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Akteure

  • Flach, Beat (glp/pvl, AG) NR/CN
  • Meyer, Mattea (sp/ps, ZH) NR/CN
  • Schneider Schüttel, Ursula (sp/ps, FR) NR/CN

Prozesse

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In der Wintersession 2023 verlängerte der Ständerat die Behandlungsfrist der parlamentarischen Initiative Hêche (sp, JU) für eine Optimierung und bessere Koordinierung des Entschuldungsverfahrens für Privatpersonen auf Antrag der RK-SR erneut um zwei Jahre bis zur Wintersession 2025. Die Kommission liess sich von der Verwaltung zum Stand der Umsetzung von den – dem Vorstoss inhaltlich nahekommenden – Motionen Hêche (Mo. 18.3510) und Flach (glp, AG; Mo. 18.3683) informieren und erwartete, dass in der zweiten Jahreshälfte 2024 mit einer Botschaft des Bundesrates gerechnet werden dürfe. Sie beabsichtigte deshalb, die Vorlage des Bundesrates abzuwarten und von eigenen Umsetzungsarbeiten vorerst abzusehen.

Das Entschuldungsverfahren für Privatpersonen optimieren und besser koordinieren (Pa.Iv. 18.430)

In der Herbstsession 2023 bereinigte das Parlament sowohl die Prämien-Entlastungs-Initiative der SP als auch deren indirekten Gegenvorschlag. Den Anfang machte der Nationalrat, der dem Ständerat beim indirekten Gegenvorschlag in allen offenen Differenzen trotz anderslautender Kommissionsanträge zustimmte. Dadurch setzte sich der Ständerat unter anderem mit seiner Vorstellung des Gegenvorschlags durch, «der bezüglich der finanziellen Auswirkungen nochmals milder ausgestaltet ist als derjenige des Bundesrates», wie es Kommissionssprecher Mäder (glp, ZH) formulierte. So verzichtete der Nationalrat darauf, dass der Bundesrat den Kantonen vorschreiben darf, wie die Prämien und das verfügbare Einkommen zur Festlegung des Kantonsanteils der Prämienverbilligungen berechnet werden. Hier folgte der Rat einer Minderheit de Courten (svp, BL), während die Kommissionsmehrheit an ihrer Position hatte festhalten wollen.
Die zweite grosse offene Frage betraf den Mindestanteil der OKP-Bruttokosten, den die Kantone übernehmen müssen, sowie damit verbundene Regelungen. Hier lagen drei Konzepte vor. Der Bundesrat hatte hier ursprünglich vorgeschlagen, dass die Kantone mindestens 5 Prozent der Bruttokosten übernehmen müssen, wenn die Prämien weniger als 10 Prozent des Einkommens der einkommensschwächsten Personen ausmachen. Bei Prämien in der Höhe von 18.5 Prozent des Einkommens wären es im Minimum 7.5 Prozent der Bruttokosten, dazwischen sollte es eine lineare Abstufung geben. Diesem Vorschlag wollte auch eine Minderheit I Prelicz-Huber (gp, ZH) folgen. Die Kommissionsmehrheit wollte hingegen dem Ständerat folgen, der den minimalen Grenzwert bei 11 statt 10 Prozent und die bei diesem Grenzwert zu übernehmenden Anteile der Bruttokosten bei 3.5 statt 5 Prozent festlegen wollte. Kommissionssprecher Roduit (mitte, VS) erachtete damit das Hauptziel des Gegenvorschlags, die Verpflichtung der Kantone zur Prämienverbilligung an die bedürftigsten Personen, als erfüllt. Gleichzeitig verhindere man damit eine Überlastung des Gemeinwesens. Eine Minderheit Meyer (sp, ZH) war, ebenso wie die Minderheit I Prelicz-Huber, der Ansicht, der Mehrheitsvorschlag decke «nicht mal einen Bruchteil der Kosten der Prämienexplosion von diesem Jahr [...] ab[...]», und forderte eine deutlich stärkere Prämienverbilligung als von der Mehrheit und vom Bundesrat vorgeschlagen. Mit 105 zu 86 Stimmen (bei 1 Enthaltung) und 104 zu 86 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) sprach sich der Nationalrat zugunsten des Mehrheitsantrags gegen beide Minderheitsanträge aus. Erneut setzten sich die SVP- sowie Mehrheiten der FDP- und der Mitte-Fraktionen durch.

Nachdem der Nationalrat tags zuvor den indirekten Gegenvorschlag bereinigt hatte, setzte der Ständerat die Debatte zur Initiative fort. In zahlreichen Wortmeldungen legten die Sprechenden abschliessend noch einmal ihre Gründe für und gegen die Initiative dar, die im Rahmen der Debatte zum indirekten Gegenvorschlags ebenfalls bereits ausführlich erläutert worden waren. Abschliessend entschied sich der Ständerat, Stimmbevölkerung und Kantonen die Initiative mit 33 zu 11 Stimmen zur Ablehnung zu empfehlen. Einzig die Mitglieder der SP- und der Grünen-Fraktion sprachen sich für eine Empfehlung auf Annahme aus.

In den Schlussabstimmungen Ende der Herbstsession 2023 hiess der Nationalrat den Bundesbeschluss mit der Ablehnungsempfehlung mit 123 zu 70 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) gut, der Ständerat mit 32 zu 11 Stimmen (bei 1 Enthaltung). Den indirekten Gegenvorschlag nahm das Parlament, abgesehen von einer ablehnenden Stimme eines Mitglieds der Mitte-Fraktion im Ständerat (41 zu 1 Stimmen bei 2 Enthaltungen), beinahe einstimmig an (Nationalrat: 195 zu 0 Stimmen bei 1 Enthaltung). Die SP zeigte sich mit dem indirekten Gegenvorschlag jedoch nicht abschliessend zufrieden und kündigte an, an ihrer Initiative festzuhalten. Über diese wird folglich im Jahr 2024 abgestimmt werden.

Eidgenössische Volksinitiative «Maximal 10 Prozent des Einkommens für die Krankenkassenprämien (Prämien-Entlastungs-Initiative)» und indirekter Gegenvorschlag (BRG 21.063)
Dossier: Anstieg der Krankenkassenprämien dämpfen (seit 2020)
Dossier: Prämienverbilligung
Dossier: Volksinitiativen zum Thema «Krankenkasse» (seit 2015)

In der Herbstsession folgte der Nationalrat dem Antrag des Bundesrates auf Annahme zweier gleichlautender Motionen Schneider Schüttel (sp, FR; Mo. 23.3734) und Riniker (fdp, AG; Mo. 23.3735), die den unbezahlten Urlaub für ausserschulische Jugendarbeit von einer auf zwei Wochen erhöhen wollten. In ihrer Begründung hoben die Motionärinnen die Bedeutung der ehrenamtlichen Jugendarbeit für die Arbeitswelt und die Gesellschaft hervor.

Stärkung des Jugendurlaubs (Mo. 23.3734; Mo. 23.3735)

In der Herbstsession 2023 setzte sich der Nationalrat als Erstrat mit der Anpassung des Verzugszinssatzes des Bundes an die Marktzinsen auseinander. Raphaël Mahaim (gp, VD) und Philipp Matthias Bregy (mitte, VS) erläuterten die zwei diskutierten Optionen mit einem variablen und einem festen, aber reduzierten Zinssatz. Die RK-NR habe sich mehrheitlich für einen variablen Zinssatz ausgesprochen, der jeweils jährlich festgelegt wird, 2 Prozentpunkte über dem SARON liegt, aber minimal 2 Prozent beträgt. Damit wolle man einen zusätzlichen Schaden für die Schuldnerinnen und Schuldner umgehen und gleichzeitig die Gläubigerinnen und Gläubiger daran hindern, bei günstigen Zinsen von Verzögerungen zu profitieren. In zwei Anträgen verlangten jedoch eine Minderheit Flach (glp, AG) und der Bundesrat, nicht auf die Vorlage einzutreten. Minderheitensprecher Flach argumentierte, die Initiative stamme aus der Tiefzins- oder gar Negativzinsphase und damit aus einer «verrückten» Zinssituation, die sich nun aber normalisiert habe. Nun solle man wieder dafür sorgen, dass die Schulden auch bezahlt würden. Er wehrte sich auch gegen die Darstellung der Kommission, wonach Verzugszinsen den Schuldnerinnen und Schuldnern keinen wirtschaftlichen Nachteil bringen sollten – eine Nichtbezahlung der Schulden solle durchaus auch eine Strafe für die Schuldnerinnen und Schuldner darstellen, argumentierte er. Schliesslich sei die neue Berechnungsart der Schuldzinsen zu kompliziert und liesse mehrere Fragen offen. Den Druck auf die Schuldnerinnen und Schuldner, ihre Schulden schnellstmöglich zu bezahlen, hob auch Justizministerin Baume-Schneider als Argument hervor und betonte, in Europa liege der Verzugszins durchschnittlich bei 10 Prozent. Folglich bevorzuge der Bundesrat – wenn überhaupt zu einem variablen Zinssatz gewechselt werden soll – einen Zuschlag von 3 Prozentpunkten. Mit 107 zu 56 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) sprach sich der Nationalrat für Eintreten aus. Gegen Eintreten votierten die GLP-, die Mehrheit der SVP- und ein Mitglied der FDP-Fraktion. Fast identisch war in der Folge auch das Abstimmungsergebnis zur Gesamtabstimmung, in welcher der Nationalrat den Entwurf annahm.

Verzugszinssatz des Bundes. Anpassung an Marktzinsen (Pa.Iv. 16.470)

In der Herbstsession 2023 beugte sich der Nationalrat über einen Entwurf seiner UREK zur Änderung des Zweitwohnungsgesetzes basierend auf einer parlamentarischen Initiative Candinas (mitte, GR). Erstens sollen auf Antrag der UREK-NR altrechtlich erbaute Zweitwohnungen um bis zu 30 Prozent erweitert und gleichzeitig auch auf dieser Fläche in weitere Wohnungen unterteilt werden können. Nach geltendem Recht existieren bereits ebendiese Optionen, allerdings können sie nicht simultan angewendet werden. Zweitens soll auch bei einem Wiederaufbau eine Erweiterung von 30 Prozent geltend gemacht werden können. Drittens soll dieser Wiederaufbau – bei Einhaltung der baugesetzlichen Vorschriften – fortan auf der gesamten Parzelle erlaubt sein.

Eintreten auf die Vorlage wurde in der grossen Kammer ausgiebig diskutiert. Eine Minderheit Suter (sp, AG) beantragte dem Rat, nicht auf die Vorlage einzutreten. Sie verletze verfassungsmässige Vorgaben, welche im Zuge der Annahme der Zweitwohnungsinitiative entstanden seien. Insbesondere sei in der Verfassung verankert, dass der neue Bau und die Erweiterung von Zweitwohnungen zu unterlassen sei, was aber bereits durch das geltende Recht verletzt werde. Die Vorlage der UREK-NR würde den Verfassungsartikel noch weiter abschwächen was nach Ansicht von Rechtsexperten und Rechtsexpertinnen eine «hochproblematische» Entwicklung sei. Unterstützung erhielt der Minderheitsantrag Suter seitens der Fraktionen der SP, der Grünen und der Grünliberalen. Unter anderem würde mit einer entsprechenden Änderung des Gesetzes die einheimische Bevölkerung aus touristisch hochattraktiven Ortschaften gedrängt werden. Weiter würde die Gesetzesvorlage Anreize zum Abbruch von Liegenschaften schaffen, womit viel nicht rezyklierbarer Abfall einhergehe, bemängelte Grünen-Fraktionssprecher Kurt Egger (gp, TG). Die Mitte-Fraktion unterstützte dagegen den Entwurf der UREK-NR, da auf diese Weise das Bauen in der Bauzone effizient genutzt werden könnte. Auch die FDP-Fraktion sah in der Vorlage ein Mittel, eine höhere Verdichtung im Sinne der ersten Etappe der RPG-Revision zu erreichen. Eine Mehrheit der Fraktion beabsichtige folglich, auf die Vorlage einzutreten und in der Detailberatung den Anträgen der Mehrheit zu folgen, so Fraktionssprecherin Christine Bulliard-Marbach (mitte, FR). Die gleichen Absichten hegte auch die SVP-Fraktion, die sich laut Fraktionssprecher Michael Graber (svp, VS) für Eintreten ausspreche. Schliesslich konnten sich die geschlossen stimmenden Fraktionen der SVP, FDP und Mitte gegen eine links-grüne Minderheit behaupten und die grosse Kammer beschloss mit 109 zu 78 Stimmen (bei 6 Enthaltungen), auf die Vorlage einzutreten.

In der Detailberatung fanden sich drei Minderheitenanträge sowie ein Einzelantrag, welche jedoch in der grossen Kammer allesamt erfolglos blieben. Darunter fand sich eine Minderheit Beat Flach, die sich an der Fassung des Bundesrats orientieren wollte, dass lediglich für zusätzlich entstandene Wohnungen eine Nutzungsbeschränkung gelten solle. Wenn im Zuge von Sanierungen und Abbruch zusätzliche Wohnungen geschaffen würden, sollten diese zumindest im Rahmen der erweiterten Wohnfläche als Erstwohnung dienen. Einen ähnlichen Ansatz verfolgte Martina Munz (sp, SH), die mit ihrem Einzelantrag forderte, dass mindestens die Hälfte der zusätzlich entstandenen Wohnungen als Erstwohnungen genutzt werden müssten. Eine Minderheit Clivaz (gp, VS) wollte einerseits die parzelleninterne Standortverschiebung strenger reguliert haben, als dies im Entwurf der UREK-NR vorgesehen sei. Andererseits solle die Möglichkeit, im Zuge einer Sanierung oder Wiederaufbaus neue Wohnungen zu schaffen, nur in bestimmten Gemeinden zum Zuge kommen.

In der Gesamtabstimmung sprachen sich die geschlossenen Fraktionen der SVP und der Mitte sowie eine grosse Mehrheit der FDP-Fraktion für die Vorlage aus, womit der Entwurf mit 105 zu 80 Stimmen (bei 8 Enthaltungen) angenommen wurde.

Unnötige und schädliche Beschränkungen des Zweitwohnungsgesetzes in Sachen Abbruch und Wiederaufbau von altrechtlichen Wohnungen aufheben (Pa.Iv 20.456)

In der Herbstsession beugte sich der Nationalrat als Erstrat über einen Entwurf seiner Rechtskommission, um unter anderem die Frist der Meldung von Baumängeln zu verlängern. Dieser Entwurf griff die Anliegen mehrerer parlamentarischer Vorstösse auf (u.a. Pa.Iv. 12.502; Pa.Iv. 14.453). Nach geltendem Recht müssen Baumängel unverzüglich durch die Käuferinnen und Käufer einer Immobilie gemeldet werden; ansonsten verlieren diese ihre Mangelrechte. Vor diesem Hintergrund arbeitete der Bundesrat drei massgebliche Änderungsmassnahmen des OR aus: Erstens sollen Baumängel zukünftig innert 60 Tagen durch die Erwerberinnen und Erwerber gemeldet werden können anstatt der heutigen Rügefrist, welche sich über wenige Tage erstreckt. Allerdings soll für die Vertragsparteien bei Werk- und Grundstückkaufverträgen die Möglichkeit bestehen, sich auf eine andere Frist zu einigen. Zweitens soll der Ausschluss des Nachbesserungsrechts für Baumängel im Falle von Bauten zum persönlichen oder familiären Zweck nicht mehr zulässig sein. Drittens soll die Position der Bauherrschaft im Bauhandwerkerpfandrecht gestärkt werden. So soll die Bauherrschaft alternativ zur Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts eine Ersatzsicherheit leisten können, die die Verzugszinsen für mindestens zehn Jahre decken soll. Dies erleichtere die Bereitstellung einer solchen Ersatzsicherheit für die Bauherrschaft, da diese nach geltendem Recht die Verzugszinsen auf unbestimmte Zeit decken sollten.

Die Mehrheit der RK-NR entschied, den Entwurf des Bundesrates noch zu erweitern und sprach sich für eine gänzliche Abschaffung der Verwirkungsfolge für verspätete Mangelrügen aus. Dabei sollen Baumängel innerhalb der gesamten Verjährungsfrist gemeldet werden können, wobei diese von fünf auf zehn Jahre angehoben werden soll. Um weiterhin Anreize zum sofortigen Mangelrügen zu setzen, soll die Bestellerin oder der Besteller die durch Mängel verursachten Kosten tragen, falls diese bei einer sofortigen Meldung nicht entstanden wären. Auch soll das Nachverbesserungsrecht individuell für alle Immobilien vereinbart werden können, wobei ein Ausschluss des Rechts auf Mängelbehebung in allen Fällen null und nichtig sei. Schliesslich entschied sich die Kommission, die Laufzeit der Ersatzsicherheit der Bauherrschaft von den vorgeschlagenen zehn auf fünf Jahre zu kürzen.

Eintreten auf die Vorlage war in der grossen Kammer unbestritten und erfolgte stillschweigend. Der Entwurf der RK-NR wurde jedoch von zwei Minderheiten hinterfragt. Einerseits war die Minderheit Beat Flach (glp, AG) der Ansicht, dass die geforderte Anhebung der Verjährungsfrist von fünf auf zehn Jahre zu weit gehe, da dies für Unternehmen finanziell nur schwer tragbar sei. Weiter müsse sichergestellt werden, dass aufgrund nicht gemeldeter Baumängel Folgemängel ausgeschlossen werden könnten. Deshalb sei eine übungsgemässe Untersuchung zu implementieren, damit allfällige Mängel erkannt werden sollten. Insofern dies nicht der Fall sei, könnten Mängel innerhalb der Verjährungsfrist gemeldet werden. Andererseits wollte eine Minderheit Sidney Kamerzin (mitte, VS) dem weniger ausgebauten Entwurf des Bundesrats folgen.
Die Fraktionen der Grünen, der SP und FDP sprachen sich in allen Belangen für den Entwurf der Kommissionsmehrheit aus. Ausser bei der Verlängerung der Verjährungsfrist von fünf auf zehn Jahre stimmte die SVP-Fraktion hingegen dem Entwurf des Bundesrats zu. Die Mitte-Fraktion unterstützte vollumfänglich die Fassung des Bundesrats und beabsichtigte, der Minderheit Kamerzin zu folgen.
Beide Minderheiten bleiben in der grossen Kammer erfolglos, wenn auch – im Falle der Minderheit Kamerzin – nicht vollkommen chancenlos. Immerhin 93 Nationalratsmitglieder vermochte die Minderheit um den Walliser Mitte-Nationalrat zu überzeugen, darunter die Mehrheit der FDP- und Mitte-Fraktionsmitglieder und die geschlossen stimmende SVP-Fraktion. Trotzdem konnte sich der Vorstoss gegenüber 94 Gegenstimmen (bei 2 Enthaltungen) knapp nicht behaupten. In der Gesamtabstimmung wurde die Fassung der RK-NR klar mit 185 zu 5 Stimmen angenommen, womit das Geschäft an den Ständerat ging.

Obligationenrecht (Baumängel). Änderung (BRG 22.066)

Der Nationalrat befasste sich in der Herbstsession 2023 als Erstrat mit der vergleichsweise umfangreichen Revision des Wasserbaugesetzes. Diese Revision verfolgte den Zweck, das in der Praxis bereits angewandte integrale Risikomanagement im Bereich des Hochwasserschutzes auch gesetzlich zu verankern. Kommissionssprecherin Ursula Schneider Schüttel (sp, FR) stellte die Vorlage vor und erläuterte den einzigen Antrag der vorberatenden UREK-NR. Dieser sah eine initiale Mitfinanzierung des Bundes bei der Pflege neu gestalteter Gewässerräume vor. Anschliessend begründete Christophe Clivaz (gp, VS) seinen Minderheitsantrag zum Zweckartikel des Gesetzes. Clivaz forderte dazu auf, den Zweck des WBG um die Erhaltung oder Wiederherstellung der natürlichen Funktionen von Wasserläufen auszuweiten. In den darauf folgenden Fraktionsvoten zeigte sich, dass der Antrag Clivaz ausserhalb der eigenen und der SP-Fraktion keine Zustimmung finden würde. So argumentierte etwa Mitte-Vertreter Nicolo Paganini (mitte, SG), dass der Zweck des WBG im Hochwasserschutz liege; ökologische Anliegen würden demgegenüber bereits im GSchG geregelt. Nach dem Votum von Umweltminister Rösti, welcher sich gegen die Ausweitung der Finanzierung auf den Bund aussprach, wandte sich die grosse Kammer den Abstimmungen zu und sprach sich dabei ohne Gegenantrag für Eintreten aus. Mit 175 zu 3 Stimmen (1 Enthaltung) nahm der Nationalrat den Antrag der Kommission zur Mitfinanzierung durch den Bund an und lehnte den Minderheitsantrag Clivaz mit 113 zu 65 Stimmen (1 Enthaltung) ab. In der Gesamtabstimmung votierte der Nationalrat einstimmig für die Annahme des Entwurfes.

Révision de la loi fédérale sur l’aménagement des cours d’eau (MCF. 23.030)

In der Sommersession 2023 gelangte die zweite Etappe der Teilrevision des RPG erneut in den Nationalrat. In der Wintersession 2019 hatte der Nationalrat als Erstrat entschieden, nicht auf die Vorlage einzutreten. In der ständerätlichen Detailberatung in der Sommersession 2022 waren Punkte, die der Nationalrat bei seiner Verweigerung, auf den Entwurf einzutreten, kritisiert hatte, gestrichen worden. Kommissionssprecher Mike Egger (svp, SG) bestätigte, dass die Stabilisierung der Zahl an Bauten im Nichtbaugebiet und die Bodenversiegelung auch für den Nationalrat im Fokus stünden und dass dies das grundlegende Ziel dieser neuen Etappe der RPG-Revision darstelle. Auch wolle man mit den Instrumenten arbeiten, die bereits die kleine Kammer vorgesehen hatte, so der Kommissionssprecher weiter. Diese beinhalteten ein Planungsinstrument, Anreize und Sanktionen. Ersteres beauftrage die Kantone, Richtpläne zu entwickeln, um das Stabilisierungsziel zu gewährleisten. Zweiteres beinhaltete eine Abbruchprämie, welche darauf abziele, bestehende Bauten ausserhalb der Bauzone zu reduzieren. Und nicht zuletzt sollen Sanktionen gegen Kantone ergriffen werden, falls sich diese weigern würden, ihre Richtpläne anzupassen. So solle der Bau von Gebäuden ausserhalb der Bauzone nur möglich sein, wenn diese auch entsprechend kompensiert werden würden.

Trotz dieser gemeinsamen Ziele beantragte die UREK-NR ihrem Rat, die Vorlage stark zu vereinfachen und mehr auf landwirtschaftliche Interessen anzupassen. Weiter beantragte eine mit Stichentscheid des Präsidenten gefällte und somit äusserst knappe Kommissionsmehrheit, dass nicht mehr genutzte, landwirtschaftliche Anbauten zu Wohnungen umfunktioniert werden dürfen. Zuletzt äusserte der Kommissionssprecher die Absicht der UREK-NR, die Vorlage auch dem Nationalrat als offiziellen indirekten Gegenvorschlag zur Landschaftsinitiative vorzuschlagen.

Bei der Eintrittsdebatte äusserten die unterschiedlichen Fraktionen ihre Voten: Kurt Egger (gp, TG) rühmte im Namen der Grünen-Fraktion die UREK-NR für die deutliche Verbesserung der Vorlage im Vergleich zum Entwurf des Ständerats. Die Fraktion würde jedoch dem Entwurf nur zustimmen, falls die Umfunktionierung landwirtschaftlicher Anbauten ausserhalb der Bauzone nicht angenommen werde. Der gleichen Ansicht waren auch die Fraktionen der SP und GLP. Ebenso unterstützte die Mitte-Fraktion die Stossrichtung und die Hauptelemente des Entwurfs der UREK-NR, wobei sie sich bei der Umfunktionierung landwirtschaftlicher Anbauten gespalten zeigte. Die FDP-Fraktionssprecherin Susanne Vincenz-Stauffacher (fdp, SG) begrüsste die Vorlage und insbesondere den Gebrauch von Anreizen und äusserte ihre Absicht, im Grossen und Ganzen der Mehrheit zu folgen – so auch in der Frage der Umfunktionierung landwirtschaftlicher Anbauten. Schliesslich sprach sich auch SVP-Fraktionssprecher Pierre-André Page (svp, FR) für die Vorlage im Sinne der Kommissionsmehrheit aus. In der Folge trat der Nationalrat stillschweigend auf die Vorlage ein.

Der erste Block der Detailberatung beschäftigte sich mit den vorgeschlagenen Abbruchprämien, den Richtplänen der Kantone und dem Gebietsansatz. Die Abbruchprämien setzen einen finanziellen Anreiz, um zonenwidrige Bauten aus der Landschaft verschwinden zu lassen. Finanziert werden sollten diese durch die Mehrwertabgaben bei Um- und Aufzonungen. Der Nationalrat pflichtete der Mehrheit seiner UREK bei, welche dem ständerätlichen Entwurf hinzugefügt hatte, dass die Abbruchprämien ausschliesslich für rechtmässig erbaute Gebäude und Bauten gelten sollen. Erfolglos blieben diesbezüglich die Minderheiten Paganini (mitte, SG) und Graber (svp, VS), welche forderten, dass die Abbruchprämie lediglich für Bauten und Anlagen ohne landwirtschaftliche und touristische Nutzung zur Anwendung kommen (Paganini) und dass die Abbruchprämie nicht nur auf rechtmässig erbaute Bauten und Anlagen beschränkt werden solle (Graber). Eine Minderheit Bulliard (mitte, FR) forderte zudem, den unterschiedlichen finanziellen Voraussetzungen der Kantone bei den Beiträgen der Abbruchprämie Rechnung zu tragen. Der Ständerat hatte bereits im Vorfeld beschlossen, dass der Bund die Kantone bei ihren Aufwendungen finanziell unterstützen könne, nun wollte die Minderheit um die Freiburger Nationalrätin diese Bundesleistungen zusätzlich an die finanzielle Stärke der Kantone anpassen. Eine Nationalratsmehrheit zog schliesslich den Minderheitsantrag dem Antrag der Kommissionsmehrheit, welche die Verteilung der Bundesleistungen nicht weiter spezifiziert hatte, vor. Einen anderen Kurs schlug dagegen eine Minderheit Vincenz (fdp, SG) ein, welche sich dafür einsetzte, die Bestimmung gänzlich zu streichen. Dass der Bundesrat hier Bundesmittel in die Hand nehme, entspreche nicht dem föderalen Prinzip. Diese Minderheit blieb im Nationalrat jedoch ohne Mehrheit.

Die Mehrheit des Nationalrats teilte ferner die Meinung des Bundesrats und der Kommissionsmehrheit, dass die Grundlagen zur Erstellung der kantonalen Richtpläne weiter präzisiert werden sollten und stellte sich somit gegen eine Minderheit Rüegger (svp, OW), welche dem Beschluss des Ständerats zustimmen wollte, welcher sich ein Jahr zuvor gegen eine weitere Präzisierung gestellt hatte. Weiter sollte den speziellen Gegebenheiten der Bergregionen im Sinne des Gebietsansatzes Rechnung getragen werden, entschied der Nationalrat. Der Gebietsansatz sieht vor, dass durch Spezialzonen, in denen nicht-standortgebundene Bauten erlaubt sind, die regionalen und territorialen Eigenheiten der Kantone berücksichtigt werden könnten. Die Frage, ob denn solche Sonderzonen lediglich in Bergregionen zum Zuge kommen sollten, bildete schliesslich auch das von Michael Graber betitelte «Pièce de Résistance» des ersten Blocks. Der Ständerat hatte sich in der Sommersession 2022 gegen eine Beschränkung der Planungsfreiheit auf Bergkantone ausgesprochen, was auch eine Minderheit Jauslin (fdp, AG) unterstützte. Insbesondere sei der Begriff «Berggebiet» für die Minderheit nicht genügend klar definiert und zu arbiträr. Eine klare Nationalratsmehrheit folgte aber dem Antrag seiner UREK-NR und wollte Sonderzonen nicht in der gesamten Schweiz erlauben.

Im zweiten Block der Detailberatung beugte sich der Nationalrat unter anderem über die Bestimmung, welche die UREK-NR mit 12 zu 12 Stimmen (mit Stichentscheid des Präsidenten) vorgeschlagen hatte und bei welchem sich die Meinungen der Fraktionen schieden. Dieser medial breit diskutierte und von Nationalrätin Martina Munz (sp, SH) als «Schicksalsartikel» bezeichnete Artikel sah in der Version der knappen Kommissionsmehrheit vor, altrechtlich erbaute Bauernhäuser ausserhalb der Bauzone mitsamt angebauten Ökonomiebauten zur vollständigen Wohnnutzung zuzulassen. Eine Minderheit Flach (glp, AG) wollte den Artikel dagegen wieder streichen. Die Umnutzung landwirtschaftlicher Bauten ausserhalb der Bauzone zum Wohnzweck benötige ebenfalls eine entsprechende Infrastruktur. Somit führe diese Umfunktionierung zu zusätzlichen Eingriffen in die Nichtbauzone und verstosse somit gegen den Trennungsgrundsatz. Diesen Antrag abzuschwächen versuchte Nationalrat Graber mithilfe eines Einzelantrags, welcher die Transformation altrechtlicher Bauernhäuser lediglich in Berggebieten vorsah. Doch auch Grabers «süsses Gift» stelle eine signifikante Untermauerung der Grundziele der Vorlage dar, konterte Ratskollege Flach. Der GLP-Nationalrat konnte auf die Unterstützung aus dem links-grünen Lager zählen und der Artikel wurde schliesslich auf Antrag der Minderheit Flach gestrichen, wobei der Einzelantrag Graber erfolglos in der grossen Kammer blieb.

Bei den Landwirtschaftszonen nahm der Nationalrat trotz zahlreicher Minderheitsanträge keine substanziellen Änderungen am Beschluss des Ständerats vor. In Umsetzung einer von beiden Räten gutgeheissenen Kommissionsmotion, welche eine Verjährung des Anspruchs auf Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes nach 30 Jahren forderte, fügte der Nationalrat dem Entwurf jedoch eine Bestimmung hinzu. Zuletzt besiegelte der Nationalrat die Vorlage als offiziellen indirekten Gegenvorschlag zur Landschaftsinitiative und stimmte dem entsprechenden Antrag seiner Kommission zu.

In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat den Entwurf einstimmig an, womit das Geschäft zur Differenzbereinigung zurück an den Ständerat ging.

2. Etappe der Teilrevision des Raumplanungsgesetzes (BRG 18.077)
Dossier: 2. Etappe der Teilrevision des Raumplanungsgesetzes und damit zu erfüllende Vorstösse
Dossier: Revision des Raumplanungsgesetzes RPG
Dossier: Bauen ausserhalb der Bauzonen

Die WAK-NR lancierte im Januar 2023 ein Kommissionsmotion in Reaktion auf die Veröffentlichung des Berichts des Bundesrates in Erfüllung des Postulates Beat Flach (glp, AG; Po. 19.3894) betreffend den «Wildwuchs und den Wirrwarr bei den Regeln der Baukunde». Im Bericht war der Bundesrat zum Schluss gekommen, dass die Situation betreffend verschiedene technische Regeln in der Baubranche zunehmend unübersichtlich und komplex geworden sei. Insbesondere wachse die Zahl sogenannter Vollzugshilfen, sprich Richtlinien, Checklisten und Ausführungsbestimmungen, welche von privaten und öffentlichen Akteuren erarbeitet werden, um Fehler bei der Ausführung zu vermeiden. Es sei zunehmend schwierig geworden, den Überblick zu behalten und die Qualität und Richtigkeit dieser Vollzugshilfen abzuschätzen. Laut dem Bericht des Bundesrates wäre die beste Lösung für dieses Problem die Schaffung eines neuen Bundesgesetzes, das einen standardisierten Prozess für die Ausarbeitung von Vollzugshilfen festlegen und konforme Vollzugshilfen dementsprechend bezeichnen würde. In ihrer Kommissionsmotion forderte die WAK-NR nun den Bundesrat auf, einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorzulegen. Der Bundesrat empfahl die Motion zur Annahme und kündigte an, das Anliegen mittels Revision des BauPG umsetzen zu wollen. Dieses müsse in absehbarer Zukunft sowieso revidiert werden, da die EU gerade ihre Bauprodukteverordnung anpasse. Der Nationalrat nahm die Motion in der Sommersession 2023 stillschweigend an.

Kostensparende Entschlackung der Standards im Bauwesen (Mo. 23.3008)

La CEATE-CN veut protéger les droits immémoriaux et clarifier les conditions s'agissant des débits résiduels comme elle le demande dans une motion défendue en chambre par Pierre-André Page (udc, FR) et Nicolo Paganini (centre, SG). S'agissant du premier aspect, les rapporteurs ont rappelé que les droits immémoriaux — qui concernent l'octroi à des particuliers de droits sans limitation de temps sur des cours d'eau ou des anciennes concessions — étaient originellement protégés par la Constitution d'avant 1999. Selon divers avis de droit présentés par la majorité de la commission, ce droit, qui concerne les propriétaires de certaines centrales hydroélectriques, serait à considérer comme un droit constitutionnel non écrit. Ce n'est pas l'avis du Tribunal fédéral qui, dans un arrêt, l'a, au contraire, jugé anticonstitutionnel, au vu de la Constitution de 1999. Cette position est également partagée par le Conseil fédéral, pour qui «un droit d'eau perpétuel sans limitation temporelle contreviendrait au principe de la souveraineté de l'Etat sur les eaux publiques garanti par la Constitution». Il a donc proposé à la chambre basse de rejeter ce premier point. En cas d'acceptation, le conseiller fédéral Albert Rösti a toutefois promis qu'une solution serait trouvée et discutée avec la commission de la deuxième chambre pour respecter la Constitution.
Quant au deuxième aspect, la majorité de la commission de l'environnement de l'aménagement du territoire et de l'énergie souhaite que les détenteurs de droits immémoriaux respectent les prescriptions en matière d'assainissement et en matière de débit résiduel minimal, afin de les mettre sur un pied d'égalité avec les concessions de droit public. Ce point-là est soutenu par le Conseil fédéral.
S'opposant à l'entier du projet, Beat Flach (pvl, AG), au nom de la forte minorité (12 voix contre 13), a exposé son scepticisme quant à la préservation d'un droit provenant de l'ère industrielle. La plupart des cantons l'ont aboli pour faire place à un régime de concession qui fonctionne parfaitement. Le fait que ce droit ait disparu de la Constitution de 1999 permet, d'une part, de clarifier les choses – les cours d'eau appartiennent aux cantons – et, d'autre part, de faire marcher la concurrence lors de l'attribution des concessions.
A l'issu des votes, le premier point de la motion a été refusé par 97 voix contre 94, tandis que le deuxième a été accepté par 97 voix contre 95. Les voix de quelques élu.e.s des groupe du Centre et du PLR ont fait la différence.

La CEATE-CN veut protéger les droits immémoriaux et clarifier les conditions s'agissant des débits résiduels

In der Sommersession 2023 befasste sich der Nationalrat mit der Volksinitiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit». Die beiden Sprechenden der RK-NR, Patricia von Falkenstein (ldp, BS) und Baptiste Hurni (sp, NE), führten dabei aus, wieso sich die Kommissionsmehrheit für die Zustimmung zum bundesrätlichen Entwurf – sprich für die Ablehnung der Initiative – aussprach. So sei die körperliche und geistige Unversehrtheit insbesondere bereits im geltenden Grundrecht verankert, während die Volksinitiative respektive deren Umsetzung mit einer grossen Rechtsunsicherheit einhergehe, da das Volksbegehren über «erhebliche materielle und rechtliche Mängel» verfüge. Zudem würde die Initiative generell das Gewaltmonopol des Staates aushöhlen, etwa in den Bereichen Polizei und Asylwesen, wo es oft zu Einwirkungen auf den menschlichen Körper komme. Eine Reihe von Sprechenden aus der SVP-Fraktion widersprach dieser Einschätzung. Pirmin Schwander (svp, SZ) etwa war der Ansicht, dass während der Covid-19-Pandemie ersichtlich geworden sei, dass die bestehende Gesetzeslage nicht ausreiche, um die körperliche und geistige Unversehrtheit zu schützen. Der mangelhaften Formulierung der Initiative wollte Schwander mittels zweier Minderheitsanträge auf Rückweisung an die Kommission zur Ausarbeitung eines indirekten Gegenvorschlags (Minderheit I) respektive eines direkten Gegenentwurfs (Minderheit II), welche konkret Impfungen und biomedizinische Verfahren zum Inhalt hätten, begegnen. Eine Minderheit Addor (svp, VS) beabsichtigte, die Selbstbestimmung betreffend Impfungen und anderen medizinischen Biotechnologien durch einen bereits von der Minderheit verfassten direkten Gegenentwurf zu gewährleisten, wobei soziale, berufliche und auch andere Diskriminierung verboten werden sollte. Lukas Reimann (svp, SG) schliesslich beantragte in einem weiteren Minderheitsantrag, die Initiative zur Annahme zu empfehlen, falls ein Gegenentwurf abgelehnt würde. Er persönlich halte zwar eine Impfung für vernünftig, es könne aber nicht sein, dass der Staat vorgebe, «was vernünftig ist und was nicht vernünftig ist».
Mit dieser Meinung blieben die Mitglieder der SVP-Fraktion allerdings alleine. Vertreterinnen und Vertreter der anderen Parteien konnten weder der Initiative noch den Minderheitsanträgen viel abgewinnen. Die Sprechenden der anderen Fraktionen verwiesen unter anderem ebenfalls auf die Probleme mit dem Gewaltmonopol – gemäss Nicolas Walder (gp, GE) könnten nach Annahme der Volksinitiative etwa Serienmörder nicht mehr festgenommen werden und Beat Flach (glp, AG) hob hervor, dass durch die Initiative das individuelle Interesse in jedem Fall stärker gewichtet würde als das Interesse der Gesamtgesellschaft, zu der auch schwache und vulnerable Personen zählten. Philipp Bregy (mitte, VS), der sich gegen den Gegenvorschlag von Addor aussprach, argumentierte, dass es keiner besseren Formulierung bedürfe, weil die vom Volksbegehren geforderte Regelung nicht benötigt werde.
Was sich bereits während der offenen Debatte abzeichnete, bestätigte sich nach dem obligatorischen Eintreten in den Abstimmungen: Mit 137 zu 39 Stimmen (bei 8 Enthaltungen) wurde die erste Minderheit Schwander, die sich zuvor gegen die zweite Minderheit Schwander durchgesetzt hatte, verworfen. Auch der von Addor eingebrachte bereits formulierte Gegenentwurf war chancenlos (40 zu 138 Stimmen bei 5 Enthaltungen). Zum Schluss sprach sich die grosse Kammer mit 140 zu 35 Stimmen (bei 8 Enthaltungen) deutlich gegen die Volksinitiative aus. Dabei stammten sämtliche Stimmen, welche das Volksbegehren unterstützten, sowie alle Enthaltungen aus den Reihen der SVP-Fraktion. Abgesehen von einer Enthaltung aus der FDP-Fraktion bei der Abstimmung zur ersten Minderheit Schwander entspricht dieses Abstimmungsverhalten auch denjenigen bei den anderen beiden Abstimmungen.

Initiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit» (BRG 22.075)

In der Sommersession 2023 stand die bundesrätliche Botschaft zum Unterhalt und zum Ausbau des Schweizer Nationalstrassennetzes auf der Traktandenliste des Nationalrats. In einer vierstündigen Debatte mit 39 Einzelabstimmungen, 98 Wortmeldungen und zwei Pausen befasste sich die grosse Kammer mit den vier Teilen der Vorlage: Erstens stand mit dem «Bundesbeschluss über den Zahlungsrahmen Nationalstrassen 2024-2027» der Kredit von CHF 8.8 Mrd. für Betrieb, Unterhalt und Anpassungen an bestehenden Infrastrukturen zur Debatte. Dieser Teil der Vorlage war in der KVF-NR und in der mitberichtenden FK-NR im Frühling 2023 weitestgehend unbestritten gewesen. Zweitens beriet der Rat im Rahmen des «Bundesbeschluss über den Ausbauschritt 2023» über Projekte zur Erweiterung des bestehenden Nationalstrassennetzes. Der Kredit für die Realisierung dieser Projekte sowie für die Planung von noch nicht beschlossenen Projekten war Gegenstand des dritten Bundesbeschlusses «Verpflichtungskredit Ausbauschritt 2023». Diese letzteren beiden Teile der Vorlage hatten in den vorberatenden Kommissionen zu deutlich mehr Diskussionen geführt. Während in der FK-NR eine Minderheit von 11 zu 14 Stimmen gar nicht erst auf diesen Teil der Vorlage eintreten wollte, verlangten in der KVF-NR zwei Minderheiten die Rückweisung dieser Pläne an den Bundesrat. Die erste KVF-Minderheit beabsichtigte dabei, klimapolitische Überlegungen stärker zu berücksichtigen, die zweite Minderheit der KVF-NR wollte die bestehenden Infrastrukturen mit einem alternativen Konzept stärker ausnutzen und damit gewisse Ausbauten umgehen. Während verschiedene weitere Minderheiten in der KVF-NR Verkleinerungen oder Anpassungen an den Ausbauplänen vornehmen wollten, war eine Mehrheit mit 14 zu 11 Stimmen umgekehrt davon überzeugt, zwei weitere, vom Bundesrat erst für einen späteren Zeitpunkt vorgesehene Projekte betreffend den Ausbau der Strecke Le Vengeron (GE) - Coppet (VD) - Nyon (VD) ebenfalls schon in den Ausbauschritt 2023 aufzunehmen. Der entsprechende Kredit sollte dafür um CHF 911 Mio. erhöht werden. Auf diesen Westschweizer Abschnitten bestehe Handlungsdruck und die Ausbauten müssten prioritär behandelt werden, so die Ansicht dieser Mehrheit. Der vierte Teil der Debatte befasste sich schliesslich mit dem «Netzbeschluss» und damit mit der Auflistung aller bestehender oder noch zu realisierender Streckenabschnitte zur Vollendung des gesamten Nationalstrassennetzes. Eine weitere Minderheit der KVF-NR beantragte auch hier eine Änderung in der vorgeschlagenen Anpassung des Netzbeschlusses.

Der Nationalrat folgte letztlich in allen vier Teilen der Mehrheit seiner vorberatenden KVF-NR und erteilte sämtlichen Minderheits- und Einzelanträgen eine Absage. Geprägt waren die Debatten von den gegensätzlichen Ansichten, die sich mit den mehrfach im Rat geäusserten Maximen «wer Strassen sät, erntet Verkehr» und «wer Strassen zweckmässig baut, steht weniger im Stau» zusammenfassen lassen. Die Ratslinke kritisierte in der Debatte, dass der Ausbau der Nationalstrassen zu mehr Verkehr führen werde, die Strasse gegenüber der Schiene attraktiver mache, das Stauproblem an andere Strassenabschnitte verschiebe und der Klimapolitik zuwiderlaufe. Moniert wurden zudem der Verlust von Kulturland, die Verschandelung der Landschaft sowie die Lärmbelastung, unter der die Bevölkerung leide und gegen welche der Entwurf zu wenig unternehme. Bürgerliche Votantinnen und Votanten unterstrichen hingegen die Notwendigkeit der Ausbauten, um Staus zu verringern, dem wachsenden Verkehr gerecht zu werden und den Umfahrungsverkehr in den Agglomerationen zu unterbinden. Das Wachstum von Bevölkerung und Wirtschaft mache einen Ausbau der Infrastruktur unumgänglich, so der Tenor auf der bürgerlichen Seite. Während sich die Fraktion der Grünen prinzipiell gegen die Finanzierung und den Ausbau stemmte, goutierte die SP-Fraktion den Unterhalt der bestehenden Autobahnen. Die GLP-Fraktion stimmte teils mit dem bürgerlichen Ja-Lager, teils gesellte sie sich zum rot-grünen Lager. Die bürgerlichen Parteien standen vereint für die Ausbauvorhaben ein.

Was die einzelnen Teile der Vorlage betrifft, so war der Bundesbeschluss über den Zahlungsrahmen Nationalstrassen 2024-2027 für Betrieb, Unterhalt und Ausbau im Sinne von Anpassungen im Rat weitestgehend unbestritten. Ohne Gegenantrag trat der Rat auf die Vorlage ein. Der Nationalrat zeigte sich damit einverstanden, dass in der vierjährigen Periode insgesamt gut CHF 8.8 Mrd. in die bestehende Infrastruktur investiert werden. Eine Minderheit Pasquier-Eichenberger (gp, GE) forderte im Rahmen dieses Unterhalts-Budgets einen Passus, wonach Anpassungen nur vorgenommen werden dürfen, wenn daraus keine Kapazitätserhöhung resultiere. Sie argumentierte, dass mit Anpassungen nur die Sicherheit verbessert werden dürfe, eine Erhöhung des Verkehrsaufkommens aber nicht wünschenswert sei. Verkehrsminister Albert Rösti entgegnete, dass dies den Handlungsspielraum der Behörden massiv einschränken und der Verkehrssicherheit zuwiderlaufen würde; solche Anpassungen – etwa zur Nutzung des Pannenstreifens – würden zudem helfen, teure Ausbauten zu umgehen. Mit 120 zu 68 Stimmen bei 3 Enthaltungen folgte der Nationalrat hier seiner Kommission sowie dem Bundesrat und lehnte den Minderheitsantrag ab, der von den geschlossenen Fraktionen der SP und der Grünen unterstützt wurde. Letztlich gab der Nationalrat dem Unterhaltsprogramm mit 162 zu 29 Stimmen grünes Licht, einzig die beinahe geschlossene Fraktion der Grünen stimmte gegen den Kredit.

Für deutlich mehr Diskussionsbedarf sorgten die Ausbaupläne für das Nationalstrassennetz. Eine Minderheit Töngi (gp, LU) wollte diesen Teil der Vorlage (Ausbauschritt 2023) an den Bundesrat zurückweisen und diesen dazu anhalten, Umwelt- und Klimaaspekte stärker in die Vorlage einzuarbeiten. Eine Minderheit Storni (sp, TI) beantragte ebenfalls Rückweisung, verlangte aber, dass der Bundesrat ein alternatives Konzept zum Ausbau erarbeitet und bestehende Infrastrukturen durch eine intelligente und effizientere Ausnutzung besser auslastet. Das Schweizer Autobahnnetz sei «im Zeitalter des Betons stehengeblieben» und das ASTRA lebe noch im «secolo scorso», so die Kritik des Tessiner Sozialdemokraten. Die SP-Fraktion verlange deshalb, dass das bestehende Netz dank digitaler Technologien besser und effizienter genutzt wird. Beide Rückweisungsanträge versenkte der Nationalrat mit jeweils 106 zu 85 Stimmen bei 2 Enthaltungen, wobei sich die GLP-Fraktion zusammen mit zwei EVP-Stimmen (Jost (evp, BE) und Studer (evp, AG)) auf die Seite der Linken schlug.
Zu den weiteren geplanten Ausbauprojekten gab es ebenfalls verschiedene Minderheitsanträge. Die Minderheit Töngi beantragte, dass auf den Vierspurausbau der A1 auf der Strecke Wankdorf-Schönbühl (BE) und den Sechsspurausbau der A1 auf dem Abschnitt Schönbühl-Kirchberg (BE) verzichtet wird. Töngi befürchtete, dass durch die Ausbauten das Auto gegenüber dem öffentlichen Verkehr an Attraktivität gewänne, der Strassenverkehr und das Lärmproblem zunähmen und die Klimaziele des Bundes verfehlt würden. Der Nationalrat lehnte die beiden Streichungen mit 105 zu 86 Stimmen bei 1 Enthaltung beziehungsweise mit 106 zu 87 Stimmen ab. Die GLP-Fraktion sowie die beiden EVP-Abgeordneten Studer und Jost stellten sich dabei auf die Seite der Linken. Die Diskussionen zur dritten Röhre am Rosenbergtunnel (SG) und der dazugehörigen sogenannten «Spange Güterbahnhof» (SG) drehten sich um die Fragen, ob einerseits nur die dritte Tunnelröhre gebaut werden sollte, auf die Spange Güterbahnhof aber zu verzichten sei, wie dies eine Minderheit Aebischer (sp, BE) verlangte, oder ob andererseits dieser Ausbauschritt ganz gestrichen werden sollte, wie dies eine Minderheit Schlatter (gp, ZH) beantragte. Die Minderheit Aebischer scheiterte mit 108 zu 84 Stimmen, die Minderheit Schlatter mit 123 zu 68 Stimmen bei 1 Enthaltung, wobei die GLP-Fraktion beim Antrag Schlatter ins bürgerliche Nein-Lager wechselte. Verzichten wollte eine Minderheit Brenzikofer (gp, BL) auch auf die Errichtung des Rheintunnels (Birsfelden BL - Kleinhüningen BS). Die grüne Nationalrätin monierte, dass dieser zusätzliche Tunnel vor allem dem Transitgüterverkehr zugutekomme und der Schweizer Verlagerungspolitik zuwiderlaufe. Diesen Antrag versenkte der Nationalrat mit 122 zu 70 Stimmen bei 1 Enthaltung. Hier stellte sich die GLP wiederum grossmehrheitlich auf die Seite der bürgerlichen Fraktionen, die den Tunnelbau für die Basler Osttangente der A2 befürworteten. Bei der Frage, ob es eine zweite Röhre beim Fäsenstaubtunnel (SH) brauche, standen wiederum zwei Minderheitsanträge zur Debatte. Während eine Minderheit Schaffner (glp, ZH) das Projekt zu verkleinern versuchte, indem zwar der Tunnel errichtet, auf den Vierspurausbau nach dem Anschluss Schaffhausen-Nord bis Herblingen (SH) aber verzichtet werden sollte, wollte eine Minderheit Schlatter wiederum das ganze Projekt aus dem Ausbauschritt streichen. Auch diesen Anträgen gab der Nationalrat mit 106 zu 86 Stimmen beziehungsweise 123 zu 69 Stimmen jeweils eine Absage, wobei die GLP-Fraktion sowie eine einzelne Stimme aus der Mitte-Fraktion bei der totalen Streichungsvariante ins bürgerliche Nein-Lager wechselte. Der Nationalrat folgte zudem dem Ansinnen seiner Kommission und nahm den Ausbauschritt in der Romandie Le Vengeron-Coppet-Nyon gegen den Widerstand der Minderheit Pasquier-Eichenberger mit 104 zu 84 Stimmen bei 3 Enthaltungen in den Entwurf auf. Hier gesellten sich die GLP-Fraktion und zwei Stimmen aus der Mitte-Fraktion wieder zur ablehnenden linken Minderheit. Die Gesamtabstimmung passierte dieser Teil der Vorlage mit 105 zu 82 Stimmen bei 2 Enthaltungen, wobei erneut die Fraktionen der SP, der Grünen und der GLP sowie die die zwei EVP-Stimmen Studer und Jost die Minderheit bildeten.

Gleichzeitig mit dem bundesrätlichen Entwurf nahm der Nationalrat an dieser Stelle ein Postulat (Po. 23.3497) seiner KVF-NR für eine Korridorstudie zur A2 nach Italien an. Für die Nationalstrasse N24 bei Stabio (TI) nach Gaggiolo (Italien) soll dabei geprüft werden, ob eine Autobahnverbindung nach Italien auch über diesen Weg möglich wäre, anstatt diesen nur über den stark frequentierten Übergang Chiasso-Brogeda an der Autobahn A2 zu lenken. Die Minderheit Töngi versuchte auch hier, eine Ablehnung des Postulats zu erwirken. Zur Kenntnis nahm der Nationalrat in diesem Rahmen auch zwei Petitionen. Eine davon stammte von der FDP Thurgau und betraf die Umsetzung der Bodensee-Thurtal-Strasse. Die andere war vom Verein umverkehR eingereicht worden und verlangte, dass die Milliarden, welche für den Ausbau der Autobahnen gesprochen werden sollen, stattdessen in den Klimaschutz investiert werden.

In der Folge gab der Nationalrat auch grünes Licht für den Verpflichtungskredit zu den beschlossenen Ausbauschritten sowie zur Planung von zukünftigen Vorhaben – wie etwa Vorstudien zur Glatttalautobahn im Zürcher Oberland. Eine Minderheit Schneider Schüttel (sp, FR) aus der mitberichtenden Finanzkommission versuchte vergebens, den Rat davon zu überzeugen, gar nicht erst auf diesen dritten Teil der Vorlage einzutreten. Die Sozialdemokratin argumentierte, dass der Ausbau zu mehr Verkehr führen werde, das Auto insgesamt attraktiver mache und die Klima- und Umweltbelastung erhöhen werde. Die finanziellen Mittel sollten besser dazu verwendet werden, die Biodiversität zu stärken, den öffentlichen Verkehr zu fördern und die Zentren vom Verkehr zu entlasten. Den Nichteintretensantrag lehnte der Nationalrat jedoch mit 108 zu 83 Stimmen bei 2 Enthaltungen ab. Die geschlossenen Fraktionen der SVP, der Mitte und der FDP konnten sich erfolgreich gegen die ebenso geschlossenen Fraktionen der SP, der GLP und der Grünen durchsetzen. Der bundesrätliche Gesamtkredit für den Ausbau von CHF 4.354 Mia. versuchten die Minderheiten Töngi, Aebischer, Schlatter, Brenzikofer und Schaffner schliesslich gemäss ihren Streichungsanträgen im zweiten Teil der Vorlage zu kürzen – die Gesamtausgaben wären dabei auf zwischen CHF 2.481 Mrd. und CHF 4.181 zu liegen gekommen. Der Nationalrat wollte von diesen Streichungsvorschlägen indessen nichts wissen, sondern erhöhte den Verpflichtungskredit im Gegenteil konsequenterweise um die Kosten des hinzugefügten Ausbauprojekts in der Romandie und legte den Kredit bei CHF 5.265 Mrd. fest. Die Gesamtabstimmung passierte der Kredit mit 105 zu 82 Stimmen bei 2 Enthaltungen, wobei die GLP und die zwei EVP-Stimmen wieder mit der Ratslinken stimmten.

Zu guter Letzt standen im vierten Teil der Vorlage die Änderungen im Netzbeschluss zur Debatte. Vor allem Änderungen betreffend den Grossraum Zürich wurden hier beantragt. Der Bundesrat plante, den N1-Abschnitt «Zürich (Hardturmsportplatz) - Platzspitz» durch «Zürich (Hardturmsportplatz) - Zürich (Pfingstweidstrasse)» zu ersetzen. Eine Minderheit Schlatter versuchte hier erneut vergebens, ganz auf beide Varianten zu verzichten. Der N3-Abschnitt «Zürich (Platzspitz) - Zürich (Wiedikon)» sollte nach bundesrätlicher Ansicht ganz gestrichen werden. Ein Einzelantrag Haab (svp, ZH) wollte das «Zürcher Ypsilon», also die soeben genannten Einträge N3 «Zürich (Platzspitz) - Zürich (Wiedikon)» und N1 «Zürich (Hardturmsportplatz) - Platzspitz», hingegen beibehalten. Der Antrag für die Beibehaltung beider Abschnitte wurde jedoch mit 96 zu 85 Stimmen bei 3 Enthaltungen beziehungsweise mit 115 zu 74 Stimmmen bei 1 Enthaltung abgelehnt, wobei nur die SVP-Fraktion und jeweils Teile der FDP- und Mitte-Fraktionen für die Beibehaltung stimmten. Bei der bestehenden Bestimmung zur N11 «Zürich-Nord - Kloten-Süd», die der Bundesrat nicht anpassen wollte, verlangte eine Minderheit Hurter (svp, SH), dass zwei Abschnitte ergänzt werden. Der Netzbeschluss zur N11 sollte gemäss der Minderheit auch die Abschnitte «Kloten-Süd - Eglisau - Rafz - Solgen (Grenze)» sowie «Jestetten-Hardt (Grenze) - Schaffhausen-Süd (N4)» umfassen. Diese Minderheit erfuhr jedoch nur bei der geschlossenen SVP-Fraktion und wenigen weiteren Stimmen aus dem bürgerlichen Lager Zuspruch. Ein weiterer Antrag befasste sich zudem mit dem Raum Basel. Ohne dass der Bundesrat entsprechende Änderungen beantragt hatte, wollte eine Minderheit Aebsicher den N2-Streckenabschnitt «Basel/Weil am Rhein (Grenze) - Wiese- Basel (Gellert) 1», welcher im geltenden Netzbeschluss aufgelistet war, durch «Basel/Weil am Rhein (Grenze) - Wiese - Hagnau» ersetzen und neu «Wiese - Basel (Gellert) 3» aufführen. Er wollte damit erreichen, dass nach dem Neubau des unterirdischen Rheintunnels gemäss dem Ausbauschritt 2023 die alte Autobahn zurückgebaut wird und dort anstelle von Asphalt wieder Grünflächen entstehen können. Diese Änderung lehnte der Nationalrat jedoch mit 108 zu 85 Stimmen ab, wobei die GLP-Fraktion den Rückbau begrüsste und sich geschlossen auf die Seite der Ratslinken stellte.

In der Gesamtabstimmung standen sich zwei geschlossene Blöcke gegenüber. Während die Fraktionen der SP und der Grünen die Gesamtvorlage ablehnten, nahmen alle anderen Fraktionen sie ebenso geschlossen an. Mit 122 zu 67 Stimmen überwies der Nationalrat den leicht modifizierten bundesrätlichen Entwurf an den Ständerat. Gemäss Berichten von SRF planten Grüne sowie der VCS im Nachgang der nationalrätlichen Debatte bereits, das Referendum gegen das Ausbauvorhaben (Teil 2 der Vorlage) zu ergreifen.

Ausbauschritt 2023 STEP Nationalstrassen (BRG 23.032)

Le Conseil national s'est penché sur le projet de révision de loi préparé par sa commission visant à promouvoir l'économie circulaire. Cette révision comporte de nombreuses propositions, le débat a donc été pour le moins fourni. Représentant la commission de l'environnement, de l'aménagement du territoire et de l'énergie du Conseil national, Christophe Clivaz (vert-e-s, VS) et Matthias Jauslin (plr, AG) sont, tout d'abord, revenus sur la genèse de ce projet de révision, alors qu'une sous-commission a été instaurée – suite à l'acceptation de l'initiative parlementaire 20.433 – pour élaborer un avant-projet. Suite à la procédure de consultation et les retours positifs du Conseil fédéral, la CEATE-CN a décidé de ne changer que quelques aspects du projet, proposé ici à la chambre basse. Il s'agit, avec cette ébauche, «de développer l'économie circulaire, de rendre l'économie suisse plus performante, de réduire son impact sur l'environnement et d'augmenter la sécurité de son approvisionnement», comme rappelé par le député valaisan Christophe Clivaz.
L'entrée en matière n'a pas été contestée par les différentes fractions. Pour le PS, tant l'économie que l'écologie ont à gagner de cette proposition. Le Centre estime que l'économie circulaire est un «Business case» pour l'avenir, et non pas seulement un sujet d'actualité. Les Vert-e-s saluent le changement de paradigme que propose l'économie circulaire: «on reproduit, on consomme, mais on recycle», qui vient remplacer le «on produit, on consomme, on jette et on recommence». Le groupe PLR s'est montré satisfait du déroulé des événements, alors que cette initiative parlementaire a été initiée par la fraction libérale-radicale au sein de la commission, afin de condenser plusieurs propositions touchant à l'économie circulaire. Susanne Vincenz-Stauffacher (plr, SG) s'est réjouie d'un projet qui s'attache à travailler de manière étroite avec l'économie et de la possibilité de mettre en place des mesures sur une base volontaire. Les Vert'libéraux ont insisté sur les nombreux avantages de l'économie circulaire, dans un pays pauvre en ressources naturelles et qui aurait donc tout à profiter de valoriser les déchets avant de les brûler. La fraction UDC s'est également positionnée pour une entrée en matière, émettant toutefois des critiques acerbes contre un projet qui coûterait trop cher et serait trop bureaucratique. Mike Egger (udc, SG) a ainsi fait le constat qu'il serait bien plus effectif d'agir sur la croissance de la population et la bétonisation du territoire pour protéger l'environnement. De son côté, le Conseil fédéral, représenté par le ministre de l'environnement, Albert Rösti, soutient un projet vu comme important, particulièrement en temps de pénuries et d'incertitudes. Promouvoir l'économie circulaire, c'est renforcer l'indépendance du pays selon les mots du conseiller fédéral UDC.

Alors que l'entrée en matière était acquise, la discussion par article – plus ardue – s'est déroulée en deux blocs. Le premier bloc, intitulé «Promotion de l'économie circulaire et préservation des ressources, hiérarchie en matière de valorisation des déchets, gestion des déchets urbains», comptait douze minorités. Seule une, défendue par le vert'libéral Beat Flach (pvl, AG), a réussi à convaincre une majorité de député.e.s, à une voix près (97 contre 96 voix). Le Conseil fédéral aura la possibilité d'édicter des règles pour obliger les détaillants à déballer les denrées alimentaires jetées pour éviter que du plastique ne se retrouve dans les centres de compostage ou que ces denrées soient incinérées, à cause de ce plastique.

Dans le deuxième bloc – «Construction respectueuse des ressources, projets pilotes» –, 10 propositions de minorité ont été défendues. A l'article 35i, deux propositions de minorité provenant de la gauche ont été acceptées par les parlementaires. Il s'agit de donner la possibilité au Conseil fédéral d'améliorer l'information et l'étiquetage des produits et des emballages et d'exiger l'introduction d'un indice de réparabilité. Ces deux minorités ont été remportées par 96 voix contre 90 (2 abstentions), regroupant les fractions socialiste, vert-e-s, vert'libérale, une partie des élu.e.s du groupe du Centre et la voix de la libérale-radicale vaudoise Jacqueline de Quattro. A l'article 35j, une autre minorité a trouvé les faveurs de la chambre basse (101 voix contre 86 et une abstention). La minorité ne souhaitait pas donner la possibilité au Conseil fédéral «d'édicter des prescriptions sur la forme et le contenu d’un certificat concernant la consommation de ressources des ouvrages». C'est le centre-droit qui a su ici s'imposer. Toutes les autres propositions de minorité ont été rejetées. L'objet passe donc dans les mains de la Commission de l'environnement de l'aménagement du territoire et de l'énergie du Conseil des Etats (CEATE-CE).
Au vote sur l'ensemble, seul.e.s les membres de l'UDC ont voté contre ou se sont abstenu.e.s (ainsi que deux députés du PLR). Le projet a ainsi récolté 133 voix en sa faveur, contre 42 et 13 abstentions.

Ce que les médias ont retenu de ce débat concerne, avant tout, l'introduction d'un article pour amender le littering à hauteur de CHF 300 au maximum au niveau fédéral, alors que les cantons ont des règles différentes. Au même moment, les milieux paysans se plaignaient des déchets sauvages, et plus particulièrement des canettes jetées au bord des routes qui peuvent mener à la mort des bovins – la canette en aluminium est déchiquetée par les machines et finit dans le foin donné aux vaches qui les ingèrent. L'USP a donc lancé une campagne d'information, alors que le Conseil des Etats doit encore se prononcer sur une motion Grin (udc, VD) visant à élaborer, en collaboration avec les cantons, une campagne nationale à ce sujet. Sur l'article de loi touchant au littering, seule la fraction UDC s'était opposée à fixer des amendes au niveau fédéral, à l'exception de 12 membres du parti agrarien qui l'ont soutenu, comme l'a fait remarquer la NZZ. Parmi ces parlementaires, beaucoup sont agriculteurs ou proches des milieux paysans.
Dans un autre registre, cette révision est un soulagement pour le secteur du recyclage qui attend ce changement depuis longtemps, notamment s'agissant de la libéralisation partielle des filières de recyclage. Pour l'organe faîtier Swiss Recycling, cela permettra à l'industrie de prendre plus de risques et de développer des solutions innovantes.

Schweizer Kreislaufwirtschaft stärken (Pa. Iv. 20.433)
Dossier: Vorstösse zur Kreislaufwirtschaft seit Ablehnung der Volksinitiative «Grüne Wirtschaft»

Im Juni 2021 reichte Mattea Meyer (sp, ZH) eine Motion ein, mit der sie verlangte, dass Anbietende der Plattform-Ökonomie das geltende Arbeitsrecht einhalten und die Kantone die Einhaltung der gesetzlichen Grundlagen prüfen müssen. Demnach respektierten Unternehmen mit solchen Geschäftsmodellen oft das Arbeitsrecht nicht und stellten Personen unter prekären Arbeitsbedingungen an. So sei etwa zu prüfen, ob die Ferienansprüche eingehalten werden.
Der Bundesrat sah keinen Handlungsbedarf und beantragte die Motion zur Ablehnung. Personen, die über eine Plattform tätig sind, könnten arbeitsrechtliche Ansprüche über den Rechtsweg geltend machen – dass dies funktioniere, habe beispielsweise ein Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Waadt gezeigt. Wann das Arbeitsrecht in diesen Beschäftigungsformen anwendbar ist, zeige etwa ein Rechtsgutachten der Universität Neuenburg für das SECO oder eine Checkliste für Arbeitsinspektorinnen und -inspektoren. Letztlich seien die Kantone bereits beauftragt, die Einhaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen zu kontrollieren. Der Nationalrat beschäftigt sich im Rahmen der Sondersession im Mai 2023 mit der Motion und lehnte diese mit 118 zu 71 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) ab. Einzig die SP- und die Grünen-Fraktion unterstützten den Vorstoss.

Motion «Arbeitsgesetz gilt auch für Anbieter der Plattform-Ökonomie» (Mo. 21.3772)

Le Conseil national a suivi le Conseil des Etats et a approuvé le crédit-cadre «Environnement mondial» pour les années 2023-2026 tel que prévu par le Conseil fédéral. Le crédit-cadre 2023-2026 se voit doter d'une augmentation de CHF 50 millions par rapport à la période précédente, dans une volonté «d'asseoir [la] crédibilité [de la Suisse] en tant que partenaire international digne de confiance» et de conserver son siège au sein du Fonds environnemental mondial (FEM) et ainsi garder son influence dans cet organe, comme expliqué par la rapporteuse et le rapporteur de la CEATE-CN, Ursula Schneider Schüttel (ps, FR) et Beat Flach (pvl, AG). Ce crédit-cadre est, en effet, destiné principalement au financement du FEM, bien que le Fonds pour l'ozone et deux autres fonds spécialisés pour le climat obtiennent également des contributions – plus modestes – par ce biais. La CEATE-CN s'est exprimée en faveur de l'augmentation, à l'instar de la CdF-CN également concernée par cet objet. Plusieurs propositions de minorité ont été déposées dans les deux commissions soit pour augmenter les montants alloués – la Suisse ayant une empreinte climatique conséquente –, soit pour conserver le statu quo – l'état des finances ne permettant pas de dépenses supplémentaires. Aucune des propositions minoritaires n'a finalement été acceptée, la première variante n'étant soutenue que par la gauche et le parti évangélique, tandis que la seconde ne l'a été que par des membres de l'UDC et du PLR. Au final, le projet tel que pensé par le Conseil fédéral a été approuvé par 138 voix contre 53 – provenant toutes du groupe de l'UDC – et 1 abstention.

Rahmenkredit Globale Umwelt 2023-2026 (BRG 22.060)
Dossier: Rahmenkredit Globale Umwelt

In der Frühjahressession 2023 nahm sich der Nationalrat den von seiner RK ausgearbeiteten Entwurf betreffende eine Beschleunigung des Verfahrens bei der Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarf vor. Bereits das Eintreten auf die Vorlage wurde kontrovers diskutiert. Eine Minderheit der RK, bestehend aus Politikerinnen und Politikern von SP und Grünen, beantragte dem Rat, nicht auf die Vorlage einzutreten. Christian Dandrès (sp, GE) und Baptiste Hurni (sp, NE) beklagten beide in ihren Voten, dass der vorliegende Entwurf Teil einer Salamitaktik sei, bei der es darum ginge, das Mietrecht schrittweise auszuhöhlen. Florence Brenzikofer (gp, BL) befürchtete, dass durch die Vorlage das Machtgefälle zwischen Vermietenden und Mietenden weiter vergrössert werde. Ausserdem sei die Vorlage unnötig, da Vermieterinnen und Vermieter bereits heute das Recht hätten, bei dringendem Eigenbedarf ihrer vermietenden Partei zu kündigen. Der Schutz der Mietenden solle nicht weiter geschwächt werden, da schon jetzt Eigenbedarf sehr oft nur vorgeschoben werde, um den Mieter oder die Mieterin loszuwerden und die Wohnung zu einem höheren Preis weiterzuvermieten. Mitglieder der Fraktionen von SVP, FDP und Mitte hielten dagegen. Vincent Maître (mitte, GE) war der Ansicht, dass es bei dieser Vorlage nur darum gehe, dass Wohnungseigentümerinnen und -eigentümer wieder das Recht erhalten sollen, die von ihnen gekaufte Immobilie bewohnen zu können. Mit der bestehenden Regelung, dass für die Kündigung bei Eigenbedarf ein «dringender Eigenbedarf» geltend gemacht werden muss, sei dies oft unmöglich, da es schwierig sei, die Dringlichkeit zu beweisen und dies ein langes juristisches Verfahren nach sich ziehen könnte. Ähnlich äusserte sich Christa Markwalder (fdp, BE), die darüber hinaus ausführte, dass stattdessen neu eine Kündigung bereits bei einem «bei objektiver Beurteilung bedeutenden und aktuellen Eigenbedarf» möglich sein soll. Dies sei eine ausgewogene und moderate Lösung, mit der der Schutz der Interessen der Mieterinnen und Mieter weiterhin gewährleistet sei. Pirmin Schwander (svp, SZ) plädierte im Namen der SVP-Fraktion ebenfalls für Eintreten. Er sehe in dieser Frage eher ein Machtgefälle zugunsten der Mietenden und deshalb müsse der Eigenbedarf schneller und einfacher geltend gemacht werden können. Gespalten zeigte sich die GLP-Fraktion. Beat Flach (glp, AG) war zwar prinzipiell mit dem Anliegen des Vorstosses einverstanden. Er liess jedoch durchblicken, dass innerhalb der GLP-Fraktion auch einige der Meinung seien, dass generell die Balance zwischen den beiden Lagern im Moment zulasten der Mietenden gestört sei. Da es sich zudem nur um wenige Fälle handle, in denen es zu langen Verfahren gekommen sei, sei es fraglich, ob man nun in diese Richtung legiferieren solle. Als letztes äusserte sich noch Bundesrat Guy Parmelin. Dieser beantragte dem Nationalrat im Namen des Bundesrates, nicht auf die Vorlage einzutreten. Parmelin vertrat die Meinung, dass die aktuelle Regelung ausreichend sei, um die Interessen beider Parteien zu schützen. Ausserdem komme es in der Praxis nicht zu so vielen störenden Fällen, als dass sich eine legislative Intervention rechtfertigen liesse. Entgegen diesem Antrag stimmte schliesslich eine Mehrheit des Nationalrates für Eintreten auf die Vorlage (mit 108 zu 80 Stimmen, bei 1 Enthaltung). Zu den geschlossen stimmenden Fraktionen von SP und Grünen gesellten sich auch acht Mitglieder der GLP und drei Mitglieder der Mitte-Fraktion. In der Detailberatung galt es anschliessend noch, über verschiedene Anträge der Minderheit auf Verschärfung der Regelung zur Kündigung bei Eigenbedarf zu entscheiden. Diese wurden jedoch allesamt abgelehnt. Schliesslich nahm der Nationalrat das Geschäft in der Gesamtabstimmung mit 114 zu 79 Stimmen (bei 1 Enthaltung) an.

Verfahrensbeschleunigung bei Kündigung des Mietverhältnisses wegen dringendem Eigenbedarf (Pa.Iv. 18.475)

Anfang März 2023 beriet der Nationalrat eine Vorlage, welche seine RK-NR aus einer parlamentarischen Initiative Hans Egloff (svp, ZH) betreffend die «Vermeidung missbräuchlicher Untermiete» ausgearbeitet hatte. Der Entwurf sah vor, dass für ein neues Untermietverhältnis künftig die schriftliche Zustimmung der Vermieterin oder des Verpächters erforderlich sein soll. Wenn dabei die Voraussetzungen nicht erfüllt werden, soll der Vermieterin oder dem Verpächter ein ausserordentliches Kündigungsrecht zustehen. Ausserdem soll die Vermieterschaft neu ein Untermietverhältnis ablehnen können dürfen, wenn dieses für eine Dauer von mehr als zwei Jahren vorgesehen ist. Die Vorlage wurde insbesondere von Mitgliedern der Fraktionen der SP und der Grünen bekämpft. Es gäbe keinen gesetzlichen Handlungsbedarf in dem Bereich, so etwa Florence Brenzikofer (gp, BL). Sie sah in der Vorlage einen Versuch, den «ohnehin schwachen Kündigungsschutz in der Schweiz weiter [abzubauen]». Insbesondere sei es unverhältnismässig, dass eine ausserordentliche Kündigungsfrist zur Anwendung kommen könnte, bei Untermietverhältnissen, die etwa wegen Formfehlern nicht den gesetzlichen Kriterien entsprechen. Baptiste Hurni (sp, NE) und Raphael Mahaim (gp, VD) äusserten sich ähnlich. Sie sahen aktuell nur ein Problem mit den Untermietverhältnissen in der Schweiz, nämlich im Zusammenhang mit Plattformen wie Airbnb. Doch dann sollten besser die Plattformen direkt reguliert werden, anstatt die Gesamtheit der Untermietverhältnisse zu attackieren, so Mahaim. Anders als bei der unmittelbar danach beratenen Vorlage betreffend die Kündigung bei Eigenbedarf äusserte sich bei dieser Vorlage auch die GLP klar kritisch. Beat Flach (glp, AG) bezeichnete den Entwurf als einen «bürokratischen Blockadeartikel, angereichert mit zusätzlichen Hürden und Folgen für die Mieterinnen und Mieter». Auch Flach sah keinen Handlungsbedarf. Die geltenden Regeln funktionierten und es sei deshalb unnötig und «unliberal», weitere Bürokratie aufzubauen. Für die Vorlage plädierten die Fraktionen der SVP, FDP und Mitte. Pirmin Schwander (svp, SZ) sagte, mit der Revision werde eine Unklarheit behoben, darüber wie lange eine vorübergehende Abwesenheit und ein Untermietverhältnis dauern kann. Das sei gerade auch in der aktuell herrschenden Wohnungsnot wichtig, da Wohnungen, welche durch Untermiete blockiert seien, damit frei würden. Christian Lüscher (fdp, GE) vertrat die Position der freisinnigen Fraktion, welche aus ähnlichen Gründen wie Schwander und die SVP die Vorlage unterstützte. Philipp Matthias Bregy (mitte, VS) sprach sich für die Mitte-Fraktion ebenfalls für die Vorlage aus. Die Untervermietung würde mit der Änderung gestärkt und die Vermieterinnen und Vermieter geschützt. Es sei normal, dass es bei Verstössen gegen Regelungen auch Sanktionen geben sollte, konterte er die Kritik unter anderem von Florence Brenzikofer betreffend die ausserordentlichen Kündigungsfristen. Er liess auch das Argument betreffend mehr Bürokratie nicht gelten. Mietverträge seien grundsätzlich schriftlich, weshalb es kein zusätzlicher Aufwand sei, diese Frage in dem Rahmen ebenfalls noch zu regeln. Bundesrat Guy Parmelin zeigte sich damit nicht einverstanden. Im Namen des Bundesrates empfahl er dem Nationalrat, nicht auf die Vorlage einzutreten, da die aktuellen Regelungen ausreichten, um Vermieterinnen und Vermieter vor missbräuchlichen Untermietverhältnissen zu schützen. Auch er war der Meinung, dass die Vorlage zu einem grösseren Bürokratieaufwand und zu Rechtsunsicherheit führen würde. Letzteres weil der Entwurf eine nicht abschliessende Liste an Gründen aufführte, wegen welchen der Vermieter oder die Vermieterin ein Untermietverhältnis ablehnen kann. Schliesslich sei auch die Dauer von zwei Jahren, worüber hinaus es laut dem Entwurf der Vermieterschaft freistehen soll, die Untermiete abzulehnen, zu kurz – insbesondere im Kontext von Untermietverhältnissen von Geschäftsräumen. Entgegen dem Antrag des Bundesrates stimmte die Mehrheit des Nationalrates jedoch für Eintreten auf die Vorlage (110 zu 82 Stimmen, bei 1 Enthaltung). Alle Fraktionen stimmten geschlossen: diejenigen der Mitte, FDP und SVP für Eintreten, diejenigen der SP, Grünen und GLP dagegen. In der Detailberatung befand der Nationalrat anschliessend über mehrere Minderheitsanträge, welche aus linker Sicht zum Ziel hatten, die Regelungen und damit die negativen Folgen abzuschwächen. Sie wurden jedoch allesamt mit dem ungefähr gleichen Stimmenverhältnis abgelehnt. So schritt die grosse Kammer zur Gesamtabstimmung, wo die Vorlage mit 108 zu 83 Stimmen (1 Enthaltung) angenommen wurde.

Missbräuchliche Untermiete vermeiden (Pa.Iv. 15.455)
Dossier: Mietzinse: Bestimmung der Missbräuchlichkeit und Anfechtung

Im Nationalrat verlief die Beratung des Bundesgesetzes über die Digitalisierung im Notariat nicht annähernd so harmonisch wie zuvor in der Ständekammer. So hatte sich der Zweitrat in der Frühjahrssession 2023 zunächst mit einem Nichteintretensantrag einer Minderheit Addor (svp, VS) zu befassen. Wie der Minderheitssprecher ausführte, bestehe keine nachgewiesene praktische Notwendigkeit für ein solches Gesetz. Die Abwesenheit eines Bundesregisters für Urkunden schaffe aktuell keinerlei Schwierigkeiten und es bestehe kein Bedarf, ein solches zu schaffen. Zudem sei der Entwurf zu detailliert und gehe zu weit über die Frage der Digitalisierung hinaus, sodass er zu stark ins kantonale Notariatswesen eingreife. Nicht zuletzt bringe ein zentralisiertes Urkundenregister auch neue Datenschutzprobleme mit sich, gerade wenn der Zugang zu diesem Register wie im vorliegenden Entwurf unzureichend geregelt sei. Demgegenüber beantragte die Mehrheit der vorberatenden RK-NR Eintreten. Der digitale Geschäfts- und Amtsverkehr könne nur dann sinnvoll genutzt werden, wenn auch die entsprechenden Belege, bei denen es sich in vielen Fällen um öffentliche Urkunden handle, in elektronischer Form eingereicht werden können, hob Kommissionssprecher Beat Flach (glp, AG) den Zweck des Gesetzes hervor. Der Bund stelle nur das Urkundenregister zur Verfügung und greife ansonsten nicht in den notariellen Prozess ein. Die Kantone könnten das zentrale Register dann als Modul in ihre eigenen Softwarelösungen integrieren. Es sei aber «zentral, dass die Sicherheit und Langlebigkeit der Urkunden im ganzen Land einheitlich geregelt wird», erklärte der Berichterstatter. Im Gesetz seien nur die Grundsätze zu elektronischen öffentlichen Urkunden festgelegt, damit die detaillierten Ausführungsbestimmungen, die auf Verordnungsstufe geregelt werden sollen, einfacher den technischen Veränderungen angepasst werden können, so Flach weiter. Der Sensibilität der betreffenden Daten sei sich die Kommission durchaus bewusst, weshalb sie in diesem Bereich noch an der Vorlage nachgebessert habe. Nach ausführlicher Debatte trat der Nationalrat mit 134 zu 54 Stimmen bei einer Enthaltung auf den Entwurf ein. Für Nichteintreten votierten die geschlossene SVP-Fraktion sowie der Tessiner Mitte-Vertreter Marco Romano.
Die bereits erwähnten Präzisierungen zum Datenschutz, die die Kommissionsmehrheit vorschlug, wurden von einer Minderheit als unnötig erachtet, weil diese Fragen bereits im Datenschutzgesetz geregelt seien, so die Minderheitssprecherin Christa Markwalder (fdp, BE). Die Kommissionsmehrheit wollte im Gesetz explizit festschreiben, dass das Bundesamt für Justiz das zentrale Urkundenregister aufbaut und führt sowie dessen Betrieb, Weiterentwicklung und Sicherheit gewährleistet. Sowohl das BJ als auch die Stellen, die das System nutzen, sollen zudem ausdrücklich für die Gewährleistung des Datenschutzes und der Datensicherheit verantwortlich gemacht werden. Die Volkskammer hiess die vorgeschlagenen Ergänzungen mit 157 zu 38 Stimmen gegen den Widerstand aus den Fraktionen der GLP und der FDP gut. Eine Minderheit Kamerzin (mitte, VS), die noch weiter gehen wollte als die Kommissionsmehrheit und im Gesetz zusätzlich festschreiben wollte, dass sämtliche Zugriffe auf das Urkundenregister mit Angabe der Uhrzeit und der Identität der zugreifenden Person protokolliert werden müssen, scheiterte im Rat jedoch mit 113 zu 82 Stimmen. Sie wurde nur von den Fraktionen der SVP und der Mitte unterstützt. Kommissionssprecher Flach versicherte, die Zugriffsrechte würden auf dem Verordnungsweg geregelt und die Kommission werde «dann gewiss auch das Recht beanspruchen, diese Verordnungen anzuschauen». Alle übrigen Bestimmungen nahm der Nationalrat stillschweigend gemäss Antrag seiner Rechtskommission an. In der Gesamtabstimmung hiess er den Entwurf mit 142 zu 53 Stimmen gut. Abgelehnt wurde er von der geschlossenen SVP-Fraktion, die zu Beginn schon nicht darauf hatte eintreten wollen.

Notariatsdigitalisierungsgesetz (BRG 21.083)

Nach dem Ständerat befasste sich in der Frühlingssession 2023 auch der Nationalrat mit einer Standesinitiative des Kantons Genf, mittels welcher der Genfer Grosse Rat gefordert hatte, dass Mieterinnen oder Mietern, die wegen behördlich angeordneten Massnahmen gegen die Covid-19-Pandemie in Zahlungsrückständen geraten sind, eine Fristverlängerung gewährt werden soll. Konkret sollte den betroffenen Mieterinnen und Mietern eine Frist von mindestens 90 Tage gewährt werden. Die RK-NR beantragte – ebenso wie ihre Schwesterkommission –, die Initiative abzulehnen. Sprecher Beat Flach (glp, AG) erläuterte die Erwägungen der Kommission. So habe das Parlament sich bereits im Rahmen der Beratungen der Motion 20.3158 gegen eine Verlängerung der Covid-19-Verordnung im Bereich Miete und Pacht ausgesprochen. Ausserdem habe der Genfer Grosse Rat die Standesinitiative auch mit einer vorherrschenden Wohnungskrise begründet, welche jedoch der Ansicht der Kommission nach ein strukturelles Problem des Kantons Genf sei, was nicht auf nationaler Ebene angegangen werden sollte. Nicht zuletzt sehe das OR bei Zahlungsrückständen von Mieterinnen und Mietern bereits zusätzliche Fristen vor, die über das normale Vertragsrecht hinausgehen.
Eine Mehrheit des Nationalrats folgte dem Antrag seiner RK und lehnte die Standesinitiative mit 124 zu 66 Stimmen ab. Einzig die Mitglieder der Fraktionen von SP und Grünen stimmten für die Initiative.

Für eine Verlängerung der Frist bei Zahlungsrückständen der Mieterin oder des Mieters (St.Iv 21.316)

Im Dezember 2022 präsentierte der Bundesrat die Botschaft für die Revision des Umweltschutzgesetzes. Die Revision bezweckt Veränderungen in den Bereichen Lärm, Altlasten, Lenkungsabgaben, Finanzierung von Aus- und Weiterbildungskursen zum Umgang mit Pflanzenschutzmitteln, beim E-Government sowie beim Strafrecht.
Beim Lärmschutz will der Bundesrat die raumplanerischen Ziele (verdichtetes Bauen / Siedlungsentwicklung nach innen) besser mit dem Schutz der Bevölkerung vor Lärmemissionen in Einklang bringen. Mit den vorgesehenen Änderungen im USG sollen die Rechts- und Planungssicherheit erhöht werden, indem die lärmrechtlichen Kriterien für Baubewilligungen präzisiert werden. Die Änderungen stünden in Einklang mit dem «Nationalen Massnahmenplan zur Verringerung der Lärmbelastung» und setze die Motion 16.3529 Flach (glp, AG) um, so der Bundesrat.
Im Bereich der Altlasten beabsichtigt der Bundesrat, die Sanierung von öffentlichen und privaten Böden voranzutreiben. Die Untersuchung und Sanierung öffentlicher Kinderspielplätze und Grünflächen sollen verbindlich geregelt werden, wobei die Kosten der Sanierung zu 60 Prozent durch den VASA-Fonds übernommen würden. Die weiterhin freiwillige Untersuchung und Sanierung privater Kinderspielplätze und Hausgärten würde durch eine 40-prozentige Beteiligung des VASA-Fonds unterstützt. Weiter sollen durch ehemalige Deponien oder industrielle Aktivitäten belastete Standorte generell rascher analysiert und saniert werden. Bei den 300-Meter-Schiessanlagen schlug der Bundesrat vor, in Zukunft nicht mehr eine Pauschale pro Scheibe zu sprechen, sondern dass der Bund die Sanierungskosten generell zu 40 Prozent übernimmt. Mit diesen Änderungen werde die Motion 18.3018 Salzmann (svp, BE) erfüllt und das Anliegen einer abgelehnten Motion 20.4546 Fivaz (gp, NE) aufgenommen, so die Botschaft.
Bei den Lenkungsabgaben sollen diejenigen Artikel im USG, die den Schwefelgehalt von einigen Treibstoffen betreffen, gestrichen werden, da sie aufgrund strengerer Vorschriften in der LRV keine Anwendung mehr finden.
Eine weitere Neuerung im USG soll es dem Bund erlauben, private Institutionen finanziell zu unterstützen, die an sie übertragene Aufgaben im Bereich der Aus- und Weiterbildung zum Umgang mit Pflanzenschutzmitteln wahrnehmen. Diese Änderung werde insbesondere die Umsetzung von Massnahmen des Aktionsplans zur Risikoreduktion und nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln vereinfachen.
Die vorliegende Revision schaffe auch die gesetzliche Grundlage, um das E-Government-Programm des UVEK im Umweltschutzbereich zu verankern, so der Bundesrat.
Schliesslich bezweckt der Bundesrat einige der Strafbestimmungen im USG anzupassen und das Strafmass für schwere Delikte anzuheben. Zudem solle die Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Strafverfolgungs- und Umweltschutzbehörden gestärkt werden.

Umweltschutzgesetz. Änderung (BRG 22.085)

Als Zweitrat befasste sich in der Wintersession 2022 der Nationalrat mit einer Motion Schmid (fdp, GR), mit der eine Änderung der landwirtschaftlichen Zonen-Verordnung im Zusammenhang mit Meliorationen gefordert wurde. Konkret verlangte der Motionär, dass im Zusammenhang mit Meliorationen oder Gewässerrevitalisierungen neu ein Abtausch zwischen landwirtschaftlicher Nutzfläche und Sömmerungsfläche gesetzlich zugelassen werden soll, solange dabei die landwirtschaftliche Nutzfläche gesamthaft nicht zunimmt.
Im Namen der UREK-NR empfahlen Kommissionssprecherin Priska Wismer-Felder (mitte, LU) und Kommissionssprecher Pierre-André Page (svp, FR) den Mitgliedern der grossen Kammer, die Motion anzunehmen. Es solle bei Meliorationen keine landwirtschaftliche Nutzfläche mehr verloren gehen. Dies fördere nicht zuletzt auch die Akzeptanz solcher gesellschaftlich wichtigen Projekte unter Landwirtinnen und Landwirten. Die Kommissionsminderheit, vertreten durch Ursula Schneider Schüttel (sp, FR), plädierte derweil dafür, die Motion abzulehnen, da sie befürchtete, dass die Änderung zu einer intensiveren Nutzung der betroffenen Sömmerungsflächen führen könnte, wodurch Biodiversität verloren gehen könnte. Ausserdem führe die Motion auch zu einem erhöhten administrativen Aufwand für die Kantone. Auch Guy Parmelin sprach sich im Namen des Bundesrats gegen die Motion aus. Er machte darauf aufmerksam, dass nur gerade der Kanton Graubünden eine solche Änderung gefordert hatte, während die anderen Kantone sich mit der aktuellen gesetzlichen Grundlage zufrieden zeigten. Durch eine Annahme der Motion käme es überdies zu einer Ungleichbehandlung zwischen Bergkantonen und der restlichen Schweiz, da Kantone im Flachland über keine angrenzenden Sömmerungsgebiete verfügten.
Die Mehrheit des Nationalrates folgte jedoch dem Antrag der Kommissionsmehrheit und nahm die Motion mit 98 zu 86 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) an. Die Stimmen für die Motion kamen von der geschlossen stimmenden SVP-Fraktion, einer Mehrheit der Fraktionen der FDP und der Mitte sowie zwei Personen aus den Reihen der SP.

Änderung der Landwirtschaftlichen Zonen-Verordnung im Zusammenhang mit Meliorationen (Mo. 21.3804)

Zu Beginn der Wintersession 2022 machte sich der Nationalrat an die Beratung des Voranschlags 2023 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2024–2026. Anna Giacometti (fdp, GR) und Jean-Pierre Grin (svp, VD) präsentierten dem Rat das Budget und die Änderungsvorschläge der Kommissionsmehrheit. Beide betonten die «düsteren finanzpolitischen Aussichten» (Giacometti), welche in den Finanzplanjahren grosse Korrekturmassnahmen nötig machen würden. Besser sehe es noch für das Jahr 2023 und somit für den Voranschlag aus, hier schlug die Kommissionsmehrheit gar Mehrausgaben von CHF 11.2 Mio. vor, womit die Schuldenbremse immer noch eingehalten werden könne. Insgesamt beantragte die Kommission sieben Änderungen am bundesrätlichen Voranschlag, welche der Rat allesamt annahm. Kaum Erfolg hatten hingegen die Minderheitsanträge.

Das geplante Defizit in den Finanzplanjahren war auch Thema in den folgenden Fraktionsvoten. Als besonders dramatisch erachtete etwa Lars Guggisberg (svp, BE) die finanzielle Situation des Bundes: Man befinde sich «finanzpolitisch seit Jahren im freien Fall», zumal das Parlament immer mehr Geld ausgebe als vorhanden sei. Nun müsse man Prioritäten setzen, weshalb die SVP insbesondere im Finanzplan entsprechende Kürzungsanträge stelle. Ähnlich formulierte es Alex Farinelli (fdp, TI) für die FDP-Fraktion, der die Bundesfinanzen mit der Titanic verglich – zwar scheine alles ruhig, bei genauerer Betrachtung sei «das Bild, insbesondere das mittelfristige, [aber] wesentlich problematischer und beunruhigender». Auch er verlangte daher die Setzung von Prioritäten. Demgegenüber hob Jean-Paul Gschwind (mitte, JU) das positive strukturelle Saldo des Voranschlags hervor, betonte aber auch, dass man für die Finanzplanjahre Korrekturmassnahmen einbringen müsse – insbesondere auch, weil die Gewinnausschüttung durch die SNB ausbleiben könne.
Deutlich weniger besorgt zeigten sich die Sprechenden der anderen Fraktionen über die finanzpolitische Situation. Roland Fischer (glp, LU) erachtete in Anbetracht der tiefen Schuldenquote des Bundes nicht in erster Linie die Defizite als problematisch, sondern die Ausgestaltung der Schuldenbremse, die es nicht erlaube, Schulden zu machen, um Investitionen zu tätigen. Auch Sarah Wyss (sp, BS) zeigte sich durch die «Mehrbelastungen ab 2024 [...] nicht besonders beunruhig[t]». Man müsse zwar reagieren, dabei aber vor allem auf Nachhaltigkeit setzen und von «kurzfristige[r] Sparwut» absehen. Gerhard Andrey (gp, FR) sah die Schuld für die finanzpolitischen Probleme vor allem bei denjenigen Mitgliedern des Parlaments, welche das Armeebudget stark aufgestockt und einen Abbau der Corona-Schulden über zukünftige Überschüsse durchgesetzt hätten. Statt über Sparmassnahmen solle man aber nun über zusätzliche Einnahmen, etwa im Rahmen einer Erbschaftssteuer, sprechen.

In der Folge behandelte der Nationalrat den Voranschlag 2023 in sechs Blöcken, beginnend mit einem ersten Block zu den Beziehungen zum Ausland und zur Migration. Hierbei lagen dem Rat keine Mehrheitsanträge der Kommission vor, jedoch zahlreiche Minderheitsanträge von Mitgliedern der Polparteien. Einerseits verlangten Minderheiten Badertscher (gp, BE), Friedl (sp, SG), Wettstein (gp, SO) sowie zwei Einzelanträge Pasquier-Eichenberger (gp, GE) etwa eine Aufstockung der Beiträge für humanitäre Aktionen oder an die Entwicklungszusammenarbeit mit den Ländern des Ostens, teilweise auch in den Finanzplanjahren. Andererseits forderten Minderheiten Grin (svp, VD), Guggisberg (svp, BE), Fischer (svp, ZH) sowie ein Einzelantrag der SVP-Fraktion etwa eine Reduktion des Schweizer Beitrags an ausgewählte EU-Mitgliedstaaten, an die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit oder an die Integrationsmassnahmen für Ausländerinnen und Ausländer (teilweise auch oder nur in den Finanzplanjahren) sowie die ordentliche Verbuchung der Ausgaben für Kriegsvertriebene aus der Ukraine. Die Minderheitsanträge blieben jedoch allesamt erfolglos.

Im zweiten Block zu Kultur, Bildung, Forschung, Familie und Sport lagen dem Nationalrat vier Kommissionsanträge vor. Im Sportbereich wollte die Kommission einerseits einen Kredit für die Sportverbände zugunsten der nationalen Meldestelle von Swiss Sport Integrity um CHF 360'000 aufstocken, zumal seit deren Schaffung Anfang 2022 dreimal mehr Meldungen eingegangen seien, als erwartet worden waren. CHF 650'000 sollten zudem für die Ausrichtung der Staffel-Weltmeisterschaft 2024 in Lausanne gesprochen werden, wobei der Bund einen Drittel der Gesamtfinanzierung übernehmen würde. Keine Aufstockung, sondern eine ausdrückliche Verwendung der CHF 390'000, welche der Bundesrat im Bereich Kinderschutz/Kinderrechte veranschlagt hatte, für eine Übergangslösung zur Stärkung der Kinderrechte verlangte die Kommission bei den Krediten des BSV. Eine Übergangslösung war nötig geworden, weil die Ombudsstelle für Kinderrechte, für die der Betrag gedacht war, noch nicht über eine gesetzliche Grundlage verfügte. Schliesslich verlangte die Kommission, dass CHF 35 Mio., welche nach dem Ausschluss der Schweiz aus Horizon Europe bei den EU-Forschungsprogrammen nicht benötigt werden, stattdessen Innosuisse zugesprochen werden. Der Nationalrat hiess alle vier Kommissionsanträge stillschweigend gut.
Weitere CHF 50 Mio. aus dem Kredit der EU-Forschungsprogramme zum Kredit für die Institutionen der Forschungsförderung verschieben wollte eine Minderheit Munz (sp, SH). Zudem verlangten zwei weitere Minderheiten Munz Aufstockungen bei der internationalen Mobilität Bildung zugunsten des Programms Erasmus+. Die Kredite gegenüber dem bundesrätlichen Vorschlag reduzieren wollten hingegen eine Minderheit I Grin bei den Institutionen der Forschungsförderung sowie eine Minderheit Guggisberg in den Finanzplanjahren bei der internationalen Mobilität Bildung und bei den Stipendien an ausländische Studierende. Mit 123 zu 68 Stimmen kürzte der Nationalrat in Übereinstimmung mit der Minderheit Munz den Kredit der EU-Forschungsprogramme zugunsten der Institutionen der Forschungsförderung, lehnte aber ansonsten sämtliche Minderheitsanträge ab. Dazu gehörten auch zwei Minderheiten Nicolet (svp, VD), welche bei Pro Helvetia (auch in den Finanzplanjahren) und bei der familienergänzenden Kinderbetreuung kürzen wollten.

Im Block 3 zu Umwelt und Energie hiess der Nationalrat die veranschlagten CHF 42 Mio. für Programme von EnergieSchweiz für den Heizungsersatz, zur Dekarbonisierung von Industrie und Gewerbe, zur Einführung von neuen Technologien und zur Bekämpfung des Fachkräftemangels sowie CHF 4 Mrd. für den Rettungsschirm Elektrizitätswirtschaft, welchen der Bundesrat in einer Nachmeldung beantragt hatte, gut. Eine Minderheit Schilliger (fdp, LU) hatte erfolglos eine Kürzung bei den Programmen von EnergieSchweiz im Voranschlag und in den Finanzplanjahren gefordert. Erfolglos blieben auch alle anderen Minderheiten etwa zur Streichung von CHF 10 Mio. für eine Winter-Energiespar-Initiative, zur Reduktion des Kredits für die Reservekraftwerke, aber auch für eine Erhöhung des Kredits für die Reservekraftwerke um CHF 100 Mio., um eine Erhöhung der Energiekosten für die Bevölkerung zu verhindern.

Erfolglos blieben auch sämtliche Minderheitsanträge im vierten Block zu den Themen «soziale Wohlfahrt, Gesundheit und Sicherheit», wo etwa eine Minderheit Wettstein (gp, SO) eine Erhöhung des Bundesbeitrags an das Schweizerische Rote Kreuz oder verschiedene Minderheiten Kürzungen beim Rüstungsaufwand oder bei verschiedenen Positionen zur Verteidigung beantragten.

Im fünften Block zu Standortförderung, Steuern und Landwirtschaft gab es nur einzelne Forderungen zu den ersten beiden Bereichen, etwa verlangte eine Minderheit Gysi (sp, SG) zusätzliche Mittel und Stellen in der Steuerverwaltung für mehr Mehrwertssteuerkontrollen und eine Minderheit Guggisberg eine Streichung der Neuen Regionalpolitik, da diese Aufgabe der Kantone sei. Das Hauptinteresse des Nationalrats galt in diesem Block aber der Landwirtschaft, zu der zahlreiche Mehr- und Minderheitsanträge vorlagen: Die Kommissionsmehrheit verlangte eine Erhöhung des Kredits für die Qualitäts- und Absatzförderung zugunsten des Schweizer Weins um CHF 6.2 Mio. (in Umsetzung einer Motion 22.3022, die vom Nationalrat angenommen, aber vom Ständerat an die WAK-SR verwiesen worden war). Eine Minderheit Munz wollte stattdessen einen Teil der bereits veranschlagten Mittel zur Umsetzung der Motion einsetzen, der Nationalrat folgte jedoch seiner Kommissionsmehrheit und beschloss die Krediterhöhung. Weiter beantragte die Kommissionsmehrheit, in den Planungsgrössen zu den Direktzahlungen die Höhe der Versorgungssicherheitsbeiträge auf CHF 1.1 Mrd. festzuschreiben, so dass diese entgegen der Absicht des Bundesrates nicht gekürzt werden könnten. Der Nationalrat folgte auch dieser Kommissionsmehrheit, während eine Minderheit Munz besagte Planungsgrösse erfolglos streichen wollte. Schliesslich sollten die Mittel für Wildtiere, Jagd und Fischerei gemäss Kommissionsmehrheit um CHF 4 Mio. zugunsten von Sofortmassnahmen für den Herdenschutz aufgestockt werden, wobei der Nationalrat auch hier der Komissionsmehrheit und nicht einer Minderheit Schneider Schüttel (sp, FR) auf Beibehalten des bundesrätlichen Betrags folgte. Erfolgreich war zudem eine Minderheit Grin für eine Erhöhung des Kredits für die Pflanzen- und Tierzucht um CHF 3.9 Mio. zugunsten einheimischer Nutztierrassen, nicht aber ein weiterer Minderheitsantrag Grin für einen Verzicht auf die Aufstockung des Funktionsaufwands beim Bundesamt für Landwirtschaft um CHF 900'000 zur Umsetzung einer parlamentarischen Initiative zur Verminderung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln.

Im sechsten Block ging es abschliessend um den Eigenaufwand des Bundes und um die Schuldenbremse, wobei die Kommissionsmehrheit nur einen Antrag auf Änderung gegenüber der bundesrätlichen Version stellte: Bei den Planungsgrössen zum BABS sollte der Soll-Wert der Kundenzufriedenheit bei den Ausbildungsleistungen von 80 auf 85 Prozent und in den Finanzplanjahren auf 90 Prozent erhöht werden. Stillschweigend hiess der Nationalrat die Änderung gut. Zudem lagen zahlreiche Minderheitsanträge Nicolet auf Kürzungen im Personalbereich verschiedener Bundesämter (BAFU, BAG, BAK, BAV, BFS) sowie beim UVEK vor, die jedoch allesamt abgelehnt wurden – genauso wie weitere Kürzungsanträge im Personalbereich sowie bei den Sach- und Betriebsausgaben des SEM, zur Kürzung des Personalaufwands im Bereich der Social-Media-Strategie und der Digitalisierung sowie für Querschnittskürzungen beim BBL. Abgelehnt wurde aber auch ein Minderheitsantrag Schneider Schüttel zur Schaffung von zwei zusätzlichen Stellen beim BLV im Bereich Zulassung von Pflanzenschutzmitteln. Schliesslich scheiterte auch ein Antrag der SVP-Fraktion, die aus der Gewinnausschüttung der SNB veranschlagten Einnahmen von CHF 666.7 Mio. zu streichen, da die SNB diese nach ihren Verlusten voraussichtlich nicht würde tätigen können.

Nach langen Diskussionen, bei denen sämtliche Mehrheits- sowie einzelne Minderheitsanträge angenommen worden waren, hiess der Nationalrat den Voranschlag in der Gesamtabstimmung mit 137 zu 49 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) gut. Die ablehnenden Stimmen stammten von der geschlossen stimmenden SVP-Fraktion sowie von einem Mitglied der Grünen. Angenommen wurden in der Folge auch der Bundesbeschluss über die Planungsgrössen im Voranschlag für das Jahr 2023 (138 zu 50 Stimmen bei 2 Enthaltungen), der Bundesbeschluss über den Finanzplan für die Jahre 2024-2026 (179 zu 12 Stimmen) sowie der Bundesbeschluss über die Entnahmen aus dem Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds für das Jahr 2023 (191 zu 0 Stimmen).

Voranschlag 2023 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2024-2026 (BRG 22.041)
Dossier: Bundeshaushalt 2023: Voranschlag und Staatsrechnung

2. November 2022: Der Rücktritt von Simonetta Sommaruga

Am 25. Oktober, also kurz nachdem die fünf Kandidierenden der SVP offizialisiert waren, gab Simonetta Sommaruga via den Departementssprechenden bekannt, dass sie ihre Regierungstätigkeit temporär unterbrechen müsse, da ihr Ehemann Lukas Hartmann hospitalisiert worden sei. Dies war dann auch die Ursache für die wenige Tage später sehr überraschend erfolgende Rücktrittsankündigung der amtierenden Energie- und Verkehrsministerin: Am 2. November gab Simonetta Sommaruga ihren auch für sie persönlich abrupten Rücktritt auf Ende Jahr bekannt, weil der Hirnschlag ihres Mannes für sie ein schwerer Schock gewesen sei und gezeigt habe, dass sie die Schwerpunkte in ihrem Leben anders setzen wolle. Den Tränen nahe beteuerte die Bernerin, dass sie gerne Bundesrätin gewesen sei und eigentlich geplant habe, dies auch noch eine Weile zu bleiben. So ein Schicksalsschlag stimme aber nachdenklich und verschiebe die Prioritäten. Die 2010 in den Bundesrat gewählte Simonetta Sommaruga war zuerst Justizministerin bevor sie 2019 das UVEK übernommen hatte.

In den Medien wurde die SP-Magistratin als populäre Bundesrätin gewürdigt, die allerdings häufig Abstimmungsniederlagen in Kauf habe nehmen müssen (Le Temps) – die Schlimmste darunter sei wohl das Ja zur Masseneinwanderungsinitiative der SVP gewesen. Im Zentrum ihrer Arbeit hätten stets die Menschen gestanden, urteilte der Blick. Die NZZ bezeichnete sie als «clever» und «beharrlich» mit einem «Hang zur Perfektion», der ihre Auftritte auch «angestrengt und belehrend» habe wirken lassen. Sie habe aber für eine SP-Bundesrätin auch dank «stoischer Beharrlichkeit» letztlich überraschend viele Vorlagen durch das Parlament gebracht. Die Aargauer Zeitung würdigte Simonetta Sommaruga als «Mensch gewordenes Verantwortungsgefühl», als «Bundesrätin, die niemals die Kontrolle verlieren will». Alle ausser der SVP hätten sie geliebt, titelte La Liberté. Die WoZ erinnerte angesichts der Betroffenheit, die Simonetta Sommaruga bei ihrer Rücktrittsmedienkonferenz ausgelöst hatte, daran, dass die Magistratin seit ihrer Wahl in den Bundesrat immer wieder von Teilen der Medien und der SVP angegriffen worden sei: «An der Bernerin offenbarte sich die Verunsicherung rechter Männer vor linken, machtbewussten Frauen», so die WoZ. In der Tat warf etwa Roger Köppel (svp, ZH) der Magistratin nach ihrem auch für den Bundesrat und ihre Partei überraschenden Rücktritt in der Weltwoche Parteikalkül und «Flucht» vor, weil sie schon lange «ermattet und ermüdet» sei. Dies stiess in vielen Medien freilich auf Kritik, da der Entscheid private Gründe habe und Respekt verdiene, so etwa der Tages-Anzeiger. Allerdings kommentierte die NZZ, dass der Rücktritt zwar verständlich sei, in Anbetracht der schwierigen Lage hinsichtlich Energieversorgung aber zur Unzeit komme. Ihre Nachfolgerin oder ihr Nachfolger müsse nun innert kürzester Zeit «eine der schwersten Krisen für die Schweiz seit Jahrzehnten» meistern.

Auch bei der SP begann das von den Medien in Schwung gehaltene Kandidierendenkarussell noch am Tag der Demission von Simonetta Sommaruga zu drehen. Daran beteiligte sich freilich auch aktiv die Parteispitze, die unmittelbar ankündigte, dass die SP ein reines Frauenticket präsentieren werde, wobei egal sei, aus welcher Sprachregion die Kandidatinnen stammten. Da die SP mit Alain Berset bereits einen Mann in der Bundesregierung habe und den Grundsatz der Geschlechterparität pflegen wolle, sei ein reines Frauenticket angezeigt, so die Begründung des SP-Co-Präsidiums aus Mattea Meyer (sp, ZH) und Cédric Wermuth (sp, AG). In den Medien wurden entsprechend schnell Favoritinnen ernannt: Sehr häufig fielen dabei die Namen der Ständerätin Eva Herzog (sp, BL), der Nationalrätinnen Flavia Wasserfallen (sp, BE) und Nadine Masshardt (sp, BE) sowie der Regierungsrätinnen Jacqueline Fehr (ZH, sp) oder Evi Allemann (BE, sp). Obwohl sich vor allem die Westschweizer Medien nur geringe Chancen für eine Kandidatur aus der Westschweiz ausrechneten (beispielsweise Le Temps), da in diesem Fall vier nicht deutschsprachige Personen im Bundesrat sitzen würden – zwei davon für die SP –, fielen auch die Namen der Regierungsrätinnen Rebecca Ruiz (VD, sp) und Nuria Gorrite (VD, sp) sowie der Ständerätinnen Marina Carobbio (sp, TI) und Elisabeth Baume-Schneider (sp, JU). Co-Präsidentin Mattea Meyer (sp, ZH) gab hingegen sofort bekannt, nicht zur Verfügung zu stehen.

Die in den Medien als vorschnell kritisierte Ankündigung der Parteispitze, ein reines Frauenticket präsentieren zu wollen, gab Raum für weitere Spekulationen. Ständerat Daniel Jositsch (sp, ZH) etwa wurden laut Medien schon lange Bundesratsambitionen nachgesagt. Diese würden freilich stark geschmälert, wenn eine Deutschschweizer SP-Frau Simonetta Sommaruga beerben würde, weil für eine allfällige spätere Nachfolge von Alain Berset dann wohl Westschweizer Männer im Vordergrund stehen würden. Auch Regierungsrat Beat Jans (BS, sp) und die Nationalräte Matthias Aebischer (sp, BE) oder Jon Pult (sp, GR) dürften ob der Ankündigung «frustriert» sein, mutmasste La Liberté. Für den Westschweizer Nationalrat Pierre-Yves Maillard (sp, VD) sei der Fokus auf eine (Deutschschweizer) Frau hingegen eine gute Nachricht, mutmasste der Tages-Anzeiger wiederum im Hinblick auf eine Nachfolge von Alain Berset. Zu den eigentlichen Verliererinnen der SP-Strategie gehörten neben den Deutschschweizer Männern aber auch die Westschweizer Frauen, die sich eine Kandidatur eher zweimal überlegen dürften, analysierte 24Heures. Einerseits seien die Chancen gering, dass das Parlament eine vierte romanischsprachige Person in den Bundesrat wähle, und andererseits werde wohl bei einem Rücktritt von Alain Berset dann lediglich ein Männerticket aufgestellt.

Der SP blieben für die Kandidierendensuche nur wenige Tage. Sie setzte sich als Meldeschluss den 21. November, damit die Fraktion am 26. November ein Zweierticket nominieren konnte. Der Rücktritt Simonetta Sommarugas habe die Partei auf dem falschen Fuss erwischt, beurteilte der Blick die kurze Zeitspanne. Bevor sich die ersten Kandidierenden meldeten, kam es wie zuvor schon bei der SVP auch bei der SP zu einer Reihe von medial mehr oder weniger stark begleiteten Absagen. Ausser Mattea Meyer verzichteten neben den genannten Favoritinnen Jacqueline Fehr, Nadine Masshart, Rebecca Ruiz, Nuria Gorrite und Marina Carobbio auch die Nationalrätinnen Priska Seiler Graf (sp, ZH), Barbara Gysi (sp, SG), Edith Graf-Litscher (sp, TG), Yvonne Feri (sp, AG) und die Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch (ZH, sp) mit offiziellen Presseauftritten auf eine Kandidatur. Nach kurzer Bedenkzeit und grosser medialer Aufmerksamkeit verzichtete auch die ehemalige Aargauer Ständerätin Pascale Bruderer (AG, sp) auf eine Kandidatur. Sie war gar mittels Petition von mehreren Personen zu einer Kandidatur aufgefordert worden. Das habe sie sehr berührt, eine Rückkehr in die Politik sei aber für sie kein Thema. Auch die Absage von Flavia Wasserfallen war den Medien mehr als eine Kurzmeldung wert. Wie Esther Friedli (svp, SG) bei der SVP wollte sich die Bernerin auf die Ständeratswahlen 2023 konzentrieren und den Sitz des auf Ende Legislatur zurücktretenden Hans Stöckli (sp, BE) verteidigen.

Im Gegensatz zu Jon Pult, der den Entscheid der SP-Spitze für ein reines Frauenticket befürwortete und sich entsprechend nicht zur Verfügung stellte, wollte sich Daniel Jositsch nicht aus dem Rennen nehmen. Er erhielt dabei Zuspruch von bürgerlichen Parlamentarierinnen und Parlamentariern, die das Vorgehen der SP-Parteileitung in den Medien als «diktatorisch» (Alfred Heer, svp, ZH) bezeichneten oder kritisierten, dass es «mit Gleichberechtigung nicht mehr viel zu tun habe» (Josef Dittli, fdp, UR). Jositsch liess verlauten, dass er sich eine Kandidatur überlege, wenn die Fraktion auch Männer zulasse. Dafür werde er sich parteiintern einsetzen, weil er ein reines Frauenticket als «diskriminierend» erachte. Es handle sich um eine Einschränkung der Wahlfreiheit, die dem Passus in den Statuten der SVP nahekomme, der jedes Mitglied automatisch ausschliesse, wenn es eine Wahl annehme, ohne von der Partei nominiert worden zu sein. Seine damit offiziell angekündigte Kandidatur brachte dem Zürcher Ständerat zahlreiche negative Kommentare ein. Der am rechten Rand der SP politisierende Daniel Jositsch fordere seine eigene Partei heraus und schaffe sich damit zahlreiche Feinde, befand LeTemps. Die «Granate Jositsch explodierte im Gesicht der SP», titelte 24Heures: «Il est vieux, blanc, mâle et riche», also alles, was die neue Garde der SP im Moment «verabscheue», so die Westschweizer Zeitung. Der Tages-Anzeiger warf Jositsch vor, mit dem «unsäglichen Theater» Frauen zu brüskieren, solange diese in den verschiedenen politischen Gremien nach wie vor nicht angemessen vertreten seien. Er sei auf einem «Egotrip», überschätze sich völlig und zeige damit nachgerade auf, dass er eben nicht geeignet sei für ein Bundesratsamt, zitierte der Blick verschiedene SP-Stimmen. Er habe Goodwill verspielt und müsse für den «Hochseilakt ohne Netz» wohl noch büssen. Die WoZ kritisierte, dass nach «173 Jahren Patriarchat [...] ein Mann auch heute noch nicht glauben [will], dass der eigene Karriereverzicht ein Akt der Gleichstellung sein kann». Auch die Weltwoche schrieb von «Selbstdemontage». Allerdings erhielt Jositsch auch Unterstützung aus der eigenen Fraktion. Sich auf ein reines Frauenticket zu konzentrieren sei «demokratisch und strategisch ungeschickt», meldete sich etwa Nationalrätin Franziska Roth (sp, SO) im Blick zu Wort. Es brauche Wettbewerb zwischen Frauen und Männern und keine Reduktion der Kandidierenden auf ihr Geschlecht. Roberto Zanetti (sp, SO) kritisierte vor allem die Parteileitung: «Ich mag es nicht, wenn man mir vorschreibt, wie ich mir meine Gedanken machen soll», so der Ständerat, der in der Folge ein Dreierticket vorschlug. Die Frage werde fraktionsintern wohl noch zu reden geben, vermutete der Blick. Die Fraktion selber versuchte etwas den Wind aus den Segeln zu nehmen, indem sie verkündete, den Vorschlag der Parteispitze für ein reines Frauenticket bzw. den Antrag von Jositsch auf ein gemischtes Ticket an ihrer Fraktionssitzung am 18. November zu diskutieren. Es sei der Verdienst von Jositsch, dass das Thema offen diskutiert werde, urteilte die NZZ. Er verdiene auch deshalb einen «fairen Prozess».

Nach der Kandidatur von Jositsch verging einige Zeit, bis die ersten Kandidatinnen ihre Bewerbung einreichten. Die erste Frau, die sich schliesslich am 10. November mit einer Kandidatur meldete, war Evi Allemann. Damit habe es die SP «geschafft, eine junge Mutter ins Rennen zu schicken [... und] mit einer Art Sanna Marin [...] für frischen Wind [zu] sorgen» (die finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin war jüngste Ministerpräsidentin weltweit und bei ihrem Amtsantritt Mutter einer einjährigen Tochter). Die ehemalige Nationalrätin und seit 2018 Berner Regierungsrätin – und Mutter zweier Kinder im Alter von elf und sieben Jahren, wie sogleich in allen Medien berichtet wurde – habe allerdings national kaum Schlagzeilen gemacht, zudem könnte es ein Nachteil sein, dass sie seit fünf Jahren nicht mehr im nationalen Parlament sitze, mutmasste der Blick. Allemann sei nicht die Wunschkandidatin der SP gewesen, wusste 24Heures. Sie habe nicht das Charisma von Flavia Wasserfallen, die in Bundesbern wesentlich häufiger als Favoritin genannt worden sei. Die Kandidatur von Evi Allemann, die eine Bilderbuchkarriere ohne Kanten aufweise und bereits mit 20 Jahren in den Berner Grossen Rat gewählt worden war – 1998 war sie die jüngste Kantonsparlamentarierin der Schweiz – und 2003 den Sprung in den Nationalrat geschafft hatte, habe aber ein grosses «ouf de soulagement» bei der Parteileitung ausgelöst, so 24Heures weiter. Evi Allemann sei auch in bürgerlichen Kreisen beliebt und zeichne sich durch Pragmatismus aus. Sie habe zudem auf Anhieb jedes politische Mandat erhalten, das sie angestrebt habe, so der Tages-Anzeiger. Dass sie nicht mehr in Bundesbern sei, sei für die ehemalige VCS-Präsidentin allerdings ein Handicap, urteilte auch die NZZ.

Als klare Favoritin wurde in den Medien freilich Eva Herzog gehandelt, die tags darauf ihre Kandidatur bekannt gab. «Eva Herzog est la Albert Rösti du Parti socialiste» – sie sei die mit Abstand am häufigsten genannte Favoritin –, berichtete etwa Le Temps über die Kandidatur der Basler Ständerätin. Sie könne einige Trümpfe aufweisen, wie etwa ihre 19-jährige Erfahrung als Finanzvorsteherin des Kantons Basel-Stadt und ihre Ständeratskarriere seit 2019. Ihre gescheiterte Bundesratskandidatur im Jahr 2010, als sie von der Fraktion für die Nachfolge von Moritz Leuenberger nicht aufs Ticket gesetzt worden war, sei zudem ebenfalls kein Nachteil. Schliesslich sei der Kanton Basel-Stadt seit 1973 nicht mehr im Bundesrat vertreten gewesen. Dies sei auch ein Vorteil gegenüber der Bernerin Evi Allemann, waren sich die meisten Medien einig. Auch der Blick machte Eva Herzog zusammen mit Albert Rösti sogleich zum «Favoriten-Duo» und betonte «die Lust aufs Amt und den Gestaltungswillen», den die Baslerin versprühe. Als Nachteil bezeichnete 24Heures das fehlende Charisma von Eva Herzog. Sie sei «un peu cassante», wirke häufig ein wenig spröde.

Einen weiteren Tag später warf die vierte Kandidatin der SP ihren Hut in den Ring. «Elisabeth Wer?», titelte die WoZ in Anspielung auf die zumindest in der Deutschschweiz geringe Bekanntheit von Elisabeth Baume-Schneider, die ähnlich wie Eva Herzog seit 2019 im Ständerat sitzt und vorher während 13 Jahren im Kanton Jura als Regierungsrätin das Bildungsdepartement geleitet hatte. Ebendiese Unbekanntheit sei das grosse Manko der Kandidatin aus der Romandie, waren sich zahlreiche (Deutschschweizer) Medien einig. Auch wenn von der SP-Parteileitung explizit auch Frauen aus der lateinischen Schweiz zu einer Kandidatur aufgefordert worden seien, werde die Vereinigte Bundesversammlung kaum eine Mehrheit von nicht-deutschsprachigen Personen im Bundesrat goutieren, prognostizierte Le Temps – auch wenn Elisabeth Baume-Schneider bilingue ist, ihr Vater ist Deutschschweizer. Dass die Jurassierin «rien à perdre» habe, könne ihr aber auch zum Vorteil gereichen. Die Chancen seien «mince, mais pas nulles», hoffte Le Quotidien Jurassien. Es könnte sich gar für die Zukunft lohnen, den bisher noch nie im Bundesrat repräsentierten peripheren Kanton Jura bekannter zu machen, befand Le Temps mit Blick auf eine mögliche Wahl bei einem Rücktritt von Alain Berset. Für den Kanton sei dies «une belle publicité», so Le Temps. Zudem habe die ehemalige Regierungsrätin im Jura viel Rückhalt, so die Westschweizer Zeitung weiter. In der Tat gab der jurassische Regierungsrat ihre Kandidatur gar in einem Communiqué bekannt und stellte sich mit der Ankündigung, sie könne den Röstigraben verkleinern, öffentlich hinter seine ehemalige Kollegin. In den Medien wurde zudem Elisabeth Baume-Schneiders Nähe zur Landwirtschaft betont. Thema war freilich auch ihr Alter, das als «Handicap» gewertet wurde, weil sich die SP eine jüngere Frau wünsche, so der Blick. Die 58-jährige Ständerätin aus dem Kanton Jura gab zudem in Interviews zu Protokoll, dass sie sich mit 65 Jahren pensionieren lassen wolle. Sie betrachte sich deshalb als «conseillère fédérale de transition», so ihre Aussage in 24Heures. Eva Herzog bleibe aber auch deshalb Favoritin, weil die Jurassierin eher am linken Rand der SP politisiere und das Parlament deshalb weniger gut von sich überzeugen könne als die eher am rechten Rand der SP einzuschätzende Eva Herzog, so der Blick weiter. 24Heures befand zudem, dass Elisabeth Baume-Schneider das grünste Profil der SP-Kandidierenden habe, was ihr allenfalls Stimmen von den Grünen einbringen könnte. Kaum zur Sprache kam hingegen, dass die Jurassierin in ihren Jugendjahren bei der Revolutionären Marxistischen Liga politisiert hatte, galt sie doch auch in bürgerlichen Kreisen als «sehr konziliant». In Interviews gaben Ständerätinnen und Ständeräte aus allen Lagern etwa der Aargauer Zeitung zu Protokoll, sie sei «lösungsorientiert, ohne den grossen Auftritt zu suchen», «verlässlich und kollegial», «seriös, aber nicht verbissen» und sie strahle eine «positive Leichtigkeit» aus. Hingegen wurde das Thema Mutterschaft auch bei der Kandidatin aus dem Kanton Jura diskutiert: Der Blick wusste zu berichten, dass Elisabeth Baume-Schneider zwar nicht mehr das Profil der jungen Mutter habe, wie dies von der SP gewünscht werde, sie habe aber bereits im Jahr 2000 landesweit für Schlagzeilen gesorgt, weil sie damals als Parlamentspräsidentin ihr Baby an eine Sitzung im Jurassischen Parlament mitgenommen habe. Die Frage, ob ein Exekutivamt mit Kindern möglich sei, sei für Elisabeth Baume-Schneider deshalb ein «Déjà-vu». Die Sanna Marin, die die SP heute im Bundesrat haben wolle, sei die zweifache Mutter Elisabeth Baume-Schneider schon vor 20 Jahren gewesen, bemühte die Aargauer Zeitung den Vergleich mit der finnischen Präsidentin ein weiteres Mal.

Bevor die SP über die Nominierung entschied, stand die mit einiger Spannung erwartete Lösung der «Frage Jositsch» an. In den Medien hatte der Wind in der Zwischenzeit etwas gedreht und die SP wurde für ihr mangelndes strategisches Geschick kritisiert. Dass sofort kommuniziert worden sei, nur auf Frauen zu setzen, habe die Partei unnötigen Spannungen ausgesetzt, war in zahlreichen Medien zu lesen. In der Zwischenzeit hatte sich zudem die «Reformplattform», ein loser Zusammenschluss moderat-zentristischer Kräfte der SP, hinter Jositsch gestellt. Im Hinblick auf die eidgenössichen Wahlen 2023 habe die SP aber wohl keine andere Wahl, als mit einer Frau und einem Mann im Bundesrat vertreten zu sein, was nur ein reines Frauenticket garantiere, ergänzte der Tages-Anzeiger. Als Gleichstellungspartei sei sie sonst nicht glaubwürdig. Alles andere wäre denn auch «politisches Harakiri», urteilte auch die Republik. Denn würde Jositsch auf dem Ticket stehen, würde er «mit hoher Wahrscheinlichkeit» gewählt, was dem mächtigen «Momentum von feministischer Politik» völlig zuwiderlaufen und Proteste auslösen würde. Auch der 80-köpfige Parteirat, eine Art Parlament innerhalb der Partei, stärkte der Parteileitung den Rücken und sprach sich einstimmig für ein reines Frauenticket aus. Die diese Frage letztlich entscheidende Fraktion selber tagte dann am 18. November und sprach sich laut ihrem Chef Roger Nordmann (sp, VD) klar mit 37 zu 6 Stimmen (2 Enthaltungen) dafür aus, nur Frauen zu nominieren. Daniel Jositsch habe sich eloquent verteidigt, respektiere aber das Urteil, so Nordmann weiter. Der Vorschlag für ein Dreierticket sei mit 26 zu 19 Stimmen abgelehnt worden. In einem kurzen Statement gab Daniel Jositsch im Anschluss an die Fraktionssitzung den Medien zu Protokoll, er verstehe den Entscheid, es gebe keine innerparteilichen Konflikte und er ziehe seine Kandidatur angesichts der exzellenten Kandidatinnen zurück. Die Diskussionen seien freilich nicht so glatt verlaufen, wie dies für die Presse dargestellt worden sei, wusste der Tages-Anzeiger zu berichten. Vor allem die Parteispitze habe sich von einigen Fraktionsmitgliedern harsche Kritik anhören müssen: Dass Mattea Meyer und Cédric Wermuth unmittelbar nach dem Rücktritt von Simonetta Sommaruga eigenmächtig ein Frauenticket angekündigt hätten, zeuge von schlechtem Kommunikationsstil und mangelndem Vertrauen in die Fraktion, so die interne Kritik laut Tages-Anzeiger.

Spannend blieb in der Folge also die Frage, welche beiden Kandidatinnen von der Fraktion aufs Ticket gehievt werden. Im Vorfeld der entsprechenden Fraktionsentscheidung vom 26. November hatte die SP vier von ihr so benannte «öffentliche Hearings» in Luzern, Lausanne, Zürich und Liestal geplant, in denen die drei Kandidatinnen Red und Antwort stehen – und «mit dem personellen Spektakel etwas Werbung» für die Partei machen sollten, wie die NZZ vermutete. Alle vier Hearings verliefen ohne Überraschungen. Es gebe kaum Unterschiede in den Positionen der drei Kandidatinnen war die ziemlich einhellige Meinung der Medien, was das Rennen um die Plätze auf dem Ticket freilich nur spannender mache.

Die Entscheidung der SP-Fraktion, Eva Herzog und Elisabeth Baume-Schneider auf das Ticket zu setzen, sorgte dann doch bei vielen Beobachterinnen und Beobachtern für überraschte Gesichter und einige Kritik. Der Entscheid habe etwas Zufälliges, urteilten einige Medien gestützt auf den Wahlprozess in der Fraktion, über den medial berichtet wurde. In den ersten beiden Wahlgängen waren die Unterschiede jeweils knapp, einmal verfügte Elisabeth Baume-Schneider und einmal Evi Allemann über die meisten Stimmen. Erst im dritten Wahlgang, in dem keine Zweitstimmen mehr zugelassen waren, war das Ergebnis schliesslich klar genug: 24 Stimmen für Eva Herzog, 23 für Elisabeth Baume-Schneider und lediglich noch 14 für Evi Allemann, die also für viele Fraktionsmitglieder anscheinend jeweils zweite Wahl gewesen war. Ausgerechnet die in den letzten Wochen so breit diskutierte «junge Mutter» hatte es damit nicht auf das Ticket geschafft. Dies stiess bei zahlreichen Beobachterinnen und Beobachtern auf Kritik. Die Sonntagszeitung wusste zu berichten, dass es in der Fraktion zwei Lager gegeben habe: Das eine habe auf die moderatere Eva Herzog gesetzt, während das andere vorwiegend aus Romand.e.s bestanden habe, unterstützt von Fraktionsmitgliedern, die bei der nächsten Vakanz die Wahlchancen Deutschschweizer Männer erhöhen wollten. Dieses Lager habe die eher links politisierende Westschweizer Kandidatin Elisabeth Baume-Schneider präferiert. Dies wiederum weckte Unbill bei der FDP, die sich im Vorfeld dezidiert gegen eine lateinische Mehrheit im Bundesrat ausgesprochen und bei der SP entsprechende Forderungen angemeldet hatte. Auch die SVP kritisierte die Auswahl, weil die Gefahr bestehe, dass am Schluss nur noch Kantone im Bundesrat vertreten seien, die im Finanzausgleich zu den Nehmerkantonen gehörten. Der Sonntagsblick hatte im Vorfeld der Fraktionssitzung eine Bevölkerungsbefragung durchführen lassen, bei der sich zeigte, dass die Mehrheit der Befragten ebenfalls die beiden Ständerätinnen auf das Ticket gesetzt hätte. Laut der Montagspresse änderte diese Vorauswahl allerdings wenig an der Ausgangslage: Wie bei der SVP Albert Rösti bleibe auch bei der SP Eva Herzog klare Favoritin. Die Aargauer Zeitung bezeichnete die Nomination von Elisabeth Baume-Schneider als «taktisch». Sie sei für Herzog die ungefährlichere Partnerin auf dem Ticket. Elisabeth Baume-Schneider selber war sich ihrer Outsider-Rolle bewusst, aber man könne ja nie wissen, gab sie dem Quotidien Jurassien zu Protokoll.

Bundesratsersatzwahlen 2022 – Nachfolge von Ueli Maurer und Simonetta Sommaruga
Dossier: Bundesratswahlen seit 2008

Mit zwei neuen Kommunikationskanälen sorgte die SP im Herbst 2022 für einige Aufmerksamkeit. Die NZZ ortete gar eine «veritable Medienoffensive der SP». Auslöser war einerseits die Lancierung des Podcasts «Meyer:Wermuth», in dem die Co-Vorsitzenden der Partei, Mattea Meyer und Cédric Wermuth, einmal pro Woche jeweils drei aktuelle Themen diskutieren und in Kurzantworten auf ausgewählte Publikumsfragen eingehen. Damit solle die SP-Politik auf interessante Art vermittelt und die Entscheidungsfindung in der SP-Spitze besser nachvollziehbar gemacht werden, wurde Meyer in der Presse zitiert. Der neue Kanal sei nicht Teil der SP-Kommunikationsstrategie für die Wahlen 2023, sondern ein längerfristiges Vorhaben, dass sich die beiden schon bei ihrer Wahl ins Co-Präsidium 2020 vorgenommen hätten. Als zweiten Teil der SP-«Medienoffensive» nannte die NZZ das ebenfalls neue Online-Magazin «Direkt», eine Website, auf der die Partei politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Themen im In- und Ausland aus sozialdemokratischer Perspektive behandelt.

Mit ihren Bemühungen, mithilfe neuer Kommunikationsmassnahmen direkt – ohne Umweg über klassische Medien – an die Bürgerinnen und Bürger zu gelangen, war die SP indessen nicht allein. Lorenz Furrer von der PR- und Lobbyagentur Furrerhugi wies gegenüber dem Tages-Anzeiger darauf hin, dass Firmen schon seit einigen Jahren zunehmend auf eigene Newsrooms setzten. Nun werde dies «auch in der Politik [zum] Zeitgeist». Denn so könne eine Partei, eine Politikerin oder ein Politiker gezielt eigene Themen bewirtschaften und die eigenen Zielgruppen bedienen. Wie der Tages-Anzeiger festhielt, mache dies Teleblocher, «die wohl berühmteste Direkt-Politikersendung in der Schweiz», seit 2008 mit einigem Erfolg vor. Die wöchentlichen Interviews des Journalisten Markus Ackeret mit SVP-Stratege Christoph Blocher (svp, ZH) seien 2022 jeweils von mehreren 10'000 Personen angesehen worden.

Auch FDP-Vizepräsident Andri Silberschmidt, seines Zeichens der erste Bundesparlamentarier mit einer Tiktok-Präsenz, hielt die neuen, direkten Kommunikationskanäle der SP für «eine schlaue Idee»: Man könne mit solchen Mitteln Werbung in eigener Sache machen, und zwar nicht nur vor den Wahlen, sondern nachhaltig. Die FDP versuche dies mit ihrem Magazin «Freisinn» ebenfalls. Er selbst erreiche mit seinem Tiktok-Kanal momentan 13'000 Follower, mit Sessionsrückblicken in Videoformat rund 5000 Personen.

Im Allgemeinen nutze die Linke das Internet und Social Media bisher aber wesentlicher geschickter und erfolgreicher für ihre Kampagnen als die Bürgerlichen, befand die NZZ in einem weiteren Beitrag vom Herbst 2023. Zwei FDP-Politiker beklagten darin, «die Linken» hätten im Internet «hochprofessionellen Content, Videos, Bilder und eine riesige Community, die diesen Content teilt. Wer macht auf unserer Seite diese Videos,wer hat bei uns Hunderttausende Mail-Adressen?» Gegen diese professionelle Kommunikation und Kampagnenführung kämen die bürgerlichen Parteien derzeit nicht an. Die NZZ ortete im bürgerlich-liberalen Lager indessen drei jüngere Initiativen, die dies ändern sollten: Die «Liberale Aktion für Reform und Ambition (Lara)», den Nebelspalter und das Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik an der Universität Luzern.
Die Lara-Aktion werde von der «Bonny-Stiftung für die Freiheit» finanziert und bringe unter der Anleitung der PR-Agentur Farner junge Influencerinnen und Influencer mit Jungfreisinnigen und Forschenden zusammen. Ziel sei der Aufbau «eine[s] liberalen Momentum[s] auf Social Media», was aber ein langwieriges Unterfangen werde.
Der Nebelspalter, der 2021 von Markus Somm übernommen und seither durch 70 Investorinnen und Investoren aus dem Umfeld der bürgerlichen Gegnerschaft des EU-Rahmenabkommens finanziert wird, habe ursprünglich eigentlich hinter einer Bezahlschranke eine liberale Community aufbauen wollen, biete seine wichtigsten Formate inzwischen aber kostenlos an: den Newsletter von Somm und den Podcast «Bern einfach» von Somm und seinem Stellvertreter Dominik Feusi.
Das ebenfalls 2021 gegründete Institut für Wirtschaftspolitik (IWP) wird vom Wirtschaftsprofessor Christoph Schaltegger und dem vormaligen NZZ-Journalisten René Scheu geführt, finanziert werden die rund zehn Vollzeitstellen von einer Stiftung. Schaltegger sagte gegenüber der NZZ, natürlich sei niemand neutral, aber das IWP sei inhaltlich unabhängig und forsche ergebnisoffen. Gemäss NZZ erhofften sich vom IWP allerdings «viele Liberale», auf dem von Bürgerlichen lange vernachlässigten Feld der Universitäten Boden gutzumachen, denn dieses spiele für die Deutungshoheit in der öffentlichen Debatte eine zentrale Rolle. Die AZ hielt es für «offensichtlich», dass die Geldgeberinnen und Geldgeber das IWP deshalb unterstützen, weil Schaltegger und Scheu für eine liberale Einstellung bekannt seien und von ihnen ein kritischer Ansatz bei der Untersuchung der Auswirkungen staatlicher Aktivitäten zu erwarten sei. Grosse Projekte des Instituts untersuchten etwa das Bürokratiewachstum, die Beschäftigung im öffentlichen Sektor, die Subventionstätigkeit des Bundes oder die Einkommensverteilung. Ein wichtiges Anliegen des IWP ist gemäss Schaltegger die öffentliche Vermittlung seiner Erkenntnisse, gerade auch an ein jüngeres Publikum – einerseits über die klassischen Medien, aber auch mit Videos, Lernplattformen, Social-Media-Beiträgen und Podcasts. Im Frühjahr 2023 verbreitete es einzelne Forschungsergebnisse zudem mit einer Plakatkampagne.

Kommunikationsstrategien der Parteien

Ursula Schneider Schüttel (sp, FR) forderte mit einer im Mai 2022 eingereichten Motion Zugang zu Geodaten von geschützten Flächen. Die Freiburger Nationalrätin wollte damit erreichen, dass die Geodaten von kommunalen, kantonalen und nationalen Schutzgebieten und den darin geltenden Regeln erfasst und publiziert werden. Damit solle insbesondere gewährleistet werden, dass die in den verschiedenen Schutzgebieten geltenden Bestimmungen für Besuchende online zugänglich gemacht werden. Der Bundesrat beantragte die Annahme der Motion, woraufhin der Nationalrat die Motion in der Herbstsession 2022 stillschweigend guthiess.

Zugang zu Geodaten der geschützten Flächen ermöglichen (Mo. 22.3466)