battue pour la loi sur l'égalité, entrée en vigueur en juillet 2020. Elle rappelle cependant que si sur le papier, l'égalité existe, il reste dans les faits de nombreux progrès à faire: «Durant la crise, ce sont beaucoup les femmes qui ont dû s'occuper des enfants, du ménage en plus de leur job.»

En 2021, c'est Guy Parmelin qui a succédé à Sommaruga à la présidence de la Confédération. Dans un entretien accordé à La Liberté, il a lui aussi mis en avant le rôle du Conseil fédéral, qui doit s'assurer de l'adhésion de la population aux mesures sanitaires. En ce sens, il est important pour lui que le gouvernement travaille en équipe, malgré les critiques émanant des partis envers certains conseillers fédéraux. S'il compte se rendre à l'étranger si cela est possible, le vaudois perçoit cependant sa présidence comme tournée vers l'intérieur du pays. De nombreux défis l'attendent, que ce soit au niveau de la gestion sanitaire de la crise, mais également sur le front des aides économiques aux entreprises. Le président aura également un rôle crucial à jouer sur le dossier de l'accord-cadre avec l'Union européenne. Si son parti combat cet accord, Guy Parmelin relève que le peuple suisse a dit clairement qu'il ne voulait pas abandonner la voie bilatérale lors de la votation sur l'initiative de limitation en septembre 2020.

Perspectives globales et solidarité
Dossier: Rückblick auf die vergangenen Jahre und Ausblick auf die Zukunft in der Presse

Die Regierung stand zwar während der Covid-19-Pandemie sozusagen an der Front, schien aber lange Zeit vom Virus verschont zu bleiben – nicht aber von der entsprechenden medialen Neugierde. Schon bei der ersten Welle im März 2020 hatte Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga den Medien versichert, die Regierung halte sich streng an die Hygieneempfehlungen und Abstandsregeln. Mitte Oktober 2020 musste sich Guy Parmelin in Quarantäne begeben, weil eine Person aus der Verwaltung mit ihm Kontakt gehabt hatte, die positiv auf Corona getestet worden war. Parmelin sei aber negativ getestet worden und habe telefonisch an der Bundesratssitzung teilgenommen, so die Auskunft seines Departements. Ein weiteres Mal musste der Wirtschaftsminister Ende 2020 in Quarantäne, weil er sich in Grossbritannien mit der britischen Handelsministerin getroffen hatte und sich aus dem Vereinigten Königreich einreisende Personen vorsorglich in Quarantäne begeben mussten.

Ebenfalls Ende Jahr wurde bekannt, dass die Bundesrätinnen und Bundesräte mit gutem Beispiel vorangehen und sich impfen lassen wollten. Prompt wurde dies dann Mitte Januar 2021 von den Medien als «Vorzugsbehandlung» kritisiert. Eigentlich sei einzig Ueli Maurer, mit seinen 70 Jahren einer Risikogruppe angehörend, berechtigt gewesen, eine der damals noch knappen Impfdosen in Anspruch zu nehmen, so der Blick, der auch zu berichten wusste, dass sich Guy Parmelin, Alain Berset, Ignazio Cassis und Karin Keller-Sutter bereits «heimlich», also ohne die Medien darüber zu informieren und ohne einer Risikogruppe anzugehören, geimpft hätten.

Ueli Maurer sorgte dann im Februar 2021 für Schlagzeilen, weil er auf eine zweite Dosis verzichten wollte und dies öffentlich bekannt gab. Er sei so zäh, dass «bereits die erste Impfung schon fast zu viel» gewesen sei. Im Mai gab Simonetta Sommaruga bekannt, die erste Dosis erhalten zu haben. Sie habe Wert darauf gelegt, dass zuerst die Risikogruppen eine Impfung erhielten, gab sie den Medien zu Protokoll. Die Sonntagszeitung sah in der Impfung Sommarugas ein «Signal an eher impfkritische Kreise», weil der Bundesrätin «aus ihrer Zeit als Konsumentenschützerin eine gewisse Impfskepsis nachgesagt» worden sei. Es dürften nun alle Regierungsmitglieder geimpft sein, zitierte die Sonntagszeitung «unbestätigte Informationen». Während andere Staatschefs ihre Booster-Impfung inszenierten, mache die Schweizer Regierung «ein kleineres Staatsgeheimnis daraus, wer die dritte Impfung erhalten ha[be]», so die Aargauer Zeitung. Auf Anfrage der Zeitung gab Regierungssprecher André Simonazzi zwar keine individuellen Impftermine bekannt – man wolle neuerliche mediale Spekulationen vermeiden –, informierte jedoch, dass bis zum 17. Dezember 2021 alle Regierungsmitglieder zum dritten Mal geimpft worden seien.

Der erste Bundesrat, der sich mit Covid ansteckte, war schliesslich Bundespräsident Ignazio Cassis Mitte Februar 2022, just nach seiner Ankündigung, dass die Covid-19-Massnahmen aufgehoben seien. Er weise zwar keine Symptome auf, sei aber positiv getestet worden und arbeite im Homeoffice, schrieb der Blick. Da die Quarantäne für Kontaktpersonen aufgehoben worden war, traf sich das restliche Gremium trotzdem zu Bundesratssitzungen. Die Anfrage des Blicks, ob sich die anderen sechs Magistratinnen und Magistraten getestet hätten, wurde nicht beantwortet. Die Regierung habe stets alle Vorschriften befolgt. In der Folge wurden Alain Berset (9. März 2022), Guy Parmelin (12. März) und auch Simonetta Sommaruga (22. April) positiv getestet. Sie nahmen jeweils von ihrem Homeoffice aus an den Regierungssitzungen teil. Den Medien war dies in Anbetracht der abgeflauten Virulenz des Themas jeweils aber höchstens noch Randnotizen wert.

Erster Bundesrat hat Covid

Einen Tag nach Ablauf der Referendumsfrist am 8. Oktober 2020 erklärte Bundesrat Alain Berset Medienberichten zufolge das Referendum gegen die SwissCovid-App für gescheitert. Auf der Kurznachrichten-Plattform Twitter habe sich der Gesundheitsminister erfreut gezeigt und die Wichtigkeit der App für die Unterbrechung der Infektionsketten unterstrichen. Gegenüber der Aargauer Zeitung bestätigte François de Siebenthal als Sprecher des Referendumskomitees, dass die benötigten Unterschriften nicht beisammen seien. Wie der «Corriere del Ticino» ergänzte, sei die App bis zu diesem Zeitpunkt 2.5 Millionen Mal heruntergeladen worden.

Einführung der SwissCovid-App

Aufgrund der Corona-Pandemie und den zu deren Eindämmung getroffenen Massnahmen konnte der Nationalfeiertag am 1. August 2020 vielerorts entweder gar nicht oder nur unter Einhaltung einschränkender Auflagen stattfinden. Insbesondere das Verbot von Veranstaltungen mit über 1'000 Personen machte es sowohl in städtischen als auch in ländlichen Gebieten schwierig, Festivitäten durchzuführen. In vielen Gemeinden mussten die Feiern abgesagt werden, nicht wenige, meist kleine Gemeinden, hielten aber auch an ihren teils originellen Durchführungsplänen fest – unter Einhaltung bestimmter Sicherheitsbedingungen (Abstandsregeln, Teilnahmebeschränkung und -registrierung, Hygieneregeln). Trotz dieser kleineren Feiern befürchtete der «Blick» im Vorfeld, dass der Erste August zu einem Ersten «AuFrust» verkommen könnte, seien doch die grösseren Bundesfeiern alle abgesagt worden – sogar jene auf dem Rütli, meinte die Zeitung vermeintlich. Tatsächlich fand die Rütli-Feier aber statt.

Und so wurde schliesslich der Nationalfeiertag in Coronazeiten begangen: In grösseren Städten wie Basel war laut der Basler Zeitung bereits im Mai klar, dass die übliche Bundesfeier mit Feuerwerk am Rhein nicht stattfinden würde, da die Obergrenze von 1'000 Personen rasch überschritten und das Rückverfolgen von Ansteckungsketten kaum möglich gewesen wäre. Nach anfänglichen Erwartungen, dass zumindest im Landkanton die Feiern beibehalten würden, zerstreuten sich im Juni auch dort die Hoffnungen: «Ein Jahr ohne Bundesfeier im Baselbiet» titelte die Basler Zeitung. Doch so schlimm sollte es nicht kommen: Schweizweit, auch in Basel-Landschaft, gab es Gemeinden, die ihre Bundesfeiern unter Einhaltung der vorgesehenen Schutzmassnahmen durchführen konnten. Wie das St. Galler Tagblatt berichtete, waren es in der Ostschweiz immerhin «gut zwei Dutzend» Gemeinden, welche eine Durchführung planten: So liess auch die St. Gallische Gemeinde Muolen verlauten, der 1. August finde statt – «ob Coronavirus oder nicht» –, denn das Bedürfnis der Bevölkerung, sich auszutauschen, sei gross, weshalb man ein Apéro durchführen wollte, zitierte die Zeitung den Muolener Gemeindepräsident Bernhard Keller (SG, cvp). Im aargauischen Baden gab es laut der Aargauer Zeitung zwar keine Feier, doch offerierte die Stadt der Bevölkerung eine Wurst und einen Lampion zum Mitnehmen, damit die Badener zu Hause feiern konnten. Auch in den Gemeinden Estavayer und Murten (FR) führte man eine Feier durch, verzichtete jedoch auf das normalerweise stattfindende Feuer, damit nicht unnötig Touristen angezogen wurden, so «Le Temps». Einige Gemeinden, etwa die Genfer Gemeinde Puplinge, setzten laut der «Tribune de Genève» auf dezentrale Feiern, also Feiern, die auf mehrere Standorte verteilt wurden, damit grössere Ansammlungen vermieden werden konnten. In Bellinzona (TI) fand die Feier mit Innenminister Alain Berset und Risotto statt, allerdings war eine Teilnahme nur auf Anmeldung möglich, wie der «Corriere del Ticino» berichtete. Im Appenzell zierte auch dieses Jahr die 700 Kilogramm schwere Schweizerfahne das Antlitz des Säntis, wegen drohendem Unwetter allerdings nur wenige Stunden.

Und schliesslich wurde auch auf dem Rütli gefeiert, wenn auch in vergleichsweise kleinem Ausmass und unter Ausschluss der Öffentlichkeit: Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga ehrte in einer Ansprache vor 200 geladenen Personen insgesamt 54 stellvertretend für die ganze Schweiz gewählte «Helden und Heldinnen» des Alltags. Wie der Sonntags-Blick nach der Feier berichtete, wurde dabei, ganz im Zeichen der Pandemie, jenen Schweizerinnen und Schweizern gedankt, welche dabei halfen, die Krise zu bewältigen: Gesundheits-, Verkaufs- oder Bildungspersonal, Buschauffeurinnen und -chauffeure ebenso wie hilfsbereite Nachbarinnen und Nachbarn. Diese hätten gezeigt, dass die Schweiz «verhäbt», zitierte die Zeitung die Bundespräsidentin.

Erster August

Les mesures prises face à la pandémie de coronavirus, et notamment la fermeture des structures d'accueil extrafamilial ont fait la part belle au débat sur le travail domestique relatif aux enfants dans la presse des mois d'avril et de mai.
Concernant les crèches, pas d'unité nationale ni pour les fermetures, ni pour le dédommagement des parents ou des structures. Une question dont le Parlement s'est d'ailleurs saisi, soulignant par exemple les différences de financement entre la Suisse-allemande et la Suisse romande. Plusieurs de ces structures se sont dites inquiètes de l'éventuel manque à gagner.
La question du genre et de l'inégalité qu'il crée en termes de prise en charge des enfants a été largement évoquée. Des parents révélaient être dépassés par l'ampleur des tâches que représentaient le télétravail en même temps que l'accompagnement des enfants dans leur travail scolaire ou leurs activités quotidiennes dans un contexte de semi-confinement. L'organisation féministe «Eidgenössische Kommission dini Mueter» a tiré la sonnette d'alarme dans une tribune publiée dans la WoZ: il incombe plus souvent aux femmes de prendre en charge les tâches de «care» au sein de la famille, de même qu'elles sont aussi fortement représentées dans les métiers de la santé et du soin. Plusieurs articles relataient des témoignages de pères ravis d'assister de manière plus intense au quotidien de leurs enfants, ayant ainsi l'occasion de les voir grandir, mais également se sentir soulagés de pouvoir retourner au travail.
La question de la vulnérabilité des enfants face au virus n'a pas toujours été claire. En début d'épidémie, Daniel Koch et Alain Berset avaient annoncé lors de conférences de presse que les enfants ne pouvaient être infectés, un verdict sur lequel ils sont revenus plus tard.
Les jeunes mères se sont retrouvées fragilisées pendant la période suivant la naissance de leur enfant, le suivi à domicile par les sage-femmes étant rendu plus difficile.
Enfin, pour les couples séparés se partageant la garde des enfants, la présence du virus et du risque d'infection ont parfois crispé les relations autour du droit de visite. Certains points de rencontre, ces lieux ou le parent qui n'a pas la garde de l'enfant et représentant un danger pour l'autre peut rencontrer son enfant sous surveillance des autorités, ayant été fermés.

Enfants et corona

Der vielbeschworene Röstigraben machte sich auch im Umgang mit der Corona-Pandemie bemerkbar, zumal er sich auch in den Infektionszahlen der betroffenen Kantone niederschlug. In der Folge sprachen die Zeitungen im April 2020 von einem Coronagraben.

Während die Politik in der Deutschschweiz auf eine rasche Lockerung der im März vom Bundesrat verordneten Massnahmen zur Einschränkung des Virus pochte, befürchtete man in der Westschweiz und im Tessin, dass die Lockerungen zu schnell kämen. «Le Temps» schrieb, in der Deutschschweiz, wo sich die Lage schneller beruhigt habe, sorge man sich vermehrt um die Wirtschaft, derweil hohe Infektionszahlen im Tessin und der Romandie noch immer Sorge bereiteten. Wie die Aargauer Zeitung anhand von Zahlen des BAG darlegte, war diese Diskrepanz darauf zurückzuführen, dass die Romandie und insbesondere das Tessin bereits von Beginn weg ausgeprägter von der Pandemie getroffen worden waren. Ende April verzeichnete beispielsweise der Kanton Genf 5024, das Tessin 3144 und die Waadt 5309 Fälle. Auch in den Kantonen Zürich und Bern waren die Zahlen mit 3305 und 1717 Fällen zwar hoch, in Luzern mit 646, in Uri oder Schaffhausen mit lediglich 75 respektive 73 Fällen hingegen deutlich tiefer. Etwas stärker betroffen waren wiederum die Grenzkantone Graubünden (780), Wallis (1793) sowie Basel-Stadt (1094).

Begründet wurden die höheren Zahlen in der lateinischen Schweiz mit der geographischen Nähe zu Italien respektive Frankreich, wo sich das Virus früher und stärker ausgebreitet hatte. So schlage sich das Reiseverhalten in den Zahlen nieder: Die Romands würden eher nach Frankreich fahren, die Tessinerinnen und Tessiner nach Italien, die Deutschschweizer und -schweizerinnen hingegen nach Deutschland oder Österreich, wo die Zahlen eben tiefer waren, analysierte die Presse. Umgekehrt reisten Grenzgängerinnen und Grenzgänger aus den Nachbarländern in die entsprechenden Kantone ein. Einen weiteren Grund meinte der Publizist Peter Rothenbühler auch in abweichenden Verhaltensweisen zu erkennen: Die Romands würden das «Recht auf ein lustvolles Leben» beanspruchen, seien näher am Leben und kontaktfreudiger als die Deutschschweizer, deren Lebensstil auf etwas mehr Distanz beruhe, wie er in der Aargauer Zeitung in einem Interview betonte.
Bereits vor dem Lockdown von der restlichen Schweiz unverstanden fühlte sich das wegen seiner Nähe zu Italien anfänglich stärker betroffene Tessin, das früh härtere Massnahmen zur Eindämmung des Virus gefordert hatte. Zwar akzeptierte der Bundesrat mit den landesweit verhängten Massnahmen im März auch die Forderungen des Tessiner Kantonsrats nach einer Grenzschliessung zu Italien, zudem folgte später eine Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr; jedoch hätte sich das Tessin gemäss Medien mehr Verständnis von Bundesbern gewünscht. So habe man den Tessinern in Bern aufgrund ihrer Forderungen noch im März «ins Gesicht gelacht», kritisierte der Tessiner Gesundheitsdirektor Raffaele de Rosa (TI, cvp) laut Aargauer Zeitung. Schliesslich sei auch der Besuch von Bundesrat Berset und dem damaligen Leiter der Abteilung für übertragbare Krankheiten beim BAG, Daniel Koch, Mitte März gemäss alt-Regierungsrat Paolo Beltraminelli (TI, cvp) viel zu spät erfolgt.

Coronagraben
Dossier: Politischen Gräben in der Schweiz

In verschiedenen Medienbeiträgen sowie Kommentaren aus Politik und Gesellschaft wurde im ersten Halbjahr darüber gemutmasst, inwiefern die Coronakrise die Welt und damit auch die Schweiz nachhaltig prägen werde. Besonders häufig thematisiert wurden das kapitalistische Wirtschaftssystem und die Globalisierung.

Bereits die zur Eindämmung der Pandemie getroffenen Massnahmen im März stellten «so ziemlich alles auf den Kopf» (Sonntags-Blick) und so war schon früh von «einer Schweiz vor» und «einer Schweiz nach» Corona die Rede. Ähnliche Einschätzungen verkündete auch Bundesrat Berset: Dieser sprach Ende Mai nach Bekanntgabe massgeblicher Lockerungen der Massnahmen an einer Pressekonferenz von einer kommenden «neuen Normalität», in welcher die Bevölkerung mit dem Virus zu leben lernen müsse. Die Aargauer Zeitung griff diese vom Bundesrat ausgerufene «neue Normalität» auf und listete Punkte auf, welche die Schweiz trotz Lockerung der Massnahmen in der kommenden Zeit beibehalten sollte. Es wurde etwa zur Stärkung des Lokalgewerbes aufgerufen, Homeoffice und Heimunterricht als nicht nur gesundheits- sondern auch umweltschonende Alternativen zum courant normal gelobt und mehr Wertschätzung für das Pflegepersonal gefordert. Hinzu kamen Forderungen, auch nach Corona weniger zu fliegen (die internationale Luftfahrt wurde von der Pandemie besonders getroffen) und, damit verbunden, mehr Ferien und Ausflüge in der Schweiz zu machen, um den von der Krise gebeutelten hiesigen Tourismussektor zu unterstützen. Zuletzt wünschte sich der Autor, die Solidarität möge doch weiterhin gelebt werden und die Ruhe, welche vielerorts während des Lockdowns eingekehrt war, möge noch etwas Andauern.
Ebenfalls in der Aargauer Zeitung meinte die Philosophin Annemarie Pieper in einem Interview, die Krise werde uns weniger kapitalistisch denken lassen. Durch den Lockdown, welcher für die Wirtschaft einschneidende Folgen hatte, sei die Gesundheit der Menschen in den Fokus gerückt. Globale Lieferketten seien unterbrochen, lokale Gewerbe und Produktionsmöglichkeiten dadurch wichtiger geworden. Dies, so Pieper, fördere nachhaltige Denkmuster, die längerfristig und damit über Corona hinaus bedeutsam bleiben könnten.
In der Basler Zeitung betonte auch Nationalrätin Maya Graf (gp, BL) den Stellenwert des Lokalgewerbes. Der anfänglich befürchtete Medikamenten- und Schutzmaskenmangel mache sichtbar, wie stark die Schweiz von ausländischen Produzenten wie China oder Indien abhängig sei, weshalb Graf bekräftigte, lokales Gewerbe müsse geschützt und regionale Wirtschaftskreisläufe gestärkt werden. Zudem sah sie in der Krise eine Chance, Schwachstellen auszumachen und zu beheben. Nachholbedarf gebe es laut Graf etwa bei der Digitalisierung (nicht alle Unternehmen und Schulen waren auf die Umstellung auf Homeoffice respektive Fernunterricht vorbereitet) oder bei den Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals, dessen Relevanz durch Corona verdeutlicht wurde.
In der Weltwoche wurde das vorherrschende Wirtschaftsmodell der Welt «weder [als] gross noch grossartig», sondern als «Geldmaschine für multinationale Konzerne» beschrieben. Der Weltwoche-Autor erhoffte sich zudem, dass das Virus die Menschen nicht nur krank mache, sondern wieder mit mehr Menschlichkeit und Vernunft «infizierte», die den Menschen in den letzten Jahren abhanden gekommen sei.
Auch Trendforscher Matthias Horx stufte das Virus als wegweisend für die Zukunft ein: Massnahmen zur Eindämmung des Virus, etwa das Social respektive Physical Distancing oder der gedrosselte internationale Austausch seien Anstoss, Distanz und Beziehungen neu zu definieren. Die globalen Verbindungen, seien es logistische, soziale oder politische, seien coronabedingt ge- aber nicht zerstört worden. Dies werde zu einer Neuorganisation dieser Verbindungen führen, deren Auswirkungen sich aber erst noch zeigen müssten.

Ausirkungen von Corona (Zukunftsprognosen)

Um die Jahreswende 2019/2020 blickte die ganze Welt gebannt auf die zentralchinesische Metropole Wuhan, wo sich eine bislang unbekannte Lungenkrankheit, deren Erreger sich als Coronavirus (Sars-CoV-2) entpuppte, rasend schnell ausbreitete. Nachdem Covid-19 – die Krankheit, die durch das Virus ausgelöst wird – Europa erreicht hatte, verschärfte der Bundesrat Ende Januar 2020 die Meldepflicht zum Virus. Zudem richtete das BAG eine kostenlose Hotline ein, um der Bevölkerung die Möglichkeit zu geben, Fragen im Zusammenhang mit Covid-19 stellen zu können.

Am 25. Februar wurde in der Schweiz erstmals eine Person positiv auf den Erreger getestet und in den folgenden Tagen verbreitete sich das Virus hierzulande in allen Sprachregionen. Als Reaktion lancierte das BAG am 27. Februar die Kampagne «So schützen wir uns», bestehend aus Plakaten, Flugblättern, einer Telefonhotline und einem Internetauftritt zum Coronavirus.

Am 28. Februar stufte die Landesregierung die Situation gemäss Epidemiengesetz als «besonders» ein und verabschiedete die Verordnung über «Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (Covid-19)». Aufgrund der besonderen Lage erhielt der Bundesrat die Kompetenz, weitreichende Massnahmen gegenüber einzelnen Personen und der ganzen Bevölkerung zu erlassen – was er in der Folge auch tat. In einem ersten Schritt verhängte er im Rahmen der Verordnung ein Verbot für das Zusammenkommen von über 1’000 Personen bis Mitte März 2020, woraufhin die Organisatorinnen und Organisatoren zahlreicher Events ihre Anlässe absagen mussten.

Angesichts der sich verschärfenden Situation entschied das BAG am 2. März, die bisher für die Kampagne «So schützen wir uns» verwendete Farbe Gelb durch Rot zu ersetzen und die Hygieneregeln zu erweitern. Einen Tag darauf verkündete das Bundesamt die künftige Vergütung des Diagnostiktests zu Covid-19 mit CHF 180 durch die OKP.

Am 5. März musste die Schweiz erstmals ein Todesopfer aufgrund von Covid-19 beklagen. Es handelte sich dabei um eine 74-jährige Frau, die im Universitätsspital Lausanne verstarb. Gut eine Woche später – am 11. März – erklärte die WHO die Lage rund um die Infektionskrankheit zur Pandemie.

Das Tessin, welches aufgrund seiner Nähe zu Italien, in dem das Virus bereits sehr früh sehr viel stärker tobte, ebenfalls deutlich früher von der Corona-Pandemie getroffen wurde als der Rest der Schweiz, rief am 11. März den Notstand aus. Dabei entschied sich die Kantonsregierung, Kinos, Theater, Skigebiete sowie Gymnasien und Hochschulen, nicht aber die obligatorischen Schulen, zu schliessen. Bereits zuvor hatte die Kantonsregierung mehrfach die Schliessung der Grenze zu Italien gefordert. Auch Sportveranstaltungen und Trainings durften nicht mehr durchgeführt werden, weshalb die Chefetagen der Schweizer Eishockeyclubs am darauffolgenden Tag entschieden, die Meisterschaft 2019/2020 abzubrechen. Diesem Entscheid folgten die beiden höchsten Fussballligen der Schweiz am 13. März zumindest teilweise, indem sie bekannt gaben, die Saison vorläufig bis Ende April auf Eis zu legen.

Auf nationaler Ebene unternahm der Bundesrat am Freitag, 13. März 2020 weitere Verschärfungen, indem er die Grenzen zwar nicht schloss, in einer zweiten Verordnung aber Reiseeinschränkungen aus Risikoländern festlegte. Zudem untersagte er Veranstaltungen mit mehr als 100 Personen bis Ende März 2020 und führte für Restaurants, Diskotheken und Bars eine Obergrenze von 50 Personen ein. Um die wirtschaftlichen Folgen der getroffenen Massnahmen zu dämpfen, erleichterte die Regierung im Rahmen der Covid-19-Verordnung «Arbeitslosenversicherung» den Zugang zu Kurzarbeit mit dem Ziel, die Lohnfortzahlung der Mitarbeitenden zu sichern und Massenentlassungen zu verhindern. Dazu gestand sie dem ALV-Fonds zudem dringlich CHF 8 Mrd. für die Kurzarbeit zu. Ferner wurde der Präsenzunterricht an Schulen bis zum 19. April 2020 gestoppt.

Die Pandemie wurde langsam, aber sicher auch für die Schweizer Tourismusbranche spürbar. So wurde der Skisaison am 14. März ein abruptes Ende gesetzt und praktisch alle touristischen Bergbahnen wurden stillgelegt.

Im Verlaufe der Woche spitzte sich die Lage weiter zu und über das Wochenende stiegen die Fallzahlen massiv an. Dies bewog die beiden Büros des National- und Ständerats am Sonntag, 15. März 2020, dazu, die laufende Frühjahrssession auf Antrag der Verwaltungsdelegation nach der zweiten Woche abzubrechen. Am darauffolgenden Tag rief der Bundesrat die ausserordentliche Lage und den sogenannten Lockdown aus. Die ausserordentliche Lage ist die dritte von drei Stufen des seit 2016 existierenden Epidemiengesetzes. Sie gesteht dem Bundesrat die Kompetenz zu, zeitlich begrenzte Verordnungen zu erlassen, ohne dass dafür eine gesetzliche Grundlage vorhanden ist. Zudem kann sich der Bundesrat auf seine Notverordnungskompetenz oder sein Notrecht (Art. 185 BV) stützen, das bei Gefahr einer schweren Störung der öffentlichen Ordnung oder der inneren oder äusseren Sicherheit anwendbar wird.
In einer Medienkonferenz richtete Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga ernste Worte an die Nation: Es müsse nun «ein Ruck durch unser Land gehen», verkündete sie in allen vier Landessprachen. Die bereits verabschiedeten Massnahmen seien teilweise ungenügend befolgt worden, nun werde die ganze Bevölkerung gebraucht: Jede und jeder müsse sich an die Massnahmen halten. Denn nur so könne die Verbreitung des Virus verlangsamt werden. Dies sei ausgesprochen wichtig, um weiterhin genügend freie Kapazitäten in den Spitälern gewährleisten und einen Engpass vermeiden zu können.

Konkret bedeutete der Ausruf der ausserordentlichen Lage, dass der Bundesrat nun in allen Kantonen einheitliche Massnahmen anordnen konnte. Damit verbunden waren die Schliessung sämtlicher Läden, Märkte, Restaurants, Bars wie auch Unterhaltungs- und Freizeitbetriebe. Offen blieben hingegen Lebensmittelläden und Gesundheitseinrichtungen, was zu einer Debatte darüber führte, welches denn nun die essentiellen Berufe seien und wie diese entlöhnt werden sollen. Auch Betriebe, in denen das Abstandwahren nicht möglich ist, waren von dieser Regelung betroffen. Kirchen und andere Gotteshäuser durften zwar offen bleiben, jedoch wurden Gottesdienste und andere religiöse Veranstaltungen verboten. Obwohl der Bundesrat erklärte, dass die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und anderen essentiellen Gütern wie Medikamenten sichergestellt sei, kam es in der Folge zu Hamsterkäufen. Ebenfalls erliess der Bundesrat ein Verbot von Veranstaltungen im öffentlichen und im privaten Rahmen, das – wie sich zeigen sollte – von der Kultur bis hin zum Sport seine Spuren hinterliess. Am Fahrplan des öffentlichen Verkehrs wurden in einem bis anhin unbekannten Ausmass Ausdünnungen vorgenommen. Gesundheitsminister Berset rief zum Abstandhalten auf. Unnötige Kontakte sollten vermieden und Hygienemassnahmen eingehalten werden. Insbesondere ältere Menschen seien dazu angehalten, zuhause zu bleiben. Social Distancing – so der Ausdruck, der sich in den Folgemonaten durchsetzte – könne Leben retten. Es bedürfe nun Solidarität zwischen den Generationen und gegenüber den kranken Menschen. Diese Solidarität zeigte sich in der Folge durch unzählige freiwillige Hilfsangebote, etwa für Einkäufe für Menschen in Quarantäne oder Angehörige der Risikogruppe oder für Kinderbetreuungen für Eltern in der Pflegebranche oder ohne Kinderbetreuungsmöglichkeiten.

Die Kantone wurden damit beauftragt, ein Betreuungsangebot für Kinder zur Verfügung zu stellen, die nicht auf privater Basis betreut werden konnten. Nur wenn andere Betreuungsangebote bestünden, dürften Kinderkrippen geschlossen werden. Um den Kantonen in Sachen Spitäler, Logistik und im Sicherheitsbereich unter die Arme zu greifen, segnete der Bundesrat den Einsatz von bis zu 8'000 Mitgliedern der Armee ab. Dabei handelte es sich gemäss Verteidigungsministerin Viola Amherd um die grösste Mobilmachung seit dem Zweiten Weltkrieg. Weiter führte die Landesregierung neben den bereits seit dem 13. März existierenden Kontrollen an der Grenze zu Italien auch an denjenigen zu Deutschland, Frankreich und Österreich Kontrollen ein. Die Einreise aus den Nachbarländern mit Ausnahme von Liechtenstein wurde ausserdem nur noch Schweizer Bürgerinnen und Bürgern, Ausländerinnen und Ausländern mit einem Aufenthaltstitel und in der Schweiz arbeitenden Grenzgängerinnen und Grenzgängern sowie Personen, die sich in einer «Situation absoluter Notwendigkeit» befanden, gestattet. Damit beabsichtigte der Bundesrat, den Schutz der Schweizer Bevölkerung zu gewährleisten und die Kapazitäten des Schweizer Gesundheitswesens aufrechtzuerhalten. Sich im Ausland befindlichen Schweizer Reisenden legte die Regierung nahe, in die Schweiz zurückzukehren, und organisierte in diesem Zusammenhang Rückholaktionen.

Da der Bundesrat die Ansicht vertrat, dass die freie Meinungsbildung unter den gegebenen Umständen nicht gewährleistet sei, sagte er am 18. März die für den 17. Mai 2020 angesetzten Volksabstimmungen ab. Das letzte und bisher einzige Mal in der Geschichte der Schweizer Demokratie war dies 1951 aufgrund der Maul- und Klauenseuche passiert, wie die Medien berichteten.

Zwei Tage später – am 20. März – zog die Regierung die Schraube noch einmal an. Menschenansammlungen von mehr als fünf Personen im öffentlichen Raum wurden verboten. Zudem sei zwischen Personen stets ein Abstand von mindestens zwei Metern einzuhalten. Bei Nicht-Befolgen dieser Regelungen könne die Polizei Ordnungsbussen verteilen. Die Leute sollen abgesehen vom Erledigen von Einkäufen, Arztbesuchen oder der Unterstützungsleistung anderer Personen dringend zuhause bleiben. Dies gelte insbesondere für Kranke und über 65-Jährige, welche das BAG zur Risikokategorie zählte. Dadurch sollten Risikopatientinnen und -patienten besser geschützt werden und es sollte verhindert werden, dass die Intensivstationen in den Krankenhäusern überlastet würden. Dasselbe Ziel verfolgte ein Durchführungsverbot von nicht dringend notwendigen Untersuchungen, Eingriffen und Therapien in medizinischen Einrichtungen.

Aufgrund der stetigen Zunahme der Infizierten wurden die Spitäler stark gefordert und stiessen mit den personellen Ressourcen an ihre Grenzen. Daher beschloss der Bundesrat weiter, für die betroffenen Bereiche die Bestimmungen zu Arbeits- und Ruhezeiten solange aufzuheben, wie es die Situation verlangte. Dies sorgte für Unverständnis von verschiedener Seite und es wurde eine Online-Petition lanciert, mit welcher der Bundesrat dazu aufgefordert wurde, den Entscheid rückgängig zu machen. Der restlichen erwerbstätigen Bevölkerung empfahl die Regierung, falls sich dies mit ihrer Arbeitsstelle vereinbaren liess, von zuhause aus zu arbeiten. Konnten die auszuführenden Tätigkeiten nicht im Homeoffice erledigt werden, mussten die Arbeitgebenden dafür sorgen, dass die Empfehlungen des BAG bezüglich Hygienemassnahmen und sozialer Distanz eingehalten wurden; Personen, die zur Risikogruppe zählten, sollten in diesem Fall unter Lohnfortzahlung beurlaubt werden.

Gleichentags beschloss die Regierung ein Massnahmenpaket über Nachtragskredite in der Höhe von CHF 11.7 Mrd. und Verpflichtungskredite von CHF 20 Mrd., um die wirtschaftlichen Folgen der Ausbreitung von Covid-19 abzufedern. Im Rahmen der Sozialversicherungen wurde die Kurzarbeit auf zusätzliche Anspruchsgruppen, unter anderem Lehrlinge, Angestellte mit nicht kündbaren temporären Arbeitsverträgen, Personen im Dienst von Temporärarbeitsfirmen sowie arbeitgeberähnliche Angestellte, ausgeweitet und die Karenzfrist aufgehoben. Auch den Zugang zu Erwerbsersatz erweiterte der Bundesrat mittels einer entsprechenden Verordnung in gewissen Fällen auf Selbständigerwerbende. Den von der Pandemie gebeutelten Kulturschaffenden wurde mit CHF 280 Mio. unter die Arme gegriffen und Sportorganisationen CHF 100 Mio. zugesichert, um zu verhindern, dass durch das Einstellen des Meisterschaftsbetriebes die Sportlandschaft «massiv in ihren Strukturen geschädigt wird». Bezüglich des ebenfalls durch das Coronavirus stark betroffenen Tourismus würden bereits seit Februar 2020 Sofortmassnahmen, insbesondere Informations- und Beratungsaktivitäten sowie Massnahmen zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen, umgesetzt, liess der Bundesrat in seiner Medienmitteilung verlauten.

Dass das Coronavirus auch vor den Institutionen des politischen Systems der Schweiz nicht haltmachte, zeigte sich nicht nur an der abgebrochenen Frühjahrssession des Parlaments, sondern auch im Bereich des Justizwesens. Um voll funktionsfähig bleiben und sich auf die besonderen Umstände einstellen zu können – ersteres sei «gerade in der Zeit der Verunsicherung» besonders essentiell –, wurde der Beginn der Gerichtsferien, die für die Ostertage angesetzt waren, bereits auf den 21. März vorverschoben. Da die Einschränkung von Menschenansammlungen und Freizeitaktivitäten in einem gewissen Zielkonflikt mit dem Sammeln von Unterschriften stand, veranlasste der Bundesrat einen Fristenstillstand vom 21. März bis zum 31. Mai; während dieser Zeit war es untersagt, Unterschriften für Volksinitiativen und Referenden zu sammeln, dafür wurden die entsprechenden Sammelfristen verlängert.

In Folge der aufgrund der ausserordentlichen Lage verordneten Schliessungen von zahlreichen Betrieben wurde die Frage aufgeworfen, wer für die Geschäftsmieten aufkommen müsse, wobei Mietende und Vermietende diesbezüglich unterschiedliche Ansichten hatten. Um offene Fragen im Mietrecht zu klären, setzte der Bundesrat am 24. März eine Task Force unter der Leitung des BWO ein. Gute zwei Wochen später liess er jedoch verlauten, dass er sich nicht in die vertraglichen Beziehungen zwischen Privaten einmischen wolle. Dies führte in der Folge zu langen Diskussionen zwischen Mietenden und Vermietenden.

Am 25. März gab der Bundesrat bekannt, Verfeinerungen an den Sozialversicherungsmassnahmen in den Bereichen der Arbeitslosenversicherung und der beruflichen Vorsorge vorgenommen zu haben. Damit sollten unter anderem die Aussteuerung von Arbeitssuchenden und die Kündigung von 200'000 Personen verhindert werden. Um nicht nur deren Kündigung zu vermeiden, sondern auch den KMU die Bewältigung der Coronakrise zu ermöglichen, richtete die Landesregierung zudem zusammen mit der SNB und der FINMA, der Finanzdelegation der Eidgenössischen Räte und den Banken Überbrückungskredite ein, die ab dem 26. März bezogen werden konnten. Am 3. April beschloss der Bundesrat, den dafür nötigen Verpflichtungskredit von CHF 20 Mrd. auf CHF 40 Mrd. aufzustocken. Die Steuerverwaltung gab zudem bekannt, in bestimmten Bereichen von Verzugszinsen abzusehen, sodass Härtefälle vermieden werden könnten. Während die Medien die Schritte grösstenteils begrüssten, welche die Landesregierung im Zusammenhang mit der Coronakrise unternahm, äusserten sie sich zugleich auch besorgt über deren Auswirkungen auf die Bundesfinanzen.

Im Hinblick auf den Umzugstermin vom 31. März legte der Bundesrat in seiner Covid-19-Verordnung Miete und Pacht am 27. März fest, dass Umzüge immer noch durchgeführt werden könnten, sofern die Empfehlungen des BAG eingehalten würden. Zudem verlängerte er die Zahlungsfristen bei Zahlungsrückständen auf Miet- und Pachtzinse von 30 auf 90 respektive von 60 auf 120 Tage, wenn die Zahlungsrückstände auf Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus zurückzuführen seien.

Anfang April erliess der Bundesrat eine weitere Verordnung, mit der die notwendigen Massnahmen getroffen werden sollten, um eine angemessene Unterbringung von Asylsuchenden und die Durchführung von Asylverfahren sicherzustellen, nachdem Hilfswerke bereits seit Anfang März kritisiert hatten, dass die zur Eindämmung des Coronavirus getroffenen Massnahmen in Asylzentren vielerorts kaum oder gar nicht umsetzbar seien.
Anlässlich des Amtsantrittes des neuen SBB-CEO Vincent Ducrot in demselben Zeitraum berichteten die Medien überdies, dass das Coronavirus auch bei den Bundesbahnen sichtbare Spuren hinterlassen habe. So seien die Passagierzahlen um 80 bis 90 Prozent eingebrochen und etwa 150'000 Personen hätten vorübergehend ihr GA hinterlegt, nachdem der Fahrplan des öffentlichen Verkehrs um gut ein Viertel der Züge ausgedünnt worden war.

Erstmals etwas aufwärts ging es dann am 6. April, als die Büros des National- und Ständerates verlauten liessen, dass sich die Kommissionen der beiden Räte wieder für Sitzungen treffen dürften. Ausserdem wurde bekannt gegeben, dass auf Anfang Mai eine ausserordentliche Session für dringende Geschäfte im Zusammenhang mit dem Coronavirus angesetzt worden sei. Am 8. April wurden die bestehenden Massnahmen der ausserordentlichen Lage vom 19. April auf den 26. April verlängert. Anschliessend seien etappenweise Lockerungen vorgesehen, da die Umsetzung der Massnahmen bisher gut verlaufen sei und die Massnahmen Wirkung gezeigt hätten, so der Bundesrat.

Verlauf und Bekämpfung der Covid-19-Pandemie
Dossier: Covid-19 – Wirtschaftliche und finanzielle Folgen

Mehrmals bezog Schriftsteller und Literaturpreisträger Lukas Bärfuss mittels eines Essays im Sonntags-Blick zur Corona-Krise kritisch Stellung. Dabei bemängelte er die Wirtschaftspolitik, verwies auf die Fragilität der Demokratie und postulierte eine Rückbesinnung auf humanistische Werte.

Es sei schwierig, meinte Bärfuss im März, den Grad der Bedrohung durch den Virus zu erfassen, doch habe die Krise andere Dinge offengelegt: Die Macht des Staates und die Nebensächlichkeit der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit. Im Nu habe Bundesrat Berset die Massnahmen zur Bekämpfung der Pandemie verkündet, wodurch zwangsläufig Teile der Verfassung ausser Kraft gesetzt und die Wirtschaft weitgehend stillgelegt wurden. Die Allmacht des Staates, so Bärfuss' Folgerung, sei damit auch in der Demokratie absolut und die Behauptung, die viel gelobte wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit – «der Heilige Gral der modernen Gesellschaft» – sei essenziell für den Schweizer Wohlstand, habe sich als falsch herausgestellt. Alle seien aufeinander angewiesen, und so sei nicht die Konkurrenz oder der Wettbewerb sondern vielmehr die Kooperation Voraussetzung für eine prosperierende Gesellschaft, sinnierte der Schriftsteller.
Im Mai dann stellte Bärfuss fest: Wider aller Erwartungen seien in der Schweiz die Demokratie, humanistische Werte und die Marktwirtschaft nicht unantastbar, wie die ausserordentliche Lage während den letzten Monaten gezeigt habe. Er bezeichnete die Tage seit der Verkündung des Lockdowns am 15. März als Tage ohne Demokratie, bedingt durch die Beurlaubung des Parlaments und beschlossen lediglich durch ein «paar Frauen und Männer», nicht etwa per demokratischer Abstimmung. Das Parlament, die Legislative, habe das Land allein dem Bundesrat, der Exekutive, überlassen.
Die Milliardenkredite für die Wirtschaft hätten zudem gezeigt, dass das Wohl des Landes Synonym sei mit dem Wohl der Finanzwirtschaft. Anstatt Kredite zu sprechen, so forderte Bärfuss, müsse die Politik die reichen Aktiengesellschaften zwingen, den finanziellen Schaden mitzutragen, denn diese hätten bisher ja auch genug Geld gehabt, um Millionengehälter zu zahlen. Es sei falsch, dass nun für die Gehälter der einfachen Mitarbeiter ebendieser Unternehmen Gelder aus der von der Allgemeinheit finanzierten Arbeitslosenkasse bezogen würden. Der Mensch sei in der Krise zu einem Kostenfaktor verkommen, humanistische Werte würden kaum noch zählen.
Zum Schluss warf der Intellektuelle der Wirtschaft eventualvorsätzliches Handeln vor und verlangte nach einer Wirtschaft, welche externe Risiken und Kosten vollumfänglich in ihren Betrieb integriere. Zudem hoffte er, dass mit der Wiederinbetriebnahme des Parlaments am 4. Mai eine humanistisch geprägte Revolution losgetreten würde – damit das Menschenbild in der Schweiz den einzelnen Menschen, egal welcher Herkunft oder welchen Geschlechts oder Alters, auch ins Zentrum der Politik stelle.

Ähnlich scharf kritisierte Bärfuss etwa zeitgleich in einem in der Deutschen Wochenzeitschrift «Der Spiegel» publizierten Essay den Schweizer Umgang mit dem Virus: «Das Kapital hat nichts zu befürchten, der Mensch schon», lautete der Titel seines Artikels. Unnötig viele Menschen würden in der Schweiz sterben, prophezeite Bärfuss, doch werde das Land dies verkraften. Schlimmer als der Verlust der Grosseltern und Schwachen, so sein Vorwurf, sei die Angst vor dem wirtschaftlichen Abstieg.
Während Bärfuss' Essays im «Sonntags-Blick» in der hiesigen Presse kaum direkte Reaktionen auslösten, bezog man im «Bund» und «Tages-Anzeiger» unterdessen Stellung zu seiner «faktenwidrigen» und «klugscheisserischen Polemik» im «Spiegel» (Tages-Anzeiger). Bärfuss, so der «Tages-Anzeiger» weiter, sei berufsempört und versuche Knallpetarden gegen die Schweiz zu werfen. Etwas sanfter fiel die Kritik im «Bund» aus, wo man gar einräumte, dass nicht alle Behauptungen Bärfuss' falsch waren, jedoch festhielt, dass seine Kapitalismuskritik unnötig sei und von der eigentlichen Sache ablenke. Erst einmal gehe es darum, effizient und geschlossen zu handeln; sein «polternd-polemisches Systembashing» sei kein Lösungsansatz, damit warte man besser bis nach der Krise.

Lukas Bärfuss Essays im Sonntags-Blick

Im Durchschnitt stieg die mittlere Prämie der Krankenkassen-Grundversicherung 2020 nur um 0.2 Prozent. Dies stellte den zweitniedrigsten Anstieg seit der Einführung des KVG 1996 dar – auch wenn die Werte aufgrund der Änderung der Berechnungsmethode 2018 nicht direkt mit den Vorjahren vergleichbar sind. Dieser vergleichsweise tiefe Wert wäre an sich eine gute Nachricht, jedoch war man sich in Medien und Politik einig: Um auch zukünftig einen tiefen Prämienanstieg zu verzeichnen, brauche es weitere Massnahmen. Man dürfe jetzt keinesfalls nachlassen, erklärte auch Gesundheitsminister Berset. Es brauche immer wieder neue Massnahmen zur Dämpfung der Kosten, zumal ein gewisses Wachstum aufgrund der Alterung der Gesellschaft und des medizinisch-technischen Fortschritts unausweichlich sei. Dieses Ergebnis zeige aber, dass sich das Kostenwachstum eindämmen lasse. Als Mitgrund für diese Eindämmung erwähnte er explizit den Tarmed-Eingriff sowie die regelmässigen Preisreduktionen bei Medikamenten des Bundesrates seit 2012, mit denen CHF 500 Mio. respektive CHF 1 Mrd. hätten eingespart werden können.
Getrübt wurde die Freude durch die Tatsache, dass sich der Prämienanstieg zwischen Krankenversicherungen, Franchisen, Versicherungsmodellen und zwischen den Kantonen stark unterschied. So sank die mittlere Prämie zwar in zehn Kantonen, in acht Kantonen stieg sie aber gar um mehr als 1 Prozent an. Besonders kritisch war die regionale Verteilung dieser Unterschiede: Während die Prämien in der Deutschschweiz durchschnittlich um 0.15 Prozent anstiegen, nahmen sie in der Romandie um 0.5 Prozent und im Tessin um 2.5 Prozent zu. Den höchsten Anstieg verzeichnete der Kanton Neuenburg mit 2.9 Prozent. «Les Romands perdants», betonte Le Temps in der Folge. Entsprechend schlecht war auch die Stimmung in der Romandie, insbesondere im Kanton Genf, der zusammen mit dem Kanton Basel-Stadt die höchsten Prämien aufweist. Der Genfer Staatsrat Mauro Poggia (GE, mcg) verwies darauf, dass die Reserven der Krankenversicherungen stark angestiegen seien und 2018 mit CHF 9.4 Mrd. rund CHF 4.6 Mrd. höher gewesen seien als gesetzlich vorgeschrieben. Mit diesem Geld hätte man den Prämienanstieg vollständig verhindern können, betonte er. Als «Skandal» bezeichnete auch Jean-Paul Derouette, Präsident der Sektion Romande des Schweizerischen Verbands der Versicherten (Assuas) den Anstieg, zumal die Romands für die kleinen Deutschschweizer Kantone zahlen müssten. Damit verwies er auf den Vorwurf, dass die Krankenversicherungen die überschüssigen Reserven einzelner Kantone zum Ausgleich fehlender Reserven in anderen Kantonen nutzten, wie es der Kanton Genf bereits in einer Standesinitiative angeprangert hatte (Kt.Iv. 17.306). Dem widersprach Santésuisse, die betonte, der Prämienanstieg in den entsprechenden Kantonen sei auf steigende Gesundheitskosten zurückzuführen; so seien zum Beispiel die Gesundheitskosten in Neuenburg zwischen 2017 und 2018 um 4.6 Prozent gewachsen.
Doch nicht nur die ungleiche Verteilung der Prämienanstiege führte zu Kritik. «On paiera cela en 2021», vermutete Mauro Poggia zudem und warf dem Gesundheitsminister vor, die Prämien vor den eidgenössischen Wahlen 2019 absichtlich nicht stärker zu erhöhen – zumal die Krankenkassen gemäss Sorgenbarometer im Jahr 2019 die grösste Sorge der Bevölkerung gewesen seien (in der Tat belegten sie jedoch den zweiten Platz). Auch Nationalrat Samuel Bendahan (ps, VD) stellte in seinem Blog in «Le Temps» einen Zusammenhang zwischen dem geringen Prämienanstieg und den Wahlen fest. Die Tribune de Genève errechnete zudem mit den für die Änderung der Berechnungsart korrigierten Zahlen des BAG, dass in der Tat im Wahlherbst 2007 zum einzigen Mal überhaupt ein Prämienrückgang verzeichnet worden war. Nur in zwei von sechs Fällen seit 1997 hätten die Prämien vor den nationalen Wahlen den langjährigen Durchschnitt übertroffen.

Krankenkassenprämien 2020
Dossier: Prämien- und Kostenentwicklung in der Krankenversicherung (seit 2010)

Dem neuen Bundespräsidenten bzw. der neuen Bundespräsidentin kommt am Anfang des Amtsjahres jeweils die Aufgabe zu, die Inszenierung des jeweiligen Bundesratsfotos festzulegen. Für das Bundesratsfoto 2020 zeichnete entsprechend Simonetta Sommaruga verantwortlich. Vor einer alten Backsteinwand und von einem grossen Scheinwerfer beleuchtet, sitzen oder stehen die Magistratinnen und Magistraten zusammen mit dem Bundeskanzler auf einer schwarzen Bühne im Konzerttheater in Bern, ein Musikensemble darstellend, worauf im Hintergrund ein leerer Cello-Koffer hinweist. Eine gute Bundesratssitzung sei «wie ein gutes Konzert. Jeder gibt sein Bestes», war die von der Bundesrätin verfasste Botschaft zum neuen Bild, das auf der Rückseite mit einem QR-Code versehen ist, der auf von Sommaruga ausgewählte Musikstücke verlinkt.
Für die Medien ist das Portrait jeweils Anlass für Kommentare zum Regierungskollegium. Man könne in Anbetracht der Unstimmigkeiten in der EU-Politik kaum von einem Ensemble sprechen, urteilte etwa die Aargauer Zeitung. Der Tages-Anzeiger wusste zu berichten, dass das Ensemble aus lauter Solisten bestehe, seien doch Einzelportraits nicht vor Ort, sondern im Bundeshaus gemacht und anschliessend in einer Fotomontage zusammengestellt worden, was es unter anderem erlaubt habe, den Aussenminister gleich gross zu machen wie den Innenminister. In seiner Kolumne in der Weltwoche beschrieb Peter Bodenmann das Ensemble als «Gute-Nacht-Orchester»; da jede und jeder sein Bestes gebe, sei alles blockiert.
Für weitere Schlagzeilen sorgte die Recherche von Le Matin Dimanche: Die ursprüngliche Idee der Bundespräsidentin sei nämlich gewesen, die Bundesratsmitglieder in Beatles-Manier wie auf dem «Abbey-Road»-Cover abzulichten, um ihre Liebe zur Musik und die Bedeutung der Verkehrspolitik zu symbolisieren. Das Vorhaben sei allerdings gestoppt worden, weil Juristinnen und Juristen des Bundes Bedenken hinsichtlich Urheberrechts angemeldet hätten. Der Tages-Anzeiger unkte in der Folge, dass es besser gewesen sei, auf dieses Cover zu verzichten, hätten sich die Beatles doch nach diesem Album getrennt und hätten «keine Lust auf gemeinsames Schaffen» mehr gehabt.

Das jährliche Bundesratsfoto

Anfang September 2019 berichtete der Sonntagsblick darüber, dass verschiedene Ärzte für medizinische Gutachten für die IV über mehrere Jahre Millionenbeträge erhalten hätten. Angeführt wurden Beispiele von einer Ärztin und einem Arzt, denen die IV-Stellen in sechs Jahren CHF 1.86 Mio. respektive CHF 1.82 Mio. für Gutachten ausbezahlt hätten. Ein Gutachter habe in sieben Jahren gar CHF 3.1 Mio. erhalten, war in einem späteren Zeitungsbericht zu lesen.
Problematisch seien diese hohen Zahlungen, weil die Gutachterinnen und Gutachter deshalb nicht mehr unabhängig seien: Die Gefahr bestehe, dass sie im Sinne der IV-Stellen entschieden und deshalb seltener Rentenleistungen als gerechtfertigt einschätzten als andere Ärztinnen und Ärzte. Wer möglichst selten Arbeitsunfähigkeiten feststelle, würde von den IV-Stellen auch zukünftig vermehrt für Gutachten eingeladen, war die Vermutung der Medien. Diese Befürchtung untermauerte der Blick durch Zahlen von kantonalen IV-Stellen, die aufgrund des Öffentlichkeitsprinzips hatten zugänglich gemacht werden müssen: Im Kanton Basel-Landschaft zeige sich zum Beispiel, dass im ersten Halbjahr 2018 zwei Ärzte für ein Viertel der psychiatrischen Gutachten verantwortlich gewesen seien. Diese zwei Ärzte hätten in 26 Prozent der Fälle eine Arbeitsunfähigkeit ab 40 Prozent festgestellt, alle anderen Gutachter seien zusammen auf einen Anteil von 57 Prozent gekommen. In der Folge musste auch das BSV die Liste der zwischen 2012 und 2018 eingesetzten Gutachterinnen und Gutachter veröffentlichen, wobei sich ebenfalls eine einseitige Verteilung zeigte: 10 Prozent der Gutachtenden erhielten in dieser Zeit 73 Prozent des Auftragsvolumens.
Aufgrund der grossen Bedeutung, die den Gutachterinnen und Gutachtern im Rahmen der IV-Verfahren zukomme, sei deren fehlende Unabhängigkeit besonders stossend, argumentierten der Blick und in der Folge auch weitere Medien. So werde hauptsächlich aufgrund der Gutachten entschieden, ob jemand IV erhalte. «Die Gutachter erfüllen beinahe richterliche Funktionen», erklärte etwa Rainer Deecke, Präsident der Selbsthilfeorganisation für Schmerzkranke, touché.ch. Das BSV bezweifelte hingegen die fehlende Unabhängigkeit der Gutachterinnen und Gutachter und betonte, dass «mit einem prozentualen Anteil bestimmter Arbeitsunfähigkeitsgrade [...] sachlich fundiert keine qualitative Beurteilung einer Gutachtertätigkeit vorgenommen werden [könne]». Stattdessen verwies BSV-Sprecher Harald Sohns darauf, dass die Gutachten bis vors Bundesgericht Beweiskraft haben müssten und somit nicht willkürlich erstellt werden könnten.
Dass diese Beweiskraft jedoch nicht immer gegeben ist, zeigte die weitere Berichterstattung zu diesem Thema in den Medien. Diese berichteten in den nächsten Wochen von zahlreichen Personen, denen die IV-Rente unter anderem aufgrund von Rechtsgutachten aberkannt oder nicht zugesprochen wurde, die ihre Forderungen jedoch später vor Bundesgericht zumindest teilweise durchsetzen konnten. Gleichzeitig wurden weitere Probleme bezüglich der IV-Gutachten publik: Betroffene berichteten davon, dass ihre Aussagen in Gutachten verdreht worden seien oder dass sich die Gutachterinnen und Gutachter für ein Gespräch teilweise weniger als 30 Minuten Zeit genommen hätten. Ein Arzt erläuterte, dass er immer wieder praktisch identische Gutachten – sogennante «Copy/Paste-Gutachten» – zu Gesicht bekomme. Teilweise seien auch Ärztinnen und Ärzte aus Deutschland, welche die Situation in der Schweiz nicht kennen würden, hier kaum Rechenschaft ablegen müssten und nur Hochdeutsch verstünden, für Gutachten in die Schweiz geholt worden. Zudem gebe es Ungereimtheiten bei den Mehrdisziplinen-Gutachten, bei denen mindestens drei verschiedene medizinische Fachrichtungen einbezogen werden und die im Unterschied zu Ein- oder Zweidisziplinen-Gutachten zufällig vergeben würden. So arbeiteten beispielsweise verschiedene Ärzte des marktführenden Unternehmens bei verschiedenen Gutachterfirmen, womit die Zufallsvergabe teilweise umgangen worden sei.
Mitte Dezember 2019 berichteten die Medien schliesslich auch darüber, dass das BSV allen kantonalen IV-Stellen ein jährliches «Sparziel» definiere, gemäss dem sie die Zahl von Neurenten, die Gesamtrentenzahl sowie die Kosten pro Versicherten «halten» oder «senken» sollten. Entsprechend «prüfe [die IV] nicht mehr überall offen, auf welche Leistungen ein Versicherter Anspruch habe, sondern wie das Quotenziel erreicht werden [könne]», kritisierte Alex Fischer von der Behindertenselbsthilfe Procap. Das BSV verwies jedoch darauf, dass dies keine Sparvorgaben, sondern Leistungsziele seien und somit einen Teil des Aufsichts- und Steuerungsprozesses der IV darstellten. Alle Versicherten erhielten die ihnen gesetzlich zustehenden Leistungen, betonte das BSV. Die NZZ erklärte, dass diese Praxis auf die fünfte IV-Revision 2008 zurückzuführen sei. Seither müsse das BSV prüfen, ob die Integration in den Arbeitsmarkt funktioniere, wozu es ebendiese Kennzahlen verwende. Diese stellten somit nur einen «Wasserpegelmesser» dar und seien für die IV-Stellen nicht verbindlich, ihre Nichteinhaltung habe auch keine Folgen. Dennoch würden sie den Mitarbeitenden in einigen Kantonen kommuniziert, ergänzten die Medien.

Im Rahmen dieser Berichterstattung formulierten Behindertenverbände und Sozialversicherungsanwälte zahlreiche Forderungen, wie die Politik dieser Problematik begegnen solle. So brauche es schweizweite transparente Daten zu den IV-Gutachten mit Einbezug der Anteile an erklärten Arbeitsunfähigkeiten, eine Aufzeichnung der Gespräche und eine übergeordnete Qualitätskontrolle bei den Gutachten. Zudem sollten die IV-Stellen zukünftig nicht mehr entscheiden dürfen, wer die Gutachten erstelle; diese sollten nach Zufallsprinzip zugeteilt werden, wie es bei komplexen Gutachten mit drei oder mehr Ärzten aufgrund eines Bundesgerichtsurteils 2011 heute schon der Fall sei. Von diesen Massnahmen zeigten sich die Versicherungsmediziner nicht überzeugt. Bereits heute gebe es Instrumente, um gute und schlechte Gutachten zu unterscheiden. Tonbandaufnahmen würden hingegen zu neuen, langwierigen Rechtsauseinandersetzungen führen, bestmögliche Rahmenbedingungen für das Gespräch verhindern und zu einer verhörähnlichen Situation führen.
In der folgenden Wintersession 2019 überschlugen sich die Parlamentarierinnen und Parlamentarier förmlich mit Vorstössen zu diesem Thema. So reichten sie Anfragen oder Interpellationen zur üblichen Qualität der Gutachten ein (Frage Müller-Altermatt, cvp, SO; 19.5700) und stellten konkrete Fragen zu zwei im Zentrum der Berichterstattung stehenden Gutachtern (Ip. Roduit, cvp, VS; 19.4498 und Ip. Bertschy, glp, BE; 19.4481) und einem Unternehmen (Ip. Prelicz-Huber, gp, ZH; 19.4623) oder zu Ärzten, die an mehreren Gutachterstellen arbeiteten (Ip. Studer, evp, AG; 19.4592). Überdies wollten sie wissen, ob es gängige Praxis sei, dass IV-Stellen nur bei Attesten einer Arbeitsunfähigkeit, nicht aber bei Arbeitsfähigkeit Nachfragen stellten (Frage Roduit; 19.5647), ob die Quotenziele des BSV mit dem Rechtsanspruch auf IV in Konflikt stünden (Ip. Graf, gp, BL; 19.4636), ob zukünftig alle IV-Gutachten zufällig vergeben werden könnten (Ip. Lohr, cvp, TG; 19.4469) und was der Bundesrat allgemein tue, um die Situation zu verbessern (Ip. Wasserfallen, sp, BE; 19.4513). Überdies stellten sie Fragen zur von Bundesrat Berset angekündigten externen Untersuchung (Ip. Studer; 19.4593). So hatte der Gesundheitsminister im Rahmen der Fragestunde erklärt, eine detaillierte Analyse der Situation und der notwendigen Massnahmen in Auftrag gegeben zu haben.
Darüber hinaus dürfte die Medienberichterstattung auch in die Beratung der Weiterentwicklung der IV in der Wintersession 2019 eingeflossen sein. Da stritt man sich zu diesem Zeitpunkt noch darum, ob den Gutachten künftig Tonaufzeichnungen, wie vom Ständerat gewünscht, anstelle eines schriftlichen Protokolls durch die Gutachter, wie es der Nationalrat vorgeschlagen hatte, beigelegt werden sollten. Benjamin Roduit, der ebenfalls zwei Interpellationen zum Thema verfasst hatte, verwies im Rat auf verschiedene Fälle, in denen Gutachten unsorgfältig oder unsachgemäss erstellt worden seien. Mit 114 zu 78 Stimmen bestätigte der Nationalrat die Verpflichtung zu Tonaufzeichnungen, welcher der Ständerat bereis zuvor zugestimmt hatte. Zudem stimmte der Nationalrat einstimmig der Schaffung einer Liste aus Gutachterstellen und Sachverständigen, in denen die Anzahl begutachteter Fälle sowie die Ergebnisse des Gutachtens bezüglich des Grads der attestierten Arbeitsunfähigkeit enthalten war, zu. In seiner ersten Beratung hatte er sich auf eine Gutachterliste ohne Grad der Arbeitsunfähigkeit beschränkt. Eine weitere in der Diskussion erwähnte Forderung hatte das Parlament im Rahmen der Weiterentwicklung der IV bereits umgesetzt: So schuf es eine Kommission aus Gutachterstellen, Ärzteschaft, Wissenschaft und Patientenschaft, welche die Zulassung als Gutachterstellen, das Verfahren zur Gutachtenerstellung und die Ergebnisse der medizinischen Gutachten überwachen sollte.

IV-Skandal

Im ganzen Land teilten am Nationalfeiertag 2019 die Bundesrätinnen und Bundesräte der Bevölkerung ihre Gedanken zur Schweiz mit. Dabei wurden unter anderem der Klimawandel, die EU oder die Schweizer Sprachenvielfalt angesprochen.
Der Corriere del Ticino berichtete über Ignazio Cassis, der gleich alle vier Sprachregionen besuchte. In L'Etivaz (VD), Krauchthal (BE) , Zuoz (GR) und Chiasso (TI) sprach der Bundesrat über die äusseren und inneren Grenzen der Schweiz, welche sowohl Herausforderung als auch Chance für das Land seien, da sie die Schweiz und ihre Sprachregionen definierten. Er selbst beabsichtige als Bundesrat, diese zu stärken und zu vereinen.
Auch Guy Parmelin hielt einen «Marathon» mit gleich drei Reden, wie die Tribune de Genève berichtete. In Weissenstein (SO), Rueyres und Étoy (VD) sprach er etwa über die «symbiose entre l'Etat et le citoyen helvétique» und meinte, die Schweiz habe viel mehr Potenzial, als dass sie «reale Probleme» habe.
Simonetta Sommaruga besuchte den Naturpark Gruyère Pays-d'Enhaut (FR), wo sie den Klimawandel ansprach und sich, passend zur Lokation, mit Politikerinnen und Politikern und anderen Parkbesuchern über die Biodiversität, alpine Landwirtschaftszonen oder nachhaltige Forstwirtschaft austauschte.
«Unendlich dankbar» war laut dem Blick Ueli Maurer, der den Tag am Fête des Vignerons in Vevey (VD) feierte. Dankbar sei er für das Land, welches das Resultat harter Arbeit «Dutzender von Generationen» sei. Die heutige Schweiz verstehe er als deren Erbschaft und noch immer gelte es, für «Freiheit und Unabhängigkeit» einzustehen.
Ähnlich wie Cassis unterstrich Alain Berset, dass die Einzigartigkeit der Schweiz in ihrer Kultur- und Sprachenvielfalt liege. In Yverdon-les-Bains (VD) erwähnte er in seiner Ansprache den Klimawandel, den Zugang zur medizinischen Grundversorgung oder die Beziehungen zur EU und habe dabei laut der Zeitung «Le Temps» diesbezüglich die Frage in den Raum gestellt :«[...] en faisons-nous assez»?
Ebenfalls vom Klimawandel und von dessen potenziellen Schäden und Folgen für die Schweiz geprägt war die Rede von Viola Amherd in Münster (VS). Amherd erinnerte – entsprechend ihrem Departement – daran, dass eine «funktionstüchtige Armee», der Zivilschutz sowie der Zivildienst die Bevölkerung jederzeit beschützten und unterstützten, auch im Falle von Naturkatastrophen.
In der Gemeinde Rorschach in ihrem Heimatkanton St. Gallen holte schliesslich Karin Keller-Sutter in ihrer Ansprach zuerst bis ins Jahr 1291 aus und skizzierte die lange Geschichte der Eidgenossenschaft, sprach dann aber auch über aktuelle Themen wie die EU, die Digitalisierung oder steigende Krankenkassenkosten.

Auch auf der Rütliwiese (UR) wurde traditionellerweise gefeiert, allerdings ohne Bundesrat, wie die Luzerner Zeitung berichtete: Dort übernahm die Urner Regierungsrätin und ehemalige Bundesratskandidatin Heidi Z'graggen (UR, cvp) das Zepter. Das Motto der diesjährigen Feier lautete «Milizarbeit als Engagement für die Gesellschaft», entsprechend waren der SGV und der Schweizer Feuerwehrverband zu Gast. Z'graggen ihrerseits sprach neben der Milizarbeit auch über die guten Beziehungen zu Europa und betonte, dass die Schweiz eine verlässliche und geschätzte Partnerin der EU sei. Auch den Föderalismus thematisierte sie: Dieser sei etwas, was sie glücklich mache und sie als «Grundlage für den Erfolg unseres Landes» betrachte.
Als Abschluss der Feier auf dem Rütli schliesslich wurde die Nationalhymne vorgetragen – mitsamt der viel diskutierten neuen Strophe, welche die Verwalterin des Rütlis, die SGG, als offizielle Strophe in die Hymne aufnehmen möchte.

Erster August

In der Romandie lösten verschiedene «Polit-Affären», wie sie die Aargauer Zeitung bezeichnete, Diskussionen über die Rechte und Pflichten von Regierungsmitgliedern hinsichtlich Spesen und Annahme von Geschenken, aber auch über die Abwählbarkeit von Exekutivmitgliedern aus.
Der einstige Bundesratskandidat und Genfer Sicherheitsdirektor Pierre Maudet (GE, fdp) musste zugeben, dass er sich mit seiner Familie 2015 nach Abu Dhabi hatte einladen lassen, obwohl die Annahme von Geschenken für Genfer Staatsräte verboten ist. Weil gegen ihn ein Strafverfahren wegen Vorteilnahme eingeleitet wurde und später auch noch der Verdacht auf Steuerhinterziehung auftauchte, musste er nicht nur als Regierungspräsident zurücktreten, sondern auch Teile seines Departements aufgeben. Weil Maudet lange über die Affäre gelogen und damit sehr viel Vertrauen verloren hatte, legte ihm die FDP Schweiz gar einen Parteiaustritt nahe. Allerdings «krallt sich Pierre Maudet an sein Amt» kommentierte die Sonntags-Zeitung und schloss einen Rücktritt aus.
Nicht nur die Reisen in den nahen Osten – unter anderen wie Maudet ebenfalls nach Abu Dhabi –, sondern vor allem die Spesen des Genfer Nationalrats und Mitglieds der Genfer Stadtregierung Guillaume Barazzone (cvp), wurden Gegenstand medialer Berichterstattung: Die CHF 40'000 pro Jahr, wovon CHF 17'000 alleine für Mobiltelefonkosten verbucht wurden, veranlassten wütende Genferinnen und Genfer dazu, auf die Strasse zu gehen.
Auch der Waadtländer Finanzdirektor Pascal Broulis (VD, fdp) geriet in den Fokus der Strafbehörden. Er soll auf Reisen eingeladen worden sein, und zwar von niemand geringerem als «einem der reichsten Einwohner seines Kantons», der von einer «umstrittenen Pauschalbesteuerung» profitiere (Blick). Für Fragezeichen sorgte jedoch die tiefe Steuerrechnung von Broulis, die in der Folge publik gemacht wurde. Die vermutete unrechtmässige Optimierung konnte zwar nicht nachgewiesen werden, kosteten den FDP-Politiker aber viel Vertrauen.
Im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen zog Géraldine Savary (sp, VD), der gute Chancen auf einen Bundesratssitz nachgesagt wurden, sollte Alain Berset einst zurücktreten, und die 2020 als erste Frau SP-Ständeratspräsidentin hätte werden sollen, die Konsequenzen aus einer Wahlspendenaffäre und beendete ihre politische Karriere. Sie hatte vom gleichen Unternehmer, der die Reisen vieler Westschweizer Politiker bezahlt hatte und im Kanton Waadt pauschalbesteuert wird, eine Wahlkampfspende von CHF 7'500 angenommen. Die informellen Richtlinien der SP Waadt erlauben jedoch lediglich CHF 5'000. Obwohl ihr Rücktritt auch von zahlreichen Genossinnen und Genossen bedauert wurde und sie nichts Widerrechtliches getan habe, sei sie letztlich «über den Klassenfeind gestolpert» und habe das Pech gehabt, dass die Geschichte in dem Moment publik wurde, «als die halbe welsche Politprominenz wegen ähnlicher Geschenke, undurchsichtiger Steuerarrangements und exorbitanter Spesenbezüge am Pranger» stünden, so der Tages-Anzeiger.

Die «Affären» lösten einige Recherchen und Diskussionen aus. So listete etwa der Sonntags-Blick die Spesenrechnungen aller Kantonsregierungen für das Jahr 2017 auf. Auch wenn die Vergleichbarkeit schwierig sei, da unterschiedliche Zulagen in diesen Abrechnungen geregelt werden und die Regierungen unterschiedlich viele Mitglieder haben, überrasche die Bandbreite, die zwischen CHF 50'000 (Kanton Schaffhausen) und CHF 241'356 (Kanton Bern) variiere. Die Aargauer Zeitung vermutete, dass die «Affäre Maudet» den Forderungen nach mehr Transparenz Flügel verleihen werde. In der Tat hatte das Parlament beschlossen, dass Parlamentsmitglieder, die auf Staatskosten ins Ausland reisen, dies publik machen müssen. Allerdings galt dies nicht für Reisen auf Einladung von Interessengruppen. Die Sonntags-Zeitung brachte mit dem Thema «Ruhegehälter» einen weiteren Aspekt in die Diskussion ein. Sie vermutete, dass Maudet auch deshalb nicht zurücktreten wolle, weil in diesem Fall sein Anspruch auf eine lebenslange Rente verfallen würde. Die Zeitung listete alle Kantone auf, die entweder gar keine Entschädigung (VS, OW), eine befristete Entschädigung im Sinne eines «goldenen Fallschirms» (AG, JU, SG, NW, UR, TG, SO, BL, ZG, SH, GL, ZH, BS, AI, AR, LU) oder eine lebenslange Rente (TI, VD, GE, FR, NE, BE, GR, SZ, inkl. Bund) ausrichteten. Neben dem augenfälligen Unterschied zwischen Deutsch- und Westschweiz überraschte auch die Varianz der kantonalen Gesamtbeträge, die zum Zeitpunkt der Befragung (Juni 2019) an «Polit-Rentner» – so die Sonntags-Zeitung – ausgerichtet werden und die sich von CHF 153'000 (AR) bis CHF 4 Mio. (TI) pro Jahr erstreckten. Laut Sonntags-Zeitung bezahlt der Bund für total 23 Personen (inkl. 4 Bundeskanzler und 2 Witwen) CHF 4.4 Mio. Die Basler Zeitung schliesslich machte sich Gedanken über das Volksrecht auf Abwahl der Regierung. In der Tat könne Maudet nicht zu einem Rücktritt gezwungen werden: «Nur ein einziger Mensch entscheidet, ob ich zurücktrete oder nicht – ich selbst», zitierte die Zeitung. Im Extremfall könne Maudet gar noch im Gefängnis Regierungsrat bleiben. Die Abwahl eines Regierungsrats sei in sechs Kantonen möglich: In den Kantonen Bern, Schaffhausen, Solothurn, Tessin und Thurgau kann mittels kantonaler Volksinitiative eine Abstimmung über die Absetzung der Regierung (in corpore) verlangt werden. Im Kanton Uri können einzelne Amtsträger – also auch Ständerätinnen und -räte oder der Landamman – per Volksinitiative abgesetzt werden. In Neuenburg wurde 2014 mit der so genannten Lex Hainard ein Amtsenthebungsverfahren eingesetzt. Hier hat das Parlament die Möglichkeit, ein Regierungsmitglied abzusetzen.

Affäre Maudet

Frischen Wind in die gesellschaftliche Debatte ums nationale Verhüllungsverbot brachte die grossmehrheitliche Zustimmung des St. Galler Stimmvolks zu einem Verhüllungsverbot auf kantonaler Ebene im September 2018. Damit war St. Gallen nach dem Tessin der zweite Kanton, in dem die Gesichtsverhüllung in der Öffentlichkeit verboten wurde. Der Präsident des Initiativkomitees der nationalen Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot», der Solothurner SVP-Nationalrat Walter Wobmann, deutete die St. Galler Entscheidung als ein positives Zeichen für die bevorstehende Abstimmung über das schweizweite Verhüllungsverbot. Bundespräsident Berset gab demgegenüber in der Presse zu Protokoll, man nehme das Resultat auf Kantonsebene zur Kenntnis, aber auf nationaler Ebene sei die Debatte eine andere – dies wohl, weil die St. Galler Bestimmung die Gesichtsverhüllung nur dann verbietet, wenn von ihr eine Gefährdung für die öffentliche Sicherheit ausgeht.
Im Zuge der gleichzeitig laufenden Vernehmlassung zum Bundesgesetz über das Gesichtsverhüllungsverbot, das vom Bundesrat als indirekter Gegenvorschlag zur Volksinitiative aus der Taufe gehoben worden war, taten im Herbst 2018 zahlreiche Akteure ihre Ansichten zur Burkafrage in den Medien kund. Unter den Parteien lehnten neben der SVP – ihres Erachtens nehme der bundesrätliche Gegenvorschlag das Anliegen der Initiative nicht ernst – auch die Grünen den indirekten Gegenvorschlag ab. Sie betrachteten den Gegenvorschlag als unverhältnismässig und unnütz, da Nötigung ohnehin bereits verboten sei und der Gegenvorschlag genauso wenig zu den Rechten und zur Gleichberechtigung muslimischer Frauen beitrage wie die Initiative; letztlich schürten beide Vorurteile gegen die muslimische Bevölkerung. Auf der anderen Seite begrüsste die GLP den Vorschlag des Bundesrates vorbehaltlos. Die CVP und die FDP unterstützten beide die Stossrichtung des Bundesrates, brachten aber entgegengesetzte Vorbehalte zum Ausdruck. Während sich die CVP eine weitergehende Regelung im Sinne eines auf Gesetzesebene verankerten, allgemeinen Verhüllungsverbots wünschte, lehnte die FDP ein solches auf nationaler Ebene kategorisch ab – dies liege in der Kompetenz der Kantone – und zweifelte generell am Gesetzgebungsbedarf in dieser Frage, da es sich bei der Burka in der Schweiz um eine marginale Erscheinung handle. Für gut befand die FDP jedoch die klaren Regeln zum Behördenkontakt. Dieser Teil des bundesrätlichen Vorschlags war – neben der Feststellung, es sei richtig, der Initiative überhaupt mit einem indirekten Gegenvorschlag entgegenzutreten – auch der einzige Punkt, den die SP mehr oder weniger einhellig unterstützte. In allem, was darüber hinausging, zeigten sich die Sozialdemokraten gespalten. Der Waadtländer Nationalrat Pierre-Yves Maillard, der sich schon zuvor als Burka-Gegner zu erkennen gegeben hatte, fand in seiner Partei rund 40 Mitstreiterinnen und Mitstreiter, die ein Verbot der Burka in der Schweiz befürworteten, wenn auch nicht in der Bundesverfassung, sondern auf Gesetzesstufe. Sein Lausanner Parteikollege Benoît Gaillard bezeichnete die Burka als eine religiöse Praxis, die der Gleichstellung von Mann und Frau, den Menschenrechten und den Fundamenten der Demokratie zuwiderlaufe. Man dürfe nicht ein Jahrhundert des Kampfes für die Gleichstellung der Geschlechter der Toleranz gegenüber einer religiösen Minderheit opfern, denn der Gesichtsschleier beraube die Frauen ihrer öffentlichen Existenz, was nicht mit der Schweizer Bürgerschaft vereinbar sei. Der bundesrätliche Gegenvorschlag tauge demnach gemäss Maillard nicht, um den Erfolg der Initiative zu verhindern. Ebenfalls für ein Burkaverbot auf Gesetzesstufe sprach sich die Waadtländer Ständerätin Géraldine Savary aus; sie sah den Vorschlag des Bundesrates als geeigneten Ausgangspunkt für die entsprechende parlamentarische Debatte. Mit einer rein parlamentarischen Lösung, hoffte sie, könnte die Abstimmung über die Volksinitiative verhindert und der Abstimmungskampf vermieden werden, der die muslimische Bevölkerung stigmatisieren und die Frauen «als Geiseln nehmen» werde, wie sie der «Tribune de Genève» erklärte. Eine andere Ansicht vertrat hingegen beispielsweise der Genfer Nationalrat Carlo Sommaruga, der den Gegenvorschlag genügend überzeugend fand, um den zögernden Teil der Wählerschaft zu gewinnen. Er erlaube die Bestrafung von Nötigung und lasse gleichzeitig den Frauen, die sich aus freien Stücken verschleiern wollten, die Wahl; allen unsere Vorstellung von Gleichheit aufzuzwingen wäre hingegen Ausdruck eines «kolonialen Feminismus», wie Sommaruga von «Le Temps» zitiert wurde.
Von den insgesamt 69 eingegangenen Stellungnahmen qualifizierte der Ergebnisbericht zur Vernehmlassung rund zwei Drittel, mehrheitlich mit Vorbehalten, als befürwortend und ein Drittel als ablehnend. Neben der SVP, den Grünen, der EVP, der EDU, dem Egerkinger Komitee, der EKR, dem SGB und vier weiteren Organisationen lehnten sowohl die KKJPD als auch sieben Kantone den bundesrätlichen Gegenvorschlag ab. Ihrer Ansicht nach sollten die Kantone selbst über die Frage des Verhüllungsverbots entscheiden können beziehungsweise bringe der Vorschlag des Bundesrates keinen Mehrwert gegenüber dem geltenden Recht. Demgegenüber unterstützten die übrigen Parteien der Bundesversammlung, 18 Kantone, verschiedene Frauen- und Menschenrechtsorganisationen sowie u.a. die EKF, die SKG, der schweizerische Tourismusverband und Hotelleriesuisse den Gegenvorschlag, wobei einige von ihnen erklärten, dass dieser sogar noch weiter gehen dürfte. Positiv hervorgehoben wurde von verschiedenen Teilnehmenden, dass der Gegenvorschlag die Autonomie der Kantone wahre und so auch Rücksicht auf die Tourismusdestinationen nehme, dass er Probleme gezielt dort löse, wo sie aufträten, und dass er klare und einfach anwendbare Regeln enthalte. Der Bezug zur Initiative wurde unterschiedlich beurteilt. Während einige die Ansicht vertraten, der Gegenvorschlag nehme das Anliegen der Initiative auf und beseitige deren unangemessene Punkte, sahen andere keine Vergleichbarkeit mit der Initiative. Passend zum Tenor der Vernehmlassungsergebnisse resümierte der Tages-Anzeiger, der Vorschlag des Bundesrates sei «umstritten, aber nicht chancenlos».

Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» und indirekter Gegenvorschlag (19.023)
Dossier: Nationales Burkaverbot

Die Kampagne rund um die Selbstbestimmungsinitiative lief eigentlich schon seit der Lancierung des Begehrens Anfang 2015. Diverse Parteien und verschiedene Organisationen hatten sehr früh ihren Widerstand angekündigt. Schon im März 2015 hatte der Tages-Anzeiger getitelt «Alle gegen die Volkspartei»: Wirtschaftsverbände hatten Sorgen um Handelsverträge geäussert, Staatsrechtlerinnen und Staatsrechtler hatten einen Angriff auf die Menschenrechte befürchtet, Rechtshistorikerinnen und Rechtshistoriker hatten die Idee der «fremden Richter» bemüht, verschiedentlich war eine Instrumentalisierung des Initiativrechts moniert worden und vor den eidgenössischen Wahlen im Herbst 2015 hatte die Frage zur Beziehung von Völkerrecht und Landesrecht «unter Politikern für Polemiken und rote Köpfe» gesorgt (NZZ) – und das alles noch bevor die Initiative überhaupt zustande gekommen war. Die SVP wollte nach eigenem Ermessen Klarheit und Sicherheit hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Völkerrecht und Landesrecht herstellen, was freilich von den Gegnerinnen und Gegnern als «falsches Versprechen» (NZZ) oder «initiative simpliste» (Le Temps) bezeichnet und bestritten wurde. Rückenwind brachte die Initiative wohl auch ihrem Erfinder Hans-Ueli Vogt (svp, ZH), der während seines Ständeratswahlkampfes im Kanton Zürich für das Begehren geworben hatte.

Die Medienberichterstattung über die Selbstbestimmungsinitiative riss natürlich auch während ihrer parlamentarischen Behandlung 2017 und 2018 nicht ab. Diskutiert wurde dabei unter anderem auch schon früh über den Abstimmungstermin. Ob die SVP im Wahljahr 2019 von der Initiative profitieren könne oder nicht, hänge vor allem vom Arbeitstempo des Parlaments und davon ab, ob ein Gegenvorschlag ausgearbeitet würde oder nicht, berichtete die Presse. In den Medien wurden derweil auch verschiedentlich Fälle beschrieben, bei denen Gerichte internationalen Verträgen den Vorrang vor Verfassungsbeschlüssen gegeben hatten. Insbesondere die Ausnahmen, die in Einzelfällen bei der Anwendung des Ausführungsgesetzes zur Ausschaffungsinitiative gemacht wurden, waren ja auch Stein des Anstosses für die Selbstbestimmungsinitiative gewesen. Ob die Schweiz nun «Musterschülerin» sei (Tages-Anzeiger), die in vorauseilendem Gehorsam handle, oder sich als Vertragspartnerin an internationale Abkommen halten müsse, wie in der Presse ebenfalls argumentiert wurde, – die Diskussionen hielten die Selbstbestimmungsinitiative im Gespräch.

Bereits vor Abschluss der parlamentarischen Verhandlungen lancierten die Gegnerinnen und Gegner der Initiative Ende Mai 2018 mittels einer Medienkonferenz offiziell den Abstimmungskampf – obwohl dann noch nicht entschieden war, wann das Anliegen an die Urne kommen sollte. Unter dem Namen «Schutzfaktor M» – M stand bei der bereits 2013 ins Leben gerufenen Organisation für Menschenrechte – und der Bezeichnung «Allianz der Zivilgesellschaft» hatten sich laut Basler Zeitung über hundert Organisationen – darunter etwa der katholische Frauenbund, Pink Cross, Behinderten- und Jugendverbände oder Helvetas – und Tausende Einzelpersonen zusammengeschlossen. Vor der Presse bezeichneten verschiedene Vertreterinnen und Vertreter dieser Organisationen das SVP-Anliegen als «Selbstbeschneidungs-Initiative» oder «Anti-Menschenrechts-Initiative». Die ungewohnt frühe Organisation der Gegnerschaft sei mit der Bedeutung der Initiative zu erklären, aber auch damit, dass der «Abstimmungskampf kein Spaziergang» werde, so der Tages-Anzeiger. Darauf weise auch eine im März 2018 durchgeführte Umfrage hin, die zeige, dass 43 Prozent der Befragten die Initiative sicher oder eher annehmen würden und 48 Prozent dagegen oder eher dagegen seien.

Anfang Juli entschied der Bundesrat dann, die Abstimmung auf den frühest möglichen Zeitpunkt, den 25. November 2018, festzulegen. Anfang Oktober startete die SVP mit ihrem Abstimmungskampf, der zumindest hinsichtlich der verwendeten Bilder und verglichen mit früheren Kampagnen zur Minarett-, Ausschaffungs- oder Masseneinwanderungsinitiative etwa vom Sonntags-Blick als «völlig harmlos» bezeichnet wurden. Auf einem in orange gehaltenen Hintergrund hielten Personen ein Schild mit einem Ja «zur direkten Demokratie» und «zur Selbstbestimmung» in die Kamera. Das Logo der Partei war nicht sichtbar. Man habe die Botschaft bewusst simpel halten wollen. Eine aggressive Kampagne sei nicht nötig, weil die Botschaft klar sei, zudem wolle man einen sachlichen Abstimmungskampf führen, gab Kampagnenchef Thomas Matter (svp, ZH) zu Protokoll.

Die Gegnerschaft fuhr für ihre Kampagne schwereres Geschütz auf: So liess Economiesuisse 18 Frachtcontainer auf den Bundesplatz stellen mit dem Hinweis, dass darin 387 Tonnen Exportgüter Platz hätten, was der Menge entspreche, die von der Schweiz aus alle 10 Minuten in die Welt verkauft werde. Diese Ausfuhren seien aber bei einem Ja zur Selbstbestimmungsinitiative gefährdet. Nur dank zahlreicher internationaler Abkommen, die bei einem Ja alle auf der Kippe stünden, gehöre die Schweiz zu den 20 grössten Volkswirtschaften weltweit. Das «Gesicht der Operation Libero» (Blick), Flavia Kleiner, sprach von der «krassesten Initiative, über die wir je abgestimmt haben», mit ihr werde der Rechtsstaat fundamental angegriffen. Eine in den Medien häufig zu vernehmende Stimme gehörte Helen Keller, der Vertreterin der Schweiz am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Auch für sie entsprach die Initiative einem Angriff auf den Rechtsstaat und die Menschenrechte. Sie argumentierte, dass das Volksbegehren nicht hätte für gültig erklärt werden dürfen und fürchtete sich bei einer Annahme vor einer «Katastrophe», wie die Weltwoche ausführte. Plakate der Gegnerinnen und Gegner zeigten eine Kreissäge, die verschiedene Begriffe (z.B. Frauenrechte, Kinderrechte, Behindertenrechte) durchtrennte, verbunden mit dem Slogan «Nein zur Selbstbeschneidungsinitiative der SVP». In der Weltwoche wurden die Plakate als «krasser Ausdruck» von «Volksverachtung» bezeichnet, mit der die «antidemokratische Gesinnung der Selbstbestimmungsgegner» sichtbar werde. Volksentscheide würden mit «Kettensägenmassaker[n]» gleichgesetzt.
Auch auf Social Media hatten die Gegnerinnen und Gegner der Initiative «die Nase vorn» (Weltwoche). Mit einem Film zeigten sie als antike Soldaten verkleidete Mitglieder der SVP (Roger Köppel [ZH], Andreas Glarner [AG] und Magdalena Martullo-Blocher [GR]), die in einem Trojanischen Pferd versteckt das Bundesgericht entmachten wollten. Ein grosses Holzpferd wurde dann auch kurz vor dem Abstimmungstermin auf dem Berner Bahnhofsplatz präsentiert.

Die SVP – allen voran Christoph Blocher – verteidigte die Initiative mit dem Argument, dass die direkte Demokratie schleichend ausgehebelt werde. Bei der Abstimmung stünden nichts weniger als die Volksrechte auf dem Spiel. «Damit die Leute noch etwas zu sagen haben», müssten sie Ja stimmen, so der vom Blick als «SVP-Übervater» bezeichnete Blocher. Der alt-Bundesrat betrachtete die Selbstbestimmungsinitiative zudem als Vehikel, mit dem der EU-Rahmenvertrag verhindert werden könne. Sehr häufig trat auch Hans-Ueli Vogt vor die Medien, um «seine» Initiative zu verteidigen. Auch der «Architekt» des Begehrens, so die Aargauer Zeitung, argumentierte mit der Verteidigung der direkten Demokratie. Das Parlament setze angenommene Initiativen mit Verweis auf internationale Verpflichtungen nicht so um, wie dies von der Stimmbevölkerung verlangt werde. Mit der Initiative werde der Stellenwert der direkten Demokratie hingegen wieder gestärkt.

Für Wirbel sorgte ein Flyer, der von der SVP Mitte August 2018 an alle Schweizer Haushalte verteilt wurde. Darin trat alt-Bundesrätin Micheline Calmy-Rey als Kronzeugin für die Selbstbestimmungsinitiative auf: «Das Schweizer Recht schützt besser als das europäische. Ich bin entschieden dagegen, dass europäisches Recht sämtliche Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU regeln soll», wurde die ehemalige Magistratin zitiert. Diese Aussage hatte Calmy-Rey im Rahmen einer Diskussion um das EU-Rahmenabkommen gemacht. Von der SVP sei sie aber nicht angefragt worden, sie sei schockiert über dieses Vorgehen. SP-Parteipräsident Christian Levrat (sp, FR) sprach in diesem Zusammenhang von «Lügenpropaganda». Auch die «Buh-Rufe» und die «Schimpftiraden» (Aargauer Zeitung), die Bundesrätin Simonetta Sommaruga bei einem Podium in Suhr (AG) über sich ergehen lassen musste, zeugten von der immer aufgeheizteren Stimmung. Nicht nur die von der SVP immer wieder heftig attackierte Justizministerin, sondern auch die Bundesratsmitglieder Doris Leuthard, Alain Berset, Ignazio Cassis und Johann Schneider-Ammann engagierten sich mit verschiedenen Auftritten für die ablehnende Haltung des Bundesrates. Man habe Lehren aus dem Ja zur Masseneinwanderungsinitiative gezogen, bestätigte Simonetta Sommaruga der Aargauer Zeitung, und trete darum als Regierung stärker in Erscheinung.

Ende August zeigte eine Umfrage, dass zu diesem Zeitpunkt 53 Prozent der Befragten Nein zur Initiative gesagt hätten und 45 Prozent Ja. Als aussergewöhnlich wurde von den Befragenden der Umstand gewertet, dass das Ja-Lager über die Zeit nicht kleiner geworden sei; ein Muster, das sonst bei Initiativen im Verlauf einer Kampagne zu beobachten sei. Thomas Matter sprach bei seinem Kommentar zu diesen Zahlen in der Aargauer Zeitung von einem Kampf «David gegen Goliath». Er schätzte den finanziellen Aufwand der Gegnerschaft auf einen «zweistelligen Millionenbetrag». Die Gegnerinnen und Gegner führten eine «Märchenstundenkampagne mit unlimitierten Budgets», urteilte Matter. Die SVP selber habe weniger als CHF 3 Mio. ausgegeben. Eine Analyse von Media Focus ging hingegen aufgrund der gekauften Werbeflächen (Plakate, Inserate, Werbung auf Youtube) davon aus, dass das Befürworterlager mehr ausgegeben hatte als das Gegnerlager. Auch die APS-Inserateanalyse, mit der die Anzahl der in Printmedien geschalteten Inserate betrachtet wird, stellte ein grösseres Engagement der Befürwortenden- als der Gegnerseite fest. Zudem schalteten die Befürworterinnen und Befürworter deutlich mehr Inserate als noch bei der Masseneinwanderungs- oder der Durchsetzungsinitiative. Wer wie viel für den Abstimmungskampf ausgab, blieb zwar ein Geheimnis, die Kosten waren aber sicherlich überdurchschnittlich hoch.
Die Gegnerinnen und Gegner warnten aufgrund der Umfrageresultate davor, zu meinen, dass das Rennen bereits gelaufen sei. Demoskopen würden sich oft irren, so etwa der Blick. Als für das Nein-Lager nicht förderlich, wurde zudem die Absicht des Bundesrates bezeichnet, ausgerechnet kurz vor der Abstimmung eine Unterzeichnung des umstrittenen UNO-Migrationspaktes zu prüfen. Die Umfragen hatten zudem gezeigt, dass rund ein Drittel der FDP-Sympathisierenden die Initiative unterstützen würde. Auch die Ja-Parole der Jungfreisinnigen des Kantons Zürich zeige, dass durch den Freisinn ein Riss verlaufe, urteilte der Sonntags-Blick. Diesem wollte Parteipräsidentin Petra Gössi (fdp, SZ) auf Anfrage mit Aufklärung und Mobilisierung der eigenen Basis begegnen – so das Sonntagsblatt weiter.

Den «Rückenwind», den die Befürworterinnen und Befürworter durch die Debatte um den Migrationspakt noch einmal erhalten hatten, wie der Blick urteilte, versuchten sie kurz vor der Abstimmung dann noch mit «Brachial-Werbung» (Blick) zu verstärken. Auf der Titelseite der Pendlerzeitung «20 Minuten» warb das «Egerkinger Komitee» um Walter Wobmann (svp, AG) und Andreas Glarner (svp, AG) damit, dass mit der Annahme der Selbstbestimmungsinitiative der UNO-Migrationspakt verhindert werden könnte, dass hingegen bei einer Ablehnung die Minarett-Initiative wieder für ungültig erklärt werden würde. Eine Karikatur zeigte zudem Justizministerin Simonetta Sommaruga, die mit der Aussage «Hereinspaziert» an der Grenze Flüchtlinge in die Schweiz bittet.
Die heftige und ungewöhnliche lange Kampagne liess für den Abstimmungssonntag eine hohe Beteiligung erwarten.

Volksinitiative «Schweizer Recht statt fremde Richter (Selbstbestimmungsinitiative)» (BRG 17.046)

Die traditionelle Bundesratsreise führte das Regierungskollegium komplettiert durch den Bundeskanzler im Sommer 2018 in den Heimatkanton des amtierenden Bundespräsidenten Alain Berset, den Kanton Freiburg. Auf dem vom SP-Bundesrat zusammengestellten Programm stand am ersten Tag ein Besuch eines gemeinnützigen Gastrobetriebs im Greyerzbezirk, bevor die Landesregierung in einem Kulturzentrum mit jungen Kulturschaffenden diskutierte und sich schliesslich in Val-de-Charmey bei einem Apéro mit der Bevölkerung austauschte. Zusammen mit der Freiburger Kantonsregierung nahm der Bundesrat das Mittagessen ein, bevor sich das Kollegium in den Broyebezirk begab. Die Nacht verbrachten die Magistratinnen und Magistraten bei Grande Cariçaie, einer Uferlandschaft des Neuenburgersees.
Am nächsten Morgen folgte die Regierung einer Führung durch die sich in der Nähe des Nachtlagers befindenden Vogelschutzgebiete von La Sauge und liess sich im Anschluss in die Geheimnisse der Helvetier einführen. Auf dem Mont Vully finden sich deren Überreste und Rekonstruktionen aus dem Jahre 120 v. Chr. Schlusspunkt der Reise bildete erneut ein Austausch mit der Bevölkerung, diesmal in der Halle des Elektrizitätswerks Ölberg in der Stadt Freiburg.

Bundesratsreise

Ende März 2018 war St. Gallen Schauplatz der 13. Bundesratssitzung extra muros. Bundespräsident Berset selber soll sich für die Stadt in der Ostschweiz stark gemacht haben, nachdem die Landesregierung bereits 2015 eine entsprechende Einladung erhalten habe. Nach der regulären Sitzung fanden sich die Magistratinnen und Magistraten zu einem öffentlichen Apéro ein, das aufgrund des schlechten Wetters nicht auf dem Klosterplatz, sondern im Pfalzkeller stattfand, und tauschten sich dort mit der Bevölkerung aus. Rund 800 Personen feierten «den Bundesrat wie ein Fussballteam» – so titelte das St.Galler Tagblatt. Mit einem Mittagessen zusammen mit der kantonalen Regierung wurde der Ausflug beendet.

Bundesratssitzungen ‚extra muros‘

En marge de la conférence nationale Santé 2020, dont l’objectif était de trouver des pistes afin de réduire les coûts de la santé, le conseiller fédéral Alain Berset a pointé du doigt les salaires de certains médecins spécialistes. Il a réagi suite à l'annonce du conseiller d'Etat Mauro Poggia (GE, mcg), selon laquelle les revenus annuels estimés des chirurgiens seraient proche du million. Alain Berset juge cette situation inadmissible vis-à-vis des patientes et patients qui paient des primes. Jean-Marc Heinicke, président de l'Ordre des chirurgiens genevois, a réfuté en rappelant que les spécialistes exerçant dans des cliniques privées ne participaient pas à la hausse des coûts de la santé et que le chiffre avancé était «fantaisiste».
Les jours suivants, les organisations des médecins ont contesté que les médecins étaient les responsables de la perpétuelle hausse des primes de l’assurance maladie obligatoire. Sur le plateau de l'émission Infrarouge, Pascal Strupler, directeur de l'Office fédéral de la santé publique (OFSP) a précisé qu'il y avait 140 médecins spécialistes qui gagneraient un revenu avoisinant 850'000 francs sur le compte de l'assurance-maladie obligatoire (LaMal).
Cette polémique fait surtout ressortir le manque de transparence, également dénoncé par Alain Berset, concernant les salaires des médecins. La Confédération a toutefois lancé plusieurs projets en parallèle pour contrer l'absence de collectes et de statistiques publiques actuelles, ainsi que pour que soient apportés des éclaircissements y relatifs. Avec ce débat public, il est possible que le monde politique et l’opinion publique réclament à l’avenir davantage de transparence en matière de salaires des médecins.

Polémique sur les salaires des médecins

Wie bereits im Vorjahr hörte man auch im Jahr 2017 viele Stimmen, die sich ob dem Prämienanstieg fürs Jahr 2018 besorgt zeigten. Unter anderem prognostizierte die Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich im Juni 2017 einen Anstieg der Gesundheitskosten auf über CHF 10'000 pro Person und Jahr. Nach der Ankündigung eines Eingriffs des Bundesrats bei Tarmed verbesserten sich im August 2017 jedoch die Prognosen. Durch die Änderungen im Tarmed könne man CHF 470 Mio. pro Jahr einsparen, erklärte Gesundheitsminister Berset. Da Letzterer zudem die Krankenversicherer anhielt, diese Einsparungen bereits in den Prämien fürs Jahr 2018 zu berücksichtigen, ging man davon aus, dass diese um 1.5 Prozent weniger stark steigen würden als ohne den Eingriff. Der Krankenkassenverband Curafutura rechnete entsprechend mit einem Prämienanstieg zwischen 2.5 und 3.5 Prozent anstelle von 4 bis 5 Prozent. Anders sah dies der Krankenkassenverband Santésuisse. In einem Brief an den Gesamtbundesrat nannte er das Vorgehen des BAG «gefährlich»; es sei unklar, ob es wirklich zu Einsparungen in dieser Höhe kommen würde. Denn beim ersten Tarmed-Eingriff des Bundesrats 2014 hätten die Leistungserbringer die Kürzungen durch Mengenausweitung oder Verrechnung auf andere Positionen kompensiert. Zudem gebe es keine gesetzliche Grundlage dafür, allfällige zukünftige Kosteneinsparungen bei der Prämienberechnung zu berücksichtigen. Insgesamt befürchtete Santésuisse, dass die Prämien 2018 zu niedrig festgelegt würden und es so 2019 zu einem starken Prämienanstieg kommen würde. Dann müssten einige Versicherte aufgrund der Neueinteilung der Prämienregionen sowie wegen tieferer Rabatte bei der höchsten Franchise mit einem Prämienanstieg von bis zu 20 Prozent rechnen.
Kurz vor Bekanntgabe der Prämien für das nächste Jahr präsentierte Santésuisse überdies die Kosten der OKP. Diese betrugen fürs Jahr 2016 CHF 31.7 Mrd. und waren um 3.8 Prozent angestiegen, was wie im Vorjahr vor allem auf das Kostenwachstum im spitalambulanten Bereich (8%) und bei den Medikamentenpreisen zurückzuführen war.
Ende September verkündete Bundesrat Berset schliesslich, dass die Prämien für die Grundfranchise von CHF 300 mit Unfalldeckung durchschnittlich um 4 Prozent und damit unterdurchschnittlich (4.6%) stark steigen würden. Grosse Unterschiede zeigten sich insbesondere zwischen den Sprachregionen: In der Romandie stiegen die Prämien deutlich stärker als in der Deutschschweiz, die höchsten Zunahmen waren denn auch in französisch- oder zweisprachigen Kantonen festzustellen (Waadt: 6.4%, Wallis: 5.9%, Genf: 5.4%, Neuenburg: 5.4%). Deutliche Worte fand diesbezüglich vor allem der Waadtländer Gesundheitsdirektor Pierre-Yves Maillard (VD, sp), der die Schuld am Anstieg der Gesundheitskosten bei der Bundespolitik sah. Insbesondere die neue Spitalfinanzierung mit Einführung von Fallpauschalen und freier Spitalwahl, aber auch die Aufhebung des Zulassungsstopps hätten katastrophale Auswirkungen auf die Gesundheitskosten gehabt.
Neben den regionalen Unterschieden sorgten vor allem auch die steigenden Kosten für Familien für Schlagzeilen. So wuchsen die Prämien für Kinder erneut besonders stark – um durchschnittlich 5 Prozent –, diejenigen für junge Erwachsene um 4.4 Prozent.

Krankenkassenprämien 2018
Dossier: Prämien- und Kostenentwicklung in der Krankenversicherung (seit 2010)