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  • Dandrès, Christian (sp/ps, GE) NR/CN
  • Barazzone, Guillaume (cvp/pdc GE), NR/CN

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In der Wintersession 2023 widmete sich der Nationalrat als Zweitrat einer Motion Engler (mitte, GR), welche sich für mehr Rechtssicherheit im Mietrecht einsetzte. Spezifisch forderte das Geschäft die Ausarbeitung einer Regelung zur zulässigen Nettorendite für Wohn- und Geschäftsliegenschaften, wenn der hypothekarische Referenzzinssatz über 2 Prozent anwachsen sollte. Die RK-NR hatte die Motion ihrem Rat mit 17 zu 5 Stimmen zur Annahme empfohlen, wobei sich eine Minderheit Dandrès (sp, GE) gegen den Vorstoss aussprach. Diese sah im Geschäft eine weitere Abschwächung des Mieterinnen- und Mieterschutzes, da sich diese einer Mietzinserhöhung unter Berufung auf die Rendite nicht mehr widersetzen könnten. Wirtschaftsminister Parmelin betonte wiederum, dass mit einer verbindlichen Regelung der zulässigen Nettorendite sowohl die Mieterinnen und Mieter als auch die Vermieterinnen und Vermieter von der erhöhten Rechtssicherheit profitieren würden. Schliesslich entschied eine Nationalratsmehrheit, dem Antrag der Kommissionsmehrheit und demjenigen des Bundesrats zu folgen und nahm die Motion mit 130 zu 61 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) an. Lediglich die geschlossen stimmenden Fraktionen der SP und der Grünen positionierten sich gegen den Vorstoss.

Mehr Rechtssicherheit im Mietrecht (Mo. 22.4448)

Der Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD) wählte im November 2023 den Genfer Anwalt und SP-Nationalrat Christian Dandrès zu seinem neuen Präsidenten. Dandrès war der einzige Kandidat und wurde einstimmig gewählt. Er folgte auf Katharina Prelicz-Huber (gp, ZH), die der Gewerkschaft seit 2010 vorgestanden hatte und altershalber zurücktrat.
Gemäss Medienmitteilung möchte Dandrès mit dem VPOD nicht nur Besitzstände verteidigen, sondern für einen gesellschaftlichen und politischen Wandel kämpfen, bei dem Profitinteressen zugunsten der Bedürfnisse der Bevölkerung in den Hintergrund gedrängt werden. Der VPOD müsse dabei den Schulterschluss mit den jeweiligen Nutzenden der öffentlichen Angebote suchen, die ebenfalls ein grosses Interesse etwa an guten Kitas oder Spitälern hätten. Dandrès sah im Service public auch den Schlüssel für eine ökologische Umgestaltung der Wirtschaft. Die anlaufenden Verhandlungen über ein neues Vertragspaket mit der EU wolle er als Chance nutzen, um das bisher «schwachbrüstig[e] Schweizer Arbeitsrech[t]» zu stärken.

Neuer Präsident beim VPOD

Im Sommer 2023 lancierten die Genfer Parteikollegen Carlo Sommaruga (sp, GE; Mo. 23.3949) im Ständerat und Christian Dandrès (sp, GE; Mo. 23.3850) im Nationalrat zwei wortgleiche Motionen zum Stopp der Mietzinsexplosion. So sollten die Mieten mithilfe einer temporären Änderung der VMWG stabilisiert werden. Als Begründung nannten die Motionäre die steigende Inflation und die damit zusammenhängende Anhebung des Referenzzinssatzes, welcher für viele Mieterinnen und Mieter zu einer Mietzinserhöhung führte und insbesondere im Frühjahr 2024 zu allgemeinen Mietzinserhöhungen von bis zu 10 Prozent führen könnten. Kombiniert mit steigenden Lebenserhaltungskosten und höheren Krankenkassenprämien, könne dies schwerwiegende finanzielle Auswirkungen für Mieterinnen und Mieter haben. Der Bundesrat sah jedoch davon ab, aufgrund der erstmaligen Erhöhung des Referenzzinses das System drastisch anzupassen. Obschon ein steigender Referenzzinssatz zur Inflation beitragen könne, trage im Gegenzug ein sinkender Referenzzinssatz zur Tilgung der Teuerung bei. Dementsprechend ergebe die Kopplung des Mietzinses an den Referenzzinssatzes trotzdem Sinn, insbesondere auch, da vom Bundesrat vorgeschlagene Systemwechsel bisher nie politisch mehrheitsfähig gewesen seien. Das Parlament beschäftigte sich im Rahmen der ausserordentlichen Session «Wohnen und mieten» innerhalb der Herbstsession mit dem Anliegen. Im Ständerat wurde der Vorstoss Sommaruga mit 30 zu 9 Stimmen (bei 1 Enthaltung) abgelehnt. Auch der Nationalrat stellte sich mit 111 zu 75 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) gegen die Motion Dandrès. Unterstützt wurde die Motion im Nationalrat von der geschlossen stimmenden SP- und Grünen-Fraktion, von den drei EVP-Ratsmitgliedern sowie von einer Minderheit der GLP-Fraktion.

Dringliche Massnahme: Mietzinsexplosion stoppen (Mo. 23.3949)

In der Herbstsession 2023 entschied sich der Nationalrat, der parlamentarischen Initiative Dandrès (sp, GE) zur Bildung einer Risikogemeinschaft aller Versicherten einer Sammel- oder Gemeinschaftsstiftung der beruflichen Vorsorge mit 118 zu 67 Stimmen keine Folge zu geben. Zuvor hatte der Initiant noch einmal erfolglos darauf hingewiesen, dass die Praxis von Sammelstiftungen, die Risikoprämien für jedes Versichertenkollektiv separat zu berechnen, den Druck, ältere Arbeitnehmende zu entlassen, verstärke – was durch die Schaffung einer Risikogemeinschaft verhindert werden könne. Einzig die Fraktionen der SP und der Grünen sprachen sich für Folgegeben aus.

Risikogemeinschaft in den Sammelstiftungen der beruflichen Vorsorge (Pa.Iv. 22.444)

Im Juni 2022 verlangte Christian Dandrès (sp, GE) in einer parlamentarischen Initiative, dass zukünftig alle Versicherten einer Sammel- oder Gemeinschaftsstiftung der beruflichen Vorsorge eine Risikogemeinschaft bilden. Entsprechend müssten alle Arbeitgebenden in einer Sammelstiftung dieselben Risikoprämien bezahlen. Um Umgehungsmassnahmen zu verhindern, sollen zudem alle Rabatte gleichermassen allen Versichertenkollektiven zugutekommen müssen und Überschussanteile ausschliesslich in Anbetracht des Deckungskapitals verteilt werden dürfen. Damit sollen die Auswirkungen der unterschiedlichen Altersstrukturen der einzelnen in den entsprechenden Stiftungen versicherten Unternehmen gemildert und konkret die Problematik der höheren Pensionskassenkosten durch ältere Arbeitnehmende verringert werden. Mit 17 zu 8 Stimmen empfahl die SGK-NR im Mai 2023, der parlamentarischen Initiative keine Folge zu geben, da die Risikoprämie die Kosten der Arbeitgebenden und damit die Arbeitsmarktattraktivität der älteren Arbeitnehmenden kaum beeinflusse. Hingegen bestünde die Gefahr, dass Sammelstiftungen Unternehmen mit überdurchschnittlichen Risiken ausschliessen würden.

Risikogemeinschaft in den Sammelstiftungen der beruflichen Vorsorge (Pa.Iv. 22.444)

Im September 2022 reichte Christian Dandrès (sp, GE) eine parlamentarische Initiative ein, mit der er verschiedene rechtlichen Massnahmen für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Bereich der Online-Plattformen anstrebte. Konkret verlangte er, dass zukünftig generell vermutet wird, dass Personen, die über Internet-Plattformen arbeiten, bei diesen über einen Arbeitsvertrag verfügen. Zudem sollen gegenüber den Arbeitnehmenden Transparenz über die ihre Arbeit betreffenden Algorithmen hergestellt werden. Zudem sollen die Nutzenden solcher Online-Plattformen die Zugangsrechte übertragen können. Zwar habe das Bundesgericht «den Beschäftigungsstatus von Personen, die für Onlineplattformen arbeiten, geklärt», dennoch seien gerade im Kampf gegen Lohndumping zusätzliche Massnahmen nötig.
Der Nationalrat beschäftigte sich in der Frühjahrssession 2023 mit der Initiative. Kommissionssprecher Alexandre Berthoud (fdp, VD) betonte, dass die parlamentarische Initiative de facto eine Anpassung des Arbeitsrechtes und des Sozialversicherungsrechtes verlange. Diese würden zwar zwischen selbständiger und unselbständiger Tätigkeit unterscheiden, es seien jedoch keine Unterscheidungskriterien definiert, weshalb die tatsächliche Einordnung bisher Vollzugsorganen und Gerichten überlassen sei. Die Kommissionsmehrheit erachtete jedoch das Bundesgerichtsurteil als ausreichend klar und empfehle daher, der Initiative keine Folge zu geben. Der Nationalrat folgte dieser Einschätzung und entschied mit 120 zu 68 Stimmen (bei 1 Enthaltung), der parlamentarischen Initiative keine Folge zu geben. Das Geschäft war damit erledigt.

Internetplattformen: Arbeitsbedingungen stabilisieren und Missbrauch bekämpfen (Parl. Iv. 22.463)

Eine parlamentarische Initiative Dandrès (sp, GE) sah eine Regulierung des Berufs der Immobilienmaklerin und des Immobilienmaklers mithilfe eines bundesweiten Rahmengesetzes vor. Der Initiant begründete sein Anliegen damit, dass Immobilienvermittlerinnen und Immobilienvermittler meist auf Provisionsbasis arbeiten würden und so davon profitierten, wenn Wohnungssuchende Wohnraum zu einem höheren Preis mieten oder kaufen. Es bestünden also Anreize für Maklerinnen und Makler, ihren Eigennutzen zu maximieren, anstatt die Bedürfnisse der Auftraggebenden bestmöglich und kosteneffizient zu erfüllen. Um dies zu verhindern, solle die entgeltliche Vermittlung von Wohnobjekten künftig bundesweit gesetzlich geregelt werden, wobei die Kantone auch zusätzliche Massnahmen ergreifen könnten. Mit 14 zu 9 Stimmen beantragte die Mehrheit der RK-NR ihrem Rat, der Initiative keine Folge zu geben. Der Beruf der Immobilienmaklerin und des Immobilienmaklers werde bereits zur Genüge im OR geregelt. Zusätzlich werde die Gesetzmässigkeit der Maklerinnen- und Maklertätigkeiten bereits durch Notarinnen und Notare überprüft, weshalb laut der Kommissionsmehrheit kein Handlungsbedarf bestehe. Eine Kommissionsminderheit Hurni (sp, NE) argumentierte dagegen, dass dem Beruf der Immobilienmaklerin und des Immobilienmaklers ein Interessenskonflikt zugrundeliegende, wobei dieser mithilfe der vorgeschlagenen Mindestvorschriften reduziert werden sollte.
In der Frühjahrssession 2023 beugte sich der Nationalrat über den Vorstoss und entschied mit 121 zu 68 Stimmen, dem Antrag seiner Kommissionsmehrheit zu folgen und der parlamentarischen Initiative Dandrès keine Folge zu geben. Eine links-grüne Minderheit – bestehend aus den geschlossen stimmenden Fraktionen der SP und der Grünen sowie zwei Mitgliedern der Mitte-Fraktion – konnte sich in der grossen Kammer nicht behaupten.

Regulierung des Berufs der Immobilienmaklerin und des Immobilienmaklers (Pa.Iv. 22.446)

Christian Dandrès (sp, GE) ersuchte das Parlament mittels einer parlamentarischen Initiative, Änderungen an den gesetzlichen Bestimmungen betreffend befristete Mietverträge vorzunehmen. Laut Dandrès würden befristete Mietverträge von «skrupellosen Vermieterinnen und Vermietern» benützt, um zu hohe Anfangsmieten zu setzen, die dann von den Mietenden weniger oft rechtlich angefochten würden – aus Angst, dass sie keine Verlängerung des Vertrags erhalten könnten. Konkret schlug Dandrès deshalb vor, dass in Regionen mit Wohnungsmangel befristete Mietverträge neu mittels amtlichen Formulars mitgeteilt werden müssten. Damit würden Mieterinnen und Mieter über ihre Rechte und Pflichten informiert und die Vermieterinnen und Vermieter zur Rechtstreue verpflichtet, da sie begründen müssten, weshalb sie nur einen befristeten Mietvertrag abschliessen wollen oder können. Bei Verstössen gegen diese Formularpflicht, sah die parlamentarische Initiative vor, dass der Mietvertrag automatisch in einen unbefristeten Vertrag umgewandelt und die Frist zur Anfechtung des Anfangsmietzinses verlängert werden soll.

Der Nationalrat beugte sich in der Frühjahressession 2023 über die parlamentarische Initiative. Für die RK-NR, welche die Vorprüfung der Initiative vorgenommen hatte, äusserten sich Patricia von Falkenstein (ldp, BS) und Sidney Kamerzin (mitte, VS). Sie führten aus, weshalb die Mehrheit der Kommission die parlamentarische Initiative zur Ablehnung empfohlen hatte. Eine Befristung sei ein wichtiges Element eines Vertrages und die geforderte automatische Umwandlung eines befristeten in einen unbefristeten Vertrag wäre ein Novum im Schweizer Recht. Ausserdem würden missbräuchliche Anwendungen von befristeten Mietverträgen bereits heute von Gerichten nicht gestützt. Betroffene Mieterinnen und Mieter hätten also bereits heute die Möglichkeit, sich rechtlich zu wehren. Schliesslich führe die neue Regelung auch zu neuer Bürokratie. Der Nationalrat folgte dem Plädoyer der beiden Kommissionssprechenden und beschloss mit 124 zu 69 Stimmen (bei 2 Enthaltungen), der parlamentarischen Initiative keine Folge zu geben. Unterstützung erfuhr die Initiative lediglich aus den Fraktionen der SP und der Grünen.

Befristeter Mietvertrag. Es braucht einen Mechanismus, um in Zeiten von Wohnungsmangel Missbrauch zu bekämpfen (Pa.Iv. 22.418)

In der Frühjahressession 2023 nahm sich der Nationalrat den von seiner RK ausgearbeiteten Entwurf betreffende eine Beschleunigung des Verfahrens bei der Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarf vor. Bereits das Eintreten auf die Vorlage wurde kontrovers diskutiert. Eine Minderheit der RK, bestehend aus Politikerinnen und Politikern von SP und Grünen, beantragte dem Rat, nicht auf die Vorlage einzutreten. Christian Dandrès (sp, GE) und Baptiste Hurni (sp, NE) beklagten beide in ihren Voten, dass der vorliegende Entwurf Teil einer Salamitaktik sei, bei der es darum ginge, das Mietrecht schrittweise auszuhöhlen. Florence Brenzikofer (gp, BL) befürchtete, dass durch die Vorlage das Machtgefälle zwischen Vermietenden und Mietenden weiter vergrössert werde. Ausserdem sei die Vorlage unnötig, da Vermieterinnen und Vermieter bereits heute das Recht hätten, bei dringendem Eigenbedarf ihrer vermietenden Partei zu kündigen. Der Schutz der Mietenden solle nicht weiter geschwächt werden, da schon jetzt Eigenbedarf sehr oft nur vorgeschoben werde, um den Mieter oder die Mieterin loszuwerden und die Wohnung zu einem höheren Preis weiterzuvermieten. Mitglieder der Fraktionen von SVP, FDP und Mitte hielten dagegen. Vincent Maître (mitte, GE) war der Ansicht, dass es bei dieser Vorlage nur darum gehe, dass Wohnungseigentümerinnen und -eigentümer wieder das Recht erhalten sollen, die von ihnen gekaufte Immobilie bewohnen zu können. Mit der bestehenden Regelung, dass für die Kündigung bei Eigenbedarf ein «dringender Eigenbedarf» geltend gemacht werden muss, sei dies oft unmöglich, da es schwierig sei, die Dringlichkeit zu beweisen und dies ein langes juristisches Verfahren nach sich ziehen könnte. Ähnlich äusserte sich Christa Markwalder (fdp, BE), die darüber hinaus ausführte, dass stattdessen neu eine Kündigung bereits bei einem «bei objektiver Beurteilung bedeutenden und aktuellen Eigenbedarf» möglich sein soll. Dies sei eine ausgewogene und moderate Lösung, mit der der Schutz der Interessen der Mieterinnen und Mieter weiterhin gewährleistet sei. Pirmin Schwander (svp, SZ) plädierte im Namen der SVP-Fraktion ebenfalls für Eintreten. Er sehe in dieser Frage eher ein Machtgefälle zugunsten der Mietenden und deshalb müsse der Eigenbedarf schneller und einfacher geltend gemacht werden können. Gespalten zeigte sich die GLP-Fraktion. Beat Flach (glp, AG) war zwar prinzipiell mit dem Anliegen des Vorstosses einverstanden. Er liess jedoch durchblicken, dass innerhalb der GLP-Fraktion auch einige der Meinung seien, dass generell die Balance zwischen den beiden Lagern im Moment zulasten der Mietenden gestört sei. Da es sich zudem nur um wenige Fälle handle, in denen es zu langen Verfahren gekommen sei, sei es fraglich, ob man nun in diese Richtung legiferieren solle. Als letztes äusserte sich noch Bundesrat Guy Parmelin. Dieser beantragte dem Nationalrat im Namen des Bundesrates, nicht auf die Vorlage einzutreten. Parmelin vertrat die Meinung, dass die aktuelle Regelung ausreichend sei, um die Interessen beider Parteien zu schützen. Ausserdem komme es in der Praxis nicht zu so vielen störenden Fällen, als dass sich eine legislative Intervention rechtfertigen liesse. Entgegen diesem Antrag stimmte schliesslich eine Mehrheit des Nationalrates für Eintreten auf die Vorlage (mit 108 zu 80 Stimmen, bei 1 Enthaltung). Zu den geschlossen stimmenden Fraktionen von SP und Grünen gesellten sich auch acht Mitglieder der GLP und drei Mitglieder der Mitte-Fraktion. In der Detailberatung galt es anschliessend noch, über verschiedene Anträge der Minderheit auf Verschärfung der Regelung zur Kündigung bei Eigenbedarf zu entscheiden. Diese wurden jedoch allesamt abgelehnt. Schliesslich nahm der Nationalrat das Geschäft in der Gesamtabstimmung mit 114 zu 79 Stimmen (bei 1 Enthaltung) an.

Verfahrensbeschleunigung bei Kündigung des Mietverhältnisses wegen dringendem Eigenbedarf (Pa.Iv. 18.475)

In der Frühjahrssession 2023 gab der Nationalrat mit 121 zu 67 Stimmen der parlamentarischen Initiative Dandrès (sp, GE) zur zeitlich beschränkten Aufbewahrung von Waren in Zollfreilagern keine Folge. Die geschlossen stimmenden Fraktionen der SP und der Grünen unterlagen folglich mit ihrem Ansinnen, die Lagerdauer in Zollfreilagern zu beschränken, um Offshore-Geschäfte einzudämmen. Die Mehrheit des Rates war der Ansicht, dass die bestehenden Regelungen und Prozesse ausreichten, um Missbrauch zu verhindern. Die Initiative war damit erledigt.

Zollfreilager dürfen nicht länger als Drehscheibe für Offshore-Geschäfte und treibende Kraft für Spekulationen dienen (Pa. Iv. 21.526)

Mit einer Ende 2021 eingereichten parlamentarischen Initiative wollte Nationalrat Baptiste Hurni (sp, NE) die Strafbarkeit krimineller Unternehmen erweitern. Gemäss geltendem Recht werden Unternehmen unabhängig von der natürlichen Person als Täterin oder Täter bestraft, wenn sie nicht alle erforderlichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehrungen getroffen haben, um eine solche Straftat zu verhindern. Der betreffende Art. 102 Abs. 2 StGB begrenzt diese Strafbarkeit allerdings auf eine konkrete Auflistung von Straftaten. Gemäss dem Initianten sei es nicht einleuchtend, warum andere Delikte als die aufgelisteten für die Unternehmen nicht strafbar sein sollten, weshalb er neu alle Verbrechen und Vergehen einschliessen wollte. «En bref, si l'organisation déficiente d'une entreprise a contribué à commetre un délit, alors cette entreprise doit être punie et non uniquement la personne en bout de chaîne», formulierte er seine Forderung im Ratsplenum.
Die RK-NR stand dem Anliegen mehrheitlich kritisch gegenüber. Berichterstatter Philipp Matthias Bregy (mitte, VS) erklärte seinen Ratskolleginnen und -kollegen den Unterschied zwischen subsidiärer Haftung – das Unternehmen ist haftbar, wenn der Täter oder die Täterin nicht festgestellt werden kann – und primärer Haftung – das Unternehmen und nicht die Einzelperson ist in jedem Fall haftbar. Letztere sei im geltenden Recht bewusst auf die Bereiche der Unterstützung krimineller und terroristischer Organisationen, Terrorfinanzierung, Geldwäscherei und Bestechung beschränkt. Würde diese Einschränkung aufgehoben, wären Unternehmen im Sinne einer Kausalhaftung in jedem Fall für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haftbar, also beispielsweise auch, wenn ein Chauffeur zu schnell fahre und einen Unfall baue, so Bregy. Das gehe zu weit, denn das Grundkonzept des schweizerischen Strafrechts sei es, dass nicht Unternehmen verurteilt werden, sondern die Menschen, die eine Straftat begehen.
Eine Minderheit Dandrès (sp, GE) unterstützte die Initiative, blieb damit aber erfolglos. Die grosse Kammer gab der Initiative in der Frühjahrssession 2023 mit 123 zu 71 Stimmen keine Folge. Das Geschäft war damit erledigt.

Für eine Strafbarkeit krimineller Unternehmen (Pa.Iv. 21.509)

Im Januar 2023 befasste sich die WBK-NR mit einer parlamentarischen Initiative Dandrès (sp, GE) zur Änderung des Zollgesetzes, wonach die Aufbewahrung von Waren in Zollfreilagern nur noch während eines beschränkten Zeitraumes möglich sein soll. Der Genfer Nationalrat wollte mit dieser Massnahme unterbinden, dass Zollfreilager als Drehscheibe krimineller Organisationen und Machenschaften verwendet werden. Insbesondere die Intransparenz der Lager – der Staat habe keine Kenntnis von den dort eingelagerten Waren und die Lager seien analog zu Offshore-Zentren «äusserst intransparente Safes» – begünstige Geldwäscherei. Zudem führe die Ausnahme vom normalen Steuerregime zu mehr unerwünschten Spekulationen.
Die Mehrheit der Kommission war mit 15 zu 9 Stimmen der Ansicht, dass der Initiative keine Folge zu geben sei, da kein Handlungsbedarf bestehe, die Lagerdauer zu beschränken. Die Intransparenzproblematik sei bereits mit einer Inventarisierungspflicht für sensible Waren entschärft worden und weitere Anpassungen zur Kontrolle von Zollfreilagern würden im Zuge der Totalrevision des Zollgesetzes (BRG 22.058) folgen. Eine Minderheit Amoos (sp, VS), bestehend aus der SP und den Grünen, wollte hingegen der Initiative Folge geben. Sie sah die Initiative als geeignetes Mittel an, um Missbrauch, Steueroptimierungen und Geldwäscherei zu verhindern sowie um das Image der Schweiz zu bewahren.

Zollfreilager dürfen nicht länger als Drehscheibe für Offshore-Geschäfte und treibende Kraft für Spekulationen dienen (Pa. Iv. 21.526)

Auf Antrag der RK-NR beschloss der Nationalrat in der Wintersession 2022, die Behandlungsfrist für eine parlamentarische Initiative von Hans Egloff (svp, ZH) um zwei Jahre zu verlängern. Egloff wollte mit seiner Initiative erreichen, dass Anfangsmietzinse nur noch bei Notlage des Mieters oder der Mieterin angefochten werden können. Der Nationalrat hatte vor zwei Jahren bereits einmal die Frist für die Behandlung verlängert. Dass sie in der Zwischenzeit keinen Entwurf ausgearbeitet hatte, begründet die Kommission damit, dass sie erst noch das Ergebnis der vom Bund lancierten Diskussionen mit den Sozialpartnern zum Mietrecht habe abwarten wollen. Nachdem diese im Sommer 2022 gescheitert waren, beschloss die Kommission, die Umsetzung der Initiative – zusammen mit einer weiteren Initiative Egloff – an die Hand zu nehmen. Sie habe der Verwaltung bereits den Auftrag erteilt, verschiedene Umsetzungsvarianten auszuarbeiten. Eine Minderheit rund um Christian Dandrès (sp, GE) sprach sich derweil für eine Abschreibung der Initiative aus. Sie führe zu weniger Anfechtungen von Anfangsmietzinsen und damit zu steigenden Mieten. Die Kommissionsmehrheit vermochte sich jedoch auch im Rat durchzusetzen. Die grosse Kammer stimmte mit 128 zu 64 Stimmen, bei einer Enthaltung, für die Fristverlängerung.

Anfechtung des Anfangsmietzinses nur bei Notlage des Mieters (Pa.Iv. 16.451)
Dossier: Mietzinse: Bestimmung der Missbräuchlichkeit und Anfechtung

Christian Dandrès (sp, GE) ersuchte den Nationalrat mittels einer parlamentarischen Initiative, das geltende Recht betreffend die Berechnung der Anfechtungsfrist bei Kündigungen von Mietverträgen zu ändern. Wie Dandrès in der Begründung zu seiner Initiative erklärte, hätten Mieterinnen und Mieter derzeit 30 Tage nach Empfang der Kündigung Zeit, die Kündigung anzufechten. Im Falle einer Zustellung der Kündigung per eingeschriebenem Brief startet diese Frist dabei jedoch nicht am Tag der effektiven Zustellung der Kündigung, sondern am Folgetag des Tages, an dem die Mieterin oder der Mieter den eingeschriebenen Brief das erste Mal hätten abholen können. Eingeschriebene Briefe werden laut Dandrès heutzutage zumeist nicht direkt zugestellt. Stattdessen werde im Briefkasten eine Abholungseinladung deponiert. Deswegen führe die aktuelle Regelung dazu, dass Mieterinnen und Mieter um ihr Recht gebracht werden können, eine Kündigung anzufechten, so Dandrès.
Die RK-NR führte im August 2022 eine Vorprüfung der Initiative durch – zusammen mit einer weiteren parlamentarischen Initative Dandrès (Pa.Iv. 21.490). Eine Mehrheit der Kommission stellte dabei den Antrag, die beiden Initiativen abzulehnen. Bei der Initiative betreffend die Berechnung der Anfechtungsfrist bei Kündigungen begründete die Mehrheit der Kommission dies damit, dass die heutige Regelung gerechtfertigt sei, weil sie eine Verteilung des Risikos zwischen der Mieterschaft und der Vermieterschaft ermögliche.
Der Nationalrat folgte in seiner Wintersession 2022 dem Antrag seiner RK und lehnte die Initiative mit 121 zu 69 Stimmen ab. Neben den geschlossen stimmenden Fraktionen der Grünen und der SP stimmte einzig noch ein Mitglied der Grünliberalen für die parlamentarische Initiative Dandrès.

Berechnung der Anfechtungsfrist bei Kündigungen von Mietverträgen (Pa.Iv. 21.491)

Mittels einer parlamentarischen Initiative wollte Christian Dandrès (sp, GE) erreichen, dass der Fristenstillstand während Gerichtsferien auf die Anfechtung einer Kündigung oder bei einem Begehren auf Erstreckung eines Mietverhältnisses ausgeweitet werden. Derzeit gilt für viele zivilrechtliche Fristen ein Fristenstillstand während den Gerichtsferien zwischen dem 15. Juli und dem 15. August. Für Anfechtungen von Kündigungen oder Anträge auf Erstreckung von Mietverhältnissen war bisher aber kein solcher Fristenstillstand vorgesehen. Dandrès begründete seine Initiative damit, dass die Ausnahme für die erwähnten Verfahren nicht zu rechtfertigen sei, da es sich um Verfahren zum Schutz von Mieterinnen und Mietern handle, welche verglichen mit den Vermieterinnen und Vermietern die schwächere Partei seien.
Die RK-NR führte im August 2022 eine Vorprüfung der Initiative durch – zusammen mit einer weiteren parlamentarischen Initiative Dandrès (Pa.Iv. 21.491). Die Mehrheit der Kommission beschloss den Antrag auf Ablehnung der beiden Initiativen zu stellen. Eine Ausweitung des Fristenstillstands auf die erwähnten Verfahren hätte laut der Kommissionsmehrheit zur Folge, dass sich Verfahren länger hinziehen, Schlichtungsbehörden weiter überlastet sowie Rechtsunsicherheiten geschaffen würden.
In der Wintersession 2022 folgte der Nationalrat seiner RK und stimmte mit 121 zu 69 Stimmen gegen Folgegeben der Initiative. Wie bei der parlamentarischen Initiative 21.491 kamen auch hier die befürwortenden Stimmen von den Fraktionen der Grünen und der SP sowie einem Mitglied der Grünliberalen.

Fristenstillstand bei Anfechtung einer Kündigung und bei einem Begehren auf Erstreckung eines Mietverhältnisses (Pa.Iv. 21.490)

In der Wintersession 2022 gelangte die parlamentarische Initiative Molina (sp, ZH) betreffend die Verbesserung des Abwehrdispositivs gegen Potentatengelder ins Plenum des Nationalrats. Die Mehrheit der vorberatenden RK-NR beantragte, der Initiative keine Folge zu geben. Gemäss Kommissionssprecher Yves Nidegger (svp, GE) befürchtete sie einen Widerspruch der Forderung zur grundrechtlichen Eigentumsgarantie. Der Vorstoss schaffe zudem eine generelle Korruptionsvermutung gegenüber Personen, die aus einem Land stammten, welches unter Korruption leide oder dessen Rechtsstaat in den Augen der Schweiz ungenügend ausgebaut sei. Eine Minderheit Dandrès (sp, GE) beantragte, der Initiative Folge zu geben. Aufgrund ihrer Stellung im internationalen Finanzplatz sehe sich die Schweiz dem grossen Risiko ausgesetzt, zum sicheren Hafen für Gelder von Potentaten oder diktatorischen Regimen zu werden. Die präventive Blockierung von Gütern oder Vermögenswerten aus illegalem Handel oder Korruption reduziere dieses geopolitische Risiko, so Dandrès. Ausserhalb der sozialdemokratischen, der grünen und der grünliberalen Fraktionen überzeugten diese Argumente allerdings nicht; der Nationalrat gab der parlamentarischen Initiative mit 108 zu 81 Stimmen bei einer Enthaltung keine Folge.

Améliorer le dispositif de lutte contre les avoirs de potentats (In. Pa. 21.523)

Christian Dandrès (sp, GE) forderte im Juni 2020 mittels einer parlamentarischen Initiative, dass Ehegattinnen oder Ehegatten künftig zum Mietvertrag einer Mieterin oder eines Mieters beitreten dürfen sollen, ohne dass dies die Vermieterschaft ablehnen kann. Der Beitritt müsse dabei innerhalb von sechs Monaten nach Abschluss des Mietvertrages erfolgen. Paare, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags noch unverheiratet sind, könnten bis spätestens sechs Monate nach der Heirat beitreten. Die gleichen Rechte sollten zudem auch für Paare in eingetragener Partnerschaft gelten. Dandrès begründete sein Anliegen damit, dass dies den Wohnschutz für Familien in Mietverhältnissen fördern würde. Konkret betreffe dies Fälle, in denen die Ehepartnerin oder der Ehepartner das Erbe ausschlage, etwa weil sie denken, die Erbschaft sei überschuldet. Da Erben alle Rechte und Pflichten des oder der Verstorbenen übernehmen, würden sie damit auch den Mietvertrag ausschlagen, wenn sie nicht schon vor dem Tod Teil des Mietvertrags waren, so Dandrès. Dann fänden sie sich mit der aktuellen Rechtslage nach dem Tod ihres Ehegatten oder ihrer Ehegattin «rechtslos» in ihrer bisherigen Wohnung wieder und liefen Gefahr, dass die Vermieterschaft von ihnen verlangt, die Wohnung zu räumen.

Als Kommission des Erstrates startete die RK-NR die Beratung der Initiative und gab ihr im März 2022 mit 14 zu 10 Stimmen Folge. Die geforderten Gesetzesanpassungen würden in weiten Teilen der Westschweiz bereits angewendet und hätten sich dort bewährt. Einen Monat später kam jedoch die RK-SR zu einem gegenteiligen Schluss: Eine Mehrheit der Kommission – von 7 zu 5 Stimmen – erachtete die geltenden mietrechtlichen Bestimmungen zum Schutz von Ehegattinnen oder Ehegatten als ausreichend und sah deshalb keinen Handlungsbedarf. Im August gleichen Jahres lenkte die RK-NR schliesslich auf die Position ihrer Schwesterkommission ein und plädierte mit 15 zu 9 Stimmen dafür, der Initiative keine Folge zu geben. Bei der Diskussion in der ständerätlichen Kommission seien verschiedene juristische Probleme mit der Umsetzung der Initiative aufgekommen – namentlich im Zusammenhang mit dem Erbrecht –, welche die RK-NR in ihrer ersten Vorprüfung noch nicht genügend in Betracht gezogen hätte, erklärte diese.

In der Herbstsession 2022 debattierte der Nationalrat über die parlamentarische Initiative. Initiant Dandrès kritisierte dabei den Meinungsumschwung der RK-NR. Er habe den Verdacht, dass dieser vor allem dadurch motiviert sei, dass mit dem Status quo mehr Wohnungen frei würden und zu neuen Marktbedingungen und somit einem höheren Mietzins weitervermietet werden könnten. Häufig seien nämlich alte Mietverträge betroffen, «die nicht so hoch und missbräuchlich sind wie die, die heute aufgrund der Wohnungsnot üblich sind», so Dandrès. Kommissionssprecher Beat Flach (glp, AG) vertrat die Position, dass die aktuellen Regelungen ausreichend seien. So sei das Kündigungsrecht der Vermieterschaft laut OR kein erbrechtliches Recht, das durch eine Ablehnung des Erbes tangiert wäre, weil der Mietvertrag ohnehin weiterbestehe, wenn ihn die überlebenden Ehepartner oder eingetragenen Partner weiterführen wollen. Die grosse Kammer lehnte die Initiative in der Folge mit 118 zu 61 Stimmen (bei 1 Enthaltung) ab.

Beitritt der Ehegattin oder des Ehegatten zum Mietvertrag einer Mieterin oder eines Mieters (Pa.Iv 20.449)

In der Sommersession 2022 lehnte der Nationalrat auf Anraten des Bundesrates eine Motion Reynard (sp, VS) ab, die verlangt hätte, dass sich jede Frau auch über die 12. Schwangerschaftswoche hinaus für einen straflosen Schwangerschaftsabbruch entscheiden kann, ohne dass sie sich in Gefahr einer schwerwiegenden körperlichen Schädigung oder in einer seelischen Notlage befinden muss. Die nach Ausscheiden Reynards aus dem Rat von Christian Dandrès (sp, GE) übernommene Motion fand Zustimmung in den geschlossenen Reihen der SP, der Grünen und der GLP, wurde von den drei verbleibenden bürgerlichen Fraktionen jedoch nicht minder deutlich abgelehnt.

Recht auf Schwangerschaftsabbruch. Eine bevormundende Gesetzgebung ändern (Mo. 20.4140)

Nach dem Ständerat nahm auch der Nationalrat in der Sommersession 2022 die Motion von Ständerat Thomas Minder (parteilos, SH) an, mit der Namensänderungen für Personen mit Landesverweis verunmöglicht werden sollen. Mit 107 zu 59 Stimmen folgte er der Empfehlung des Bundesrates und einer Mehrheit der RK-NR. Ähnlich wie der Motionär wies die Rechtskommission darauf hin, dass mit einem Verbot der Namensänderung für des Landes verwiesene Personen verhindert werden könne, dass diese mit neu angenommener Identität eine Gefährdung darstellten. Zudem sei laut Kommissionssprecher Philipp Matthias Bregy (mitte, VS) auch klar, dass bei einem rechtskräftigen Landesverweis der Schutz der Bevölkerung über den individuellen Interessen eines Verurteilten stehe. Minderheitssprecher Christian Dandrès (sp, GE) warf Minder hingegen Effekthascherei aufgrund der medialen Berichterstattung rund um den Dschihadisten Osama M. vor und betonte, dass die Namensänderung von ausgewiesenen Personen in speziellen Fällen, beispielsweise zur Resozialisierung oder Integration nach abgelaufenem Landesverweis, gerechtfertigt sein könne. Bundesrätin Karin Keller-Sutter verneinte jedoch im Namen des Bundesrates, dass es bei Personen, die das Land verlassen müssen, um Integration gehen könne, und unterstützte das Anliegen der Motion.

Keine Namensänderung für Personen mit Landesverweis (Mo. 21.4183)

Mit 117 zu 66 Stimmen nahm der Nationalrat in der Sommersession 2022 ein Postulat von Christian Dandrès (sp, GE) an, das einen Bericht darüber verlangte, wie bundesrätliche Fehlinformationen während Abstimmungskampagnen angefochten und korrigiert werden könnten. Es gehe ihm um die Gewährleistung der freien Meinungsbildung der Bürgerinnen und Bürger, wie Dandrès seinen Vorstoss begründete. Er warf dem Bundesrat etwa vor, bei der Abstimmung über das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) im Abstimmungsbüchlein Fehlinformationen verbreitet zu haben. Zudem habe er dort auch unterschlagen, dass das PMT mit den Menschenrechten unvereinbar sei. Behördeninformationen seien zentral für die Meinungsbildung. Wenn sie aber falsch und nicht transparent seien, sei dies auch deshalb ein Problem, weil bundesrätliche Information nicht von einem Gericht überprüft werden könnten. Mit dem Postulat solle nun insbesondere untersucht werden, wie solche Fehlinformationen angefochten werden könnten. Bundeskanzler Walter Thurnherr vertrat in der Debatte die Empfehlung des Bundesrats, das Postulat abzulehnen. Die Bundeskanzlei habe bereits seit einigen Jahren verschiedene Massnahmen ergriffen, um die Qualität der Informationen in den Abstimmungserläuterungen zu sichern – eine enge Zusammenarbeit mit den Departementen, Checklisten zur Qualitätssicherung durch das federführende Departement und Ämterkonsultationen. Fehler, die passieren könnten, würden zudem in standardisierten Prozessen aufgearbeitet, um das Verfahren weiter zu verbessern. Die geschlossen stimmenden Fraktionen von SP, GP und SVP erachteten diese Massnahmen wohl als zu wenig griffig und verhalfen dem Anliegen zum Erfolg.

Gewährleistung der freien Meinungsbildung der Bürgerinnen und Bürger (Po. 21.4168)
Dossier: Abstimmungserläuterungen des Bundesrats

In der Sondersession vom Mai 2022 behandelte der Nationalrat die Änderung der Zivilprozessordnung zur Verbesserung der Praxistauglichkeit und der Rechtsdurchsetzung als Zweitrat. Wie Kommissionssprecher Philipp Matthias Bregy (mitte, VS) berichtete, hatte sich die RK-NR in der Vorberatung mit 139 Anträgen zu beschäftigen. Wie schon in der Ständekammer verlief die Ratsdebatte angesichts des Umfangs der Vorlage wenig kontrovers, da es sich um viele technische Detailfragen handelte. Nach dem unbestrittenen Eintreten folgte auch die grosse Kammer in den allermeisten Punkten ohne grosse Diskussion ihrer Kommissionsmehrheit. Diese habe bei den vorgeschlagenen Anpassungen vor allem darauf geachtet, ein «laienfreundliches Gesetz» zu gestalten, so Berichterstatter Bregy.
Ausführlich diskutiert wurde – wie schon im Erstrat – die Sprachenfrage: Nachdem sich der Ständerat dagegen ausgesprochen hatte, dass die Kantone in Zivilverfahren neben ihren Amtssprachen auch andere Landessprachen und Englisch als Verfahrenssprache zulassen dürfen, wenn beide Parteien damit einverstanden sind, präsentierte die nationalrätliche Kommissionsmehrheit einen Kompromissvorschlag. Gegenüber dem bundesrätlichen Vorschlag sah sie zwei Einschränkungen vor: Erstens soll ein Verzicht auf die Amtssprache nicht vor Verfahrensbeginn erfolgen können – dies um zu verhindern, dass Unternehmen etwa in ihren AGB der Gegenpartei schweizweit ihre bevorzugte Sprache aufzwingen können – und zweitens soll ein Verfahren in Englisch nur bei handelsrechtlichen Streitigkeiten möglich sein. Zwei links-grüne Minderheiten wollten hingegen dem Ständerat folgen und auf die Möglichkeit zu anderen Sprachen – bzw. wenigstens auf die anderen Landessprachen – verzichten. Sie sorgten sich um den Stand der Minderheitensprachen, wenn auch in der Romandie und im Tessin auf Deutsch prozessiert werden könnte, und um die Qualität der Rechtsprechung, wenn der ganze Justizapparat plötzlich in mehreren Sprachen funktionieren müsste. Ein Verzicht auf die Möglichkeit zu Verfahren in englischer Sprache wäre aus Sicht von Bundesrätin Karin Keller-Sutter «sehr bedauerlich», weil dies eine zentrale Voraussetzung für die Schaffung internationaler Handelsgerichte sei und damit die Bestrebungen danach als gescheitert anzusehen wären. Gegen den Widerstand von Links-Grün folgte der Nationalrat in dieser Frage deutlich seiner Kommissionsmehrheit.
Ebenfalls erfolglos blieben sowohl das links-grüne Lager als auch die SVP-Fraktion mit verschiedenen Minderheitsanträgen für eine weitere Senkung der Prozesskosten. Sie wollten damit den Zugang zum Gericht erleichtern, da mit den aktuellen Kostenhürden «Prozessieren für den Mittelstand praktisch unerschwinglich» sei, wie es Sibel Arslan (basta, BS) formulierte. Da sie eine andere Vorstellung davon hatten, wie dies zu bewerkstelligen sei, unterstützten sich die beiden Lager jedoch nicht gegenseitig. Die obsiegende Mehrheit argumentierte, dass es – über die vom Bundesrat vorgeschlagenen Anpassungen hinaus – die Aufgabe der Kantone sei, die Tarife zu senken.
Für eine grössere Debatte sorgte auch das Mitwirkungsverweigerungsrecht für Unternehmensjuristinnen und -juristen. Damit sollen Schweizer Unternehmen im Ausland davor geschützt werden, mehr offenlegen zu müssen als die Konkurrenz aus Staaten, die einen solchen Berufsgeheimnisschutz für Unternehmensjuristinnen und -juristen kennen. Der Ständerat hatte hier gegenüber dem bundesrätlichen Vorschlag Einschränkungen vorgenommen, «die der Bundesrat nicht zwingend unterstützen möchte», wie Karin Keller-Sutter erklärte. Am liebsten hätte der Bundesrat an seiner eigenen Version festgehalten, die «das Ergebnis einer langen Diskussion und eines Reifeprozesses» sei und der parlamentarischen Initiative Markwalder (fdp, BE; Pa.Iv. 15.409) entspreche, so die Bundesrätin. Eine entsprechende Minderheit Markwalder blieb aber chancenlos. Die Mehrheit der RK-NR präsentierte indes eine Weiterentwicklung der ständerätlichen Lösung, die derjenigen des Bundesrates laut der Justizministerin inhaltlich «sehr nahe» stehe, weshalb die Regierung nach dem Motto «Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach» diesen Antrag unterstützte. Dieser wurde von der grossen Kammer sodann auch angenommen. Dagegen sprachen sich die SP- und die Grüne Fraktion aus, die nur ein weniger weitgehendes Mitwirkungsverweigerungsrecht akzeptiert hätten.
Dem Beschluss des Ständerates, wonach im Zivilverfahren elektronische Instrumente, wie zum Beispiel Videokonferenzen, eingesetzt werden können, stimmte im Grundsatz auch die Volkskammer zu. Sie präzisierte allerdings, dass dazu in jedem Fall die Zustimmung aller Parteien erforderlich ist.
Eine letzte lebhafte Debatte entzündete sich an den Voraussetzungen für provisorische Massnahmen gegen Medien, konkret an der Frage, wann die Veröffentlichung eines Medienberichts mittels superprovisorischer Verfügung vorläufig verhindert werden kann. Der Ständerat hatte beschlossen, dass dies möglich sein soll, wenn der Bericht – zusätzlich zu weiteren Kriterien – für die gesuchstellende Partei einen schweren Nachteil verursacht oder verursachen kann – im Unterschied zum «besonders schweren Nachteil», der nach geltendem Recht verlangt wird. Die Ratslinke sah darin einen Angriff auf die Pressefreiheit, der überdies klammheimlich in einer grossen Gesetzesrevision versteckt werde. Auch wenn über die praktischen Auswirkungen dieser Änderung Unklarheit herrschte, sei sie doch ein «schwieriges Signal», so Min Li Marti (sp, ZH). Ein Einzelantrag Dandrès (sp, GE) zur Auskopplung dieser Frage aus der ZPO-Revision durch Auslagerung in einen separaten Entwurf wurde von der bürgerlichen Ratsmehrheit ebenso abgelehnt wie der Minderheitsantrag, der bei der Fassung des Bundesrates bleiben und die Voraussetzungen inhaltlich unverändert lassen wollte. Mit 99 zu 81 Stimmen bei 7 Enthaltungen stimmte der Nationalrat dem Beschluss seiner Schwesterkammer zu und besiegelte damit die Streichung des Wortes «besonders». Dies sei kein Entscheid gegen die Medienfreiheit, sondern für den Schutz einzelner Menschen, erklärte Judith Bellaïche (glp, ZH). «Das Recht auf Medienfreiheit beinhaltet nicht pauschal das Recht, Existenzen zu zerstören», so die GLP-Vertreterin.
In der Gesamtabstimmung hiess die grosse Kammer den Entwurf mit 183 zu 1 Stimme (Lukas Reimann; svp, SG) bei 2 Enthaltungen (Christian Dandrès, Yvette Estermann; svp, LU) gut. Zudem stimmte sie der Abschreibung der Postulate Po. 13.3688 und Po. 14.3804 sowie der Motionen Mo. 14.4008 und Mo. 17.3868 stillschweigend zu.

Änderung der Zivilprozessordnung – Praxistauglichkeit und Rechtsdurchsetzung (BRG 20.026)
Dossier: Debatte über die Pressefreiheit in der Schweiz
Dossier: Revision der Zivilprozessordnung (2018–)

In einer im September 2020 eingereichten Motion verlangte Nationalrat Christian Dandrès (sp, GE) vom Bundesrat, dass sich die Schweiz für die Beilegung der kollektiven Arbeitsstreitigkeiten bei der UNO einsetzen müsse, indem sie ihre Guten Dienste anbiete. Motionär Dandrès führte aus, dass die Arbeitsbedingungen bei der UNO und deren Sonderorganisationen regelmässig für Konflikte sorgten, auch weil gewisse Grundprinzipien des kollektiven Arbeitsrechts nicht respektiert würden. Auf eine Interpellation Rennwald (sp, JU; Ip. 03.3501) habe der Bundesrat im Jahr 2003 geantwortet, dass die Schweiz sich als Sitzstaat nicht für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen bei der UNO einsetzen könne. Dandrès argumentierte nun jedoch, dass die Schweiz durchaus ihre Guten Dienste zur Beilegung der kollektiven Arbeitsstreitigkeiten anbieten könne. Dadurch würde man zur Einhaltung der internationalen Rechte beitragen, zu denen auch die Standards der ILO gehörten.
Der Bundesrat betonte in seiner Stellungnahme, dass die Schweizer Behörden gemäss Sitzabkommen die Unabhängigkeit und Handlungsfreiheit der hierzulande ansässigen internationalen Organisationen garantieren müssen. Durch das Sitzabkommen seien die Organisationen aber verpflichtet, einen Streitbeilegungsmechanismus einzurichten, der auch Arbeitskonflikte einschliesse. Die Mitarbeitenden der UNO könnten sich an das Gericht der Vereinten Nationen für dienstrechtliche Streitigkeiten, jene der Sonderorganisationen an das Verwaltungsgericht der ILO wenden. Als Gaststaat mische sich die Schweiz nicht in die internen Angelegenheiten der Organisationen ein, auch weil eine Streitbeilegung politisiert und instrumentalisiert werden könne. Sie könne sich aber als Mitgliedstaat in den Gremien der internationalen Organisationen engagieren. Vor diesem Hintergrund beantragte der Bundesrat die Ablehnung der Motion.
In der Frühjahrssession 2022 erklärte Motionär Dandrès, dass sich die internationalen Spannungen der letzten Jahre auch auf die Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst ausgewirkt hätten, insbesondere weil gewisse Staaten – wie die USA unter Präsident Trump – ihre Beiträge gekürzt oder zurückbehalten hätten. Durch das gesunkene Lohnniveau in den internationalen Organisationen hätten einige Staaten ihren Beamtinnen und Beamten bei der UNO zusätzliche Gehälter auszahlen müssen. Das habe Abhängigkeitsverhältnisse geschaffen und schränke aufgrund der abschreckenden Wirkung zudem den Kreis der Personen ein, die sich auf diese Ämter bewerben würden. Der Motionär appellierte erneut an den Bundesrat, die Guten Dienste der Schweiz anzubieten und damit zur Streitbeilegung beizutragen. Aussenminister Cassis pochte aber auf die Verpflichtungen, die der Schweiz aus dem Sitzabkommen erwachsen würden. Als Mitgliedstaat nutze die Schweiz informelle Wege und bilaterale Gespräche, um das Thema zu diskutieren. Die grosse Kammer lehnte die Motion mit 125 zu 65 Stimmen ab, sehr zum Unmut der Fraktionen der SP und der Grünen, die dafür gestimmt hatten.

Die Schweiz muss sich für die Beilegung der kollektiven Arbeitsstreitigkeiten bei der UNO einsetzen

Insbesondere zu Beginn der Covid-19-Pandemie machten sich zahlreiche Parlamentarierinnen und Parlamentarier Gedanken darüber, wie man Unternehmen, Angestellte und Selbständigerwerbende in dieser schwierigen Situation unterstützen könnte. Christian Dandrès (sp, GE) schlug vor, die bisher von KAE ausgeschlossenen Personen neu ins ordentliche Kurzarbeitsentschädigungsregime zu integrieren und ihren Einkommensausfall zu 100 Prozent, maximal jedoch bis zum Schweizer Medianlohn zu entschädigen. Dazu soll neu auch ein beschränkter und befristeter ALV-Beitrag auf ihre AHV-pflichtigen Einkommen erhoben werden. Gleichzeitig soll auch der Verdienstausfall der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bis zum Medianlohn zu 100 Prozent, darüber hinaus weiterhin zu 80 Prozent versichert werden. Überdies sollten Unternehmen, die KAE beantragten, während zwei Jahren keine Dividenden ausschütten dürfen und sich verpflichten, Kündigungen soweit möglich zu vermeiden. Mit dem Dividendenverzicht hatte Dandrès eine Forderung der SGK-NR (Mo. 20.3164) aufgenommen, ähnliche Forderungen wurden überdies später auch im Rahmen des Covid-19-Gesetzes gestellt. Der Bundesrat erachtete eine solche Änderung als Gefahr für das System der ALV, das bereits jetzt mit sehr hohen Kosten zu kämpfen habe. In der Frühjahrssession 2022 zog der Motionär seinen Vorstoss ohne Begründung zurück.

Bisher von KAE ausgeschlossene Personen ins ordentliche Kurzarbeitsentschädigungsregime integrieren (Mo. 20.3257)
Dossier: Covid-19 – Massnahmen zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen

Nach den ersten Beratungen des Entwurfs der RK-SR zum Gemeinnützigkeits- und Stiftungswesen in Umsetzung einer parlamentarischen Initiative Luginbühl (bdp, BE) waren zur Differenzbereinigung in der Herbst- und Wintersession 2021 noch zwei Differenzen offen.

Bei der ersten Differenz wollte der Nationalrat neu das Beschwerderecht im Rahmen von Stiftungen gesetzlich regeln und auf Personen ausweiten, die ein «berechtigtes Kontrollinteresse» an der Arbeit des Stiftungsrates haben. Der Ständerat folgte jedoch stillschweigend seiner Kommission, lehnte diesen Punkt ab und hielt somit an der Differenz fest. Der Artikel sei zu undeutlich formuliert, weshalb man eine Beschwerdeflut und somit eine Schwächung des Stiftungsstandorts Schweiz und der Rechtssicherheit fürchte, erklärte Kommissionssprecher Beat Rieder (mitte, VS). Zudem sei die bereits bestehende Aufsicht über Stiftungen ausreichend und funktioniere gut. Doch auch der Nationalrat hielt in der Wintersession 2021 auf Anraten seiner Kommissionsmehrheit und gegen eine Minderheit Vogt (svp, ZH) an der Differenz fest: Die Formulierung eines «berechtigte[n] Kontrollinteresse[s]» werde eine Beschwerdeflut verhindern, argumentierte Kommissionssprecherin Judith Bellaïche (glp, ZH). Erfolglos blieb auch eine Minderheit Dandrès (sp, GE), die den Beschwerdeweg noch weiter öffnen und die Bedingung eines «berechtigten Interesses» streichen wollte. In der Folge stimmten beide Räte einem Kompromissvorschlag zu: So hatte eine erfolgreiche Minderheit Sommaruga (sp, GE) im Ständerat vorgeschlagen, das Beschwerderecht begrenzter zu erweitern, als es der Nationalrat ursprünglich vorgesehen hatte. Konkret sollten Spenderinnen und Spender sowie ihnen nahestehende Personen, welche der Nationalrat einschliessen wollte, vom Beschwerderecht ausgeschlossen werden. Der Ständerat folgte diesem Vorschlag mit 26 zu 17 Stimmen. Der Bundesrat, welcher sich ursprünglich gegen eine Erweiterung ausgesprochen hatte, erachtete diesen Kompromiss ebenfalls als machbare Lösung, wie Karin Keller-Sutter erläuterte. In der Folge stimmte auch der Nationalrat dieser Lösung stillschweigend zu, womit diese erste Differenz bereinigt war. Damit haben nun Begünstigte und Gläubiger einer Stiftung, sowie Stifter und Zustifter, ihnen nahestehende Personen und Stiftungsratsmitglieder ein Beschwerderecht. Dafür muss jedoch ein berechtigtes Kontrollinteresse daran, dass die Stiftung im Sinne des Stiftungszwecks handelt, nachgewiesen werden können.

Eine zweite Differenz hatte der Nationalrat bei der Frage, ob Stiftungen, die ihre Stifungsorgane entsprechend ihrer Aufgaben entlöhnen, steuerbefreit werden können, geschaffen. Die RK-SR wollte auch hier an der ablehnenden Haltung des Ständerats festhalten, da diese Forderung in der Vernehmlassung von 18 Kantonen strikt abgelehnt worden sei, wie Kommissionssprecher Rieder die Mehrheitsposition ausführte. Die Kommission befürchtete etwa, dass Stiftungsgelder so in Löhne statt in den tatsächlichen Stiftungszweck fliessen würden. Der Ständerat folgte stillschweigend seiner Rechtskommission, woraufhin aber auch der Nationalrat an seiner Version festhielt, um eine professionellere Stiftungsführung zu ermöglichen. Zudem gehe es eben um «angemessene» und nicht um «marktkonforme» Löhne, wie der Ständerat befürchtet hatte. Die Argumentation des Ständerates sei widersprüchlich, da er den zweckmässigen Einsatz der Gelder bei den Löhnen fürchte, aber gleichzeitig eine Beschwerdemöglichkeit für solche Fälle verhindern wolle, kritisierte Kommissionssprecherin Bellaïche den Schwesterrat. Nach einem weiteren Festhalten des Ständerats lenkte der Nationalrat ein und verzichtete auf diese Ergänzung, womit auch die letzte Differenz bereinigt werden konnte.

Das Geschäft war damit für die Schlussabstimmungen bereit, welche noch in der Wintersession 2021 stattfanden. Der Nationalrat nahm den Entwurf mit 141 zu 52 Stimmen an, wobei alle ablehnenden Stimmen von Mitgliedern der geschlossen stimmenden SVP-Fraktion stammten. Der Ständerat nahm die Vorlage hingegen einstimmig mit 43 Stimmen an. Damit kamen die Beratungen zur parlamentarischen Initiative Luginbühl und zu deren Umsetzung nach gut sieben Jahren zu einem Ende.

Stärkung des Schweizer Stiftungsstandorts (Pa. Iv. 14.470)

Der Nationalrat beschäftigte sich in der Wintersession 2021 als Erstrat mit der Übernahme der EU-Verordnung 2020/493 über das System FADO (False and Authentic Documents Online), die eine Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands darstellt. Während der Nutzen des Systems FADO für die Schweiz unbestritten war, taten Vertreterinnen und Vertreter der SP- und der Grünen Fraktion in ihren Voten vor allem ihren Unmut über den Entscheid der EU-Kommission kund, die Verantwortung für das System FADO an Frontex zu übertragen. Die Grenzschutz-Agentur Frontex sei eine «total dysfunktionale Institution» (Christian Dandrès, sp, GE), gegen die «verschiedene Verfahren und Vorwürfe» wegen Grundrechtsverletzungen im Raum stünden, führte Florence Brenzikofer (gp, BL) aus. Eine Minderheit Brenzikofer beantragte denn auch die Sistierung der Vorlage bis zur allfälligen Referendumsabstimmung über den Bundesbeschluss zur finanziellen Beteiligung der Schweiz an Frontex. Über eine intensivere Zusammenarbeit mit Frontex wie die Weiterbeteiligung der Schweiz am System FADO solle erst entschieden werden, nachdem sich die Stimmbevölkerung zu Frontex habe äussern können, argumentierte die Antragstellerin. Ausserhalb des links-grünen Lagers fand der Sistierungsantrag jedoch keine Zustimmung und wurde mit 106 zu 57 Stimmen bei 6 Enthaltungen deutlich abgelehnt. Der Ratsmehrheit erschien es in den Worten von Beat Flach (glp, AG) «völlig verfehlt», die Umsetzung der Schengen-Weiterentwicklung zu verzögern und «die Schengen-Assoziierung nur wegen dieser kleinen Anpassung zu riskieren». Nachdem er auf das Geschäft eingetreten war, nahm der Nationalrat eine einzige Änderung am Entwurf vor. Auf Antrag seiner vorberatenden Rechtskommission strich er einen Absatz, wonach der Bundesrat ermächtigt würde, selbstständig neue Staatsverträge mit Änderungen der Zugriffsrechte auf FADO abzuschliessen. Der Nationalrat sprach sich stillschweigend dafür aus, dass das Parlament in solchen Fällen vorgängig konsultiert werden muss. In der Gesamtabstimmung nahm die grosse Kammer die Vorlage mit 123 zu 62 Stimmen bei 5 Enthaltungen an, wobei die Grüne Fraktion geschlossen, die SP-Fraktion grossmehrheitlich und einzelne Mitglieder der SVP-Fraktion dagegen votierten.

Übernahme und Umsetzung der Verordnung über das System FADO (BRG 21.036)