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  • Christ, Katja (glp/pvl, BS) NR/CN
  • Rieder, Beat (cvp/pdc, VS) SR/CE

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Der Nationalrat beschäftigte sich in der Wintersession 2020 mit der vom Ständerat gutgeheissenen Motion Herzog (sp, BS) zur Förderung des Gütertransports auf dem Rhein. Die Mehrheit der KVF-NR beantragte die Annahme der Motion. Katja Christ (glp, BS) führte aus, dass die Motion das Ziel verfolge, «aufzuzeigen, mit welchen Strategien und Massnahmen der Gütertransport auf dem Rhein für die Schweiz langfristig sichergestellt werden kann», wodurch er seine wichtige verkehrspolitische Rolle weiterhin wahrnehmen könne. Sie betonte des Weiteren, dass es darum gehen solle, «Anreize für Innovation, Automation und Digitalisierung mit unseren verkehrs- und klimapolitischen Zielen zu vereinen». Eine Kommissionsminderheit, die ausschliesslich aus SVP-Mitgliedern bestand, beantragte die Ablehnung der Motion. Sandra Sollberger (svp, BL) erläuterte, dass der Staat durch diesen Vorstoss in die Wirtschaft eingreifen und damit die Wirtschaftsfreiheit unnötigerweise einschränken würde. Dies sei aber nicht nötig, der Gütertransport auf dem Rhein funktioniere ausgezeichnet und bedürfe keinerlei Massnahmen seitens der öffentlichen Hand. Zudem würde eine staatliche Förderung des Gütertransports auf dem Rhein bloss den Gütertransport auf der Schiene konkurrenzieren. Verkehrsministerin Sommaruga argumentierte, dass es nicht darum gehe, das eine Transportmittel gegen das andere auszuspielen. Vielmehr sollen mit der Umsetzung dieser Motion mögliche Probleme antizipiert und auch die Versorgungssicherheit der Schweiz im Auge behalten werden. Hierfür spiele der Gütertransport auf dem Rhein nämlich eine entscheidende Rolle. Die grosse Kammer folgte der Empfehlung seiner vorberatenden Kommission und nahm die Motion mit 136 zu 49 Stimmen bei 2 Enthaltungen an. Die ablehnenden Stimmen stammten allesamt von Mitgliedern der SVP-Fraktion.

Förderung des Gütertransports auf dem Rhein

In der Wintersession 2020 folgte der Ständerat seiner Kommission und nahm die Motion der RK-SR, die eine ausgewogene Revision der Mietzinsgestaltung nach Konsultation der Sozialpartner forderte, als Erstrat an. Als Konsequenz dieses Entscheids lehnte er drei parlamentarische Initiativen, die punktuelle Gesetzesanpassungen zur Regelung der missbräuchlichen Mietzinse gefordert hätten (Pa.Iv. 17.491; Pa.Iv. 17.514; Pa.Iv. 17.515), ab, im Wissen darum, dass sie bei der Erarbeitung einer umfassenden Mietzinsrevision wieder zur Diskussion gestellt würden. Bürgerliche Vertreterinnen und Vertreter wiesen während der Beratung zudem auf ein Bundesgerichtsurteil vom 26. Oktober 2020 hin, das dem Anliegen der parlamentarischen Initiative Feller (fdp, VD; Pa.Iv. 17.491) mit einer Praxisänderung bereits nachgekommen war. Beat Rieder (cvp, VS) zeigte sich etwa überzeugt, dass das Bundesgericht in dieser Frage den Weg zu einem fairen Mietrecht bereits aufgezeigt habe.

RK-SR startet zweiten Versuch für eine ausgewogene Revision der Mietzinsgestaltung (Mo. 20.3922)
Dossier: Gescheiterte Mietrechtsrevisionen
Dossier: Mietzinse: Bestimmung der Missbräuchlichkeit und Anfechtung

Die kleine Kammer befasste sich in der Wintersession 2020 mit den im Rahmen der Motion Borloz (fdp, VD; 20.3084) geforderten Regelungen der Haftpflicht im Gütertransport auf der Schiene. Anders als im Nationalrat war die Motion im Ständerat umstritten. Für die Mehrheit der KVF-SR argumentierten Burkart (fdp, AG), Rieder (cvp, VS) und Dittli (fdp, UR), dass die geforderte Klärung der Risikoverteilung und die Regelung der Rechtsmittel bereits erfolgt und mit dem internationalen Umfeld abgestimmt worden seien. Die Schweiz solle hier keine strengere Regelung einführen als der Rest von Europa: «Angesichts der ausgeprägten Internationalität des Schienengüterverkehrs wäre es widersinnig, wenn die Schweiz ein anderes als das im Rest von Europa geltende Haftungsrecht legiferieren würde», betonte Burkart. Ansonsten könnten Arbeitsplätze in Gefahr geraten, wenn die Gefahrgüter nicht mehr transportiert werden könnten und die Industrie entsprechend abwandere. Oder der Gefahrgütertransport würde gar auf die Strasse verlagert, was viel gefährlicher wäre. Bevor das Parlament nun voreilig eine Verschärfung beschliesse, solle zuerst durch einen Postulatsbericht eine Gesamtschau über die Bestimmungen zur Haftung im Gütertransport erstellt werden. Entsprechend forderte die Mehrheit der KVF-SR, die Motion abzulehnen und dafür das von ihr neu eingereichte Postulat anzunehmen. Für die Kommissionsminderheit und damit für Annahme der Motion setzte sich Paul Rechsteiner (sp, SG) in der Parlamentsdebatte ein. Er insistierte, dass es einen dringenden Handlungsbedarf gebe; die Haftung der Wagenhalter müsse möglichst rasch geklärt werden. Zudem würden die Haftungsregelungen immer noch auf nationaler Ebene beschlossen. Es sei hier folglich am Schweizer Parlament, die nötigen rechtlichen Änderungen vorzunehmen. Bundesrätin Sommaruga stimmte der Argumentation von Rechsteiner zu. Ein Postulatsbericht werde zu keinen neuen Erkenntnissen führen; früher oder später werde sich das Parlament entscheiden müssen, wie die Haftung geregelt werden solle, so Sommaruga.
Der Ständerat lehnte die Motion schliesslich relativ knapp, mit 22 zu 17 Stimmen, ab und nahm stattdessen das Postulat einstimmig an.

Regelungen der Haftpflicht im Gütertransport auf der Schiene klären (Mo. 20.3084)
Dossier: Massnahmen für mehr Sicherheit bei Chlortransporten

Nach Filippo Lombardis (cvp, TI) Ausscheiden aus dem Ständerat übernahm dessen Parteikollege Beat Rieder (cvp, VS) die Motion über die gesetzliche Grundlage zur Wahrung des Mitsprache- und Entscheidungsrechts von Parlament, Volk und Kantonen bei der Umsetzung des Rahmenabkommens. Die APK-SR, der das Geschäft zur Vorberatung überwiesen worden war, vertagte den Beschluss dazu im Januar 2020, da das Institutionelle Rahmenabkommen (InstA) zu dem Zeitpunkt noch nicht «konkret zur Diskussion» stand. Im November 2020 veröffentlichte sie einen Kommissionsbericht, in dem sie zum Schluss kam, dass bei einer Annahme des InstA eine schnelle und starke Einbindung des Parlaments im Rahmen des gestaltenden Mitspracherechts («decision shaping») die Akzeptanz der dynamischen Rechtsübernahme verbessern würde. Auch die Mitwirkungsmöglichkeiten von Parlament und Kantonen bei der Erarbeitung von EU-Recht müsse gestärkt werden. Die Kommission empfahl die Motion einstimmig zur Annahme, lehnte aber gleichzeitig den Antrag der APK-NR ab, eine gemeinsame Subkommission zur Erarbeitung konkreter Mitwirkungsrechte einzurichten.

In der Wintersession 2020 kam die Motion in den Ständerat, wo nach der klaren Empfehlung in der vorberatenden Kommission erwartungsgemäss wenig Diskussionsbedarf herrschte. Kommissionssprecher Rieder erklärte, dass die Mitwirkungsmöglichkeiten des Parlaments in der gegenwärtigen Lage beschränkt seien und nur die Möglichkeit der Information und der Konsultation der beiden APK vorgesehen sei. Auch der im InstA vorgesehene gemischte parlamentarische Ausschuss, der sich durch Resolutionen und Berichte in den Rechtsprozess einbringen könnte, genüge nach Ansicht der Kommission nicht. Obwohl Rieder betonte, dass man mit der Annahme der Motion nicht für oder gegen das Rahmenabkommen stimme, löste die Motion bei der Fraktion der SVP kritische Reaktionen aus. So betonten sowohl Marco Chiesa (svp, TI) wie auch der parteilose Thomas Minder (parteilos, SH), dass die Motion in der Praxis keine Bedeutung habe, weil das Rahmenabkommen vom Volk nicht gewünscht sei. Da jedoch niemand gegen mehr Mitspracherecht für Kantone, Volk und Parlament stimmen wollte, wurde die Motion stillschweigend angenommen.

Gesetzliche Grundlage zur Wahrung des Mitsprache- und Entscheidungsrechts von Parlament, Volk und Kantonen bei der Umsetzung des Rahmenabkommens (Mo. 19.3170)
Dossier: Institutionelles Rahmenabkommen

Anfang November 2020 reichte die RK-NR eine parlamentarische Initiative ein, mit der eine Grundlage für einen indirekten Gegenvorschlag zur Justizinitiative geschaffen werden soll. Der Vorschlag sah vor, dass die Richterinnen und Richter für alle Gerichte der Schweizerischen Eidgenossenschaft (Bundesgericht, Bundesstrafgericht, Bundesverwaltungsgericht, Bundespatentgericht) nach wie vor von der Vereinigten Bundesversammlung gewählt werden sollen. Allerdings soll die Wahl nicht mehr nur auf einem Antrag der Gerichtskommission (GK) beruhen, sondern zusätzlich auf einer Vorselektion, die durch eine zu bestimmende Fachkommission getroffen wird, welche die fachliche und persönliche Eignung der Kandidierenden evaluiert. Die Amtsdauer aller nationalen Richterinnen und -richter soll auf sechs Jahre festgelegt werden, wobei die Wiederwahl automatisch geschehen soll – allenfalls durch die GK auf Empfehlung der genannten Fachkommission. Dies stellte eine Konzession an die Initianten dar, da im aktuellen Verfahren das Parlament die Wiederwahl vornimmt. Auch zukünftig soll Abberufung jedoch bei schwerer Pflichtverletzung möglich sein, wobei die Fachkommission den Sachverhalt zu klären hätte. Die Parteien selber müssten gemäss Vorschlag der RK-NR die Unabhängigkeit ihrer Richterinnen und Richter gewährleisten, wobei explizit Alternativen zu Mandatsabgaben gefordert werden. Letzteres wurde auch von einer noch nicht behandelten parlamentarischen Initiative Walti (fdp, ZH; Pa.Iv. 20.468) vorgeschlagen.
Anfang Dezember stimmte die RK-SR dem Begehren ihrer Schwesterkommission knapp mit 6 zu 6 Stimmen bei einer Enthaltung und Stichentscheid des Präsidenten Beat Rieder zu. Die Kommission sei der Ansicht, dass sich das aktuelle Wahlsystem für Bundesrichterinnen und -richter bewährt habe, dass es aber prüfenswerte Fragen gebe. Die RK-NR solle aber nur «die für absolut notwendig erachteten Verbesserungen» ausarbeiten.

Unabhängige und kompetente Richterinnen und Richter des Bundes. Indirekter Gegenvorschlag zur Justizinitiative (Pa.Iv. 20.480)
Dossier: Unabhängigkeit der Judikative
Dossier: Justizinitiative

Anfang November legte die SPK-SR einen Entwurf für eine Teilrevision des Parlamentsgesetzes vor, um damit ein Differenzbereinigungsverfahren bei Motionen einzuführen, wie es die dem Entwurf zugrundeliegende parlamentarische Initiative von Beat Rieder (cvp, VS) verlangt hatte. Wird eine Motion vom Erstrat angenommen, so kann sie der Zweitrat annehmen, ablehnen oder abändern. Im letzten Fall kann der Erstrat den Änderungsvorschlag entweder gutheissen oder die Motion definitiv ablehnen. Er hat aber keine Möglichkeit, auf seiner ursprünglichen Version zu beharren. Diese geltende Regelung war 2002 eingeführt worden, weil zuvor zahlreiche Motionen in Postulate umgewandelt worden waren, da damals der Motionstext nicht verändert werden konnte. Um die Räte nicht zu überlasten, wurde bei der Einführung dieser Regel aber auf ein Verfahren verzichtet, mit dem der Erstrat am ursprünglichen Text hätte festhalten können. Diese Möglichkeit soll mit der neuen Vorlage der SPK-SR nun aber geschaffen werden. Um einer unnötigen Verlängerung dennoch entgegenzuwirken, soll aber der Zweitrat im Falle eines Festhaltens durch den Erstrat in einer zweiten Beratung nur noch die Möglichkeit haben, den ursprünglichen Motionstext anzunehmen oder aber den Vorstoss endgültig abzulehnen. Die Auswertungen im Bericht zum Entwurf zeigten, dass es in der 50. Legislatur (2015-2019) in 39 Fällen (von total 1517 eingereichten Motionen) zu einem Änderungsvorschlag durch den Zweitrat gekommen war. Lediglich in drei dieser 39 Fällen lehnte der Erstrat diese Änderung ab und versenkte die Motion damit endgültig. Auch dies wurde als Hinweis darauf gedeutet, dass die neue Regelung nicht zu einer Überbelastung des Parlamentssystems führen würde.

Differenzbereinigung bei Motionen (Pa.Iv. 18.458)

In der Herbstsession wurde der Geschäftsbericht des Bundesgerichts 2019 von den Räten zur Kenntnis genommen und gutgeheissen. Die Sprecherin und der Sprecher der GPK und der Subkommissionen Gerichte – Manuela Weichelt-Picard (al, ZG) und Philippe Nantermod (fdp, VS) – empfahlen dem Nationalrat, den Bericht zu genehmigen, und fassten die wichtigsten Elemente zusammen.
Die Geschäftslast sei – vor allem in der strafrechtlichen, der zweiten zivilrechtlichen und den beiden öffentlich-rechtlichen Abteilungen – nach wie vor sehr hoch, habe aber trotz Pensionierung und Ersatz von 6 von 38 ordentlichen Bundesrichterinnen und Bundesrichtern im Verlauf des Berichtjahres bewältigt werden können. Insgesamt seien 7'937 Fälle behandelt worden (2018: 8'041). Die Personalstrategie sei angepasst worden und man habe noch vor Corona Home-Office für die Gerichtsschreibenden eingeführt sowie mit der Beteiligung an einer Institution mit Krippenplätzen für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie gesorgt.
Die Digitalisierung schreite auch im Rahmen des Projekts «Justitia 4.0» voran, wenn auch nicht so rasch wie gewünscht. 2019 sei die Revision des Bundesgerichtsgesetzes zwar gescheitert, Bundesgerichtspräsident Ulrich Meyer (sp) ersuche die Räte aber, die nicht strittigen Punkte aus der Revision möglichst rasch wieder aufzunehmen. Weichelt-Picard berichtete auch über die Aufsichtsaufgaben, welche das Bundesgericht gegenüber den anderen eidgenössischen Gerichten hat. Das Bundesgericht sei 2019 gebeten worden, die Probleme beim Bundesstrafgericht zu untersuchen. In den Medien waren Führungsschwäche und Mobbing vermutet worden. Der Bundesgerichtspräsident habe sich zuerst zwar noch verhalten optimistisch zur Lage am Bundesstrafgericht geäussert, allerdings seien Ende 2019 neue Vorwürfe aufgetaucht, denen das Bundesgericht nun zusätzlich nachgehen müsse. Der Nationalrat nahm den Bundesbeschluss über den Geschäftsbericht in der Folge diskussionslos an.

Der Ständerat verspürte grössere Lust zur Diskussion über den Bericht. Carlo Sommaruga (sp, GE) erinnerte daran, dass der Jahresbericht des Bundesgerichts in der Regel im ersten Semester und nicht erst drei Monate vor Ende des Jahres debattiert werde. Covid-19 habe aber nun zu dieser Verschiebung geführt und er behalte sich deshalb vor, neben seinem Bericht für die Kommission auch ein paar Bemerkungen zu aktuellen Ereignissen einfliessen zu lassen. Auch er ging auf die Fallzahlen ein: 2019 seien 7'884 neue Fälle ans Bundesgericht gelangt, 86 mehr als im Vorjahr. Die Zahl pendenter Fälle habe im Vergleich zum Vorjahr hingegen marginal abgenommen. Im Schnitt habe die Zeit für die Erledigung eines Falls 140 Tage betragen.
Sommaruga hob aus dem Bericht weiter hervor, dass die Berufungskammer des Bundesstrafgerichts noch immer nicht in einem anderen Gebäude untergebracht sei, wie dies eigentlich geplant gewesen war.
Das Bundesverwaltungsgericht habe 2019 mit 6'965 neuen Fällen ebenfalls eine hohe Geschäftslast gehabt, führte Sommaruga weiter aus; mit 7'157 erledigten Prozessen und einer Verringerung der Dauer eines Falls (von 2018 durchschnittlich 284 auf 264 Tage) hätten die Pendenzen aber abgebaut werden können.
Auch im Ständerat war die Untersuchung der Vorkommnisse beim Bundesstrafgericht Thema. Leider – so Sommaruga – sei der Untersuchungsbericht gleichzeitig bei der GPK und bei der Presse gelandet, was viel Ärger ausgelöst habe. Die Geschichte sei aber noch nicht zu Ende.
In der Folge nahm Bundesgerichtspräsident Ulrich Meyer als Gast der kleinen Kammer Stellung zu diesem «Fall Bellinzona». Man habe bereits im Januar 2020 mit der Untersuchung begonnen und dann den Abschlussbericht im April 2020 gleichzeitig im Internet aufgeschaltet und der GPK abgegeben. Dies entspreche der eigenen Praxis und sei mit der Subkommission Gerichte abgesprochen gewesen. Nach acht Jahren Tätigkeit in der Aufsichtsbehörde des Bundesgerichts wolle er die Empfehlung abgeben, dass die GPK und die Aufsichtsbehörden zusammenarbeiten und nicht Gegensätze suchen sollten. Ziel müsse es sein, sicherzustellen, dass die Gerichte ordnungsgemäss funktionierten. Dass dies der Fall sei, könne er garantieren. Carlo Sommaruga insistierte in der Folge, dass die Veröffentlichung des Berichts im Internet mit Namensnennung nicht abgesprochen gewesen sei.
Ebenfalls bezugnehmend auf ein aktuelles Ereignis stellte in der Folge Beat Rieder (cvp, VS) «unverblümt eine direkte Frage an den Herrn Bundesgerichtspräsidenten», nämlich wie er zu Gesuchen auf Verschiebung der Bundesrichterwahlen stehe. In der Tat standen am folgenden Tag die Gesamterneuerungswahlen des Bundesgerichtes an, bei denen aufgrund der Forderung der SVP, einen Bundesrichter nicht zu bestätigen, ein Verschiebungsgesuch der SP diskutiert werden sollte. Meyer argumentierte, dass er sich als Bundesrichter nicht in parlamentarische Geschäfte einmischen wolle. Dies sei gelebte Gewaltenteilung. Seine persönliche Meinung, nachdem er zwölfmal gewählt und wiedergewählt worden sei, sei aber, dass man mit einer Verschiebung keine Probleme lösen würde.
Auch der Ständerat nahm den Bundesbeschluss schliesslich ohne Diskussion an.

Geschäftsbericht 2019 des Bundesgerichts
Dossier: Geschäftsberichte des Bundesgerichts

Für Beat Rieder (cvp, VS) hatte die Corona-Pandemie verdeutlicht, dass die gesetzlichen Grundlagen fehlen, mit der die Institutionen der direkten Demokratie auch in einer ausserordentlichen Lage funktionieren. Rieder spielte in der Begründung für seine Motion «Bewahrung der demokratischen Rechte» auf die Notverordnungen des Bundesrats an, auf deren Grundlage das Sammeln von Unterschriften für Initiativen und Referenden im Rahmen eines Fristenstillstands verboten worden war und die zu einer Verschiebung der geplanten eidgenössischen Abstimmungen von Mai auf September 2020 geführt hatten. Er forderte deshalb von der Regierung, dass sie solche Massnahmen in einem ordentlichen Bundesgesetz regle. Damit die Institutionen auch in Ausnahmesituationen funktionierten, müsse zudem «digitale Kompetenz und digitale Bereitschaft» gefördert werden.
Der Bundesrat beantragte die Ablehnung der Motion, da er im Bereich der Ausübung der politischen Rechte keinen Handlungsbedarf sehe. Vor dem Hintergrund von Covid-19 seien aber die Prozesse der Durchführung von Abstimmungen und Wahlen und der Ausübung der Volksrechte zu überprüfen. Digitalisierung werde zudem vom Bundesrat in der Legislaturplanung als zentrales Anliegen behandelt, somit brauche es dazu keine weiteren Vorstösse mehr.
In der Herbstsession 2020 machte Beat Rieder jedoch eindringlich darauf aufmerksam, dass der Bundesrat nicht Prozesse überprüfen solle, sondern dass das Parlament als Gesetzgeber bestimmen müsse, wie solche Prozesse in Krisenzeiten organisiert werden müssten. Er stellte die rhetorische Frage, was gewesen wäre, wenn Covid-19 wenige Monate früher, während der eidgenössischen Wahlen 2019 ausgebrochen wäre. Bundeskanzler Walter Thurnherr versuchte darauf aufmerksam zu machen, dass der Bundesrat den Fristenstillstand auch deshalb beschlossen habe, weil das Parlament aufgrund des Sessionsabbruchs im März nicht mehr tagte und gemäss geltenden Fristen etwa der Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative nicht mehr hätte debattiert werden können. Für eine Verschiebung von Abstimmungen sei der Bundesrat zudem nicht auf Notrecht angewiesen, sie liege laut dem Bundesgesetz über die politischen Rechte in dessen Kompetenz. Auch Thomas Minder (parteilos, SH) sprach sich gegen eine gesetzliche Regelung eines Fristenstillstands aus, da man so aus einer ausserordentlichen Massnahme eine Regel mache. Die Kantonsvertreterinnen und -vertreter entschieden sich jedoch mit 32 zu 3 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) sehr deutlich für Annahme der Motion.

Bewahrung der demokratischen Rechte (Mo. 20.3419)

In der Herbstsession 2020 folgte der Ständerat stillschweigend einem Ordnungsantrag Zanetti (sp, SO) zwecks Zuweisung einer Motion Rieder (cvp, VS) an die zuständige UREK-SR. Der Walliser Christdemokrat Beat Rieder forderte, dass die Investitionssicherheit für die Stromproduktion aus einheimischer Wasserkraft gewährleistet wird, indem der Bundesrat im EnG einen Auffangmechanismus gegen Tiefpreisphasen einbaut. So sollen Betreiber von neu konzessionierten Wasserkraftanlagen nach dem Willen von Rieder während der künftigen Konzessionslaufzeit finanziell in Krisensituationen unterstützt werden. Diese Massnahme soll Anreize für Investitionen und den Weiterbetrieb von bestehenden Anlagen setzen. Der Bundesrat beantragte in seiner Stellungnahme die Ablehnung der Motion, zeigte sich jedoch bereit, den Vorschlag des Motionärs im Rahmen der Revision des EnG eingehend zu prüfen. Als «grosse Kiste» bezeichnete Zanetti im Rat die Motion und plädierte dafür, das Begehren in der Kommission genauer unter die Lupe zu nehmen und mit der sich in der «Pipeline» befindenden Revision des EnG zu gegebener Zeit abzugleichen. Rieder zeigte sich sehr erfreut darüber, dass seinem Anliegen eine hohe Relevanz beigemessen werde, weshalb er sich mit dem Ordnungsantrag einverstanden erklärte.

Investitionssicherheit für die Stromproduktion aus einheimischer Wasserkraft gewährleisten (Mo. 20.3407)
Dossier: Sicherungsmassnahmen für den Erhalt der Schweizer Wasserkraft ab dem Jahr 2015

Le Conseil des Etats a discuté de l'initiative parlementaire visant une réduction des risques liés aux pesticides. Sans vouloir parler de contre-projet aux deux initiatives populaires s'attaquant aux pesticides (initiative pour une interdiction des pesticides de synthèse et initiative pour une eau potable propre, le président de la CER-CE, Christian Levrat (ps, FR), a présenté le projet élaboré par sa commission comme une réponse politique à ces textes. L'initiative parlementaire est constituée de trois volets: premièrement, le projet est doté d'une trajectoire de réduction des risques liés aux pesticides avec un objectif d'une diminution de ces risques de 50% d'ici à 2027. Cet objectif ne concerne pas que l'agriculture mais tous les domaines, qu'il s'agisse des pouvoirs publics ou du secteur privé. Pour que cette trajectoire soit tenue, un monitoring, des indicateurs de risque, ainsi qu'un système d'information sur l'utilisation de ces substances devront être mis en place. Divers outils seront également mis à la disposition du Conseil fédéral afin de faire respecter cette trajectoire (possibilité de retirer des produits, d'introduire des taxes incitatives, etc.). Le deuxième volet touche à la loi sur les eaux (LEaux) et vise une meilleure protection de l'eau potable, notamment par l'interdiction de l'utilisation de certains produits phytosanitaires dans l'air d'alimentation des captages d'eau potable. Finalement, le troisième volet s'attaque aux excédents d'éléments fertilisants agricoles (azote et phosphore en tête). Il s'appuie sur les mesures prévues par la Politique agricole 22+ (PA 22+) et les objectifs prévus de réduction des pertes d'azote et de phosphore de 10% d'ici à 2025 et de 20% d'ici à 2030 (en comparaison à la valeur moyenne des années 2014 à 2016). Le Conseil fédéral se verrait munir de la possibilité de prendre des mesures correctives si la trajectoire venait à ne pas être bonne. Christian Levrat a précisé que ce troisième volet avait été ajouté au projet initial afin de pouvoir proposer une alternative crédible aux deux initiatives sur les pesticides qui passeront vraisemblablement devant le corps électoral en 2021. Il a, en effet, expliqué que le traitement de la PA 22+ n'interviendrait vraisemblablement pas avant 2023, la CER-CE souhaitant suspendre les débats en attendant la réponse à l'un de ses postulats. La reprise dans l'initiative parlementaire des objectifs de réduction des intrants fertilisants prévus par la PA 22+ est donc une manière de prendre en considération les craintes exprimées dans l'initiative pour une eau potable propre, une majorité des membres de la commission craignant que les initiatives populaires soient acceptées par la population.
Le Conseil fédéral, par la voix de son ministre de l'économie et de l'agriculture, Guy Parmelin, a rappelé son soutien à l'initiative parlementaire qui permet d'envoyer un signal clair à la population, quant à la prise en compte des problèmes liés aux pesticides et aux intrants fertilisants. Le ministre agrarien a également tenu à préciser que les autorités ne partaient pas de zéro en ce qui concerne la réduction de ces substances problématiques, faisant référence au plan d'action produits phytosanitaires. Mais Guy Parmelin a dit regretter le souhait de la CER-CE de repousser les débats autour de la PA 22+. Il estime que cela pourrait déséquilibrer le paquet proposé dans la PA 22+ et a donc appelé les sénatrices et sénateurs à décider en décembre de ne pas renvoyer les discussions autour de la politique agricole en préparation.
Lors de la discussion par article, le premier volet a subi quelques modifications, selon les propositions Germann (udc, SH) et Rieder (pdc, VS). Le premier ne souhaite pas que le Conseil fédéral puisse mettre en place, à partir de 2025, des taxes incitatives sur certains produits phytosanitaires pour atteindre la trajectoire fixée pour 2027 (disposition biffée du projet de loi par 25 voix contre 14). Le second a proposé de supprimer une série de points concernant les prestations écologiques requises, contre l'avis de la majorité de la commission (proposition acceptée par 21 voix contre 18 et une abstention). Tandis que le deuxième volet n'a pas été touché, le troisième volet a été source de nombreuses discussions. Alors qu'une proposition individuelle de Beat Rieder visant à écarter complètement ce volet a été rejetée grâce à la voix prépondérante du président Hans Stöckli (ps, BE), une proposition Würth (pdc, SG) a gagné les faveurs d'une majorité de sénatrices et sénateurs (27 contre 14 et une abstention). Celle-ci est une solution de compromis, ne fixant pas d'objectifs chiffrés de la baisse des intrants fertilisants. Le sénateur saint-gallois souhaite, par cela, donner toute liberté au Conseil fédéral de déterminer des objectifs de réduction, en consultation avec les milieux concernés. Le ministre de l'agriculture a pourtant expliqué aux parlementaires que les objectifs chiffrés présents dans l'initiative parlementaire étaient directement repris de la PA 22+ et issu d'un calcul et d'une analyse approfondie de la situation. A la suite de la l'acceptation de la proposition Würth, les parlementaires étaient également appelés à supprimer une série de points y relatifs, selon une proposition Rieder. Par 24 voix contre 16 et une abstention les sénatrices et sénateurs se sont prononcés en faveur de la minorité emmenée par le parlementaire valaisan.
Au vote final, les sénatrices et sénateurs ont été 36 à accepter ce projet de loi, tandis que trois membres de l'UDC l'ont refusé et trois membres du PDC se sont abstenus.

Réduire les risques liés aux pesticides (Iv. pa. 19.475)
Dossier: Reduzierung und Verbot des Pestizideinsatzes

Im Herbst 2020 beriet der Nationalrat die Motion Rieder (cvp, VS) mit dem etwas sperrigen Titel «Verkehrserschliessung von Kandersteg und des Wallis bei einem Spontanereignis in Mitholz und/oder während der Räumungsarbeiten dauerhaft von Norden her sicherstellen». Die Motion verlangte, dass schnellstmöglich eine zweispurige Strasse zur Umfahrung des Gefahrengebiets Mitholz erstellt wird. Nachdem der Ständerat die Motion im Winter 2019 angenommen hatte, fand sie im Nationalrat keine Mehrheit mehr. Kurt Fluri (fdp, SO) argumentierte erfolgreich, dass das ASTRA bereits prüfe, wie die Verkehrserschliessung bei den Arbeiten zur Entsorgung der Munition, respektive bei den Arbeiten nach einem Ereignisfall sichergestellt werden könne.
Die Motion wurde schliesslich mit 110 zu 59 Stimmen bei 11 Enthaltungen abgelehnt. Die ablehnenden Stimmen kamen dabei aus verschiedenen Lagern; allen voran von der SP, den Grünen und der FDP, die befürwortenden Stimmen vor allem von der Mitte-Fraktion.

Verkehrserschliessung von Kandersteg und Wallis während der Räumungsarbeiten sicherstellen

In der Herbstsession 2020 hatte der Nationalrat darüber zu befinden, ob er einer Mehrheit der KVF-NR folgen wollte, um lediglich die ersten beiden Pfeiler des Pakets zur Medienförderung zu beraten, oder ob er das Geschäft zurückweisen wollte, um es zu einem späteren Zeitpunkt integral respektive inklusive den Pfeiler der Online-Medienförderung zu behandeln, wie dies der Forderung einer Kommissionsminderheit entsprach.
Vorbehalte gegen die Förderung von Online-Medien äusserten im Ratsplenum vor allem Vertreterinnen und Vertreter der FDP.Liberalen und der SVP, wobei sich die Volkspartei gegen das gesamte Medienförderungspaket stellte. DIe SVP-Vertreter begründeten ihre ablehnende Haltung damit, dass vorgängig Fragen zur Verfassungsmässigkeit der Online-Medienförderung geklärt werden müssten. Dass mit der geplanten Förderung von Online-Medien zum ersten Mal publizistische Leistung direkt staatlich mitfinanziert würde, hob Philipp Kutter (cvp, ZH) im Namen der Kommissionsmehrheit hervor, weswegen sie es als zentral erachtete, dass alternative Unterstützungsmöglichkeiten sorgfältig geprüft würden. Nicht zuletzt wies der Kommissionssprecher darauf hin, dass die Kommission in den vergangenen Tagen mit besorgten Verlagen in Kontakt war und dass es dem Antrag der Kommissionsmehrheit zuzustimmen gelte, um den Verlagen raschestmöglich die notwendige Unterstützung zukommen zu lassen.
Auch die auf Rückweisung plädierende Kommissionsminderheit hatte sich im Vorfeld der parlamentarischen Beratung die Sorgen der Verlage angehört. Isabelle Pasquier-Eichenberger (gp, GE) wies auf den Appell zur Unterstützung des integralen Medienpaketes hin, der die Parlamentarierinnen und Parlamentarier wenige Tage vor der Beratung des Geschäfts erreicht hatte. Zur Gewährleistung der journalistischen Vielfalt und der Qualität journalistischer Leistungen sei eine staatliche Online-Medienförderung unabdingbar. Es sei wichtig, die heutige Jugend und zukünftige Leserschaft mit flächendeckenden und preisgünstigen Online-Angeboten dort abzuholen, wo sie sich aufhalte, betonte ferner Katja Christ (glp, BS) und meinte: «Das sollte auch ein Parlament erkennen, das mit einem Durchschnittsalter von über fünfzig Jahren dem täglichen Gang zum Briefkasten durchaus noch etwas abgewinnen kann.»
Mit 109 zu 84 Stimmen entschied der Nationalrat in der Herbstsession 2020 entgegen der Kommissionsmehrheit und beschloss gemäss Kommissionsminderheit, das Paket zur Medienförderung nicht aufzuteilen. Neben den geschlossen stimmenden Fraktionen der Grünen, SP und GLP stimmten auch die grosse Mehrheit der Mitte-Fraktion sowie vereinzelte Mitglieder der FDP.Liberalen-Fraktion für den Antrag der Kommissionsminderheit.
Bei der Beratung der Massnahmen kommt es aufgrund der Beschlüsse der KVF-NR und des Nationalrats nun zu Verzögerungen: Das Geschäft geht nun zurück an die Kommission, die mit dem nationalrätlichen Entscheid aufgefordert worden ist, den Teil zur Online-Medienförderung ebenfalls zu beraten. Frühestens in der Wintersession 2020 kann der Nationalrat danach die Detailberatung zum integralen Medienförderungspaket in Angriff nehmen.

Massnahmenpaket zur Förderung der Medien (BRG 20.038)
Dossier: Vorstösse zur Presseförderung (2000-)
Dossier: Die geräteunabhängige Radio- und Fernsehabgabe für Unternehmen in der Kritik
Dossier: Diskussionen zur Förderung von Online-Medien

In der ersten Woche der Herbstsession 2020 machte sich der Ständerat daran, die im Rahmen der Ratsdebatten zur Totalrevision des CO2-Gesetzes entstandenen Differenzen zum Nationalrat zu beseitigen. Eine erste Differenz wurde bei der Festlegung des Inlandzieles beigelegt. Der Ständerat folgte dem Nationalrat und der Mehrheit seiner vorberatenden UREK-SR und hob den Mindestanteil der Emissionen, die im Inland reduziert werden müssen, von 60 auf 75 Prozent an. Weitere Differenzen wurden unter anderem auch beim Thema UVP-pflichtige Anlagen, bei den technischen Massnahmen zur Verminderung der CO2-Emissionen in Gebäuden sowie bei der Verwendung der Mittel aus dem neu zu schaffenden Klimafonds ausgeräumt. Am meisten zu reden gab im Ständerat die Ausgestaltung der Flugticketabgabe für Privatflugzeuge. Eine knappe Mehrheit des Ständerates sprach sich, entgegen des Beschlusses des Nationalrates und der Empfehlung der UREK-SR, für eine pauschale Abgabe von CHF 500 pro Flug aus, wobei nur Flugzeuge ab einer Startmasse von 5700 Kilogram betroffen wären. Beat Rieder (cvp, VS) begründete die relativ tiefe Abgabe mit der zu erhaltenden Wettbewerbsfähigkeit regionaler Flughäfen. Die Flüge mit Privatjets würden bei einer höheren Abgabe massiv einbrechen, womit den regionalen Flughäfen ein wichtiges finanzielles Standbein wegbreche, so Rieder. Umweltministerin Simonetta Sommaruga argumentierte vergeblich, dass eine solche «Flatrate» für Privatflugzeuge nicht sinnvoll sei, da sie keine Lenkungswirkung mehr habe, weil weder die Anzahl Flugpassagiere noch die Flugdistanz berücksichtigt würden und die Abgabe so tief sei, dass schliesslich die Abgabe für einen Flug im Privatjet billiger ausfallen könnte als die Abgabe für ein Ticket in der Businessclass eines Linienflugzeuges. In der Folge wird sich der Nationalrat wiederum mit diesem Thema beschäftigen müssen.

Révision totale de la loi sur le CO2 pour la période postérieure à 2020 (MCF 17.071)
Dossier: Die Kyoto-Protokolle
Dossier: Totalrevision des CO2-Gesetzes
Dossier: Flugticketabgabe
Dossier: Klimawandel in der Schweiz

Bereits in der Herbstsession 2020 nahm sich der Ständerat der im Juni 2020 eingereichten Motion von Hans Wicki (fdp, NW) an, der damit eine Institutionalisierung der Reflektierung der Bundesrats-Entscheide in Krisenzeiten forderte. Mit der Pandemie seien verschiedene Grundrechte eingeschränkt worden, über die Gesetzmässigkeit und Verhältnismässigkeit der Notmassnahmen, die zu dieser Einschränkung geführt hätten, sei aber erst im Nachhinein diskutiert worden, argumentierte der Nidwaldner Freisinnige. Es habe sich gezeigt, dass die demokratische Kontrolle insbesondere durch das Parlament während des Ausnahmezustandes nicht funktioniert habe. Mit einem vom Bundesrat zu bestimmenden und vom Parlament gewählten Gremium aus Vertreterinnen und Vertretern des Parlaments, der kantonalen Regierungen, der Wissenschaft und der Wirtschaft würde auf der Basis seiner Motion quasi ein «Challenging Partner» für den Bundesrat geschaffen, der dessen notrechtlichen Entscheide in Krisenzeiten reflektieren würde. Damit gingen die Kompetenzen eines solchen Gremiums über ein blosses Informationsrecht hinaus.
In einer Krisensituation müsse primär rasch gehandelt werden können, gab der den Bundesrat vertretende Bundeskanzler Walter Thurnherr zu bedenken. Wenn man Zeit habe, ziehe man die Kantone und die parlamentarischen Kommissionen auch für Notrechtsentscheidungen direkt mit ein. Aber zu Beginn einer Legislatur ein neues Gremium zu schaffen, das dann im Falle einer Notsituation reflektieren würde, wäre der Situation wohl weniger angemessen. Ein solcher Beirat wäre weniger geeignet als die aktuelle klare Kompetenzenregelung, die dem Bundesrat dann Notrecht attestiere, «wenn es nicht anders geht». Seiner Ansicht nach genüge es, wenn der Bundesrat dann dieses Notrecht in vorgesehener Frist dem Parlament vorlegen müsse, so der Bundeskanzler. Vielversprechender scheine ihm, mit Hilfe von Digitalisierung in solchen Situationen den Einbezug der Kommissionen zu vereinfachen – wie dies die Motion von Beat Rieder (cvp, VS; Mo. 20.3419) vorsehe. Mit 15 zu 22 Stimmen (0 Enthaltungen) lehnte die kleine Kammer die Motion Wicki schliesslich ab.

Ein Gremium für Krisenzeiten (Mo. 20.3748)
Dossier: Parlament in Krisensituationen

Ende August 2020 legte das Büro-NR seinen Bericht zum Postulat der Grünen Fraktion zur Sicherstellung der Offenlegung der Interessenbindungen von Parlamentsmitgliedern vor. Einleitend stellte das Büro fest, dass die Frage nach den Verbindungen zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft immer mehr in den Fokus der Medien und der Öffentlichkeit gelange und eine grössere Transparenz gefordert werde. Auch die Empfehlungen der GRECO bezüglich einer verstärkten Korruptionsprävention im Parlament wurden im Bericht einleitend erörtert. Begrüsst werde von der Staatengruppe insbesondere die Idee der beiden Büros (NR und SR), einen Leitfaden mit den Rechten und Pflichten der Parlamentsmitglieder zu erstellen, der erstmals für die 51. Legislatur verteilt worden war. Freilich bedaure die GRECO, dass es keine Deklarationspflicht für finanzielle Interessen gebe, wie sie etwa im Europarat neu umgesetzt würde. In der Tat müssen die Mitglieder der parlamentarischen Versammlung des Europarates sämtliche Einkünfte aus Beruf, Mandat oder Zuwendungen, die mit dem Parlamentsmandat im Zusammenhang stehen, offenlegen – was auch in einer parlamentarischen Initiative Rytz (gp, BE) für das Schweizer Parlament gefordert werde (Pa.Iv. 19.473).
Der Bericht zählte die momentan geltenden Regeln auf. Beim Antritt ihres Amtes müssen alle Parlamentsmitglieder ihre Interessenbindungen offen legen, damit überprüft werden kann, ob Unvereinbarkeiten bestehen. Die Interessenbindungen werden seit 1985 von den Parlamentsdiensten in einem Register festgehalten, das seit 2002 im Internet veröffentlicht wird. In Beratungen der Räte oder der Kommissionen muss zudem auf persönliche Befangenheit mündlich hingewiesen werden. Das Parlamentsgesetz sehe aber auch vor, dass im Falle eines Konfliktes zwischen Transparenz und Berufsgeheimnis Letzteres vorgehe.
Das Büro-NR wies in seinem Bericht weiter darauf hin, dass in der in einer Sammelvorlage vorgenommenen Änderungen des Parlamentsgesetzes auch die Offenlegungspflichten erweitert worden seien. So müssen nicht nur die beruflichen Tätigkeiten, sondern auch der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin offengelegt werden, falls ein Anstellungsverhältnis besteht. Zudem muss deutlich gemacht werden, ob ein Nebenmandat ehrenamtlich oder bezahlt ausgeführt wird – freilich aber nicht die Höhe der Bezahlung. Vermerkt werden zudem alle Reisen der Parlamentsmitglieder, wenn diese auf Kosten des Bundes gehen.
In den Augen des Büros-NR genügten diese Regelungen, die auch auf die bei weitergehenden Forderungen immer wieder geforderte Eigenverantwortung der Ratsmitglieder baue. Freilich stünden in naher Zukunft zahlreiche Geschäfte an, mit denen die Diskussion um mehr Transparenz im Parlament weitergeführt würde. Genannt wurde etwa die Transparenz-Initiative und der indirekte Gegenvorschlag der SPK-SR, die parlamentarischen Initiativen Berberat (sp, NE; Pa.Iv. 15.438), Moret (fdp, VD; Pa.Iv. 15.433), Reynard (sp, VS; Pa.Iv. 18.476), Masshardt (sp, BE; Pa.Iv. 18.492), Meyer (sp, ZH; Pa.Iv. 19.462), Rytz (Pa.Iv. 19.473 und Pa.Iv. 19.491) und Rieder (cvp, VS; Pa.Iv. 19.414) sowie eine Kommissionsmotion der SPK-SR (Mo. 20.3911).

Offenlegung der Interessenbindungen (Po. 16.3276)
Dossier: Lobbyismus im Bundeshaus

In der Sommersession 2020 hatte der Ständerat bei der Teilrevision des Enteignungsgesetzes noch über eine verbleibende Differenz zum Nationalrat zu entscheiden. Nachdem Kommissionssprecher Rieder (cvp, VS) daran erinnert hatte, dass sich der Nationalrat in allen anderen Differenzen, eingeschlossen der umstrittensten, der kleinen Kammer angeschlossen habe, beantragte er im Namen der einstimmigen RK-SR, in der verbleibenden Differenz dem Nationalrat zu folgen. Der Ständerat kam dieser Bitte stillschweigend nach, womit auch für Mitglieder der Schätzungskommission analog dem Beispiel für Mitglieder eidgenössischer Gerichte eine Altersbeschränkung gilt.
Das Parlament nahm die Teilrevision des Enteignungsgesetzes Ende Sommersession 2020 in der Schlussabstimmung mit 37 zu 8 Stimmen (0 Enthaltungen) sowie mit 158 zu 27 Stimmen (13 Enthaltungen) an. Ablehnende und enthaltende Stimmen fanden sich dabei in den Reihen der SVP und der FDP.Liberalen sowie im Ständerat vereinzelt auch bei Mitgliedern der CVP.

Totalrevision Enteignungsgesetz (BRG 18.057)

In der Sommersession 2020 befasste sich der Nationalrat als Zweitrat mit dem Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Terrorismusbekämpfung (PMT). In der langen Eintretensdebatte wurden die grundsätzlichen Fragen erörtert, ob die vorgesehenen Massnahmen mit den Menschenrechten vereinbar seien und ob es sie überhaupt brauche. Während die Fraktionen der Grünliberalen, der Grünen und der Sozialdemokraten beide Fragen entschieden verneinten, zeigte sich die bürgerliche Ratsseite sowohl von der Notwendigkeit als auch von der Völkerrechtskonformität des Gesetzes vollkommen überzeugt. GLP-Nationalrätin Katja Christ (glp, BS) beantragte Nichteintreten, weil die Gesetzesvorlage die Schweiz nicht sicherer mache, sondern den Rechtsstaat untergrabe. «Rund achtzig Nichtregierungsorganisationen sowie namhafte Straf- und Völkerrechtler» seien sich darin einig, dass mit den geplanten Massnahmen «eine Grenze überschritten» werde, nahm Christ auf die mediale Diskussion im Vorfeld der Ratsdebatte Bezug und warnte pathetisch: «Die Freiheit stirbt mit Sicherheit». Ins gleiche Horn blies Grünen-Vertreterin Marionna Schlatter (gp, ZH), die das Geschäft an den Bundesrat zurückweisen wollte. Sie forderte, die unklare Definition des Gefährders müsse überarbeitet werden, «denn weder Sie noch sonst jemand kann das Gegenteil beweisen, wenn ihr oder ihm vorgeworfen wird, potenziell gefährlich zu sein.» Gerade die Grundrechte seien «unser stärkstes Schutzschild» im Kampf gegen den Terrorismus und sie hoffe deshalb, dass die öffentliche Kritik der Menschenrechtsbeauftragten des Europarats sowie der UNO-Sonderberichterstatter «in diesem Saal etwas bewegt» habe. Dasselbe postulierte die Sozialdemokratin Franziska Roth (sp, SO), die ebenfalls einen Rückweisungsantrag stellte. Das Gesetz gefährde «das, was wir eigentlich vor Terrorismus schützen wollen, und das ist, gelinde gesagt, Stumpfsinn», polterte sie. Der Bundesrat müsse die vorgeschlagenen Massnahmen – insbesondere jene, die Kinder und Jugendliche betreffen, was «der Schweiz nicht würdig» sei – deshalb auf Vereinbarkeit mit der Bundesverfassung und mit dem Völkerrecht sowie auf ihre Notwendigkeit prüfen und einen Mitbericht der RK-NR einfordern. Kommissionssprecher Mauro Tuena (svp, ZH) plädierte dagegen für Eintreten und gegen die Rückweisungen, denn die Verschärfungen seien angesichts der terroristischen Bedrohungslage dringend notwendig. «Mit diesen Präventivmassnahmen können Menschenleben gerettet werden», appellierte er an das Ratsplenum. SVP-Fraktionssprecher Jean-Luc Addor (svp, VS) erklärte, die Schweiz befinde sich gegenüber dem Terrorismus in einer «Situation der legitimen Selbstverteidigung» und dass Kinder von Terrorgruppen benutzt würden, sei «eine traurige Realität». Dass internationale Menschenrechtsinstitutionen die Schweiz öffentlich kritisiert hatten, oder in seinen Worten sich «mit mindestens zweifelhafter Legitimität» für «berechtigt» gehalten hätten, den Volksvertretern eines souveränen Staats «eine Predigt zu halten» und ihnen zu «erklären», was sie tun dürften und was nicht, bezeichnete er indes als «einigermassen originell». FDP-Sprecher Rocco Cattaneo (fdp, TI) hob hervor, dass mit diesem Gesetz die kantonalen und kommunalen Polizeikorps «endlich» die Möglichkeit erhielten, schnell zu reagieren. Alois Gmür (cvp, SZ) legte die Position der Mitte-Fraktion so dar, dass es eben «gewisse Opfer» brauche, «wenn man tatsächlich mehr Sicherheit will», worauf ihm SP-Nationalrat Fabian Molina (sp, ZH) die rhetorische Frage stellte, ob es dann nicht am sinnvollsten wäre, «dass man alle Männer von 15 bis 50 Jahren präventiv unter Hausarrest stellen würde, um die Anzahl der Delikte gegen Leib und Leben auf nahezu null zu reduzieren». Mit vielen Fragen konfrontiert wurde auch Bundesrätin Karin Keller-Sutter, die in ihrem Votum die Notwendigkeit der Vorlage betonte und mehrfach bekräftigte, der Bundesrat habe die Grundrechtsfragen «vertieft und sorgfältig geprüft». Die international geäusserten Bedenken teile sie nicht und erachte sie als «unbegründet», erläuterte sie. Es handle sich dabei um «eine politische Stellungnahme», die aber «rechtlich nicht sehr präzis» und eher «Ausdruck einer allgemeinen Sorge» gewesen sei.
Nach einem langen, veritablen Schlagabtausch zwischen dem befürwortenden und dem ablehnenden Lager trat der Nationalrat schliesslich mit 107 zu 84 Stimmen bei einer Enthaltung auf das Geschäft ein. Die beiden Rückweisungsanträge wurden mit 85 zu 106 Stimmen (1 Enthaltung) respektive 85 zu 105 Stimmen (2 Enthaltungen) abgelehnt. Es standen sich dabei das links-grün-grünliberale und das bürgerliche Lager jeweils geschlossen gegenüber. In der Detailberatung brachte das links-grüne Lager etliche Minderheitsanträge zur Abschwächung der Vorlage ein, die allesamt scheiterten. Ebenso erfolglos blieb der einzige Änderungsantrag der Kommissionsmehrheit, die einen neuen Artikel zur sogenannten gesicherten Unterbringung von Gefährdern (GUG) einbringen wollte. Mit diesem Artikel könnten «klar Leben gerettet werden», argumentierte Kommissionssprecher Tuena, während die Kommissionsminderheit um Beat Flach (glp, AG) betonte, diese Massnahme sei nicht EMRK-konform. Auch nach Ansicht des Bundesrates gehe eine solche Präventivhaft – im Gegensatz zum Hausarrest als ultima ratio – «tatsächlich zu weit», weshalb der Bundesrat trotz Bitten der Kantone ausdrücklich auf die GUG verzichtet habe, wie die Justizministerin ausführte. Mit 113 zu 78 Stimmen bei 2 Enthaltungen folgte der Nationalrat der Minderheit und lehnte die Präventivhaft ab – dies, weil sich hier zusätzlich zur links-grünen Ratsseite auch die grosse Mehrheit der FDP-Fraktion sowie eine Minderheit der Mitte-Fraktion zum Nein-Lager gesellten. Somit nahm die grosse Kammer die inhaltlich unveränderte Vorlage – es wurden jedoch einige redaktionelle Anpassungen vorgenommen – in der Gesamtabstimmung mit 111 zu 86 Stimmen ohne Enthaltungen an. Abgelehnt hatten das Gesetz die geschlossenen Fraktionen der SP, der Grünen und der Grünliberalen sowie SVP-Nationalrat Pirmin Schwander (svp, SZ).

Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT; 19.032)
Dossier: Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung
Dossier: PMT und damit umgesetzte Vorstösse
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen

Nachdem die eidgenössischen Räte den indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot», das Bundesgesetz über die Gesichtsverhüllung, mit der Bereinigung aller Differenzen auf Kurs gebracht hatten – die Schlussabstimmungen standen aufgrund des pandemiebedingten Abbruchs der Frühjahrssession indes noch aus –, beriet der Nationalrat in der Sommersession 2020 die Volksinitiative an sich. Der Ständerat hatte schon im Herbst 2019 über die Initiative debattiert und sie zur Ablehnung empfohlen. Die Volkskammer als Zweitrat hatte die Diskussion zur Initiative seinerzeit ausgesetzt, bis die Beratungen zum Gegenvorschlag abgeschlossen sein würden, und nahm sie nun ein knappes Jahr später in Angriff. Die SPK-NR beantragte ihrem Rat mit 14 zu 9 Stimmen bei 2 Enthaltungen, die Initiative zur Ablehnung zu empfehlen. In der mehrstündigen, emotionalen Ratsdebatte standen sich das befürwortende – bestehend aus der SVP-Fraktion sowie einem grossen Teil der Mitte-Fraktion – und das gegnerische Lager – bestehend aus allen anderen Fraktionen – unverrückbar gegenüber. Als «Dialog der Gehörlosen» bezeichnete «Le Temps» die Diskussion, in der nur die bereits bekannten, festgefahrenen ideologischen Positionen zu den Frauenrechten und zum «Kulturkampf» («Le Temps») vorgetragen wurden. Die Befürworterseite argumentierte im Kern, das Verhüllungsverbot setze ein klares Zeichen gegen die Unterdrückung der Frau und stärke die offene Gesellschaft sowie die Sicherheit in der Schweiz. Die Gegenseite betonte in erster Linie die Unvereinbarkeit eines solchen Verbots mit der liberalen Gesellschaftsordnung. 91 Wortmeldungen später entschied der Nationalrat mit 114 zu 76 Stimmen bei 3 Enthaltungen, die Initiative Volk und Ständen zur Ablehnung zu empfehlen. Für die Initiative standen neben der geschlossenen SVP-Fraktion zwei Drittel der Mitte-Fraktion sowie zwei Stimmen aus der FDP- (de Quattro/fdp, VD; Dobler/fdp, SG) und eine aus der GLP-Fraktion (Chevalley/glp, VD) ein. Abschliessend billigte die Volkskammer, dass ihre Kommission die Petition 15.2044 für die Ungültigkeitserklärung der Initiative aus Gründen der Einheit der Materie zur Kenntnis genommen hatte. Wie Kommissionssprecher Damien Cottier (fdp, NE) im Ratsplenum erläuterte, war die Kommission der Ansicht gewesen, dass die Volksinitiative die Einheit der Materie wahre, indem sie ein einziges Thema, nämlich das Verbot der Gesichtsverhüllung in der Öffentlichkeit, betreffe.

In den Schlussabstimmungen zwei Tage darauf wurde der Bundesbeschluss, mit dem das Parlament die Volksinitiative zur Ablehnung empfahl, im Nationalrat mit 113 zu 77 Stimmen bei 7 Enthaltungen angenommen, wobei die befürwortenden und ablehnenden Stimmen dieselben geblieben waren wie bei der inhaltlichen Beratung. Der Ständerat stimmte dem Bundesbeschluss mit 36 zu 7 Stimmen bei 2 Enthaltungen zu; hier bestand die Opposition aus der geschlossenen SVP-Fraktion und CVP-Vertreter Beat Rieder (cvp, VS).

Weil sie aufgrund des Sessionsabbruchs nicht mehr in der Frühjahrssession 2020 stattgefunden hatten, standen auch die Schlussabstimmungen zum Bundesgesetz über die Gesichtsverhüllung in der Sommersession 2020 auf der Agenda der eidgenössischen Räte. Den indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» nahm der Nationalrat mit 104 zu 85 Stimmen bei 9 Enthaltungen an. Während sich die Mitte-Fraktion hier grossmehrheitlich dafür aussprach, stimmten neben der geschlossenen SVP- eine breite Mehrheit der Grünen Fraktion sowie einige Angehörige der FDP- und der Mitte-Fraktionen dagegen. Der Ständerat verabschiedete das Bundesgesetz über die Gesichtsverhüllung mit 35 zu 8 Stimmen bei 2 Enthaltungen, wobei auch hier alle SVP- und zwei Mitte-Stimmen ablehnend waren.

Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» und indirekter Gegenvorschlag (19.023)
Dossier: Nationales Burkaverbot

Die beiden Rechtskommissionen (RK-NR und RK-SR) hatten im November 2019 je eine gleichlautende Kommissionsmotion eingereicht, mit der die Unvereinbarkeitsbestimmungen am Bundesstrafgericht neu geregelt werden sollen. Der Nationalrat hatte die Motion seiner Kommission (Mo. 19.4377) bereits in der Wintersession 2019 angenommen, der Ständerat folgte mit der Annahme der Motion der RK-SR im Juni 2020. Kommissionssprecher Beat Rieder (cvp, VS) führte aus, dass die Bestimmungen gelockert werden sollen, um die Suche nach geeigneten nebenamtlichen Richterinnen und Richtern am Bundesstrafgericht zu erleichtern. Für dieses Amt, das ein Arbeitspensum von 10 bis 20 Prozent umfasse, würden sich kaum Kandidierende melden, da die bisherigen Unvereinbarkeitsregelungen das Verbot einer berufsmässigen Vertretung Dritter vor sämtlichen Gerichten vorsehen und somit für viele potentielle Amtsträgerinnen und Amtsträger zu starke berufliche Einschränkungen bedeuteten. Die ursprüngliche Idee war, dass alle Mitglieder des Bundesstrafgerichts vollständig von forensischer Anwaltstätigkeit ausgeschlossen werden, um Risiken von Interessenkonflikten von Beginn weg zu vermeiden. Neu soll ein solches Verbot für nebenamtliche Strafrichterinnen und Strafrichter nur noch vor Bundesgericht gelten. Justizministerin Karin Keller-Sutter warnte zwar, dass es mit der Umsetzung der Motion allenfalls zu Zweifelsfällen bezüglich Ausstandspflicht kommen könne. Da die Änderung aber nur für nebenamtliche Mitglieder des Bundesstrafgerichts gelte, empfehle der Bundesrat die Annahme der Motion trotzdem. Dieser Empfehlung folgte der Ständerat stillschweigend und hiess damit gleichzeitig auch die Kommissionsmotion des Nationalrats gut.

Unvereinbarkeitsbestimmungen am Bundesstrafgericht (Mo. 19.4391)

In der Sommersession 2020 wurde die Teilrevision des Zivilgesetzbuches für eine einfachere Änderung des Geschlechts im Personenstandsregister vom Ständerat als Erstrat behandelt. Gemäss dem neuen Artikel 30b ZGB kann «jede Person, die innerlich fest davon überzeugt ist, nicht dem im Personenstandsregister eingetragenen Geschlecht zuzugehören, [...] gegenüber der Zivilstandsbeamtin oder dem Zivilstandsbeamten erklären, dass sie den Eintrag ändern lassen will» und gleichzeitig einen neuen Vornamen wählen. Die vorberatende RK-SR hatte dem Entwurf im Mai 2020 unverändert zugestimmt und beantragte ihrem Rat, dasselbe zu tun. Berichterstatter Beat Rieder (cvp, VS) legte dem Ratsplenum die zentralen Punkte der trotz des schlanken Entwurfs «regen» Kommissionsdebatte dar. Man habe sich bewusst gegen ein schriftliches Verfahren, wie es von manchen Kantonen gefordert wurde, und gegen eine Begründungspflicht entschieden, weil es das Ziel der Vorlage sei, einen «Paradigmenwechsel» zu vollziehen und «das Kapitel sozialer Ausgrenzung» abzuschliessen. Zudem gehe man nicht davon aus, dass ein solches Gesuch angesichts seiner Tragweite «aus einer Laune heraus» gestellt werde, weshalb Missbräuche – etwa zur Vermeidung des Militärdiensts, zur Erschleichung einer Rentenberechtigung oder zur Vermeidung von Strafverfolgung – kaum vorstellbar seien. Eine Minderheit Salzmann (svp, BE) beantragte Nichteintreten, weil es nicht notwendig sei, das Verfahren zu vereinfachen und weil durchaus Missbrauchspotenzial bestehe, da die «innerste Selbstwahrnehmung» praktisch nicht überprüft werden könne. Bundesrätin Karin Keller-Sutter verwies dagegen wieder auf den angestrebten «Paradigmenwechsel» hin zur Selbstbestimmung, was in diesem Zusammenhang bedeute, «dass jede urteilsfähige Person selbst am besten in der Lage ist, die eigene Geschlechtsidentität zu kennen, ohne von der Beurteilung von Gerichten oder Behörden abhängig zu sein». Nachdem die Ständekammer mit 33 zu 6 Stimmen bei 6 Enthaltungen auf die Vorlage eingetreten war, debattierte sie die Frage, ob Minderjährige zur Geschlechtsänderung die Zustimmung der Eltern brauchen, wie vom Bundesrat vorgesehen, oder ob sie dies, sofern sie als urteilsfähig gelten, selber entscheiden können sollten, wie es eine Minderheit Mazzone (gp, GE) verlangte. Mit 27 zu 15 Stimmen bei 2 Enthaltungen folgte die Ratsmehrheit dem Bundesrat und der Kommissionsmehrheit, die argumentierten, Kinder und Jugendliche hätten noch keine gefestigte Persönlichkeit und müssten daher gegen leichtsinnige Erklärungen oder den Einfluss von Dritten geschützt werden. Der Weg über ein Gerichtsverfahren – so wie es aktuell durchlaufen werden muss, um das Geschlecht im Personenstandsregister zu ändern –, stehe Minderjährigen zudem weiterhin offen, sollten sie in dieser Frage im Konflikt mit ihren Eltern stehen, erklärte die Justizministerin. In der Gesamtabstimmung nahm der Ständerat den somit unveränderten Entwurf mit 31 zu 7 Stimmen bei 7 Enthaltungen an.

Änderung des Geschlechts im Personenstandsregister (BRG 19.081)

In der Sommersession 2020 befasste sich der Ständerat als Erstrat mit der Revision des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches, deren Ziel die Harmonisierung der Strafrahmen ist. Wie der Kommissionsberichterstatter Daniel Jositsch (sp, ZH) dem Ratsplenum erläuterte, habe sich die vorberatende RK-SR bei der Diskussion der Strafrahmen an zwei Leitfragen orientiert: Erstens, absolut betrachtet, entspricht ein Strafrahmen nach heutigem Empfinden wertmässig dem Verschulden? Und zweitens, relativ betrachtet, passt ein Strafrahmen wertmässig in das System vergleichbarer Strafen hinein? Die thematischen Schwerpunkte verortete Jositsch zum einen im Bereich Gewalt und Drohung gegenüber Beamten und Behörden, zu dem in der jüngeren Vergangenheit sehr viele Vorstösse eingegangen waren, sowie zum anderen bei den Delikten gegen Leib und Leben, wo generell «eine moderate Anhebung der Strafen» vorgesehen sei. Damit werde korrigiert, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Strafgesetzbuchs in den 1940er-Jahren den Schutz des Vermögens im Vergleich zum Schutz von Leib und Leben «relativ stark gewichtet» habe. Diese Werthaltung, die neu ausgelotet werden müsse, veranschaulichte er mit dem Beispiel, dass auf einfachen Diebstahl heute eine Maximalstrafe von fünf Jahren stehe, während eine fahrlässige Tötung mit maximal drei Jahren bestraft werde. Bundesrätin Karin Keller-Sutter betonte, es sei wichtig, dass sich die Bevölkerung mit einem Urteil identifizieren könne: «Nur unter dieser Voraussetzung kann der Rechtsstaat auch seine Glaubwürdigkeit und seine Akzeptanz behalten.» Die öffentliche Debatte sei aber oft vom Eindruck einzelner Vorkommnisse geprägt, die die Forderung nach Mindeststrafen befeuerten. Solche habe der Bundesrat allerdings nur «sehr selektiv» vorgesehen, weil der Strafrahmen nicht nur den denkbar schwersten, sondern immer auch den denkbar leichtesten Fall abdecken müsse.
Über weite Strecken war die umfangreiche Vorlage im Ständerat unbestritten. Bis auf drei Punkte, die sie vertiefter diskutierte, folgte die Ständekammer überall stillschweigend den Anträgen ihrer Kommission. Als wichtigste dieser diskussionslosen Neuerungen hervorzuheben sind die Anhebung der Mindeststrafe für schwere Körperverletzung von bisher sechs Monaten auf ein Jahr sowie die Vereinheitlichung der Mindeststrafe für alle gewerbsmässig begangenen Vermögensdelikte auf sechs Monate. Die Bestimmungen des Sexualstrafrechts klammerte der Ständerat in der Debatte aus, weil diese nach dem Willen seiner Kommission und des Bundesrates in einem separaten Entwurf, der zuerst noch in die Vernehmlassung gegeben wird, behandelt werden sollen.
Die erste der drei umstrittenen Änderungen betraf mit Art. 42 StGB eine Bestimmung aus dem Allgemeinen Teil, der eigentlich gar nicht Gegenstand des Geschäfts war. Die Kommissionsmehrheit habe diese Anpassung dennoch vorgenommen, um den Forderungen nach schärferen Strafen entgegenzukommen, ohne die Mindeststrafen zu erhöhen, wie Jositsch erklärte. Sie schlug vor, den Artikel dahingehend abzuändern, dass das Gericht bei einem Ersttäter oder einer Ersttäterin nicht mehr «in der Regel» eine bedingte Strafe aussprechen muss, sondern dass es dies «kann». Durch die etwas offenere Formulierung wollte sie mehr Möglichkeiten für unbedingte Strafen schaffen. Eine Minderheit Vara (gp, NE) und der Bundesrat beantragten hingegen, beim geltenden Recht zu bleiben. Die Änderung gefährde die Rechtssicherheit, weil die vielen Gerichte in der Schweiz die Kann-Bestimmung vielleicht unterschiedlich anwendeten, so deren Argumentation. «Es kann nicht angehen, dass irgendwelche Gründe dazu führen können, dass der bedingte Strafvollzug, selbst bei einer günstigen Prognose, verweigert werden kann», warnte Justizministerin Keller-Sutter vor unzulässiger Willkür. Kommissionssprecher Jositsch wandte ein, dass es für Täterinnen und Täter eben gerade keine Sicherheit geben solle, dass man beim ersten Mal eine bedingte Strafe erhalte. Die Ratsmehrheit liess sich davon überzeugen und folgte mit 26 zu 15 Stimmen der Kommissionsmehrheit.
Als zweites erörterte der Ständerat die konzeptionelle Frage, ob eine Mindestgeldstrafe automatisch auch eine Mindestfreiheitsstrafe bedeute – an einer konkreten Frage: Wenn für ein Delikt eine Geldstrafe nicht unter 30 Tagessätzen oder eine Freiheitsstrafe vorgeschrieben ist, bedeutet dies dann, dass die Freiheitsstrafe auch mindestens 30 Tage betragen muss? Die Kommissionsmehrheit bejahte diese Frage, die in der juristischen Lehre bislang ungeklärt geblieben war, und wollte dies im StGB nun ausdrücklich festschreiben. Sie sah Geld- und Freiheitsstrafen als «weitestgehend gleichwertig» an, wie es Andrea Caroni (fdp, AR) ausdrückte; dies zeige sich nicht zuletzt auch darin, dass eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen bei Nichtbezahlung eins zu eins in eine Freiheitsstrafe von 30 Tagen umgewandelt werde. Eine Minderheit Mazzone (gp, GE) argumentierte dagegen, eine Freiheitsstrafe stelle einen grösseren Eingriff dar als eine Geldstrafe, weshalb auf eine solche ausdrückliche Gleichsetzung im StGB verzichtet werden sollte. Auch EJPD-Vorsteherin Keller-Sutter plädierte gegen die vorgeschlagenen Ergänzungen bei den betreffenden Artikeln, weil aus der Praxis hierzu keine Unklarheiten moniert worden seien und die Änderung aus Sicht des Bundesrates daher nicht notwendig sei. Etwas spitz bemerkte sie: «Es wurde gesagt, im Lehrbuch Jositsch stehe, dass hier Klärungsbedarf bestehe. Herr Jositsch ist in der Minderheit und sieht offensichtlich, entgegen seinem Lehrbuch, keinen so grossen Klärungsbedarf.» Die Ratsmehrheit folgte mit 24 zu 16 Stimmen dennoch der Kommissionsmehrheit.
Der dritte Streitpunkt betraf die Verschärfung der Strafnorm für Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte (Art. 285 StGB). Die Kommissionsmehrheit unterstützte hier das Konzept des Bundesrates, der den Strafrahmen für den Grundtatbestand unverändert liess – d.h. keine Mindeststrafe, maximal drei Jahre Freiheitsstrafe –, während er Gewalttaten, die aus einem zusammengerotteten Haufen heraus begangen werden, neu mit einer Geldstrafe von mindestens 120 Tagessätzen (bisher 30) oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren (wie bisher) bestrafen wollte. Nach dem vorangegangenen Beschluss des Ständerates über die wertmässige Gleichstellung von Geld- und Freiheitsstrafen bedeutete dies, dass Gewalttaten im Kontext einer Zusammenrottung mit einer Geldstrafe von mindestens 120 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe im Umfang von 120 Tagen belegt würden. Eine Minderheit Engler (cvp, GR) wollte die Strafen indes dergestalt verschärfen, dass sie zwar keine Mindeststrafe vorsah, Geldstrafe aber nur in leichten Fällen ausgesprochen werden dürfte. Bei Gewalttaten im Kontext einer Zusammenrottung wäre eine Freiheitsstrafe zwingend. Uneinigkeit herrschte in erster Linie darüber, welche Variante die schärfere war, jene mit der hohen Mindeststrafe oder jene mit der grundsätzlichen Freiheitsstrafe. Wie Beat Rieder (cvp, VS) berichtete, war dies auch der einzige Punkt, in dem sich die Subkommission, die das Geschäft für die RK-SR vorberaten hatte, nicht einig geworden war. Rieder setzte sich für die Minderheit ein, weil es hier um Straftäterinnen und -täter gehe, die «relativ renitent» seien und bei denen Geldstrafen «schlichtweg keine Wirkung» erzielten. Wichtig sei die Signalwirkung der Freiheitsstrafe, sprich, dass Hooligans «am Montag nach dem Samstagsmatch im Büro fehlen». Bundesrätin Keller-Sutter zeigte Verständnis für die Streichung der Geldstrafe in schweren Fällen, gab aber in Bezug auf die Signalwirkung zu bedenken, dass Freiheitsstrafen auch bedingt ausgesprochen werden können. Mit 23 zu 18 Stimmen betreffend den Grundtatbestand und 25 zu 17 Stimmen bezüglich der Zusammenrottungen nahm der Ständerat den Minderheitsantrag Engler an.
In der Gesamtabstimmung opponierte die Grüne Fraktion geschlossen, womit die Kantonskammer das revidierte StGB mit 35 zu 5 Stimmen guthiess. Der zweite Entwurf zur Anpassung des Nebenstrafrechts an das neue Sanktionenrecht, mit dem vor allem formelle Änderungen vorgenommen wurden, passierte die Gesamtabstimmung unverändert mit 36 zu 6 Stimmen, wobei sich hier auch SP-Ständerat Paul Rechsteiner (sp, SG) zur Grünen Opposition gesellte. Stillschweigend schrieb die kleine Kammer zudem die Vorstösse 06.3554, 09.3366, 08.3131, 10.3634 und 17.3265 ab.

Harmonisierung der Strafrahmen (BRG 18.043)
Dossier: Revision des Strafgesetzbuches (2008– )
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Das Differenzbereinigungsverfahren zu den Nachmeldungen zum Nachtrag I zum Voranschlag 2020 dauerte zwar einige Runden, wurde jedoch in nur zwei Tagen der ausserordentlichen Session zur Bewältigung der Corona-Krise abgewickelt. Entsprechen sei man als Mitglied einer Finanzkommission «eigentlich von einer Sitzung an die nächste» gegangen, wie Ursula Schneider Schüttel (sp, NR) erklärte und die zu kurze Behandlungszeit monierte. Noch offen waren bei der Differenzbereinigung die Kredite für die Institutionen der Kinderbetreuung, für den Tourismus, für die Geschäftsmieten sowie die Rahmenbedingungen für die Flugverkehrsunternehmen und die flugnahen Betriebe. Zu den ersten drei Punkten redete Finanzminister Maurer dem Parlament zu Beginn der Differenzbereinigung ins Gewissen: Das Legiferieren aufgrund von Notrecht sei nur bei Gefahr oder Eintreten einer schweren Störung der öffentlichen Ordnung oder bei Gefährdung der inneren oder äusseren Sicherheit möglich. Dies sei jedoch bei den noch offenen Fragen zur Kinderbetreuung, zum Tourismus und zum Wohnungswesen nicht der Fall. Entsprechend habe man keine Berechtigung, hier einen Kredit zu sprechen. Dieser Appell stiess beim Parlament jedoch mehrheitlich auf taube Ohren.
Bezüglich des Kredits für die Institutionen zur Kinderbetreuung betonte etwa Céline Widmer (sp, ZH), die nationalrätliche Kommissionssprecherin, die Notwendigkeit der Bundesunterstützung aufgrund der aktuellen Notlage. Zahlreiche Sprechende betonten denn auch die soziale und wirtschaftliche Bedeutung von Krippen und hoben hervor, dass das Kinderbetreuungsnetz langwierig und teuer aufgebaut worden sei und nun Gefahr laufe, zusammenzubrechen. Zu glauben, dass die Gemeinden und Kantone diese Zahlungen leisten könnten, sei illusorisch, erklärte etwa Minderheitssprecher Christian Dandrès (sp, GE). Auch die Kommissionsmehrheit sah einen Beitrag vor: Insgesamt liege der geschätzte Finanzbedarf bei CHF 200 Mio., davon solle der Bund wie vom Ständerat vorgeschlagen einen Drittel, die Kantone zwei Drittel übernehmen, erklärte Kommissionssprecherin Widmer. Zwar beantragten zwei Minderheiten, bei CHF 100 Mio. zu bleiben respektive gar kein Geld zu sprechen, die Ratsmehrheit entschied sich jedoch, dem Ständerat beizupflichten und diese Differenz zu bereinigen.
Als nächstes galt es, die Bedingungen der Kreditverwendung für die Flugverkehrsunternehmen und flugnahen Betriebe zu bereinigen. Auch hier willigte der Nationalrat in die Formulierung des Ständerates ein: Statt Umschulungsplänen für den Fall eines Stellenabbaus zu erarbeiten, sollten die entsprechenden Unternehmen dazu verpflichtet werden, bei einem allfälligen Personalabbau sozialverträgliche Lösungen zu finden. Umstrittener war die Frage, ob die Flugverkehrsunternehmen verpflichtet werden sollten, den Reisebüros die ausgefallenen Flüge zu bezahlen. Löste dies bei der Mehrheit des Ständerates anfänglich aufgrund der Ungleichbehandlung von Reisebüros und Privaten noch Kopfschütteln aus, liess sie sich in der Folge vom Argument überzeugen, dass Umbuchungen, Gutscheine und Rückzahlungen bis April 2021 zwar für Private eine Möglichkeit seien, nicht aber für die Reisebüros, welche den Kunden ihrerseits ab Anfang Oktober das Geld zurückerstatten müssten. Für diese sei eben eine Rückzahlung existenziell. Stillschweigend willigte der Ständerat folglich in diese Bedingung zur Kreditverwendung ein.
Länger dauerten die Debatten zu den Geschäftsmieten und zum Tourismus.
Die Diskussion um den Kredit zu den Geschäftsmieten lehnte sich eng an die Diskussion um das Gesetz und somit die Formalitäten zum Erlass der Geschäftsmieten an. Die CHF 50 Mio., welche der Ständerat anfangs beantragt hatte, entsprachen denn auch dem Betrag, der gemäss des Konzepts der WAK-SR nötig wäre. Da der Vorschlag der WAK-NR lediglich eine Aufteilung zwischen Mietenden und Vermietenden, ohne Beteiligung des Bundes vorsah, und der Nationalrat diesen gegenüber dem ständerätlichen Vorschlag bevorzugte, lehnte die grosse Kammer einen entsprechenden Bundeskredit ab. Eine Minderheit Friedl (sp, SG) zog jedoch in Betracht, CHF 20 Mio. für einen Härtefallfonds, den es auch im nationalrätlichen Konzept brauche, einzustellen, erzielte mit diesem Vorschlag jedoch keine Mehrheit. Es fehle die Gesetzesgrundlage für einen entsprechenden Kredit, zumal man sich bezüglich des Gesetzes nicht habe einigen können, betonten dessen Gegnerinnen und Gegner. Ähnlich verlief anschliessend auch die Debatte im Ständerat, auch hier sprach sich die Kommissionsmehrheit dagegen aus, einen Betrag zu sprechen, ohne dass die gesetzliche Grundlage vorliege. In der Zwischenzeit hatte die WAK-SR ein neues, auf dem Vorschlag ihrer Schwesterkommission beruhendes Konzept erarbeitet, das ebenfalls einen Härtefallfonds beinhaltete. Um diesen zu finanzieren, schlug auch im Ständerat eine Minderheit einen Kredit über CHF 20 Mio. vor – hier jedoch mit 21 zu 20 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) erfolgreich, wenn auch äusserst knapp. Die Argumentation der Minderheit lautete, dass das Geld mit diesem Kredit bereit wäre, falls die Räte eine Übereinkunft bezüglich des Gesetzes treffen würden, und ansonsten eh nicht verwendet werden könnte. Nachdem sich der Nationalrat jedoch von dieser Argumentation nicht hatte überzeugen lassen und auf einer Streichung des entsprechenden Kredits beharrt hatte, willigte der Ständerat ein: Ohne Gesetzesgrundlage gebe es auch keinen Kredit; man habe ja in der Sommersession erneut eine Möglichkeit, diesbezüglich eine Gesetzesgrundlage zu erarbeiten, war aus der kleinen Kammer zu vernehmen.
Somit verblieb noch der kombinierte Kredit für den Tourismus. Hier hatte sich der Nationalrat mit den CHF 40 Mio. für die Werbekampagne für den Schweizer Tourismus für die nächsten drei Jahre abgefunden, wollte diese aber nur unter der Bedingung genehmigen, dass dieser Tourismuskredit für dreifach nachhaltige – ökologische, sozial gerechte und wirtschaftlich sorgsame – Förderprogramme eingesetzt würde. Die wegfallenden Tourismusabgaben in der Höhe von CHF 27 Mio. wollte er hingegen nicht finanzieren – diese hätte der Bund anstelle der privaten Beitragszahlenden, darunter die UBS, die Zürcher Kantonalbank und Red Bull, übernehmen sollen, wie Bundesrat Maurer eine Erklärung des SECO wiedergab. Letzteres sei ebenfalls der Meinung, es brauche keinen zusätzlichen Kredite, ergänzte der Finanzminister. Man wolle nicht die Beiträge von Privaten übernehmen, zudem würde das Geld nicht den Geschädigten zugutekommen, befürchtete die grosse Kammer. Der Ständerat präzisierte die Ausgangslage der Tourismusabgaben: Normalerweise würde dieser Betrag durch rund 1200 Partner aus dem Tourismusbereich – CHF 22 Mio. stammten dabei von lokalen Akteuren, CHF 5 Mio. von grossen Sponsoren – finanziert und vor allem kleineren und regionalen Partnern zugute kommen. Der Ständerat hielt somit vorerst am höheren Betrag von CHF 67 Mio. fest, gab jedoch kurz vor der Einigungskonferenz nach, nachdem der Nationalrat einen Kompromissvorschlag einer Minderheit Matter (glp, GE) über CHF 53.5 Mio., bei dem der Bund entsprechend nur die Hälfte der Tourismusabgabe hätte übernehmen sollen, abgelehnt hatte. Kommissionspräsident Hegglin (cvp, ZG) verwies jedoch darauf, dass man hier unter der Bedingung einlenke, dass der Bundesrat die CHF 40 Mio je hälftig den regionalen Tourismusorganisationen und Schweiz Tourismus zukommen lasse. Beat Rieder (cvp, VS) ergänzte, dass damit bei Schweizerinnen und Schweizern Werbung für Ferien in der Schweiz gemacht und nicht international für Ferien in der Schweiz geworben werden solle. Schliesslich willigte der Ständerat auch in die Bedingung ein, dass der Kredit für die Förderung eines nachhaltigen Tourismus eingesetzt werden solle, auch wenn gemäss Hegglin die «Zuständigen des SECO» die Folgen dieser Bedingung nicht genau hätten abschätzen können.
Insgesamt folgte das Parlament somit nur bei den Geschäftsmieten dem Aufruf des Finanzministers sowie einer Minderheit Schwander (svp, SZ) und verzichtete auf weitere Kredite im Rahmen des Notrechts, entschied sich bei den übrigen zwei Fragen aber immerhin für des Finanzministers zweitliebste Option: die günstigere.

Nachtrag I zum Voranschlag 2020 (BRG 20.007)
Dossier: Bundeshaushalt 2020: Voranschlag und Staatsrechnung

Die Motion Rieder (cvp, VS) zur Sicherstellung der Verkehrserschliessung von Kandersteg und Wallis während den Räumungsarbeiten des ehemaligen Munitionslagers Mitholz wurde von der KVF-NR im Mai 2020 diskutiert. Die Kommission erhielt an ihrer Sitzung von der Verwaltung Einsicht in mehrere Projekte zur Sicherstellung der Verkehrsverbindung zwischen Kandersteg und dem Wallis. Um die Prüfung der Projekte nicht mit einem Vorentscheid zu verunmöglichen, lehnte die KVF-NR die Motion Rieder mit 14 gegen 8 Stimmen (1 Enthaltung) ab. Eine Minderheit beantragte dem Rat die Annahme, damit schnellstmöglich eine Lösung gefunden werden könne.

Verkehrserschliessung von Kandersteg und Wallis während der Räumungsarbeiten sicherstellen

In Erweiterung einer parlamentarischen Initiative Badran (sp, ZH; Pa.Iv. 16.498) zur Unterstellung wichtiger Infrastrukturen der Energiewirtschaft unter die Lex Koller reichte die UREK-NR im Mai 2020 mit 17 zu 6 Stimmen bei 2 Enthaltungen eine eigene Kommissionsmotion zwecks Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für Investitionskontrollen bei kritischen Infrastrukturen ein. Damit sollen künftig ausländische Direktinvestitionen in zentrale Schweizer Unternehmen, die zu einer faktischen Kontrolle dieser Firma und Infrastrukturen führen, dem Segen einer Genehmigungsbehörde unterstellt werden. Im August 2020 beantragte auch der Bundesrat die Annahme der Motion. Er verwies in seiner Stellungnahme auf eine bereits angenommene Motion Rieder (cvp, VS; Mo. 18.3021), die sich weitgehend mit dieser Forderung decke.

Investitionskontrollen bei kritischen Infrastrukturen schaffen (Mo. 20.3461)
Dossier: Ausländische Investitionen in Schweizer Unternehmen
Dossier: Schutz kritischer Infrastrukturen

Aussergewöhnliche Ereignisse spiegeln sich häufig auch in der Zahl der Vorstösse, die im Parlament zum entsprechenden Thema eingereicht werden. Dies galt insbesondere und erst recht für die Covid-19-Pandemie. Die Aargauer Zeitung rechnete Mitte Juni vor, dass seit dem 2. März 2020 über 480 Vorstösse mit den unterschiedlichsten Themen und Forderungen zur Coronakrise eingereicht worden seien. Mit einem ganzen Strauss an parlamentarischen Initiativen, die sich dem Parlament in der Krise annahmen, werden sich auch die SPK der beiden Räte beschäftigen müssen. Auf der einen Seite waren es Vorstösse, die den Ratsbetrieb in Krisensituationen regeln wollten. Ganz allgemein wollte etwa Thomas Brunner (glp, SG) Rechtsgrundlagen für eine Flexibilisierung des Ratsbetriebs insbesondere in aussergewöhnlichen Situationen schaffen. Es müsse dafür gesorgt werden, dass das Parlament in allen Situationen handlungsfähig bleibe (Pa.Iv. 20.423). Etwas konkreter forderte Katja Christ (glp, BS) eine rechtliche Grundlage für einen digitalen Parlamentsbetrieb (Pa.Iv. 20.425) und Sidney Kamerzin (cvp, VS) verlangte ein papierloses Parlament (Pa.Iv. 20.442) Gregor Rutz (svp, ZH) schlug eine Halbierung des Taggeldes vor, wenn Kommissionssitzungen in Form von Videokonferenzen abgehalten werden (Pa.Iv. 20.431).
Auf der anderen Seite stachen jene parlamentarischen Initiativen ins Auge, die sich den Rechten des Parlaments in Phasen des bundesrätlichen Notrechts annehmen wollten. Alfred Heer (svp, ZH) forderte etwa, dass vom Bundesrat in seiner Notrechtskompetenz getroffene Massnahmen von einer 2/3-Mehrheit beider Kammern genehmigt werden müssen. Die heute auf sechs Monate befristeten Notrechtsmassnahmen sollen zudem von einer einfachen Mehrheit von National- und Ständerat jederzeit ausser Kraft gesetzt werden können (Pa.Iv. 20.452). Die grüne Fraktion schlug ferner vor, eine juristische Institution zur Kontrolle der Recht- und Verhältnismässigkeit von Notverordnungen zu installieren (Pa.Iv. 20.430). Die Mitte-Fraktion regte ihrerseits in zwei gleichlautenden parlamentarischen Initiativen (Pa.Iv. 20.418 und Pa. Iv. 20.414), die sie in beiden Kammern einreichte – letztere im Namen von Beat Rieder (cvp, VS) –, die Schaffung einer Rechtsdelegation an, damit eine legislative Überprüfung der rechtlichen Aspekte von bundesrätlichen Notverordnungen stattfinden könne.

Parlament in der Krise
Dossier: Parlament in Krisensituationen