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  • Flach, Beat (glp/pvl, AG) NR/CN
  • Allemann, Evi (sp/ps, BE) NR/CN
  • Wobmann, Walter (svp/udc, SO) NR/CN
  • Leuthard, Doris (cvp/pdc) BR UVEK / CF DETEC

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Jahresrückblick 2019: Kultur, Sprache, Kirchen

2019 war hinsichtlich der Kultur-, Sprach- und Kirchenpolitik vergleichsweise ein eher moderater Jahrgang, sowohl im Vergleich zu anderen Politikbereichen, als auch im direkten Vergleich zu den Vorjahren. Eine APS-Zeitungsanalyse zeigt auf, dass alle drei Politikbereiche von einem rückläufigen Trend betroffen sind, wobei sich dieser besonders in der Medienberichterstattung zur Kirchen- und Religionspolitik am stärksten zeigt – hier hat sich der Anteil themenspezifischer Artikel seit 2016 nahezu halbiert. Im Jahresverlauf wurden über die drei Themenbereiche betrachtet unterschiedliche Entwicklungen ersichtlich: Während die Sprachthemen auf nationaler Ebene offensichtlich im Allgemeinen wenig Beachtung fanden, wurden kirchenpolitische Themen besonders Anfangs und Ende Jahr stark diskutiert und fielen dann dem obligaten «Sommerloch» zum Opfer. Die Kulturpolitik hingegen sah sich mit einem regelrechten «Sommerhoch» konfrontiert, nachdem es ab März 2019 eher ruhig geworden war.

Das Hauptaugenmerk der Parlamentarierinnen und Parlamentarier lag 2019 hinsichtlich der kulturpolitischen Entwicklungen mit Sicherheit auf der Revision des Schweizer Urheberrechts. Nach rund 7-jähriger Vorarbeit und einer vom Ständerat im Frühjahr 2019 zwecks Sondierung der Lage des europäischen Urheberrechts auferlegten Rückweisung, wurden im Sommer schliesslich die Weichen gestellt und das Gesamtpaket im Herbst gebündelt. Da die angestrebte Revision Einfluss auf verschiedene Bereiche hat, blieben die negativen Reaktionen indes nicht aus; deshalb ist es auch wenig erstaunlich, dass kurz nach der Schlussabstimmung bereits das Referendum ergriffen wurde. Ob die URG-Revision effektiv gelungen ist, wird sich Mitte Januar 2020 zeigen, wenn die Referendumsfrist abgelaufen ist.
Die Ratifizierungen internationaler Abkommen wie des Übereinkommens über den Schutz des Unterwasser-Kulturerbes und des Rahmenübereinkommens des Europarats über den Wert des Kulturerbes standen hingegen ausser Diskussion.
Ein anderer Fokus wurde im Kulturjahr 2019 wiederum auf die Kulturförderung gelegt. Im Frühjahr wurde die Kulturbotschaft 2021–2024 in die Vernehmlassung geschickt und bis im September zur Stellungnahme freigegeben. Der Ergebnisbericht lag Ende Jahr zwar noch nicht vor, jedoch geben die im Verlauf des Jahres gefällten Entscheide zu diversen Vorstössen mit Referenz auf die Kulturbotschaft (Kulturabgeltung an die Stadt Bern, Einführung eines schweizerischen Jugendkulturgutscheins, Auswirkungen der Urbanisierung auf die Kulturförderung, Aufgabenteilung zwischen SBFI und BAK, Erhöhung des Kredits für die Förderung des Sprachaustausches) einen ersten Hinweis auf mögliche Herausforderungen hinsichtlich der weiteren Beratungen .
Auch im Bereich Heimatschutz und Denkmalpflege blieben die Institutionen nicht untätig. So wurde eine Motion Regazzi (cvp, TI; Mo. 17.4308), die eine Anpassung der Bewertungskriterien für die ISOS-Aufnahme verlangte, stillschweigend angenommen und die Vernehmlassungsergebnisse zur Totalrevision des VISOS vielen mehrheitlich positiv aus, was auf ein Inkrafttreten der revidierten Verordnung auf den 1. Januar 2020 hindeutete.
In der ausserparlamentarischen Debatte fand das Fête de Vignerons, das drei Jahre nach seiner Aufnahme ins UNESCO Weltkulturerbe und 20 Jahre nach der letzten Austragung neuerlich in Vevey (VD) stattfand, grosse Beachtung – leider aufgrund der finanziellen Bruchlandung nicht nur positive. Ein wiederkehrendes Thema war 2019 auch die Raubkunst, wobei der Fokus in diesem Jahr auf den afrikanischen Kontinent und die im Kontext der Kolonialisierung erbeuteten Schätze gerichtet wurde. Auch das Volk der Fahrenden war 2019 insbesondere in den Kantonen ein Thema, da sich die Frage der Durchgangsplätze nicht nur im Kanton Bern aufgetan hatte.

Im Bereich der Sprachpolitik standen in diesem Jahr die Mehrsprachigkeit und damit zusammenhängend die Förderung des Austausches zwischen den Sprachgemeinschaften sowie der Erhalt des Rätoromanischen im Fokus. So forderte eine Motion Bourgeois (fdp, FR; Mo. 17.3654), dass öffentliche Ausschreibungen des Bundes künftig in den wichtigsten Landessprachen zu erfolgen hätten, und eine Motion Gmür-Schönenberger (cvp, LU; Mo. 18.4156), dass TV-Produktionen nicht mehr synchronisiert, sondern sowohl Eigenproduktionen in den Landessprachen, als auch englischsprachige Produktionen in der Originalsprache ausgestrahlt und lediglich noch untertitelt werden sollen.
Mit dem Begehen der 100-Jahr-Feier der Lia Rumantscha wurden indes Bestrebungen aufgezeigt, das Rätoromanische wieder mehr aufs Parkett zu bringen und insbesondere auch einem Publikum ausserhalb des Bergkantons ins Gedächtnis zu rufen. Nicht zuletzt seit einem im Frühjahr erschienene Bericht des ZDA war deutlich geworden, dass es für das Rätoromanische in der Schweiz fünf vor zwölf geschlagen hat.

In Bezug auf kirchen- und religionspolitische Themen stand in diesem Jahr die SVP mit ihren islamkritischen Parolen auf prominentem Parkett. Mit ihrem Vorstoss zur Bekämpfung der Ausbreitung eines radikalen Islams war sie im Parlament zwar gescheitert, generierte aber mit den daraus resultierenden Wahlplakaten des der SVP nahestehenden Egerkinger-Komitees im Vorfeld der eidgenössischen Wahlen 2019 ein grosses Medienecho. Auch die Motion Wobmann (svp, SO; Mo. 17.3583), die ein Verbot der Verteilaktion «Lies!» zum Ziel hatte, scheiterte – nach einer rund 1.5-jährigen Sistierung – am Ständerat. Wie eine bereits im Sommer veröffentlichte Studie aufzeigte, nahm die SVP auch in den Kantonen eine dominante Rolle in der Religionsdebatte ein. So war es nur wenig erstaunlich, dass die Anfangs Jahr neuerlich aufkommende Frage, ob man als guter Christ noch die SVP wählen dürfe, wieder zu diskutieren gab; nicht zuletzt, weil damit auch verschiedentliche Kirchenaustritte – nebst den ohnehin zunehmenden Kirchenaustritten – von SVP-Politikerinnen und -Politikern einhergingen, welche sich lieber dem Churer Bischof Huonder zuwenden wollten. Dieser seinerseits wurde schliesslich nach zweijährigem Aufschub zu Pfingsten Abberufen, nutzte die Zeit bis dahin aber für einen Rundumschlag gegen die Landeskirchen und stellte sich noch immer quer zu den Missbrauchsvorwürfen in der Kirche.
Wie sich die Kirche zum Staat verhalten soll und in welchem Masse sich Theologen in die politische Debatte einbringen dürfen, wurde seit Anfang Jahr im Rahmen eines von Gerhard Pfister (cvp, ZG) neu gegründeten Think-Tanks «Kirche/Politik» erläutert.
Eine für viele eher überraschende Kunde kam im Herbst von Seiten der reformierten Kirchen: Diese hatten sich nach langen Diskussionen für die «Ehe für alle» ausgesprochen, wobei sie im Wissen um die konservativen Kräfte innerhalb der Glaubensgemeinschaft die Gewissensfreiheit der Pfarrpersonen gewährleisten wollten. Unerfreulich waren 2019 die Meldungen über die Rückkehr und rasche Zunahme des Antisemitismus in der Schweiz.

Die 2019 im Vorfeld des angekündigten Frauenstreiks virulent diskutierte Genderthematik fand ihren Einzug auch im Bereich der Kultur, Sprache und Kirche. So wurden Frauen, und spezifisch ihr Schaffen und ihre Stellung in der Kunst und Kultur, wesentlich stärker thematisiert als in den vergangenen Jahren. Auch die Diskussion um gendergerechte Sprache wurde in diesem Jahr wieder virulenter aufgegriffen. Besonders überraschend kam auch die Ankündigung der Kirchenfrauen, sich am diesjährigen Frauenstreik zu beteiligen, um ein Zeichen gegen die männliche Dominanz innerhalb der Institution zu setzen.

Jahresrückblick 2019: Kultur, Sprache, Kirchen
Dossier: Jahresrückblick 2019

Jahresrückblick 2019: Institutionen und Volksrechte

Der Bundesrat stand aus mindestens vier Gründen 2019 im Fokus der politischen Debatte. Zuerst gab die Departementsverteilung im Nachgang der Bundesratsersatzwahlen vom Dezember 2018, bei denen Doris Leuthard (cvp) und Johann Schneider-Ammann (fdp) durch Viola Amherd (cvp) und Karin Keller-Sutter (fdp) ersetzt worden waren, zu reden (vgl. auch den entsprechenden Peak bei der Medienberichterstattung). Nicht nur, dass mit Viola Amherd zum ersten Mal in der Geschichte der Schweiz eine Frau das VBS übernahm, sondern auch der Wechsel von Guy Parmelin ins WBF und von Simonetta Sommaruga ins UVEK wurden in den Medien diskutiert. Kommentiert wurde dabei insbesondere, dass die Verteilung offenbar erst nach einem Mehrheitsbeschluss innerhalb des Gremiums zustande gekommen war, was als schlechter Start und Herausforderung für die künftige Konkordanz interpretiert wurde. Mit der Wahl von zwei Frauen in die Landesregierung wurde der Debatte um die verfassungsmässige Festschreibung einer Frauenquote im Bundesrat der Wind aus den Segeln genommen. Ein entsprechender Vorstoss, der vom Ständerat noch angenommen worden war, wurde vom Nationalrat versenkt. Auch die Idee einer Karenzfrist, also das Verbot für ehemalige Magistratspersonen, Mandate von Unternehmen anzunehmen, die in Beziehung zu ihrem Regierungsamt stehen, wurde – wie schon 2015abgelehnt. Die Gesamterneuerungswahlen für den Bundesrat Ende Jahr lösten eine breite und medial stark begleitete Debatte um Zauberformel, Konkordanz, Systemstabilität und die Ansprüche der bei den Wahlen 2019 sehr erfolgreichen Grünen Partei auf einen Bundesratssitz aus. Die Mehrheit des Parlaments entschied sich, Regula Rytz, die Sprengkandidatin der Grünen, nicht anstelle von Ignazio Cassis in die Exekutive zu wählen.

Auch die Zusammenarbeit zwischen Regierung und Parlament war im Berichtjahr Gegenstand parlamentarischer Arbeit. Beraten wurde dabei insbesondere die Idee eines Verordnungsvetos. Die auf eine parlamentarische Initiative Aeschi (svp, ZG; Pa.Iv. 14.422) zurückgehende, 2014 eingereichte Idee sieht vor, dass ein Drittel der Mitglieder eines Rates gegen die Veröffentlichung einer bundesrätlichen Verordnung ein Veto einlegen kann, wenn die Stossrichtung der Verordnung nicht dem Willen des Parlaments entspricht. Während sich eine Mehrheit des Nationalrats davon eine präventive Wirkung erhoffte, lehnte die Mehrheit des Ständerats die Vorlage als zu kompliziert ab. Ein weiteres Mal abgelehnt wurde – ebenfalls nach längeren Diskussionen – die Idee einer Neuorganisation der Legislaturplanung. Das Parlament debattiert in schöner Regelmässigkeit seit der 2002 eingeführten Änderung, ob die Diskussionen um die zahlreichen Änderungsanträge an der Legislaturplanung zielführend seien. Der Antrag, die Planung wie vor 2002 einfach zur Kenntnis nehmen zu können und eben nicht als Bundesbeschluss behandeln zu müssen, stiess aber im Parlament erneut auf taube Ohren. Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass die Diskussion nach den eidgenössischen Wahlen 2019 erneut losgehen wird.

Im Nationalrat wurde 2019 die Frage erörtert, wie politisch die Verwaltung sei. Während eine Motion Bigler (fdp, ZH; Mo. 17.4127), die eine Offenlegung der Interessenbindungen von Kaderangestellten verlangt, von der grossen Kammer angenommen wurde, lehnte diese ein Postulat Burgherr (svp, AG; Po. 17.3423) ab, mit dem hätte untersucht werden sollen, wann und wie die Verwaltung effektiv politischen Einfluss ausübt. Dauerbrenner im Parlament waren auch 2019 Sparmassnahmen bei den Personalkosten in der Verwaltung. Diese sollten, wäre es nach dem Nationalrat gegangen, mit Hilfe von Digitalisierung oder durch einen Ausgabenstopp in den Griff bekommen werden – der Ständerat verweigerte aber jeweils seinen Segen dazu.

Im letzten Jahr der 50. Legislatur kam es im Parlament noch zu fünf Mutationen. Insgesamt wurden in der 50. Legislatur 26 Nationalrats- und zwei Ständeratsmandate ersetzt; rund ein Drittel der Mutationen war durch die SP-Fraktion zu verantworten. Das Büro-NR will sich in einem Bericht auf ein Postulat Feri (sp, AG; Po. 18.4252) der Vereinbarkeit der Parlamentsarbeit mit Familie und Beruf annehmen, einem Thema, das in den letzten Jahren immer virulenter zu werden scheint, wie verschiedene Vorstösse zeigen. Nicht einig wurde man sich in den Räten über verschiedene Spesenregelungen. Die SPK-NR entschloss sich deshalb, mit einer Kommissionsinitiative (Pa.Iv. 19.431) wenigstens die Übernachtungsentschädigungen einheitlicher zu organisieren. Diskutiert wurde im Parlament auch 2019 wieder über Regeln für transparenteres Lobbying. Die seit Langem schwelende Debatte, die spätestens 2015 mit der sogenannten «Kasachstan-Affäre» viel Fahrt aufgenommen hatte, wurde allerdings stark abgebremst: Fast wäre auch der letzte, ziemlich zahnlose Vorstoss in diese Richtung versandet, wenn nicht der nach den eidgenössischen neu zusammengesetzte Nationalrat den Nichteintretensentscheid auf einen Vorschlag der SPK-SR sozusagen in letzter Minute zurückgenommen hätte.

Etwas stärker in den Fokus als auch schon geriet 2019 die Judikative, was sich auch in der Medienkonjunktur zu diesem Thema zwischen März und September 2019 beobachten lässt. Dies hatte einerseits damit zu tun, dass im Nationalrat über die Revision des ziemlich umstrittenen Bundesgerichtsgesetzes debattiert wurde – insbesondere die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird wohl auch 2020 noch zu reden geben, auch wenn der Ständerat kurz vor Ende Jahr beschloss, nicht auf die Vorlage einzutreten. Andererseits standen einige Ersatzwahlen an, die jedoch in aller Regel geräuschlos über die Bühne gehen. Beinahe wäre jedoch eine Ersatzwahl ans Bundesgericht zur Ausnahme dieser Regel geworden, da die GK entgegen den Gepflogenheiten nicht die am stärksten untervertretene SVP, sondern die CVP berücksichtigte, was beinahe zu einer noch nie vorgekommenen Kampfwahl geführt hätte. Dafür, dass das Gerichtswesen auch in Zukunft im Gespräch bleibt, wird wohl auch die 2019 zustande gekommene Justizinitiative sorgen, die vorschlägt, oberste Richterinnen und Richter per Losverfahren zu bestimmen, um eben diese starke, dem Proporzgedanken geschuldete Verbindung zwischen Judikative und Parteien zu verhindern. Viel zu schreiben gab zudem die Bundesanwaltschaft. Nach langen und stark medial begleiteten Diskussionen zu einer Disziplinaruntersuchung um den amtierenden Bundesanwalts Michael Lauber wurde dieser erst nach einer Verschiebung der Wahl von der Sommer- in die Herbstsession und äusserst knapp für eine dritte Amtsperiode bestätigt.

Im Wahljahr 2019 trat die Nutzung der direkten Demokratie ein wenig in den Hintergrund. An zwei Abstimmungswochenenden wurde lediglich über drei Vorlagen abgestimmt. Dabei folgte die Mehrheit der Stimmbevölkerung sowohl bei den beiden Referenden (STAF und Waffenschutzrichtlinie) als auch bei der Zersiedelungsinitiative der Empfehlung von Parlament und Bundesrat. Die Ablehnung der Zersiedelungsinitiative bedeutet zudem, dass in der 50. Legislatur kein einziges Volksbegehren Erfolg hatte. Die wahlbedingte Abstimmungspause wird wohl in den folgenden Jahren zu einigen Abstimmungswochenenden mit mehreren Vorlagen führen, sind doch Ende 2019 ganze 16 Volksinitiativen im Unterschriftenstadium und 19 abstimmungsreif oder beim Bundesrat oder im Parlament in Beratung. Dafür, dass in Zukunft die direkte Demokratie umfassender genutzt werden könnte, sorgte das Parlament zudem mit seiner Entscheidung zur Kündigung von Staatsverträgen, die zukünftig nicht mehr dem Bundesrat, sondern der Legislative und im Falle eines Referendums der Stimmbevölkerung obliegt. Eines der anstehenden Volksbegehren ist die Transparenzinitiative, für die die SPK-SR 2019 einen indirekten Gegenentwurf in die Vernehmlassung gab, mit dem die Offenlegung der Finanzierung von Wahl- und Abstimmungskampagnen im Gesetz geregelt werden soll und der in der Wintersession vom Ständerat mit Anpassungen gutgeheissen wurde.

Einen herben Dämpfer erlitt 2019 die Idee des elektronischen Wählens und Abstimmens. Nachdem der Kanton Genf bereits Ende 2018 sein E-Voting-System eingestellt hatte und das System der Post in einem öffentlich ausgeschriebenen Stresstest den Anforderungen nicht standgehalten hatte, bestanden keine brauchbaren technischen Angebote mehr für die effektive Durchführung von «Vote électronique». Daher entschied sich der Bundesrat, sein Ziel, E-Voting als ordentlichen Stimmkanal einzuführen, vorläufig zu sistieren. Gegenwind erhielt der elektronische Stimmkanal zudem von einer Anfang 2019 lancierten Volksinitiative für ein E-Voting-Moratorium. Immerhin entschied sich der Nationalrat für eine Motion Zanetti (svp, ZH; Mo. 19.3294) mit dem Ziel, die Abstimmungsunterlagen elektronisch zustellen zu können.

Jahresrückblick 2019: Institutionen und Volksrechte
Dossier: Jahresrückblick 2019

Jahresrückblick 2019: Medien

Medienfragen wurden 2019 verglichen mit den Jahren zuvor sowohl medial als auch im Parlament eher selten diskutiert. Nach dem Peak im Jahr 2018 mit der No-Billag-Initiative standen 2019 vor allem der Umzug des SRG-Radiostudios von Bern nach Zürich und eines Grossteils des Fernsehens von Genf nach Lausanne sowie das neue Gesetz über elektronische Medien im Mittelpunkt des Interesses.

Nachdem sich der SRG-Verwaltungsrat im September 2019 für den Umzug eines Teils des SRG-Radiostudios und seiner Mitarbeitenden von Bern nach Zürich entschieden und die SRG überdies angekündigt hatte, dass Ähnliches womöglich auch der Fernsehproduktion in Genf drohe, hatten vier Parteipräsidenten sowie ein Vizepräsident (Pfister, cvp, ZG; Rytz, gp, BE; Landolt, bdp, GL; Rösti, svp, BE; Jans, sp, BS) im Nationalrat und ein in dieser Frage sehr engagierter Beat Vonlanthen (cvp, FR) im Ständerat gleichlautende parlamentarische Initiativen eingereicht, mit denen der SRG ihre Produktionsstandorte ausdrücklich vorgeschrieben werden sollten. Nach den ablehnenden Entscheiden der beiden Kommissionen zeigte sich bei der Behandlung der entsprechende Initiative von Beat Vonlanthen im Ständerat schnell, dass sie auch dort chancenlos sein würde. Um eine Niederlage zu verhindern, zog der Initiant seine Initiative vor der Abstimmung zurück. Ganz anders sah die Situation eine Woche später im Nationalrat aus: Mit 120 zu 54 Stimmen (bei 10 Enthaltungen) gab der Nationalrat den fünf nationalrätlichen Vorstössen Folge. Im Anschluss daran gab der SRG-Verwaltungsrat bekannt, das Zügelprojekt durch eine gesamthafte Audiostrategie zu ersetzen. Ein Teil des Umzugs würde dadurch verhindert, rund 80 Arbeitsplätze würden aber dennoch nach Zürich verlegt. Medien und Politik zeigten sich unschlüssig darüber, ob diese Nachricht als grosses Entgegenkommen der SRG oder als «halbherziges, dem politischen Druck geschuldetes Bekenntnis», wie es Martin Landolt ausdrückte, verstanden werden soll. Dennoch verzichtete der Ständerat im September stillschweigend darauf, den Initiativen sowie einer Standesinitiative des Kantons Genf (Kt.Iv. 19.306) mit einem ähnlichen Anliegen Folge zu geben.

Neben der Umzugsfrage drohte der SRG 2019 weiteres Ungemach aus dem Parlament: So standen einige Vorlagen im Raum, die die RTVG-Abgabe für Unternehmen und damit einen Teil der Einnahmen der SRG streichen wollten. Im Mittelpunkt stand die parlamentarische Initiative Rutz (svp, ZH; Pa.Iv. 18.405), welcher der Nationalrat im September Folge gab. Da Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Unternehmen bereits privat die Empfangsgebühr zu entrichten hätten, stelle die Unternehmensabgabe eine Doppelbelastung dar, hatte zuvor die KVF-NR in ihrer Empfehlung für Folge geben erklärt. In der Wintersession stimmte der Ständerat jedoch auf Antrag seiner KVF-SR dem Folgegeben des Nationalrats nicht zu. Die von den Stimmbürgern 2015 bestätigte Regelung sei erst Anfang 2019 in Kraft getreten und solle nun zuerst einmal beurteilt werden. Zudem würden die SRG und die privaten Radio- und Fernsehstationen bei Umsetzung der Initiative deutlich weniger Geld erhalten als bisher.
Bereits vor der anfänglichen Zustimmung zum Vorschlag von Gregor Rutz im Nationalrat hatte sich der Ständerat jedoch einverstanden gezeigt, im Rahmen eines Postulats Abate (fdp, TI; Po. 19.3235) Alternativen zur Methode der heutigen umsatzabhängigen Berechnung der Radio- und Fernsehabgabe für Unternehmen prüfen zu lassen. Zur Verhinderung von Doppelzählungen des Umsatzes von Arbeitsgemeinschaften, Holdings und dauerhaft miteinander verbundenen Unternehmen bei der Festlegung der Höhe der Abgabe gaben die beiden Kommissionen zudem einer parlamentarische Initiative Wicki (fdp, NW; Pa. Iv. 19.413) Folge. Anfang Dezember entschied überdies das Bundesverwaltungsgericht, dass die lediglich sechs Tarifstufen für die Festlegung der Unternehmensabgabe verfassungswidrig seien. Aufgrund der Rechtssicherheit sei die aktuelle Regelung bis zum Erlass einer neuen aber weiterhin anzuwenden.

Die Frage, wer zukünftig von der RTVG-Abgabe profitieren soll, wurde im Rahmen des neuen Gesetzes über elektronische Medien diskutiert. Dieses war von Bundesrätin Leuthard im Juni 2019 in die Vernehmlassung gegeben worden, wo es auf breite Kritik stiess. Simonetta Sommaruga, die 2019 das UVEK und somit auch dieses Dossier von Doris Leuthard übernahm, entschied schliesslich nach langen Diskussionen und Spekulationen über die Zukunft des Gesetzes, dieses nicht weiterzuverfolgen und stattdessen einzelne Probleme mithilfe eines Massnahmenpakets punktuell anzugehen. Neu sollen auch Onlineportale mit audio- und audiovisuellen, aber auch mit textlastigen Beiträgen einen Teil der Radio- und Fernsehabgabe erhalten, sofern sie kostenpflichtig sind. Zudem soll die indirekte Presseförderung in Form einer finanziellen Unterstützung der Postzustellung auf zusätzliche Titel ausgeweitet und erhöht werden – jedoch nur auf CHF 50 Mio. statt auf CHF 120 Mio., wie vorgängig von den Verlagen gefordert worden war.
Dass diese Aufstockung der indirekten Presseförderung die KVF-NR nicht vollständig zu überzeugen vermochte, zeigte die Annahme der parlamentarischen Initiative Engler (cvp, GR; Pa.Iv. 18.479) für eine Unterstützung der Presse in der digitalen Transformation, welche ihre Schwesterkommission bereits vor der Ankündigung des Bundesrates angenommen hatte. Im Unterschied zur KVF-SR lehnte die nationalrätliche Kommission gleichzeitig jedoch eine parlamentarische Initiative Savary (sp, VD; Pa.Iv. 18.480) ab, die diese Unterstützung nicht wie die Motion Engler aus allgemeinen Mitteln, sondern durch einen Teil der Abgabe für Radio und Fernsehen und durch die Überschüsse aus den Abgabenanteilen finanzieren wollte. Eher zufrieden mit dem bundesrätlichen Entscheid zum neuen Gesetz über elektronische Medien zeigte sich Michael Töngi (gp, LU; Pa.Iv. 19.417), der seine parlamentarische Initiative für ein Fördermodell für die elektronischen Medien mit der Begründung zurückzog, dass das vom Bundesrat vorgeschlagene Projekt «in die richtige Richtung» gehe.

Fortschritte gab es in der Frage um die Rückzahlung der zu Unrecht erhobenen Mehrwertsteuerbeträge. In Reaktion auf einen Bundesgerichtsentscheid vom November 2018 und eine überwiesene Motion Flückiger-Bäni (svp, AG; Mo. 15.3416) schickte das UVEK im Frühjahr einen Vorentwurf in die Vernehmlassung, der eine pauschale Rückvergütung an alle Haushalte in der Höhe von CHF 50 vorsah. Aufgrund der grossmehrheitlich positiven Stellungnahmen präsentierte der Bundesrat im November seine Botschaft zuhanden des Parlaments.

Jahresrückblick 2019: Medien
Dossier: Jahresrückblick 2019

APS-Jahresrückblick 2019

Was bewegte 2019 die Schweizer Politik? Welches waren die wichtigen Geschäfte im Parlament? Und was hat die politisch interessierte Öffentlichkeit bewegt? Année Politique Suisse erstellt seit 1965 eine Chronologie der Ereignisse zur Schweizer Politik.
Drei zentrale Befunde stechen 2019 hervor.
(1) Die Umweltpolitik war zentrales Thema in den Medien. Auch im Parlament wurde das Thema etwas häufiger debattiert als in den Vorjahren. Umweltschutz wird wohl wichtig bleiben, da 2019 so viele Vorstösse zu diesem Thema eingereicht wurden wie nie zuvor in den letzten beiden Legislaturen.
(2) Obwohl im Parlament im Vergleich zu den Vorjahren mehr zu den Themen Verkehr und Sozialversicherungen gearbeitet wurde, fanden die beiden Themen in den Medien nicht mehr Beachtung als in den Vorjahren.
(3) Wesentlich weniger wichtig als in den Vorjahren – sowohl im Parlament bezüglich bearbeiteter Geschäfte und neuer Vorstösse als auch in den Medien – waren 2019 die Migrations- und die Aussenpolitik.

Noch einer dieser zahlreichen Rückblicke am Ende des Jahres? Ja, aber beim APS-Jahresrückblick 2019 wird herausgehoben, was im vergangenen Jahr im Vergleich zu den Vorjahren besonders im Vordergrund gestanden hat. Wir haben uns die Frage gestellt, wie man wissenschaftlich(er), messen könnte, was 2019 wichtig war. Beim APS-Jahresrückblick richten wir uns einerseits nach den 2019 im Vergleich zu 2016 bis 2018 neu im Parlament eingereichten Vorstössen sowie nach den im Parlament behandelten Geschäften und messen damit, was für die Parlamentarierinnen und Parlamentarier wichtiger oder aktueller war als in den Jahren zuvor (Abbildung 2 im Quellenanhang). Andererseits orientieren wir uns an der Medienberichterstattung, indem wir den Anteil Medienberichte zu einem Thema 2019 mit dem durchschnittlichen Anteil des Themas 2016 bis 2018 vergleichen (Abbildung 1 im Quellenanhang). Wir gehen davon aus, dass die Medien dazu beitragen, die breite Öffentlichkeit an ansonsten grösstenteils geschlossenen Veranstaltungen teilnehmen zu lassen, gleichzeitig aber auch als Pförtner (Gatekeeper) einigen Themen einfacher Zugang zu dieser Öffentlichkeit verschaffen als anderen. Beide Masse vermögen zu zeigen, welche Themen 2019 wichtig waren und/oder welche vom Parlament bzw. von den Medien als wichtig erachtet wurden.

Zentrales Ereignis stellten 2019 die eidgenössischen Gesamterneuerungswahlen dar, deren Resultate als Indikatoren für die weiter zunehmende Volatilität des Schweizer Parteiensystems betrachtet werden können. In den meisten Kantonen trat nicht nur eine neue Rekordzahl an Kandidierenden auf einer neuen Rekordzahl an Listen an, darunter waren auch wesentlich mehr Frauen als früher. Dies wirkte sich auf die Neubesetzung des Parlaments aus, das vor allem weiblicher, aber auch jünger und grüner wurde. Wahlsiegerinnen waren ohne Zweifel die Grünen und die GLP, die auf Kosten der etablierten Parteien eine in diesem Umfang noch nie da-gewesene Zahl an Sitzen hinzugewinnen konnten. Auch in den Medien fanden die Wahlen wenig überraschend grossen Widerhall. Zu kaum einem Thema wurden 2019 ähnlich viele Artikel publiziert; und vor allem im Vergleich zu den Jahren 2016 bis 2018 stechen die Parlamentswahlen heraus: 13.2 Prozentpunkte mehr Artikel als in den drei Jahren zuvor publizierte die Presse 2019 zu diesem Thema. Ob der in den Medien kolportierte frische Wind, die Aufbruchstimmung und die neue Kollegialität auch zu unterschiedlicher Betonung der verschiedenen Themenfelder führen wird, muss sich weisen.

Dies könnte etwa der Fall sein beim «Umweltschutz», dem politischen Thema schlechthin im Jahr 2019. In den Medien, in denen über das inhaltlich wichtigste Thema 2019 wesentlich häufiger berichtet wurde als noch in den Vorjahren (+4.6 Prozentpunkte), wurde auch eine wichtige Wirkung von Umwelt- und Klimafragen auf den Wahlausgang diskutiert. Neben den zahlreichen Klimastreiks und -Demonstrationen debattierte auch das Parlament über verschiedene politische Vorstösse zu diesem Thema (etwa Po. 18.4211 oder Po. 19.3385) sowie über die Revision des CO2-Gesetzes. Im Parlament scheint man die Zeichen der Zeit verstanden zu haben: In keinem anderen Thema im Vergleich zu den Vorjahren nahm die Zahl neuer Vorstösse 2019 derart zu wie beim Umweltschutz (+3.1 Prozentpunkte). Eine zentrale Frage der neuen Legislatur wird sicherlich sein, ob diesen Vorstössen auch Erfolg bescheiden sein wird.

Dass sich medial vermittelte öffentliche Meinung und Aktivität im Parlament nicht immer kongruent entwickeln, zeigt sich bei einem weiteren im Wahlkampf sowie im Vergleich mit den Vorjahren in den Medien 2019 wichtigen Thema (Teil des Kapitels Soziale Gruppen), nämlich bei Fragen zur Gleichstellung von Mann und Frau (+2 Prozentpunkte). Der Frauenstreik und verschiedene damit verbundene Aktionen halfen zwar wohl mit, dass in der 51. Legislatur ein rekordhoher Anteil an Frauen Einsitz im Bundeshaus genommen hat, in den parlamentarischen Beratungen selber hatte die Gleichstellung von Mann und Frau aber 2019 nicht die gleiche Bedeutung. Eine Genfer Standesinitiative, die den Kantonen Möglichkeiten geben wollte, die Gleichstellung von Männern und Frauen aktiv zu fördern oder die Schaffung einer unabhängigen Lohngleichheitskommission wurden abgelehnt.

Gemessen an der reinen Anzahl Artikel ist das Thema «Verkehr und Kommunikation» sehr häufig Gegenstand in den Medien. Verglichen mit den Vorjahren ist die Zunahme an Artikeln aber eher gering. Dies gilt allerdings nicht für das Parlament, das im Bereich Verkehr und Kommunikation mehr Geschäfte behandelte als in den Vorjahren – darunter Infrastrukturprojekte (Schiene, Strasse und Agglomerationsverkehr), Vorstösse mit denen Via Sicura aufgeweicht werden soll, zahlreiche Vorstösse zur Post sowie die Revision des Fernmeldegesetzes. Darüber hinaus wurden 2019 auch wieder wesentlich mehr Vorstösse zum Thema «Verkehr und Kommunikation» eingereicht als früher (+1.8 Prozentpunkte). Mit insgesamt 101 neu eingereichten Anliegen – im Themenvergleich am meisten neue Vorstösse – wird das Thema «Verkehr und Kommunikation» auch in nächster Zeit die parlamentarische Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen.

Ähnlich wie beim Thema Verkehr hat das Parlament auch zum Thema Sozialversicherungen 2019 mehr gearbeitet und mehr Vorstösse eingereicht als in den Vorjahren – etwas, das sich auch hier nicht in vermehrter Medienberichterstattung niederschlägt. Zwar fanden die wichtigen parlamentarischen Debatten zur STAF, zur AHV21, zur Revision der Pensionskassen, zur Reform der Ergänzungsleistungen oder zur Weiterentwicklung der IV in den Medien Widerhall. Interessanterweise blieben aber etwa die Debatten um die Beibehaltung der Einteilung der Prämienregionen ohne mediales Echo.

Des Weiteren berichteten die Medien 2019 angesichts des sukzessive sinkenden BIP und des sinkenden Produktionsindexes, aber auch des chinesisch-amerikanischen Handelskriegs und des Brexit vergleichsweise häufig über Konjunkturfragen (+1.5 Prozentpunkte; vgl. Thema «Wirtschaftspolitik»). Diesbezüglich beriet das Parlament die Botschaft zur Standortförderung 2020-2023, deren Anfangsbudget es von CHF 373.1 Mio. auf CHF 389.8 Mio erhöhte. Damit sollen durch den Ausbau von E-Government und den Abbau von administrativen Hürden vor allem KMU unterstützt, durch Förderung von Digitalisierungsprojekten dem Tourismus geholfen und die neue Regionalpolitik (NRP) gestärkt werden. Auffallend ist, dass der Anteil neuer wirtschaftspolitischer Vorstösse im Vergleich zu den Vorjahren rückläufig ist.

Auch die Gerichte waren in der medialen Berichterstattung 2019 vergleichsweise stärker repräsentiert als in den Vorjahren (+1.0 Prozentpunkte). Die nationalrätliche Debatte über das ziemlich umstrittene Bundesgerichtsgesetz; die Ersatzwahl ans Bundesgericht, bei der die GK entgegen den Gepflogenheiten nicht die am stärksten untervertretene SVP, sondern die CVP berücksichtigte; die 2019 zustande gekommene Justizinitiative, die vorschlägt, oberste Richterinnen und Richter per Losverfahren zu bestimmen, sowie die umstrittene und äusserst knappe Wiederwahl des Bundesanwalts Michael Lauber wurden von den Medien relativ breit diskutiert. Beim Thema «Institutionen und Volksrechte», zu dem die Gerichte gezählt werden, und das im Parlament 2019 häufiger debattiert wurde als noch in den Vorjahren (+1.65 Prozentpunkte), werden zwar das Verordnungsveto und die Fragen zu Lobbying im Parlament und Transparenz bei der Finanzierung von Wahl- und Abstimmungskampagnen auch in der neuen Legislatur zu parlamentarischen Debatten führen, im Vergleich zu früher hat der Anteil neuer Vorstösse in diesem Themenbereich allerdings abgenommen.

Beim Thema «Detailhandel» – medial relevanter als in früheren Jahren (+0.9 Prozentpunkte; vgl. das Kapitel «Wirtschaftspolitik») – stand die Hochpreisinsel Schweiz mit der entsprechenden Volksinitiative, zu der der Bundesrat 2019 einen indirekten Gegenvorschlag präsentiert hatte, im Mittelpunkt. Gleichzeitig wurden im Parlament mehrere Vorstösse zur Bekämpfung der Preisdifferenz zum Ausland mit unterschiedlichen Reformvorschlägen debattiert: eine Vereinfachung der Kontrollverfahren im Zusammenhang mit dem Cassis-de-Dijon-Prinzip, die Änderung des Kartellgesetzes, die Reduzierung oder Abschaffung der Wertzuschläge im Einkaufstourismus sowie die Modernisierung der Zollkontrollen.

Verglichen mit den drei Vorjahren übervertreten war die Raumplanung (+0.8 Prozentpunkte), was auf die Abstimmung über die Zersiedelungsinitiative im Februar 2019 zurückgeführt werden kann: Mit 63.7 Prozent sprachen sich die Stimmberechtigten gegen die Initiative aus, obwohl sie – wie die Nachabstimmungsbefragung Voto zeigte – einen besseren Schutz der Schweizer Landwirtschaft und des Kulturlandes durchaus befürworteten. Sie erachteten dafür das neue Raumplanungsgesetz jedoch als genügend zielführend. Dass auch das Parlament diesem Thema 2019 im Vergleich zu den Vorjahren mehr Aufmerksamkeit zukommen liess, ist wohl auch auf die Diskussionen um die Aufhebung des Eigenmietwerts zurückzuführen.

In den Medien leicht überdurchschnittlich wichtig war 2019 auch das Thema «Gesundheit» (+0.7 Prozentpunkte), das vor allem durch die Breite der verschiedenen medial diskutierten Aspekten auffällt. Das Thema dürfte auch in Zukunft wichtig bleiben – darauf deutet auch die Zunahme bei den 2019 eingereichten Vorstössen hin, die vom neuen Parlament in der 51. Legislatur debattiert werden müssen.

Verglichen mit 2018 war das Thema «Europa» 2019 zwar deutlicher weniger virulent, berücksichtigt man jedoch den Zeitraum von 2016 bis 2018, erhielt es 2019 dennoch eine überdurchschnittliche Betonung in den Medien (+0.6 Prozentpunkte). Im Zentrum standen diesmal aber nicht das institutionelle Rahmenabkommen mit der EU, sondern die verschiedenen Freihandelsabkommen, die Kohäsionsmilliarde sowie die Beendigung der Anerkennung der Börsenäquivalenz durch die EU. Die Aussenpolitik generell scheint aktuell im Parlament allerdings weniger wichtig zu sein als in früheren Jahren – darauf weist zumindest der vergleichsweise recht deutliche Rückgang der neu eingereichten Vorstösse hin (-2.3 Prozentpunkte im Vergleich zu 2016-2018).

Im Vergleich zu den Vorjahren medial kaum in Betracht fielen 2019 die Themenbereiche Asylpolitik (-2.8 Prozentpunkte), Migrationspolitik (-2.5 Prozentpunkte) und Medienpolitik (-1.7 Prozentpunkte). In der Asyl- und Migrationspolitik fehlten 2019 aufgrund der Entspannung im Asylbereich und mangels anstehender migrationspolitischer Abstimmungen aktuelle Aufhänger für die Medien. So wurden 2019 verschieden Asylzentren, darunter das Zentrum für renitente Asylbewerbende in Verrières (NE) geschlossen.

Beim Kapitel «Medien» standen der Umzug des SRG-Radiostudios von Bern nach Zürich und eines Teils des Fernsehstudios von Genf nach Lausanne sowie der Entscheid Simonetta Sommarugas gegen das Mediengesetz von Doris Leuthard im Vordergrund der Debatte. Dies reichte jedoch nicht, um an die Spitzenwerte dieses Themenbereichs 2017 und 2018 aufgrund der No-Billag-Initiative anzuknüpfen. Insbesondere mit den ersten beiden Themen hatte die SVP in den letzten Jahren jeweils stark mobilisiert, wie die Analyse der Abstimmungsinserate zu thematisch passenden Abstimmungen zeigt.

In Abbildung 2 (im Quellenanhang) sticht die im Vergleich zu den Vorjahren deutlich geringere Arbeitslast des Parlaments bezüglich des Themas «Rechtsordnung» ins Auge. In der Tat war der Anteil der im Parlament behandelten Geschäfte zur Rechtsordnung geringer als in den Vorjahren (-4.1 Prozentpunkte). Allerdings ist dies ein Rückgang auf hohem Niveau, war doch nach wie vor fast jedes 13te 2019 im Parlament behandelte Geschäft diesem Thema zuzuordnen, darunter etwa die Übernahme der EU-Waffenrichtlinie, das Verhüllungsverbot oder die Terrorismusbekämpfung.

Etwas weniger arbeitsintensiv ist in der Regel die Landwirtschaft, wobei 2019 im Parlament noch etwas weniger Geschäfte behandelt wurden als in den Vorjahren (-0.9 Prozentpunkte); darunter das umstrittene Jagdgesetz oder die Weiterentwicklung der Agrarpolitik. Die direkte Demokratie auf der einen Seite – die Initiative für sauberes Trinkwasser, die Initiative für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide sowie die Initiative «Ja zum Tier- und Menschenversuchsverbot» werden 2020 von sich reden machen – und die im Vergleich zu den Vorjahren angestiegene Zahl an Vorstössen werden freilich dafür sorgen, dass das Thema Landwirtschaft auch im neuen Parlament virulent bleiben wird.

APS-Jahresrückblick 2019
Dossier: Jahresrückblick 2019

IV-Verfügungen mit leichter Sprache ergänzen, um sie für die betroffenen Menschen verständlich zu machen, wollte Beat Flach (glp, AG) mittels einer Motion. Der Motionär störte sich an den Kommunikationsproblemen zwischen Versicherten und IV-Stellen, die daraus entstünden, dass die Versicherten – und teilweise gar Personen mit einem juristischen Abschluss ohne Spezialisierung im Sozialversicherungsrecht – die Entscheidungen und Mitteilungen der IV nicht verstünden. Neben Misstrauen schaffe dies auch auf allen Seiten grossen Mehraufwand, kritisierte er. Deshalb solle der Bund seine Zielvereinbarungen mit den kantonalen IV-Stellen um das Ziel ergänzen, dass Entscheide so zu kommunizieren seien, dass die «Kernbotschaft des Entscheids von durchschnittlichen versicherten Personen verstanden» werde. Der diesbezügliche Zielerreichungsgrad sei überdies regelmässig zu überprüfen. Viel helfen würde es zudem bereits, wenn sich die IV-Stellen an das «Merkblatt Behördenbriefe» der Bundeskanzlei zu persönlichem, sachgerechtem und verständlichem Schreiben hielten, betonte Flach in der Begründung seines Vorstosses. Diskussionslos sprachen sich Bundesrat und Nationalrat für eine Annahme der Motion aus.

IV-Verfügungen mit leichter Sprache ergänzen

Mit einem Postulat griff Ständerätin Brigitte Häberli-Koller (cvp, TG) im September 2019 die Frage nach einem nachhaltigen Mobilfunknetz auf. Ein solches müsse einerseits einen optimalen Strahlenschutz gewährleisten, andererseits müsse die Einführung von 5G und nachfolgender Technologien «innert vernünftiger Zeiträume» sichergestellt sein. Weiter fragte die Postulantin nach den Vor- und Nachteilen eines einheitlichen Mobilfunknetzes gegenüber der heutigen Situation mit drei Anbietern sowie nach der Förderung der Datenübertragung über das Glasfasernetz. Ähnliche Fragen hatte die Postulantin bereits in einer Interpellation (Ip. 19.3169) gestellt, war aber mit den Antworten des Bundesrates nicht zufrieden. Weil auch in der Gesellschaft nach wie vor kontrovers über die Einführung von 5G diskutiert werde, seien diese Fragen sehr wichtig.
Der Bundesrat nahm im November 2019 Stellung zum Postulat und verwies dabei auf den Bericht über «zukunftstaugliche Mobilfunknetze» von 2015 und auf die abgeschlossene Revision des Fernmeldegesetzes, in welcher ein Antrag zur Priorisierung der kabelbasierten Versorgung abgelehnt worden war. Weiter wurde auf die laufenden Arbeiten der von der damaligen Bundesrätin Leuthard eingesetzten Arbeitsgruppe «Mobilfunk und Strahlung» hingewiesen. Ein weiterer Bericht sei nicht nötig, weshalb der Bundesrat die Ablehnung des Postulats beantragte.
Im Dezember 2019 behandelte der Ständerat das Geschäft und die Postulantin bedankte sich bei der anwesenden Bundesrätin Sommaruga zuerst für den Bericht der Arbeitsgruppe Mobilfunk und Strahlung, der die Fakten zum Mobilfunk umfassend aufzeige. Darüber hinaus fehle aber die Diskussion über mögliche Konzepte für die Zukunft des Mobilfunknetzes. Die von ihrem Postulat aufgeworfenen Fragen würden sich im Anschluss an den vorhandenen Bericht klären lassen, gingen aber deutlich über diesen hinaus. Diese Sicht vertrat eine Mehrheit im Saal: Der Ständerat nahm das Postulat mit 25 zu 16 Stimmen (keine Enthaltungen) an.

Nachhaltiges Mobilfunknetz (Po. 19.4043)
Dossier: 5G – Mobilfunk, Strahlung und Gesundheit

Nachdem die Behandlung der Motion Wobmann (svp, SO) auf Antrag des Ständerates für rund 1.5 Jahre ausgesetzt worden war, nahm sich der neu zusammengesetzte Ständerat in der Wintersession 2019 neuerlich dem Verbot der salafistischen Organisation «Lies!» an und machte damit kurzen Prozess, indem er stillschweigend seine Ablehnung kundtat. Die SiK-SR hatte sich bereits im November mit 6 zu 1 Stimmen bei 4 Enthaltungen für eine Ablehnung ausgesprochen, da zwischenzeitlich die abgewarteten Entwürfe zu den Bundesratsvorlagen 19.032 und 18.071 vorlagen, die eine in ihren Augen ausreichende Verstärkung der präventiven Polizeimassnahmen gegen Terrorismus und Verschärfung der strafrechtlichen Massnahmen zusicherten. Der Motionär gab dennoch zu bedenken, dass es sich bei der «Lies!»-Verteilaktion nicht etwa um unbedenkliche «Give-aways» handle, sondern um einen Ort der Radikalisierung. Den wahrgenommenen Rückgang der «Lies!»-Bücher auf den Strassen dürfe man nicht fälschlicherweise als ein Erlöschen der Promotionsaktivitäten verstehen – im Gegenteil: Die politische Bekämpfung der «Lies!»-Promotion habe bisweilen lediglich eine Namensänderung der Aktion in «Koran-Botschaften» bewirkt – was hinsichtlich des Vorstosses aber keinen Unterschied mache, da die vorliegende Motion auch solche Eventualitäten berücksichtigt habe. Zudem konnte Walter Wobmann nicht nachvollziehen, weshalb der Bundesrat hinsichtlich dieser Bücher zu einer anderen Einschätzung gelangt sei als die Nachbarländer der Schweiz, welche ein Verbot solcher Verteilaktionen ausgesprochen hätten. Die anwesende Bundesrätin Amherd beteuerte, der Bundesrat habe nie gesagt, dass es keinen Handlungsbedarf gebe, jedoch sei für ihn klar, dass man mit den neuen Bundesratsvorlagen genügend gesetzgeberische Instrumente zur Hand habe, um diesen Entwicklungen vorzubeugen.

Verbot der salafistischen Organisation "Lies!" und Unterbindung der Verbreitung von jihadistischem Gedankengut (Mo. 17.3583)
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen

Ende November 2019 wurde der Öffentlichkeit der Bericht der Arbeitsgruppe «Mobilfunk und Strahlung» vorgestellt. Die Arbeitsgruppe – 2018 noch von Doris Leuthard eingesetzt – fasste in ihrem Bericht die Fakten rund um die Mobilfunkanlagen, die Datenübertragung und die dabei auftretende Strahlung zusammen und zeigte in fünf Optionen auf, wie sich das Mobilfunknetz der Schweiz weiterentwickeln könnte. Im Wesentlichen ging es um die Frage, ob und falls ja, wie stark die Strahlungsgrenzwerte angehoben werden sollten. Ohne Anhebung der Grenzwerte brauche es Zehntausende neuer Antennen, mit einer starken Anhebung hingegen keine. Solange weitere Erkenntnisse über die Gesundheitsfolgen einer Grenzwerterhöhung fehlten, sei die Wahl einer Option eine politische Frage, erklärte die Arbeitsgruppe im Bericht.
Die Arbeitsgruppe wies in ihrem Bericht zudem sechs begleitende Massnahmen zum Ausbau des Mobilfunknetzes aus: Die NISV soll vom Bund gemeinsam mit den Kantonen vereinfacht und harmonisiert, das im Rahmen der revidierten NISV 2019 eingeführte Monitoring von Strahlungsexposition und Gesundheitsfolgen soll weiterentwickelt werden. Ferner soll die Forschung zu gesundheitlichen Folgen des Mobilfunks sowie die Information der Bevölkerung über Mobilfunk und Strahlung verstärkt werden. Weiter soll der Bund Unterstützung leisten bei der Schaffung einer umweltmedizinischen Beratungsstelle für nichtionisierende Strahlung. Eine neue Austauschplattform «Mobilfunk der Zukunft» soll alle diesbezüglichen Interessen in die Diskussion integrieren.

Bericht Arbeitsgruppe Mobilfunk und Strahlung
Dossier: 5G – Mobilfunk, Strahlung und Gesundheit

Als in den meisten Kantonen noch kaum jemand gross an die Ständeratswahlen 2019 dachte, war der Wahlkampf im Kanton Aargau bereits in vollem Gange. Dafür verantwortlich waren die früh angekündigten Rücktritte der beiden bisherigen Aargauer Ständeräte. Pascale Bruderer (sp), ehemalige Nationalratspräsidentin und zuletzt acht Jahre Ständerätin, kündigte im Januar 2018 an, sich nach dem Ende der laufenden Legislatur aus der Politik zurückziehen und in die Wirtschaft wechseln zu wollen. Auch Philipp Müller (fdp), ehemaliger Präsident der FDP Schweiz, verzichtete auf eine erneute Kandidatur. Der Abgang der beiden nationalen Politgrössen löste in ihren jeweiligen Parteien ein Gerangel um ihre Nachfolge aus. Den Delegierten der Sozialdemokraten standen an ihrer Nominationsveranstaltung der Nationalrat und frühere Juso-Präsident Cédric Wermuth und die Nationalrätin Yvonne Feri zur Auswahl. Wermuths Bewerbung für die Nomination seiner Partei löste unter den Genossen eine heftige Debatte über die Frauenförderung aus. So wurde Wermuth von verschiedener Seite vorgeworfen, er bremse im von der SP ausgerufenen «Jahr der Frau» die aussichtsreiche Kandidatur einer Frau aus. Wermuth konterte, dass die SP im Aargau stets sehr vorbildlich auf eine Ausgewogenheit der Geschlechter Acht gegeben habe und er ausserdem die im nationalen Parlament ebenfalls untervertretene jüngere Generation vertrete. Eine Mehrheit der SP-Delegierten sprach sich schliesslich für Wermuth aus (105 zu 47 Stimmen). Obwohl Pascale Bruderer 2015 mit einem Spitzenresultat bereits im ersten Wahlgang gewählt worden war, war sich Wermuth bewusst, dass es für ihn deutlich schwieriger werden würde, den Sitz in den Reihen der SP zu halten. Dass Bruderer bis weit über die Parteigrenzen hinaus Sympathien genoss sei eine «historische Ausnahme» gewesen, meinte Wermuth. Im Lager der Freisinnigen duellierten sich derweil die beiden Nationalräte Matthias Jauslin und Thierry Burkhart um die Nomination ihrer Partei. Nachdem Burkhart sich im Vorfeld des Nominationsparteitages bereits die Unterstützung der Jungfreisinnigen und der FDP Frauen gesichert hatte, konnte er schlussendlich auch eine deutliche Mehrheit der Delegierten für sich gewinnen. Mit 154 zu 38 Stimmen setzte er sich gegen seinen Kontrahenten Jauslin durch. Noch vor Ende 2018 stiegen die Kandidierenden aus den weiteren Parteien ins Rennen. Die SVP nominierte zum zweiten Mal in Folge ihren Nationalrat Hansjörg Knecht. Vor vier Jahren war er im zweiten Wahlgang Philipp Müller unterlegen. Für die Grünen kandidierte die Grossrätin Ruth Müri, während die GLP ihre Hoffnungen auf ihren einzigen Nationalrat Beat Flach setzten. Für die CVP warf die kantonale Parteipräsidentin Marianne Binder ihren Hut in den Ring. Im neuen Jahr gesellten sich dann noch Grossrätin Maya Bally (bdp) und Grossrat Roland Frauchiger (evp) zu den Kandidierenden. Das Kandidatenfeld komplettierten Jean-Pierre Leutwyler (Freie Wähler Aargau) und der «ewige Kandidat» Pius Lischer (parteilos), der im Kanton bereits für zahlreiche Wahlen kandidierte. Der langgezogene Wahlkampf wurde von den Kandidaten engagiert geführt. Besonders hervor tat sich Cédric Wermuth, der während seiner aufwändig geführten Kampagne unter anderem zwei Investigativjournalisten damit beauftragte, herauszufinden, wie viel Geld Banken und Versicherungen an Parlamentarier bezahlen.

Im ersten Wahlgang übertraf niemand das absolute Mehr von 88'828 Stimmen. In Führung lagen nach dem ersten Durchgang Thierry Burkart (82'515 Stimmen) und Hansjörg Knecht (72'574). Mit einem bereits stattlichen Rückstand landete Cédric Wermuth (55'274) nur auf dem dritten Platz. Auf ihn folgten Ruth Müri (40'560), Marianne Binder (36'700), Beat Flach (23'158), Maya Bally (21'706) und Roland Frauchiger (9'784). Nach Absprache zwischen den Grünen und den Sozialdemokraten zog Cédric Wermuth seine Kandidatur vor dem zweiten Wahlgang zugunsten von Ruth Müri zurück. Der Entscheid der beiden Parteien war eng mit der gleichzeitig stattfindenden Regierungsratsersatzwahl verknüpft, wo die Grünen im zweiten Wahlgang die Kandidatur der SP-Kandidatin Yvonne Feri unterstützten. Neben Müri verblieben auch Burkart, Knecht und Binder im Rennen. Für die beiden Frauen schien die Lage aufgrund des grossen Rückstands zwar fast schon hoffnungslos. Dennoch gaben sich beide selbstbewusst und zuversichtlich.
Thierry Burkart (99'372 Stimmen) erzielte auch im zweiten Durchgang das beste Ergebnis und schaffte ungefährdet den Einzug in den Ständerat. Mit ihm zog Hansjörg Knecht ins Stöckli ein. Zwar konnte Knecht (73'692) im Gegensatz zu seinen Konkurrentinnen Marianne Binder (61'657) und Ruth Müri (58'754) gegenüber dem ersten Wahlgang kaum zusätzliche Stimmen gewinnen. Trotzdem wurde er im zweiten Wahlgang mit einem komfortablen Vorsprung von über 12'000 Stimmen auf die drittplatzierte Binder gewählt. Der Kanton Aargau erhielt damit zum ersten Mal seit 2011 wieder eine rein bürgerliche Standesstimme. Die Wahlbeteiligung im zweiten Wahlgang betrug 37.4 Prozent und war damit 7 Prozentpunkte tiefer als im ersten Durchgang.

Ständeratswahlen 2019 – Aargau
Dossier: Resultate Ständeratswahlen 2019 (nach Kantonen)
Dossier: Eidgenössische Wahlen 2019 - Überblick

Bei den Ständeratswahlen 2019 im Kanton Solothurn traten die bisherigen Amtsinhaber, Roberto Zanetti (SP) und Pirmin Bischof (CVP), wie allgemein erwartet erneut an, um ihre Mandate zu verteidigen. Beide wurden problemlos von ihren Parteien nominiert. Herausgefordert wurden sie von einem Kandidaten-Trio. Die SVP schickte ihren kantonalen Parteipräsidenten und Nationalrat Christian Imark ins Rennen. Imark wurde einst mit 19 Jahren zum jüngsten Kantonsparlamentarier in Solothurns Geschichte gewählt. Auch deshalb galt er lange als Wunderkind der Solothurner SVP. Nach vier Jahren im Nationalrat und deren zwei als Parteipräsident strebte er nun den Einzug in die kleine Kammer an. Die FDP nominierte ihren Parteipräsidenten Stefan Nünlist. Nünlist konnte als persönlicher Mitarbeiter der Bundesräte Jean-Pascal Delamuraz und Pascal Couchepin viel politische Erfahrung vorweisen. Seit Mitte 2017 führte er die FDP Solothurn. Die Grünen setzten auf ihren ehemaligen Parteipräsidenten Felix Wettstein. Er war der Partei von 2012 bis 2018 vorgestanden. Nun schielte er neben seiner Kandidatur für den Nationalrat auch auf einen Sitz im Ständerat. Trotz der stattlichen Konkurrenz starteten die Bisherigen als klare Favoriten ins Rennen. Aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung als Bundesparlamentarier und ihrer Bekanntheit im Kanton war von Beginn weg klar, dass es für die Herausforderer schwierig werden würde, einen der beiden Sitze zu übernehmen. Besonders die Wiederwahl von Pirmin Bischof schien zu keinem Zeitpunkt ernsthaft in Gefahr zu sein. Die «Sonntagszeitung» hatte ihn im Wahljahr als den zweiteinflussreichsten Schweizer Bundesparlamentarier eingestuft. Bischof hatte nur einen heiklen Moment zu überstehen, als seine Rolle im Kantonalbankdebakel von 1994 in einem Artikel der «Wochenzeitung» zum wiederholten Mal thematisiert wurde. Recherchen der «Woz» hätten gezeigt, dass Bischof im Anschluss an die Kantonalbankpleite CHF 112'500 an Vergleichszahlungen getätigt habe. Bischof habe vorher jahrelang bestritten, solche Zahlungen getätigt zu haben. Die SVP kritisierte Bischof daraufhin scharf. Bischof meinte, nie bestritten zu haben, dass in diesem Fall Geld geflossen sei. Zur Höhe der Vergleichszahlung wollte er sich nicht äussern. Für den zweiten Aufreger im Wahlkampf sorgte die BDP, als sie darauf verzichtete, neben Bischof auch FDP-Kandidat Nünlist zu unterstützen. Implizit begründete die BDP den Entscheid mit dem Wechsel von zwei BDP-Kantonsräten zur FDP, den Nünlist mit eingefädelt haben soll.

Am Wahlsonntag durfte sich einzig Pirmin Bischof bereits nach dem ersten Wahlgang feiern lassen. Er holte 42'234 Stimmen und übertraf damit das absolute Mehr von 39'651 Stimmen. Als nächstes folgte Roberto Zanetti (37'465 Stimmen), der das absolute Mehr jedoch um rund 2'000 Stimmen verpasste. Hinter den Führenden platzierten sich Christian Imark (24'460), Felix Wettstein (19'794) und Stefan Nünlist (17'942). Während die Resultate von Wettstein und Imark als Achtungserfolge gewertet werden können, setzte es für Nünlist mit dem letzten Platz eine herbe Enttäuschung ab. Er zog sich daraufhin aus Rennen zurück, was ihm Felix Wettstein kurze Zeit später gleich tat.
Nachdem Pirmin Bischof bereits im ersten Wahlgang wiedergewählt wurde, kam es im zweiten Durchgang somit zum Zweikampf zwischen Zanetti und Imark. Die Ausgangslage präsentierte sich damit genau gleich wie 2015, als sich Zanetti im zweiten Durchgang deutlich gegen den SVP-Kandidaten Walter Wobmann durchzusetzen vermocht hatte. Die FDP gab nach dem enttäuschenden Abschneiden ihres Kandidaten keine Empfehlung für den zweiten Wahlgang ab. Auch die CVP empfahl keinen der beiden Kandidaten, wobei Pirmin Bischof indirekt durchblicken liess, dass er gerne eine weitere Legislatur mit Zanetti zusammenarbeiten würde. Deutlicher drückte sich der Präsident der CVP Schweiz, Gerhard Pfister, aus. Er lobte Zanetti und kritisierte die Solothurner SVP. Die fehlende Unterstützung durch die CVP und die FDP stiess der SVP sauer auf. Sie bezeichnete die beiden Parteien als «Pseudobürgerliche».

Auch der zweite Wahlgang brachte keine Überraschung. Roberto Zanetti holte 42'666 Stimmen und distanzierte seinen Konkurrenten Imark (27'243) damit um gut 15'000 Stimmen. Imark erzielte immerhin ein besseres Resultat als sein Parteikollege Wobmann vor vier Jahren. Die Wahlbeteiligung fiel gegenüber dem ersten Wahlgang (44.2%) um rund fünf Prozentpunkte und betrug noch 39.3 Prozent. Solothurn wählte somit zum dritten Mal in Folge Roberto Zanetti und Pirmin Bischof in den Ständerat.

Ständeratswahlen 2019 – Solothurn
Dossier: Resultate Ständeratswahlen 2019 (nach Kantonen)
Dossier: Eidgenössische Wahlen 2019 - Überblick

Bei den Nationalratswahlen 2019 im Kanton Solothurn strebten 166 Kandidierende auf 29 Listen einen von sechs zu vergebenden Sitzen an. Der Frauenanteil auf den Listen betrug 37.3% und war damit sechs Prozentpunkte höher als vor vier Jahren. Alle grösseren Parteien traten mit mindestens drei Listen an.

Bei den Wahlen 2015 hatten SVP und SP je zwei, die FDP und die CVP je einen Sitz gewonnen. Damals musste der Kanton Solothurn aufgrund des geringeren Bevölkerungswachstums den Verlust eines Nationalratssitzes hinnehmen. Dieser Sitzverlust wurde vom Stimmvolk auf die CVP abgewälzt, die deshalb für die letzten vier Jahre nur noch einen Solothurner Nationalratssitz besetzte. Trotzdem liess die CVP verlauten, dass die Rückgewinnung eines zweiten Sitzes erst 2023 ein Ziel sein werde. 2019 wolle man primär den Sitz von Stefan Müller-Altermatt verteidigen. Gelingen sollte dies mit Hilfe einer breiten Mitte-Listenverbindung mit GLP, EVP und BDP. Von den bisherigen Nationalräten trat einzig Bea Heim von der SP nicht mehr an. Da damit die einzige Solothurner Frau im Parlament zurücktrat, bestand die Möglichkeit, dass nach den Wahlen 2019 die Solothurner Delegation im Bundeshaus rein männlich sein würde. Als Frau mit den besten Aussichten auf einen Nationalratssitz galt die kantonale SP-Parteipräsidentin Franziska Roth. Sie hatte 2015 im parteiinternen Duell mit Philipp Hadorn einen Sitz lediglich um 122 Stimmen verpasst. Es zeichnete sich auch dieses Jahr wieder ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den beiden ab. Ebenfalls Chancen auf einen der beiden linken Sitze ausrechnen konnten sich Peter Gomm (sp) und Felix Wettstein von den Grünen, mit denen die SP wie üblich eine Listenverbindung eingegangen war. Ohne Listenverbindungen mit anderen grösseren Parteien ins Rennen stiegen die FDP und die SVP. Trotzdem waren beide Parteien zuversichtlich, dass ihre bisherigen Nationalräte wiedergewählt werden würden. Die FDP ist auf kantonaler Ebene die stärkste Partei und konnte mit Kurt Fluri, seit 2003 Nationalrat und seit 1993 Stadtpräsident von Solothurn, auf einen erfahrenen Politiker setzen. Bei der SVP kann der noch junge Christian Imark bereits auf eine steile Politkarriere zurückblicken und er vermochte seinen Bekanntheitsgrad im Kanton durch seine diesjährige Ständeratskandidatur noch zusätzlich zu steigern. Der andere Bisherige bei der SVP, der national bekannte Walter Wobmann, generierte kurz vor den Wahlen noch ordentlich Schlagzeilen, als er in der Herbstsession 2019 eine Motion einreichte, welche den Bundesrat beauftragte die gesetzlichen Grundlagen für eine Bekämpfung der Ausbreitung eines radikalen Islams in der Schweiz zu schaffen. Nachdem eine Mehrheit der FDP im Nationalrat gegen die Motion stimmte, veröffentlichte das von Wobmann präsidierte «Egerkinger Komitee» mehrere Plakate, welche FDP-Exponenten für ihre Haltung kritisierte. Eine Klage der FDP gegen die Plakate wurde schliesslich gutgeheissen.

Am Wahltag gab es im rechten Lager keine Überraschungen. Die drei Bisherigen wurden wiedergewählt, obwohl sowohl die SVP (-2.9 Prozentpunkte; neu 28.8%) als auch die FDP (-2.7 Prozentpunkte; neu 18.5%) im Vergleich zu 2015 Wähleranteile einbüssten. Christian Imark erzielte dabei das beste Ergebnis aller Kandidierenden. Sesselrücken war hingegen bei den Linken angesagt. Die Grünen konnten kräftig zulegen und ihren Wähleranteil mehr als verdoppeln (+5.8 Prozentpunkte auf neu 11.4%). Dies genügte, um der SP einen der beiden Sitze abzuluchsen, die damit den Sitz von Bea Heim nicht zu verteidigen vermochte. Stattdessen wurde Felix Wettstein, der ehemalige kantonale Parteipräsident der Grünen, gewählt. Im Duell um den anderen SP-Sitz hatte schlussendlich Franziska Roth die Nase vorne. Philipp Hadorn verpasste somit als einziger bisheriger Kandidat die Wiederwahl. Beide linken Sitze wurden neu besetzt und weiterhin bleibt wenigstens eine Frau Teil der Solothurner Bundeshausdelegation. Ebenfalls von der grünen Welle profitieren konnte die GLP (+3.3 Prozentpunkte; neu 6.8%). Da die CVP ihre Verluste allerdings in Grenzen halten konnte (-0.6 Prozentpunkte; neu 14.2%), reichte es deutlich nicht für einen Sitz für die GLP und so holte die CVP mit dem bisherigen Stefan Müller-Altermatt den Sitz den die Listenverbindung der Mitteparteien gewinnen konnte. Die Zusammensetzung der Solothurner Volksvertretung lautete somit neu: 2 SVP, 1 FDP, 1 CVP, 1 SP, 1 GP. Die Stimmbeteiligung fiel gegenüber 2015 deutlich (-5.4 Prozentpunkte) und lag mit 44.8% knapp unter dem nationalen Durchschnitt.

Nationalratswahlen 2019 – Solothurn
Dossier: Eidgenössische Wahlen 2019 - Überblick

Im Kanton Aargau bewarben sich bei den Nationalratswahlen 2019 496 Personen auf 36 Listen für einen der 16 Aargauer Nationalratssitze. Der Andrang auf die begehrten Sitze war dieses Jahr noch einmal deutlich höher als 2015 (288 Kandidierende auf 23 Listen). Dieses Jahr schlug alleine schon die CVP mit neun Listen und 127 Kandidierenden zu Buche. Auch die Anzahl der Kandidatinnen war dieses Jahr so hoch wie nie zuvor (187, Frauenanteil 37.7%).

Bei den Nationalratswahlen vor vier Jahren hatten sich die SVP und die FDP im Aargau als Gewinner feiern lassen können. Sie hatten damals beide einen Sitzgewinn verzeichnet. Die 16 Nationalräte, die den Kanton während der letzten Legislatur in Bundesbern vertreten hatten, waren damit wie folgt auf die Parteien verteilt: 7 SVP, 3 FDP, 2 SP, 1 CVP, 1 GPS, 1 GLP, 1 BDP. Die beiden letztmaligen Gewinner mussten für die anstehenden Wahlen 2019 als einzige Parteien Rücktritte verkraften, wobei die SVP besonders betroffen war. Gleich vier ihrer sieben amtierenden Nationalräte fielen der parteiinternen Alters- und Amtszeitregelung zum Opfer. Sylvia Flückiger-Bäni und Ulrich Giezendanner zogen sich ganz aus der nationalen Politik zurück. Luzi Stamm und Maximilian Reimann beschlossen hingegen, auf eigenen Listen erneut zu den Wahlen anzutreten. Luzi Stamm, seit 28 Jahren im Nationalrat, stieg mit einer nach ihm benannten Liste und sieben Mitstreitern ins Rennen. Reimann, seinerseits bereits 32 Jahre lang Bundesparlamentarier, führte derweil die Seniorenliste «Team 65+» an. Für beide waren die Chancen ausserhalb der SVP-Liste ihre Wiederwahl zu schaffen sehr gering. Der SVP bereiteten zudem im Wahlkampf die Turbulenzen um die inzwischen zurückgetretene Regierungsrätin Franziska Roth (svp) Kopfzerbrechen. Immerhin gelang der Volkspartei mit der FDP, der EDU und Reimanns «Team 65+» bei den Listenverbindungen der Zusammenschluss zu einem breiten rechtsbürgerlichen Block. Die FDP erhoffte sich von der Verbindung, den freiwerdenden Sitz der zurückgetretenen Corina Eichenberger zu verteidigen. Der rechtsbürgerliche Schulterschluss geriet allerdings arg in Schieflage als die SVP im August ihr Wurmplakat veröffentlichte. Auf dem Plakat war unter anderem ein FDP-blauer Wurm abgebildet, der einen die Schweiz symbolisierenden Apfel durchbohrt. Die FDP prüfte sogar eine Auflösung der Listenverbindung, doch aufgrund der bereits abgelaufenen Frist für die Anmeldung der Listenverbindungen, hatten die Freisinnigen gar keine andere Wahl, als an die SVP gebunden in die Wahlen zu steigen. In der Mitte schloss sich die BDP mit der EVP zusammen. Damit sollte der Sitz von Bernhard Guhl (bdp) gerettet werden. Zwar garantierte die Listenverbindung den beiden Parteien praktisch einen Sitz, doch falls die EVP mehr Stimmen machen würde als die BDP, könnte Guhl sein Mandat trotzdem verlieren. Innerhalb der zweiten Mitteverbindung, zwischen der CVP und der GLP, kam es ebenfalls zu einem Zweikampf, denn beide Parteien hätten gerne jeweils einen zweiten Sitz erobert. Voraussetzung dafür war jedoch, dass beide Parteien in der Gunst der Wähler zulegen können. Der zusätzliche Sitz würde dann auf die Partei mit dem höheren Wähleranteil fallen. Auch bei den linken Parteien zeichnete sich im Wesentlichen ein Zweikampf ab. Die SP und die Grünen hatten sich beide einen Sitzgewinn zum Ziel gesetzt, doch es schien sehr unwahrscheinlich, dass dies gleich beiden Parteien gelingen würde. Zwar gesellte sich zur Listenverbindung der SP und den Grünen auch noch die Piratenpartei, doch keiner erwartete, dass die Piraten in die Nähe eines Sitzgewinnes kommen würden.

Wie in den meisten Kantonen konnten die Grünen und Grünliberalen auch im Kanton Aargau am Wahlsonntag ihre Wähleranteile kräftig ausbauen. Die Grünen legten gegenüber 2015 um 4.3 Prozentpunkte zu (neu 9.8%), die GLP um 3.3 Prozentpunkte (neu 8.5%). Es reichte jedoch keiner der beiden Parteien für einen Sitzgewinn, womit weiterhin lediglich Irène Kälin (gp) und Beat Flach (glp) im Parlament vertreten sein werden. Sitzgewinne verzeichnen konnten dafür die jeweiligen Listenpartnerinnen – trotz vergleichsweise geringerem Wählendenzuwachs. Für die SP (+0.4 Prozentpunkte, neu 16.5%) schaffte neben den Bisherigen Yvonne Feri und Cédric Wermuth auch Gabriela Suter den Einzug in den Nationalrat. Die CVP (+1.3 Prozentpunkte, neu 9.9%) freute sich darüber, dass sie endlich wieder einmal ihren Stimmenanteil ausbauen konnte, nachdem sie bei den letzten vier Nationalratswahlen jeweils Verluste hatte einstecken müssen. Neben der bestätigten Ruth Humbel wird für die CVP in der nächsten Legislatur auch die kantonale Parteipräsidentin Marianne Binder-Keller in der Grossen Kammer vertreten sein. Die Sitzgewinne von SP und CVP gingen auf Kosten der FDP und der SVP. Die FDP konnte den Sitz von Corina Eichenberger nicht verteidigen. Die beiden Bisherigen Thierry Burkhart und Matthias Samuel Jauslin schafften hingegen die Wiederwahl. Aufgrund der vielen Rücktritte in ihren Reihen, schafften bei der SVP trotz Sitzverlust gleich drei Neue den Einzug ins nationale Parlament: Martina Bircher, Jean-Pierre Gallati und Benjamin Giezendanner. Benjamin Giezendanner folgte damit direkt auf seinen zurückgetretenen Vater Ulrich Giezendanner. Problemlos wiedergewählt wurden die drei bisherigen SVP-Nationalräte Thomas Burgherr, Andreas Glarner und Hansjörg Knecht. Nicht wiedergewählt wurden hingegen wie erwartet Luzi Stamm und Maximilian Reimann. In der Mitte tauschten die BDP und die EVP einen Sitz, da die BDP 2.0 Prozentpunkte verlor (neu 3.1%) und von der EVP (+0.3 Prozentpunkte, neu 3.6%) überholt wurde. Bernhard Guhl verpasste also die Wiederwahl und musste Lilian Studer (evp) den Sitz überlassen. Die Zusammensetzung der Aargauer Volksvertretung für die Legislatur 2019-2023 lautet somit: 6 SVP, 3 SP, 2 FDP, 2 CVP, 1 GP, 1 GLP und 1 EVP. Die Wahlen lockten 44.7 Prozent der Stimmberechtigten an die Urne – 3.6 Prozentpunkte weniger als vor vier Jahren.

Fünf Wochen nach den Nationalratswahlen fand im Aargau der zweite Wahlgang der Ständeratswahlen und der Regierungsratsersatzwahl statt. Neu ins Stöckli zogen Thierry Burkhard (fdp) und Hansjörg Knecht (svp) ein. Für sie rutschten Maja Riniker (fdp) und Stefanie Heimgartner (svp) in den Nationalrat nach. Bei der Regierungsratsersatzwahl setzte sich Jean-Pierre Gallati (svp) als Nachfolger der zurückgetretenen Franziska Roth durch. Gallati gab bekannt, noch die erste Session im Nationalrat zu besuchen. Danach wird ihn Bauernverbandspräsident Alois Huber (svp) als nächster auf der SVP-Liste ersetzen.

Nationalratswahlen 2019 – Aargau
Dossier: Eidgenössische Wahlen 2019 - Überblick

Erstmals mischte die Operation Libero 2019 bei den nationalen Wahlen mit. Im Zuge der sogenannten «Wandelwahl», so der Name der Aktion, wurden insgesamt 38 Kandidierende aus verschiedenen Parteien mit dem «Gütesiegel von Operation Libero» (NZZ) versehen und von der Organisation im Oktober zur Wahl empfohlen.
Zum Auftakt der Kampagne versammelten sich im Juni die ersten Nominierten, darunter auch der Mitbegründer der Operation Libero Nicola Forster (ZH, glp), welcher den Einzug in den Nationalrat letztlich knapp verpasste, zusammen mit den Co-Präsidentinnen Flavia Kleiner und Laura Zimmermann, die beide nicht zu den Wahlen antraten, in Bern auf dem Casinoplatz. Der Wahlauftakt unterschied sich nicht von anderen Wahlveranstaltungen, wie die NZZ damals festhielt; einziger Unterschied sei, dass die Organisatorin keine Partei sei. Das Ziel der «Wandelwahl» war, die progressiven Kräfte im Parlament zu stärken und den «jahrelangen Stillstand und die Blockade», in welcher sich die Schweizer Politik befinde, aufzubrechen, zitierte die Aargauer Zeitung die Absichten der Operation Libero. Den Kandidierenden wurde bei ihrer Wahlkampagne unter die Arme gegriffen, im Gegenzug mussten diese bei erfolgreicher Wahl die Libero-Ziele unterstützen, beispielsweise durch die Erarbeitung eines griffigen CO2-Gesetzes, der «Ehe für Alle» oder eine im Sinne der Operation Libero konstruktiven Europapolitik.
Aufgrund dieser Forderungen musste die Operation Libero Kritik einstecken: Die WOZ warf ihr Ende August vor, dass sie Kandidatinnen und Kandidaten kaufe und die Demokratie als Supermarkt betrachte. Zudem monierte der «Blick», dass CHF 400'000 der insgesamt CHF 600'000 des Wahlkampfbudgets – geplant waren eigentlich CHF 1.5 Mio. – von einem einzigen Spender eingegangen seien und die Organisation sich dadurch von diesem abhängig mache. Laura Zimmermann wies die Kritik der WOZ zurück: Das Empfehlen von Kandidatinnen und Kandidaten, die parteiübergreifend Politik machen, sei «urdemokratisch». Gegenüber dem «Blick» meinte sie, es sei «kein Rappen an die Kandidierenden geflossen» und man werde analysieren, weshalb von den geplanten CHF 1.5 Mio. nur CHF 600'000 zusammengekommen seien und weshalb das Crowdfunding für die Kampagne diesmal nicht wie gewünscht funktionierte.

Zehn der 38 empfohlenen Kandidierenden wurden schliesslich in den Nationalrat gewählt, wie die Operation Libero nach der Wahl in einer Medienmitteilung kommunizierte: Gerhard Andrey (gp, FR), Susanne Vincenz-Stauffacher (fdp, SG), Roland Fischer (glp, LU) und Marionna Schlatter (gp, ZH) zogen dabei neu in den Nationalrat ein. Wiedergewählt wurden Yvonne Feri (sp, AG), Beat Flach (glp, AG), Sibel Arslan (gp/basta, BS), Philipp Kutter (cvp, ZH), Eric Nussbaumer (sp, BL) und Kathrin Bertschy (glp, BE).

Operation Libero «Wandelwahl» 2019

Wenn man im Spätsommer der Landstrasse entlang fährt und über Kilometer hinweg eine willkürliche Aufreihung meist fremder Gesichter entdeckt, wird auch den politisch Uninteressierten bewusst, dass der nationale Wahlherbst vor der Türe stehen muss. Auch im Herbst 2019 war dieses Spektakel schweizweit deutlich zu sehen. Die Parteien und ihre Kandidatinnen und Kandidaten warben fleissig für sich und ihre Anliegen – mal originell, mal weniger, aber immer mit dem Bisschen «je ne sais quoi», das der Politik eben inhärent ist. Bisweilen schreckten einige auch nicht vor einer ordentlichen Portion Provokation zurück, so beispielsweise die SVP mit ihrem im August publizierten, wurmstichigen Apfel-Plakat oder die CVP mit ihrer Online-Kampagne, mit der sie offensichtlich gegen die anderen Parteien schoss.
Da in einem demokratisch konsolidierten Land wie der Schweiz die Meinungsäusserungsfreiheit einen hohen Stellenwert geniesst und nach Möglichkeit auch eine harte politische Auseinandersetzung über heikle Themen ermöglicht werden soll, gibt es in der Schweiz kaum rechtliche Grundlagen, die gezielt den Wahl- bzw. Abstimmungskampf regeln. Dies wurde knapp drei Wochen vor den Wahlen deutlich, als es ein prominenter Akteur, der mit Parteipolitik im eigentlichen Sinne nur wenig zu tun hat, mit einer Plakat-Aktion in die Medien schaffte: das «Egerkinger Komitee» mit seinem prominentesten Vertreter Walter Wobmann (svp, SO). In einer Nacht-und-Nebel-Aktion wurden in verschiedenen Schweizer Städten und auf den Social-Media-Accounts des Komitees unzählige Wahlplakate aufgehängt und aufgeschaltet, auf denen jeweils das Konterfei vier prominenter FDP-Exponenten zu sehen war: Parteipräsidentin Petra Gössi (SZ), Fraktionschef Beat Walti (ZH), Nationalrätin Christa Markwalder (BE) sowie Nationalrat Christian Wasserfallen (BE). Betitelt wurde das Ganze mit dem Slogan: «Die FDP schützt radikale Islamisten in der Schweiz – Wollen Sie solche FDP-Mitläufer wirklich wählen?» Stein des Anstosses war eine nur wenige Wochen zuvor in der Herbstsession abgelehnte Motion der SVP-Fraktion zur Bekämpfung der Ausbreitung eines radikalen Islams in der Schweiz, die auch dank grosser Unterstützung der FDP-Fraktion zu Fall gebracht worden war.
Die FDP-Spitze liess diesen Angriff nicht auf sich sitzen und zog die Angelegenheit einen Tag nach Bekanntwerden vor das Bezirksgericht Andelfingen (ZH), dem Sitz des Egerkinger Komitees. Dort suchte sie, wie in diversen Medien berichtet wurde, um Erlass eines Superprovisoriums (einer ohne Anhörung der Gegenpartei erlassenen vorsorglichen Massnahme) an, weil sich die anvisierten Personen in ihrer Persönlichkeit verletzt fühlten, u.a. im Recht auf das eigene Bild. Petra Gössi liess im «Blick» verlauten, sie lasse sich nicht unterstellen, radikale Islamisten zu schützen; vielmehr sei die Motion der SVP «reine Symbolpolitik, die nicht umsetzbar gewesen wäre oder gar nichts gebracht hätte», gewesen. Das Gericht bestätigte zwei Tage nach dem Ansuchen die superprovisorische Verfügung und forderte das Komitee auf, die Plakat- und Social-Media-Anzeigen innert 24 Stunden zu entfernen. Komme es dieser Aufforderung nicht nach, würden Bussen in Höhe von CHF 10'000 verhängt und auch für weitere geplante Veröffentlichungen zusätzlich erhoben werden. Wobmann und sein Komitee – oder wie es der Tages-Anzeiger betitelte: die «SVP-Kampftruppe» – ignorierten das Gerichtsurteil aber gänzlich und liessen nonchalant verlauten: «Wir entfernen die Plakate sicher nicht.» Gemäss Wobmann handle es sich bei diesem Urteil lediglich um einen politischen Entscheid; er sprach gar von «Zensur». Zudem sei die Plakat-Kampagne sowieso lediglich auf den Zeitraum einer Woche beschränkt gewesen und werde bereits am Montag nach dem Urteil enden. Des Weiteren sei das Entfernen innert 24 Stunden gar nicht möglich – was wiederum von der verantwortlichen Plakatgesellschaft Clear Channel so nicht bestätigt wurde.
In der Wochenendpresse wurde dann tatsächlich eine Wende im Plakat-Krimi kundgetan: Das Egerkinger Komitee wolle doch dem «Gericht gehorchen» und habe Clear Channel einen entsprechenden Auftrag erteilt, wie der Tages-Anzeiger informierte. Die gesetzte Frist von 24 Stunden reiche zum Entfernen der Plakate zwar nicht, liess die Plakatgesellschaft verkünden, man werde diese aber auf Kosten des Komitees frühzeitig überkleben. Weshalb es nun doch zum Umschwung kam, wollte Wobmann den Medien nicht mitteilen. Stattdessen hatte sich in der Zwischenzeit eine andere Politgrösse zur Plakataktion geäussert: SVP-Übervater Christoph Blocher. Im Gespräch auf «Teleblocher» antwortete er auf die Frage, was er denn von diesem Urteil halte, lediglich mit einem Lachen und meinte: «Da habe ich nur gelacht.» Es sei eben schon etwas «komisch», wenn das Gericht ein solches Urteil fälle, da sich die genannten Politikerinnen und Politiker doch lediglich gegen einen vermeintlichen Rufschaden wehrten, den sie durch ihr Abstimmungsverhalten grundsätzlich selbst zu verschulden hätten. In Rezitation des ehemaligen Deutschen Bundeskanzlers Helmut Schmidt, meinte er hierzu mit einem verschmitzten Unterton: «Wer den Dampf nicht erträgt, soll nicht in die Küche gehen.» Der Frage, was er denn vom Plakat selbst halte, wich er aus und betonte, dass er selbst mit dieser Kampagne nichts zu tun habe, gar erst über die Medien davon erfahren habe. Den Schritt, den das Komitee gegangen sei, empfand er jedoch als «mutig».

Stopp der Ausbreitung des radikalen Islams in der Schweiz! - Plakataktion des Egerkinger-Komitees
Dossier: Stopp der Ausbreitung des radikalen Islams in der Schweiz!
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen

Nach vier Jahren Durchführung wurde Ende 2019 das Projekt «Energy Challenge» planmässig eingestellt. Das aus Bundesmitteln und von privaten Sponsoren finanzierte Projekt habe in seiner Durchführung über vier Jahre hinweg gut CHF 40 Mio. gekostet, wie die «NZZ am Sonntag» Ende 2019 berichtete. Angefangen hatte die Kampagne 2016 mit einer feierlichen Eröffnung unter Begleitung von Energieministerin Doris Leuthard und Fussballstar Xherdan Shaqiri, die zusammen in Bern in die Pedale gestrampelt und so nicht nur Elektrizität, sondern vor allem auch ein starkes mediales Bild erzeugt hatten. Nebst der positiven Bilanz von «EnergieSchweiz» – mit der Kampagne hätten insgesamt 7.8 Millionen Menschen zum Energiesparen animiert werden können – äusserte die Aargauer Zeitung vor allem Kritik an der Vergabe staatlicher Aufträge zur Gesamtkoordination und Steuerung dieser nationalen Kampagne an eine private Agentur. Zwar sei die Vergabe des öffentlichen Auftrages für das erste Jahr 2016 gemäss dem Beschaffungsgesetz ausgeschrieben worden, für die Folgejahre sei es hingegen zu keiner öffentlichen Vergabe des Mandats mehr gekommen. Die in der Zeitperiode ansteigenden Bundesmittel seien dann als Subventionen an dieselbe private Agentur geflossen und sollten diese – gemäss gesetzlicher Definition von Subventionen – in ihrer selbst gewählten Aufgabe unterstützen. Das zuständige BFE erklärte, dass die «Energy Challenge» ursprünglich nur für ein Jahr vorgesehen gewesen sei, die private Agentur aber um eine Verlängerung der Durchführung ersucht habe, es sich deshalb um eine selbst gewählte Aufgabe von aussen und damit bei der Unterstützung des Bundes um eine Subvention handle. Energiekursskeptikerinnen und -skeptiker vonseiten der FDP sprachen von einer «Propagandamaschine» für die Energiestrategie 2050. Ein Ende der Kampagne hatte 2018 auch SVP-Vertreter Hansjörg Knecht (svp, AG) mittels Motion (Mo. 18.4066) gefordert, die allerdings unbehandelt blieb.

Energy Challenge (2015)
Dossier: Gebäudeprogramm; Reduktion des Energieverbrauchs ab 2000

Beat Flach (glp, AG) forderte mit seinem Postulat zum Wildwuchs und Wirrwarr bei den Regeln der Baukunde einen Bericht des Bundesrates, der Massnahmen für eine verbesserte Koordination der verschiedenen technischen Regelungen und der dahinterstehenden Akteure im Planungs- und Bauwesen aufzeigen soll. Laut einer in der Begründung zitierten Studie des SECO würde allein das Baubewilligungsverfahren Regulierungskosten von über CHF 600 Mio. pro Jahr verursachen. Nachdem auch der Bundesrat Annahme des Postulates beantragt hatte, überwies es der Nationalrat im September 2019 stillschweigend.

Wildwuchs und Wirrwarr bei den Regeln der Baukunde (Po. 19.3894)

In der Herbstsession 2019 ging das Bundesgesetz über elektronische Identifizierungsdienste (E-ID-Gesetz) in die Differenzbereinigung. In der ersten Runde konnte sich die bürgerliche Mehrheit im Nationalrat bei allen Streitpunkten durchsetzen, womit die Volkskammer an ihren ursprünglichen Positionen festhielt und keine grosse Kompromissbereitschaft an den Tag legte. Obwohl sich die Frage um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die E-ID wie ein roter Faden durch die Debatte zog, schienen die diesbezüglichen Überlegungen die Entscheidungen des Rats nur wenig zu beeinflussen. So lehnte der Nationalrat sowohl den von einer Minderheit Arslan (basta, BS) geforderten Zwang als auch die vom Ständerat eingeführte, vorbedingungslose Möglichkeit für den Staat zur Herausgabe einer E-ID ab und hielt an der rein subsidiären staatlichen Herausgabe fest, obwohl sich Bundesrätin Karin Keller-Sutter für den ständerätlichen Kompromiss ausgesprochen hatte. Der Staat sollte sich auch nicht wie vom Ständerat vorgesehen an privaten E-ID-Anbietern (Identity Providern) beteiligen können. Des Weiteren hielt die grosse Kammer an der Nennung der Sorgfaltspflichten im E-ID-Gesetz fest und strich lediglich die Delegationsnorm, welche die Konkretisierung der Sorgfaltspflichten durch den Bundesrat vorgesehen hätte. Eine Minderheit Flach (glp, AG) blieb mit dem Vorschlag eines Mittelwegs erfolglos, der das explizite Verbot der Weitergabe der E-ID streichen, die abstrakte Beschreibung der Sorgfaltspflichten aber beibehalten wollte. Ebenfalls erfolglos blieb die durch Beat Flach eingebrachte Forderung des Konsumentenschutzes, dass Dienstleistungen, für die eine E-ID der Sicherheitsstufe «niedrig» ausreicht, auch ohne E-ID genutzt werden können müssen. Da die Angst, im Internet eine Datenspur zu hinterlassen, nachvollziehbar sei, hatte sich Bundesrätin Keller-Sutter auch hierfür vergebens stark gemacht. Die vom Ständerat neu eingeführte E-ID-Kommission (Eidcom) als unabhängige Stelle zur Anerkennung und Kontrolle der Identity Provider blieb im Nationalrat vorerst ebenso chancenlos wie die von der Schwesterkammer verschärften Datenschutzbestimmungen.
Im Ständerat erklärte es Kommissionssprecher Beat Vonlanthen (cvp, FR) zum Ziel dieses Gesetzgebungsprozesses, dass das Gesetz bzw. die E-ID «vertrauenswürdig sein und in einer allfälligen Volksabstimmung bestehen können» müssten. In diesem Lichte hielt die Kantonskammer an ihren Positionen zur Möglichkeit für eine staatliche Herausgabe der E-ID und für eine staatliche Beteiligung an Identity Providern sowie zur Einführung der Eidcom, die sie allesamt als zentral für die Vertrauensbildung in der Bevölkerung erachtete, stillschweigend fest. Einen Schritt auf ihre Schwesterkammer zu machte sie bei den Sorgfaltspflichten, wo sie sich für den zuvor im Nationalrat diskutierten, aber dort noch abgelehnten Mittelweg Flach entschied. Mit der im Nationalrat abgelehnten, zwingenden Alternative zur E-ID bei Dienstleistungen, die nur Sicherheitsstufe «niedrig» verlangen, fand das Anliegen des Konsumentenschutzes im Ständerat Gehör und wurde ins Gesetz aufgenommen. Zugeständnisse an den Nationalrat machte die kleine Kammer auch beim Datenschutz, indem sie einen Kompromiss einführte, wonach die Zweckbindung der Datenverarbeitung erhalten bleiben, eine Bearbeitung durch Dritte im Rahmen des Datenschutzgesetzes aber erlaubt sein soll, um die konzerninterne Arbeitsteilung und das Outsourcing der Datenbearbeitung nicht zu verunmöglichen.
Während sich der Nationalrat bei den Sorgfaltspflichten schliesslich auf den Mittelweg Flach einliess und diese Differenz damit ausräumte, brachte die RK-NR einen neuen Vorschlag betreffend die Rolle des Staates vor. Demnach soll der Staat nur dann selber ein E-ID-System betreiben dürfen, wenn die Zwecke der E-ID gemäss Art. 1 BGEID nicht erfüllt werden. Der Bundesrat unterstützte diese Subsidiaritätsregel nun, da sie die Voraussetzungen für das Tätigwerden des Staates klar formuliere und der Bund auch ohne diese Einschränkung ohnehin nur mit gebührender Zurückhaltung agiert hätte. Entgegen einer Minderheit Min Li Marti (sp, ZH), die von der SP-, der Grünen- sowie einzelnen Mitgliedern der FDP-Fraktion getragen wurde und an der ständerätlichen Version festhalten wollte, entschied sich die grosse Kammer für diesen neuen Kompromiss. Bezüglich der Eidcom hatte sich die Mehrheit der RK-NR seit der letzten Beratung umstimmen lassen; sie setzte sich nun gemeinsam mit dem Bundesrat für deren Einführung als unabhängige Aufsicht ein, da der Staat, würde er subsidiär tätig, sich im Falle der Aufsicht durch das Informatiksteuerungsorgan des Bundes letztlich selber beaufsichtigen würde. Die Mehrheit des Nationalratsplenums liess sich davon überzeugen und schloss sich mit 113 zu 69 Stimmen dem Ständerat an, während die SVP- und die BDP-Fraktionen sowie einige FDP-Vertreterinnen und -vertreter dagegen votierten. Dem ständerätlichen Kompromiss beim Datenschutz stimmte die grosse Kammer stillschweigend ebenfalls zu.
In der einen verbleibenden Differenz zum subsidiären E-ID-System des Bundes schloss sich der Ständerat schliesslich stillschweigend dem neuen nationalrätlichen Vorschlag an. Die so bereinigte Vorlage passierte die Schlussabstimmung im Nationalrat mit 144 zu 51 Stimmen bei 2 Enthaltungen und jene im Ständerat mit 35 zu 2 Stimmen bei 8 Enthaltungen. Wie bereits seit längerem angekündigt, zeigten sich die SP und die Grünen nicht zufrieden mit dem Gesetz, weil sie sich die Herausgabe der E-ID durch den Staat gewünscht hätten. Das letzte Wort in dieser Angelegenheit dürfte wohl das Volk haben, mutmasste die Presse.

E-ID-Gesetz
Dossier: Elektronische Identität

Die Schweiz soll sich am Verteilungsmechanismus der «Koalition der Willigen« beteiligen, forderten im September 2019 Beat Flach (glp, AG; Mo. 19.4319), Lisa Mazzone (gp, GE; Mo. 19.4034), Guillaume Barazzone (cvp, GE; Mo. 19.4033), Kurt Fluri (fdp, SO; Mo. 19.4037), Carlo Sommaruga (sp, GE; Mo. 19.4035) und Rosmarie Quadranti (bdp, ZH; Mo. 19.4036) in ihren identischen Motionen. Die «Koalition der Willigen» oder eher «Aufnahmewilligen» bezeichnete in diesem Kontext eine Gruppe von EU-Staaten, die sich freiwillig zur Aufnahme geretteter Flüchtlinge bereit erklärten. Die Beteiligung der Schweiz könne gemäss Motionärinnen und Motionären entweder durch die Aufnahme eines Mindestanteils (von zwei Prozent) der Überlebenden an Bord jedes NGO-Schiffs oder durch die Unterstützung der Küstenstaaten durch die Aufnahme von Flüchtlingen aus deren Asylzentren erreicht werden. Die Schweiz beteilige sich via Frontex an der Finanzierung der libyschen Küstenwache, welche Schiffbrüchige nach Libyen zurückführe, ein Land in dem ein aktiver Konflikt schwele und in dessen «Gefangenenlagern» Menschenrechtsverletzungen weitverbreitet seien, kritisierten die Motionärinnen und Motionäre. Als Land mit einer langen humanitären Tradition müsse sich die Schweiz daher umso mehr bereit erklären, Überlebende aufzunehmen.
In seiner Stellungnahme machte der Bundesrat klar, dass die Seenotrettung eine völkerrechtliche Verpflichtung sei und man alle Beteiligten zur Einhaltung der EMRK, des internationalen Seerechts und der Genfer Flüchtlingskonvention aufrufe. Ad-hoc-Lösungen zur Verteilung von Flüchtlingen stehe die Schweiz jedoch zurückhaltend gegenüber, man setze sich eher für eine Reform des Dublin-Systems auf europäischer Ebene ein. Die Umverteilung von Personen ohne Chance auf Asyl sei ein Pull-Faktor, der falsche Anreize setze. Man werde aber weiterhin die Erstaufnahmestaaten auf bilateraler und multilateraler Ebene unterstützen, so wie das bereits durch die Beteiligung an den Plänen des EASO und dem Relocation-Programm der EU im Jahr 2015 geschehen sei. Im Rahmen des zweiten Schweizer Beitrags an ausgewählte Mitgliedstaaten der Europäischen Union werde sich die Schweiz zudem für die Stärkung des Migrationsmanagements in besonders stark betroffenen europäischen Staaten einsetzen. Der Bundesrat beantragte aus diesen Gründen in allen Fällen die Ablehnung der Motion.

Die Schweiz soll sich am Verteilungsmechanismus der "Koalition der Willigen" beteiligen

Die zeitgemässe und zukunftsgerichtete Erhebung der Umweltauswirkungen von Personenwagen verlangte Nationalrat Grossen (glp, BE) mit einem Postulat. Mit einem Bericht solle der Bundesrat Klarheit über die Umweltauswirkungen von Personenwagen aller Antriebssysteme schaffen, wobei die Resultate verständlich und für alle Antriebsarten identisch dargestellt werden sollen. Grossen begründete sein Postulat mit der angesichts vielfältiger und qualitativ unterschiedlicher Studien und verschiedenen Messgrössen wachsenden Verunsicherung in der Bevölkerung. Um eine angemessene Konsumentscheidung zu treffen, sei die Bevölkerung auf einen Bericht angewiesen, der die Umweltauswirkungen verschiedener Antriebsarten korrekt und verständlich vergleiche.
Das Postulat wurde von Nationalrat Wobmann (svp, SO) bekämpft: Er verlangte im Plenum des Rats, welcher das Postulat im September 2019 behandelte, dass «das UVEK besser überlegen» solle, «wie die Strasseninfrastruktur auf Vordermann gebracht werden» könne, «anstatt für viel Geld nutzlose Berichte» zu erstellen.
Bundesrätin Sommaruga unterstützte das Postulat jedoch. Sie verwies auf die «Roadmap Elektromobilität 2022», in deren Rahmen ein ähnlicher Bericht für Personenwagen mit Elektroantrieb erstellt werde. Diese Arbeiten könnten dann mit einem Vergleich von Personenwagen anderer Antriebsart verbunden werden. Die SVP-Fraktion stimmte geschlossen dagegen, alle anderen Fraktionen stimmten zu: Mit 125 zu 65 Stimmen (0 Enthaltungen) wurde das Postulat angenommen.

Erhebung der Umweltauswirkungen von Personenwagen

In Vertretung der SVP-Fraktion gelangte Nationalrat Walter Wobmann (svp, SO) in der Herbstsession 2019 mit einer Motion an den Bundesrat, welche die Schaffung notwendiger gesetzlicher Grundlagen zur Bekämpfung der Ausbreitung eines radikalen Islams in der Schweiz gewähren sollte. Bei den unlängst aufgedeckten Fällen islamischer Hassprediger in Winterthur, Genf oder Biel handle es sich lediglich um die Spitze des Eisberges und es bestehe massiver Handlungsbedarf in diesem Bereich, wie Wobmann erläuterte. Hierfür forderte die SVP-Fraktion die Ergreifung konkreter Massnahmen: Die Auslandsfinanzierung von Moscheen und islamischen Organisationen müsse unterbunden, sämtliche Moscheen müssten bekanntgemacht und überwacht und bei Sicherstellung allfälliger Verletzungen der Schweizer Rechtsordnung unverzüglich geschlossen werden. Um diesen Aufgaben nachkommen zu können, müsse der Informationsaustausch zwischen den Behörden unterschiedlicher Stufen ausgebaut und um entsprechende sach- und sprachkundige Spezialistinnen und Spezialisten erweitert werden. Schliesslich sollten Schweizer Botschaften und das SEM keine Visa mehr an ausländische Imame ausstellen dürfen, die lediglich zwecks temporärer Predigertätigkeit in die Schweiz einreisen wollten.
Bei radikalen Strömungen jeglicher Art, seien diese religiös, links- oder rechtsextremistisch, habe der Bundesrat ein besonderes Augenmerk auf deren Bekämpfung – diesen Punkt wolle sie klar unterstreichen und keinen Zweifel daran lassen, betonte Bundesrätin Karin Keller-Sutter. Die vorgebrachte Motion stamme aber aus dem Jahr 2017 und zwischenzeitlich seien diverse anderweitige Massnahmen ergriffen worden, die viele der verlangten Anliegen bereits ermöglichten. So könne beispielsweise das Fedpol bereits Einreiseverbote und Ausweisungen von ausländischen Predigern erlassen. Des Weiteren sei eine Strafgesetzesrevision hängig, mit der eine Strafnorm gegen kriminelle Organisationen geschaffen werden solle, die auch auf die Bekämpfung terroristischer Organisationen zugeschnitten werden könne. Auch seien das in der SiK-SR hängige Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) sowie die jüngst im Juni 2019 verabschiedete Botschaft zur Änderung des Geldwäschereigesetzes zu berücksichtigen. Was aber grundsätzlich abzulehnen sei, sei eine Überwachung der Moscheen, die über die Beurteilung konkreter Sicherheitsrisiken hinausgeht, da dies im Widerspruch zum Bundesgesetz über den Nachrichtendienst stehe. Aus diesen Gründen empfehle der Bundesrat die Motion zur Ablehnung.
In der Abstimmung im Nationalrat öffnete sich in dieser Frage ein politischer Graben zwischen den Parteien, da die Motion zwar ohne weiterführende Diskussion, aber mit einem Patt (91 zu 91 Stimmen) per Stichentscheid der Präsidentin Marina Carobbio (sp, TI) abgelehnt wurde. Die geschlossene SVP-Fraktion konnte sich folglich trotz Unterstützung einer deutlichen Mehrheit der CVP-Fraktion nicht gegen die geschlossenen Fraktionen der SP, Grünen, GLP und BDP, mit grosser Unterstützung einer Mehrheit der FDP-Fraktion durchsetzen. Unter Berücksichtigung dieses äusserst knappen Entscheides erscheint der Umstand, dass drei der acht Personen, die im Abstimmungsprotokoll unter «hat nicht teilgenommen» aufgeführt werden, der SVP-Fraktion angehören, umso bedeutungsvoller. So stellt sich hier auch die Frage, ob es nach Möglichkeit gerade ebendiesem Umstand geschuldet ist, dass just einen Tag nach der Ablehnung dieser Motion ein tatsächlich identischer Antrag (Mo. 19.4005) neuerlich im Nationalrat eingereicht wurde.

Stopp der Ausbreitung des radikalen Islams in der Schweiz! (Mo. 17.3681)
Dossier: Stopp der Ausbreitung des radikalen Islams in der Schweiz!
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen

Au mois de juin 2019, le Conseil national a suivi l'avis de la CAJ-CN et décidé à une courte majorité (99 voix pour, 92 contre et 0 abstention) de classer l'initiative intitulée «Lèse-majesté. Abroger l'article 296 CP». La proposition de la minorité Flach (pvl, AG), en faveur d'une prolongation du délai de traitement à la session d'été 2021, a ainsi été écartée.

Lèse-majesté. Abroger l'article 296 CP (Iv. pa. 16.430)

Wie zuvor schon der Nationalrat nahm auch der Ständerat die Motion Flach (glp, AG) zum Sanierungsverfahren für Privatpersonen diskussionslos an. Sowohl die RK-SR als auch der Bundesrat hatten die Annahme der Motion beantragt.

Sanierungsverfahren für Privatpersonen. Bessere Zukunftsperspektiven für Schuldner und Gläubiger (Mo. 18.3683)

Bevor der Nationalrat in der Sommersession über die Umsetzung der parlamentarischen Initiative Aeschi (svp, ZG) zur Einführung eines Verordnungsvetos debattierte, hatte sich der Bundesrat in die Diskussion eingebracht. In ihrer Stellungnahme beantragte die Regierung, nicht auf das Geschäft einzutreten. Sie machte dabei geltend, dass dem Parlament bereits wirksame Instrumente (Motion, parlamentarische Initiative, Konsultationsrechte) zur Verfügung stünden, um Einfluss auf die Verordungsgebung des Bundesrats zu nehmen. Ein Veto würde hingegen nicht nur zu Verzögerungen führen, sondern sei – weil es die Gewaltenteilung verletze – auch verfassungswidrig. Im Falle eines Eintretens verlangte der Bundesrat Ausnahmen etwa im Falle völkerrechtlicher Verpflichtungen, für Verordnungen rein technischen Inhalts oder für Verordnungen zur Wahrung der inneren oder äusseren Sicherheit. Zudem seien Verordnungen auszunehmen, die bei dringlichen Bundesgesetzen erlassen werden müssen. In seiner Stellungnahme äusserte sich der Bundesrat zudem zu den verschiedenen Anträgen der von der SPK-NR ausgearbeiteten Vorlage.

Der Entwurf der SPK-NR sieht vor, dass ein Drittel der Mitglieder eines Rates innerhalb von 15 Tagen nach deren Veröffentlichung gegen Verordnungen des Bundesrats ein Veto einlegen kann. Nach höchsten 60 Tagen muss die verantwortliche Kommission über den Antrag befinden. Lehnt sie diesen ab, ist er erledigt; stimmt sie ihm zu, wird er von den Räten in der nachfolgenden ordentlichen Session behandelt. Diese entscheiden dann, ob eine Verordnung der Ansicht des Gesetzgebers widerspricht und folglich neu verfasst werden muss oder nicht. Ziel sei es, dem Eindruck zu begegnen, dass die Umsetzung von vom Parlament beschlossenen Gesetzen durch die bundesrätlichen Verordnungen nicht immer dem Willen des Gesetzgebers entsprächen. Das Veto hätte so also auch präventive Wirkung, warb Kommissionssprecher Matthias Jauslin (fdp, AG) in der Eintretensdebatte für die Vorlage.
Diese Eintretensdebatte wurde ziemlich ausführlich geführt und machte die Kontrahentinnen und Kontrahenten sichtbar, die sich insbesondere am zentralen Element der Gewaltenteilung rieben. Die vom Bundesrat unterstützte, gegen Eintreten optierende Minderheit, bestehend aus den geschlossen stimmenden Fraktionen der SP und der GP sowie aus Minderheiten der CVP- und der FDP-Fraktion, erachtete das Veto gegen Verordnungen als Instrument, mit dem die Teilung der Gewalten je nach Lesart «geritzt» oder gar «verletzt» werde. Die gesetzgebende Gewalt dürfe sich nicht in die technische Arbeit der vollziehenden Gewalt einmischen, wurde argumentiert. Angelo Barrile (sp, ZH) warnte mit Blick auf die Vernehmlassungsantworten, in denen sich die «Lobbys» für ein Verordnungsveto ausgesprochen hätten, dass der Einfluss von Interessenorganisationen mit dem neuen Instrument auch auf die Umsetzung von Gesetzen ausgedehnt würde. Die Minderheit verwies zudem auf das «Verzögerungs- und Blockadepotenzial» des Verordnungsvetos, so etwa Nadine Masshardt (sp, BE). Das Veto lade zudem dazu ein, politisch zu taktieren, und erteile keinen Auftrag, weil man mit ihm Verordnungen nur ablehnen oder gutheissen könne, monierte Marianne Streiff-Feller (evp, BE) für die Minderheit der CVP-Fraktion. Und Balthasar Glättli (gp, ZH) wies darauf hin, dass das Parlament mit der parlamentarischen Initiative ja ein viel stärkeres Instrument habe, selber Gesetze zu verfassen. Die Mehrheit beharrte hingegen darauf, dass der Bundesrat sich mit Verordnungen immer wieder dem Willen des Souveräns widersetze. Wirklich stossende Abweichungen der Gesetzgebung durch Verordnungen müssten darum sozusagen mittels «Notbremse» verhindert werden können, so Beat Flach (glp, AG) für die GLP-Fraktion. Es handle sich um ein staatsrechtliches Experiment, auf das man sich einlassen und das man diskutieren solle. Es gehe nicht um die Frage, ob dieser Vorstoss verfassungskonform sei oder nicht – nahm Gregor Rutz (svp, ZH) für die SVP-Fraktion Stellung –, sondern um den Schutz der Verfassung selber. Man habe zwar kein Verfassungsgericht, aber die Kontrolle gegen ein Gesetz könne mittels Referendum wahrgenommen werden. Dies sei nun aber bei Verordnungen eben nicht möglich. Heute stamme ein Drittel aller Regelungen aus Verordnungen und lediglich 12 Prozent aus Gesetzen. Deshalb sei ein Korrekturinstrument dringend. Für die FDP-Fraktion ergriff schliesslich Kurt Fluri (fdp, SO) das Wort: Es sei wichtig, zu sehen, dass das Veto kassatorisch sei. Es gehe eben gerade nicht darum, neue Regelungen zu diskutieren oder anzustossen – was mit den parlamentarischen Anstossinstrumenten mitunter Jahre dauere –, sondern einzig darum, den Bundesrat aufzufordern, Gesetze im Sinne des Parlaments und nicht «seinen eigenen Willen» umzusetzen. Fluri ging zudem auf die Erfahrungen in seinem Kanton Solothurn ein, der ein Verordnungsveto kennt. In den 30 Jahren zwischen 1988 und 2018 sei lediglich gegen 77 von 1115 Verordnungen ein Veto eingelegt worden, acht dieser beanstandeten Verordnungen seien von der Regierung zurückgezogen und etwa jede fünfte korrigiert worden. Es könne – zumindest im Kanton Solothurn – nicht von systematischer Blockade gesprochen werden. Bundeskanzler Walter Thurnherr äusserte sich am Schluss der Eintretensdebatte im Namen des Bundesrats und warnte vor der Vermischung der Gewalten und einem unverhältnismässigen Aufwand. Zudem fehle aus Sicht der Regierung die verfassungsmässige Grundlage für das neue Instrument. Mit 115 zu 64 Stimmen wurde dann – aufgrund der Positionen der einzelnen Fraktionen eher wenig überraschend – Eintreten beschlossen.
Bei der Detailberatung wurden alle Vorschläge des Bundesrates für zusätzliche Ausnahmen abgelehnt.Auch ein Minderheitsantrag der SVP, wonach nicht die Kommissionsmehrheit das letzte Wort haben soll, sondern ein Minderheitsantrag auch im Rat diskutiert werden sollte, fand keine Mehrheit. Es soll also die Kommission beziehungsweise deren Mehrheit sein, die entscheidet, ob über einen Antrag auf ein Veto abgestimmt wird oder nicht. Das gleiche Schicksal der Ablehnung ereilte ein Minderheitsantrag der SP, mit dem die Erläuterungen zu den Verordnungen im Bundesblatt hätten veröffentlicht werden sollen. Alle weiteren Minderheitsanträge, mit denen Ausnahmen geschaffen werden sollten, lehnte die Ratsmehrheit ab. Mit ein Grund dafür war wohl das von Kommissionssprecher Jauslin vorgebrachte Argument, dass hier ein neues Instrument geschaffen werde und man zuerst Erfahrungen sammeln müsse, um dann vielleicht später in einzelnen Bereichen Ausnahmen zu schaffen. In der Gesamtabstimmung erhielt die unveränderte Vorlage der SPK-NR 113 Stimmen. Die 67 Gegenstimmen stammten von allen anwesenden GP- (11) und SP-Mitgliedern (40) sowie von 10 Mitgliedern der FDP- und 6 der CVP-Fraktion. Sechs der acht Grünliberalen enthielten sich der Stimme. Damit ging die Vorlage an den Ständerat.

Veto gegen bundesrätliche Verordnungen (Pa. Iv. 14.422)
Dossier: Vorstösse für ein Veto des Parlamentes gegen Verordnungen des Bundesrates

Im Juni 2017 hatte Elisabeth Schneider-Schneiter (cvp, BL) unter dem Titel «Tschüss Roaming-Insel Schweiz» nicht nur eine parlamentarische Initiative, sondern auch eine Motion eingereicht. Während die parlamentarische Initiative eine Regulierung der Roamingkosten vorsah, forderte die Motion gleich die Abschaffung der Roaming-Zuschläge, und zwar für Schweizerinnen und Schweizer in der EU ebenso wie für EU-Bürgerinnen und -Bürger in der Schweiz. Während die Regulierung der Roamingkosten Eingang in die Revision des Fernmeldegesetzes fand, blieb die Motion zur Abschaffung der Roaming-Gebühren einstweilen unbehandelt. Die Motionärin hielt auch nach dem Abschluss der Revision des Fernmeldegesetzes an ihrer Motion fest, so dass diese im Juni 2019 in den Nationalrat kam.
Bundesrätin Sommaruga erinnerte im Ratsplenum an die politische «Grosswetterlage», in der zur Zeit ein bilateraler Vertrag mit der EU kaum möglich sei. Sie sei sich auch sicher, dass ihre Vorgängerin die Roaming-Gebühren längst abgeschafft hätte, wenn es einen «Zauberstab» gäbe, um dies zu tun. Weil das politisch Mögliche in der Revision des Fernmeldegesetzes umgesetzt worden sei, bat die Bundesrätin um Ablehnung. Der Rat folgte diesem Antrag, die Motion wurde mit 99 zu 78 Stimmen (bei 14 Enthaltungen) abgelehnt.

«Tschüss Roaming-Insel Schweiz»

In der Sommer- und Herbstsession nahmen Stände- und Nationalrat je eine Motion für Anpassungen am Stockwerkeigentum an.
Diskussionslos, stillschweigend und somit einstimmig nahm der Ständerat im Juni 2019 eine Motion Caroni (fdp, AR; Mo. 19.3140) an. Diese forderte, aufbauend auf dem Bericht des Bundesrates vom März 2019 und einem früheren Postulat Caroni (fdp, AR; Po. 14.3832), entsprechende gesetzliche Anpassungen am Stockwerkeigentum. Damit sollten diverse Lücken geschlossen und Anwendungsprobleme gelöst werden. Namentlich erwähnt wurde vom Motionär der mangelnde Rechtsschutz von Stockwerkeigentümerinnen und Stockwerkeigentümern, die «ab Plan» erwerben, also noch vor der Fertigstellung eines Gebäudes.
Im Nationalrat wurde die gleichentags eingereichte und ähnlich lautende Motion von Beat Flach (glp, AG; Mo. 19.3347) zwar ebenfalls vom Bundesrat zur Annahme empfohlen, aber wegen Bekämpfung durch Hans Egloff (svp, ZH) erst im September 2019 behandelt. Egloffs zwei Hauptargumente für Ablehnung der Motion waren einerseits die grundsätzlich ausreichenden rechtlichen Regelungen zum Stockwerkeigentum und andererseits die Behebung einzelner Probleme durch bereits aufgegleiste Reformen im Werk- bzw. Kaufvertragsrecht. Da sich einzig die SVP – geschlossen – und vier Liberale gegen die Motion stellten, wurde diese mit 108 zu 63 Stimmen bei einer Enthaltung klar überwiesen.

Gesetzliche Anpassungen am Stockwerkeigentumsrecht (Mo. 19.3347)
Dossier: Stockwerkeigentum