Im Frühjahr präsentierte der Bundesrat die Inhalte der seit langem in Aussicht gestellten Gen-Lex-Vorlage. Im Mittelpunkt der Botschaft zur Gen-Lex, die den Artikel 120 der neuen Bundesverfassung konkretisiert, steht eine Änderung des Umweltschutzgesetzes, wobei aber auch entsprechende Anpassungen bei einer Reihe weiterer Bundesgesetze vorgenommen werden müssen. Umweltminister Leuenberger war mit seiner Forderung nach einem Verbot für die kommerzielle Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen (GVO) nicht durchgedrungen. Die Botschaft enthielt weder ein solches Verbot noch ein Moratorium, wie es der Direktor des Bundesamts für Wald und Landschaft (BUWAL), Philippe Roch, vorgeschlagen hatte. Hingegen wurde die Haftungsfrage strenger geregelt. Vorgesehen war eine Haftpflicht der Hersteller von GVO mit einer Verjährungsfrist von 30 Jahren. Die Frist soll der Tatsache Rechnung tragen, dass allfällige Schäden erst in einer nächsten Generation bekannt werden können. Bei Schäden, welche auf eine unsachgemässe Verwendung von GVO zurückzuführen sind, hafte hingegen die Anwenderin oder der Anwender – bei einer maximalen Schadensumme von 20 Mio Fr. Um einem umfassenden Umwelt- und Tierschutz gerecht zu werden, soll im weiteren der verfassungsmässig verankerte Begriff der „Würde der Kreatur“ in der Gen-Lex konkretisiert werden. Der Bundesrat schränkte den Begriff in seiner Botschaft rechtlich auf Tiere und Pflanzen ein. Eine Verletzung derer Würde liege bei einer Tangierung ihrer artspezifischen Eigenschaften vor. Angesichts des weiten Interpretationsspielraums dieser Norm wurde die Eidgenössische Ethikkommission für die Biotechnologie im ausserhumanen Bereich mit der entsprechenden Güterabwägung beauftragt. Zum Pflichtenheft der Kommission soll zudem die Information der Öffentlichkeit gehören, welcher der Bundesrat in der Vorlage grosse Bedeutung zuschrieb. Die Botschaft sieht unter anderem ein allgemeines Aktenzugangsrecht sowie die Förderung des Dialogs mit der Bevölkerung vor. In diesem Zusammenhang hatte der Nationalrat in der Frühjahrssession eine Motion Gonseth (gp, BL) in abgeschwächter Form als Postulat überwiesen und damit vom Bundesrat gefordert, die Einführung des Öffentlichkeitsprinzips mit Geheimhaltungsvorbehalt in der Gen-Lex zu prüfen. Zur Umsetzung des Öffentlichkeitsprinzips war mit der Motion eine Verankerung folgender Punkte in der Gen-Lex verlangt worden: offene Information über alle neu angemeldeten Freisetzungsgesuche durch die zuständigen Bundesämter, Akteneinsicht für alle sowie eine einheitliche Informationspolitik in allen Bundesämtern, die in Bewilligungsverfahren von GVO involviert sind.
«Gen-Lex»Dossier: Gentechnisch veränderte Organismen (GVO) in der Schweiz