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Nachdem die Kritik an der direkten Demokratie 2020 wohl auch pandemiebedingt etwas weniger virulent gewesen war, zeigt ein Überblick über die Medienlandschaft zum Thema im Jahr 2021 zwei gegensätzliche Standpunkte. Wurde auf der einen Seite ein Zuviel an direktdemokratischer Mitsprache beklagt, gab es auf der anderen Seite Forderungen für einen Ausbau der partizipatorischen Instrumente.

Mehr Mitsprache forderte die Weltwoche: Der Preis für die Bekämpfung der Folgen der Covid-19-Krise sei zu hoch, kritisierte die Zeitung die «undiszipliniert gewachsen[en]» Staatsausgaben. Der Stimmbevölkerung sei es jedoch verwehrt, mitzuentscheiden, ob und welche Massnahmen überhaupt finanziert werden sollen. Der Bund habe «im Alleingang» mehrere Milliarden von Franken ausgegeben, ohne dafür direktdemokratische Legitimation einholen zu müssen. Man müsse sich deshalb überlegen, ob ein Finanzreferendum auf Bundesstufe eingeführt werden sollte. Dies war freilich eine nicht ganz neue Forderung, die zudem erst 2018 von den Räten einmal mehr verworfen worden war.

Auch die «Freunde der Verfassung», die innert kurzer Zeit zwei Referenden gegen das Covid-Gesetz bzw. dessen zweite Revision zustande gebracht hatten, diskutierten einen Ausbau der Volksrechte. Dem «Volk» sollten «mehr institutionelle Kompetenzen» gegeben werden, begründete der Sprecher der Organisation, Michael Bubendorf in der NZZ die Forderung nach der Einführung einer Gesetzesinitiative auf nationaler Ebene. Unter Umgehung des Parlaments könnten die Stimmberechtigten damit ihre Anliegen direkt in einem Gesetz verwirklichen. Auch dieses Projekt hatte in den vergangenen Jahren bereits einige Anläufe genommen – so war 1961 gar eine Volksinitiative abgelehnt worden, die die Einführung einer nationalen Gesetzesinitiative gefordert hatte. Die «Freunde der Verfassung» dachten zwar laut über die Lancierung eines neuerlichen Volksbegehrens nach, verzichteten allerdings schliesslich darauf.

Einiges zu schreiben gab die «Stopp-F-35-Initiative», mit der linke und armeekritische Kreise die Beschaffung der neuen Kampfflugzeuge verhindern wollten. Die Demokratie werde hier zum «Störfaktor», befand die Weltwoche, weil «Linke und grüne Parlamentarier [...] fortwährend [versuchten], Volksentscheide auszuhebeln». Die Initiative missachte den im September 2020 geäusserten Volkswillen für den Kauf neuer Kampfflugzeuge. Dies dürfe als «Zwängerei» betrachtet werden, urteilte auch die NZZ, doch könne dieser Kritik gelassen begegnet werden, da es nach wie vor schwierig sei, Volksinitiativen zum Erfolg zu bringen. Man müsse zwar durchaus über eine Erhöhung der Unterschriftenzahlen diskutieren, um den «inflationären» Gebrauch der Volksrechte einzudämmen, die Stimmberechtigten würden aber wohl, «wenn es ihnen mit den vielen Abstimmungen zu bunt wird, von sich aus auf die Bremse stehen und die Vorlagen reihenweise bachab schicken», so die NZZ.

Die Verfassung werde aber zum «Sammelsurium» warnte erneut die NZZ. Initiativen seien «Kristallisationsinstrumente des Polit-Marketings» geworden. Ein Initiativtext stelle Forderungen, die bewusst diffus seien. Initiativkomitees wollten häufig einfach «ein Zeichen setzen», wobei an der Abstimmungsurne dann nicht klar sei, welche Konsequenzen ein Ja oder ein Nein hätten. Zudem herrsche die Meinung vor, das Parlament werde es dann schon richten. Als Beispiele angeführt wurden von der Zeitung etwa die Konzernverantwortungsinitiative, die 99-Prozent-Initiative oder die Stopp-F35-Initiative. Aber auch die Masseneinwanderungsinitiative hätten gezeigt, wie schwierig sich das Parlament mit einer Umsetzung tue.

2021 Kritik an der direkten Demokratie

Im Zuge der 2020 und 2021 anhaltenden Proteste gegen die Covid-19-Massnahmen der Behörden entstand eine ganze Reihe neuer politischer Organisationen, und manche ältere Gruppierungen gewannen neuen Schwung. Zu den Organisationen, die in der öffentlichen Debatte in der Folge eine teils prominente Rolle einzunehmen vermochten, gehörten die folgenden:

Der Verein «Freunde der Verfassung» wurde an Pfingsten 2020 auf dem Rütli gegründet, ein Jahr später zählte er rund 12'000 Mitglieder. Viele von diesen – auch die meisten Vorstandsmitglieder – waren davor kaum politisch aktiv. Der Verein sah durch die Covid-19-Massnahmen, aber auch durch andere Vorhaben der Behörden die verfassungsmässigen Grundrechte und die bürgerlichen Freiheiten verletzt. Um solche Vorhaben zu bekämpfen, nutzten die Freunde der Verfassung stark den direktdemokratischen Kanal, wobei sie eine bemerkenswerte Fähigkeit zum Sammeln zahlreicher Unterschriften bewiesen. Nebst den Referenden gegen das Covid-19-Gesetz und gegen dessen zweite Revision waren sie auch massgeblich an den Referenden gegen das E-ID-Gesetz, gegen das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen gegen Terrorismus (PMT) und gegen das Medienpaket beteiligt. Ausserdem wirkten sie bei der Unterschriftensammlung für die Volksinitiative gegen eine Impfpflicht (Initiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit») mit und gaben im Sommer 2021 bekannt, eine Volksinitiative zur Einführung der Gesetzesinitiative zu planen. Die Geldmittel für diese zahlreichen Kampagnen stammten «von Mitgliedern, aus Spenden und von einer Handvoll sehr besorgter Unternehmer, von denen keiner Blocher heisst», wie die Freunde der Verfassung sich in der NZZ zitieren liessen. Das Präsidium des Vereins teilten sich Marion Russek und Werner Boxler. In der medialen Öffentlichkeit stark in Erscheinung traten zudem Mediensprecher Michael Bubendorf, ein ehemaliges SVP-Mitglied, und Kampagnenleiter Sandro Meier, nach eigener Aussage ein «ehemaliger Links-Grün-Wähler». Verschiedene Medien sahen zudem den Solothurner Publizisten Christoph Pfluger als wichtige Figur bei den Freunden der Verfassung.

Der im Februar 2021 gegründete Verein «Mass-voll!» verstand sich als Jugendbewegung gegen die Behördenmassnahmen. Die jüngere Generation sei durch eine Covid-19-Infektion gesundheitlich am wenigsten gefährdet, doch gerade diese Generation werde in ihrer Entwicklung und Freiheit durch die Massnahmen besonders getroffen. Ähnlich wie die Freunde der Verfassung, aber oft in deutlich schärferem Ton prangerte Mass-voll die «Freiheitsberaubung und Überwachung der Bürger», «eine Zweiklassengesellschaft von Geimpften und Nichtgeimpften» sowie eine zu grosse Machtkonzentration beim Bundesrat an, die dieser für «menschenverachtende» Massnahmen und die «Abschaffung der Grundrechte» missbrauche. Zur Verbreitung ihrer Positionen setzte Mass-voll stark auf die Sozialen Medien sowie auf Kundgebungen. Bekanntester Exponent war Co-Präsident Nicolas Rimoldi, der auch im Vorstand der Auns sitzt und bereits vor der Pandemie mit libertären Positionen innerhalb der FDP aufgefallen war. Neben ihm war zunächst Carla Wicki und ab Sommer 2021 Viola Rossi Co-Präsidentin. Andere leitende Mitglieder von Mass-voll waren gemäss NZZ für die SVP aktiv.

Das «Aktionsbündnis Urkantone für eine vernünftige Corona-Politik» entstand im Herbst 2020 und hatte seine Basis in den Kantonen Uri, Schwyz, Ob- und Nidwalden. Im Herbst 2021 zählte es nach eigenen Angaben «deutlich über 1'000 eingeschriebene Unterstützer». Das Aktionsbündnis trat zum einen als Mitorganisator von Kundgebungen in Erscheinung, zum anderen auch in den Abstimmungskampagnen gegen das Covid-19-Gesetz und gegen dessen zweite Revision. Es kritisierte die «Corona-Zwangsmassnahmen» als «unsinnig, schädlich und unverhältnismässig». Nach eigenen Angaben setzte sich das Aktionsbündnis «für die freie Diskussion und sachliche Aufklärung der Bevölkerung» ein und orientierte sich an «unabhängigen Informationsquellen über die Auswirkungen auf unsere Gesellschaft und dem Stand der nicht einer politischen Agenda unterworfenen Wissenschaft». Bekanntestes Gesicht des Aktionsbündnisses war der Schwyzer Unternehmer Josef Ender.

Das «Netzwerk Impfentscheid» war schon 2011 als Zusammenschluss impfkritischer Personen gegründet worden und hatte 2013 erfolglos mit einem Referendum gegen das Epidemiengesetz gekämpft. Die Covid-19-Pandemie verlieh dem Netzwerk gemäss NZZ «neuen Schub». Das Netzwerk sah sich als Stimme gegen die «Impfpropaganda» der Behörden und gegen eine aus seiner Sicht drohende Impfpflicht. Prominentester Exponent des als Verein organisierten Netzwerks war der Naturheilpraktiker Daniel Trappitsch.

Die «Freiheitliche Bewegung Schweiz» war schon vor der Covid-19-Pandemie vom ehemaligen Luzerner SVP-Politiker Richard Koller gegründet worden. Sie fand mit dem Kampf gegen Maskenpflicht, Impfen und Einschränkungen des privaten und öffentlichen Lebens ein neues Tätigkeitsfeld. Am 1. Dezember 2020 startete die Freiheitliche Bewegung die Volksinitiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit», die sich gegen eine Impfpflcht richtet. Andere Forderungen der Bewegung betrafen den Erhalt des Bargelds oder die Möglichkeit für alle Gemeinden, autonom über die Einführung des Mobilfunkstandards 5G zu entscheiden. Die NZZ charakterisierte die Bewegung im März 2021 als «Sammelbecken für Menschen, die dem Staat grundsätzlich misstrauen und sich durch seine <Machenschaften> bedroht sehen».

Die «Freiheitstrychler» traten im Herbst 2020 erstmals in Erscheinung. An Protestkundgebungen gegen Covid-19-Massnahmen zogen sie mit ihren unüberhörbaren Trycheln und den weissen Hirtenhemden in der Folge viel Aufmerksamkeit auf sich, auch medial. Im Mai 2021 bestanden sie gemäss Medienberichten aus rund 100 Personen, die grossmehrheitlich aus dem Kanton Schwyz stammten. Ihr Gründer, der Schwyzer Andy Benz, ist SVP-Mitglied.

Organisationen der Covid-Protestbewegung
Dossier: Schutz des Bargelds in der Schweiz

Mitte Januar 2021 reichte das Referendumskomitee gegen das PMT-Gesetz, bestehend aus der Jungen GLP, den Jungen Grünen, den Juso und der Piratenpartei, rund 87'800 Unterschriften bei der Bundeskanzlei ein. Weitere etwa 55'000 Unterschriften steuerte der coronamassnahmenkritische Verein «Freunde der Verfassung» bei. Insgesamt zählte das Referendum gegen die PMT-Vorlage somit ungefähr 142'800 eingereichte Unterschriften. Die «Freunde der Verfassung» hatten sich Medienberichten zufolge erst im Dezember 2020, als das von ihnen angeführte Referendum gegen das Covid-19-Gesetz auf sichtlich gutem Weg war, entschieden, sich auch gegen die polizeilichen Massnahmen zur Terrorismusbekämpfung zu engagieren. Vorstandsmitglied Michael Bubendorf erklärte gegenüber dem Tages-Anzeiger, man wolle auch hier gegen den Staat vorgehen, der die Freiheit der Bürger einschränke. Wie die Koordinatorin des Referendumskomitees Sanija Ameti (jglp) derselben Zeitung gestand, war die unverhoffte Unterstützung für das Komitee «wie ein Weihnachtswunder» gekommen – zu einem Zeitpunkt, als das Komitee mit 18'000 gesammelten Unterschriften so weit vom Ziel entfernt war, dass es darüber nachdachte, die Sammlung abzubrechen. Infolgedessen habe auch bei den Jungparteien ein «eigentlicher Unterschriftenboom» eingesetzt, berichtete die Aargauer Zeitung. Dennoch distanzierten sich die Jungparteien öffentlich von den «Freunden der Verfassung» und lehnten eine Zusammenarbeit aufgrund der grossen politischen Differenzen ab. So kam es, dass die beiden Organisationen ihre Unterschriften schliesslich getrennt voneinander einreichten. Anfang März bestätigte die Bundeskanzlei offiziell das Zustandekommen des Referendums mit 76'926 gültigen Unterschriften. Aufgrund der Corona-Pandemie hatte die Bundeskanzlei nur einen Teil der eingereichten Unterschriften bescheinigen lassen. Als Abstimmungstermin wurde der 13. Juni 2021 festgelegt.

Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT; 19.032)
Dossier: Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung
Dossier: PMT und damit umgesetzte Vorstösse
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen