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  • Dittli, Josef (fdp/plr, UR) SR/CE
  • Bischof, Pirmin (cvp/pdc, SO) SR/CE
  • Carobbio Guscetti, Marina (sp/ps, TI) SR/CE

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Jahresrückblick 2021: Gesundheit, Sozialhilfe, Sport

Auch im Jahr 2021 bestimmte die Covid-19-Pandemie massgeblich den Takt in der Schweizer Gesundheitspolitik. Unabhängig davon gaben hingegen insbesondere Geschäfte im Zusammenhang mit verschiedenen Volksinitiativen zu reden.

Am prominentesten diskutiert wurde in den Medien die Pflegeinitiative, wie beispielsweise Abbildung 1 der APS-Zeitungsanalyse (im Anhang) zeigt – noch nie in den letzten vier Jahren wurde anteilsmässig häufiger über das Thema «Pflege» diskutiert als im Jahr 2021 (vgl. Abbildung 2). Die Pflegeinitiative zielte auf eine Verbesserung des Pflegendenstatus ab und wollte durch eine genügende Anzahl diplomierter Pflegefachpersonen den «Zugang aller zu einer ausreichenden Pflege von hoher Qualität» sicherstellen. Ende November 2021 nahm eine Mehrheit der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger die Vorlage an (61.0%). Mit Ausnahme eines Kantons sagten ferner alle Stände Ja und hörten damit nicht auf ihre Vertreterinnen und Vertreter in Bundesbern, welche die Initiative zur Ablehnung empfohlen hatten. Stattdessen wollten Regierung und Parlament den in der Initiative dargelegten Problemen mittels eines von der SGK-NR ausgearbeiteten indirekten Gegenvorschlags auf Gesetzesebene begegnen. Dieser hätte neben einer Ausbildungsoffensive auch eine Kompetenzerweiterung bezüglich selbständiger Abrechnung von Pflegeleistungen vorgesehen. In den Medien wurde der Abstimmungserfolg des Initiativkomitees unter anderem – aber nicht ausschliesslich – mit der Covid-19-Pandemie erklärt.

2021 ebenfalls auf der Traktandenliste des Parlaments stand die Organspende-Initiative und der dazu vom Bundesrat lancierte indirekte Gegenvorschlag. Einigkeit herrschte darüber, dass der Status quo der Zustimmungslösung nicht zufriedenstellend sei. Das Volksbegehren, welches beabsichtigte, dass neu alle Menschen automatisch zu Organspenderinnen und -spendern werden sollten, falls sie sich nicht explizit dagegen ausgesprochen hatten, ging jedoch sowohl dem Bundesrat als auch den beiden Kammern zu weit. Die Landesregierung forderte daher in ihrem Gegenvorschlag eine erweiterte Zustimmungslösung, bei der die Meinung der Angehörigen ebenfalls berücksichtigt wird. Nachdem der Nationalrat das Volksbegehren zunächst (denkbar knapp) zur Annahme empfohlen hatte, folgte er in der Herbstsession dem Ständerat, der sich einstimmig gegen die Initiative ausgesprochen hatte. Der indirekte Gegenvorschlag hingegen war weitgehend unbestritten und wurde von beiden Räten grossmehrheitlich für eine gute Lösung befunden, worauf das Initiativkomitee die Initiative bedingt zurückzog.

Die dritte Volksinitiative, mit der sich das Parlament 2021 im Gesundheitsbereich beschäftigte, war die Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung», welche ein lückenloses Tabakwerbeverbot zum Inhalt hat. Auch dieses Volksbegehren ging National- und Ständerat zu weit, weshalb sie die Initiative zur Ablehnung empfahlen. Parallel dazu befasste sich das Parlament mit einem neuen Tabakproduktegesetz, das im Herbst 2021 verabschiedet wurde und unter anderem ebenfalls Bestimmungen zu Tabakwerbung beinhaltete. Die beiden Kammern präsentierten die Gesetzesrevision als indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative.

Als Folge der ersten Welle der Covid-19-Pandemie im Vorjahr beklagten viele Spitäler finanzielle Einbussen. Die Kantone Schaffhausen, Aargau, Tessin und Basel-Stadt reagierten 2021 mit vier Standesinitiativen, mittels welcher sie den Bund dazu auffordern wollten, für die Ertragsausfälle, die in Zusammenhang mit dem vom Bundesrat angeordneten Verbot «nicht dringend angezeigte[r] medizinische[r] Eingriffe und Therapien» entstanden waren, aufzukommen. Der Ständerat gab den Geschäften in der Wintersession 2021 mit 21 zu 19 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) keine Folge.

Verglichen mit dem Vorjahr, als die Medien sehr ausführlich über die Sportpolitik berichteten (vgl. Abbildung 2), erhielt dieses Thema im Jahr 2021 nur beschränkt Beachtung. Erneut medial diskutiert wurden unter anderem die finanziellen Schwierigkeiten der Sportvereine, deren Unterstützung auch vom Ausgang der Abstimmung über die zweite Revision des Covid-19-Gesetzes abhing.
Im Parlament wurde insbesondere die Frage diskutiert, wie eine Mitsprache der Bevölkerung bei der Organisation und der finanziellen Unterstützung Olympischer Spiele ermöglicht werden kann. Diesbezüglich zeigte sich der Nationalrat offener als der Ständerat, als er in der Sommersession ein entsprechendes Postulat der WBK-NR annahm und einer parlamentarischen Initiative Semadeni (sp, GR) Folge gab. Letztere schickte der Ständerat in der darauffolgenden Session allerdings bachab. Das Parlament diskutierte des Weiteren über die Finanzhilfen an Sportanlagen von nationaler Bedeutung 2022–2027 (NASAK 5), wobei der Ständerat den bundesrätlichen Entwurf in der Herbstsession guthiess und der Nationalrat ihm in der Wintersession folgte.

Im Bereich Sozialhilfe beugte sich die kleine Kammer in der Frühjahrssession 2021 über eine Motion Carobbio Guscetti (sp, TI), welche darauf abzielte, Sofortmassnahmen gegen das durch die Covid-19-Pandemie verursachte Armutsrisiko zu ergreifen. Das Geschäft fand jedoch bei den Kantonsvertreterinnen und -vertretern keine Mehrheit. Medial thematisiert wurden unter anderem die möglichen Folgen der Pandemie für die Sozialhilfe sowie ein Urteil des EGMR, in welchem der Kanton Genf bezüglich seines Bettelverbotes kritisiert wurde.

Jahresrückblick 2021: Gesundheit, Sozialhilfe, Sport
Dossier: Jahresrückblick 2021

Stillschweigend gab der Ständerat in der Wintersession 2021 einer Standesinitiative des Kantons Jura, welche eine Preisobergrenze für Hygienemasken und hydroalkoholisches Gel in der ausserordentlichen Lage forderte, keine Folge. Damit folgte er seiner SGK. Diese erachtete das Anliegen als überholt, vielmehr gelte es nun zu gewährleisten, dass die Bevölkerung ausreichend mit medizinisch wichtigen Gütern versorgt werde, erklärte der Kommissionssprecher Josef Dittli (fdp, UR) im Rat.

Preisobergrenze für Hygienemasken und hydroalkoholisches Gel in der ausserordentlichen Lage (St.Iv. 20.327)

Gut ein Jahr, nachdem der Nationalrat zahlreiche zentrale Elemente des Pakets 1b des ersten Massnahmenpakets zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen gestrichen hatte, setzte sich der Ständerat in der Wintersession 2021 mit dem Projekt auseinander. Zuvor hatte sich die SGK-SR in zahlreichen zentralen Punkten mit den Änderungen des Nationalrats einverstanden gezeigt. Eintreten war unbestritten.

Ein zentraler Aspekt des Projekts stellte das Referenzpreissystem für patentabgelaufene Arzneimittel dar. Dieses sah vor, dass nur die Medikamentenkosten bis zu einem Referenzpreis durch die OKP erstattet werden. Wer also die teureren Originalprodukte statt der Generika kaufen möchte, müsste die Preisdifferenz selbst bezahlen. Der Nationalrat wollte den Generikaverkauf hingegen durch preisunabhängige Margen im generikafähigen Arzneimittelmarkt sowie durch eine Vergrösserung des Preisabstandes fördern. Auch die Kommissionsmehrheit lehnte das Referenzpreissystem gemäss Kommissionssprecher Ettlin (mitte, OW) ab, da die Generikadurchdringung in der Schweiz noch zu niedrig sei. Stattdessen wolle man dem Vorschlag des Nationalrats folgen, mit dem zuerst die Generikadurchdringung erhöht werden solle. Der Bundesrat wollte am Referenzpreissystem festhalten, schlug jedoch aufgrund des nationalrätlichen Widerstands eine abgeschwächte Form vor: den Referenzabzug light. Dabei soll das Referenzpreissystem erst ab drei wirkstoffgleichen Medikamenten Anwendung finden – in diesen Fällen gebe es keine Versorgungsprobleme –, zudem soll zwischen Generika und Biosimilars unterschieden werden – Letztere werden dem Referenzpreissystem nicht unterstellt. Im Ständerat präsentierte Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) den bundesrätlichen Vorschlag als Minderheitenantrag. Sollten durch die erste Version des Referenzpreissystems jährlich CHF 310 bis 480 Mio. eingespart werden, wären es für die Light-Version CHF 200 bis 400 Mio. und für die nationalrätliche Variante etwa CHF 220 Mio. Mit 24 zu 17 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) sprach sich der Ständerat gegen die Einführung des Referenzpreissystems light aus und nahm stattdessen den vom Nationalrat geschaffenen Alternativvorschlag an. Zusätzlich schuf er jedoch auch eine Befähigung für Ärztinnen und Ärzte, an der Verschreibung des Originalpräparates anstelle eines Generikums festhalten zu können. Hingegen lehnte der Ständerat die vom Nationalrat eingeführte Möglichkeit des Parallelimports von Generika wegen Risiken für die Patientinnen und Patienten einstimmig ab und sprach sich gegen die Motion 19.3202 aus. Stattdessen soll Swissmedic bei der Zulassung von Parallelimporten von Arzneimitteln zukünftig Vereinfachungen zum Beispiel bei der Kennzeichnung und der Arzneimittelinformation vornehmen können.

Auch bei der Steuerung der Kosten durch die Tarifpartner hatte sich der Nationalrat mehrheitlich gegen die bundesrätlichen Vorschläge ausgesprochen. So wollte der Bundesrat die Leistungserbringenden und Versicherungen dazu verpflichten, in ihren Tarifverträgen Massnahmen zur Kostensteuerung vorzusehen. Die Kommissionsmehrheit wollte dem Bundesrat in diesem Punkt folgen und sprach sich für eine solche Verpflichtung der Leistungserbringenden und Versicherungen aus, Kommissionssprecher Ettlin erachtete diese Frage gar als «einen der Kernpunkte dieser Vorlage». Eine Minderheit Müller (fdp, LU) beantragte hingegen die Streichung dieser Regelung. Nicht einig waren sich die beiden Lager, ob diese Regelung ohne Rationierung des Gesundheitsangebots umgesetzt werden könne, ob sie also verfassungskonform sei. Ein Gutachten von Ueli Kieser, Professor für Sozialversicherungsrecht an der Universität St. Gallen, verneinte die Verfassungskonformität, eine Stellungnahme des Bundesamtes für Justiz bejahte sie. Minderheitssprecher Müller verwies jedoch in erster Linie auf «grundsätzliche[…] gesetzgeberische[…] Überlegungen» zur Ablehnung dieser Regelung: Man solle diesen Aspekt zusammen mit der Kostenbremse-Initiative der Mitte-Partei und somit im Rahmen des zweiten Massnahmenpakets, welches der Bundesrat als indirekten Gegenvorschlag zu dieser Initiative festgelegt hatte, beraten.
Ein Einzelantrag Würth (mitte, SG) beantragte stattdessen, den bundesrätlichen Vorschlag um die auf kantonaler Ebene abgeschlossenen Tarifverträge zu ergänzen. So finanzierten die Kantone zukünftig aufgrund von EFAS (womöglich) auch einen Teil der ambulanten Kosten, weshalb sie ebenfalls in die Kostensteuerung einbezogen werden sollen. Gesundheitsminister Berset wehrte sich gegen die Minderheit Müller: Wichtig sei aber, dass hier eine Differenz zum Nationalrat geschaffen werde, um die Diskussion zu dieser Frage weiterführen zu können – auch ein Entscheid für den Antrag Würth sei somit im Sinne des Bundesrates. Man sei sich einig, dass es eine Kostenentwicklung gebe – folglich müsse man nun etwas dagegen tun und könne die Klärung dieser wichtigen Frage nicht auf eine spätere Revision verschieben, betonte er mit Nachdruck. Selbstverständlich werde man diese Regelung so ausgestalten, dass der Zugang zur Pflege und die bestmögliche Qualität immer gewährleistet sei. Dennoch setzte sich die Kommissionsminderheit mit 20 zu 20 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) und Stichentscheid von Ratspräsident Hefti (fdp, GL) gegen den Einzelantrag Würth durch, der zuvor dem Mehrheitsantrag vorgezogen worden war (26 zu 17 Stimmen). Somit müssen die Tarifvereinbarungen keine Massnahmen zur Kostensteuerung vorsehen.

Umstritten war wie bereits im Nationalrat auch die Frage, ob den Organisationen der Versicherungen von nationaler oder regionaler Bedeutung ein Beschwerderecht gegen Beschlüsse der Kantonsregierungen bezüglich der kantonalen Spitalplanung zugesprochen werden soll. Der Bundesrat erachtete dies gemäss Kommissionssprecher Ettlin als notwendig, um ein «gewisses Gleichgewicht der Kräfte» herzustellen. Dies sei aufgrund der Kostenfolgen dieser Entscheide für die Versicherten nötig. Die Kommissionsmehrheit sprach sich denn auch für ein solches Beschwerderecht aus, obwohl die GDK dagegen votiert hatte. Minderheitensprecher Stöckli (sp, BE) erinnerte die Mitglieder der Kantonskammer hingegen daran, dass die Kantone verfassungsmässig für die Gesundheitsversorgung verantwortlich seien. Zudem könnten die Verbände mit dieser Regelung Volksentscheide umstossen. Schliesslich könne ein Eingriff in die Planungsarbeit der Kantone die Gesundheitskosten aufgrund der Verfahren, Verzögerungen und Rechtsunsicherheiten gar erhöhen. Mit 18 zu 18 Stimmen und erneutem Stichentscheid von Ratspräsident Hefti sprach sich der Ständerat für das Beschwerderecht der Versicherungen aus.

Nicht einverstanden zeigte sich die SGK-SR zur Erleichterung des Gesundheitsministers schliesslich mit dem Vorschlag des Nationalrats, Versicherungen 25 Prozent der Einsparungen, die sie aufgrund von günstigeren Tarifvereinbarungen mit den Leistungserbringenden erzielt haben, zur freien Verfügung zu stellen. Damit würde das Gewinnverbot in der Grundversicherung gekippt, dieses dürfe aber gemäss Kommissionssprecher Ettlin «nicht angetastet werden». So wären dadurch auch kaum Kosteneinsparungen möglich, vielmehr würde dies ein Widerspruch zu verschiedenen anderen Artikeln des KVG darstellen. Gesundheitsminister Berset lobte diese Haltung, zumal die Zustimmung zum Nationalrat «vraiment un changement de principe extrêmement important dans l'assurance obligatoire des soins» darstellen würde. Stillschweigend folgte der Ständerat seiner Kommission in diesem Punkt und schuf damit eine weitere Differenz zum Nationalrat.

Mit 25 zu 10 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) nahm die kleine Kammer schliesslich den Entwurf an, die ablehnenden Stimmen stammten von Mitgliedern der SP und der Grünen und von einem Mitglied der Mitte.

Erstes Massnahmenpaket zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen (BRG 19.046)
Dossier: Anstieg der Krankenkassenprämien dämpfen (seit 2020)

In der Wintersession 2021 kam die Motion der SGK-NR zur Zulassungssteuerung bei psychologischen Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen in den Ständerat. Josef Dittli (fdp, UR), Sprecher der SGK-SR, erklärte, dass die Kommission das Geschäft mit 11 zu 0 Stimmen (bei 1 Enthaltung) zur Annahme empfehle. Die Kommission erachte die Kontrolle der steigenden Kosten und der potenziellen Mengenausweitungen des Leistungsangebots von psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten als erforderlich. Durch die Motion könnten die Versorgungsqualität und eine angemessene Entwicklung gewährleistet werden. Dieser Meinung war auch Gesundheitsminister Alain Berset, der die Motion zur Annahme empfahl. Stillschweigend kam das Stöckli dieser Aufforderung nach.

Zulassungssteuerung von psychologischen Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen (Mo. 20.3914)

Im September 2021 reichte die SGK-SR eine Motion mit dem Titel «Für eine nachhaltige Finanzierung von Public-Health-Projekten des Nationalen Konzepts ‹Seltene Krankheiten›» ein. Damit forderte sie die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage, welche die Umsetzung des Nationalen Konzepts «Seltene Krankheiten» durch die involvierten Organisationen des Gesundheitswesens auf einer nachhaltigen Basis gewährleisten soll. Es sollen Instrumente zur Finanzierung unter anderem der Koordination und des Aufbaus von Angeboten in diesem Bereich oder zur Qualitätsförderung, Dokumentation und Beratung bereitgestellt werden. Zudem soll die gesetzliche Grundlage auch der langfristigen Finanzierung eines schweizweiten Registers für seltene Krankheiten dienen. Der Bundesrat soll die Ausarbeitung der Vorlage mit den Kantonen koordinieren.
In der Wintersession 2021 kam das Geschäft in den Ständerat. Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) stellte die Kommissionsmotion vor und verwies dabei auf einen Bericht in Erfüllung eines Postulats der SGK-NR (Mo. 18.3040), welcher die Herausforderungen und Handlungsoptionen des Nationalen Konzepts «Seltene Krankheiten» aufzeige. Mit der vorliegenden Motion wolle man nun diese Herausforderungen angehen. Bundesrat Alain Berset empfahl die Motion zur Annahme und betonte, seltene Krankheiten seien nur bei einzelner Betrachtung selten, zusammen als Gruppe kämen sie jedoch so häufig vor wie etwa Diabetes. Der Ständerat nahm die Motion in der Folge stillschweigend an.

Für eine nachhaltige Finanzierung von Public-Health-Projekten des Nationalen Konzepts "Seltene Krankheiten" (Mo. 21.3978)

Im September 2021 forderte Josef Dittli (fdp, UR), dass Altersguthaben bei einem Austritt aus einem 1e-Plan geschützt werden. Wechselt eine Person von einem Arbeitgebenden mit 1e-Vorsorgeplan, bei dem die überobligatorisch Versicherten mehr Möglichkeiten zur Wahl der Anlagestrategie haben, aber auch die daraus entstehenden Risiken selbst tragen, zu einem Arbeitgebenden ohne solchen, muss das Vorsorgeguthaben bisher sofort in die neue Pensionskasse übertragen werden. Bei einem Börsentief zum Wechselzeitpunkt kann dies zu beträchtlichen Verlusten führen. Zukünftig sollen die entsprechenden Gelder deshalb zwei Jahre lang auf einem Freizügigkeitskonto belassen werden können, damit die Arbeitnehmenden den Verkaufszeitpunkt ihrer Anlagen selbst festlegen können.
Wie bereits bei einer gleichlautenden und unbehandelt abgeschriebenen Motion Weibel (glp, ZH; Mo. 19.3769) empfahl der Bundesrat die Motion zur Ablehnung. Er erachtete die Möglichkeit eines Stellenverlusts als eines der Risiken, welche Versicherte eines 1e-Plans im Gegenzug für höhere Renditen tragen müssten. Zudem würden die Betroffenen bei einer solchen Regelung bevorzugt, insbesondere wenn sich die neue Vorsorgeeinrichtung in Unterdeckung befindet: Sie könnten ihre Gelder auf dem Freizügigkeitskonto belassen und müssten sich nicht an der Sanierung beteiligen. Folglich wären auch die Sanierungskosten für alle anderen Versicherten höher.
In der Herbstsession 2021 überwies der Ständerat die Motion auf Ordnungsantrag von Damian Müller (fdp, LU) der zuständigen Kommission zur Vorprüfung.

Altersguthaben schützen bei einem Austritt aus einem 1e-Plan (Mo. 21.4142)

In der Wintersession 2021 nahm sich der Ständerat einer Motion Feller (fdp, VD) an, welche im Kampf gegen Covid-19 die Durchführung serologischer Tests in Apotheken forderte. Für die SGK-SR berichtete Josef Dittli (fdp, UR), dass sich die Situation seit dem Einreichen des Vorstosses verändert habe und die entsprechenden Tests mittlerweile in Schweizer Apotheken angeboten würden. Die Forderung der Motion sei daher bereits erfüllt respektive überholt. Daher empfehle die Kommission die Ablehnung des Geschäfts. Gesundheitsminister Berset kam in seiner Wortmeldung zum gleichen Schluss. In der Folge lehnte das Stöckli den Vorstoss stillschweigend ab.

Kampf gegen die Verbreitung des Coronavirus. Apotheken sollen serologische Tests durchführen können (Mo. 20.3249)

In der Herbstsession 2021 lehnte der Ständerat eine Motion von Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) ab. Die Motionärin hatte eine Vereinfachung und Erweiterung der Regelungen zur Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit in zahlreichen Gesetzen gefordert, etwa im AVIG, IVG, UVG, EOG oder im VVG. Zudem verlangte sie eine ergänzende Regelung für einen «Verdienstersatz bei Erwerbsausfall bei Personen in atypischen und prekären Arbeitsformen, für Selbstständigerwerbende und für Freischaffende in Theater und Film». Um zukünftig grosse finanzielle Probleme durch Erwerbslücken aufgrund von Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Unfall bei den Selbständigerwerbenden zu verhindern, solle ihr Versicherungsschutz und ihr Verdienstausfall zukünftig garantiert werden. Der Bundesrat entgegnete in seiner Stellungnahme, dass ein entsprechender Versicherungsschutz bei der IV und der EO bereits gegeben sei, bei der Unfallversicherung und der Krankentaggeldversicherung müssten sich die Selbständigerwerbenden hingegen freiwillig versichern, wie auch im Rahmen des Postulats Nordmann (sp, VD; Po. 12.3087) noch einmal bestätigt worden sei. Nicht möglich sei schliesslich eine Arbeitslosenversicherung für Selbständigerwerbende, wie sie auch das Postulat Roduit (mitte, VS; Po. 20.4141) vorsehe, zumal hier das Missbrauchspotenzial zu gross sei. Mit 25 zu 11 Stimmen lehnte der Ständerat die Motion ab.

Erwerbsersatzordnungen an die veränderte Arbeitswelt anpassen

La Commission de l'économie et des redevances du Conseil des Etats (CER-CE) a préconisé, à l'unanimité, le classement de l'initiative parlementaire Dittli (plr, UR). Pour être précis, la CER-CE a recommandé l'inclusion des discussions sur la notion d'abus dans la révision de la Loi sur les assurances (LSA) (20.078). Les sénateurs et sénatrices se sont alignées sur cette recommandation. L'initiative parlementaire a été classée tacitement.

Préciser la notion d'abus dans la surveillance des assurances (pa.iv. 17.409)

Nachdem sich der Nationalrat im Frühling 2021 mit der Volksinitiative zum Thema Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung befasst hatte, war es in der darauffolgenden Herbstsession am Ständerat, über das Volksbegehren zu befinden. Josef Dittli (fdp, UR) empfahl die Initiative für die Mehrheit der SGK-SR zur Ablehnung, da mit dem Tabakproduktegesetz als indirekter Gegenvorschlag ein guter Kompromiss ausgearbeitet worden sei, mit dem einige Forderungen der Initiative abgedeckt würden. Eine Kommissionsminderheit rund um Hans Stöckli (sp, BE), welcher auch Mitglied des Initiativkomitees war, wollte indes die Initiative zur Annahme empfehlen. Stöckli begründete dies damit, dass mit dem Tabakproduktegesetz zwar gewisse Fortschritte erzielt werden konnten, diese Lösung jedoch unzureichend sei, weil Werbung im Internet – welche den grössten Teil des Werbekuchens ausmache – nach wie vor erlaubt sei. Alain Berset hielt der Initiative zugute, dass sie zwei Anliegen des Bundesrates aufnehme: Zum einen den Schutz der Bevölkerung vor den schädlichen Folgen des Tabakkonsums und zum anderen die Möglichkeit zur Ratifizierung des Rahmenübereinkommens mit der WHO – diese sei mit dem vorliegenden Tabakproduktegesetz nicht möglich. Trotzdem empfehle der Bundesrat das Volksbegehren zur Ablehnung, da ihm die Initiative zu weit gehe und mit ihr kein genügender Ausgleich zwischen gesundheitlichen und wirtschaftlichen Interessen erzielt werden könne. Mit 27 zu 12 Stimmen (bei 1 Enthaltung) empfahl der Ständerat die Initiative zur Ablehnung.

Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung (Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung)» (BRG 20.068)
Dossier: Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung» und deren Umsetzung

Die Organspende-Initiative und ihr indirekter Gegenvorschlag waren Gegenstand der ständerätlichen Debatte in der Herbstsession 2021. Im Vorfeld hatte sich die SGK-SR mit 9 zu 3 Stimmen (bei 1 Enthaltung) für den indirekten Gegenvorschlag des Bundesrates und mit 10 zu 1 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) gegen das Volksbegehren ausgesprochen. Gemäss Kommissionssprecher Paul Rechsteiner (sp, SG) sei die Widerspruchsregelung als «konkrete Antwort auf den Organmangel» zu werten. Ausgehend von den Erfahrungen südeuropäischer Staaten könne angenommen werden, dass die Zahl der Spenderinnen und Spender durch einen Systemwechsel zunehme. Allerdings gehe der Kommissionsmehrheit wie bereits dem Bundesrat die von der Initiative geforderte enge Widerspruchslösung zu weit – daher auch die diesbezüglich ablehnende Haltung. Weitere Ansätze, mit denen dem Organmangel begegnet werden könnte, namentlich die Einführung eines Erklärungsmodells und der Vorschlag Nantermod (fdp, VS), den Spendewillen auf der Krankenversicherungskarte einzutragen, hätten in der Kommission ebenfalls keine Unterstützung gefunden, so Rechsteiner weiter. Beim indirekten Gegenvorschlag des Bundesrates, welcher eine erweiterte Widerspruchlösung vorsehe, handle es sich hingegen um eine griffige Lösung, bei der auch die nächsten Angehörigen entlastet würden. Eine Kommissionsminderheit rund um Josef Dittli (fdp, UR) teilte diese Ansicht indes nicht. Dem Urner Standesvertreter zufolge würde auch durch den indirekten Gegenvorschlag «eine Erwartungshaltung generiert, die einer Pflicht zur Organspende gefährlich nahe komm[e]». Einen entsprechenden Nichteintretensantrag lehnte der Ständerat jedoch mit 31 zu 13 Stimmen ab. In der Detailberatung folgte die kleine Kammer abgesehen von redaktionellen und formellen Änderungen der grossen Kammer und nahm den Entwurf des indirekten Gegenvorschlags mit 31 zu 12 Stimmen (bei 1 Enthaltung) an. Die Volksinitiative indes blieb im Ständerat chancenlos. Einstimmig sprachen sich die Kantonsvertreterinnen und -vertreter gegen das Volksbegehren aus.

Organspende-Initiative und indirekter Gegenvorschlag (BRG 20.090)
Dossier: Transplantation von Organen, Geweben und Zellen

Auch die SGK-NR störte sich daran, dass die Arbeitgebenden selbst bei der vereinfachten Abrechnung von Sozialversicherungen und Steuern von Hausdienstangestellten zwei verschiedene Anlaufstellen für die AHV und die ALV anschreiben müssen und begrüsste daher die von den Motionen Dittli (fdp, UR) und Gmür (mitte, SZ) beantragte weitere Vereinfachung. Der Nationalrat folgte dem Antrag der Kommission in der Herbstsession 2021 und nahm die Motion Dittli stillschweigend an. Wenige Tage später entschied sich auch der Ständerat in Übereinstimmung mit seiner Kommission für Annahme der Motion Gmür, womit der Bundesrat nun gleich zwei Aufträge zur Vereinfachung der entsprechenden Abrechnung erhielt.

Abrechnung der Sozialversicherungen und der Steuern bei Hausdienstangestellten vereinfachen (Mo. 20.4425 & Mo. 20.4552)

Auch im Ständerat fand die Standesinitiative des Kantons Neuenburg, welche den Kantonen die Möglichkeit geben wollte, kantonale, regionale oder interkantonale Einrichtungen zur Erhebung der Krankenkassenprämien, zur Kostenfinanzierung zulasten der OKP sowie zur Erfüllung der administrativen Aufgaben von Krankenversicherungen gemäss dem KVG zu schaffen, keine Mehrheit. Für die Kommissionsmehrheit betonte Curafutura-Präsident Josef Dittli (fdp, UR), dass diese Einrichtung zwar keine Einheitskasse, sondern eine Alternative zu den bestehenden Krankenversicherungen darstellen solle, dass es aber «doch [...] um das Thema Einheitskasse» gehe. Die Stimmbürgerschaft habe eine solche aber bereits zweimal an der Urne verworfen. Zudem sei die Standesinitiative identisch mit einer Volksinitiative, die im Jahr 2019 an der Unterschriftenhürde gescheitert sei. Bereits heute könnten die Kantone überdies «im Prämiengenehmigungsverfahren zu den für ihren Kanton geschätzten Kosten Stellung nehmen», aber auch selbst Krankenkassen gründen. Da die aktuelle Vorlage jedoch einen «radikalen Paradigmenwechsel bei der Festlegung und Erhebung der Prämien» zur Folge habe, lehnte sie die Kommissionsmehrheit ab.
Eine Minderheit Carobbio Guscetti (sp, TI) beantragte die Annahme der Standesinitiative. Die Minderheitensprecherin hob die zahlreichen Probleme des aktuellen Systems hervor: die Intransparenz bei der Prämienfestlegung, die Wettbewerbsprobleme durch private Akteure in einem Sozialversicherungssystem, die Probleme der Reserven, die in den letzten Monaten immer wieder Thema waren. Die Standesinitiative würde diese Probleme allesamt bekämpfen, das System vereinfachen, eine klare Trennung der Grund- und Zusatzversicherungen erlauben und gleichzeitig zur Schaffung von Arbeitsplätzen in den Kantonen beitragen. Allfällige Probleme der Regelung könnten denn auch nach einer Annahme im Erstrat noch ausgemerzt werden, warb Carobbio Guscetti. Mit 26 zu 9 Stimmen gab der Ständerat der Initiative jedoch keine Folge.

Kantonale, regionale oder interkantonale Krankenversicherung. Allfällige Schaffung im Kompetenzbereich der Kantone (Kt.Iv. 20.315)
Dossier: Anstieg der Krankenkassenprämien dämpfen (seit 2020)

In der Herbstsession 2021 bestätigte der Ständerat seinen Entscheid aus der ersten Behandlung der Standesinitiative des Kantons St. Gallen für ein Verbot von Provisionszahlungen für Wechsel der Grundversicherung. Mit 8 zu 3 Stimmen hatte die Mehrheit der SGK-SR erneut beantragt, der Initiative keine Folge zu geben, zumal der Weg über den bundesrätlichen Entwurf in Erfüllung ihrer Motion (Mo. 18.4091) und somit über eine Selbstregulierung der Branche zu bevorzugen sei. Der Entwurf des Bundesrates sehe eine Verbindlicherklärung der Branchenlösungen zu einem Verbot der telefonischen Kaltakquise – also der Anrufe bei Personen, welche nicht bei den entsprechenden Versicherungen versichert sind –, eine Begrenzung der Provisionen, einen Verzicht auf Leistungen von Callcentern, eine obligatorische Ausbildung sowie eine Pflicht zur Führung eines zu unterzeichnenden Beratungsprotokolls vor, wie Josef Dittli (fdp, UR) dem Rat als Kommissionssprecher erläuterte. Eine Kommissionsminderheit Carobbio Guscetti (sp, TI) befürwortete hingegen die restriktivere Regelung gemäss Standesinitiative, welche die entsprechenden Vermittlerprovisionen gänzlich verbieten wollte. Die Minderheitensprecherin kritisierte in der Ratsdebatte, dass die Gefahr bestehe, dass die Branchenvereinbarung nicht verbindlich erklärt werden könne, «wenn die nötige Repräsentativität der Versicherer nicht gegeben» sei. So kommt es gemäss dem bundesrätlichen Vorschlag erst zu einer Verbindlicherklärung, wenn sich Versicherungen, die zwei Drittel der Versicherten abdecken, hinter eine Vereinbarung stellen. Mit 29 zu 11 Stimmen gab der Ständerat der Initiative des Kantons St. Gallen jedoch keine Folge.

Keine Prämiengelder für Vermittlungsprovisionen (St.Iv. 18.305)

In der Herbstsession 2021 startete der Ständerat ins Differenzbereinigungsverfahren der AHV 21-Reform, bei der die beiden Kammern sich in verschiedenen zentralen Punkten bereits einig waren – etwa bei der Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre oder der Verknüpfung der Mehrwertsteuererhöhung und der AHV-Reform –, aber auch noch zahlreiche, auch sehr weitreichende Differenzen bestanden. Erich Ettlin (mitte, OW) erläuterte als Kommissionssprecher noch einmal den Rahmen der Revision: Die Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre soll jährlich CHF 1.4 Mrd. und bis ins Jahr 2030 CHF 10 Mrd. einbringen. Davon abgezogen werden müssten die Ausgleichsmassnahmen für besonders betroffene Jahrgänge, über deren Höhe und Ausgestaltung sich Bundesrat, Nationalrat und Ständerat noch nicht einig waren: Der Bundesrat hatte Ausgleichsmassnahmen in der Höhe von einem Drittel der Gesamteinsparungen (CHF 3.3. Mrd.) vorgesehen, der Ständerat in seiner ersten Beratung Massnahmen über CHF 2.1 Mrd. und der Nationalrat solche von CHF 4.1 Mrd.

Bezüglich der Ausgleichsmassnahmen lagen dem Ständerat zwei neue Modelle vor, ein Modell der Kommissionsmehrheit sowie dasjenige einer Minderheit Müller (fdp, LU), das jedoch nicht mit Müllers Modell aus der ersten ständerätlichen Debatte übereinstimmte. Sowohl die Kommissionsmehrheit als auch die Minderheit wollten dabei prinzipiell das bisherige Trapezmodell des Ständerates mit dem bisherigen Nationalratsmodell kombinieren. Ersteres hatte Abstufungen der Rentenzuschläge nach Jahrgang der Frauen vorgesehen, Letzteres beinhaltete Abstufungen nach Einkommensgruppen – nun sollten die Rentenzuschläge folglich in beiden Modellen sowohl nach Jahrgängen als auch nach Einkommen abgestuft werden. Die Kommissionsmehrheit blieb bei der progressiv-degressiven Ausgestaltung in Trapezform, wonach die ersten drei und die letzten zwei Jahrgänge nur jeweils einen Teil des Zuschlags, nicht den vollständigen Zuschlag erhalten sollten. Die Minderheit Müller sah hingegen nur bei den ersten drei Jahrgängen gekürzte Zuschläge vor. Beide Modelle wollten jedoch die Rentenzuschläge ausserhalb des AHV-Plafonds gewähren, womit also auch Frauen, welche bereits ohne Zuschlag die Maximalrente erhielten, davon profitieren sollten. Die Unterstellung des Zuschlags unter den Plafonds war zuvor am bundesrätlichen sowie am nationalrätlichen Modell stark kritisiert worden. Insgesamt zeigte sich die Kommissionsmehrheit bei den Zuschlägen deutlich grosszügiger als die Minderheit Müller, die sowohl tiefere Grundzuschläge als auch grössere Reduktionen dieser Zuschläge (nach Jahrgängen und Einkommen) vorsah.
Ähnlich waren sich die beiden Modelle beim Gesamtbetrag, der für die Ausgleichsmassnahmen eingesetzt werden sollte: Hier hatte man sich in der Kommission zuvor mit CHF 3.2 Mrd. in etwa auf den Betrag des Bundesrates geeinigt – man wählte also einen Mittelweg zwischen den CHF 2.1 Mrd. des ersten Vorschlags des Ständerates und den CHF 4.1 Mrd. des Nationalrats. Hingegen unterschieden sich die beiden Modelle bezüglich der Anzahl zu berücksichtigender Jahrgänge: Die Kommissionsmehrheit blieb beim ständerätlichen (und bundesrätlichen) Vorschlag von neun Jahrgängen, die Minderheit Müller machte einen Schritt auf den Nationalrat zu, der sechs Jahrgänge begünstigen wollte, und schlug sieben Jahrgänge vor. Neun Jahrgänge seien nötig, weil sonst «viele tausend Frauen betroffen sind, die keine Möglichkeit mehr für einen Ausgleich haben», begründete Pirmin Bischof (mitte, SO) die Position der Kommissionsmehrheit. Damian Müller wies jedoch darauf hin, dass ab dem achten Jahrgang bereits «der nächste Reformschritt greifen» müsse, welchen die SGK-NR mit ihrer Motion in die Wege geleitet hatte.
Besonders umstritten war in der Kommission nun die Frage des Rentenvorbezugs. Der Bundesrat hatte in seinem ursprünglichen Modell vorgesehen, dass die betroffenen Jahrgänge entweder zwischen dem Rentenzuschlag oder einem Rentenvorbezug zu besseren Konditionen wählen können. Die Minderheit Müller wollte bei dieser Wahlmöglichkeit bleiben und den reduzierten Kürzungssatz bei Rentenvorbezug noch nach Einkommensgruppen abstufen. Somit sollten Frauen mit geringen Einkommen in den Übergangsgenerationen ihre Rente ohne oder nur mit geringen Einbussen vorzeitig beziehen, dabei aber nicht vom Rentenzuschlag profitieren können. Die Kommissionsmehrheit hingegen sah vor, dass die betroffenen Frauen bei einem Rentenvorbezug zwar nicht von besseren Konditionen profitieren können sollten – für sie würden somit bei einem Vorbezug dieselben Konditionen gelten wie für alle anderen Frauen –, jedoch sollten sie auch bei einem Vorbezug in den Genuss des vollen Rentenzuschlags kommen. Hier waren sich Kommissionsmehrheit und -minderheit nicht einig, welches Modell fairer sei. Minderheitensprecher Müller störte sich am Vorschlag der Kommissionsmehrheit, da die Vorbeziehenden damit «für ihren Rentenvorbezug mit einer unter dem Strich höheren Rente belohnt werden». Dagegen wehrte sich Pirmin Bischof und argumentierte, dass rentenvorbeziehende Frauen in allen Varianten der Mehrheit immer eine tiefere Rente bekämen als Frauen, die bis 65 arbeiteten. Hingegen sehe das Modell Müller, dem Modell des Nationalrats folgend, geringere Kürzungssätze beim Rentenvorbezug vor als das bundesrätliche Modell. Damit setze die Minderheit mehr Geld für Personen mit hohen Einkommen ein, da eine Senkung der Kürzungssätze gemäss Bischof «bei den hohen Einkommen betragsmässig natürlich am meisten aus[mache]». Zudem verursachten die Rentenvorbeziehenden im nationalrätlichen Modell ähnlich hohe Kosten an Ausgleichsmassnahmen wie Personen, die bis ins Alter von 65 Jahren arbeiteten und den Rentenzuschlag wählten – dies sei mit dem Kampf gegen den Fachkräftemangel nicht zu vereinbaren, erklärte Kommissionssprecher Ettlin.
Bundesrat Berset zeigte sich in der Folge von beiden Ausgleichsmodellen für die Übergangsgenerationen nicht begeistert, nannte das Kommissionsmodell jedoch «une solution équilibrée». Der Gesundheitsminister betonte insbesondere, dass die Ausgleichsmassnahmen bei der letzten erfolgreichen AHV-Revision 1994 nicht einen Drittel, sondern ganze 80 Prozent der Einnahmen betragen hätten, und warb in diesem Sinne für eine möglichst grosszügige Ausgestaltung der Massnahmen, um diese in der nötigen Volksabstimmung durchzubringen. In der Folge entschied sich der Ständerat mit 27 zu 15 Stimmen für das Modell der Kommissionsmehrheit.

Bezüglich der Mehrwertsteuererhöhung beantragte die Kommission, dem Nationalrat bei einer Erhöhung um 0.4 Prozentpunkte (beim Normalsatz sowie um je 0.1 Prozentpunkte beim reduzierten Satz und beim Sondersatz) zu folgen – der Ständerat hatte sich in seiner ersten Behandlung für eine Erhöhung um 0.3 Prozentpunkte (und je 0.1 Prozentpunkte) ausgesprochen, der Bundesrat hatte für eine Erhöhung um 0.7 Prozentpunkte plädiert. Die von der Kommission vorgeschlagene Erhöhung würde der AHV CHF 1.37 Mrd. pro Jahr einbringen, bei 0.3 Prozentpunkten wären es CHF 1.03 Mrd. Zudem lag dem Ständerat bei seiner Beratung ein Einzelantrag Noser (fdp, ZH) vor. Noser schlug eine Erhöhung um 0.3 Prozentpunkte vor, zumal er es als schwierig erachtete, den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern eine verglichen mit der Altersvorsorge 2020 stärkere Erhöhung der Mehrwertsteuer bei einer ansonsten kleineren Revision zu erklären. Zudem sei es sinnvoll, diese Differenz zum Nationalrat offen zu halten, um weiterhin eine Diskussion dazu zu ermöglichen. Erich Ettlin präsentierte diesbezüglich den voraussichtlichen Stand des AHV-Fonds im Jahr 2030 bei den verschiedenen Szenarien, wobei 100 Prozent die AHV-Ausgaben eines Jahres darstellten und vom Bundesrat als Ziel der Revision anvisiert worden waren. Mit dem Modell der Kommission würde der Fondsstand 2030 bei 87 bis 90 Prozent liegen (je nach Zeitpunkt des Inkrafttretens der Revision), mit dem Antrag Noser wären es zwischen 82 und 85 Prozent. Der Gesundheitsminister kritisierte den Verzicht der beiden Kammern, die Revision auf eine 100-prozentige Fondshöhe auszurichten, und argumentierte ebenfalls mit der Wirkung auf die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger: Bei der nächsten Revision sei es schwierig zu erklären, wieso man härtere Massnahmen ergreifen müsse, nur weil man Jahre zuvor nicht bereit gewesen sei, mit einer Fondshöhe von 100 Prozent zu planen. Von den beiden Anträgen bevorzugte er folglich die stärkere Erhöhung der Kommissionsmehrheit. Diese setzte sich anschliessend mit 22 zu 20 Stimmen (bei 1 Enthaltung) knapp durch, womit die Frage der Mehrwertsteuererhöhung zwischen den beiden Räten bereinigt werden konnte.

Der Nationalrat hatte in seiner Beratung zudem eine einmalige Einlage des Bruttoertrags aus den Negativzinsen der Schweizerischen Nationalbank in den AHV-Ausgleichsfonds vorgeschlagen und dazu einen eigenen Bundesbeschluss geschaffen. Die Mehrheit der SGK-SR lehnte jedoch Eintreten auf diesen Beschluss ab, während sich eine Minderheit Germann (svp, SH) für Eintreten und für den Bundesbeschluss aussprach. Hannes Germann argumentierte, dass die Unabhängigkeit der Nationalbank mit einer einmaligen Einlage nicht beeinträchtigt werde – ansonsten würde das entsprechende Geld einfach «über die normale Gewinnverteilung laufen» und damit Kantonen und Bund zugute kommen. Über die Verrechnung der Kosten, welche den Banken anfallen, und über die Kosten für die Pensionskassen seien die Bürgerinnen und Bürger indirekt stark von den Negativzinsen betroffen. Anstatt daher die Gewinne daraus dem Bund und den Kantonen zukommen zu lassen, sollten sie über die AHV direkt der Bevölkerung zugutekommen. Paul Rechsteiner (sp, SG) unterstützte den Minderheitensprecher – neben Germann und Rechsteiner hatten auch Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) und Maya Graf (gp, BL) den Antrag vorgängig unterzeichnet – und verwies darauf, dass zwischen 2015 und 2020 CHF 10 Mrd. an Gewinnen aus den Negativzinsen angefallen seien – bis zum Inkrafttreten der Revision würden es gar CHF 12 oder 13 Mrd. sein –, die man nun der AHV zuweisen könne. Das entspreche der Grössenordnung des Betrags, den «man den Frauen wegnimmt». Daher sei es schwierig zu erklären, wieso man auf diesen Betrag verzichten wolle, insbesondere da man das mit dem Nationalbankgold bereits einmal gemacht habe.
Erich Ettlin gab für die Kommission die Aussagen von Fritz Zurbrügg, Mitglied des Direktoriums der Nationalbank, wieder, der sich im Namen der SNB gegen dieses Vorhaben wehrte. So müsse bedacht werden, dass auch die Nationalbank Negativzinsen bezahle, etwa bei den Covid-19-Krediten, und dass «über die Hälfte der Devisenanlagen eine negative Verfallrendite» aufweise. Zudem befürchtete die Kommission, dass sich die SNB durch eine solche Auszahlung unter Druck gesetzt fühle, weil der Finanzierungsbedarf der AHV auch weiterhin bestehen bleibe. Zudem bestehe auch in anderen Bereichen entsprechender Bedarf, wobei unklar sei, wieso diese Gewinne genau für die AHV einzusetzen seien. Man schaffe damit eine Erwartungshaltung für die Zukunft. Darüber hinaus nehme man damit den Kantonen Geld weg – diese erhalten normalerweise zwei Drittel der Gewinnausschüttungen. Mit 27 zu 14 Stimmen (bei 1 Enthaltung) sprach sich der Ständerat in der Folge gegen Eintreten aus.

Ansonsten verabschiedete der Ständerat zahlreiche kleinere Regelungen stillschweigend. Abgestimmt wurde zudem über die Frage, ob der Rentenzuschlag von der Berechnung des Einkommens zum Anspruch von Ergänzungsleistungen ausgenommen werden soll oder nicht. Eine Minderheit Carobbio Guscetti beantragte diese Ausnahme, damit auch Frauen mit Ergänzungsleistungen vollständig von dem Zuschlag profitieren könnten. So müssten fast 11 Prozent aller Frauen ab dem Renteneintritt Ergänzungsleistungen beziehen, insbesondere geschiedene, alleinerziehende oder verwitwete Frauen. Erich Ettlin argumentierte für die Kommissionsmehrheit, dass eine solche Ausnahme dem Grundprinzip der EL zuwiderlaufe und man den Rentenzuschlag daher nicht von der Einkommensberechnung ausnehmen solle. Mit 28 zu 12 Stimmen folgte die Ratsmehrheit seinem Antrag.
Diskutiert wurde ebenfalls darüber, ob der Anspruch auf Hilflosenentschädigung wie bisher nach einer ein Jahr dauernden Hilflosigkeit oder bereits nach drei Monaten gewährt werden soll. Eine Minderheit Graf beantragte, diesbezüglich dem Nationalrat zu folgen und die Wartefrist zu verkürzen. Die meisten Beziehenden von Hilflosenentschädigungen seien über 80 Jahre alt und da sich ihr Zustand üblicherweise eher verschlechtere, solle man ihnen bereits nach drei Monaten die entsprechende Hilfe zukommen lassen. Damit könne man sicherstellen, dass sie solange wie möglich zuhause betreut werden können. Kommissionssprecher Ettlin verwies darauf, dass damit aber auch Personen, die sich nach einer über dreimonatigen Krankheit wieder erholten, Hilflosenentschädigungen beziehen könnten, wodurch man die Kontrollen verstärken müsste. Insgesamt führe dies zu Mehrkosten von CHF 124 Mio. Mit 30 zu 13 Stimmen lehnte der Ständerat die Verkürzung der Wartefrist ab.
Mit diesen Änderungen ging der Entwurf zur AHV 21 zurück an den Nationalrat.

Reform «Stabilisierung der AHV (AHV 21)» (BRG 19.050)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter
Dossier: Erhöhung des Rentenalters

Der Ständerat befasste sich in der Sommersession 2021 mit der Forderung nach einer Sensibilisierungskampagne gegen Belästigungen an den ETH. Dieses von der WBK-NR eingebrachte Anliegen stiess grundsätzlich auch in der WBK-SR auf Zuspruch, wie Andrea Gmür-Schönenberger (mitte, LU) erläuterte. Die Kommissionsmehrheit beantragte jedoch die Ablehnung der Motion, weil der ETH-Bereich bereits zahlreiche Schritte zur Sensibilisierung unternommen habe. Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) deutete eine allfällige Ablehnung der Motion als falsches Signal. Sie forderte im Namen der Kommissionsminderheit die Annahme des Vorstosses, da es notwendig sei, einen umfassenden kulturellen Wandel herbeizuführen. Auch müssten die Studierenden stärker einbezogen werden, dies sei bis anhin nicht geschehen.
Die kleine Kammer folgte in der anschliessenden Abstimmung der Kommissionsmehrheit und lehnte die Motion mit 22 zu 14 Stimmen ab.

Kampagne gegen Belästigungen an den ETH (Mo. 21.3010)

In der Sommersession 2021 nahmen National- und Ständerat Kenntnis vom Bericht der Delegation bei der parlamentarischen Versammlung der OSZE 2020. Der Bericht behandelte nicht die einzelnen Beratungen der OSZE-Versammlungen, sondern fokussierte sich auf die wichtigsten Beiträge und Anliegen der Schweizer Delegation. Aufgrund der Covid-19-Pandemie konnte die Parlamentarische Versammlung nur eine der drei Jahrestagungen durchführen. Die weiteren zwei mussten abgesagt werden, auch weil das Reglement der OSZE keine Abstimmung ohne Präsenz vor Ort vorsah.
Für die Schweiz war das Jahr 2020 in der OSZE heikel, weil das Mandat des Schweizer Diplomaten Thomas Greminger als OSZE-Generalsekretär nicht verlängert worden war, obwohl sich dieser zur Wiederwahl gestellt hatte. Dieser Entscheid löste laut Bericht eine schwere institutionelle Krise aus, da dadurch wichtige OSZE-Gremien während mehrerer Monate führungslos blieben. Die Schweizer Delegation zeigte sich infolgedessen besorgt über den verminderten Einfluss der Schweiz in der OSZE sowie über die Funktionsfähigkeit und Stabilität der OSZE-Organe im Allgemeinen. Darüber hinaus engagierte sich die Schweizer Delegation im Rahmen der Mediationsbemühungen in Belarus und Bergkarabach. Im Fall von Bergkarabach bemängelte die Delegation, dass es der OSZE nicht gelungen war, den Konflikt zu vermeiden oder zu beenden, was auf einen schwindenden Einfluss der Organisation in dieser Region hindeute. Im November 2020 hatte sich Josef Dittli (fdp, UR) als Schweizer Vertreter an den Wahlbeobachtungen in den USA beteiligt, die für frei, demokratisch und ruhig befunden worden waren. Ein weiterer Themenschwerpunkt der OSZE waren die Auswirkungen der Pandemie auf verschiedene sicherheitspolitische Dimensionen wie zum Beispiel die wirtschaftliche Sicherheit von Staaten und Menschen. Die Schweizer Delegation hielt fest, dass der Ausfall der Präsenztagungen die Erfüllung der 2019 gesetzten Ziele erschwert habe. Für das kommende Jahr versuche man den Schwerpunkt des internationalen Engagements wieder auf jene Themen zu legen, welche vor der Gesundheitskrise im Zentrum standen, insbesondere auf die humanitäre Lage in der Ukraine und die politische Situation in Belarus und Bergkarabach.
Im Ständerat lobte Marco Chiesa (svp, TI), dass die OSZE trotz der pandemiebedingt ausgefallenen Sitzungen eine hohe Qualität und Intensität des interparlamentarischen Austauschs gewährleisten konnte. Im Nationalrat blieb der Bericht unkommentiert.

Bericht der Delegation bei der parlamentarischen Versammlung der OSZE 2020
Dossier: Bericht der Delegation bei der parlamentarischen Versammlung der OSZE

In der Sommersession 2021 behandelte der Ständerat die fünf Standesinitiativen für eine Beschränkung der maximal möglichen Reserven der Krankenversicherungen zusammen mit den Standesinitiativen für kostenkonforme Prämien. Mit diesem Block an Standesinitiativen sollten die Krankenkassen ihre Reserven zwingend auf 150 Prozent reduzieren müssen. Die Initiativen gingen somit weiter als eine bundesrätliche Verordnungsänderung, welche die Reduktion für die Krankenkassen vereinfachte, jedoch nicht zwingend machte. Der zweite Block an Standesinitiativen sah eine Pflicht für die Krankenkassen vor, die zukünftigen Prämien in einem Kanton zu senken, wenn ihre Prämieneinnahmen in diesem Kanton die kumulierten Kosten in einem Jahr übersteigen.
Die SGK-SR hatte zuvor sämtliche Standesinitiativen zur Ablehnung empfohlen. Erich Ettlin (cvp, OW) vertrat unter Offenlegung seiner Interessenbindung als Verwaltungsrat der CSS-Krankenversicherung die Kommissionsmehrheit. Heute betrügen die Reserven über 200 Prozent – 100 Prozent wäre das vorgeschriebene Minimum. Auch in der von der Kommission durchgeführten Anhörung habe es Stimmen gegeben, die eine Muss-Formulierung und die Festsetzung eines Grenzwertes gefordert hätten, betonte Ettlin. Die Versicherungen hätten indes vor einem Jo-Jo-Effekt gewarnt, gemäss dem es bei zu tiefen Prämien zu einem Neukundenzugang komme, wodurch Solvenzprobleme aufträten und die Prämien im Folgejahr erhöht werden müssten. Durch die Reduktion der Reserven könne man unkontrollierbare Eigendynamiken auslösen, warnte Ettlin. Entsprechend unterstütze die Kommission den freiwilligen Abbau gemäss der Verordnungsänderung, nicht aber die Standesinitiativen. Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) vertrat die Standesinitiativen für den Kanton Tessin, der diesbezüglich die Federführung innehatte. Sie verwies darauf, dass die Reduktion der Reserven zwar das Grundproblem – den Prämienanstieg der Krankenkassen – nicht lösen könne, aber man den Versicherten so immerhin zurückgeben könne, was ihnen gehöre. Gemäss dem Vorschlag des Bundesrates würden aber die zu viel eingenommenen Prämien nicht denjenigen Personen vergütet, die zu viel gezahlt hatten, sondern für eine genauere Kalkulation zukünftiger Prämien verwendet. Die GDK unterstütze denn auch die Initiativen, so Carobbio Guscetti. Mit 20 zu 17 Stimmen (bei 1 Enthaltung) sprach sich der Ständerat bei allen zehn Standesinitiativen gegen Folgegeben aus. Zum dritten Block an Standesinitiativen zu den Krankenkassenreserven hatte sich der Ständerat bereits in der Frühjahrssession ablehndend geäussert.

Standesinitiativen für angemessene Reserven (Kt.Iv. 20.301, Kt.Iv. 20.305, Kt.Iv. 20.329, Kt.Iv. 20.334, Kt.Iv. 21.301 & Kt.Iv. 21.324)
Dossier: Anstieg der Krankenkassenprämien dämpfen (seit 2020)
Dossier: Krankenkassenreserven
Dossier: Offensive für tiefere Krankenkassenprämien der Kantone Tessin, Genf, Jura, Freiburg und Neuenburg (2020) sowie des Kantons Waadt (2021)

Die bessere Ausnutzung der Eisenbahnanlagen für den Gütertransport stand im Zentrum eines im März 2021 eingereichten Postulates von Charles Juillard (mitte, JU). Dieser verlangte einen Bericht über die Entwicklung des Schienengüterverkehrs und über Massnahmen zur stärkeren Verlagerung des Gütertransports. Juillard begründete seinen Vorstoss mit der Tatsache, dass in den letzten Jahren die Zahl der Bedienpunkte – die Stellen, an denen die Waren vom Lastwagen auf den Zug umgeladen werden – durch SBB Cargo stark reduziert worden sei. Daher seien manche kleineren Firmen in eher abgelegenen Regionen dazu übergegangen, ganz auf den Transport mit Lastwagen zu setzen. Dies wiederum führe dazu, dass die Rentabilität des Schienenverkehrs sinke und die Schliessung weiterer Bedienpunkte geprüft werde. Dieses Vorgehen und dessen Folgen stünden indes in Widerspruch zur Bekämpfung von Schadstoff-, Luft- und Lärmemissionen, die von den Lastwagen ausgingen. Der Bundesrat beantragte die Annahme des Postulates. Er wollte dieses gegebenenfalls zusammen mit der bereits überwiesenen Motion Dittli (fdp, UR; Mo. 20.3222) umsetzen.
Die kleine Kammer behandelte das Geschäft in der Sommersession 2021. Im Plenum fasste Juillard noch einmal die wichtigsten Punkte seines Postulates zusammen, danach steckte Kommissionspräsident Engler (mitte, GR) den grösseren verkehrspolitischen Rahmen dieses Vorstosses ab: Die KVF-SR sei der Ansicht, dass die Verkehrsverlagerung im internationalen Güterverkehr bislang gut vorangekommen sei, beim Binnengüterverkehr sowie im Import- und Exportverkehr gebe es jedoch noch Luft nach oben. In diesem Bereich habe der offene Markt dazu geführt, dass die Güter nur noch dort auf die Schiene verlagert würden, wo es sich auch wirtschaftlich lohne. Er danke daher Ratskollege Juillard für das Postulat, welches im Übrigen durch ein neu eingereichtes Kommissionspostulat zur Zukunft des Güterverkehrs ergänzt werde. Nach diesen Voten liess es sich ASTAG-Präsident Burkart (fdp, AG) nicht nehmen, noch eine Lanze für den Gütertransport auf der Strasse respektive für die Kombination der verschiedenen Verkehrsträger zu brechen: «Alle Verkehrsträger haben ihre Vorteile, alle haben ihre Nachteile, aber zusammen bringen sie ein erfolgreiches Logistik- und Güterverkehrssystem in unserem Lande zustande, und das sollte man bitte schön auch einmal attestieren». Dem pflichtete auch Verkehrsministerin Sommaruga bei. Es brauche generell eine Auslegeordnung zum Binnengüterverkehr, sowohl betreffend den Bahngüterverkehr als auch betreffend die Kombination der Verkehrsmittel, daher werde der Bundesrat gerne den gewünschten Bericht erarbeiten. Anschliessend nahm der Ständerat das Postulat stillschweigend an.

Gütertransport. Warum nicht die bestehenden Eisenbahnanlagen besser nutzen? (Po. 21.3198)
Dossier: Verlagerung von der Strasse auf die Schiene

Parallel zur Motion 21.3020 der KVF-NR reichte Erich Ettlin (mitte, OW) im März 2021 im Ständerat eine fast gleichlautende Motion ein, die ebenfalls die Schaffung einer nationalen Berufspilotenlizenz forderte. Diese solle in Einklang mit dem Luftverkehrsabkommen, das die Schweiz und die EU abgeschlossen haben, stehen und es den Pilotinnen und Piloten erlauben, bis zum 65. Altersjahr zu fliegen. Ettlin begründete seinen Vorstoss mit der EU-Verordnung Nr. 1178/2011, welche in das Luftverkehrsabkommen integriert worden war. Gemäss dieser Verordnung sei es den Pilotinnen und Piloten nur bis zum 60. Altersjahr erlaubt, im gewerblichen Luftverkehr tätig zu sein. Diese Altersgrenze sei willkürlich und wenig sinnvoll. Bis zum Januar 2020 habe die Schweiz bei der EU-Kommission eine Ausnahmeregelung bezüglich der Alterslimite erhalten. Auf dieses Datum hin habe sich die EU jedoch gegen die Weiterführung dieser Ausnahmeregelung ausgesprochen. Da es wenig wahrscheinlich erscheine, dass es in der EU in naher Zukunft zu einer Änderung der betreffenden Verordnung komme, müsse die Schweiz selber eine nationale Berufspilotenlizenz schaffen.
Der Vorstoss wurde in der Sommersession 2021 im Stöckli behandelt und stiess dabei auf Wohlwollen. Bundesrätin Sommaruga argumentierte vergeblich, dass mit der aktuellen Regelung – anders als von den Ständeräten Ettlin und Dittli (fdp, UR) beteuert – kein wirkliches Berufsverbot für Pilotinnen und Piloten vorliege. Es sei den über 60-Jährigen gemäss der entsprechenden EU-Verordnung bloss nicht erlaubt, in einem Einzel-Cockpit Personen und Güter gewerbsmässig zu transportieren. Die Motion schaffe aber Probleme, weil ihre Umsetzung zu einem Vertragsbruch mit der EU führen würde. Diese habe gemäss Sommaruga bereits signalisiert, «dass im Rahmen des Luftverkehrsabkommens kein Spielraum für die Schaffung einer nationalen Berufspilotenlizenz bestehe» und dass sie im Falle der Umsetzung geeignete Ausgleichsmassnahmen ergreifen werde. Sommaruga rief deshalb dazu auf, die Motion nicht zu unterstützen. Für die Schweizer Luftfahrtbranche stehe insgesamt zu viel auf dem Spiel. Die Worte der Verkehrsministerin vermochten jedoch die Mehrheit nicht zu überzeugen; mit 24 zu 15 Stimmen bei einer Enthaltung nahm die kleine Kammer den Vorstoss an.

Schaffung einer nationalen Berufspilotenlizenz (Mo. 21.3095)
Dossier: Schaffung einer nationalen Berufspilotenlizenz

In der Sommersession 2021 setzte sich der Ständerat als Erstrat mit der Modernisierung der Aufsicht in der 1. Säule und der Optimierung der Aufsicht in der 2. Säule der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge auseinander. Erich Ettlin (mitte, OW) erläuterte dem Rat für die Kommission, dass die Vorlage erstens zur Stärkung der risikoorientierten Aufsicht, zweitens zur Einhaltung der Good Governance-Vorgaben und drittens zur Sicherstellung der Stabilität, Informationssicherheit und des Datenschutzes der Informationssysteme diene. Insbesondere sollen, wie von der EFK verlangt, die Durchführung und Aufsicht über die AHV durch eine Auslagerung der Durchführungsaufgaben aus der Bundesverwaltung konsequent getrennt werden.
Eintreten war unbestritten, der Ständerat schritt sogleich zur Detailberatung der Änderungen im AHVG. Dabei pflichtete der dem Bundesrat stillschweigend zu, dass zukünftig der Begriff der «Durchführungsstellen» geschaffen wird, welche die Verbandsausgleichskassen, die kantonalen Ausgleichskassen, die Ausgleichskassen des Bundes und eine zentrale Ausgleichskasse beinhalten. Erste Diskussionen gab es zur Frage, wie detailliert die Vorschriften an die Durchführungsstellen sein sollen: Eine Minderheit Carobbio Guscetti (sp, TI) scheiterte hier mit ihrer Forderung, wie vom Bundesrat vorgeschlagen Mindestanforderungen im Gesetz festzulegen – die Kommissionsmehrheit setzte sich mit der Forderung nach einer offeneren Formulierung durch. Diskussionslos stimmte der Rat in der Folge den vom Bundesrat und teilweise von der Kommission vorgeschlagenen Änderungen bezüglich der Schaffung getrennter Register der laufenden Geldleistungen und der Versicherten, ergänzenden Regelungen des Abrufverfahrens von Informationen aus den Registern, Regelungen zur Organisation der einzelnen Organe der Ausgleichskassen, zu den Aufgaben der Kassen, zum Risiko- und Qualitätsmanagement, zur Rechnungslegung und zu den Anforderungen an die Revisionsstelle, zu den Aufgaben und Massnahmen der Aufsichtsbehörde sowie zur Kostenvergütung des AHV-Ausgleichsfonds gegenüber dem Bund zu.

Grössere Diskussionen gab es hingegen bezüglich einzelner Änderungen im BVG. Umstritten war etwa, ob den regionalen Aufsichtsbehörden weiterhin Mitglieder der Kantonsregierungen oder Personen mit einer Funktion in einer öffentlichen Verwaltung angehören dürfen. Der Bundesrat wollte – genauso wie die Kommissionsmehrheit – diese Doppelfunktionen verbieten, um die «Compliance richtig [umzusetzen] und die Unabhängigkeit [sicherzustellen]», wie Kommissionssprecher Ettlin erläuterte. Die aktuelle Regelung könne zu Interessenkonflikten führen. Bundesrat Berset betonte, dass es hier nur darum gehe, zu verhindern, dass der Anschein von Interessenkonflikten entstünde – die Aufsicht habe aber bisher gut funktioniert. Eine Minderheit Hegglin (mitte, ZG) wollte bei der bisherigen Lösung bleiben, um nicht zu stark in die «Organisationsautonomie der Kantone» einzugreifen, wie Pirmin Bischof (mitte, SO) als Minderheitensprecher erklärte. Erstens gehe eine solche Regelung sehr weit, indem sie auch Personen mit Funktionen in den Gemeinden ausschliesse, nicht aber beispielsweise Branchenvertretende; zweitens ignoriere die Formulierung, dass die Aufsichtsbehörden häufig überkantonal geregelt sind. Mit 25 zu 16 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) sprach sich der Ständerat für die Minderheit und somit für den Status quo aus.
Ausführlich diskutiert wurde auch die Frage der Entschädigung von Vermittlertätigkeiten im BVG. Der Bundesrat wollte diesbezüglich eine neue Regelung zur Entschädigung von Vermittlerinnen und Vermittlern schaffen. Konkret sollte der Bundesrat regeln können, «unter welchen Voraussetzungen Vorsorgeeinrichtungen [...] Entschädigungen [für Vermittlungen] bezahlen dürfen». Die Kommissionsmehrheit lehnte eine solche Regelungskompetenz ab, wie Erich Ettlin erläuterte. Man befürchtete, dass Vermittlerinnen und Vermittler zukünftig nicht mehr wie bis anhin über Courtagen der Pensionskassen, also als über Anteile des vermittelten Umsatzes, abrechnen könnten, sondern «nur noch über Direktzahlung durch den Arbeitgeber». Damit hätten die KMU aber Anreize, sich in dieser Frage nicht mehr beraten zu lassen. Eine solche Beratung sei aber nicht nur bei einem allfälligen Wechsel der Pensionskasse, sondern zur laufenden Betreuung der Fälle relevant. Zudem würde diese Thematik aktuell in der Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes diskutiert. Hans Stöckli (sp, BE) legte die Problematik aus Sicht der Minderheit dar, welche sich für die bundesrätliche Lösung einsetzte: So sei das Finden einer zweiten Säule gemäss Vorschriften Sache des Arbeitgebers, weshalb nicht Pensionskassengelder dafür eingesetzt werden dürfen – diesbezüglich verwies hingegen Ruedi Noser (fdp, ZH) auf die gemeinsame Verantwortung der Arbeitgebenden und der Arbeitnehmendenvertretenden in dieser Frage und leitete daraus die Notwendigkeit von Vermittlung ab. Zudem bestünden gemäss Stöckli im aktuellen System Fehlanreize, weil die Interessen der Vermittlerinnen und Vermittler in die Beratung einflössen. Bundesrat Berset erläuterte schliesslich, dass es bei der vorliegenden Bestimmung nicht um ein Verbot der Vermittlung gehe, sondern um eine Kompetenzdelegation an den Bundesrat. Dieser würde eine entsprechende Regelung vorschlagen und eine Vernehmlassung dazu durchführen. Dennoch lehnte der Ständerat die Bestimmung mit 28 zu 14 Stimmen ab.
Unbestritten blieben die übrigen Regelungen im BVG bezüglich Präzisierung der Aufgaben der Expertin oder des Experten für berufliche Vorsorge, den Regelungen zur Übernahme der Rentnerbestände, den Aufgaben des Sicherheitsfonds sowie dem Informationsaustausch zwischen Vorsorgeeinrichtungen und der ZAS der AHV.

Änderungen nahm der Rat überdies auch in zahlreichen weiteren Gesetzestexten, wie dem ZGB, im Invalidengesetz, im Ergänzungsleistungsgesetz, in der Erwerbsersatzordnung oder im Familienzulagengesetz, stillschweigend vor. Lediglich die Frage, ob die rechtlichen Bedingungen für eine elektronische Übermittlung von verfahrensrelevanten Dokumenten – wie sie die SGK-SR in der Vorlage ergänzen wollte – im Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) gegeben sind oder nicht, führte noch zu Diskussionen. Das EDI hatte eine solche Berechtigung gemäss Hans Stöckli verneint – vorher müsse das Bundesgesetz über die Plattform für die elektronische Kommunikation in der Justiz verabschiedet werden. Somit beantragte Stöckli, den entsprechenden Einschub der Kommission abzulehnen, da er gemäss EDI «nicht dienlich ist, die angestrebten Ziele umzusetzen». Erich Ettlin (mitte, OW) wies hingegen auf eine ähnliche Regelung im AVIG hin, bei der dieselbe Problematik bestanden habe. Äusserst knapp nahm der Ständerat die entsprechende Regelung mit 21 zu 20 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) an.
Einstimmig (mit 43 zu 0 Stimmen) hiess er die Vorlage in der Gesamtabstimmung gut.

Aufsicht in der 1. Säule (BRG 19.080)

In der Sommersession 2021 war es erneut am Ständerat, die Vorlage zum Tabakproduktegesetz zu beraten. Dabei galt es, über gut 20 Differenzen zum Nationalrat zu befinden. Dieser hatte in seiner Behandlung insgesamt weniger weitreichende Regelungen beschlossen als das Stöckli in seiner ersten Beratung. Kommissionssprecher Josef Dittli (fdp, UR) erklärte, dass der Mehrheit der SGK-SR der Jugendschutz und die Ratifizierung des WHO-Übereinkommens ein Anliegen sei. Um dieses nicht zu gefährden, möchte die Kommission an einigen Artikeln festhalten oder unterbreite gangbare Kompromisse. Wie sich jedoch im Verlaufe der Behandlung zeigen sollte, folgte die kleine Kammer mehrfach Minderheits- und Einzelanträgen, welche weniger weit gehen wollten als die Kommissionsmehrheit.
Bezüglich Zusammensetzung der Tabakprodukte und ihrer Emissionen sprach sich der Ständerat mit 26 zu 18 Stimmen für einen Minderheitsantrag Müller (fdp, LU) aus, der das vom Nationalrat vorgesehene Mentholverbot streichen wollte. Gemäss Müller bestehen «keine gefestigten wissenschaftlichen Erkenntnisse» zum Abhängigkeitspotenzial solcher Stoffe. Die Kommissionsmehrheit hätte eine Lösung vorgesehen, die das Verbot auf Zigaretten und Tabak zum Selbstdrehen beschränkt, elektronische Zigaretten, erhitzte Tabakprodukte und Snus hingegen von der Regelung ausgeklammert hätte. Weiter hielt das Stöckli an seinem Beschluss fest, dass nicht der Bundesrat über die verbotenen Zutaten bestimmen können soll, sondern dass diese im Gesetzesanhang aufzuführen seien.
Bei der Verpackung wollte die Kommission an der bundesrätlichen und ständerätlichen Fassung zur Produktinformation, welche auf resp. in der Verpackung enthalten sein soll, festhalten. Jedoch setzte sich im Rat ein Einzelantrag Français (fdp, VD), welcher wie die Nationalrätinnen und -räte wollte, dass nur die wichtigsten Informationen auf der Packung enthalten seien und für den Rest beispielsweise auf eine Internetseite verwiesen werde, mit 23 zu 21 Stimmen durch. Damit sollte die Notwendigkeit von grösseren Verpackungen und einer unnötigen Erhöhung des CO2-Fussabdrucks der Produkte verhindert werden.
Im Kapitel zur Werbung, Verkaufsförderung und Sponsoring kam der Ständerat dem Nationalrat weitgehend entgegen. Mit 25 zu 17 Stimmen stimmte er für einen Einzelantrag Z'graggen (mitte, UR), die gleich wie die grosse Kammer forderte, dass Werbung in Zeitungen, Zeitschriften und auf Internetseiten, die sich direkt an Minderjährige richten, untersagt werden solle. Vom Zusatz «die von Minderjährigen eingesehen werden», wie es die erste ständerätliche Fassung beinhaltet hatte, wurde abgesehen, da daraus gemäss Z'graggen ein totales Werbeverbot resultieren würde. Weiter kippte die kleine Kammer das generelle Werbeverbot in Zeitungen, Zeitschriften, anderen Publikationen und im Internet aus dem Entwurf, indem sie im entsprechenden Punkt mit 20 zu 20 Stimmen und dem Stichentscheid des Ratspräsidenten Kuprecht (svp, SZ) dem Nationalrat folgte. Hans Stöcklis (sp, BE) Warnung, dass dadurch ein Rückzug der Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung» unwahrscheinlich werden dürfte, und Gesundheitsminister Bersets Bedenken, dass sich eine Ratifizierung des WHO-Übereinkommens unter diesen Umständen schwierig gestalte, blieben wirkungslos.
Untersagt werden soll hingegen, wie vom Nationalrat vorgeschlagen, die Werbung auf von öffentlichem Grund aus einsehbaren Plakaten, in Kinos, in und an öffentlichen Verkehrsmitteln, in und an Gebäuden mit öffentlichem Zweck und deren Arealen sowie auf Sportplätzen und bei Sportveranstaltungen. Stillschweigend folgte die kleine Kammer dem Nationalrat zudem bezüglich Sponsoring durch Tabakfirmen, das nicht nur bei Veranstaltungen internationaler Natur verboten werden soll, sondern auch, falls die Veranstaltungen auf Minderjährige abzielten. Die bestehende Differenz zwischen den zwei Räten bei der Verkaufsförderung konnte indes nicht beseitigt werden. Mit 22 zu 16 Stimmen (bei 1 Enthaltung) hielt das Stöckli an seinem Beschluss fest, dass das Verkaufsförderungsverbot nicht nur Tabakprodukte zum Rauchen, sondern auch E-Zigaretten und «Gegenstände, die eine funktionale Einheit mit einem Tabakprodukt bilden», einschliessen soll. Dass Zigarren und Zigarillos davon ausgenommen werden sollen, hiess die kleine Kammer hingegen gut. Ferner beharrte der Ständerat auf seiner Meinung, dass die Kantone über die Kompetenz verfügen sollen, strengere Werbevorschriften zu erlassen.
Eine weitere Differenz zwischen den beiden Räten bestand im Zusammenhang mit der Meldepflicht von Ausgaben für Werbung, Verkaufsförderung und Sponsoring. Die Kommissionsmehrheit schlug einen Mittelweg zwischen der nationalrätlichen Position, auf eine Meldepflicht gänzlich zu verzichten, und der ursprünglichen ständerätlichen Fassung, welche nach den einzelnen Bereichen aufgetrennte Meldungen vorsah, vor. Konkret sollten Unternehmen lediglich zur Nennung eines einzigen Betrages für Marketingaktivitäten verpflichtet werden. Auch sollte es möglich sein, den Betrag in aggregierter Form, beispielsweise als Summe einer ganzen Branche, zu melden. Die Mehrheit des Ständerats liess sich jedoch nicht davon überzeugen und folgte stattdessen mit 24 zu 20 Stimmen einer Minderheit Gapany (fdp, FR), welche sich für die Version des Nationalrates einsetzte.
Schliesslich kam der Ständerat der Forderung des Nationalrates auf eine Änderung im Bundesgesetz zum Schutz vor Passivrauchen, welche das Verwenden von E-Zigaretten und Tabakprodukten zum Erhitzen in Restaurations- und Hotelbetrieben sowie in spezialisierten Verkaufsgeschäften in gewissen Zonen erlauben wollte, mit 39 zu 2 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) nicht nach. Zudem beschloss das Stöckli auf Antrag seiner Kommission neu, das Tabakproduktegesetz als indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung» zu klassifizieren.

Tabakproduktegesetz (BRG 15.075)
Dossier: Tabakproduktegesetz

In der Sommersession 2021 behandelte der Ständerat ein Postulat Carobbio Guscetti (sp, TI), das den Bundesrat zum Aufzeigen von Massnahmen aufforderte, die nötig sind, um Menschen mit einer geistigen Behinderung eine umfassende politische Teilhabe zu ermöglichen. In ihrer Begründung verwies die Postulantin auf die 2014 von der Schweiz ratifizierte Behindertenrechtskonvention der UNO, die die Vertragsstaaten verpflichtet, Hindernisse für Personen mit einer Behinderung abzubauen, damit diese möglichst gleichberechtigt an der Gesellschaft teilhaben können. Artikel 29 der Konvention garantiert Menschen mit Behinderung auch gleiche politische Rechte, die ihnen durch EU-Mitgliedstaaten zunehmend auch eingestanden würden, so die Tessiner Ständerätin. Mit Ausnahme des jüngsten Beispiels des Kantons Genf sind dauerhaft urteilsunfähige Menschen über 18 Jahre in der Schweiz bis anhin vom Stimm- und Wahlrecht ausgeschlossen. Im November 2020 hatte Genf in einer Volksabstimmung mit einem Ja-Anteil von 75 Prozent allen Personen mit Behinderung das Stimm- und Wahlrecht erteilt. Nachdem der Bundesrat die Annahme des Postulats beantragt hatte, kam der Ständerat diesem Antrag nach.

Menschen mit einer geistigen Behinderung sollen umfassend am politischen und öffentlichen Leben teilhaben können (Po. 21.3296)

In der Sommersession 2021 behandelte der Ständerat den Vorschlag seiner SGK über die Vollstreckung der Prämienzahlungspflicht. Kommissionssprecher Rechsteiner (sp, SG) fand anerkennende Worte für die ihr zugrundeliegende Standesinitiative des Kantons Thurgau, zumal diese nicht nur vollständig umgesetzt werde – was für Standesinitiativen sehr ungewöhnlich sei –, sondern im Gesetzesvorschlag gar übertroffen werde. Basierend auf der Initiative sei die Kommission die Probleme in diesem Themenbereich mithilfe der Verwaltung, der GDK und der Versichererverbände nämlich gleich «integral» angegangen. Eintreten war in der Folge unbestritten.
Ohne Diskussionen und stillschweigend bereinigte der Ständerat anschliessend die meisten Aspekte der Vorlage: eine Übernahme von 85 Prozent der Forderungen der Krankenversicherungen durch die Kantone sowie eine Zusage von 50 Prozent des Erlöses bei Zahlung der Schuld im Gegenzug gegen die Übertragung der Verlustscheine auf die Kantone; das Verbot, volljährig gewordene Personen für ausstehende Prämien aus ihrer Kindheit zu belangen sowie das Verbot, Kinder wegen Prämienausständen auf eine schwarze Liste zu setzen und ihnen folglich Leistungen zu verweigern (entsprechend der Motion 19.4290); die Beschränkung der maximalen Anzahl Betreibungen auf zwei – ausser die Betreibungen haben zu einem Verlustschein geführt; die Einführung einer eingeschränkten Wahl der Leistungserbringenden für säumige und betriebene Prämienzahlende sowie die Ermächtigung für den Bundesrat, Bestimmungen über die Bemessung von Gebühren zu erlassen.
Bereits in der Eintretensdebatte hatte sich jedoch gezeigt, dass ein Aspekt der Vorlage sehr umstritten sein würde, nämlich die Frage, ob Listen säumiger Prämienzahlender, sogenannte schwarze Listen, zukünftig verboten werden sollen. Diesen Antrag einer Kommissionsminderheit kritisierte der Thurgauer Ständerat Jakob Stark (svp, TG), dessen Kanton entsprechende Listen führt, deutlich. In seinem Kanton habe sich gezeigt, dass etwa die Hälfte der Personen, die ihre Prämien nicht bezahlten, durchaus über genügend Geld verfügen würden. Sein Kanton biete den Betroffenen ein Case-Management an, mit dem sie ihren Finanzhaushalt sanieren könnten. Von diesem Angebot machten die meisten Leute jedoch erst dann Gebrauch, wenn sie auf der schwarzen Liste stünden. Diese Verbindung von schwarzer Liste und Case-Management sei sehr erfolgreich, so fielen in vergleichbaren Kantonen vier- bis fünfmal höhere Kosten für ausstehende Prämien an als im Kanton Thurgau. Entsprechend müsse man eine solche Verbindung eigentlich allen Kantonen vorschreiben, solle es ihnen aber zumindest nicht verbieten. Paul Rechsteiner (sp, SG) erläuterte für die Kommission, dass heute noch sechs Kantone (AG, LU, SG, TG, TI, ZG) eine solche Liste führten, während die Kantone Graubünden, Solothurn und Schaffhausen sie in den letzten Jahren abgeschafft hätten und auch der Kanton St. Gallen dabei sei, die entsprechende Regelung zu streichen. Die Kommissionsmehrheit wolle den Kantonen diese Möglichkeit belassen und stattdessen den umstrittenen Begriff eines «medizinischen Notfalls» im Hinblick auf das Gerichtsurteil von 2018 aus dem Kanton St. Gallen auf Bundesebene definieren. Josef Dittli (fdp, UR) verteidigte in der Folge den Minderheitsantrag auf Streichung der schwarzen Listen. Diese Streichung sei in der Vernehmlassungsvorlage noch enthalten gewesen und von der Mehrheit der Teilnehmenden befürwortet worden, darunter von sämtlichen Krankenversicherungen, 19 Kantonen, der GDK und der FMH. Zahlreiche Kantone hätten die Listen in der Zwischenzeit abgeschafft, da sie «nicht die gewünschten Ergebnisse» erzielt und mehr Aufwand als Nutzen gebracht hätten. Aufgrund einer Ungleichbehandlung der Versicherten hinsichtlich des Zugangs zur medizinischen Versorgung, zahlreicher Umsetzungsprobleme, fehlender Evidenz für eine Wirkung der Listen auf die offenen Ausstände, der Verlagerung des Problems an die Leistungserbringenden, eines hohen Administrationsaufwands sowie hoher Kosten beantrage die Kommissionsminderheit die Streichung der Listen. Mit 22 zu 22 Stimmen zeigte sich die Meinung im Ständerat zu dieser Frage geteilt: Mit Stichentscheid von Präsident Kuprecht (svp, SZ) sprach sich die kleine Kammer für die Kommissionsmehrheit und somit für ein Beibehalten der schwarzen Listen aus. Fast einstimmig (mit 43 zu 1 Stimme) nahm sie den Entwurf anschliessend in der Gesamtabstimmung an.

Vollstreckung der Prämienzahlungspflicht der Versicherten (Kt. Iv. 16.312)
Dossier: Schwarze Liste für säumige Prämienzahlende

Nachdem das Parlament den indirekten Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative in der Frühjahrssession verabschiedet hatte, musste der Ständerat in der Sommersession 2021 noch über die Volksinitiative selbst befinden – der Nationalrat hatte seine ablehnende Empfehlung bereits in der Wintersession 2019 gefällt. Kommissionssprecher Erich Ettlin (mitte, OW) fasste noch einmal die Anliegen des Initiativkomitees zusammen und legte dar, inwiefern diese Forderungen im Gegenvorschlag aufgenommen worden waren. Er sei der Ansicht, dass man dem Initiativkomitee bereits «weit entgegengekommen» sei, weshalb die SGK-SR die Initiative zur Ablehnung empfehle. Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) erklärte als Mitglied des Initiativkomitees, dass zwar die beiden Punkte zur Ausbildungsoffensive und zur Vergütung gewisser Pflegeleistungen durch die OKP ohne die Notwendigkeit einer ärztlichen Anordnung in den indirekten Gegenvorschlag integriert worden seien, dass aber mit den verbesserten Arbeitsbedingungen ein zentraler Aspekt der Initiative im Gegenvorschlag fehle. Es sei daher noch offen, ob das Initiativkomitee die Initiative zurückziehen werde. Für Gesundheitsminister Berset stand die Relevanz der Pflegebranche ausser Frage, er gab allerdings unter anderem zu bedenken, dass es nicht ideal sei, Details in die Verfassung zu schreiben, die einen Effekt auf bestimmte Berufsgruppen hätten. Vielmehr seien dazu andere Mittel und Wege nötig. Mit 28 zu 14 Stimmen empfahl das Stöckli die Initiative daraufhin den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern zur Ablehnung. In den beiden Schlussabstimmungen, welche noch in der gleichen Session stattfanden, sprachen sich die grosse Kammer mit 116 zu 74 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) und die kleine Kammer mit 30 zu 14 Stimmen für den Bundesbeschluss auf Empfehlung zur Ablehnung aus.

Für eine starke Pflege (Pflegeinitiative). Volksinitiative und indirekter Gegenvorschlag (BRG 18.079 & Pa.Iv. 19.401)
Dossier: Die Pflegeinitiative und ihre Umsetzung