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  • Bischof, Pirmin (cvp/pdc, SO) SR/CE
  • Graf, Maya (gp/verts, BL) NR/CN

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Nachdem der Nationalrat den Abkommen mit 12 neuen Partnerstaaten für den automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten (AIA) zugestimmt hatte, behandelte der Ständerat das Geschäft in der Wintersession 2022. Gegenwärtig bekennten sich 120 Staaten und Territorien zum Standard des AIA, wobei das Netzwerk nun um die 12 Staaten und Territorien Ecuador, Georgien, Jamaika, Jordanien, Kenia, Marokko, Moldawien, Montenegro, Neukaledonien, Thailand, Uganda und Ukraine erweitert werden solle, eröffnete Kommissionssprecher Pirmin Bischof (mitte, SO) die Debatte. Der Informationsaustausch, welcher es zum Ziel habe, weltweit gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen sowie illegale Finanzflüsse zu bekämpfen, habe sich in den vergangenen Jahren mit einer Reihe von Ländern als wirksam entpuppt. Die Notwendigkeit der Erweiterung dieses Netzwerks war im Ständerat unbestritten, so trat die kleine Kammer stillschweigend auf das Geschäft ein und stimmte den zwölf Abkommen jeweils ohne Änderungsantrag einstimmig zu. Vor dem ersten Datenaustausch mit den neuen Partnern sei es nun am Bundesrat, diese noch einmal auf die Erfüllung der AIA-Standards zu prüfen.

Echange automatique de renseignements relatifs aux comptes financiers avec d’autres États partenaires à partir de 2023/2024 (MCF 22.048)
Dossier: Informationsaustausch - Steueramtshilfeverordnung (AIA)

In der Herbstsession 2022 schrieb der Ständerat das Postulat Graf (gp, BL; Po. 21.3079) für eine offizielle Gedenkfeier für die Covid-19-Opfer und ihre Angehörigen durch das Schweizer Parlament stillschweigend ab. Maya Graf zeigte sich zwar enttäuscht, dass es nicht möglich gewesen sei, «den Covid-Opfern, den Langzeiterkrankten und auch ihren Angehörigen [...] zu gedenken bzw. Mut zuzusprechen». Sie erachtete den Zeitpunkt aber ebenfalls als «abgelaufen» und erklärte sich folglich mit der Abschreibung einverstanden.

Abschreibung des Postulats für eine offizielle Gedenkfeier für die Covid-19-Opfer und ihre Angehörigen (BRG 21.057)

Nachdem der Bundesrat seinen Bericht zu Ursachen von Tötungsdelikten im häuslichen Umfeld vorgelegt hatte, schrieb der Nationalrat ein Postulat Graf (gp, BL), das die Erstellung eines solchen Berichts gefordert hatte, in der Sommersession 2022 im Rahmen seiner Beratung des Berichts über Motionen und Postulate der gesetzgebenden Räte im Jahr 2021 als erfüllt ab.

Postulat fordert Bericht zu Ursachen von Tötungsdelikten im häuslichen Umfeld (Po. 19.3618)
Dossier: Gewalt gegen Frauen* / häusliche Gewalt (ab Ratifikation Istanbul-Konvention)

Ein im Dezember 2021 in Erfüllung eines Postulats Graf (gp, BL) publizierter Bericht zu Ursachen von Homiziden im häuslichen Umfeld provozierte die Lancierung verschiedener politischer Vorstösse, darunter auch einer Motion der WBK-NR. Darin forderte die Mehrheit der Kommission – eine aus SVP-Vertretenden bestehende Kommissionsminderheit lehnte das Ansinnen ab –, dass der Bund regelmässige, schweizweite Kampagnen zur Prävention von häuslicher, sexueller und geschlechtsbezogener Gewalt durchführt. Die Kommission erinnerte an die durch die Ratifikation der Istanbul-Konvention entstandene Verpflichtung, solche Kampagnen durchzuführen. Nachdem der Bundesrat die Motion befürwortet hatte, stimmte ihr der Nationalrat in der Frühjahrssession 2022 mit 127 zu 51 Stimmen (4 Enthaltungen) gegen den Minderheitsantrag auf Ablehnung ebenfalls zu. Sowohl in der SVP-Fraktion als auch in den Fraktionen der FDP.Liberalen und der Mitte gab es vereinzelte Stimmen, die von der vorherrschenden Meinung in ihren Fraktionen – Ablehnung bei der SVP respektive Zustimmung im Falle der beiden anderen Parteien – abwichen.

Kommissionsmotion fordert schweizweite Präventionskampagnen gegen Gewalt (Mo. 22.3011)
Dossier: Gewalt gegen Frauen* / häusliche Gewalt (ab Ratifikation Istanbul-Konvention)

In Erfüllung eines Postulats Graf (gp, BL) präsentierte der Bundesrat im Dezember 2021 seinen Bericht zu Ursachen von Tötungsdelikten im häuslichen Umfeld sowie zu Massnahmen zu deren Verhinderung. Dem Bericht lagen von der Universität St. Gallen im Auftrag des EBG ausgewertete Daten zu Ursachen von Homiziden innerhalb der Partnerschaft vor. Gemäss diesen Auswertungen sind die Opfer in neun von zehn Fällen weiblich. Die Studie eruierte verschiedene Risikofaktoren für Tötungsdelikte im häuslichen Umfeld, namentlich eine Trennung und die vorhergehende Ausübung von häuslicher Gewalt – inklusive Stalking –, Alkohol- und Drogenkonsum, Schusswaffenbesitz, finanzielle Schwierigkeiten oder auch «kulturell geprägte Vorstellungen über Geschlechterrollen mit einem Besitzanspruch sowie Macht- und Kontrollverhalten seitens des Mannes». Gerade im häuslichen Bereich bestehe Handlungsbedarf für Präventions- und Schutzmassnahmen, da die Tötungsdelikte dort im Gegensatz zu denjenigen ausserhalb der Partnerschaft über die Zeit nicht abgenommen hätten. Die sieben von den Autorinnen und Autoren im Bericht festgehaltenen Empfehlungen zielen unter anderem darauf ab, sowohl gewaltbetroffene als auch gewaltausübende Personen während der Trennung besser professionell zu betreuen, Schusswaffen schwieriger erhältlich zu machen und die Wirksamkeit von Präventionsinstrumenten stärker zu erforschen.
Aufgrund des Berichts beschloss der Bundesrat sechs Massnahmen: Erstens sollen fedpol und das VBS die Herkunft der für Homizide verwendeten Waffen erforschen, damit basierend auf diesen Grundlagen weitere Massnahmen zur Einschränkung des missbräuchlichen Waffengebrauchs beschlossen werden können. Zweitens soll zur Prävention von Tötungsdelikten erforscht werden, «mit welchen Massnahmen in der Schweiz auf gewaltbegünstigende Männlichkeitsvorstellungen eingewirkt werden kann». Drittens sollen Fachpersonen aus der Medizin, Psychiatrie, der Suchtberatung und dem sozialen Bereich sensibilisiert und Hilfsangebote verstärkt werden. Ebenfalls sollen – viertens – solche Hilfsangebote besser koordiniert und besser vermittelbar werden. Da etwas mehr als ein Viertel der Tötungsdelikte in der Partnerschaft mit dem Suizid des Täters oder der Täterin enden, soll fünftens diese Kategorie von Fällen verstärkt untersucht werden. Sechstens soll das SEM prüfen, wie Migrantinnen und Migranten besser über häusliche Gewalt und die für diesen Fall zur Verfügung stehenden Hilfsangebote informiert werden können.

Nach Kenntnisnahme des Berichts beschloss die WBK-NR mit 16 zu 7 Stimmen die Lancierung einer Kommissionsmotion, um regelmässige Präventionskampagnen gegen häusliche, geschlechterbezogene und sexuelle Gewalt in der ganzen Schweiz durchzuführen. Der Bundesrat stand diesem Anliegen positiv gegenüber. Ähnliche Anliegen verfolgten drei unmittelbar nach Publikation des Berichts von Nationalrätinnen unterschiedlicher politischer Lager eingereichte Motionen.

Postulat fordert Bericht zu Ursachen von Tötungsdelikten im häuslichen Umfeld (Po. 19.3618)
Dossier: Gewalt gegen Frauen* / häusliche Gewalt (ab Ratifikation Istanbul-Konvention)

Aufgabe der Präsidentin oder des Präsidenten des Nationalrats ist die Leitung der Ratsverhandlungen sowie des Ratsbüros, in dem unter anderem die Session und die Tagesordnung geplant wird. Darüber hinaus repräsentiert die im Volksmund so betitelte «höchste Schweizerin oder [der] höchste Schweizer» die grosse Kammer gegen aussen. Normalerweise stimmt die Ratspräsidentin oder der Ratspräsident nicht ab, bei Stimmengleichheit gibt sie oder er allerdings den Stichentscheid. Der aus dem Amt scheidende Nationalratspräsident Andreas Aebi (svp, BE) hatte dieses Privileg während seines Amtsjahres laut Aargauer Zeitung rekordverdächtige sieben Mal.
In seiner Abschiedsrede wiederholte Andreas Aebi das bereits bei seiner Antrittsrede vor einem Jahr vorgebrachte Motiv seines Amtsjahres: Es sei ihm mit Freude und Respekt vor dem Amt häufig gelungen, für «Zusammenhalt, Zuversicht und Zufriedenheit» zu sorgen. So hätten auf seine Initiative hin rund 1'000 Schulkinder aus der Stadt ländliche Gegenden und Schulkinder vom Land eine Stadt besucht, um gegenseitiges Verständnis und eben den Zusammenhalt zu fördern. Auch wenn viel von Spaltung gesprochen werde, habe er mit solchen Aktionen viel Gemeinsames und Vereinendes als letztlich stärkere Kräfte erlebt. Andreas Aebi erhielt eine stehende Ovation und schritt alsdann zu einer seiner letzten präsidialen Amtshandlungen, der Leitung der Wahl der neuen Nationalratspräsidentin.
Zu ebendieser wurde die amtierende erste Vizepräsidentin, Irène Kälin (gp, AG) gewählt. Sie erhielt 151 von 166 gültigen Stimmen – von den 180 eingelangten Wahlzetteln blieben 13 leer und eine war ungültig; 15 Stimmen entfielen auf andere Personen. Im langjährigen Vergleich sind 151 Voten ein unterdurchschnittliches Resultat. Im Schnitt erhielten Präsidentinnen und Präsidenten seit 1960 rund 155 Stimmen. Irène Kälin war im November 2017 in den Nationalrat nachgerückt und 2019 wiedergewählt worden. Nach lediglich vier Jahren im Rat wurde die Aargauerin also höchste Schweizerin – im Schnitt sassen Präsidentinnen und Präsidenten vor ihrer Amtsübernahme bisher mehr als 14 Jahre im Rat. Mit 34 Jahren gehörte Irène Kälin zudem zu den sechs jüngsten der mit ihr total 200 Präsidentinnen und Präsidenten (Durchschnittsalter 52.4 Jahre). Sie war die 15. Frau und nach Maya Graf (gp, BL) 2012 die zweite Vertreterin der Grünen in der Geschichte des Parlaments.
Die frisch gekürte Nationalratspräsidentin bedankte sich in ihrer Antrittsrede, dass sie in das «Amt, das grösser ist als wir alle zusammen», gewählt worden sei. «Erste Bürgerin» zu sein, sei ein demokratisches Symbol für die Gleichzeitigkeit von Verschiedenheit und Einheit. Sie repräsentiere jetzt keine Partei, sondern alle Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz. Ihr Präsidialjahr stellte Irène Kälin unter das Motto «Vereinbarkeit». Sie erörterte, wie schwierig es sei, Nationalratsmandat und Mutterschaft unter einen Hut zu bringen. Es habe viel zu reden gegeben, als sie ihren Sohn ins Parlament mitgenommen, ihn gestillt und gewickelt und gleichzeitig politisiert habe. Statt aber über Vereinbarkeit zu reden, habe man ihr damals viele Tipps gegeben, was sie besser machen könnte und was sie falsch mache. Wenn das Milizsystem gestärkt werden solle, was ihr wichtig sei, müssten aber eben «Vereinbarkeitsstrukturen» geschaffen werden. Unter Vereinbarkeit verstehe sie aber auch die Einbindung verschiedener Meinungen. Die «Willensnation» sei eigentlich eine «Vereinbarkeitsdemokratie». Es gehe darum, Kompromisse zu finden, auch weil die Vereinbarkeit von verschiedenen politischen Meinungen sehr bereichernd sei – etwas, das sie mit ihrem Vorgänger habe erleben dürfen. Ihre politischen Überzeugungen lägen zwar maximal auseinander und doch habe sie sich mit Andreas Aebi stets über das Verbindende definiert. Man könne mit «Res» Kühe stehlen, was sie auch machen würde, hätte er nicht schon einen ganzen Stall voll.
Anschliessend kam es zu einem kurzen musikalischen Intermezzo – weil freilich Maskenpflicht herrschte, sprach 24Heure von einer seltsam bleiernen Stimmung. Unter anderem fiel auch der traditionelle Präsidentinnenapéro im Bundeshaus den Covid-19-Massnahmen zum Opfer und auch die kantonale Feier wurde auf Juni 2022 verschoben. Anschliessend wurden Martin Candinas (mitte, GR) zum ersten Vizepräsidenten und Eric Nussbaumer (sp, BL) zum zweiten Vizepräsidenten gewählt. Martin Candinas erhielt 172 von 174 gültigen Stimmen (2 gingen an Diverse; von 181 verteilten und 180 eingelangten Wahlzetteln blieben 4 leer und zwei waren ungültig) und auf Eric Nussbaumer entfielen 145 von 167 gültigen Stimmen (auf 22 standen andere Namen; von 182 verteilten und 181 eingelangten Wahlzetteln blieben 13 leer und einer war ungültig).

Wahl des Nationalratspräsidiums 2021/22
Dossier: Nationalrat und Ständerat. Wahl des Präsidiums und des Büros

Mittels Motion forderte Maya Graf (sp, BL) den Bundesrat dazu auf, mit einer Änderung an der KLV sicherzustellen, dass Demenzkranke eine an ihre Situation angepasste Versorgung bezüglich Pflegeleistungen erhalten. In der Vergangenheit habe sich herausgestellt, dass viele Leistungen, auf welche die Betroffenen angewiesen seien, nicht in den durch die KLV definierten Bereich fielen. Zwar decke das KVG etwa das Waschen und die Nahrungseingabe durch Pflegefachpersonen ab, nicht aber «die Anleitung und Überwachung bei Körperpflege und Nahrungsaufnahme», die bei an Demenz erkrankten Menschen gegebenenfalls eher nötig wäre. Weiter gehe aus der Evaluation der Nationalen Demenzstrategie 2014–2019 hervor, dass die Finanzierung von Pflegeleistungen im Bereich Demenz «nach wie vor» nicht garantiert sei. In der Herbstsession 2021 veranschaulichte Manuela Weichelt-Picard (al, ZG), welche das Geschäft nach der Wahl Grafs in den Ständerat übernommen hatte, die Lebenssituation einer demenzkranken Frau anhand eines fiktiven Beispiels. Da diese weiterhin zuhause wohnen möchte, sei sie auf gewisse Unterstützung durch Gesundheitsfachpersonen angewiesen. Die von ihr benötigten Leistungen würden jedoch nicht von der OKP übernommen, da sie nicht in das KVG eingeschlossen sind. Gesundheitsminister Berset war hingegen der Ansicht, dass diesbezüglich bereits Einiges unternommen werde – unter anderem sei in der Zwischenzeit ein Artikel der KLV in Kraft getreten, welcher die Verbesserung der Harmonisierung und Unterscheidung zwischen Pflege- und Betreuungsleistungen betreffe. Daher empfehle der Bundesrat die Ablehnung des Geschäfts. Die Mehrheit der grossen Kammer liess sich von diesen Worten jedoch nicht überzeugen. Mit 136 zu 46 Stimmen (bei 10 Enthaltungen) nahm der Nationalrat die Motion an, wobei 44 ablehnende Stimmen aus dem Lager der SVP-Fraktion stammten.

19.4194

In der Herbstsession 2021 startete der Ständerat ins Differenzbereinigungsverfahren der AHV 21-Reform, bei der die beiden Kammern sich in verschiedenen zentralen Punkten bereits einig waren – etwa bei der Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre oder der Verknüpfung der Mehrwertsteuererhöhung und der AHV-Reform –, aber auch noch zahlreiche, auch sehr weitreichende Differenzen bestanden. Erich Ettlin (mitte, OW) erläuterte als Kommissionssprecher noch einmal den Rahmen der Revision: Die Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre soll jährlich CHF 1.4 Mrd. und bis ins Jahr 2030 CHF 10 Mrd. einbringen. Davon abgezogen werden müssten die Ausgleichsmassnahmen für besonders betroffene Jahrgänge, über deren Höhe und Ausgestaltung sich Bundesrat, Nationalrat und Ständerat noch nicht einig waren: Der Bundesrat hatte Ausgleichsmassnahmen in der Höhe von einem Drittel der Gesamteinsparungen (CHF 3.3. Mrd.) vorgesehen, der Ständerat in seiner ersten Beratung Massnahmen über CHF 2.1 Mrd. und der Nationalrat solche von CHF 4.1 Mrd.

Bezüglich der Ausgleichsmassnahmen lagen dem Ständerat zwei neue Modelle vor, ein Modell der Kommissionsmehrheit sowie dasjenige einer Minderheit Müller (fdp, LU), das jedoch nicht mit Müllers Modell aus der ersten ständerätlichen Debatte übereinstimmte. Sowohl die Kommissionsmehrheit als auch die Minderheit wollten dabei prinzipiell das bisherige Trapezmodell des Ständerates mit dem bisherigen Nationalratsmodell kombinieren. Ersteres hatte Abstufungen der Rentenzuschläge nach Jahrgang der Frauen vorgesehen, Letzteres beinhaltete Abstufungen nach Einkommensgruppen – nun sollten die Rentenzuschläge folglich in beiden Modellen sowohl nach Jahrgängen als auch nach Einkommen abgestuft werden. Die Kommissionsmehrheit blieb bei der progressiv-degressiven Ausgestaltung in Trapezform, wonach die ersten drei und die letzten zwei Jahrgänge nur jeweils einen Teil des Zuschlags, nicht den vollständigen Zuschlag erhalten sollten. Die Minderheit Müller sah hingegen nur bei den ersten drei Jahrgängen gekürzte Zuschläge vor. Beide Modelle wollten jedoch die Rentenzuschläge ausserhalb des AHV-Plafonds gewähren, womit also auch Frauen, welche bereits ohne Zuschlag die Maximalrente erhielten, davon profitieren sollten. Die Unterstellung des Zuschlags unter den Plafonds war zuvor am bundesrätlichen sowie am nationalrätlichen Modell stark kritisiert worden. Insgesamt zeigte sich die Kommissionsmehrheit bei den Zuschlägen deutlich grosszügiger als die Minderheit Müller, die sowohl tiefere Grundzuschläge als auch grössere Reduktionen dieser Zuschläge (nach Jahrgängen und Einkommen) vorsah.
Ähnlich waren sich die beiden Modelle beim Gesamtbetrag, der für die Ausgleichsmassnahmen eingesetzt werden sollte: Hier hatte man sich in der Kommission zuvor mit CHF 3.2 Mrd. in etwa auf den Betrag des Bundesrates geeinigt – man wählte also einen Mittelweg zwischen den CHF 2.1 Mrd. des ersten Vorschlags des Ständerates und den CHF 4.1 Mrd. des Nationalrats. Hingegen unterschieden sich die beiden Modelle bezüglich der Anzahl zu berücksichtigender Jahrgänge: Die Kommissionsmehrheit blieb beim ständerätlichen (und bundesrätlichen) Vorschlag von neun Jahrgängen, die Minderheit Müller machte einen Schritt auf den Nationalrat zu, der sechs Jahrgänge begünstigen wollte, und schlug sieben Jahrgänge vor. Neun Jahrgänge seien nötig, weil sonst «viele tausend Frauen betroffen sind, die keine Möglichkeit mehr für einen Ausgleich haben», begründete Pirmin Bischof (mitte, SO) die Position der Kommissionsmehrheit. Damian Müller wies jedoch darauf hin, dass ab dem achten Jahrgang bereits «der nächste Reformschritt greifen» müsse, welchen die SGK-NR mit ihrer Motion in die Wege geleitet hatte.
Besonders umstritten war in der Kommission nun die Frage des Rentenvorbezugs. Der Bundesrat hatte in seinem ursprünglichen Modell vorgesehen, dass die betroffenen Jahrgänge entweder zwischen dem Rentenzuschlag oder einem Rentenvorbezug zu besseren Konditionen wählen können. Die Minderheit Müller wollte bei dieser Wahlmöglichkeit bleiben und den reduzierten Kürzungssatz bei Rentenvorbezug noch nach Einkommensgruppen abstufen. Somit sollten Frauen mit geringen Einkommen in den Übergangsgenerationen ihre Rente ohne oder nur mit geringen Einbussen vorzeitig beziehen, dabei aber nicht vom Rentenzuschlag profitieren können. Die Kommissionsmehrheit hingegen sah vor, dass die betroffenen Frauen bei einem Rentenvorbezug zwar nicht von besseren Konditionen profitieren können sollten – für sie würden somit bei einem Vorbezug dieselben Konditionen gelten wie für alle anderen Frauen –, jedoch sollten sie auch bei einem Vorbezug in den Genuss des vollen Rentenzuschlags kommen. Hier waren sich Kommissionsmehrheit und -minderheit nicht einig, welches Modell fairer sei. Minderheitensprecher Müller störte sich am Vorschlag der Kommissionsmehrheit, da die Vorbeziehenden damit «für ihren Rentenvorbezug mit einer unter dem Strich höheren Rente belohnt werden». Dagegen wehrte sich Pirmin Bischof und argumentierte, dass rentenvorbeziehende Frauen in allen Varianten der Mehrheit immer eine tiefere Rente bekämen als Frauen, die bis 65 arbeiteten. Hingegen sehe das Modell Müller, dem Modell des Nationalrats folgend, geringere Kürzungssätze beim Rentenvorbezug vor als das bundesrätliche Modell. Damit setze die Minderheit mehr Geld für Personen mit hohen Einkommen ein, da eine Senkung der Kürzungssätze gemäss Bischof «bei den hohen Einkommen betragsmässig natürlich am meisten aus[mache]». Zudem verursachten die Rentenvorbeziehenden im nationalrätlichen Modell ähnlich hohe Kosten an Ausgleichsmassnahmen wie Personen, die bis ins Alter von 65 Jahren arbeiteten und den Rentenzuschlag wählten – dies sei mit dem Kampf gegen den Fachkräftemangel nicht zu vereinbaren, erklärte Kommissionssprecher Ettlin.
Bundesrat Berset zeigte sich in der Folge von beiden Ausgleichsmodellen für die Übergangsgenerationen nicht begeistert, nannte das Kommissionsmodell jedoch «une solution équilibrée». Der Gesundheitsminister betonte insbesondere, dass die Ausgleichsmassnahmen bei der letzten erfolgreichen AHV-Revision 1994 nicht einen Drittel, sondern ganze 80 Prozent der Einnahmen betragen hätten, und warb in diesem Sinne für eine möglichst grosszügige Ausgestaltung der Massnahmen, um diese in der nötigen Volksabstimmung durchzubringen. In der Folge entschied sich der Ständerat mit 27 zu 15 Stimmen für das Modell der Kommissionsmehrheit.

Bezüglich der Mehrwertsteuererhöhung beantragte die Kommission, dem Nationalrat bei einer Erhöhung um 0.4 Prozentpunkte (beim Normalsatz sowie um je 0.1 Prozentpunkte beim reduzierten Satz und beim Sondersatz) zu folgen – der Ständerat hatte sich in seiner ersten Behandlung für eine Erhöhung um 0.3 Prozentpunkte (und je 0.1 Prozentpunkte) ausgesprochen, der Bundesrat hatte für eine Erhöhung um 0.7 Prozentpunkte plädiert. Die von der Kommission vorgeschlagene Erhöhung würde der AHV CHF 1.37 Mrd. pro Jahr einbringen, bei 0.3 Prozentpunkten wären es CHF 1.03 Mrd. Zudem lag dem Ständerat bei seiner Beratung ein Einzelantrag Noser (fdp, ZH) vor. Noser schlug eine Erhöhung um 0.3 Prozentpunkte vor, zumal er es als schwierig erachtete, den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern eine verglichen mit der Altersvorsorge 2020 stärkere Erhöhung der Mehrwertsteuer bei einer ansonsten kleineren Revision zu erklären. Zudem sei es sinnvoll, diese Differenz zum Nationalrat offen zu halten, um weiterhin eine Diskussion dazu zu ermöglichen. Erich Ettlin präsentierte diesbezüglich den voraussichtlichen Stand des AHV-Fonds im Jahr 2030 bei den verschiedenen Szenarien, wobei 100 Prozent die AHV-Ausgaben eines Jahres darstellten und vom Bundesrat als Ziel der Revision anvisiert worden waren. Mit dem Modell der Kommission würde der Fondsstand 2030 bei 87 bis 90 Prozent liegen (je nach Zeitpunkt des Inkrafttretens der Revision), mit dem Antrag Noser wären es zwischen 82 und 85 Prozent. Der Gesundheitsminister kritisierte den Verzicht der beiden Kammern, die Revision auf eine 100-prozentige Fondshöhe auszurichten, und argumentierte ebenfalls mit der Wirkung auf die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger: Bei der nächsten Revision sei es schwierig zu erklären, wieso man härtere Massnahmen ergreifen müsse, nur weil man Jahre zuvor nicht bereit gewesen sei, mit einer Fondshöhe von 100 Prozent zu planen. Von den beiden Anträgen bevorzugte er folglich die stärkere Erhöhung der Kommissionsmehrheit. Diese setzte sich anschliessend mit 22 zu 20 Stimmen (bei 1 Enthaltung) knapp durch, womit die Frage der Mehrwertsteuererhöhung zwischen den beiden Räten bereinigt werden konnte.

Der Nationalrat hatte in seiner Beratung zudem eine einmalige Einlage des Bruttoertrags aus den Negativzinsen der Schweizerischen Nationalbank in den AHV-Ausgleichsfonds vorgeschlagen und dazu einen eigenen Bundesbeschluss geschaffen. Die Mehrheit der SGK-SR lehnte jedoch Eintreten auf diesen Beschluss ab, während sich eine Minderheit Germann (svp, SH) für Eintreten und für den Bundesbeschluss aussprach. Hannes Germann argumentierte, dass die Unabhängigkeit der Nationalbank mit einer einmaligen Einlage nicht beeinträchtigt werde – ansonsten würde das entsprechende Geld einfach «über die normale Gewinnverteilung laufen» und damit Kantonen und Bund zugute kommen. Über die Verrechnung der Kosten, welche den Banken anfallen, und über die Kosten für die Pensionskassen seien die Bürgerinnen und Bürger indirekt stark von den Negativzinsen betroffen. Anstatt daher die Gewinne daraus dem Bund und den Kantonen zukommen zu lassen, sollten sie über die AHV direkt der Bevölkerung zugutekommen. Paul Rechsteiner (sp, SG) unterstützte den Minderheitensprecher – neben Germann und Rechsteiner hatten auch Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) und Maya Graf (gp, BL) den Antrag vorgängig unterzeichnet – und verwies darauf, dass zwischen 2015 und 2020 CHF 10 Mrd. an Gewinnen aus den Negativzinsen angefallen seien – bis zum Inkrafttreten der Revision würden es gar CHF 12 oder 13 Mrd. sein –, die man nun der AHV zuweisen könne. Das entspreche der Grössenordnung des Betrags, den «man den Frauen wegnimmt». Daher sei es schwierig zu erklären, wieso man auf diesen Betrag verzichten wolle, insbesondere da man das mit dem Nationalbankgold bereits einmal gemacht habe.
Erich Ettlin gab für die Kommission die Aussagen von Fritz Zurbrügg, Mitglied des Direktoriums der Nationalbank, wieder, der sich im Namen der SNB gegen dieses Vorhaben wehrte. So müsse bedacht werden, dass auch die Nationalbank Negativzinsen bezahle, etwa bei den Covid-19-Krediten, und dass «über die Hälfte der Devisenanlagen eine negative Verfallrendite» aufweise. Zudem befürchtete die Kommission, dass sich die SNB durch eine solche Auszahlung unter Druck gesetzt fühle, weil der Finanzierungsbedarf der AHV auch weiterhin bestehen bleibe. Zudem bestehe auch in anderen Bereichen entsprechender Bedarf, wobei unklar sei, wieso diese Gewinne genau für die AHV einzusetzen seien. Man schaffe damit eine Erwartungshaltung für die Zukunft. Darüber hinaus nehme man damit den Kantonen Geld weg – diese erhalten normalerweise zwei Drittel der Gewinnausschüttungen. Mit 27 zu 14 Stimmen (bei 1 Enthaltung) sprach sich der Ständerat in der Folge gegen Eintreten aus.

Ansonsten verabschiedete der Ständerat zahlreiche kleinere Regelungen stillschweigend. Abgestimmt wurde zudem über die Frage, ob der Rentenzuschlag von der Berechnung des Einkommens zum Anspruch von Ergänzungsleistungen ausgenommen werden soll oder nicht. Eine Minderheit Carobbio Guscetti beantragte diese Ausnahme, damit auch Frauen mit Ergänzungsleistungen vollständig von dem Zuschlag profitieren könnten. So müssten fast 11 Prozent aller Frauen ab dem Renteneintritt Ergänzungsleistungen beziehen, insbesondere geschiedene, alleinerziehende oder verwitwete Frauen. Erich Ettlin argumentierte für die Kommissionsmehrheit, dass eine solche Ausnahme dem Grundprinzip der EL zuwiderlaufe und man den Rentenzuschlag daher nicht von der Einkommensberechnung ausnehmen solle. Mit 28 zu 12 Stimmen folgte die Ratsmehrheit seinem Antrag.
Diskutiert wurde ebenfalls darüber, ob der Anspruch auf Hilflosenentschädigung wie bisher nach einer ein Jahr dauernden Hilflosigkeit oder bereits nach drei Monaten gewährt werden soll. Eine Minderheit Graf beantragte, diesbezüglich dem Nationalrat zu folgen und die Wartefrist zu verkürzen. Die meisten Beziehenden von Hilflosenentschädigungen seien über 80 Jahre alt und da sich ihr Zustand üblicherweise eher verschlechtere, solle man ihnen bereits nach drei Monaten die entsprechende Hilfe zukommen lassen. Damit könne man sicherstellen, dass sie solange wie möglich zuhause betreut werden können. Kommissionssprecher Ettlin verwies darauf, dass damit aber auch Personen, die sich nach einer über dreimonatigen Krankheit wieder erholten, Hilflosenentschädigungen beziehen könnten, wodurch man die Kontrollen verstärken müsste. Insgesamt führe dies zu Mehrkosten von CHF 124 Mio. Mit 30 zu 13 Stimmen lehnte der Ständerat die Verkürzung der Wartefrist ab.
Mit diesen Änderungen ging der Entwurf zur AHV 21 zurück an den Nationalrat.

Reform «Stabilisierung der AHV (AHV 21)» (BRG 19.050)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter
Dossier: Erhöhung des Rentenalters

In der Frühjahrssession 2021 begann mit der Beratung im Ständerat «endlich» die Behandlung der AHV 21-Reform – endlich weil die Dauer der Vorbereitung durch die SGK-SR zuvor medial stark kritisiert worden war. Kommissionssprecher Erich Ettlin (mitte, OW) stellte in seiner Rede insbesondere die demografischen Herausforderungen für die AHV in den Mittelpunkt und fasste ihre Situation in Zahlen zusammen: Dank der STAF habe das kumulierte Umlagedefizit des AHV-Ausgleichsfonds für die Jahre 2022 bis 2030 von CHF 39 Mrd. auf CHF 19 Mrd. reduziert werden können, für eine 100-prozentige Deckung des Ausgleichsfonds im Jahr 2030 liege der Finanzierungsbedarf entsprechend «nur» noch bei CHF 26 Mrd. (ohne STAF: 53 Mrd.). Dieser Finanzierungsbedarf solle durch die Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre und die Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0.7 Prozentpunkte gedeckt werden. Gleichzeitig seien auch Ausgleichsmassnahmen für Übergangsjahrgänge der Frauen sowie Massnahmen für eine Flexibilisierung des Rentenbezugs zwischen 62 und 70 Jahren vorgesehen. Dennoch sei damit für Mitte der 2020er Jahre eine erneute Revision vonnöten, welche die Finanzierung der AHV über das Jahr 2030 hinaus sichern soll.
Eintreten war unbestritten und auch die erste Änderung, die auf der Fahne mit Abstand am meisten Platz einnahm, die Ersetzung des Begriffs «Rentenalter» durch «Referenzalter» in sämtlichen betroffenen Gesetzestexten, nahm der Ständerat stillschweigend an.
Eine «zentrale Bestimmung der Vorlage» (Ettlin) stellte die Erhöhung des Referenzalters der Frauen auf 65 Jahre dar, wie sie auch die Kommissionsmehrheit befürwortete. Eine Minderheit Carobbio Guscetti (sp, TI) beantragte hingegen die Streichung der Erhöhung. Die Minderheitensprecherin wies auf die ungemein schlechtere Situation der Frauen bei den Renten verglichen mit den Männern hin: Frauen erhielten etwa ein Drittel weniger Altersrenten als Männer; die Hälfte der 2018 pensionierten Frauen erhielt eine AHV-Altersrente unter CHF 1'754 pro Monat; fast ein Drittel der aktuell pensionierten Frauen erhalte kein Geld aus der Pensionskasse; die Pensionskassenrenten der Frauen seien überdies durchschnittlich nur halb so gross wie diejenigen der Männer; insgesamt müssten doppelt so viele Frauen wie Männer Ergänzungsleistungen beziehen. «Tous les indicateurs financiers et les inégalités entre les femmes et les hommes nous permettent d'affirmer que l'âge de la retraite ne doit pas être relevé tant que les conditions nécessaires à assurer une pension décente aux femmes ne sont pas remplies», argumentierte Marina Carobbio Guscetti. Mit den von der Kommissionsmehrheit zusätzlich gekürzten Ausgleichsmassnahmen erwarteten die Frauen der Übergangsjahrgänge damit reale Rentenkürzungen. Da die Rentenaltererhöhung der Frauen bereits zweimal in Volksabstimmungen abgelehnt worden sei, solle nicht auch die aktuelle Revision durch Aufnahme dieser Massnahme gefährdet werden. Kommissionssprecher Ettlin verwies bezüglich Bekämpfung der Lohnungleichheit darauf, dass diese nicht im AHVG, «sondern anders zu lösen sei», allenfalls im BVG. In der AHV bestehe «kein Problem in der Rentenhöhe», insbesondere im Hinblick auf die längere Lebensdauer der Frauen, auf die Witwenrenten, auf das Splitting oder die Erziehungsgutschriften. Gesundheitsminister Berset verwies darauf, dass diese Erhöhung – auch wenn man gute Gründe dafür habe – für die Frauen dennoch «une année de travail et de cotisations en plus et une année de rente en moins» darstelle. Dies müsse man mit entsprechend grosszügigen Ausgleichsmassnahmen berücksichtigen. Mit 30 zu 12 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) sprach sich der Ständerat in der Folge für die Erhöhung des Referenzalters der Frauen aus.
Die meisten Sprechenden waren sich einig, dass die Ausgleichsmassnahmen für die Frauen den Knackpunkt der Reform darstellen, entsprechend umfangreich war die Anzahl der hier eingebrachten Anträge. Diese liessen sich gemäss Kommissionssprecher Ettlin in drei Kategorien aufteilen: Das Bundesratsmodell, das Trapezmodell und das Modell Müller.
Das Bundesratsmodell sah zwei verschiedene Elemente vor, zwischen denen sich die betroffenen Frauen entscheiden müssten. Einerseits sollten die Renten der Frauen aus den Übergangsjahrgängen durch eine alternative Rentenformel lebenslang erhöht werden. Minimal- und Maximalrente würden dabei gleich bleiben, aber die Renten dazwischen würden erhöht – am meisten würden Frauen mit einem Jahreseinkommen von ca. CHF 43'000 profitieren (CHF 163), der durchschnittliche Zuschlag käme bei CHF 76 zu liegen. 54 Prozent aller Frauen in den Übergangsjahrgängen erhielten dadurch höhere Renten. Andererseits sollten sich die betroffenen Frauen aber auch für eine Frühpensionierung entscheiden können, wobei ihre Renten weniger stark gekürzt würden als normalerweise. Bis zu einem Einkommen von ca. CHF 57'000 pro Jahr sollte die Rente bei einer Frühpensionierung von einem Jahr gar nicht gekürzt werden. Dieses Modell verfolgten neben dem Bundesrat auch die Kommissionsmehrheit sowie die Minderheit I Stöckli und die Minderheit II Graf (gp, BL), wobei die Kommissionsmehrheit deutlich tiefere Ausgaben plante und weniger Jahrgänge teilhaben lassen wollte (max. CHF 440 Mio., 6 Jahrgänge) als der Bundesrat (max. CHF 700 Mio., 9 Jahrgänge) oder gar die beiden Minderheiten (max. CHF 1.4 Mrd., 9 Jahrgänge respektive max. CHF 2.6 Mrd., 14 Jahrgänge). Als Vorteil dieses Modells nannte Bundesrat Berset insbesondere die Kombination der zwei Elemente «Rentenerhöhung» und «Vorbezug». Als Nachteil führte Peter Hegglin (cvp, ZG) als Anhänger des Trapezmodells auf, dass die Rentenformel sehr kompliziert sei und dass die Mindestrenten nicht angepasst würden und somit gerade diejenigen Personen, die eine Verbesserung am stärksten nötig hätten, nicht profitieren könnten. Andererseits erhielten Personen, die bereits die Maximalrenten beziehen, ebenfalls keine höheren Renten.
Alternativ wurde in der SGK-SR das sogenannte Trapezmodell diskutiert, das statt einer Anpassung der Rentenformel einen Rentenzuschlag vorsah. Dabei erhielt das Modell seinen Namen aus der anfänglich progressiven Erhöhung des Rentenzuschlags und der zum Schluss degressiven Senkung des Zuschlags. Damit sollte der Tatsache Rechnung getragen werden, dass das Rentenalter in vier Jahresschritten à je drei Monaten erhöht würde. Die Frauen des ersten Jahrgangs würden somit «nur» drei Monate später pensioniert als bisher und sollten entsprechend nicht in den Genuss eines vollen Rentenzuschlags kommen. Damit weise das Modell weniger und schwächere Schwelleneffekte auf als das Bundesratsmodell, wurde argumentiert. Zudem erhielten alle Betroffenen dieselben Zuschläge, auch Personen mit niedrigen Einkommen könnten folglich von einem Rentenzuschlag profitieren – umgekehrt hingegen auch Personen, welche bereits die Maximalrente erzielten. Dieses Modell verfolgten die Minderheiten III Hegglin, IV Stöckli und V Graf, wobei sie die Rentenzuschläge einer unterschiedlichen Anzahl Jahrgänge zukommen lassen wollten, unterschiedliche Abstufungen vorsahen und wiederum unterschiedliche Höchstausgaben planten (Hegglin: max. CHF 430 Mio., 9 Jahrgänge; Stöckli: max. CHF 700 Mio., 9 Jahrgänge; Graf: max. CHF 2.6 Mrd., 14 Jahrgänge). Vorteile bei einer frühzeitigen Pensionierung waren in diesem Modell nicht vorgesehen.
Eine Minderheit VI Müller (fdp, LU) sah ebenfalls einen Zuschlag ausserhalb der Rentenformel vor, wollte diesen aber nach Einkommenshöhe abstufen. So sollten Frauen mit tiefen Einkommen (Einkommen bis zu der vierfachen minimalen Altersrente) zusätzlich CHF 150 erhalten, Frauen mit hohen Einkommen (über derselben Schwelle) CHF 50. Hingegen sollte es keine Abstufungen nach Jahrgängen geben. Wie beim Bundesratsmodell sollten sich die Frauen jedoch auch beim Modell Müller zwischen einer höheren Rente oder einem gekürzten Abzug beim Rentenvorbezug entscheiden können. Als Nachteil des Modells nannte Kommissionssprecher Ettlin die Schwelleneffekte, hingegen profitierten diejenigen Frauen am meisten, welche die Hilfe am nötigsten hätten. Das Modell sah Ausgaben in der Höhe von maximal CHF 600 Mio. und eine Berücksichtigung von 6 Jahrgängen vor.
In den dazugehörigen Abstimmungen setzte sich das Modell der Kommissionsmehrheit zuerst gegen alle anderen Bundesratsmodelle durch. Anschliessend entschied sich der Rat bei den Trapezmodellen für das sparsamste Modell der Minderheit III Hegglin, welches sich in der Folge auch gegen das Modell Müller und gegen dasjenige der Kommissionsmehrheit durchsetzte (19 zu 12 Stimmen bei 13 Enthaltungen). Damit sah der Ständerat in der Hauptstreitfrage einen zuerst progressiv ansteigenden und anschliessend degressiv absteigenden Zuschlag für 9 Jahrgänge mit Ausgaben von CHF 430 Mio. im teuersten Jahr vor.

Umstritten war auch das Thema Flexibilisierung des Rentenantritts, das sich aus dem vieldiskutierten Rentenvorbezug und dem mehrheitlich unbeachteten Rentenaufschub zusammensetzt. Ein Rentenvorbezug war bisher für Frauen ab einem Alter von 62 Jahren und für Männer ab 63 Jahren möglich, für die Zukunft sah der Bundesrat einen Vorbezug für alle ab 62 Jahren vor. Da zudem der Kürzungssatz für einen Vorbezug seit langer Zeit nicht mehr angepasst worden war, lag dieser in der Zwischenzeit viel zu hoch. Entsprechend sollte der Bundesrat diesen zukünftig alle zehn Jahre den versicherungsmathematischen Begebenheiten anpassen. Dabei soll der Kürzungssatz jeweils so ausgestaltet werden, dass Personen, die ihre Renten vorbeziehen, diesen Vorbezug durch die Kürzung ihrer Renten selbst finanzieren. Vorbezug – sowie Aufschub der Rente – sollten damit mittelfristig kostenneutral sein. Dennoch beantragte die Kommissionsmehrheit, den Vorbezug erst ab 63 Jahren möglich zu machen. Man wolle den Vorbezug nicht zusätzlich fördern, zumal er durch die Anpassung des Kürzungssatzes bereits finanziell bessergestellt werde und bereits heute vor allem von Personen mit höheren Renten genutzt würde. Deshalb schlug die Kommissionsmehrheit vor, dass der Kürzungssatz für Personen mit tieferen Einkommen (bis zu einer vierfachen Minimalrente) um 40 Prozent reduziert werden soll. Marina Carobbio Guscetti wehrte sich gegen den Antrag der Mehrheit, den Rentenvorbezug erst ab 63 Jahren zu ermöglichen. Die Flexibilisierung zwischen dem 62. und dem 70. Lebensjahr entspreche der Realität, zudem solle man die Situation für die Frauen nicht noch weiter verschlechtern und diese nicht doppelt bestrafen. Gesundheitsminister Berset kritisierte, dass der Vorbezug ab 62 Jahren einer der einzigen Punkte gewesen sei, der in der Altersvorsorge 2020 von allen unterstützt worden sei. Man solle das aktuelle Projekt entsprechend mit dieser Änderung, die keinen finanziellen Nutzen bringe, nicht überladen. Mit 23 zu 19 Stimmen erhörte der Ständerat den Bundesrat jedoch nicht und nahm den Mehrheitsantrag der Kommission an.
Stillschweigend stimmte der Ständerat dem neuen Passus des Bundesrates zu, wonach AHV-Beiträge nach Erreichung des Referenzalters zukünftig rentenbildend sein sollen. Dies habe man in der Altersvorsorge 2020 nicht berücksichtigt, was für viele Diskussionen gesorgt habe, wie Hans Stöckli betonte. Umstrittener war hingegen der Freibetrag nach Erreichen des Referenzalters, den der Bundesrat und eine Minderheit Stöckli wie bisher beim anderthalbfachen Mindestbetrag der Altersrente belassen (CHF 16'800), die Kommissionsmehrheit jedoch auf CHF 24'000 erhöhen wollte. Zwar sei die Streichung des Freibetrags im Rahmen der Altersvorsorge 2020 stark kritisiert worden, eine Erhöhung habe jedoch – «ausser Economiesuisse und vielleicht dem Arbeitgeberverband», wie Paul Rechsteiner (sp, SG) einwand – niemand gefordert, argumentierte Stöckli. Von einer Erhöhung profitierten denn auch hauptsächlich die Arbeitgebenden, die dadurch Sozialkosten sparen könnten, kritisierte Stöckli. Erich Ettlin verteidigte den Kommissionsantrag, indem er betonte, dass dadurch mehr Anreize für einen Rentenaufschub von Personen geschaffen werden sollten, die bereits die Maximalrente erhielten. Mit 27 zu 18 Stimmen folgte der Ständerat der Kommissionsmehrheit und erhöhte den Freibetrag.

Die übrigen Aspekte waren zwar teilweise ebenfalls umstritten, führten aber zu deutlich weniger Diskussionen. So hatte der Bundesrat beabsichtigt, den Ehepaarplafond, also die Summe der Renten für Ehepaare, bei 150 Prozent zu belassen, die SGK-SR schlug hier jedoch eine Erhöhung auf 155 Prozent vor. Dieses Anliegen der «Mitte» war zuvor in den Medien ausführlich diskutiert worden. Eine Minderheit Müller beantragte, dem Bundesrat zu folgen, zumal eine Analyse des Bundesrates gezeigt habe, dass Ehepaare in der AHV (wegen der Witwen- und Witwerrente oder dem «Beitragsprivileg von nicht berufstätigen Ehepartnern») sowie allgemein in den Sozialversicherungen noch immer bevorzugt würden. Zudem sollte der Plafond nur für diejenigen Ehepaare erhöht werden, die den heutigen Plafond erreichen. Somit würden nur Personen mit mittleren und höheren Einkommen profitieren, nicht aber Ehepaare mit tiefen Einkommen. Für die Kommission zog Erich Ettlin einen Vergleich mit Konkubinatspaaren, die 200 Prozent der Rente erhielten, und verwies darauf, dass gerade Personen mit höheren Einkommen auch «solidarisch in die AHV einbezahlt[en]», zumal die AHV-Rente nach oben begrenzt sei. Mit 18 zu 13 Stimmen (bei 13 Enthaltungen) folgte der Ständerat jedoch der Minderheit Müller und lehnte die Erhöhung des Ehepaarplafonds ab.
Stillschweigend schuf der Ständerat auf Antrag seiner Kommission auch eine Verpflichtung für den Bundesrat, bis Ende 2026 eine neue AHV-Revision zur Stabilisierung der AHV für die Jahre 2030 bis 2040 vorzulegen. Umstritten war zum Abschluss der Debatte der Revision des AHVG auch die Frage, ob die entsprechende Revision mit dem Bundesbeschluss über die Erhöhung der Mehrwertsteuer verknüpft werden soll, ob also Erstere nur bei Annahme Letzterer in Kraft treten soll. Gegen den Willen des Bundesrates hatte die SGK-SR eine solche Verknüpfung geschaffen, eine Minderheit Stöckli beantragte ihre Streichung. Diese Verknüpfung sei bereits bei der Altersvorsorge 2020 massiv kritisiert worden und habe damals einen wichtigen Ablehnungsgrund dargestellt, argumentierte Stöckli. Kommissionssprecher Ettlin verteidigte die Verknüpfung insofern, als es «keine Leistung gebe, wenn die Finanzierung nicht gesichert sei». In der Folge gab es einen kurzen Wortwechsel zwischen Paul Rechsteiner, der darauf hinwies, dass es mit dieser Revision keine zusätzlichen Leistungen, nur Leistungsabbau gebe, und Erich Ettlin, der auf die Kosten für die Ausgleichsmassnahmen der Frauen verwies, welche durch die Mehrwertsteuererhöhung finanziert werden müssten. Mit 30 zu 14 Stimmen folgte der Ständerat seiner Kommissionsmehrheit.
Mit 31 zu 13 Stimmen sprach sich der Ständerat in der Folge für den von ihm geänderten Entwurf der Revision des AHVG aus. Geschlossen lehnten die Mitglieder der SP und der Grünen den Entwurf ab.

Im Anschluss an die Revision des AHVG beschäftigte sich der Ständerat mit dem Bundesbeschluss über die Erhöhung der Mehrwertsteuer, zu dem ebenfalls zahlreiche Minderheitsanträge vorlagen. Die Kommissionsmehrheit hatte die vom Bundesrat vorgeschlagene Mehrwertsteuererhöhung um 0.7 Prozentpunkte (des Normalsatzes) auf 0.3 Prozentpunkte reduziert, aber eine Möglichkeit für eine einmalige weitere Erhöhung um 0.4 Prozentpunkte geschaffen, falls der AHV-Ausgleichsfonds 90 Prozent einer Jahresausgabe unterschreitet. Zudem knüpfte die Kommission die Mehrwertsteuererhöhung an die Annahme der AHV-Revision. Minderheiten I Carobbio Guscetti (0.8%) und II Müller (0.3%) sahen weitere Varianten vor. Damian Müller argumentierte, dass «keine Steuern auf Vorrat» erhoben werden sollten. Dieses Argument teilte auch Kommissionssprecher Ettlin, der entsprechend das zweistufige Verfahren der Mehrheit lobte. Bundesrat Berset freute sich darüber, dass niemand die Zusatzfinanzierung gänzlich infrage stellte, und wies darauf hin, dass in der Tat weniger Geld benötigt werde, wenn die Ausgleichsmassnahmen tiefer angesetzt würden, als es der Bundesrat vorgeschlagen hatte: Mit dem bundesrätlichen Projekt hätte der Deckungsgrad des AHV-Ausgleichsfonds im Jahr 2030 bei 101 Prozent gelegen, mit der Reduktion der Ausgleichsmassnahmen, wie sie der Ständerat vorgenommen hatte, würde eine Mehrwertsteuererhöhung um 0.7 Prozentpunkte im Jahr 2030 zu einem Deckungsgrad von 106 Prozent führen. Mit den Beschlüssen des Ständerats und der zweistufigen Mehrwertsteuererhöhung käme der Deckungsgrad 2030 bei 89 Prozent zu liegen, mit dem Vorschlag Müller bei 84 Prozent. Mit dieser Unterfinanzierung des Ausgleichsfonds würde man die zukünftigen Reformen stark erschweren, zudem gefährdeten die tiefen Ausgleichszahlungen bereits die aktuelle Reform. Folglich bat Bundesrat Berset den Rat noch einmal um Zustimmung zum bundesrätlichen Vorschlag und um ein Rückkommen auf die höheren Ausgleichsmassnahmen im Rahmen des Differenzbereinigungsverfahrens. Auch hier sprach sich der Ständerat jedoch mit 29 zu 13 Stimmen für die sparsamste Variante aus, nämlich für die Minderheit Müller, welche die Mehrwertsteuer nur um 0.3 Prozentpunkte erhöhen wollte.
Einstimmig nahm der Ständerat den Bundesbeschluss in der Gesamtabstimmung an (40 zu 0 Stimmen, 4 Enthaltungen).

Reform «Stabilisierung der AHV (AHV 21)» (BRG 19.050)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter
Dossier: Erhöhung des Rentenalters

In der Frühjahrssession 2021 fanden zwei Runden des Differenzbereinigungsverfahrens zum Paket 1a des ersten Massnahmenpakets zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen statt. Der Ständerat hatte sich zuerst mit neun verbliebenen Differenzen zu zwei Themenkreisen zu befassen. Dabei konnte er die Frage bereinigen, ob Pauschalen bei ambulanten Behandlungen auf national einheitlichen Tarifstrukturen beruhen sollen. Nachdem der Nationalrat zuvor an dieser Forderung festgehalten hatte, pflichtete ihm der Ständerat nun bei. Damit soll unter anderem die Rechnungsüberprüfung für die Versicherten einfacher werden. Zudem sollen entsprechende Pauschaltarife von allen Leistungserbringenden verwendet werden – auch hier stimmte der Ständerat stillschweigend dem Vorschlag des Nationalrats zu. Bezüglich der Einheitlichkeit der Tarifstruktur hatte der Bundesrat ursprünglich Ausnahmen vorgesehen, der Ständerat und in der Folge auch der Nationalrat hatten diese Ausnahmeregelung jedoch aus dem Gesetz gestrichen. Nun beabsichtigte die SGK-SR hier doch wieder dem Bundesrat zu folgen und die entsprechende Regelung wieder aufzunehmen. Stillschweigend hiess der Ständerat auch diesen Vorschlag seiner Kommission gut. Zusätzlich schuf die kleine Kammer auf Antrag ihrer Kommission jedoch auch eine neue Bestimmung, wonach die Tarifpartner auch weiterhin zusätzliche ambulante Pauschaltarife vereinbaren können.
Der Nationalrat störte sich zwei Tage später jedoch daran, dass der Ständerat hier zwei Regelungen zur Frage der Ausnahmen bei ambulanten Pauschaltarifen geschaffen habe. Für den Nationalrat war klar, dass nur eine der beiden Regelungen nötig sei – uneinig war man sich jedoch, welche. Die Minderheiten Prelicz-Huber (gp, ZH) und Gysi (sp, SG) bevorzugten die bundesrätliche Formulierung, da diese eine Anhörung der interessierten Kreise ermögliche, und beantragten die ständerätliche Ergänzung zur Ablehnung. Die Kommissionsmehrheit sprach sich allerdings für die kürzere Variante des Ständerats aus und konnte damit die Mehrheit der grossen Kammer überzeugen.

Bezüglich des zweiten noch offenen Themas der Revision, dem Experimentierartikel zu den Pilotprojekten, hatte gemäss dem ständerätlichen Kommissionssprecher Pirmin Bischof (mitte, SO) lange Zeit vor allem die Frage nach der Einhaltung der Rechte der Versicherten im Mittelpunkt gestanden. Ständerat und Nationalrat seien sich aber einig geworden, dass in solchen Pilotprojekten die Rechte der Versicherten, auch deren Grundrechte, nicht verletzt werden dürfen und dass die Teilnahme der Betroffenen freiwillig sein müsse. Bezüglich der Rechte der Teilnehmenden stimmte der Ständerat dem Vorschlag der grossen Kammer stillschweigend zu. Die Mehrheit der SGK-SR wollte die entsprechenden Pilotprojekte auf die Eindämmung der Kostenentwicklung beschränken, während eine Minderheit Ettlin (mitte, OW) die möglichen Themen breiter halten und konkret auch Projekte zur Stärkung der Qualität und der Förderung der Digitalisierung zulassen wollte. Eine weitere Minderheit Carobbio Guscetti (sp, TI) forderte erneut die Auflistung der möglichen konkreten Bereiche, in denen entsprechende Pilotprojekte möglich sein sollen. Wie bereits in der Debatte im Nationalrat in der Wintersession 2020 wurde auch hier auf den entsprechenden Bericht des BJ verwiesen, wonach eine offene, nicht abschliessende Formulierung mit der Verfassung in Konflikt stehen könnte. Dieses Problem anerkannte die Kommissionsmehrheit jedoch nicht und lehnte eine Spezifikation der Bereiche weiterhin ab, zumal sie eine entsprechende Liste als innovationshemmend erachtete. Die Mehrheit beantragte zudem, sämtlichen beteiligten Akteuren die Möglichkeit, zuzusprechen, solche Projekte zu lancieren, während die Minderheit Ettlin dafür vorgängige Vereinbarungen zwischen Versicherungen und Leistungserbringenden vorsehen und Patientenorganisationen sowie Kantone von dieser Möglichkeit ausnehmen wollte. Die Kommissionsmehrheit setzte sich in sämtlichen Punkten durch und hielt damit drei Differenzen in diesem Themenbereich aufrecht.
Der Nationalrat zeigte sich in dieser Frage jedoch nicht gesprächsbereit und lehnte einen Minderheitsantrag de Courten (svp, BL), der ebenfalls auf die Auflistung verzichten wollte, da Innovation «kein Top-down-Verfahren» sei, ab.

Offen blieben damit auch nach diesen Behandlungen in beiden Räten insbesondere die Fragen, in welcher Form Ausnahmen bei den ambulanten Pauschalen ausgestaltet und ob die möglichen Bereiche für Pilotprojekte aufgelistet werden sollen.

Erstes Massnahmenpaket zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen (BRG 19.046)
Dossier: Anstieg der Krankenkassenprämien dämpfen (seit 2020)

In der Wintersession 2020 bereinigte das Parlament die Änderung des KVG bezüglich der Vergütung des Pflegematerials. Einstimmig bestätigte der Ständerat die vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderungen und löste die Ausgabenbremse, nachdem Kommissionssprecher Bischof (cvp, SO) im Namen der Kommission die Annahme der Vorlage empfohlen hatte. Auf Einzelantrag von Peter Hegglin (cvp, ZG) und Bitte von Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) schloss der Rat – ebenfalls einstimmig – zudem eine Lücke, welche der Gesetzestext bis dahin noch aufgewiesen hatte: So war man davon ausgegangen, dass alle Beträge, die bisher vergütet worden waren, auch zukünftig vergütet würden. Tatsächlich wären durch die geplante Änderung aber Materialien, die ausschliesslich vom Pflegefachpersonal angewendet werden, sich aber nicht auf der MiGeL befinden, weder von der OKP noch von den Kantonen vergütet worden. Um dies zu verhindern, stimmte der Rat dem Antrag Hegglin zu, wonach die entsprechenden Mittel und Gegenstände während eines Jahres ab Inkrafttreten der Änderung weiterhin nach dem bisherigen Recht vergütet werden sollten. Damit habe man Zeit, die entsprechenden Güter auf die MiGeL zu setzen. Diese Lösung hatte auch Bundesrat Berset zuvor im Rahmen der Debatte unterstützt. Einstimmig (41 zu 0 Stimmen) verabschiedete der Ständerat das Gesetz in der Gesamtabstimmung.
Gegen diese Änderung hatte auch der Nationalrat nichts einzuwenden, stillschweigend nahm er die Differenz an und stimmte dem Gesetz in den Schlussabstimmungen (195 zu 0 Stimmen) genauso einstimmig zu wie der Ständerat (41 zu 0 Stimmen).

Änderung des KVG bezüglich Vergütung des Pflegematerials (BRG 20.046)
Dossier: Änderungsvorschläge zur Mittel- und Gegenständeliste (MiGeL)

Nach den ersten Behandlungen der Revision des Covid-19-Gesetzes im National- und Ständerat mussten acht Differenzen ausgeräumt werden. Die ersten drei bereinigte der Nationalrat in der ersten Runde des Differenzbereinigungsverfahrens. So verzichtete die grosse Kammer auf ihre anfängliche Forderung, dass der Bundesrat für die Kosten, die den Leistungserbringenden (beispielsweise den Spitälern) durch Einschränkungen der Behandlungsmöglichkeiten zukünftig entstehen, eine Lösung suchen soll. Die Gesundheitsversorgung liege in der Verantwortung der Kantone, bekräftigte Kommissionssprecherin Esther Friedli (svp, SG) das Argument des Ständerates. Auch bei der Frage, welche Saison oder Saisons bei der Festlegung der Mindestausgaben für den Nachwuchs- oder den Frauenbereich im Sport massgeblich sein sollen, folgte der Nationalrat seinem Schwesterrat. Es habe sich gezeigt, dass gerade für die Frauenförderung ein Vergleich mit der letzten Saison am vorteilhaftesten sei, wurde argumentiert. Schliesslich pflichtete die grosse Kammer dem Ständerat auch bei den Überbrückungsleistungen bei: Zwar hatte die WAK-NR dem Nationalrat die Streichung des Anspruchs von älteren Personen, die zwischen dem 1. Januar 2021 und dem Inkrafttreten der ÜL ausgesteuert werden, empfohlen. Der Antrag hänge gemäss Kommissionssprecher Regazzi (cvp, TI) nicht direkt mit der Corona-Pandemie zusammen, da die Betroffenen bereits vor zwei Jahren entlassen worden seien. Zudem würde diese Regelung CHF 80 Mio. in fünf Jahren kosten, ergänzte Finanzminister Maurer. Samuel Bendahan (sp, VD) verwies jedoch für die Minderheit Wermuth (sp, AG) auf die Folgekosten beispielsweise für die Sozialhilfe, wenn hier keine Regelung gefunden würde, und betonte noch einmal die Wichtigkeit der Massnahme für die Betroffenen – diese hätten keine anderen Möglichkeiten als die ÜL. Mit 106 zu 88 Stimmen folgte der Nationalrat der Minderheit Wermuth und damit dem Ständerat.

Bevor sich der Ständerat der Bereinigung der fünf verbliebenen Differenzen annehmen konnte, wurde die Gesetzgebung von der immer grösser werdenden zweiten Welle der Corona-Pandemie eingeholt: Der Bundesrat hatte in der Zwischenzeit entschieden, die Massnahmen zur Bekämpfung der Pandemie zu verstärken; betroffen waren insbesondere das Gastgewerbe und die Kulturbranche, die erneut schweizweit ihren Betrieb einstellen mussten. Dies machte eine Verstärkung der Hilfsmassnahmen für die Wirtschaft notwendig, die der Bundesrat kurzfristig ins Covid-19-Gesetz aufnehmen wollte. «Wenn zusätzliche Einschränkungen kommen, braucht es dazu ein Begleitprogramm, um die finanziellen Ausfälle entsprechend abzufedern», argumentierte Bundesrat Maurer. Entsprechend schlug der Bundesrat Änderungen an bereits beratenen Gesetzesartikeln vor und stellte dazu einen Rückkommensantrag. Die Kommissionen der beiden Räte hiessen den Antrag mit Verweis auf die aussergewöhnliche Situation, welche entsprechend auch eine aussergewöhnliche Gesetzgebung notwendig mache, gut und nahmen die bundesrätlichen Anträge in die Differenzbereinigung auf. Entsprechend verwies Ständeratspräsident Kuprecht (svp, SZ) darauf, dass der Rat eine «etwas schwierige Differenzbereinigung» vor sich habe, und Kommissionssprecher Bischof (cvp, SO) verteidigte die «etwas speziell beanspruchte Gesetzgebung», «eine Gesetzgebung, wie wir sie sonst namentlich in diesem Rat nicht machen würden».
Zentral war bei dieser aussergewöhnlichen Gesetzgebung der Antrag des Bundesrates, die Mittel für die Härtefallmassnahmen aufzustocken: Neben den ersten zwei, bereits gesprochenen Tranchen über CHF 400 Mio. und CHF 600 Mio. sollte eine dritte Tranche über CHF 750 Mio. bereitgestellt werden. An den Massnahmen dieser dritten Tranche sollten sich die Kantone zu 33 Prozent beteiligen (erste Tranche: 50%, zweite Tranche: 20%). Für besonders betroffene Kantone sowie als Reserve schlug der Bundesrat zudem eine vierte Tranche ebenfalls über CHF 750 Mio. für Härtefallhilfen vor, an denen sich die Kantone nicht beteiligen müssten. Mit diesen zusätzlichen insgesamt CHF 1.5 Mrd. solle die Zeit bis zur Frühjahressession 2021 abgedeckt werden, betonte Pirmin Bischof. Unbestritten war in der WAK-SR die Erhöhung der Härtefallhilfen um CHF 1.5 Mrd. gewesen, jedoch beantragte eine Kommissionsmehrheit, diese nicht nur für besonders betroffene Kantone, sondern auch für besonders betroffene Branchen zu öffnen. Mit 27 zu 17 Stimmen lehnte der Ständerat diese Ausdehnung jedoch ab.
Auch die Anforderungen für die Härtefallhilfe wollte der Bundesrat kurzfristig anpassen. Ständerat und Nationalrat hatten in den Beratungen zuvor die für den Zugang zu Härtefallhilfen nötigen Umsatzeinbussen von mindestens 40 Prozent bestätigt. Nun bat der Bundesrat jedoch um die Möglichkeit, für die vom aktuellen Tätigkeitsverbot oder einer Tätigkeitseinschränkung betroffenen Unternehmen tiefere Hürden festlegen zu können. Stillschweigend nahm der Ständerat auch diese Änderung an.

Auch für die Kulturschaffenden forderte der Bundesrat Unterstützung, konkret nahm er weitgehend den Einzelantrag Aebischer (sp, BE) aus der ersten Behandlungsrunde des Nationalrats wieder auf. Waren die Kulturschaffenden im Rahmen der Covid-19-Verordnung noch unterstützt worden, hatte sich das Covid-19-Gesetz bisher auf Beiträge an die Kulturunternehmen beschränkt. Da aber der Kulturbereich durch den zweiten Lockdown erneut mit einem Tätigkeitsverbot belegt worden war, sollten nun auch die selbständig erwerbenden Kulturschaffenden Ausfallentschädigungen beantragen können. Den Betrag für die Leistungsvereinbarungen mit den Kantonen wollte der Bundesrat jedoch bei CHF 100 Mio. belassen, wie Finanzminister Maurer erklärte. Stillschweigend hiess der Ständerat auch diesen neusten bundesrätlichen Antrag gut.

Weiter verkompliziert wurde die aussergewöhnliche Gesetzgebung nun dadurch, dass nicht nur der Bundesrat, sondern auch die WAK-NR ob der sich veränderten Situation neue Anträge stellte, die ebenfalls einen Rückkommensantrag bedingten. Zwar nahm die WAK-SR den Rückkommensantrag ihrer Schwesterkommission an, entschied jedoch, die Erstbehandlung der Anträge dem Nationalrat zu überlassen.
In der Folge machte sich die kleine Kammer an die Bereinigung der verbliebenen «ordentlichen» Differenzen. Einig wurde man sich mit dem Nationalrat beim Dividendenverbot bei Härtefallhilfen. Hier hatte der Nationalrat dieselbe Regelung vorgeschlagen, welche bereits ins Covid-19-Solidarbürgschaftsgesetz aufgenommen worden war. Demnach dürfen Unternehmen, um Härtefallunterstützung zu erhalten, im entsprechenden Geschäftsjahr keine Dividenden und Tantiemen ausschütten oder beschliessen sowie keine Kapitaleinlagen zurückerstatten oder deren Rückerstattung beschliessen. Stillschweigend stimmte der Ständerat dieser Regelung zu.
Einig wurde man sich in derselben Behandlungsrunde auch bezüglich der Frage, ob Unternehmen Sport- und Kulturhilfen sowie Härtefallhilfen beantragen können sollten. Obwohl sich der Ständerat in seiner ersten Behandlung der Covid-19-Gesetzesrevision gegen einen solchen doppelten Anspruch auf Hilfe ausgesprochen hatte, pflichtete er ihm nun stillschweigend bei.

Für die dritte Beratung der Revision des Covid-19-Gesetzes brachte die WAK-NR im Nationalrat, wie im Ständerat bereits angekündigt worden war, durch einen Rückkommensantrag neue Differenzen auf den Tisch.
Die erste davon betraf die Erwerbsersatzordnung: Die Kommissionsmehrheit schlug nachträglich vor, Entschädigungen des Erwerbsausfalls nicht ab einer Umsatzeinbusse von 55 Prozent, sondern bereits ab 40 Prozent zu ermöglichen und sich damit an den Bedingungen für die Härtefallmassnahmen zu orientieren. Damit nahm die Kommission ein Anliegen aus den ersten Behandlungsrunden wieder auf, schwächte dieses jedoch ab. Eine Minderheit Aeschi (svp, ZG) lehnte diesen Antrag ab, zumal eine solche Regelung gemäss Bundesrat Maurer insgesamt CHF 1.5 Mrd. bis CHF 2 Mrd. kosten würde. Stattdessen schlug Aeschi vor, dem zweiten neuen Antrag der WAK-NR zu folgen, nämlich der Erhöhung der KAE auf 100 Prozent für Personen mit niedrigen Einkommen. Für die Definition von «niedrigen Einkommen» wollte sich die Kommission am Mindestlohn gemäss GAV in der Gastronomie orientieren, der bei CHF 3'470 pro Monat lag. Niemand solle demnach mit KAE weniger als diesen Lohn verdienen. KAE für Löhne zwischen CHF 3'470 und CHF 4'340 sollten überdies anteilsmässig angehoben werden, um Schwelleneffekte zu vermeiden. Mit dieser Regelung würde «Personen mit einem tiefen Monatslohn gezielt unter die Arme» gegriffen, während die Reduktion der nötigen Umsatzeinbusse beim Erwerbsausfall eine «Giesskannenlösung» darstelle, argumentierte Aeschi. Die Erhöhung der KAE bei niedrigen Einkommen wurde in der Folge ohne Minderheitsantrag stillschweigend angenommen, gleichzeitig unterstützte der Nationalrat mit 101 zu 83 Stimmen (bei 8 Enthaltungen) aber auch die Senkung der Schwelle für Erwerbsausfallentschädigungen auf 40 Prozent.
Neben diesen beiden neuen Anträgen der Kommissionsmehrheit reichte auch Jaqueline Badran (sp, ZH) einen neuen Vorschlag zu einem bereits abgeschlossenen Artikel ein, nämlich zu den A-Fonds-perdu-Beiträgen bei den Härtefallhilfen. Dabei wollte sie den Kantonen die Möglichkeit geben, diese Beiträge auf 20 Prozent zu erhöhen (bisher 10 Prozent) oder alternativ 50 Prozent der ungedeckten Fixkosten eines Unternehmens zu übernehmen. Dies gebe den Kantonen den Spielraum, den sie benötigten, argumentierte Badran. Finanzminister Maurer wehrte sich dagegen, hier weitergehende Kriterien zu schaffen, zumal sich der Bundesrat für seine vierte Tranche an Härtefallhilfen mehr Freiheiten bei der Vergabe erhoffte. Der Nationalrat lehnte den Antrag Badran ab.
Die Anspruchsvoraussetzungen dieser vierten Tranche für Unternehmen, welche von den neusten Einschränkungen seit dem 1. November 2020 betroffen waren, wollte der Bundesrat zusammen mit den Kantonen aushandeln und in einer Verordnung regeln. «Wir werden in den nächsten Wochen Flexibilität brauchen, um auf all die Besonderheiten, die in den Kantonen existieren, Rücksicht nehmen zu können», argumentierte der Bundesrat. Eine Minderheit Aeschi lehnte eine solche Lockerung ab, um eine Ungleichbehandlung der Betroffenen aufgrund unterschiedlicher Regelungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten zu verhindern, blieb damit aber erfolglos.
Eine Minderheit Ryser (gp, SG) wollte überdies die zweite der beiden neuen Tranchen von CHF 750 Mio. auf CHF 2 Mrd. aufstocken. Die Minderheit bezweifelte, dass die vorgesehenen Reserven bis zur Frühjahrssession 2021 reichen würden, falls es zu einem erneuten Lockdown kommen würde. Diese Erhöhung der vierten Tranche fand jedoch nur bei SP, Grünen und GLP Anklang, folglich blieb der Nationalrat, wie von einer Minderheit Aeschi gefordert, bei der Version des Bundesrates.

Auch bezüglich des dritten Antrags des Bundesrates, im Kulturbereich nicht mehr nur die Kulturunternehmen, sondern wie bereits in der entsprechenden Verordnung auch die Kulturschaffenden zu unterstützen, folgte der Nationalrat dem Bundesrat. Er lehnte damit zwei Minderheitsanträge ab: Eine Minderheit Fivaz (gp, NE) verlangte eine Verdoppelung des bereitgestellten Betrags auf CHF 200 Mio., da die Situation der Kulturschaffenden heute deutlich schlechter sei als beim ersten Lockdown und somit vermutlich mehr Gelder beantragt würden. Eine Minderheit Aeschi lehnte hingegen die Ausweitung der Hilfe auf Kulturschaffende ab, da der zweite Zwischenbericht der EFK zu den Ausschüttungen während des ersten Lockdowns gezeigt habe, dass «viele Kulturschaffende mehr Geld erhalten haben, als der effektive Schaden war». Mit der Zustimmung des Nationalrats konnte das Parlament somit die neuen bundesrätlichen Regelungen bereits verabschieden.

Auch einen der ursprünglichen Anträge bereinigte der Nationalrat in dieser Runde, nämlich die Frage, ob der neu geschaffene Anspruch von Mitarbeitenden mit Temporär- oder befristeten Verträgen auf KAE rückwirkend auf den 1. September 2020 in Kraft gesetzt werden soll. Diese Frage hatte der Nationalrat bereits zweimal bejaht, wenn zuletzt auch sehr knapp mit 97 zu 97 Stimmen und Stichentscheid des Präsidenten. Die Kommissionsmehrheit beantragte jedoch, dem Ständerat und dem Bundesrat zu folgen und auf die Rückwirkung zu verzichten. Mit Verweis auf ein föderalistisches Problem – eine Regelung ab dem 1. Januar 2021 würde zwar die Verluste der Betroffenen durch die bundesrätlichen Massnahmen abdecken, nicht aber diejenigen der Unternehmen in den französischsprachigen Kantonen, die bereits seit Mitte Oktober 2020 entsprechende Verschärfungen erlassen hatten – beantragte eine Minderheit Fivaz Festhalten. Finanzminister Maurer verwies einmal mehr auf den grossen Aufwand und die Verzögerungen, die durch die neue Erstellung und Prüfung der entsprechenden Anträge entstehen würden. Dieses Mal liess sich der Nationalrat vom bundesrätlichen Argument überzeugen, entschied sich gegen eine Rückwirkung und bereinigte diese Differenz im Sinne des Ständerats.

In der letzten Runde des Differenzbereinigungsverfahrens löste der Ständerat einige verbliebene Differenzen auf, jedoch nicht alle. Eine Einigung fand sich zur Berücksichtigung der Fixkosten bei der Bestimmung der Härtefälle. Diesbezüglich hatte der Nationalrat dreimal entschieden, nicht gedeckte Fixkosten als Kriterium für Härtefälle anzuerkennen, woraufhin die WAK-SR einstimmig beantragte, der Formulierung des Nationalrats zuzustimmen. Diese lasse es zu, dass Kantone nicht in allen Gesuchen die Fixkosten überprüfen müssten, sondern nur dort, wo es Sinn mache. Auch Finanzminister Maurer zeigte sich mit der Formulierung einverstanden, solange diese «so zu verstehen [sei], dass die Situation mittels einer summarischen Prüfung und einer pauschalen Beurteilung angeschaut wird». Stillschweigend folgte der Ständerat dem Antrag der Kommission und bereinigte diese Differenz.
Bei der EO nahm der Ständerat stillschweigend die neue Änderung der WAK-NR an, wonach statt einer 55-prozentigen Umsatzeinbusse eine Einbusse von 40 Prozent nötig ist, um EO beantragen zu können. Damit wurde ein «mit der Härtefallregelung einheitlicher Satz eingeführt», wie Kommissionssprecher Bischof betonte. Die Kosten von CHF 1.5 Mrd. bis CHF 2 Mrd. sei man bereit zu sprechen, zumal die Ausweitung der EO auf Selbständige bisher statt den vermuteten CHF 5.3 Mrd. «nur» CHF 2 Mrd. gekostet habe. Gemäss einem Schreiben, welches die Kommission vor der Debatte im Rat erhalten habe, befürchteten die SKOS und die Sozialdirektorenkonferenz überdies, dass es ansonsten insbesondere bei den Selbständigerwerbenden zu einem starken Anstieg der Sozialhilfefälle kommen werde.
Auch der vom Nationalrat neu geschaffenen Erhöhung der KAE auf 100 Prozent für Personen mit Löhnen bis CHF 3'470 und einer anteilsmässigen Aufstockung der ausbezahlten Löhne bis CHF 4'340 stimmte der Ständerat stillschweigen zu – übernahm jedoch eine etwas einfachere Formulierung der Bundesverwaltung. Er legte die Geltungsdauer für diese Regelung rückwirkend auf den 1. Dezember 2020 fest, sie sollte bis zum 31. März 2021 in Kraft bleiben. Vergeblich wies Ruedi Noser (fdp, ZH) darauf hin, dass damit eben auch Personen stärker unterstützt würden, die in einem Haushalt mit einer Person mit einem zweiten, möglicherweise viel höheren Einkommen lebten, dass Nichtarbeiten damit erstmals «gleich interessant [sei] wie das Arbeiten» und dass die Betroffenen auch die Möglichkeit hätten, einer Zusatzbeschäftigung nachzugehen. Er zeigte sich aber durch die zeitliche Begrenzung der Regelung beruhigt.

Damit verblieb noch eine Differenz, zu der eine Einigungskonferenz abgehalten werden musste. Offen geblieben war die Frage zur Einkommensbeschränkung für die Sportvereine. Anfänglich hatte sich hier die Frage gestellt, ob die Löhne aller oder nur der am sportlichen Betrieb beteiligten Mitarbeitenden berücksichtigt werden sollen und ob alle Löhne über einer gewissen Grenze einzeln gekürzt werden müssten oder nur der Durchschnittslohn. Bei diesen zwei Fragen konnten sich die beiden Ratskammern auf eine Reduktion der Durchschnittslöhne aller Mitarbeitenden über einer bestimmten Grenze einigen, wobei der Nationalrat als Referenz die Einkommen der Saison 2018/2019 berücksichtigen wollte, der Ständerat diejenigen vom Stichtag 13. März 2020, also dem Tag des Lockdowns. Hier hatte sich der Ständerat zuvor erneut für Festhalten entschieden, gemäss Hannes Germann (svp, SH) aufgrund von Partikularinteressen einzelner Vereine. Eine ganze Saison inklusive Playoffs im Eishockey oder Cup-Erfolgen oder internationalen Einsätzen im Fussball bilde die Situation besser ab als die Löhne an einem einzigen Stichtag. Die Einigungskonferenz löste die Meinungsverschiedenheit, indem sie beide Versionen aufnahm: Als Referenz sollte die Saison 2018/2019 gelten, auf Antrag könnte aber auch der Stichtag 13. März 2020 herangezogen werden. Bei den KAE für tiefere Einkommen sowie bei deren Geltungsdauer folgte die Einigungskonferenz dem Vorschlag des Ständerats. Die Anträge der Einigungskonferenz waren schliesslich weder im Nationalrat noch im Ständerat umstritten: Während die grosse Kammer den Antrag der Einigungskonferenz, die Dringlichkeitsklausel sowie die Revision in der Schlussabstimmung mit einzelnen ablehnenden Stimmen von Mitgliedern der SVP-Fraktion deutlich annahm, stimmte ihnen der Ständerat jeweils geschlossen zu.

Während der ganzen Beratung der Revision des Covid-19-Gesetzes betonten zahlreiche Sprechende die aussergewöhnliche Situation, in der sich das Parlament befand: Neben dem dicht gedrängten Programm, das die jeweiligen Beratungen der Revision auf einen Tag beschränkte, und Kommissionssitzungen, die bereits um sechs Uhr morgens vor den Ratssitzungen stattfanden, wurden vor allem die direkten Auswirkungen der sich laufend ändernden Corona-Massnahmen auf die Beratung der Revision als aussergewöhnlich hervorgehoben.

Erste Revision des Covid-19-Gesetzes (BRG 20.084)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

Le Conseil des États a accepté, en décembre 2020, un postulat Graf (verts, BL) qui demandait au Conseil fédéral d'examiner l'opportunité d'intégrer les organisations et fournisseurs de service pour les personnes en situation de handicap aux états-majors nationaux et cantonaux de prévention et gestion des pandémies. Le texte, qui prévoyait notamment le maintien des offres et l'élaboration commune de plans de protection, a été approuvé sans débat.

Prévention et gestion des pandémies. Meilleure intégration des fournisseurs de services et des organisations s'occupant de handicapés (Po. 20.4253)

Der Ständerat behandelte die erste Revision des Covid-19-Gesetzes bereits einen Tag nach dem Erstrat. Dabei hatte die kleine Kammer über sechs Differenzen, die der Vorschlag der WAK-SR gegenüber den nationalrätlichen Beschlüssen aufwies, über sieben Minderheitsanträge sowie über drei Einzelanträge zu debattieren. Aufgrund des gedrängten Zeitplans hatte die Kommission die Revision bereits eine Woche zuvor beraten, ohne also die Entscheide des Nationalrats gekannt zu haben. Dabei hatte sie auch Mitberichte der FK-SR, der SGK-SR sowie der WBK-SR zur Kenntnis genommen.

In den zentralen Bereichen unterstützte der Ständerat die vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderungen des Covid-19-Gesetzes. Meinungsverschiedenheiten mit dem Nationalrat gab es grösstenteils bezüglich der von der grossen Kammer neu eingefügten Änderungen, welche die WAK-SR in der Mehrzahl zur Ablehnung empfahl. Dies war etwa bei den Massnahmen im Bereich der Gesundheitsversorgung der Fall; konkret bei der Frage, ob der Bund die Abgeltung der den Leistungserbringenden durch verbotene und eingeschränkte Behandlungen – etwa zur Sicherung der Kapazität des Gesundheitswesens – entstehenden Kosten regeln soll. Die Bestimmung sei sehr vage formuliert, es gehe hier aber eben noch nicht darum, wer die Kosten übernehmen soll, sondern lediglich um einen Auftrag an den Bundesrat, eine Regelung zu suchen, verteidigte Maya Graf (gp, BL) die nationalrätliche Position sowie ihren entsprechenden Einzelantrag. Kommissionssprecher Bischof (cvp, SO) verwies jedoch auf die Zuständigkeit der Kantone bei Gesundheitsfragen und Finanzminister Maurer betonte, dass der Bundesrat mit den Kantonen für die bisherigen entsprechenden Kosten eine Lösung gefunden habe: Diese werden von den Kantonen übernommen, während der Bund im Gegenzug alleine für die Kosten der Impfstoffe und Covid-Tests aufkommt. Ähnliche Lösungen könnten auch in zukünftigen Fällen gefunden werden, betonte der Finanzminister. Der Ständerat folgte seiner Kommission, strich die vom Nationalrat eingeführte und von Maya Graf vergeblich unterstützte Regelung und schuf damit eine erste Differenz zum Erstrat.

Auch bei den Härtefallhilfen war die WAK-SR mit den Vorschlägen der grossen Kammer nicht einverstanden. So wollte die ständerätliche Kommission die Fixkosten der Unternehmen bei der Vergabe der Härtefallhilfen nicht standardmässig berücksichtigen – hingegen könnten die Kantone dieses Kriterium freiwillig anwenden, wie Pirmin Bischof für die Kommission ein Argument anführte, das auch schon im Nationalrat aufgeworfen worden war. Hier folgte der Ständerat stillschweigend seiner Kommission und schuf eine weitere Differenz zum Erstrat.
Hingegen unterstützte die Kommissionsmehrheit den nationalrätlichen Änderungsvorschlag, wonach Unternehmen sowohl aus dem Topf für Kultur oder Sport als auch aus demjenigen für Härtefälle Unterstützung erhalten können, wenn sich ihre Tätigkeitsfelder entsprechend unterscheiden lassen. Allerdings verlangte eine Minderheit Noser (fdp, ZH), diesbezüglich dem Bundesrat zu folgen, da es unklar sei, was «klar abgegrenzt» bedeute. Von einer solchen Regelung, die ein «Papiertiger für Rekurse» sei, würden nur grosse Unternehmen profitieren, da nur diese klar abgegrenzte Bereiche aufwiesen. Davon schien sich der Ständerat überzeugen zu lassen, er präferierte den Minderheitsantrag Noser, strich diese vom Nationalrat eingefügte Bestimmung und schuf damit eine weitere Differenz.
Einen Kompromissvorschlag machte die WAK-SR bezüglich der Frage, ab welchem Umsatz Unternehmen zu den Härtefallhilfen zugelassen werden sollen. Der Nationalrat hatte diese Grenze von CHF 100'000 auf CHF 50'000 gesenkt, die WAK-SR wollte hingegen eine generelle Zulassung ab CHF 100'000, aber Ausnahmen «in begründeten Fällen» ermöglichen. Eine Minderheit Ettlin (cvp, OW) unterstützte die nationalrätliche Position, da auch Kleinbetriebe «richtige Unternehmen» seien und man hier mit wenig Geld viel erreichen könne. Schliesslich setzte sich diese Minderheit und entsprechend der nationalrätliche Vorschlag durch, womit dieser Aspekt zugunsten der kleineren Unternehmen bereinigt werden konnte.
Jakob Stark (svp, TG) reichte zudem einen Einzelantrag für ein Dividendenauszahlungsverbot im Covid-19-Gesetz ein, wie es zuvor schon im Nationalrat verlangt, jedoch abgelehnt worden war. Deutlich stimmte der Ständerat dem Antrag zu und nahm das Verbot ins Gesetz auf, nachdem Stark betont hatte, dass eine ausschliessliche Regelung in der Verordnung, wie es bisher der Fall gewesen war, in Beschwerdeverfahren zu Rechtsproblemen führen könne. Damit wurde eine zusätzliche Differenz zur grossen Kammer geschaffen.

Im Sportbereich zeigte sich die Kommissionsmehrheit zwar mit der Umwandlung eines Teils der Darlehen in A-Fonds-perdu-Beiträge, wie sie der Bundesrat vorgeschlagen hatte, nicht aber mit den Änderungen des Nationalrats einverstanden. Die Kommission wollte nicht nur die direkt am Spielbetrieb beteiligten Angestellten, sondern alle Angestellten der Sportklubs Einkommensbeschränkungen unterstellen. Ein Minderheitsantrag Germann (svp, SH) sah jedoch vor, dass die Vereine nicht die einzelnen Löhne, sondern die durchschnittlichen Löhne, die über einem Grenzbetrag liegen, reduzieren müssen. Dadurch seien die Klubs bezüglich ihrer Lohnplanung und ihren Verträgen flexibler, argumentierte Hannes Germann. Diese Meinung teilte auch der Finanzminister, woraufhin der Ständerat den Minderheitsantrag deutlich annahm. Umstritten war überdies die Frage, ob bei den zukünftigen Mindestausgaben für Nachwuchs- und Frauenförderung die Saison 2018/2019 oder die letzten drei Saisons als Vergleichsgrösse herangezogen werden sollen. Da die Frauenförderung bei einer Konzentration auf die vorletzte Saison deutlich besser fahren würde als bei einem Vergleich mit mehreren Saisons, entschied sich der Ständerat für erstere Variante und folgte damit dem Bundesrat.

In der Folge forderten mehrere Anträge von Mitgliedern der SP oder der Grünen eine Besserstellung von Personen mit niedrigen Einkommen oder von älteren Arbeitnehmenden.
Mit einem Einzelantrag beabsichtigte Eva Herzog (sp, BS), Personen mit Nettoeinkommen unter CHF 4'000 pro Monat bereits ab einer Umsatzeinbusse von 25 Prozent – statt erst bei 55 Prozent – Erwerbsersatz auszubezahlen. Dies stelle quasi einen Kompromiss zum Antrag im Nationalrat dar, wo die Bedingung einer Umsatzeinbusse gemäss einem Minderheitsantrag gänzlich hätte abgeschafft werden sollen. Auch dieser Antrag war jedoch erfolglos. Bei der Arbeitslosenversicherung stimmte der Ständerat der Ausweitung der Kurzarbeit auf Personen in temporären und befristeten Stellen zu, lehnte aber entgegen einer Minderheit Thorens Goumaz (gp, VD) die vom Nationalrat geschaffene Rückwirkung auf Anfang September 2020 ab. Diese rückwirkende Berechnung hätte gemäss dem Finanzminister 5'000 zusätzliche Arbeitstage für die Verwaltung mit sich gebracht und dadurch zu Verzögerungen von 3 Monaten geführt. Auch eine befristete Verlängerung der Rahmenfrist für den Leistungsbezug von älteren Arbeitslosen fand trotz der mahnenden Worte von Minderheitensprecher Rechsteiner (sp, SG), wonach ausgesteuerten Personen «der Absturz in die Sozialhilfe» drohe, keine Mehrheit. Stattdessen wollte der Ständerat die Situation der älteren Arbeitslosen dadurch verbessern, dass älteren Personen, die zwischen Januar und Juli 2021 ausgesteuert werden, ebenfalls bereits Zugang zu Überbrückungsleistungen gewährt wird –, wie die Minderheit Wermuth im Nationalrat zuvor noch erfolglos gefordert hatte.

Stillschweigend verabschiedete die kleine Kammer schliesslich die Änderung am Ordnungsbussengesetz, wonach zwar Ordnungsbussen für das Verweigern des Tragens von Masken in klar abgrenzbaren Bereichen wie dem öffentlichen Verkehr, nicht aber in schlechter abgrenzbaren Bereichen wie belebten Fussgängerzonen erteilt werden können. «Für die Strafbarkeit muss klar sein, was strafbar ist und was nicht», hatte Kommissionssprecher Pirmin Bischof diese bereits vom Nationalrat eingenommene Position verteidigt.
Einstimmig verabschiedete der Ständerat in der Folge den Revisionsentwurf zum Covid-19-Gesetz zuhanden des Nationalrats.

Erste Revision des Covid-19-Gesetzes (BRG 20.084)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

Am 25. September 2020, und damit nur wenige Tage vor der Abstimmung über die Begrenzungsinitiative, veröffentlichte das SRF einen Brief der Sozialpartner an den Bundesrat aus dem August 2020 und bezeichnete das Rahmenabkommen als «klinisch tot». In besagtem Brief hielten der SAV, der SGV, der SGB und TravailSuisse die Ergebnisse ihrer Aussprache zum Rahmenabkommen fest. Die Sozialpartner machten deutlich, dass das Rahmenabkommen in der gegenwärtigen Form nicht unterzeichnet werden solle und brachten zahlreiche Änderungsforderungen zum Ausdruck. Unter anderem verlangten sie die Gewährleistung des autonomen Lohnschutzes (inkl. Kautionen) und einen Teilausschluss der Unionsbürgerrichtlinie, um den Bezug von Sozialleistungen durch arbeitslose EU-Bürger und -Bürgerinnen zu verhindern. SGV, SGB und TravailSuisse riefen den Bundesrat dazu auf, ein Rahmenabkommen mit einem bilateralen Streitschlichtungsmechanismus und dem Ausschluss der vitalen Interessen – also Lohnschutz, Teile der Unionsbürgerrichtlinie und Staatsbeihilfen – zu entwickeln. Nur der SAV zeigte sich mit der Logik des vorliegenden Entwurfs einverstanden und forderte einzig eine weitergehende völkerrechtliche Absicherung im Bereich der flankierenden Massnahmen. Gemäss Angaben aller Beteiligten hätte die Stellungnahme der Sozialpartner erst nach erfolgter Volksabstimmung bekannt gegeben werden sollen, berichtete der Tages-Anzeiger. Wenige Stunden nach Veröffentlichung des Briefs kündigte EU-Ratspräsident Charles Michel auf Twitter an, dass man die Wettbewerbsbedingungen im EU-Markt von nun an besser durchsetzen werde, auch für jene die sich der Union annähern möchten. Die Sonntagszeitung sah in dieser Formulierung eine klare Drohung an die Schweiz und befürchtete, dass die EU die bestehenden Verträge nicht mehr aktualisieren würde, sofern die Schweiz das Rahmenabkommen nicht endlich abschliesse. SGB-Chef Maillard, der den Brief mitunterzeichnet hatte, betonte in einem Interview mit der WOZ, dass der vorliegende Vertragstext bei der Bevölkerung gegen die Gewerkschaften, das Gewerbe, grosse Teile der CVP, viele Kantone und ehemalige Bundesräte kaum eine Chance hätte. Bei einer Abstimmung würde sich nur die SVP profilieren, der man damit ein Geschenk machen würde. Maillard zeigte sich einer Alternativlösung gegenüber offen, bei der sich die Schweiz mittels einer erhöhten finanziellen Beteiligung am EU-Haushalt mehr Zeit für die Verhandlungen erkaufen würde. Ähnliche Vorschläge hatten zuvor auch Alt-Bundesrat Johann Schneider-Ammann, Ständerat Andrea Caroni (fdp, AR) und SP-Präsident Cédric Wermuth (sp, AG) gemacht.
Hans Hess, Präsident von Swissmem, äusserte in einem NZZ-Interview die Meinung, dass der Bundesrat das Rahmenabkommen ohne Zustimmung der Gewerkschaften verabschieden solle, da nur das Volk ein Vetorecht habe und alle Interessengruppen angehört worden seien. Für Hess wäre es undemokratisch, wenn man dem Volk keine Chance gäbe, über das Abkommen abzustimmen, nur weil die Gewerkschaften an ihren «harten Positionen» festhielten. Der Widerstand der Sozialpartner führte in den Tagen danach auch zu neu entfachter Kritik vonseiten der Parteien. So betonten Petra Gössi (fdp, SZ), Cédric Wermuth und Pirmin Bischof (cvp, SO) gegenüber der NZZ allesamt, dass der Ball nun beim Bundesrat liege. Alle drei erwarteten jedoch «substanzielle inhaltliche Verbesserungen», die über Präzisierungen und unverbindliche Absichtserklärungen hinausgingen. CVP-Ständerat Bischof forderte Verbesserungen in den souveränitätspolitischen Fragen wie der dynamischen Rechtsübernahme und der Rolle des EuGH bei der Streitbeilegung, da diese mit dem direktdemokratischen und föderalistischen System der Schweiz schwer zu vereinbaren seien. Damit stünden die Chancen auf einen erfolgreichen Vertragsabschluss schlecht, so die NZZ, denn der Bundesrat habe die Teile des Abkommens, die sich auf Souveränitätsfragen bezogen, bereits akzeptiert. Wenn die Schweiz auch diesbezüglich Nachverhandlungen fordern würde, stiesse das bei der EU kaum auf Verständnis.

Aussprache der Sozialpartner zum Rahmenabkommen
Dossier: Institutionelles Rahmenabkommen

La motion de l'écologiste Maya Graf (pes, BL), qui demandait que les pauses allaitement payées par l'employeur soient remboursées par l'assurance perte de gains (APG) a été classée sans suite, le Conseil national n'ayant pas achevé son examen dans le délai imparti.

Bezahlte Stillpausen sollen durch die Erwerbsersatzordnung finanziert werden

In der Herbstsession 2020 beschäftigte sich erneut der Ständerat mit der Standesinitiative des Kantons Aargau für die «Abschaffung der Heiratsstrafe». Vor seiner ersten Behandlung im Februar 2018 hatte die WAK-SR noch argumentiert, dass die Botschaft des Bundesrates für eine ausgewogenen Paar- und Familienbesteuerung abgewartet werden solle. Erneut sprach sich die Kommissionsmehrheit im August 2020 dafür aus, der Standesinitiative keine Folge zu geben. Der bundesrätliche Vorschlag sei in der Zwischenzeit an die Regierung zurückgewiesen worden, damit sie Alternativen erarbeite. Offen sei auch eine Motion Markwalder (fdp, BE: Mo. 19.3630). Es solle daher nicht parallel auch noch an der Initiative gearbeitet werden, betonte die Mehrheit. Eine Minderheit Bischof (cvp, SO) wollte hingegen das langjährige Problem unverzüglich angehen. Ansonsten bleibe man noch länger als die bisherigen 36 Jahre – seit dem entsprechenden Bundesgerichtsurteil – bei einem verfassungswidrigen System, erläuterte der Minderheitensprecher in der Ratsdebatte. Das System, welches die Standesinitiative vorschlage, sei dasselbe, welches bereits alle Kantone anwendeten und das auch die Volksinitiative vorgeschlagen habe. Mit 22 zu 18 Stimmen (bei 1 Enthaltung) blieb der Ständerat bei seiner Meinung und gab der Standesinitiative erneut keine Folge. Damit ist sie vom Tisch.

Verschiedene Vorstösse zur Ehepaar- oder Individualbesteuerung (Mo. 05.3299, Kt.Iv. 06.302 / 07.305 / 08.318, Pa. Iv. 05.468, Mo. 16.3006, Kt.Iv. 16.318)
Dossier: Abschaffung der Heiratsstrafe
Dossier: Reform der Ehe- und Familienbesteuerung seit 2000 – Gemeinschaftsbesteuerung oder Individualbesteuerung?
Dossier: Bestrebungen zur Einführung der Individualbesteuerung

Zwischen dem 14. und dem 21. September 2020 fand das Differenzbereinigungsverfahren zum Covid-19-Gesetz statt. Dabei blieb das Programm der beiden Räte sehr gedrängt. Gleich zu Beginn des Verfahrens nahm der Nationalrat einen Ordnungsantrag Weichelt-Picard (al, ZG) an und verschob wie darin gefordert die Behandlung des Geschäfts auf den Folgetag, um der Kommission eine ausführlichere Diskussion der Differenzen zu ermöglichen.
Bei den Beratungen selber konnten die Räte dann die meisten Aspekte bereinigen, einzelne Fragen zu den Härtefallmassnahmen und zur Erwerbsersatzordnung blieben jedoch bis zum Schluss offen.

Bereinigen konnte das Parlament unter anderem die Fragen zum Gegenstand des Gesetzes. Hier pflichtete der Nationalrat dem Vorschlag des Ständerats bei, wonach der Bundesrat seine aussergewöhnlichen Befugnisse nur dann einsetzen darf, wenn eine Behandlung durch das Parlament zeitlich nicht möglich ist. Bezüglich des Einbezugs von Sozialpartnern, Gemeinden und Städten bei der Erarbeitung von Massnahmen brachte die Mehrheit der SGK-NR ihren anfänglichen Vorschlag erneut vor: So sollten zwar die Sozialpartner, nicht aber die Verbände von Gemeinden und Städten einbezogen werden. Entgegen anderen Anträgen der Minderheiten Prelicz-Huber (gp, ZH) im Nationalrat und Dittli (fdp, UR) im Ständerat stimmten beide Parlamentskammern diesem Vorschlag zu.

Bezüglich des Gesundheitsbereichs war lediglich die Frage nach dem Verbot von medizinischen Tätigkeiten noch offen. Hier wollte der Ständerat ausdrücklich festhalten, dass eine solche Einschränkung nur bei nicht dringenden Behandlungen möglich sein soll. Dem stimmte der Nationalrat zu, packte die Bestimmung aber in eine schlankere Formulierung.

Auch bei den ALV-Massnahmen, spezifisch bezüglich der Entschädigung von Lohnfortzahlungen durch die Arbeitgebenden, wurden sich die Räte einig. Der Ständerat hatte diesbezüglich zuvor kritisiert, dass der Bundesrat in den meisten Fällen Massnahmen vorschlage, welche eine Weiterarbeit der Betroffenen ermögliche, und es für diese Fälle keine Entschädigung brauche. Der Nationalrat nahm folglich den Vorschlag seiner Kommission an, wonach die Entschädigungen ausdrücklich auf Fälle eingegrenzt werden sollten, bei denen die Arbeit aufgrund behördlicher Massnahmen eingestellt werden muss. Dieser Formulierung konnte sich in der Folge auch der Ständerat stillschweigend anschliessen.

Bei den Ausländer- und Asylmassnahmen folgte der Nationalrat dem Ständerat bezüglich der Möglichkeit zur Fristerstreckung bei Ausreise, dem Erlöschen von Asyl und von vorläufigen Aufnahmen, obwohl er in der ersten Debatte einen entsprechenden Minderheitsantrag Crottaz (sp, VD) noch abgelehnt hatte. Diese Massnahme sei nötig, falls die epidemiologische Lage eine Ausreise aufgrund geschlossener Grenzen nicht erlaube, erklärte Kommissionssprecherin Humbel (cvp, AG). Der Nationalrat lehnte den Minderheitsantrag de Courten (svp, BL), der an der bisherigen Entscheidung des Nationalrats festhalten wollte, ab. Auch den ständerätlichen Vorschlag, wonach der Bundesrat bei Grenzschliessungen die Reisefreiheit der Grenzgängerinnen und Grenzgänger sowie von Einwohnerinnen und Einwohnern gewährleisten solle, hiess die grosse Kammer entgegen einem Minderheitsantrag Aeschi (svp, ZG) gut.

Bei den insolvenzrechtlichen Massnahmen stimmte der Nationalrat auf Antrag seiner Kommission der vom Ständerat geschaffenen Regelung, wonach auch bei Überschuldung eine Abweichung vom Gesetz möglich sein soll, stillschweigend zu. Hingegen beharrte er darauf, dass Transporteure nicht für Zollschulden, welche durch den Covid-19-bedingten Konkurs von Empfängern oder Importeuren entstanden ist, haftbar gemacht werden können. Hier gab sich der Ständerat in der nächsten Behandlungsrunde geschlagen.

Eine Lösung fand man auch bei den Massnahmen in der ALV. Offen war hier noch die Frage, ob Mitarbeitenden auf Abruf, in einem zeitlich begrenzten Arbeitsverhältnis, in einem Lehrverhältnis oder Temporärarbeitskräften ebenfalls Anspruch auf Erwerbsausfallentschädigungen zugesprochen werden kann. Der Nationalrat beharrte auf dieser Ausweitung, worauf die SGK-SR einen Kompromissvorschlag machte: Mitarbeitende auf Abruf in unbefristeten Arbeitsverhältnissen sollten EO beantragen können, nicht aber die übrigen aufgezählten Gruppen. Trotz anderslautenden Minderheitsanträgen im Ständerat (Graf, gp, BL) und Nationalrat (Prelicz-Huber) willigten beide Räte in diesen Kompromiss ein.

Bis zum Schluss umstritten waren Aspekte des Kulturbereichs. Zwar konnten die Räte auch in diesem Bereich zahlreiche Differenzen ausräumen. So einigten sie sich darauf, die Leistungsvereinbarungen der Kantone mit CHF 100 Mio. zu unterstützen, wie es der Nationalrat vorgeschlagen hatte. Zudem willigte der Nationalrat ein, dass der Bund bei den Sportvereinen keine Rangrücktritte machen soll. Bei der Unterstützung für besonders stark betroffene Unternehmen setzte sich der Nationalrat bezüglich der Kann-Formulierung durch: Die Unterstützung bleibt somit für den Bundesrat freiwillig. Zudem kann der Bundesrat diesbezüglich zukünftig A-Fonds-perdu-Beiträge ausrichten. Man einigte sich überdies darauf, dass Unternehmen zwar prinzipiell nur Härtefallmassnahmen beanspruchen können, wenn sie keine anderen Finanzhilfen beanspruchen, schränkte diese Regelung aber noch etwas ein: KAE, EO und die Covid-Kredite sollen dabei nicht berücksichtigt werden. Dass teilweise nur um einzelne Ausdrücke gestritten wurde, zeigte die Frage, wie «fit» die Unternehmen zum Erhalt von Härtefallmassnahmen sein müssen. Einig war man sich, dass Unternehmen ohne Zukunftsperspektive keine Hilfe mehr erhalten sollten. Die Räte entschieden sich jedoch gegen die Begriffe «gesund» (Ständerat, erste Behandlung), «profitabel» (Nationalrat, zweite Behandlung) und «profitabel und überlebensfähig» (Ständerat, zweite Behandlung) und bevorzugten stattdessen «profitabel oder überlebensfähig» (Nationalrat, dritte Behandlung). Ein weiterer Versuch durch eine Minderheit Weichelt-Picard, Unterstützung für die Institutionen der familienergänzenden Kinderbetreuung zu erhalten, diesmal über deren Aufführung bei den besonders stark betroffenen Branchen, scheiterte erneut.
Bis zum Schluss des Differenzbereinigugsverfahrens umstritten blieb schliesslich die Frage der Definition eines Härtefalls und seiner Bedingungen. Kann ein Härtefall als Rückgang des Jahresumsatzes auf unter 60 Prozent des mehrjährigen Durchschnitts (Ständerat) definiert werden, wobei auch die Gesamtvermögenssituation berücksichtigt werden soll, oder müssen dafür vielmehr die Zahlen zur Umsatzeinbusse und zum Insolvenzrisiko betrachtet werden (Nationalrat)? Diese Frage musste in der Einigungskonferenz entschieden werden, die gleich im Anschluss an die Differenzbereinigung stattfand.

Ebenfalls keine Einigung im Differenzbereinigungsverfahren fand man bei einzelnen Massnahmen zur Entschädigung des Erwerbsausfalls. Einig wurde man sich zwar bezüglich der Frage, ob Selbständigerwerbende und Personen in arbeitgeberähnlicher Stellung ebenfalls Anspruch auf EO erhalten sollten. Hier setzte sich der Nationalrat durch, der eine entsprechende Regelung gefordert hatte. Die Schaffung einer Obergrenze des anzurechnenden Betrags bei EO (erste Behandlung des Nationalrats) respektive eine Obergrenze des anrechenbaren Einkommens (zweite Behandlung des Nationalrats) legten die Räte jedoch nicht fest, weil sie die Schaffung eines Schwellenwertes verhindern wollten; diese Fragen soll der Bundesrat in entsprechenden Verordnungen entscheiden. Des Weiteren war umstritten, ob ein Erwerbsausfall nachgewiesen werden muss und ob die selbstdeklarierte Höhe des Erwerbsausfalls ausbezahlt werden soll. Dies wollte der Nationalrat aufgrund eines breit abgestützten Einzelantrags Mettler/Meyer/Rösti/Roduit durch Stichproben sicherstellen, was der Ständerat mit einer etwas abgeänderten Formulierung akzeptierte. Schliesslich gab sich der Ständerat auch bei der Verwendung der Arbeitgeberbeitragsreserven durch die Arbeitgeber zur Bezahlung der BVG-Beiträge geschlagen.
Nicht einig wurde man sich auch bei der Frage, wer EO erhalten soll. Anfänglich stritten sich die Räte diesbezüglich darüber, ob nur bei Unterbrechung oder auch bei massgeblicher Einschränkung der Erwerbstätigkeit Erwerbsersatz ausgerichtet werden kann. Dann schlug der Ständerat vor, die Einschränkungen zu beziffern: Bei Umsatzeinbussen von mindestens 60 Prozent im Vergleich zu den Vorjahren soll ein EO-Bezug möglich sein. Der Nationalrat fürchtete sich jedoch diesbezüglich vor Schwelleneffekten und nahm einen entsprechenden Einzelantrag Mettler/Meyer/Prelicz-Huber/Roduit/Rösti/Sauter an, weshalb der Ständerat die Regelung präzisierte: Bei einer Umsatzeinbusse von mindestens 65 Prozent gilt man als «massgeblich eingeschränkt», bei Umsatzeinbussen zwischen 60 und 65 Prozent können Erwerbsausfallentschädigungen dann beantragt werden, wenn das durchschnittliche massgebliche Einkommen 2015 bis 2019 unter CHF 90'000 liegt. Ansonsten wird ein Einkommen von CHF 90'000 angerechnet. Wichtig sei der Kommissionsmehrheit, dass die gesamte Vermögens- und Kapitalsituation berücksichtigt werde, betonte Kommissionssprecher Rechsteiner (sp, SG). Über diesen Vorschlag musste entsprechend ebenfalls die Einigungskonferenz entscheiden.
Umstritten war diesbezüglich auch die Frage, bis wann Artikel 10 zum Erwerbsausfall gelten soll. Der Bundesrat hatte eine Geltungsdauer bis Ende 2022 vorgeschlagen, der Nationalrat wollte diese aber auf Juni 2021 beschränken. Aufgrund eines Einzelantrags Feller (fdp, VD) erlaubte die grosse Kammer überdies eine rückwirkende Inkraftsetzung dieses Artikels auf den 17. September 2020. Damit wollte er die Möglichkeit auf Rückwirkung schaffen, welche der Bundesrat in einer Medienmitteilung angekündigt hatte, aber die ohne Rechtsgrundlage nicht möglich sei, betonte Feller. Nachdem die SGK-SR noch die Kann-Formulierung zur Rückwirkung gestrichen hatte, willigten beide Räte ein.

Bundesgesetz über die gesetzlichen Grundlagen für Verordnungen des Bundesrates zur Bewältigung der Covid 19-Epidemie (Covid-19-Gesetz; BRG 20.058)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

Der Ständerat behandelte das Covid-19-Gesetz gleich am Folgetag der entsprechenden nationalrätlichen Debatte, was dazu führte, dass der Kommission und den einzelnen Ratsmitgliedern nur sehr wenig Zeit für die Vorbereitung blieb. Probleme bereiteten der Kommission insbesondere die vom Nationalrat gutgeheissenen Einzelanträge, da sie diese erst am Morgen vor der Ratsdebatte behandeln konnten. Kommissionssprecher Rechsteiner (sp, SG) nannte die Situation entsprechend «herausfordernd, aber auch nicht völlig ungewöhnlich», zumal die Themen «überblickbar» seien. Anders sah dies Thomas Minder (parteilos, SH), der das Geschäft zu einem «Fauxpas der gröberen Sorte» erklärte, was er unter anderem auf die gedrängte Behandlung bezog. Eintreten war jedoch unbestritten.

Zuerst setzte sich der Ständerat in der Detailberatung mit einem Ordnungsantrag Minder auseinander, der auf dem zweiten Teil seiner Kritik beruhte: Der Schaffhauser Ständerat befürchtete, dass die Breite des Gesetzes die Einheit der Materie verletze. Er zeigte sich besorgt, dass die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger bei einer so breiten Vorlage in einem drohenden Referendum ihrer freien Willensäusserung nicht nachkommen könnten. Entsprechend reichte er einen Splittingantrag ein, bei dem er die Primärmassnahmen, also die Massnahmen zur Bekämpfung der Epidemie, von den Sekundärmassnahmen, also den Massnahmen zur Bewältigung der Folgeprobleme, trennen wollte. Mit der Ansicht, dass die Zusammenfassung solch unterschiedlicher Aspekte in einem Gesetz problematisch sei, war Minder nicht alleine. Zahlreiche Sprechende pflichteten ihm diesbezüglich bei, selbst Kommissionssprecher Rechsteiner sprach von einem «gesetzgeberischen Birchermüesli». Dennoch fand die vorgeschlagene Lösung des Splittings bei der Ratsmehrheit wenig Anklang: Damit vereinfache man die Wahrnehmung der politischen Rechte nicht, sondern erschwere sie zusätzlich, argumentierte etwa Carlo Sommaruga (sp, GE). Zudem gebe man der Stimmbevölkerung erst recht das Gefühl, dass man sie an ihrer Mitsprache hindern wolle, weil sie dadurch zwei Referenden ergreifen müsste, ergänzte Paul Rechsteiner für die Kommission. Bundeskanzler Thurnherr erklärte, dass sich der Bundesrat durchaus überlegt habe, die Vorlage in viele einzelne dringliche Bundesbeschlüsse aufzuspalten, sich aber dagegen entschieden habe, weil das zu wenig übersichtlich gewesen wäre. Mit 30 zu 7 Stimmen lehnte der Ständerat in der Folge den Antrag Minder ab.

Bei der Detailberatung lag auch dem Ständerat eine Vielzahl an Anträgen vor (20 Mehrheits-, 13 Minderheits- und 10 Einzelanträge) und wiederum war bereits der Artikel zum Gegenstand des Gesetzes umstritten. Hier behandelte der Ständerat einen neuen Einzelantrag Caroni (fdp, AR), der explizit festhalten wollte, dass der Bundesrat die entsprechenden Befugnisse nur soweit wahrnehmen dürfe, wie eine Problematik wirklich dringlich sei. Wann immer möglich, solle er jedoch den ordentlichen oder dringlichen Gesetzgebungsprozess einhalten. Kommissionssprecher Rechsteiner erachtete die Bestimmung als überflüssig und befürchtete überdies, dass sie zu Missverständnissen führen könnte. So gebe es durchaus Massnahmen, von denen man wolle, dass sie der Bundesrat selbständig umsetze, zum Beispiel die Beschaffung von Gesundheitsmaterial. Bundeskanzler Walter Thurnherr erachtete den Zusatz zwar ebenfalls als unnötig, er sei aber auch nicht schädlich, «weil wir nichts anderes vorhaben als das». Mit 24 zu 15 Stimmen nahm die kleine Kammer den Antrag Caroni an und schuf damit eine erste Differenz zum Nationalrat.
Darüber hinaus diskutierte nach dem Nationalrat auch der Ständerat über die Frage, ob die Dachverbände der Sozialpartner und die Verbände der Gemeinden und Städte ausdrücklich ins Gesetz aufgenommen werden sollten. Die Kommissionsmehrheit lehnte diese Änderung durch den Nationalrat ab, eine Minderheit Germann (svp, SH) befürwortete sie. So betonte Germann unter Nennung seiner Interessenbindung als Präsident des Gemeindeverbandes, dass die Massnahmen gerade in den Bereichen der Kinderkrippen, der Unterstützung des öffentlichen Verkehrs oder der Kulturhilfen die Gemeinden durchaus betreffe und dass diese entsprechend auch angehört werden sollten. Mit 23 zu 16 Stimmen folgte der Ständerat jedoch der Kommissionsmehrheit und schuf damit eine weitere Differenz zum Erstrat. Die übrigen Änderungen des Nationalrats, wie die Information der Parlamentsorgane und die Orientierung der Entscheidungen an den vorhandenen Daten, hiess der Ständerat stillschweigend gut. Umstritten war hingegen die Frage, ob temporär die Bundeskanzlei einen Teil der Stimmrechtsbescheinigungen bei den Gemeinden einholen solle, wie der Nationalrat entschieden hatte. Die Kommissionsmehrheit lehnte dies ab. Der Bundeskanzler betonte, dass Initiativen und Referenden nicht nur aufgrund erschwerter Bedingungen nicht zustandekämen, in den letzten zehn Jahren seien 40 Prozent der Initiativen an der Unterschriftensammlung gescheitert. Ziel des bestehenden Gesetzes sei, dass die Referendumskomitees «selber die Verantwortung dafür übernehmen, wie viele Unterschriften sie haben». Ein Einzelantrag Vara (gp, NE) wollte diesbezüglich hingegen dem Nationalrat folgen: Damit könne man der Zivilgesellschaft zeigen, dass man ihre Anliegen anerkenne, zudem sei es die Pflicht der Politikerinnen und Politiker, die demokratischen Rechte auch unter schwierigen Bedingungen zu gewährleisten, betonte die Minderheitensprecherin. Mit 18 zu 17 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) teilte der Rat diese Meinung mehrheitlich und folgte diesbezüglich dem Nationalrat.

Besonders umstritten waren im Ständerat, wie bereits im Nationalrat, die Massnahmen im Kulturbereich. Hier entschied sich der Ständerat mit 26 zu 14 Stimmen für den Vorschlag der Kommission, insgesamt nur CHF 80 Mio. anstelle der vom Nationalrat festgesetzten und von einer Minderheit Graf (gp, BL) vorgeschlagenen CHF 100 Mio. für Leistungsvereinbarungen der Kantone bereitzustellen.
Bei den Sportvereinen schlug die Kommission vor, die vom Nationalrat angenommenen Darlehen ebenfalls zu ermöglichen, jedoch von den Vereinen Sicherheiten im Umfang von 35 Prozent statt 25 Prozent zu verlangen und keine Möglichkeit für Rangrücktritte durch den Bund – also für eine Einwilligung des Bundes, dass seine Forderungen im Falle einer Insolvenz letzte Priorität hätten – vorzusehen. Eine Minderheit Germann wollte in beiden Punkten dem Nationalrat folgen. Für die Klubs seien diese Fragen entscheidend, da eigentlich bereits Sicherheiten von 25 Prozent über ihrer Schmerzgrenze lägen. Wenn der Betrag zudem ohne Rangrücktritte gewährt würde, müsste er als Fremdkapital angerechnet werden, wodurch sich die Klubs womöglich bereits zur Überschuldung anmelden müssten. Stattdessen solle eine Kann-Formulierung geschaffen werden, so dass der Bund immer noch entscheiden könne, ob ein Verein bereits hoffnungslos verloren sei oder nicht. Mit letzterem Kommentar nahm er eine Kritik des Bundeskanzlers auf, der mit Bezug auf die Position des VBS und des BASPO erklärt hatte, dass ein Verein, der keine Sicherheiten im Umfang von 35 Prozent aufbringen könne, auch kein Darlehen erhalten solle. Mit 25 zu 13 Stimmen sprach sich der Ständerat für die tieferen, vom Nationalrat vorgeschlagenen Sicherheiten von 25 Prozent aus, lehnte hingegen die Rangrücktritte mit 19 zu 19 Stimmen bei Stichentscheid durch Präsident Stöckli ab.

Besonders umstritten waren die Härtefallmassnahmen für Unternehmen. Kommissionssprecher Rechsteiner betonte, dass der Bundesrat dabei sei, mit dem SECO, der EFV und den Kantonen abzuklären, wie dieser Härtefallfonds aussehen soll. Anstatt jedoch die Ergebnisse dieses Prozesses und den entsprechenden Gesetzesvorschlag in der Wintersession 2020 abzuwarten, habe der Nationalrat die Rechtsgrundlage geschaffen, «bevor das Projekt reif ist». Nun wisse man daher nicht, was die vorgeschlagenen Regelungen kosten würden. Da die Regelung nun aber bereits auf dem Tisch lag, versuchte der Ständerat das Beste daraus zu machen und ergänzte weitere Bestimmungen. So verlangte die Kommissionsmehrheit eine «entsprechende» finanzielle Beteiligung der Kantone, während eine Minderheit I Bischof (cvp, SO) diese Beteiligung auf den Wohnsitzkanton beschränken wollte. Eine Minderheit II Germann wollte eine ähnliche Bestimmung schaffen, wie sie der Nationalrat am Vortrag aufgrund des Einzelantrags Paganini (cvp, SG) angenommen hatte. Entsprechend sei der jetzige Antrag eher eine Ergänzung der nationalrätlichen Bestimmung, quasi ein Absatz 1bis, betonte Carlo Sommaruga, worauf Germann seine Minderheit auf die Streichung der Kann-Bestimmung für die Unterstützung verkürzte. Zusätzlich wollte die Minderheit II Germann ausdrücklich auch A-fonds-perdu-Beiträge ermöglichen. Ein Einzelantrag Ettlin (cvp, OW) wollte schliesslich sicherstellen, dass nur Unternehmen unterstützt würden, die vor Ausbruch der Krise wirtschaftlich gesund waren, und dass es keine doppelte Unterstützung für die Unternehmen durch verschiedene Massnahmen geben würde. Der Ständerat entschied sich hier für eine ausführlichere Regelung zu den Härtefallmassnahmen, nahm alle drei Minderheits- und Einzelanträge an (Antrag Bischof: 31 zu 8 Stimmen bei 1 Enthaltung; Antrag Germann: 23 zu 17 Stimmen; Antrag Ettlin: 38 zu 0 Stimmen bei 1 Enthaltung) und löste die dafür nötige Ausgabenbremse ohne Gegenstimmen. Damit war er auch einem Vorschlag von Ratspräsident Stöckli (sp, BE) gefolgt, dem Antrag Ettlin zuzustimmen, damit man diese Frage im Differenzbereinigungsverfahren noch genauer diskutieren könne.

Ähnlich umstritten waren die Regelungen zum Erwerbsersatz. Bezüglich der Möglichkeiten auf EO wollte der Ständerat noch einen Schritt weitergehen als der Nationalrat, der diese bereits auf massgebliche Einschränkung der Erwerbstätigkeit ausgedehnt hatte. Der Ständerat wollte aber zusätzlich auch die Kann-Formulierung der entsprechenden Regelung streichen, während eine Minderheit Hegglin (cvp, ZG) den engeren bundesrätlichen Vorschlag befürwortete. Es sei bereits mit der jetzigen Lösung für die Vollzugsstellen schwierig, die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzung zu prüfen, betonte er. Bundekanzler Thurnherr kritisierte einerseits die unklaren, aber vermutlich sehr hohen Ausgaben, die für die EO durch die Ausdehnung auf «Hunderttausende mehr» entstünden, und andererseits die unklare Formulierung der Regelung. Äusserst knapp folgte der Ständerat diesbezüglich der Minderheit Hegglin und dem Bundeskanzler und übernahm die Formulierung des Bundesrates mit 20 zu 19 Stimmen. Sehr kritisch zeigte sich der Bundeskanzler auch gegenüber der Idee, die EO auch für Selbständigerwerbende zu öffnen, da es «einfach nicht möglich [sei] zu überprüfen, ob eine selbständigerwerbende Person einen teilweisen Erwerbsausfall erleidet oder nicht». Damit öffne man Missbrauch «Tür und Tor». Die Kommissionsmehrheit wollte den entsprechenden, vom Nationalrat ergänzten Passus streichen, während eine Minderheit Graf diesbezüglich dem Nationalrat folgen wollte. Mit 21 zu 18 Stimmen sprach sich der Rat gegen den Einbezug der Selbständigerwerbenden aus. Stillschweigend lehnte er überdies eine Obergrenze des anzurechnenden Betrags von CHF 90'000, die Möglichkeit für den Bundesrat, Bestimmungen zu den anspruchsberechtigten Personen erlassen zu können, die Pflicht, den Erwerbsausfall nachzuweisen, und die Festlegung der Auszahlung durch Selbstdeklaration ab. Stattdessen nahm er einen Verweis auf die Regelung zur Erlöschung der Ansprüche und zur Verfügung im ATSG vor. Äusserst knapp lehnte die kleine Kammer mit 19 zu 19 Stimmen und Stichentscheid des Präsidenten auch die Verlängerung der Nutzung der Arbeitgeberreserven durch die Arbeitgeber ab, nachdem ein Einzelantrag Gmür-Schönenberger (cvp, LU) diese entgegen dem Antrag der Kommissionsmehrheit aufrechterhalten wollte. Andrea Gmür-Schönenberger hatte argumentiert, dass dadurch den Arbeitgebenden geholfen werden könne, ohne dass jemand belastet würde.

In Zusammenhang mit der Regelung zur EO standen gemäss dem Kommissionssprecher die Entschädigungen für Lohnzahlungen von Unternehmen an ihre Mitarbeitenden im Zuge von Covid-19-Massnahmen des Bundes. Der Nationalrat hatte sich für eine solche Entschädigung entschieden und eine Minderheit Carobbio Guscetti (sp, TI) wollte diesem Beispiel folgen, die SGK-SR-Mehrheit empfahl hingegen deren Ablehnung. Da es sich bei einer vom Bund verhängten Quarantäne in der Praxis um ein Arbeitsverbot handle, müsse der Bund die Unternehmen für die anfallenden Lohnkosten entschädigen, betonte Marina Carobbio Guscetti. Kommissionssprecher Rechsteiner entgegnete, dass für gefährdete Personen nicht in erster Linie eine Quarantäne, sondern Massnahmen, welche eine Weiterarbeit der Betroffenen erlaube (wie zum Beispiel Homeoffice), angeordnet würden. Durch die vorgeschlagene Regelung hätten die Arbeitgebenden jedoch einen Anreiz, die Mitarbeitenden an der Arbeit zu hindern, anstatt sie dabei zu schützen. Mit 24 zu 13 Stimmen lehnte der Rat den Minderheitsantrag ab.

Bei den Massnahmen zur ALV lehnte die Kommission die Ausdehnung der EO auf Personen auf Abruf, in Arbeitsverhältnissen auf Dauer, in Lehrverhältnissen sowie im Dienste von Temporärfirmen ab, wie sie der Nationalrat zuvor hinzugefügt hatte. In einem Einzelantrag machte sich Marina Carobbio Guscetti dafür stark, diese Ausdehnung beizubehalten, um diese Personen, in «prekären Arbeitsverhältnissen» zu unterstützen. Bundeskanzler Thurnherr argumentierte einerseits, dass Temporärarbeit sehr missbrauchsanfällig sei, und befürchtete andererseits, dass diese Arbeitsverhältnisse durch eine solche Besserstellung noch gefördert würden. Mit 26 zu 13 Stimmen folgte der Rat den Ausführungen des Bundeskanzlers und dem Antrag der Kommission. Auch zwei Minderheitsanträge Graf, die Vorschläge aus dem Erstrat aufnahmen, waren nicht erfolgreich: Mit 25 zu 14 Stimmen lehnte der Ständerat einen höheren Lohnersatz bei tiefen Löhnen (entsprechend dem Minderheitsantrag Maillard (sp, VD) im Nationalrat) ab, mit 25 zu 14 Stimmen (bei 1 Enthaltung) sprach er sich gegen die finanzielle Unterstützung von familienergänzenden Institutionen (gemäss den Anträgen Feri (sp, AG) und Weichelt-Picard (al, ZG) im Nationalrat) aus.

Die übrigen Massnahmen waren deutlich weniger umstritten. Bei den Massnahmen im Bereich der Gesundheitsversorgung schlug Jakob Stark (svp, TG) in einem Einzelantrag vor, den Personen, die sich vor einem durch diesen Artikel ausgelösten Impfobligatorium und der Zulassung von ausserordentlich zugelassenen Impfungen fürchteten, entgegenzukommen und ihren Bedenken Rechnung zu tragen, indem man ausdrücklich festhalten sollte, dass im Ausnahmeverfahren zugelassene Impfstoffe nicht dem Impfobligatorium gemäss Epidemiengesetz (Art. 6, Absatz 2 Buchstabe d) unterliegen sollen. Damit könnte die Akzeptanz des Gesetzes erhöht werden, betonte er. Von diesem Vorschlag zeigte sich Kommissionssprecher Rechsteiner gar nicht überzeugt. Die Annahme dieses Antrags wäre ein «Eigengoal erster Güte», betonte er. Das Covid-19-Gesetz habe «null und nichts» mit Impfen zu tun, es gehe lediglich um die vereinfachte Zulassung von Arzneimitteln, nicht von Impfstoffen. Bundeskanzler Thurnherr betonte zudem, dass es beim Impfobligatorium gemäss Epidemiengesetz ausschliesslich um Personen mit Betreuungsfunktionen gehe. Zudem sei eine vereinfachte Zulassung von Impfstoffen aufgrund der Konzeption des Heilmittelgesetzes nicht möglich, wie ihm das BAG versichert habe. Mit 33 zu 6 Stimmen lehnte der Ständerat den Antrag Stark in der Folge ab.
Ständerat Minder beantragte überdies, die Möglichkeit des Bundesrates zur Direktvermarktung von wichtigen medizinischen Gütern aus dem Gesetz zu streichen. Dass während der Corona-Krise zu wenig medizinische Güter wie Desinfektionsmittel vorhanden gewesen seien, heisse nicht, dass der Staat für deren Vermarktung zuständig sein und damit die freie Privatwirtschaft konkurrenzieren solle, kritisierte er. Der Bundeskanzler betonte jedoch, dass es hier lediglich darum gehe, dass der Bund, wenn er wie im Frühling Güter beschaffen müsse, diese bei der Rückkehr zur normalen Lage auch dann an die Verbraucher im Gesundheitswesen oder die Kantone abgeben könne, wenn er dafür Marktpreise gezahlt hatte. Es würden aber keine medizinischen Güter direkt an die Endkunden verkauft. Mit 33 zu 6 Stimmen lehnte der Ständerat den Antrag Minder ab.
Dann wollte die SGK-SR die Möglichkeit des Bundesrates, medizinische Tätigkeiten einzuschränken oder zu verbieten, nur auf Fälle beschränken, die nicht dringend sind und deren Aufschub keine Konsequenzen für die Gesundheit der Patientinnen und Patienten mit sich bringen. Diesen Punkt wolle man einfach explizit im Gesetz ausführen, betonte Kommissionssprecher Rechsteiner. Der Bundeskanzler zeigte sich von der Formulierung nicht begeistert: Entweder gebe es «keine nicht dringlichen Eingriffe, deren Nichtausführung schädliche Konsequenzen beim Patienten nach sich» zögen, weil sie sonst ja dringlich wären, oder alle möglichen Konsequenzen einer Nichtbehandlung würden einen sofortigen Eingriff nötig machen. Mit 31 zu 1 Stimme (bei 1 Enthaltung) sprach sich der Ständerat dennoch für die Präzisierung aus. Alle übrigen Änderungen des Nationalrats hiess der Ständerat stillschweigend gut.

In der Ausländer- und Asylpolitik wurden einige im Nationalrat abgelehnte Forderungen wieder aufs Tapet gebracht. So schlug die Kommission entsprechend dem Minderheitsantrag Crottaz (sp, VD) im Nationalrat vor, die Fristerstreckung auf weitere Bereiche auszudehnen, was der Rat stillschweigend annahm. Ohne Diskussion sprach sich der Rat auch für die vom Nationalrat geschaffene Ausnahme für Familiennachzug und Konkubinate aus. Eine Minderheit Sommaruga wollte zudem mit einer sehr offenen Formulierung festhalten, dass der Bundesrat bei Grenzschliessung die Reisefreiheit der Grenzgängerinnen und Grenzgänger sowie der Einwohnerinnen und Einwohner des Grenzgebiets «bestmöglich» gewährleistet. Damit wolle er der im Frühjahr aufgetretenen Problematik Rechnung tragen, als viele Personen Probleme bekamen, zum Beispiel weil sie auf der anderen Seite der Grenze arbeiteten, zur Schule gingen oder Familienmitglieder besuchen wollten. Dem pflichteten Maya Graf und Charles Juillard (cvp, JU) als weitere Vertretende von Grenzregionen bei, während Marco Chiesa aus gegenteiliger Perspektive des Tessins vertrat: Im Tessin sei man vielmehr hilflos gewesen, weil die Grenzen nicht hatten geschlossen werden können. Mit 28 zu 10 Stimmen (bei 1 Enthaltung) stimmte der Rat dem Antrag Sommaruga zu.

Bei den insolvenzrechtlichen Massnahmen schlug die Kommission vor, dass der Bundesrat neben dem Nachlassvertrag und der Stundung auch bei der Anzeigepflicht bei Kapitalverlust und Überschuldung vom Gesetz abweichende Regeln erlassen können soll. Der Bundeskanzler sprach sich im Namen des Bundesrates aufgrund des Gläubigerschutzes gegen diesen Antrag, der mit einer Motion Ettlin (Mo. 20.3418) übereinstimme, aus. Der Gläubigerschutz sei mit der entsprechenden Sofortmassnahme eingeschränkt worden, nun könne man diese Massnahme aber nicht beliebig lange fortsetzen. Auch in der Vernehmlassung seien entsprechende Bedenken geäussert worden. Mit 31 zu 5 Stimmen nahm der Ständerat den Vorschlag dennoch an. Stattdessen strich der Ständerat auf Antrag der Kommission stillschweigend die vom Nationalrat geschaffene Möglichkeit, die Haftung von Transporteuren für die Zollschuld bei Konkursen der Empfänger oder Importeure wegen Covid-19 zu streichen.

Zum Abschluss der Debatte behandelte der Rat noch einen Einzelantrag Stark, der das Covid-19-Gesetz nur bis Ende September 2021, statt wie vom Bundesrat vorgeschlagen bis Ende Dezember 2021 laufen lassen wollte. Da die Covid-19-Krise im Sommer 2021 mit grosser Wahrscheinlichkeit vorbei sein werde, solle das Gesetz nicht noch bis Ende Jahr gültig bleiben, argumentierte Jakob Stark. Durch die verkürzte Gültigkeit sende man der Schweizer Bevölkerung ein positives Signal, dass man das Notrecht zeitlich möglichst begrenzt halten wolle. Mit 30 zu 8 Stimmen folgte der Ständerat jedoch der Kommissionsmehrheit und beliess die Frist bei Ende 2021.
Mit 33 zu 1 Stimme (bei 4 Enthaltungen) sprach sich schliesslich die überwiegende Mehrheit des Ständerats für das Covid-19-Gesetz aus. Die ablehnende Stimme stammte von Thomas Minder (parteilos, SH) und die Enthaltungen von Mitgliedern SVP und einem Mitglied der CVP.

Bundesgesetz über die gesetzlichen Grundlagen für Verordnungen des Bundesrates zur Bewältigung der Covid 19-Epidemie (Covid-19-Gesetz; BRG 20.058)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

In der Herbstsession 2020 behandelte der Ständerat das von der SGK-NR geschaffene Paket 1a des Massnahmenpakets zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen, das die weniger umstrittenen Teile des ersten Massnahmenpakets des Bundesrats beinhaltete. Nachdem er ohne Gegenantrag auf die Vorlage eingetreten war, schuf er einige Differenzen zum Erstrat.
Nur eine kleine Änderung gegenüber der nationalrätlichen Version nahm der Ständerat, in Übereinstimmung mit seiner Kommission, bei der Frage der Rechnungsstellung im Tiers payant-System vor. Hier ergänzte er stillschweigend einen Passus, wonach die Versicherungen und die Leistungserbringenden abmachen können, dass die Versicherung für die Übermittlung der Rechnungen zuständig sein soll. Mit der Änderung des Nationalrats, wonach die Rechnungen auch elektronisch verschickt oder auf einem Webportal hinterlegt werden können, zeigten sich die Ständerätinnen und Ständeräte hingegen einverstanden.
Für deutlich mehr Diskussionen sorgte die Frage der Behandlungstarife, insbesondere die Patientenpauschaltarife bei ambulanten Behandlungen, gemäss Kommissionssprecher Pirmin Bischof (cvp, SO) «ein Herzstück der Vorlage». Neu sollen gemäss Bundesrat vereinbarte Patientenpauschaltarife auf einer gesamtschweizerisch vereinbarten einheitlichen Tarifstruktur beruhen müssen, erklärte Bischof. Die Tarife müssten zwar nicht schweizweit identisch sein, wohl aber die in der Rechnung aufgeführten Teile einer Behandlung. Dies habe den Vorteil, dass die Rechnungen gesamtschweizerisch vergleichbar seien. Nachteilig sei hingegen, dass kantonale Differenzen in der Struktur nicht mehr möglich seien. Der Vorteil dieser Änderung liege gemäss Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) auch darin, dass man damit das Risiko einer Mengenausweitung reduzieren könne. «Je mehr man verrechnet, desto mehr verdient man.» Eine Minderheit Müller (fdp, LU) beantragte, auf die Schaffung dieser Patientenpauschalen zu verzichten. Bereits heute gebe es solche Pauschalen und sie würden auch bei ambulanten Behandlungen angewendet. Da sich die Behandlung aber zwischen den verschiedenen Patientinnen und Patienten stark unterscheide, würde eine Vereinheitlichung zu einer Übervergütung von einfachen und zu einer Untervergütung von komplizierten Fällen, welche häufig bei kränkeren und sozial schwächeren Patientinnen und Patienten auftreten, führen. Obwohl die Minderheit Müller in der Kommission mit 8 zu 3 Stimmen (bei 1 Enthaltung) unterlegen war, meldeten sich mit Brigitte Häberli-Koller (cvp, TG), Erich Ettlin (cvp, OW), Hannes Germann (svp, SH) und Josef Dittli (fdp, UR) deutlich mehr Kommissionsmitglieder im Namen der Minderheit zu Wort. Einen ganz anderen Aspekt der Regelung stellte Gesundheitsminister Berset in den Mittelpunkt: Für ihn liege der zentrale Unterschied zur heutigen Regelung darin, dass der Bundesrat neu subsidiär eingreifen könne, wenn sich die Tarifpartner nicht auf eine Tarifanpassung einigen könnten. Mit 22 zu 21 Stimmen setzte sich die Minderheit in dieser Frage jedoch knapp durch, der Ständerat lehnte damit die Schaffung einer Patientenpauschale ab.
Eine weitere offene Frage bezüglich der Behandlungstarife betraf die Schaffung einer nationalen Tariforganisation im ambulanten Bereich, entsprechend der Swiss DRG im stationären Bereich, die für die Erarbeitung und Weiterentwicklung der Tarifstrukturen zuständig sein sollte. Hier sei man sich mehrheitlich einig, betonte Bischof, offen sei lediglich noch die Frage der Organisationshoheit. Solle der Bundesrat über die Organisationsform entscheiden, dabei erst eine Konsultation durchführen oder gar nur subsidiär zuständig sein, wenn sich die Leistungserbringenden und Versicherungen nicht einigen können? Letzteres schlug die SGK-SR vor. Bundesrat Berset stellte zudem in seiner Antwort auf eine Frage von Charles Juillard (cvp, JU) fest, dass ausschliesslich Tarifpartner in der Organisation vertreten sein würden und die Kantone somit darin erst mitwirken könnten, wenn EFAS angenommen worden sei und die Kantone somit ebenfalls für die ambulante Behandlung zuständig wären. Stillschweigend folgte der Ständerat in diesem Punkt dem Vorschlag seiner Kommission.
Ein weiterer umstrittener Aspekt der Tariffrage betraf die Finanzierung von Rechnungsprüfungen, welche die Patientenorganisationen durchführen sollten, durch das EDI. Die Kommissionsmehrheit wollte diesen vom Nationalrat eingefügten Punkt aus der Vorlage streichen, eine Minderheit Carobbio Guscetti wollte ihn beibehalten. Natürlich sollten sich Patientinnen und Patienten von externen Organisationen beraten lassen können, der Bund solle sich dabei aber nicht an der Finanzierung dieser Dienstleistung beteiligen, zumal eine solche Finanzhilfe nur eine zusätzliche Kontrolleinheit bedeuten würden, erklärte Kommissionssprecher Bischof. Minderheitensprecherin Carobbio Guscetti betonte hingegen, dass die anfangs eingesetzte Expertengruppe einen ähnlichen Vorschlag gemacht habe und die GDK das Anliegen unterstütze. Nicht abgeneigt gegenüber der Finanzierung zeigte sich auch Bundesrat Berset, für den die Massnahme nicht im Widerspruch zur Strategie des Bundesrates stand. Mit 28 zu 13 Stimmen (bei 1 Enthaltung) sprach sich der Ständerat aber gegen die Finanzierung aus und schuf damit eine weitere Differenz zum Nationalrat.
Schliesslich stand noch der Experimentierartikel im Raum, gemäss Bischof der «zweite Kernartikel dieser Vorlage». Die SGK-SR wollte den nationalrätlichen Vorschlag um die Möglichkeit, experimentelle Projekte zur Förderung der Digitalisierung durchführen zu können, ergänzen. Streichen wollte sie hingegen Projekte zur Einschränkung der freien Arztwahl. Eine weitere Minderheit Müller schlug indes vor, vollständig auf den Katalog mit möglichen Bereichen, in denen Projekte durchgeführt werden können, zu verzichten. Ohne Katalog könnten auch Projekte durchgeführt werden, welche Grundrechtseingriffe enthielten, erklärte Bischof den Widerstand der Kommissionsmehrheit gegen diesen Vorschlag. Die betroffenen Patientinnen und Patienten hätten keine Möglichkeit, sich gegen die Projekte zu wehren. Gesundheitsminister Berset sprach sich vehement gegen den Minderheitsantrag und die Streichung des Katalogs aus. Der Bundesrat und die Verfassungsrechtsexperten des Bundes seien sich einig, dass dies gegen Artikel 5 Absatz 1 der Bundesverfassung verstosse, wonach das Recht Grundlage und Schranke staatlichen Handelns darstelle. Damit würden die möglichen Experimente keine Grenzen kennen. So könnten zum Beispiel für die Bevölkerung eines Kantons die Hälfte des Leistungskatalogs gestrichen, die Franchise auf CHF 10'000 erhöht oder risikobezogene Prämien eingeführt werden. Paul Rechsteiner (sp, SG) kritisierte des Weiteren, dass die freie Arztwahl auf der Liste möglicher Projekte aufgeführt sei: Die Einschränkung der freien Arztwahl sei ein fundamentaler Systemeingriff, der Grundrechtsdimensionen betreffe und entsprechend per Gesetz zu entscheiden sei. Man solle den «Akteuren im Gesundheitswesen [nicht] per Gesetz abschliessend vorschreiben, wo sie experimentieren können», betonte hingegen Minderheitensprecher Müller. Innovation entstehe «relativ chaotisch», ergänzte Erich Ettlin (cvp, OW). Zudem könne ja das EDI die Pilotprojekte bewilligen, müsse es aber nicht. Mit diesen Argumenten setzte sich die Kommissionsminderheit durch: Mit 23 zu 19 Stimmen sprach sich der Ständerat gegen die Einschränkung der Experimente auf einen Katalog aus. Im Anschluss bat Bischof den Nationalrat, in seiner nächsten Sitzung diese vom Ständerat geänderte Bestimmung etwas abzuschwächen und ihr eine Ausnahme für Grundrechtsverletzungen anzufügen.
Mit 31 zu 0 Stimmen (bei 12 Enthaltungen) nahm der Ständerat das Gesetz in der Gesamtabstimmung ohne Gegenstimme an. Die Enthaltungen stammten von sechs Mitgliedern der SP- sowie von je drei Mitgliedern der SVP- und der Grünen-Fraktion.

Erstes Massnahmenpaket zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen (BRG 19.046)
Dossier: Anstieg der Krankenkassenprämien dämpfen (seit 2020)

A la suite de la crise du Covid-19, la question du soutien aux indépendants a été posée sur la table du Parlement à de nombreuses reprises, notamment à travers les motions 20.3862 et 20.3825. S'appuyant sur l'urgence de ces motions, les parlementaires ont même obtenu la tenue d'une session extraordinaire selon la loi sur le Parlement (LParl).
La parlementaire Maya Graf (verts, BL) a également déposé une motion pour prolonger l'accès à l'allocation perte de gain (APG) pour les indépendants touchés directement ou indirectement par les mesures découlant du Covid-19. La parlementaire préconisait une prolongation jusqu'au 16 septembre 2020.
Alors que le Conseil fédéral y était favorable, Maya Graf a décidé de retirer sa motion. En effet, si la motion demandait une prolongation jusqu'au 16 septembre 2020, elle a été débattue en chambre que le 9 septembre 2020, ce qui a fortement réduit sa pertinence.

Indépendants directement ou indirectement touchés. Prolonger le droit aux allocations pour perte de gain (Mo. 20.3756)
Dossier: Covid-19 – Selbstständigerwerbende
Dossier: Covid-19 – Massnahmen zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen

In der Sommersession 2020 befasste sich der Ständerat mit dem indirekten Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative. Bevor das Stöckli ohne Gegenantrag auf die Vorlage eintrat, bedankten sich zahlreiche Rednerinnen und Redner beim Pflegepersonal und würdigten dieses für den geleisteten Einsatz während der Covid-19-Pandemie. Doch Applaus alleine reiche nicht; diesbezüglich waren sich viele Standesvertreterinnen und -vertreter einig. Es seien Massnahmen gefordert, um die Attraktivität des Pflegeberufes zu steigern und somit dem Pflegemangel entgegenzuwirken. Die Schweiz sei heute nicht in der Lage, auch nur die Hälfte der benötigen Pflegefachpersonen auszubilden, so Maya Graf (gp, BL). Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) fügte an, es müsse mittels Bezahlung, Wertschätzung und zugestandenen Kompetenzen dafür gesorgt werden, dass die ausgebildeten Fachkräfte ihrem Beruf nicht vorzeitig den Rücken zukehren würden. Erreichen wolle dies der indirekte Gegenvorschlag einerseits mit einer Ausbildungsoffensive und andererseits mit mehr Verantwortung für das Pflegepersonal.
Für ersteres müssten die entsprechenden Mittel bereitgestellt werden, wolle man nicht vom Ausland abhängig werden, hob Pirmin Bischof (cvp, SO) hervor. Dazu gehörten die finanzielle Unterstützung der Kantone durch den Bund, wenn sie Pflegefachkräften in Ausbildung bezüglich Lebenshaltungskosten unter die Arme greifen. Dieser Entscheid konnte mit 23 zu 22 Stimmen knapp gegenüber einer Minderheit Dittli (fdp, UR) durchgesetzt werden, der die Finanzierung als Sache der Kantone betrachtete. Anders als der Nationalrat und linke Ratsmitglieder rund um eine Minderheit Carobbio Guscetti, welche die Kantone zu entsprechenden Beiträgen verpflichten wollten, setzte die Mehrheit des Ständerates diesbezüglich jedoch mit 32 zu 13 Stimmen auf Freiwilligkeit. Allgemein gutgeheissen wurde die Ausbildungsverpflichtung von Krankenhäusern, Pflegeheimen und Spitexorganisationen und die damit zusammenhängende Pflicht der Kantone mindestens einen Teil der ungedeckten Kosten der praktischen Ausbildungsleistungen, die bei den Leistungserbringern anfallen, zu übernehmen. Dabei soll ihnen während acht Jahren die Unterstützung des Bundes zukommen. Der Ständerat kalkulierte für die beiden Punkte der Ausbildungsoffensive CHF 369 Mio. seitens des Bundes ein, also gut CHF 100 Mio. weniger als der Nationalrat.
Bezüglich des zweiten Instruments zur Aufwertung der Pflege – die Ausweitung der Kompetenzen –, stimmte das Stöckli mit 32 zu 10 Stimmen dafür, dass Pflegefachpersonen gewisse vom Bundesrat festgelegte Leistungen selbständig ohne ärztliche Anordnung durchführen und zu Lasten der Krankenkassen abrechnen sollen dürfen, womit der Rat der Kommissionsmehrheit statt einer Minderheit Hegglin (cvp, ZG) folgte. Im Unterschied zum Nationalrat beabsichtigte der Ständerat mit 28 zu 16 Stimmen allerdings, dass dazu im Vorfeld Vereinbarungen zwischen Pflegenden, Spitexorganisationen und Pflegeheimen auf der einen Seite und den Versicherern auf der anderen Seite getroffen werden müssten. Während diese Kompetenzerweiterung einer Minderheit Carobbio Guscetti zu wenig weit ging und sie erklärte, dass damit die Initianten und Initiantinnen kaum überzeugt werden könnten, ihr Volksbegehren zurückzuziehen, zeigte sich neben gewissen Ratsmitgliedern auch Gesundheitsminister Berset grundsätzlich nicht einverstanden mit der Möglichkeit zur direkten Abrechnung. So befürchtete der Bundesrat Mehrkosten und warnte davor, die Liste der Leistungserbringenden zu verlängern.
In der Gesamtabstimmung stimmte der Ständerat dem indirekten Gegenvorschlag mit 36 zu 4 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) zu.

Für eine starke Pflege (Pflegeinitiative). Volksinitiative und indirekter Gegenvorschlag (BRG 18.079 & Pa.Iv. 19.401)
Dossier: Die Pflegeinitiative und ihre Umsetzung

In zwei Motionen nahm sich Marco Chiesa (svp, TI) der Besteuerung nach dem Aufwand, also der Pauschalbesteuerung an, die erst 2012 revidiert worden war. Diese erlaubt es ausländischen Staatsangehörigen mit Wohnsitz in der Schweiz, anstelle der ordentlichen Steuer eine Besteuerung nach dem Aufwand zu wählen, wenn sie in der Schweiz nicht erwerbstätig sind. Chiesa erachtete jedoch zwei diesbezügliche Formulierungen im StHG respektive im DBG als ungenau oder gar falsch und beantragte deshalb, diese Formulierungen denjenigen des Tessiner Steuergesetzes anzupassen.
In seiner ersten Motion (Mo. 19.4557) verlangte Chiesa, dass die Formulierung im StHG bezüglich der Kontrollrechnung so geändert wird, dass das in anderen Kantonen gelegene unbewegliche Vermögen und dessen Einkünfte für die Bestimmung des Steuersatzes der Staatssteuer nicht relevant sind. Würden diese berücksichtigt, wie es gemäss der Formulierung im StHG vorgesehen wäre, käme es zu einer interkantonalen Doppelbesteuerung, argumentierte er.
Mit seiner zweiten Motion (Mo. 19.4558) sollte die Formulierung «die in der Schweiz angelegten beweglichen Kapitalvermögen» durch «Kapitalvermögen aus schweizerischer Quelle» ersetzt werden, wie es auch das Kreisschreiben Nr. 44 der ESTV präzisiere. Ansonsten könnten die Pauschalbesteuerten «das in der Schweiz angelegte Kapitalvermögen ins Ausland transferieren» und müssten es in der Folge in der Kontrollrechnung nicht aufführen.
Der Bundesrat teilte die Ansicht des Motionärs zu beiden Vorstössen nicht. Da die Veranlagungspraxis bereits dem Anliegen des Motionärs entspreche, sei eine Teilrevision der entsprechenden Artikel nicht nötig, begründete er seine ablehnende Haltung.
In der Sommersession 2020 behandelte der Ständerat die beiden Motionen und gab dabei einem Ordnungsantrag Bischof (cvp, SO) Folge: Er wies die beiden Motionen der WAK-SR zur Vorprüfung zu. Da die beiden Fragen sehr technisch seien, solle man der Kommission die Möglichkeit geben, diese ernsthaft zu prüfen, hatte Bischof seinen Antrag begründet.

Besteuerung nach dem Aufwand (Mo. 19.4557 und Mo. 19.4558)

In verschiedenen Medienbeiträgen sowie Kommentaren aus Politik und Gesellschaft wurde im ersten Halbjahr darüber gemutmasst, inwiefern die Coronakrise die Welt und damit auch die Schweiz nachhaltig prägen werde. Besonders häufig thematisiert wurden das kapitalistische Wirtschaftssystem und die Globalisierung.

Bereits die zur Eindämmung der Pandemie getroffenen Massnahmen im März stellten «so ziemlich alles auf den Kopf» (Sonntags-Blick) und so war schon früh von «einer Schweiz vor» und «einer Schweiz nach» Corona die Rede. Ähnliche Einschätzungen verkündete auch Bundesrat Berset: Dieser sprach Ende Mai nach Bekanntgabe massgeblicher Lockerungen der Massnahmen an einer Pressekonferenz von einer kommenden «neuen Normalität», in welcher die Bevölkerung mit dem Virus zu leben lernen müsse. Die Aargauer Zeitung griff diese vom Bundesrat ausgerufene «neue Normalität» auf und listete Punkte auf, welche die Schweiz trotz Lockerung der Massnahmen in der kommenden Zeit beibehalten sollte. Es wurde etwa zur Stärkung des Lokalgewerbes aufgerufen, Homeoffice und Heimunterricht als nicht nur gesundheits- sondern auch umweltschonende Alternativen zum courant normal gelobt und mehr Wertschätzung für das Pflegepersonal gefordert. Hinzu kamen Forderungen, auch nach Corona weniger zu fliegen (die internationale Luftfahrt wurde von der Pandemie besonders getroffen) und, damit verbunden, mehr Ferien und Ausflüge in der Schweiz zu machen, um den von der Krise gebeutelten hiesigen Tourismussektor zu unterstützen. Zuletzt wünschte sich der Autor, die Solidarität möge doch weiterhin gelebt werden und die Ruhe, welche vielerorts während des Lockdowns eingekehrt war, möge noch etwas Andauern.
Ebenfalls in der Aargauer Zeitung meinte die Philosophin Annemarie Pieper in einem Interview, die Krise werde uns weniger kapitalistisch denken lassen. Durch den Lockdown, welcher für die Wirtschaft einschneidende Folgen hatte, sei die Gesundheit der Menschen in den Fokus gerückt. Globale Lieferketten seien unterbrochen, lokale Gewerbe und Produktionsmöglichkeiten dadurch wichtiger geworden. Dies, so Pieper, fördere nachhaltige Denkmuster, die längerfristig und damit über Corona hinaus bedeutsam bleiben könnten.
In der Basler Zeitung betonte auch Nationalrätin Maya Graf (gp, BL) den Stellenwert des Lokalgewerbes. Der anfänglich befürchtete Medikamenten- und Schutzmaskenmangel mache sichtbar, wie stark die Schweiz von ausländischen Produzenten wie China oder Indien abhängig sei, weshalb Graf bekräftigte, lokales Gewerbe müsse geschützt und regionale Wirtschaftskreisläufe gestärkt werden. Zudem sah sie in der Krise eine Chance, Schwachstellen auszumachen und zu beheben. Nachholbedarf gebe es laut Graf etwa bei der Digitalisierung (nicht alle Unternehmen und Schulen waren auf die Umstellung auf Homeoffice respektive Fernunterricht vorbereitet) oder bei den Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals, dessen Relevanz durch Corona verdeutlicht wurde.
In der Weltwoche wurde das vorherrschende Wirtschaftsmodell der Welt «weder [als] gross noch grossartig», sondern als «Geldmaschine für multinationale Konzerne» beschrieben. Der Weltwoche-Autor erhoffte sich zudem, dass das Virus die Menschen nicht nur krank mache, sondern wieder mit mehr Menschlichkeit und Vernunft «infizierte», die den Menschen in den letzten Jahren abhanden gekommen sei.
Auch Trendforscher Matthias Horx stufte das Virus als wegweisend für die Zukunft ein: Massnahmen zur Eindämmung des Virus, etwa das Social respektive Physical Distancing oder der gedrosselte internationale Austausch seien Anstoss, Distanz und Beziehungen neu zu definieren. Die globalen Verbindungen, seien es logistische, soziale oder politische, seien coronabedingt ge- aber nicht zerstört worden. Dies werde zu einer Neuorganisation dieser Verbindungen führen, deren Auswirkungen sich aber erst noch zeigen müssten.

Ausirkungen von Corona (Zukunftsprognosen)

Nachdem der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Bericht der GPK-NR die Motion ausdrücklich begrüsst hatte, mit der eine Beratungs- und Anlaufstelle bei Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen in der Bundesverwaltung geschaffen werden soll, und auch die GPK-SR deren Überweisung beantragt hatte, war die stillschweigende Annahme im Ständerat in der Herbstsession 2020 keine Überraschung. Kommissionssprecherin Maya Graf (gp, BL) erinnerte vor dem Entscheid daran, dass es wichtig sei, eine Stelle zu haben, in der die nötige Expertise vorhanden sei, um heikle Fragen nach Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen in der Verwaltung zu klären. Bundeskanzler Walter Thurnherr betonte, dass der Bundesrat vorhabe, die bereits fachlich zuständigen Stellen – das Bundesamt für Justiz, das Eidgenössische Personalamt und die Bundeskanzlei – explizit als Anlaufstellen für Fragen zu Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen zu definieren.

Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen in der Bundesverwaltung (Mo. 19.4390)