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  • Friedl, Claudia (sp/ps, SG) NR/CN
  • Nantermod, Philippe (fdp/plr, VS) NR/CN

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In der Wintersession 2021 pflichtete der Nationalrat seinem Schwesterrat bezüglich des Entwurfs zur Vollstreckung der Prämienzahlungspflicht in weiten Teilen bei, schuf aber zwei Differenzen. So wollten Bundesrat und Ständerat säumige Prämienzahlende zukünftig zwangsweise Versicherungen und Modellen mit eingeschränkter Wahl der Leistungserbringenden zuweisen können, die SGK-NR lehnte diese Möglichkeit jedoch ab – diesbezüglich seien zu viele Fragen ungeklärt, betonte Therese Schläpfer (svp, ZH). Stillschweigend folgte der Nationalrat diesem Antrag. Die zweite neue Differenz betraf den Vorschlag der Kommissionsmehrheit, im Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs einen Artikel zu ergänzen, wonach Schuldnerinnen und Schuldner ihre Arbeitgebenden anweisen können, einen Teil ihres Einkommens in der Höhe ihrer laufenden Prämien- und Kostenbeteiligungsforderungen der OKP an das zuständige Amt zu überweisen. Damit sollten «neue Schulden aufgrund bestehender Betreibungen» vermieden werden, argumentierte Kommissionssprecher Hess (mitte, BE). Eine Minderheit Nantermod (fdp, VS) sprach sich erfolglos gegen diese Änderung aus, weil man dafür mindestens die für das Betreibungsgesetz zuständigen Behörden anhören müsse – zumal die SGK-NR nicht für diesen Themenbereich zuständig sei und eine solche Regelung deutlich von den bestehenden Regelungen abweichen würde. Zudem solle kein einseitiges Privileg zugunsten der Krankenkassen eingeführt werden, auch andere Gläubigerinnen und Gläubiger verfügten über berechtigte Forderungen an die Schuldnerinnen und Schuldner. Und schliesslich wehrte sich der Minderheitensprecher dagegen, zusätzliche administrative Aufgaben für die Arbeitgebenden zu schaffen. Mit 108 zu 82 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) folgte der Nationalrat gegen den Willen der SVP- und der FDP.Liberalen-Fraktion sowie eines Mitglieds der Mitte-Fraktion dem Mehrheitsantrag.
Stillschweigend folgte die grosse Kammer ihrem Schwesterrat hingegen in verschiedenen Punkten: So zeigte sich auch der Nationalrat überzeugt, dass Jugendliche nach ihrem Erreichen der Volljährigkeit nicht für frühere Prämienschulden haftbar gemacht werden dürfen; die Haftbarkeit verbleibt bei ihren Eltern. Zudem dürfen Personen maximal zweimal pro Kalenderjahr betrieben werden, es sei denn, eine Betreibung habe zu einem Verlustschein geführt. Überdies soll der Bundesrat zukünftig die Gebühren auf Mahnungen regeln können.
Diskussionen gab es hingegen bezüglich der Frage, ob die Krankenversicherungen 50 Prozent (Kommissionsmehrheit) oder 75 Prozent (Minderheit Glarner; svp, AG) der Rückerstattungen an die Kantone überweisen sollen. Andreas Glarner kritisierte die vorgeschlagene Lösung, da die Versicherungen damit «bis zu 135 Prozent der Prämien kassieren», während das Debitorenrisiko bei den Gemeinden (oder Kantonen) zu liegen komme. Bundesrat Berset beantragte hingegen, bei der von der Kommission vorgeschlagenen Regelung zu bleiben, zumal diese einen Kompromiss zwischen Versicherungen und Kantonen darstelle. Ansonsten hätten die Krankenversicherungen «plus d'intérêt à poursuivre les assurés». Mit 138 zu 52 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) folgte die grosse Kammer mit Ausnahme der SVP-Fraktion und eines Mitglieds der FDP.Liberalen-Fraktion der Kommissionsmehrheit.
Am umstrittensten war einmal mehr die Frage nach der Abschaffung der Liste der säumigen Prämienzahlenden – wobei sich Christian Lohr (mitte, TG) vehement gegen die Bezeichnung «schwarze Liste» wehrte. Wie der Ständerat beantragte die Kommissionsmehrheit, auf eine Abschaffung der Listen zu verzichten, da man den Entscheid über deren Anwendung den Kantonen überlassen wolle. Der Bundesrat und eine starke Minderheit Weichelt (al, ZG) sprachen sich hingegen für ihre Streichung aus, da sie sich in der Praxis nicht bewährt hätten. Nachdem die Entscheidung in der Kommission mit 13 zu 12 Stimmen diesbezüglich äusserst knapp ausgefallen war, sprach sich der Nationalrat mit 98 zu 92 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) ebenfalls eher knapp für die Beibehaltung der Listen aus; die Stimmen der Mitglieder der SP-, der Grünen- und der GLP-Fraktion sowie der EVP und eine Minderheit der FDP reichten somit für eine Streichung der Listen nicht aus. Nach einigen sprachlichen und formalen Bereinigungen nahm der Nationalrat den Entwurf in der Folge mit 191 zu 0 Stimmen (bei 1 Enthaltung) ohne Gegenstimme an.

Vollstreckung der Prämienzahlungspflicht der Versicherten (Kt. Iv. 16.312)
Dossier: Schwarze Liste für säumige Prämienzahlende

In der Wintersession 2021 nahm der Nationalrat Kenntnis vom Bericht zu den abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträgen im Jahr 2020. Wie jedes Jahr wurden nur jene Verträge berücksichtigt, die dem Parlament nicht zur Genehmigung hatten unterbreitet werden müssen. Nationalrätin Friedl (sp, SG) lobte den Bericht im Namen der APK-NR für dessen hohen Grad an Transparenz gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit. Bundesrat Cassis hielt fest, dass die Anzahl der abgeschlossenen Verträge im Berichtsjahr mit 816 gegenüber dem Vorjahr relativ stabil geblieben sei. Es seien etwas weniger neue Verträge abgeschlossen worden als 2019, dafür seien aber mehr Änderungen an bestehenden Vertragswerken vorgenommen worden.

Bericht zu den abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträgen 2020
Dossier: Bericht zu den abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträgen

In der Sommersession 2021 forderte Baptiste Hurni (sp, NE) mittels eines Postulats den Bundesrat dazu auf, die Datenlage über den Schweizer Musiksektor auszubauen. Genauer wollte er Statistiken über die Bedeutung der Schweizer Musikwirtschaft, den Konsum von inländisch und ausländisch produzierter Musik in der Schweiz, sowie zum Einkommen von Personen, die im Musiksektor tätig sind. Weiter forderte er eine Analyse von potenziellen nationalen Lösungen, damit ein angemessenes Einkommen sowie die Förderung der Schweizer Musikproduktion erreicht werden können – dies beispielsweise durch die Einführung von Steuern für Streaming-Plattformen oder Quoten für Schweizer Musik. Zuletzt verlangte er, dass internationale Debatten zu diesem Thema bekannt und die Rolle der Schweiz im internationalen Kontext untersucht werden.
Obwohl dieser Wirtschaftszweig seit 2015 stetig gewachsen sei, seien es hauptsächlich die digitalen Giganten wie Spotify oder Apple Music, die profitieren würden, wie der Sozialdemokrat sein Anliegen in der Wintersession 2021 begründete. Ein Musiker oder eine Musikerin verdiene pro Lied, das gespielt werde, nur 0.39 Rappen; damit müsste der Song rund eine Million Mal pro Monat gehört werden, damit ein Gehalt von CHF 4'000 erreicht werde. Dies sei für viele Schweizer Künstlerinnen und Künstler unmöglich zu erreichen, insbesondere in einem kleinen Land wie der Schweiz, welches zusätzlich in drei Kulturräume unterteilt sei.
Philippe Nantermod (fdp, VS) bekämpfte das Postulat mit dem Argument, dass der Musikmarkt gut funktionieren würde, weshalb ein staatliches Eingreifen nicht gerechtfertigt sei. Ausserdem würden die Streaming-Dienste die Musikschaffenden nicht schlechter, sondern gar besser stellen. So seien die Jahre der Online-Piraterie ein ernsthaftes Problem gewesen, welches den Musikmarkt stark geschädigt habe. Das Streaming Angebot habe dem erfolgreich entgegengewirkt und den Künstlerinnen und Künstlern wieder ein Einkommen verschafft, welches vergleichbar sei mit jenem vor der Einführung des Internets. Statt neue Gesetze auf Bundesebene zu erlassen, sei es zielführender, sich zu fragen, wieso keiner dieser Streaming-Dienste einen Sitz in Europa habe.
Kulturminister Berset entgegnete der Argumentation von Nantermod, dass es bei diesem Postulat nicht darum gehen würde, direkte Massnahmen zu ergreifen oder einen Gesetzesentwurf zu erarbeiten. Er fordere lediglich die momentane Lücke in der Datenlage im Musiksektor zu füllen, damit solche Diskussionen auf objektiver Basis geführt werden können. Bersets Empfehlung, das Postulat anzunehmen erhielt jedoch kein Gehör: Die geschlossen stimmenden Fraktionen der SP, der GLP und der Grünen, welche sich für Annahme aussprachen, konnten sich gegen die ebenfalls geschlossen stimmenden Fraktionen der FDP.Liberalen und der SVP, zuzüglich einer grossmehrheitlichen Opposition der Mitte-Fraktion, nicht durchsetzen. Das Postulat wurde im Nationalrat mit 102 zu 82 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) abgelehnt.

Musikstreaming und Einkommen in Musikberufen. Daten erheben und Lösungen finden

In der Wintersession 2021 stimmte der Ständerat stillschweigend gegen eine Motion Nantermod (fdp, VS) zu Parallelimporten von Medikamenten, welche eine Senkung der Medikamentenkosten ermöglichen sollten. Damit folgte er seiner SGK, die sich im Vorfeld einstimmig gegen das Geschäft ausgesprochen hatte. Die Motion war zuvor bereits im Zusammenhang mit dem Paket 1b der Massnahmen zur Kostendämpfung behandelt worden.

Medikamente. Parallelimporte ermöglichen und damit Kosten senken (Mo. 19.3202)

Nach der knappen Zustimmung durch die nationalrätliche Kommission sprach sich die SGK-SR im April 2021 gegen die parlamentarische Initiative Nantermod (fdp, VS) für eine freiwillige Versicherung der Franchisen in den Zusatzversicherungen aus. Somit musste die SGK-NR die Initiative erneut vorberaten und entschied dabei mit 13 zu 10 Stimmen (bei 1 Enthaltung), ihr dieses Mal keine Folge zu geben.
In der Wintersession 2021 begründeten die Kommissionssprechenden Benjamin Roduit (mitte, VS) und Flavia Wasserfallen (sp, BE) den neuen Antrag der Mehrheit dadurch, dass damit das Ziel der Franchise, die Eigenverantwortung zu stärken, unterlaufen werde. Zudem sei zu befürchten, dass die wegfallenden Prämieneinnahmen bei den ordentlich Versicherten kompensiert würden – diese also höhere Prämien zu bezahlen hätten. Schliesslich fehle bei den Zusatzversicherungen die Aufnahmepflicht, wodurch nicht alle Prämienzahlenden dieses Angebot nutzen könnten. Letzteres erachtete Initiant Nantermod hingegen als Argument gegen ein Unterlaufen der Eigenverantwortung: Würden Personen mit Franchisen-Versicherungsschutz zu viele Gesundheitsleistungen benötigen, könnten sie in den folgenden Jahren wohl kaum mehr eine entsprechende Zusatzversicherung abschliessen. Profitieren könnten von dem neuen Angebot gemäss Nantermod wohl nur grundsätzlich gesunde, junge Personen – neu aber eben auch bei tieferen Einkommen. Mit 112 zu 79 Stimmen sprach sich der Nationalrat gegen Folgegeben aus – gegen den Willen der SVP- und der FDP-Fraktion . Damit war die parlamentarische Initiative erledigt.

Höhere Franchisen für alle zugänglich machen (Pa.Iv. 18.486)

Einen Tag nach dem Ständerat machte sich auch der Nationalrat an die Beratung des Voranschlags der Eidgenossenschaft 2022 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2023-2025. Sarah Wyss (sp, BS) und Daniel Brélaz (gp, VD) präsentierten dem Rat das Budget aus Sicht der Mehrheit der FK-NR: Der Bundesrat habe ordentliche Ausgaben in der Höhe von 77.7 Mrd. und ausserordentliche Ausgaben von CHF 3.0 Mrd. vorgesehen. Bei ordentlichen Einnahmen von CHF 77.1 Mrd. und ausserordentlichen Einnahmen von CHF 1.5 Mrd. bleibe damit aufgrund der Schuldenbremse ein struktureller Überschuss und somit ein Handlungsspielraum von CHF 44 Mio. Die Kommissionsmehrheit plane «kleinere Adjustierungen» mit Mehrausgaben von CHF 273 Mio. Bei 12 Mehrheitsanträgen zur Schaffung von Differenzen zum Ständerat lagen der grossen Kammer in der Folge auch etwa 40 Minderheitsanträge vor, grösstenteils von der SVP- oder der SP- und der Grünen-Fraktion. Differenzen zum Erstrat schuf der Nationalrat dabei jedoch nur wenige, zeigte sich dabei aber mehrheitlich grosszügiger als der Erstrat.

In der Eintretensdebatte hoben die Fraktionssprecherinnen und -sprecher erneut die spezielle Situation aufgrund der noch immer nicht ganz überstandenen Corona-Pandemie hervor, beurteilten diese aber sehr unterschiedlich. So sprach etwa Lars Guggisberg (svp, BE) von einer «düsteren» Situation aufgrund des grossen Anstiegs der Nettoschulden, während FDP-Sprecher Alex Farinelli (fdp, TI) zwar das Defizit beklagte, aber auch den langfristigen Nutzen der entsprechenden Ausgaben hervorhob. Optimistischer zeigten sich die übrigen Kommissionssprechenden. Michel Matter (glp, GE) schätzte etwa die Situation der Schweiz als «solide» ein, Alois Gmür (mitte, SZ) zeigte sich erfreut über die insgesamt gute Situation der Schweizer Wirtschaft, verwies jedoch auch auf die noch immer stark leidenden Branchen. Ursula Schneider Schüttel (sp, FR) und Felix Wettstein (gp, SO) strichen schliesslich die im Vergleich zum Ausland «gute Schuldensituation» (Schneider Schüttel) heraus. Finanzminister Maurer bat den Rat im Hinblick auf den härter werdenden «internationale[n] Konkurrenz- und Verdrängungskampf» um Zurückhaltung bei zusätzlichen Ausgaben.

Mit den mahnenden Worten des Finanzministers in den Ohren startete der Nationalrat in die Detailberatung von Block 1 zu Beziehungen zum Ausland und zur Migration. Hier schuf er zwei Differenzen zum Ständerat: So wollte die Kommissionsmehrheit den Kredit zuhanden des SECO für Darlehen und Beteiligungen an Entwicklungsländer gegenüber dem bundesrätlichen Vorschlag um CHF 10 Mio. erhöhen und damit die Reduktion gegenüber dem Vorjahr rückgängig machen. Der Bundesrat habe bei der Sifem, der Entwicklungsfinanzierungsgesellschaft des Bundes, bereits 2020 CHF 10 Mio. zusätzlich zur Milderung der Corona-Probleme eingeschossen – diese sollen nun kompensiert werden, erklärte Minderheitensprecher Egger (svp, SG), der den Kürzungsantrag vertrat, die Differenz zum Vorjahr. Da dieser Nachtragskredit damals aber vollständig kompensiert worden sei, erachtete die Kommissionsmehrheit diese Kürzung nicht als angebracht und setzte sich im Rat mit 107 zu 74 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) durch. Ohne Minderheitsantrag erhöhte der Nationalrat zudem auf Antrag seiner Kommission den Sollwert für die Mindestanzahl Freihandelsabkommen für die Finanzplanjahre 2024 und 2025. Der Bundesrat hatte hier für die Finanzplanjahre jeweils 34 Freihandelsabkommen vorgesehen, die Kommission erhöhte diese Zahl auf 35 (2024) respektive 36 (2025).
Im Vorfeld der Budgetdebatte hatte der Vorschlag der APK-NR, dass die Schweiz eine dritte Kohäsionsmilliarde sprechen und sich damit quasi eine Beteiligung an verschiedenen Projekten, unter anderem an Horizon, erkaufen könne, für mediale Aufmerksamkeit gesorgt. Auf Antrag der APK-NR beantragte die Mehrheit der FK-NR nun dem Nationalrat, eine dritte Beteiligung der Schweiz an der Erweiterung der EU 2019-2024 in der Höhe von CHF 953.1 Mio. freizugeben, diese aber von einer bis Ende Juni 2022 unterzeichneten Assoziierungsvereinbarungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union zur Teilnahme an verschiedenen laufenden EU-Programmen abhängig zu machen. Eine Minderheit Guggisberg beantragte in Übereinstimmung mit dem Bundesrat die Streichung dieses zusätzlichen Kreditpostens. Finanzminister Maurer bat den Rat eindringlich darum, darauf zu verzichten, da man sich «mit einer solchen Aufstockung in Brüssel eher blamieren würde […]. Die Erwartungen in Brüssel sind völlig anderer Natur; sie bestehen nicht darin, dass wir hier einfach etwas bezahlen, und dann läuft alles.» Mit 93 zu 84 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) folgte der Nationalrat der Minderheit. Die (fast) geschlossen stimmenden Fraktionen der SVP und der FDP.Liberalen sowie die Mehrheit der Mitte-Fraktion setzten sich in dieser Frage durch.
Ansonsten lagen in diesem Block verschiedene Minderheitenanträge von linker und rechter Ratsseite für Aufstockungen und Kürzungen vor, die jedoch allesamt erfolglos blieben, etwa eine Aufstockung des Budgets des EDA für humanitäre Aktionen zugunsten des Engagements in Afghanistan und den umliegenden Ländern (Minderheit Friedl: sp, SG), eine Erhöhung des Kredits für zivile Konfliktbearbeitung und Menschenrechte (Minderheit Badertscher: gp, BE) und einen erneuten Beitrag von CHF 300'000 an den Access to Tools Accelerator (Minderheit Friedl) sowie auf der anderen Seite eine Reduktion der Beiträge an multilaterale Organisationen, an die Entwicklungszusammenarbeit und an die Länder des Ostens (Minderheiten Grin: svp, VD).

Im zweiten Block zu den Themen «Kultur, Bildung, Forschung und Sport» schuf der Nationalrat keine Differenzen zum Erstrat. Er folgte dem Ständerat bei seiner Aufstockung des Kredits für Sportverbände und andere Organisationen um CHF 660'000, mit der – wie in den Planungsgrössen vermerkt wurde – eine unabhängige nationale Anlauf- und Meldestelle für Misshandlungen im Schweizer Sport geschaffen werden sollte. Eine Minderheit Sollberger (svp, BL) unterlag mit ihrem Antrag auf Streichung der Aufstockung mit 112 zu 69 Stimmen (bei 4 Enthaltungen). Auch die vom Ständerat vorgenommenen Aufstockungen beim Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie hiess der Nationalrat entgegen zweier Minderheitsanträge Egger deutlich gut (129 zu 55 Stimmen bei 1 Enthaltung respektive 129 zu 56 Stimmen). Abgelehnt wurden in der Folge auch verschiedene Streichungsanträge Nicolet (svp, VD), Schilliger (fdp, LU) und Sollberger bei den Covid-19-Leistungsvereinbarungen zur Kultur, bei der Covid-19-Soforthilfe für Kulturschaffende und Kulturvereine im Laienbereich sowie bei den Covid-19-Finanzhilfen.

Verschiedene Differenzen zum Erstrat entstanden hingegen im dritten Block zur sozialen Wohlfahrt und Gesundheit. So erhöhte der Nationalrat auf Antrag der Kommissionsmehrheit die Gelder für die Familienorganisationen bei den Krediten des BSV, die Finanzhilfen unter anderem zur Elternbildung oder zur familienergänzenden Kinderbetreuung beinhalten, im Voranschlags- und den Finanzplanjahren um CHF 1 Mio. Der Bundesrat und eine Minderheit Guggisberg hatten die Ablehnung der Aufstockung beantragt, zumal für eine solche Unterstützung auch institutionelle Voraussetzungen geschaffen werden müssten. Auch den Kredit für den Kinderschutz und die Kinderrechte erhöhte die grosse Kammer um CHF 390'000, um damit die privatrechtliche Stiftung «Ombudsstelle Kinderrechte Schweiz» zu finanzieren, deren Schaffung eine angenommene Motion Noser (fdp, ZH; Mo. 19.3633) verlangt hatte. Der Bundesrat hatte sich gegen diese Aufstockung gestellt, zumal die rechtliche Grundlage für diesen Kredit noch nicht bestehe. «Wir können ja nicht Gelder einsetzen, wenn wir dafür keine legale Grundlage haben», betonte Finanzminister Maurer. Kommissionssprecher Brélaz argumentierte hingegen, man können nicht «tout contrôler pendant deux-trois ans», bevor man damit beginnt, die Gelder einzusetzen.
Abgelehnt wurden in diesem Block Anträge auf Kreditkürzungen bei der Gleichstellung von Frau und Mann, die eine Minderheit Sollberger beantragt hatte. Eine Plafonierung gegenüber dem Vorjahr hätte gemäss Sollberger «keinen Einfluss auf weniger oder mehr Gleichstellung». Ebenfalls erfolglos blieb ein Antrag Glarner (svp, AG) auf Streichung des Beitrags an ein spezifisches Projekt des Vereins Netzcourage sowie ein Minderheitsantrag Nicolet zur Änderung der Planungsgrössen zur Bundesfinanzierung der Covid-19-Tests: Diese sollte nur solange gewährt werden, wie die Covid-19-Zertifikatspflicht gilt. Auch ein Minderheitsantrag Schilliger, der die Leistungen des Erwerbsersatzes mit Verweis auf die vierte Revision des Covid-19-Gesetzes nur bis Ende Juni 2022 gewähren und die Covid-19-Situation anschliessend neu beurteilt wissen wollte, fand keine Mehrheit.

Auch im vierten Block zu Landwirtschaft, Tourismus und Steuern wich der Nationalrat in einem Punkt von den Entscheiden des Ständerates ab: Bei der Nachmeldung für ein Tourismus-Recovery-Programm von CHF 17 Mio. wollte die Kommission die Gelder zu je 50 Prozent für Marketingkampagnen von Schweiz Tourismus und für Entlastungszahlungen an touristische Partnerorganisationen verwenden. Der Bundesrat und der Ständerat hatten keine entsprechenden Einschränkungen vorgenommen, weshalb gemäss den beiden Kommissionssprechenden wie üblich zwei Drittel in die gesamtschweizerischen Marketingkampagnen fliessen würden. Jedoch sei eine Werbekampagne in Südafrika momentan – auch aus ökologischer Sicht – nicht «unbedingt gerade unser Hauptziel», betonte Kommissionssprecherin Wyss. Stillschweigend stimmte der Nationalrat diesem Antrag seiner Kommission zu.
Hingegen folgte der Nationalrat dem Ständerat in diesem Block bei der Erhöhung der Zulagen für die Milchwirtschaft und den Beihilfen für den Pflanzenbau. Eine Minderheit Munz (sp, SH) hatte beantragt, auf erstere Erhöhung zu verzichten und dem Bundesrat zu folgen. Der Bundesrat wolle die Verkehrsmilchzulage erhöhen, aber die Verkäsungszulage senken, da Letztere aufgrund von Fehlanreizen zu einer zu grossen Menge Käse von geringer Qualität führe. Die von der Kommission beantragte Erhöhung zugunsten der Verkäsungszulage würde folglich die bisherige Marktverzerrung noch zementieren. Finanzminister Maurer wies überdies darauf hin, dass man entsprechende Erhöhungen – falls nötig – lieber erst mit den Nachtragskrediten vorlegen würde, wenn man die dazugehörigen Zahlen kenne. Mit 105 zu 61 Stimmen (bei 20 Enthaltungen) sprach sich der Nationalrat jedoch für die Erhöhung aus. Die ablehnenden Stimmen stammten grösstenteils von der SP-, einer Mehrheit der GLP- und einer Minderheit der FDP.Liberalen-Fraktion, die Enthaltungen grösstenteils von der Grünen-Fraktion.
Auch in diesem Block blieben zwei Minderheitsanträge erfolglos: Eine Minderheit I Fischer (glp, LU) und eine Minderheit II Gysi (sp, SG) unterlagen mit Anträgen auf Erhöhungen bei der direkten Bundessteuer respektive bei der Mehrwertsteuer, beim Globalbudget der ESTV sowie in den Finanzplanjahren. Die zusätzlichen Mittel sollten zur Schaffung von je fünf zusätzlichen Steuerkontrollstellen und somit zur Erhöhung des Steuerertrags eingesetzt werden und sich so mittelfristig quasi selbst finanzieren.

Im fünften Block zu Verkehr, Umwelt, Energie und Raumplanung entschied sich der Nationalrat bezüglich zweier Punkte zum Bundesamt für Energie anders als der Ständerat. Letzterer hatte den Kredit für das Globalbudget des BFE sowie für das Programm EnergieSchweiz gegenüber dem bundesrätlichen Entwurf erhöht. Die Mehrheit der FK-NR beantragte nun bei beiden Kreditposten eine zusätzliche Erhöhung um CHF 2.9 respektive CHF 8.3 Mio., wobei die zusätzlichen Gelder beim Globalbudget zur Finanzierung des durch die Erhöhung beim Programm EnergieSchweiz begründeten Aufwands eingesetzt werden sollten. Damit wollte die Kommission gemäss ihrem Sprecher Brélaz in den wenigen Bereichen, in denen die Finanzierung entsprechender Projekte über das Bundesbudget läuft, nach der Ablehnung des CO2-Gesetzes erste Massnahmen zum Klimaschutz treffen. Eine Minderheit Egger sprach sich gegen die Erhöhung aus, zumal im Energiebereich zuerst die Problematik der Stromversorgungslücke gelöst werden müsse. Finanzminister Maurer wehrte sich vor allem dagegen, nach der Ablehnung des CO2-Gesetzes einzelne Punkte «quasi durch die Hintertüre einfach wieder aufs Tapet» zu bringen. Mit 115 zu 67 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) hiess der Nationalrat die Erhöhung jedoch gut, abgelehnt wurde sie von einer Mehrheit der SVP-, der Hälfte der Mitte- und einer Minderheit der FDP.Liberalen-Fraktion.
Erhöht gegenüber dem bundesrätlichen Antrag wurde auch der Kredit für das Globalbudget des ARE. Hier hatte der Ständerat zuvor entschieden, CHF 100'000 mehr für das Projekt Swiss Triple Impact, ein Förderprogramm zur Erreichung von nachhaltigen Entwicklungszielen, einzusetzen, und der Nationalrat folgte ihm mit 115 zu 69 Stimmen (bei 1 Enthaltung). Der Finanzminister hatte die Erhöhung bei einem Sach- und Betriebsaufwand des ARE von CHF 9 Mio. als unnötig erachtet. Auch bei der Aufstockung der Einlage des BIF folgte der Nationalrat seinem Schwesterrat: Hier soll der Maximalbetrag und somit zusätzlich CHF 233 Mio. eingestellt werden, um sicherzustellen, dass auch zukünftig genügend Geld für den Bahnverkehr vorhanden ist, betonte Kommissionssprecherin Wyss. Dies erachteten der Bundesrat und eine Minderheit Schilliger als nicht notwendig, da der Fonds genügend stark geäufnet sei. Mit 125 zu 59 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) folgte der Nationalrat jedoch der kleinen Kammer.
Abgelehnt wurden hingegen ein Kürzungsvorschlag einer Minderheit Egger bei den Umweltschutzmassnahmen des BAZL – Egger hatte argumentiert, die Erhöhung beruhe lediglich auf der Vermutung des BAZL, dass es zukünftig mehr Umweltschutzgesuche geben könne – sowie ein Einzelantrag Rüegger (svp, OW) zur Aufstockung des Kredits des BAFU um CHF 6 Mio., mit der nach der Ablehnung des revidierten Jagdgesetzes die durch Wölfe verursachten Schäden abgegolten und der zusätzliche Aufwand entschädigt werden sollten.

Im sechsten Block zum Themenbereichen Eigenaufwand und Schuldenbremse schlug eine Kommissionsmehrheit in Übereinstimmung mit dem Ständerat vor, verschiedene Kredite beim Bundesamt für Verkehr ausserordentlich zu verbuchen, um so die zuvor vorgenommene Erhöhung der BIF-Einlage finanzieren zu können. Anders als der Ständerat beabsichtigte die Mehrheit der FK-NR zudem, eine Nachmeldung des Bundesrates im Bereich Covid-19-Arzneimittel und -Impfleistungen in der Höhe von CHF 57 Mio. ausserordentlich zu verbuchen – da man noch zusätzliche Ausgaben beschlossen habe, könne nur so die Schuldenbremse eingehalten werden, begründete Kommissionssprecher Brélaz den Vorschlag. Eine Minderheit Schwander (svp, SZ) wehrte sich gegen diese Umbuchungen, da sie gegen die Schuldenbremse und das Finanzhaushaltsgesetz verstossen würden. Diese Meinung teilte auch der Finanzminister, ihm ging das Parlament «mit [seiner] Interpretation [des FHG] hier zu weit», auch wenn die Interpretation der Gesetze keine exakte Wissenschaft sei. Der Nationalrat stimmte den Umbuchungen jedoch mit 133 zu 50 Stimmen respektive 133 zu 49 Stimmen zu.
Eine weitere Differenz schuf der Nationalrat stillschweigend bezüglich der Planungsgrössen beim VBS: Dort soll eine neue Planungsgrösse dafür sorgen, dass die Bruttomietkosten ab 2025 um 2 Prozent gesenkt und damit gemäss Kommissionssprecherin Wyss CHF 400 Mio. jährlich «freigespielt» werden sollen.
Erfolglos blieben die Minderheitsanträge Sollberger und Strupler (svp, TG), welche die Kredite für das Bundespersonal gegenüber dem bundesrätlichen Vorschlag um CHF 1.8 Mio. (2022, Minderheit Sollberger) respektive um CHF 10.9 Mio. (2023), CHF 117 Mio. (2024) und CHF 265 Mio. (2025, alle Minderheit Strupler) reduzieren wollten. Damit hätte auf zusätzliche Stellen für die Strategie Social Media/Digitalisierung verzichtet (Sollberger) respektive «das ungebremste Personalwachstum beim Bund» gebremst werden (Strupler) sollen. Zuvor hatte bereits der Ständerat die Ausgaben im Voranschlags- und den Finanzplanjahren um CHF 21 Mio. reduziert. Mit 131 zu 52 Stimmen respektive 133 zu 50 Stimmen lehnte der Nationalrat die beiden Anträge ab, folgte damit dem Bundesrat und schuf eine weitere Differenz zum Erstrat. Erfolglos blieb auch ein Kürzungsantrag Egger beim Ressourcenpool des Generalsekretariats UVEK.

Mit der Bereinigung des Entwurfs, bei welcher der Nationalrat seiner Kommission in fast allen Punkten gefolgt war, hatte der Nationalrat den Ausgabenüberschuss von CHF 2.08 Mrd. (Bundesrat) respektive CHF 2.32 Mrd. (Ständerat) auf CHF 2.36 Mrd. erhöht – durch die Umbuchung einzelner zusätzlicher Ausgaben auf das Amortisationskonto (ausserordentliche Ausgaben Bundesrat: CHF 3.03 Mrd., Ständerat: CHF 3.25 Mrd., Nationalrat: CHF 3.30 Mrd.) konnte die Schuldenbremse jedoch eingehalten werden. Mit 130 zu 44 Stimmen (bei 7 Enthaltungen) nahm der Nationalrat den Voranschlag 2022 an. Die ablehnenden Stimmen stammten von Mitgliedern der SVP-Fraktion und von Stefania Prezioso (egsols, GE), die Enthaltungen ausschliesslich von Mitgliedern der SVP-Fraktion. Letztere sprachen sich teilweise auch gegen die übrigen Bundesbeschlüsse aus, dennoch nahm der Nationalrat den Bundesbeschluss Ib über die Planungsgrössen im Voranschlag für das Jahr 2022, den Bundesbeschluss III über die Entnahmen aus dem Bahninfrastrukturfonds für das Jahr 2022 und den Bundesbeschluss IV über die Entnahmen aus dem Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds für das Jahr 2022 jeweils deutlich an.

Voranschlag 2022 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2023-2025 (BRG 21.041)
Dossier: Bundeshaushalt 2022: Voranschlag und Staatsrechnung

In der Herbstsession 2021 befand der Nationalrat über ein vom Freisinnigen Philippe Nantermod (fdp, VS) eingereichtes Postulat betreffend den Erwerb von Wohneigentum. Der Postulant forderte vom Bundesrat eine Analyse bezüglich einer Reihe an geltenden Massnahmen zur Sicherstellung der Kreditwürdigkeit von Privaten. Diese Massnahmen waren ab 2012 eingeführt worden, da aufgrund des tiefen Zinsniveaus und des raschen Anstieges der Wohneigentumspreise befürchtet worden war, dass eine Blase gebildet und eine Immobilienkrise ausgelöst werden könnten. Konkret wurden die von der Finanzmarktaufsicht als Mindeststandard anerkannten Richtlinien zur Kreditvergabe verschärft, so dass potentielle Bezüger und Bezügerinnen von Hypothekarkrediten beispielsweise mindestens 10 Prozent Eigenkapital aufweisen müssen. Der Postulant begründete seinen Vorstoss damit, dass er es als nicht zwingend erachte, alle damals getroffenen Massnahmen weiterzuführen. Diese seien nämlich ein «unüberwindbarer Hemmschuh für Privatpersonen» – namentlich für junge Erwachsene, die heutzutage ohne die «realitätsfremden Einschränkungen» ohne grosses Risiko Wohneigentum erwerben könnten.
Der Bundesrat empfahl das Postulat zur Ablehnung, da er die Mindeststandards weiterhin als wichtiges Element der Massnahmen zur Verhinderung von Immobilienkrisen betrachtete. Zudem verfolge der Bundesrat die Entwicklungen auf dem Immobilienmarkt genau und würde die Massnahmen lockern, wenn dies angezeigt wäre, weshalb der geforderte Bericht keinen Mehrwert bringen würde. Eine Mehrheit des Nationalrat schloss sich der Empfehlung des Bundesrates an und so lehnte die grosse Kammer den Vorstoss mit 105 zu 78 Stimmen ab. Neben den geschlossen dafür stimmenden Fraktionen der FDP und SVP stimmten einzig noch je ein Mitglied der Mitte- und der SP-Fraktion für das Postulat.

Erwerb von Wohneigentum. Analyse, ob die geltenden Massnahmen noch angemessen sind, sowie wünschenswerte Anpassungen (Po. 20.3120)

Die Organspende-Initiative und ihr indirekter Gegenvorschlag waren Gegenstand der ständerätlichen Debatte in der Herbstsession 2021. Im Vorfeld hatte sich die SGK-SR mit 9 zu 3 Stimmen (bei 1 Enthaltung) für den indirekten Gegenvorschlag des Bundesrates und mit 10 zu 1 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) gegen das Volksbegehren ausgesprochen. Gemäss Kommissionssprecher Paul Rechsteiner (sp, SG) sei die Widerspruchsregelung als «konkrete Antwort auf den Organmangel» zu werten. Ausgehend von den Erfahrungen südeuropäischer Staaten könne angenommen werden, dass die Zahl der Spenderinnen und Spender durch einen Systemwechsel zunehme. Allerdings gehe der Kommissionsmehrheit wie bereits dem Bundesrat die von der Initiative geforderte enge Widerspruchslösung zu weit – daher auch die diesbezüglich ablehnende Haltung. Weitere Ansätze, mit denen dem Organmangel begegnet werden könnte, namentlich die Einführung eines Erklärungsmodells und der Vorschlag Nantermod (fdp, VS), den Spendewillen auf der Krankenversicherungskarte einzutragen, hätten in der Kommission ebenfalls keine Unterstützung gefunden, so Rechsteiner weiter. Beim indirekten Gegenvorschlag des Bundesrates, welcher eine erweiterte Widerspruchlösung vorsehe, handle es sich hingegen um eine griffige Lösung, bei der auch die nächsten Angehörigen entlastet würden. Eine Kommissionsminderheit rund um Josef Dittli (fdp, UR) teilte diese Ansicht indes nicht. Dem Urner Standesvertreter zufolge würde auch durch den indirekten Gegenvorschlag «eine Erwartungshaltung generiert, die einer Pflicht zur Organspende gefährlich nahe komm[e]». Einen entsprechenden Nichteintretensantrag lehnte der Ständerat jedoch mit 31 zu 13 Stimmen ab. In der Detailberatung folgte die kleine Kammer abgesehen von redaktionellen und formellen Änderungen der grossen Kammer und nahm den Entwurf des indirekten Gegenvorschlags mit 31 zu 12 Stimmen (bei 1 Enthaltung) an. Die Volksinitiative indes blieb im Ständerat chancenlos. Einstimmig sprachen sich die Kantonsvertreterinnen und -vertreter gegen das Volksbegehren aus.

Organspende-Initiative und indirekter Gegenvorschlag (BRG 20.090)
Dossier: Transplantation von Organen, Geweben und Zellen

Mittels Postulat forderte Claudia Friedl (sp, SG) den Bundesrat dazu auf, eine Strategie für die aktive Teilhabe von Frauen in der Entwicklungszusammenarbeit und Friedensförderung zu erarbeiten. Die wichtige Rolle von Frauen in diesen Themenfeldern sei zentral, um diese nachhaltig zu gestalten, begründete die Motionärin ihr Anliegen. In der Aussenpolitik herrsche eine einseitige Auffassung von Sicherheit und Wiederaufbau vor, so dass die Bedeutung der sozialen Komponente, insbesondere der von Frauen getragenen Care-Ökonomie noch unterschätzt werde. Friedl forderte mehr Investitionen in die soziale und nicht nur die physische Infrastruktur, damit Frauen in den betroffenen Gebieten effektiv an Friedensprozessen und Entwicklungsprojekten teilnehmen könnten. Die Schweiz sei in diesem Bereich bereits aktiv, doch für die Zukunft bedürfe es einer Analyse des Ist-Zustands und darauf aufbauend einer aussenpolitischen Strategie für nachhaltige Sicherheit. Der Bundesrat beantragte die Annahme des Postulats. Das Postulat wurde in der Sommersession 2021 von Roland Rino Büchel (svp, SG) bekämpft, weshalb es zu einem späteren Zeitpunkt im Nationalrat diskutiert werden wird.

Frauen in der Entwicklungszusammenarbeit und Friedensförderung (Po. 21.3122)

Mit der Publikation des Berichts «UNRWA: Rückblick und Ausblick nach 70 Jahren» erachtete der Bundesrat das Postulat Nantermod (fdp, VS) als erfüllt und beantragte im März 2021 dessen Abschreibung. Diesem Antrag kam der Nationalrat während der Sommersession 2021 nach.

UNRWA. Bilan et perspectives après 70 ans

Einigkeit bestand bei der Behandlung der AHV 21-Reform durch den Nationalrat eigentlich nur in der Feststellung, dass dies ein sehr zentrales Projekt sei – «l'un des objets majeurs de la législature», nannte es beispielsweise Kommissionssprecher Nantermod (fdp, VS). Ansonsten unterschieden sich die Positionen der links-grünen und der bürgerlichen Ratsseite ziemlich stark. Bewusst waren sich die Befürwortenden sowie die Gegnerinnen und Gegner des vorliegenden Entwurfs aber auch, dass die Revision dieses Mal auch vor dem Stimmvolk unbedingt bestehen müsse, zumal die letzte erfolgreiche AHV-Revision fast 30 Jahre zurück lag. Darüber, ob und wie das aktuelle Projekt vor den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern mehrheitsfähig wird, schieden sich jedoch die Geister. Umstritten waren nicht nur die Frage der Rentenaltererhöhung der Frauen – die der Ständerat zuvor deutlich angenommen hatte –, sondern auch die Höhe der Ausgleichsmassnahmen für die älteren Frauenjahrgänge sowie die Zusatzfinanzierung für die AHV. Kommissionssprecher Nantermod wehrte sich gegen die Formulierung, wonach die AHV 21-Reform eine Abbauvorlage sei. So würde die Erhöhung des Frauenrentenalters, welche die Ausgaben der AHV um CHF 1.2 Mrd. verringert, durch zusätzliche Leistungen in der Höhe von CHF 812 Mio. gemildert. Somit würden die Leistungskürzungen insgesamt nur etwa CHF 400 Mio. einbringen. Dabei zählte Nantermod jedoch nicht nur die Ausgleichszahlungen für die Übergangsgenerationen zu den zusätzlichen Leistungen, sondern auch die Flexibilisierung des Rentenalters und die Änderung des Selbstbehalts, die Frauen und Männern zugute kommt. Hingegen würde die Finanzierung um CHF 1.58 Mrd. erhöht (CHF 1.36 Mrd. aus der Mehrwertsteuer und CHF 222 Mio. aus den zusätzlichen Beiträgen). Somit bestehe die Reform zu 80 Prozent aus Mehreinnahmen und zu 20 Prozent aus Leistungskürzungen und sei folglich sozial ausgestaltet. Gleichzeitig sei man sich bewusst, dass der Entwurf die Problematik der AHV-Finanzierung nicht vollständig lösen könne, voraussichtlich käme der Deckungsgrad des AHV-Fonds damit im Jahr 2030 bei 88 Prozent zu liegen. Folglich habe man die Motion 21.3462 eingereicht, gemäss welcher der Bundesrat bis Ende 2026 eine neue AHV-Reform für die Jahre 2030 bis 2040 vorlegen soll.

Ihre Kritikpunkte an dieser Vorlage fassten die Frauen der links-grünen Ratsseite in verschiedene Rückweisungsanträge an den Bundesrat oder an die SGK-NR. Eine Minderheit Porchet (gp, VD) erachtete den Leistungsabbau als unnötig und schlug stattdessen vor, die Finanzierungsprobleme der AHV durch Zuweisung der SNB-Gewinne an die AHV zu lösen. Statt an Bund und Kantone, die bereits stark von den Negativzinsen profitierten, solle das Geld der SNB aus den zusätzlichen Ausschüttungen der AHV und somit den Verliererinnen und Verlierern der Negativzinsen zugutekommen. Eine alternative Finanzierungsmöglichkeit für die AHV sah auch eine Minderheit Prelicz-Huber (gp, ZH) vor, die das AHV-Defizit über eine Erhöhung des Bundesbeitrags decken wollte. Das AHV-Gesetz erlaube es, den Bundesbeitrag auf 50 Prozent der jährlichen Ausgaben zu erhöhen, folglich solle dieser stärker als nur auf die vom Bundesrat vorgesehenen 20.2 Prozent angehoben werden. Ebenfalls als alternative Finanzierungsquelle stellte Manuela Weichelt-Picard (al, ZG) ihren Minderheitsantrag dar, mit dem sie die Erfüllung des Gleichstellungsartikels, des Gleichstellungsgesetzes und des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) sowie eine Koppelung der AHV 21-Vorlage an «gleiche[n] Lohn bei gleichwertiger Arbeit» forderte. So führten die noch immer bestehenden Lohnunterschiede von 18.3 Prozent – 7.7 Prozent davon unerklärt – zwischen den Geschlechtern zu tieferen Lohnbeiträgen für die Frauen. Mit fairen Löhnen für die Frauen würden die AHV-Beiträge gemäss Travailsuisse um CHF 825 Mio. pro Jahr steigen. Statt an die Lohngleichheit wollte eine Minderheit um Mattea Meyer (sp, ZH) den Entwurf an die aktuelle Revision des BVG (BVG 21) koppeln. So liege das Hauptproblem in den Rentenunterschieden zwischen Frauen und Männern nicht bei der AHV, sondern bei den Pensionskassen. Die mittlere Pensionskassenrente für Frauen betrage beispielsweise CHF 1160 und diejenige der Männer CHF 2144; fast ein Drittel der Neurentnerinnen habe überdies gar keine Pensionskassenrente. Folglich müsse das BVG 21 zuerst revidiert werden, bevor die AHV 21 angegangen werden könne. Eine zweite Minderheit Prelicz-Huber verlangte schliesslich, dass die AHV so auszugestalten sei, dass sie den Verfassungsauftrag, wonach AHV-Renten den Existenzbedarf angemessen decken müssen, erfüllt. Dies sei heute nicht der Fall, dafür sei die AHV-Rente zu tief – insbesondere für diejenigen 13 Prozent der Männer und über ein Drittel der Frauen, die keine zweite oder dritte Säule hätten. Über 330'000 Menschen lebten deshalb unter dem Existenzminimum und müssten Ergänzungsleistungen beziehen, betonte Prelicz-Huber.

Vor der Detailberatung und nach dem unbestrittenen Eintretensentscheid musste sich der Nationalrat mit den Rückweisungsanträgen auseinandersetzen. «Die Mehrheit der Kommission will die Vorlage zügig vorantreiben», hatte Kommissionssprecher de Courten (svp, BL) zuvor betont und daran hielt sich der Nationalrat: Er lehnte sämtliche Rückweisungsanträge ab, diese fanden über die SP- und die Grüne-Fraktion hinaus einzig bei Lorenzo Quadri (lega, TI) Unterstützung.

Die Detailberatung nahm die grosse Kammer in vier Blöcken vor, wobei sie in den zentralen Punkten Differenzen zum Ständerat schuf.
Gleich zu Beginn beschäftigte sich der Nationalrat mit der Hauptthematik der Revision: Im ersten Block debattierte der Nationalrat über die Erhöhung des Rentenalters der Frauen auf 65 Jahre – das in der Zwischenzeit in «Referenzalter» umbenannt worden war. Dazu gab es noch einmal eine ausführliche und teilweise ziemlich gereizte Debatte mit zahlreichen Nachfragen, bei der verschiedene Frauen erneut die noch immer bestehende Benachteiligung der Frauen in zahlreichen Bereichen, insbesondere beim Lohn und bei der unbezahlten Arbeit, hervorhoben. Bürgerliche Sprechende verwiesen hingegen unter anderem ebenfalls auf den Gleichstellungsartikel in der Verfassung, den es nun durch eine Angleichung des Rentenalters zu erfüllen gelte. Mit 124 zu 69 Stimmen sprach sich nach dem Ständerat auch der Nationalrat für eine Erhöhung des Rentenalters der Frauen aus. Abgelehnt wurde diese von der SP- und der Grünen-Fraktion sowie von Lorenzo Quadri und zwei Mitgliedern der Mitte-Fraktion (Christine Bulliard (mitte, FR) und Jean-Paul Gschwind (mitte, JU)). Nicht nur bei den Männern waren die Fronten somit deutlich nach politischen Lagern gespalten: Einzig Christine Bulliard sprach sich als bürgerliche Frau gegen die Rentenaltererhöhung für Frauen aus. Insgesamt lehnten die Frauen im Nationalrat die Erhöhung jedoch mit 38 zu 29 Stimmen ab, zumal dem links-grünen Lager deutlich mehr Frauen angehören als dem bürgerlichen Lager.
Gleich im Anschluss behandelte der Nationalrat die zweite grosse Frage der Revision: die Kompensationsmassnahmen für Frauen, die in Kürze pensioniert würden und nun ein Jahr länger arbeiten müssten als geplant. Wie bereits im Ständerat standen diesbezüglich zahlreiche verschiedene Modelle zur Debatte. Die Kommissionsmehrheit hatte sich gegen das vom Ständerat geschaffene Trapezmodell ausgesprochen und nahm stattdessen das Modell, das Damian Müller (fdp, LU) im Ständerat vertreten hatte, in modifizierter Form auf: So sollte der Zuschlag für die Frauen nach deren bisherigem Einkommen abgestuft werden, wobei die SGK-NR im Gegensatz zu Müller drei Stufen vorsah: Je nach Höhe des bisherigen Einkommens sollten die Frauen zwischen CHF 50 und CHF 150 pro Monat zusätzlich erhalten. Davon sollten sechs Jahrgänge profitieren, maximal sollte dies CHF 551 Mio. kosten. Eine Minderheit II Prelicz-Huber befürwortete hingegen die Änderung der Rentenformel, wie sie der Bundesrat vorgeschlagen hatte (Modell Bundesrat), wollte diese aber grosszügiger ausgestalten (bei Kosten von CHF 1.08 Mrd.) und 14 Jahrgänge daran teilhaben lassen. Die restlichen drei Minderheiten befürworteten das Trapezmodell, das die Rentenzuschläge nach Jahrgängen zuerst zunehmend, später absteigend abstufen wollte. Damit sollte der Tatsache Rechnung getragen werden, dass das Rentenalter schrittweise erhöht wird und somit die ersten Jahrgänge keinen vollständigen Rentenzuschlag zugute haben. Eine Minderheit II de Courten wollte dabei dem Ständerat folgen (Kosten: CHF 409 Mrd.), die Minderheiten IV Meyer und V Prelicz-Huber forderten hingegen verglichen mit dem Ständerat deutlich höhere Grundzuschläge (SR: CHF 150, Meyer: CHF 430, Prelicz-Huber: 515), zudem sollten bei der Minderheit Prelicz-Huber deutlich mehr Jahrgänge unterstützt werden (SR und Meyer: 9 Jahrgänge, Prelicz-Huber: 14 Jahrgänge), bei Kosten von CHF 1.35 Mrd. respektive CHF 1.72 Mrd. Ein Einzelantrag Bäumle wollte schliesslich dem Modell der Kommission folgen, aber die Übergangsmassnahmen acht Jahrgängen zugutekommen lassen (SGK-NR: 6 Jahrgänge), was Kosten von CHF 900 Mio. mit sich bringen sollte.
Wie das Modell des Bundesrates vorgesehen hatte, waren bei den Ausgleichsmassnahmen jedoch nicht nur Rentenzuschläge angedacht, sondern alternativ auch ein privilegierter Rentenvorbezug: Die Frauen der Übergangsgeneration sollten gemäss der Mehrheit der SGK-NR – ebenfalls abgestuft nach Einkommen – ihre Rente mit einem Kürzungssatz von 0 bis 2 Prozent (tiefere Einkommen), 1 bis 4 Prozent (mittlere Einkommen) und 2 bis 6 Prozent (höhere Einkommen) vorbeziehen können. Die Minderheit II Prelicz-Huber wollte hier auf den höchsten Kürzungssatz verzichten. Das Trapezmodell und somit auch die Modelle des Ständerats sowie der übrigen Minderheiten sahen keine Möglichkeit für einen privilegierten Vorbezug vor.
Gesundheitsminister Berset sprach sich mit deutlichen Worten gegen den Antrag der Kommissionsmehrheit aus. So sei die Anzahl Jahrgänge, die von den Ausgleichsmassnahmen profitieren sollen, deutlich zu gering, insbesondere wenn die ersten Übergangsjahrgänge nur reduzierte Zuschläge erhalten sollten. Die Kompensationen seien demnach deutlich weniger grosszügig als bei der erfolgreichen 10. AHV-Reform, weshalb sich der Nationalrat für das grosszügigere Modell des Bundesrates entscheiden solle. Kommissionssprecher de Courten verwies hingegen darauf, dass die Kommissionsmehrheit zwar eine geringere Anzahl Jahrgänge berücksichtige als der Bundesrat und der Ständerat, diese aber grosszügiger behandeln wolle.
Deutlich setzte sich der Vorschlag der Kommissionsmehrheit in der Ausmehrung gegen sämtliche anderen Modelle durch. Knapp wurde es einzig gegen die Minderheit II de Courten, die dem Ständerat folgen wollte (79 zu 74 Stimmen bei 40 Enthaltungen). Dabei stimmte fast die gesamte Grünen-Fraktion mit der SVP-Fraktion für die Minderheit de Courten, während sich die SP-Fraktion ihrer Stimme enthielt.

Im zweiten Block behandelte der Nationalrat die Flexibilisierung des Rentenbezugs, dessen erste Frage des privilegierten Vorbezugs der Übergangsgeneration ja bereits bei der Wahl des Kompensationsmodells geklärt worden war. Umstritten war hier – wie bereits im Ständerat – die Frage, ob der Vorbezug ab 62 oder 63 Jahren möglich sein soll. Die Kommissionsmehrheit wollte der Version des Ständerates folgen (63 Jahre). Yvonne Feri (sp, AG) argumentierte hingegen, dass Frauen neben dem Rentenalter nicht auch noch beim Zeitpunkt des Vorbezugs eine Verschlechterung erfahren sollten, und beantragte folglich Zustimmung zur bundesrätlichen Version für einen Vorbezug ab 62 Jahren. Deutlich setzte sich die Kommissionsmehrheit aber auch hier durch.
Auch bei der Frage des Freibetrags für Personen, die nach Erreichen des AHV-Alters weiterhin erwerbstätig sind, war die Kommissionsmehrheit erfolgreich. Der Ständerat hatte sich hier statt eines Betrags in der Höhe des anderthalbfachen Mindestbetrags der AHV-Rente (aktuell CHF 16’800) für einen fixen Betrag von CHF 24'000 entschieden, der jedoch an die Teuerung angepasst werden soll. Damit sollten die Bürgerinnen und Bürger motiviert werden, über das Referenzalter hinaus erwerbstätig zu bleiben. Die Kommissionsmehrheit wollte stattdessen dem Bundesrat folgen, den Freibetrag jedoch für freiwillig erklären. Erfolglos blieben diesbezüglich eine Minderheit I de Courten, die dem Ständerat folgen, aber den Zusatz der Kommission zur Freiwilligkeit des Freibetrags aufnehmen wollte, sowie eine Minderheit II Gysi (sp, SG) für die bundesrätliche Position.

In einem dritten Block fasste der Nationalrat die übrigen Themenbereiche zusammen. So hatte zum Beispiel eine Minderheit Feri im Lichte des Urteils des EGMR gegen die Schweiz vorgeschlagen, die Witwerrente der Witwenrente anzupassen und somit grosszügiger auszugestalten als bisher. Denn während Witwer nach geltendem Recht nur solange Witwerrente erhalten, wie sie minderjährige Kinder zu betreuen haben, haben Witwen bis zu ihrer Pensionierung Anrecht auf Witwenrente. Es sei höchste Zeit, die biologisch und funktional ungerechtfertigten rechtlichen Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu beheben, argumentierte Feri. Die beiden Kommissionssprecher verwiesen jedoch auf die Kosten dieser Regelung von CHF 105 Mio. pro Jahr und wollten stattdessen einen entsprechenden Vorschlag des Bundesrates abwarten. Verschiedene Sprechende hofften darauf, die Problematik nicht durch eine grosszügigere Witwerrente, sondern durch eine Einschränkung der Witwenrente zu lösen. Der Nationalrat teilte diese Einschätzung und lehnte den Antrag der Minderheit Feri ab.

Im vierten Block debattierte der Nationalrat über die dritte grosse Frage, die Zusatzfinanzierung für die AHV. Dabei lagen auch bezüglich der Mehrwertsteuererhöhung unterschiedliche Konzepte vor. Die Kommissionsmehrheit schlug mit einer Erhöhung von 0.4 Prozentpunkten des Normalsatzes (sowie Erhöhungen um je 0.1 Prozentpunkte des Sondersatzes für Beherbergungsleistungen und des reduzierten Satzes) eine etwas grössere Erhöhung vor als der Ständerat (0.3 und je 0.1 Prozentpunkte), blieb jedoch deutlich unter dem Vorschlag des Bundesrates (0.7 respektive 0.2 und 0.3 Prozentpunkte). Eine Minderheit II de Courten bevorzugte die ständerätliche Version, während eine weitere Minderheit IV de Courten die Mehrwertsteuer nur zeitlich begrenzt bis Ende 2030 in demselben Ausmass erhöhen wollte wie die Kommissionsmehrheit. Eine Minderheit I Maillard (sp, VD) sprach sich zwar für die von der Kommissionsmehrheit vorgeschlagene Mehrwertsteuererhöhung aus, wollte jedoch auf die von der Kommission sowie von mehreren Minderheiten ebenfalls vorgesehene Verknüpfung der Mehrwertsteuererhöhung mit der Erhöhung des Rentenalters verzichten. Eine Minderheit III Gysi beantragte schliesslich, dem Bundesrat zu folgen. Gesundheitsminister Berset verwies darauf, dass die Situation für zukünftige Revisionen noch viel schwieriger werde, wenn man bereits jetzt mit einer 88-prozentigen Deckung des Fonds für das Jahr 2030 rechne – so hoch sollte der Deckungsgrad mit dem Modell der Kommissionsmehrheit sein. Folglich empfahl er dem Nationalrat die stärkere vom Bundesrat vorgesehene Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0.7 Prozentpunkte. Davon liess sich dieser jedoch nicht überzeugen, auch in dieser Frage setzte sich die Kommissionsmehrheit gegen sämtliche Minderheitsanträge durch.
Ein weiterer Diskussionspunkt betraf die Frage, ob der Bundesbeschluss zur Mehrwertsteuererhöhung an die AHV 21-Reform geknüpft werden soll oder nicht. Der Ständerat hatte eine solche Verknüpfung geschaffen, die Mehrheit der SGK-NR wollte ihr zustimmen, während sie eine Minderheit Maillard ablehnte. Bundesrat Berset verwies diesbezüglich auf die Altersvorsorge 2020, bei der die Verknüpfung der beiden Vorlagen für die Ablehnenden ein wichtiges Argument dargestellt habe. Dabei forderte er den Nationalrat auf, denselben Fehler nicht erneut zu begehen. Davon liess sich dieser jedoch nicht überzeugen und nahm den Mehrheitsantrag mit 124 zu 67 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) an.
In der Folge schlug Felix Wettstein (gp, SO) ein alternatives Finanzierungskonzept in Anlehnung etwa an die Mikrosteuer-Initiative vor, gemäss dem auf jeder Finanztransaktion an der Schweizer Börse eine Steuer von 1 Promille erhoben werden sollte. Damit könne neben den Einkommen eine weitere Finanzierungsquelle für die AHV erschlossen werden, begründete Wettstein seinen Antrag. Dieser wurde jedoch mit 120 zu 70 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) abgelehnt. Zustimmung fand der Vorschlag bei der SP- und der Grünen-Fraktion sowie bei einer Minderheit der Mitte-Fraktion.
Stattdessen schuf die Mehrheit der SVP-Fraktion unterstützt von der SP- und der Grünen Fraktion eine andere, zusätzliche Einnahmequelle für die AHV. So schlug die SVP-Fraktion in einem Einzelantrag vor, sämtliche Bruttoerträge der Schweizerischen Nationalbank aus den Negativzinsen auf den von ihr geführten Girokonten dem AHV-Ausgleichsfonds zukommen zu lassen. Zudem sollten die Bruttoerträge aus den Negativzinsen auf den von ihr geführten Girokonten, die zwischen 2015 und dem Inkrafttreten der AHV 21-Revision anfallen würden, in einer einmaligen Zahlung der AHV zugeschrieben werden. Eine Minderheit Maillard hatte zuvor einen ähnlichen Antrag gestellt, diesen aber zugusten des SVP-Antrags zurückgezogen. Pierre-Yves Maillard verwies auf die riesigen Gewinne, welche die SNB mit den Negativzinsen mache: In den ersten 60 Tagen dieses Jahres habe diese bereits die Gewinne angehäuft, welche gemäss dem Antrag der SVP der AHV zukommen würden. Alfred Heer (svp, ZH), der bereits 2018 eine entsprechende Motion (Mo. 18.4327) eingereicht hatte, verwies für die SVP-Fraktion darauf, dass die Negativzinsen zwar zur Schwächung des Frankens und als Subvention für die Exportindustrie gedacht seien, in erster Linie aber vor allem eine «Strafe für die Sparerinnen und Sparer in der Schweiz» darstellten. Folglich müssten deren Gewinne wieder an die Bevölkerung zurück verteilt werden. Kommissionssprecher Nantermod empfand es hingegen als unklug «de lier le destin de l'AVS à […] celui des intérêts négatifs». Die AHV-Finanzierung solle nicht von der SNB abhängig werden, da damit auch die Unabhängigkeit der SNB gefährdet sei. Schliesslich gehöre die SNB den Kantonen, weshalb der Bund nicht über die Verwendung ihrer Gewinne bestimmen könne. Mit 108 zu 80 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) nahm der Nationalrat den SVP-Antrag jedoch an und verschob diese Zusatzfinanzierung in der Folge in eine neue Vorlage 3.
Erfolglos blieb hingegen ein Minderheitsantrag Prelicz-Huber für eine Erhöhung des Bundesbeitrags an die AHV von bisher 19.55 Prozent auf 25 Prozent. Stattdessen nahm die grosse Kammer die Erhöhung auf 20.2 Prozent, wie sie der Bundesrat vorgeschlagen hatte, an.

In der Gesamtabstimmung stimmte die grosse Kammer dem Revisionsentwurf für das Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung mit 126 zu 67 Stimmen zu, abgelehnt wurde er von den geschlossen stimmenden SP- und Grünen-Fraktionen sowie von Lorenzo Quadri. Der Bundesbeschluss über die Zusatzfinanzierung der AHV durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer wurde nur von Stefania Prezioso (egsols, GE) abgelehnt, die SP-Fraktion enthielt sich jedoch ihrer Stimme. Dem vom Nationalrat auf Initiative der SVP-Fraktion neu geschaffenen Bundesbeschluss über die Zuweisung des Gewinns aus den Negativzinsen der SNB an den AHV-Ausgleichsfonds stimmte der Nationalrat mit 132 zu 60 Stimmen (bei 1 Enthaltung) zu. Zu den SP-, Grünen- und SVP-Fraktionen, die dieses Projekt bereits zuvor unterstützt hatten, gesellte sich auch eine Mehrheit der Mitte-Fraktion. Nachdem diese Abstimmung wegen unklarer Abstimmungsfrage wiederholt worden war, betrug die Unterstützung durch die Mitte-Fraktion jedoch nur noch drei Stimmen. Dennoch reichte es mit 114 zu 75 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) zur Annahme des neu geschaffenen Bundesbeschlusses.

Reform «Stabilisierung der AHV (AHV 21)» (BRG 19.050)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter
Dossier: Erhöhung des Rentenalters

Nach langen vorgängigen Diskussionen zwischen den Kommissionen beschäftigte sich in der Sommersession 2021 der Nationalrat mit der parlamentarischen Initiative Nantermod (fdp, VS) zur Schaffung eines Kautionskontos zur Finanzierung der Gesundheitskostenbeteiligung. Der Initiant verwies darauf, dass Personen mit geringeren Einkommen häufiger Probleme hätten, bei einem Krankheitsfall die höheren Franchisen zu bezahlen, und sich deshalb für niedrigere Franchisen entscheiden würden, auch wenn dies für sie höhere Kosten zur Folge habe. Ein solches Kautionskonto würde es damit auch ihnen ermöglichen, sich für eine höhere Franchise zu entscheiden, und stelle somit eine solidarische Leistung für Personen mit geringeren Einkommen dar. Denkbar seien dabei auch steuerliche Anreize zur Bewerbung dieses Instruments. Als Kommissionssprecherin wies Barbara Gysi (sp, SG) auf die Probleme einer solchen Lösung hin und betonte dabei insbesondere den administrativen Mehraufwand und die ungleiche Nutzung eines solchen Kontos. Wie bei der heutigen Säule 3b würden wohl vor allem wohlhabende Personen von einer solchen Steuerbefreiung profitieren, betonte Gysi weiter. Mit 112 zu 75 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) sprach sich der Nationalrat gegen die Initiative aus. Befürwortende Stimmen fand sie in der SVP-Fraktion, bei einer Mehrheit der FDP.Liberalen-Fraktion sowie bei einem Mitglied der GLP-Fraktion.

Kostenbeteiligung. Möglichkeit eines Gesundheitssparkontos schaffen (Pa. Iv. 18.429)
Dossier: Krankenversicherung: Vorstösse zu Wahlfranchisen

In der Sommersession 2021 setzten sich Ständerat und Nationalrat mit dem ordentlichen Nachtrag I zum Voranschlag 2021 sowie mit den Nachmeldungen auseinander. Kurz zuvor, Mitte Mai 2021, hatte der Bundesrat eine weitere Nachmeldung eingereicht, mit der er CHF 600 Mio. zur Erhöhung des Verpflichtungskredits zur Beschaffung von Sanitätsmaterial verlangte. Damit wollte er sich «Handlungsspielraum zum Kauf von Impfstoff[en]» schaffen, wie Kommissionssprecher Hegglin (mitte, ZG) im Rahmen der Ständeratsdebatte erklärte. Hegglin störte sich jedoch an dem Vorgehen des Bundesrates, der Kommission auch weiterhin «immer noch fast über Nacht Anträge» zu unterbreiten. Im Krisenjahr 2020 sei dies verständlich gewesen, jetzt solle man aber «wieder zum ordentlichen Verfahren zurückkehren». Mit den beantragten Nachtragskrediten würden sich die für das Jahr 2021 bewilligten Mittel zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie auf CHF 24.6 Mrd. belaufen – also um CHF 3.2 Mrd. zunehmen. Dennoch sprach sich die FK-SR einstimmig für die entsprechenden Bundesbeschlüsse aus, verlangte aber vom Bundesrat einen haushälterischen Umgang mit den Finanzmitteln. Stillschweigend hiess der Ständerat sämtliche Ausgaben gut und nahm den Entwurf einstimmig (mit 43 zu 0 Stimmen) an.

Deutlich grössere Diskussionen folgten hingegen im Nationalrat, in dem auch mehrere Minderheitsanträge vorlagen. Eine Aufstockung der Kredite forderte lediglich eine Minderheit Friedl (sp, SG), die den Schweizer Beitrag an die globale Initiative «Access to Covid-19 Tools Accelerator» um CHF 600 Mio. auf CHF 826 Mio. erhöhen wollte. Claudia Friedl verwies auf die Bedrohung durch Virusmutationen, wie sie vor allem an menschenreichen Orten mit ungenügenden sanitären Anlagen und fehlenden Abständen entstünden. Darum setze ein erfolgreicher Kampf gegen Covid-19 die Unterstützung der ärmeren Staaten voraus, getreu dem Motto der WHO: «Niemand ist sicher, bis alle sicher sind.» Lars Guggisberg (svp, BE) sprach sich gegen eine Erhöhung des Kredits aus und beantragte zugleich, den vom Bundesrat verlangten Kredit im Budget des EDA zu kompensieren. So nähmen die Ausgaben bei der internationalen Zusammenarbeit jährlich deutlich zu, insbesondere auch Corona-bedingt, etwa bei der humanitären Hilfe. Der Nationalrat lehnte beide Minderheitsanträge ab.
Besonders umstritten war im Nationalrat die Frage der Covid-19-Tests. Einerseits lehnte eine weitere Minderheit Guggisberg die Anschubfinanzierung an die Kantone für eine repetitive Testung ab und wollte den entsprechenden Kredit über CHF 64 Mio. streichen. Guggisberg wehrte sich jedoch nicht gegen die repetitive Testung an sich, sondern dagegen, dass der Bund, der bisher bereits 90 Prozent der Covid-19-Sonderausgaben trage, die Kantone auch in diesem Bereich noch zusätzlich unterstütze. So hätten zahlreiche Kantone – anders als der Bund – im Jahr 2020 Ertragsüberschüsse verzeichnet und sollten nun die entsprechenden Kosten selbst tragen. Andererseits beantragte eine Minderheit Nicolet (svp, VD), den Kredit für die Bundesfinanzierung der Covid-19-Tests von CHF 2.4 Mrd. um CHF 112 Mio. zu reduzieren und dabei auf die Finanzierung der Selbsttests zu verzichten, da diese zu wenig zuverlässig seien. Auch diese beiden Minderheitsanträge fanden keine Mehrheit im Rat.
Zudem wollte eine Minderheit Sollberger (svp, BL) auf die Erhöhung des Verpflichtungskredits zur Beschaffung von Sanitätsmaterial und Impfstoffen über CHF 600 Mio., wie sie der Bundesrat in der dritten Nachmeldung beantragt hatte, verzichten. Es seien bereits 20 Mio. Impfdosen bestellt, das genüge für die Grundimmunisierung der Schweizer Bevölkerung. Folglich brauche es keinen Kredit für zusätzliche 15 Mio. Impfdosen, insbesondere da dieser Kredit in kürzester Zeit ohne seriöse Abklärungen gesprochen worden sei. Man müsse später diskutieren, wer für die Kosten der Auffrischimpfungen aufkommen solle. Auch in dieser Frage folgte der Nationalrat jedoch seiner Kommissionsmehrheit und damit dem Bundesrat.
Schliesslich legte Martina Munz (sp, SH) noch einen Minderheitsantrag ohne Corona-Bezug vor: Sie beantragte, den Finanzierungsbeitrag von CHF 5 Mio. für die Renovierung der Kaserne der Schweizer Garde an Auflagen zur Nachhaltigkeit und zur Nutzung von erneuerbaren Energien zu knüpfen. So könne als Rechtsgrundlage für diese Finanzierung nur mit viel Goodwill eine Verbindung zur Bundesverfassung gezogen werden, wie zahlreiche Sprechende kritisierten. Wenn der Kredit aber schon gesprochen werde, um die positive Wahrnehmung der Schweiz zu fördern, solle dabei vor allem die Nachhaltigkeit des Projekts unterstrichen werden. Auch diesen Minderheitsantrag lehnte die grosse Kammer jedoch ab und beliess dies Vorlage damit unverändert. Nach dem Ständerat hiess schliesslich auch der Nationalrat den Bundesbeschluss über den Nachtrag I zum Voranschlag 2021 mit 146 zu 44 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) gegen den Willen der Mehrheit der SVP-Fraktion gut.

Nachtrag I zum Voranschlag 2021 (BRG 21.007)
Dossier: Bundeshaushalt 2021: Voranschlag und Staatsrechnung

Die Ratifizierung der ILO-Übereinkommen Nr. 170 und 174 zur Sicherheit bei der Verwendung chemischer Stoffe und zur Verhütung von industriellen Störfällen wurde in der Sommersession 2021 vom Nationalrat diskutiert. Nachdem die APK-NR der Ratifikation im Vorfeld der Session einstimmig zugestimmt hatte, schien eigentlich wenig Diskussionsbedarf zu bestehen. Die SVP-Fraktion stellte jedoch einen Antrag auf Nichteintreten. Yves Nidegger (svp, GE) erklärte, dass eine Ratifikation nicht notwendig sei, weil die Schweiz und auch ihre Nachbarländer bereits über die erforderlichen Rechtsnormen verfügten. Die Befürwortenden führten hingegen mehrfach den Chemieunfall im Hafen von Beirut, aber auch jenen von Schweizerhalle als Argument für die Ratifikation an. Für Claudia Friedl (sp, SG) und Christa Markwalder (fdp, BE) zeigten diese Vorfälle auf, wie wichtig Massnahmen zur Verhütung industrieller Störfälle seien. Die Kommission erachte es als wichtig, dass die Schweiz sich dem internationalen Arbeitsschutz verpflichte und ein multilaterales Vorgehen unterstütze, hielt deren Sprecher Fabian Molina (sp, ZH) fest. Bundesrat Parmelin erklärte, dass die Schweiz mit der Ratifikation anerkennen würde, dass die Verwendung von Chemikalien die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Bevölkerung und die Umwelt Risiken aussetzen könne und daher spezifische Schutzmassnahmen erfordere. Er verwies auch auf das Ziel des SECO und der kantonalen Arbeitsinspektorate, das Schutzniveau in Unternehmen in Bezug auf die Verwendung von Chemikalien in den Jahren 2022 und 2023 zu steigern.
Der Nationalrat beschloss mit grosser Mehrheit, auf das Geschäft einzutreten, und zeigte sich auch in der Gesamtabstimmung – mit Ausnahme der SVP-Fraktion – geeint: Mit 137 zu 52 und 136 zu 52 Stimmen stimmte die grosse Kammer dem Entwurf des Bundesrates zu den beiden Übereinkommen zu.

Übereinkommen Nr. 170 und 174 mit der ILO

Während der Sondersession Anfang Mai 2021 stand die Organspende-Initiative sowie der vom Bundesrat lancierte indirekte Gegenvorschlag auf der Traktandenliste des Nationalrates, der dieses Geschäft als Erstrat behandelte. Im Rat herrschte grossmehrheitlich Einigkeit darüber, dass Handlungsbedarf angezeigt sei – umfasste doch gemäss Kommissionssprecher Philippe Nantermod (fdp, VS) die Warteliste für eine Organspende alleine 2019 1'415 Personen. Bei der Frage, wie der Problematik begegnet werden kann, herrschte indes über die Parteigrenzen hinweg Uneinigkeit.
Die grosse Kammer diskutierte in einem ersten Schritt den indirekten Gegenvorschlag, nachdem sie einen Nicht-Eintretensantrag von Siebenthal (svp, BE) abgelehnt hatte. Der Berner SVP-Politiker hatte seinen Antrag damit begründet, dass dem Volk bei einer solch zentralen Angelegenheit eine aktive Mitsprache zugestanden werden müsse, dies jedoch im Falle eines Rückzugs der Volksinitiative nicht gegeben sei.
In der Detailberatung folgte der Nationalrat weitgehend dem bundesrätlichen Entwurf sowie den von der Mehrheit seiner SGK vorgenommenen Präzisierungen. Eine dieser Präzisierungen bestand darin, dass die im indirekten Gegenvorschlag vorgesehene erweiterte Widerspruchslösung mit der Möglichkeit versehen werden soll, sich explizit für eine Organspende auszusprechen. Weiter bestätigte der Nationalrat die Meinung der Kommission, dass der Wille der hingeschiedenen Person gegenüber dem Willen ihrer Angehörigen vorrangig behandelt werden muss und dass der Entscheid über eine allfällige Organspende an eine Vertrauensperson übertragen werden kann, welche die Rolle der nächsten Angehörigen einnimmt.
Wie bereits bei der Behandlung durch die Kommission fand auch in der Ratsdebatte das sogenannte Erklärungsmodell, das von einer Minderheit Amaudruz (svp, GE) gefordert wurde, keine Mehrheit. Gemäss diesem sollten sich die einzelnen Personen regelmässig zu ihrer Absicht bezüglich Organspende äussern. Ebenfalls erfolglos blieben weitere Minderheitsanträge, darunter zwei Anträge einer Minderheit Nantermod. Diese verfolgten das Ziel, dass Bürgerinnen und Bürger bei Behördengängen – wie zum Beispiel bei der Erneuerung der Identitätskarte – auf die Regelung zur Organspende hinzuweisen seien und dass ihr Wille auf der Versicherungskarte vermerkt werden soll.
In der Gesamtabstimmung stimmte der Nationalrat dem indirekten Gegenvorschlag schliesslich deutlich mit 150 zu 34 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) zu, wobei sämtliche Nein-Stimmen aus dem Lager der SVP-Fraktion stammten. Äusserst knapp fiel indes das Resultat der im Anschluss daran erfolgten Abstimmung betreffend die Empfehlung zur Volksinitiative aus: Mit 88 zu 87 Stimmen (bei 14 Enthaltungen) sprach sich die grosse Kammer auch für das Volksbegehren aus. Eine grosse Mehrheit der SVP- und der Mitte-Fraktion empfahlen die Initiative zur Ablehnung, gespalten zeigte sich die FDP-Fraktion. Weitere Nein-Stimmen kamen von Mitgliedern der SP-Fraktion. Die Grünliberalen und die Grünen waren die einzigen, die dem Volksbegehren geschlossen zustimmten, wenn auch mit einigen Enthaltungen.

Organspende-Initiative und indirekter Gegenvorschlag (BRG 20.090)
Dossier: Transplantation von Organen, Geweben und Zellen

Entgegen der Meinung des Bundesrates nahm der Nationalrat in der Sondersession vom Mai 2021 eine von Philippe Nantermod (fdp, VS) übernommene Motion Derder (fdp, VD) an, die das für Drittstaatenangehörige geltende Kontingentierungsmodell durch einen Mechanismus ersetzen wollte, der sich mehr an den wirtschaftlichen Bedürfnissen ausrichtet. Er tat dies mit 104 zu 74 Stimmen (2 Enthaltungen) und mit Unterstützung der SP-, Grünen-, FDP.Liberalen- und GLP-Fraktion sowie einer Minderheit der Mitte-Fraktion. Vergeblich argumentierte Bundesrätin Keller-Sutter im Rat, dass der Bericht zum Postulat Nantermod abgewartet werden solle, bevor eine Gesetzesänderung in Angriff genommen werde. Ebenfalls wies sie darauf hin, dass die Kontingente in den letzten Jahren gar nicht ausgeschöpft worden seien. Das nicht genügend Fachkräfte hätten rekrutiert werden können, sei also nicht rein systembedingt, es liege auch daran, dass die Schweiz im internationalen Wettbewerb um die Anwerbung von Fachkräften stehe.

Aufenthaltsbewilligungen für Drittstaatenangehörige (Mo. 19.3882)

Mittels Motion wollte Philippe Nantermod (fdp, VS) erwirken, dass das Verwehren des Besuchsrechts eines nichtsorgeberechtigten Elternteils unter Strafe gestellt wird. Wenn der sorgeberechtigte Elternteil nach der Scheidung dem nichtsorgeberechtigten Elternteil verweigert, sein Kind zu besuchen, komme dies einer Verletzung der Kinderrechte und einer Misshandlung sowohl des Kindes als auch des nichtsorgeberechtigten Elternteils gleich, so der Motionär.
Der Bundesrat stellte sich in seiner ausführlichen Begründung ablehnend zum Begehren, wobei er auf Diskussionen im Rahmen der Revision der elterlichen Sorge zu Beginn der 2010er Jahre verwies. Im Vorentwurf dieses Revisionsprojektes sei eine entsprechende Änderung des Strafgesetzbuches zwar vorgesehen gewesen, aufgrund der Vernehmlassungsantworten sei jedoch darauf verzichtet worden. Man habe befürchtet, dass Besuchsrechtskonflikte durch eine Strafandrohung noch verschärft würden und durch eine solche auch das Kind indirekt leide, weswegen der Bundesrat «die Schaffung neuer Straftatbestände nach wie vor nicht als adäquates Mittel» sehe.
Anders beurteilte dies der Nationalrat. In der Sondersession im Mai 2021 nahm er die Motion mit 100 zu 78 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) an. Für Annahme sprachen sich die Fraktionen der SVP sowie der FDP.Liberalen und der GLP – letztere zwei jeweils mit einer abweichenden Stimme – sowie eine Minderheit der Mitte-Fraktion aus.

StGB. Vergehen gegen die Familie. Verweigerung des Rechts auf persönlichen Verkehr mit Strafe bedrohen (Mo. 19.3597)

Nach der Meinungsverschiedenheit der beiden Gesundheitskommissionen zur parlamentarischen Initiative Nantermod (fdp, NR) für eine Schaffung eines Kautionskontos zur Finanzierung der Gesundheitskostenbeteiligung nahm die SGK-NR im März 2021 eine erneute Vorprüfung vor. Eine Kommissionsmehrheit (14 zu 10 Stimmen bei 1 Enthaltung) bestritt den Handlungsbedarf und lehnte die Initiative im Gegensatz zu ersten Beratung und mit Verweis auf den grossen administrativen Aufwand und auf die Schwächung des Solidaritätsprinzips im KVG ab – so hätten nur Gutverdienende die Möglichkeit zu entsprechenden Beiträgen, wurde argumentiert. Die Kommissionsminderheit verglich das Vorhaben mit der Erstellung eines Mietzinsdepots, das den Versicherten den Zugang zu einer höheren Franchise ermöglichen soll.

Kostenbeteiligung. Möglichkeit eines Gesundheitssparkontos schaffen (Pa. Iv. 18.429)
Dossier: Krankenversicherung: Vorstösse zu Wahlfranchisen

La chambre des cantons a adopté tacitement la motion Nantermod (plr, VS) qui souhaite que les informations publiées sur Zefix aient une portée juridique. A la suite de l'adoption tacite par le Conseil national, la Commission des affaires juridiques du Conseil des Etats (CAJ-CE) proposait également à sa chambre d'adopter la motion. Elle a reconnu l'utilité de la plateforme, ainsi que la pertinence d'un effet juridique des informations publiées, et rappelé l'importance d'un accès différencié aux informations du registre du commerce.

Registre du commerce. Publier sur Zefix des informations fiables qui déploient des effets juridiques (Mo. 20.3066)

Die Einigungskonferenz zum indirekten Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative empfahl dem Parlament mit 23 zu 0 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) bei der noch offenen Differenz zur selbständigen Erbringung und Abrechnung von Pflegeleistungen dem vom Ständerat ausgearbeiteten Kompromiss zu folgen. Dies taten die beiden Kammern in der Frühjahrssession 2021 denn auch mit 175 zu 2 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) respektive ohne Gegenstimme mit 42 Stimmen (ohne Enthaltungen). In der Schlussabstimmung stimmte die grosse Kammer dem Geschäft mit 194 zu 1 Stimme zu, die kleine Kammer mit 43 zu 0 Stimmen (bei 1 Enthaltung). Der einzige Parlamentarier, der sich gegen den Gegenvorschlag aussprach, war Nationalrat Philippe Nantermod (fdp, VS).

Für eine starke Pflege (Pflegeinitiative). Volksinitiative und indirekter Gegenvorschlag (BRG 18.079 & Pa.Iv. 19.401)
Dossier: Die Pflegeinitiative und ihre Umsetzung

Philippe Nantermod (fdp, VS) beabsichtigte mittels einer Motion, den Parallelimport von Medikamenten aus dem EWR-Raum zu ermöglichen und dadurch deren Kosten zu senken. Der Nationalrat diskutierte den Vorstoss in der Frühjahrssession 2021. Die zehnjährige Erfahrung mit dem Parallelimport habe gezeigt, dass dieser in anderen Bereichen gut funktioniere und dass sich Befürchtungen um den Wirtschaftsstandort Schweiz und die Sicherheit der Schweizerinnen und Schweizer als unbegründet erwiesen hätten, erklärte der Motionär in der Ratsdebatte. Würde der Parallelimport auch für Medikamente zugelassen, könnten die entsprechenden Produkte durch den vermehrten Wettbewerb zu Preisen wie in Frankreich, Deutschland oder Italien erworben werden. Die Sicherheit der Patientinnen und Patienten sei nicht gefährdet – würden doch die betroffenen Medikamente von der europäischen Zulassungsstelle genehmigt. Gesundheitsminister Berset befürwortete zwar das Anliegen, die Arzneimittelpreise zu senken. Er hob aber auch hervor, dass im Bereich patentgeschützte Medikamente bereits einiges getan worden sei und es nun gelte, die Preise von Generika in Angriff zu nehmen. Diesbezüglich habe der Bundesrat bereits ein Vorgehen vorgeschlagen, wobei der Ball nun bei der Kommission liege. Bevor weitere Verbesserungen vorgenommen werden könnten, müsse dieses Ziel betreffend Korrektur von Generikapreisen erreicht werden. Daher beantragte der Bundesrat die Ablehnung der Motion. Ungeachtet dieser Worte nahm der Nationalrat die Motion mit 137 zu 33 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) an. Die Mitglieder der SP- und der GLP-Fraktion stimmten als einzige geschlossen gegen den Vorstoss.

Medikamente. Parallelimporte ermöglichen und damit Kosten senken (Mo. 19.3202)

In der Frühjahrssession 2021 nahm der Nationalrat Kenntnis vom Aussenpolitischen Bericht 2020. Der Bericht gab einen Überblick über die Aussenpolitik der Schweiz im Berichtsjahr, wobei er sich strukturell an der Aussenpolitischen Strategie 2020-2023 und deren vier Schwerpunkten ausrichtete. Einen besonderen Fokus legte er aus Aktualitätsgründen auf die Corona-Pandemie. Diese führte im Jahr 2020 zur grössten Rückholaktion der Schweizer Geschichte und zu einem ausgeweiteten Einsatz der IZA. Darüber hinaus stärkten der Einbezug der Schweiz in das europäische Krisendispositiv, der funktionierende EU-Binnenmarkt und der grosse Nutzen zahlreicher bilateraler Abkommen während der Pandemie das europapolitische Ziel des Bundesrats, den bilateralen Weg mithilfe eines institutionellen Rahmenabkommens zu vertiefen. Ein weiterer zentraler Aspekt der Aussenpolitik im Berichtsjahr war die Schweizer Kandidatur für den UNO-Sicherheitsrat, welche durch den angekündigten Einbezug des Parlaments im Inland vorangetrieben wurde. Ebenfalls hervorgehoben wurden die geografischen und thematischen Teilstrategien, mit denen der Bundesrat die Kohärenz der Aussenpolitik verstärken will. Dazu gehören die MENA-Strategie, die China-Strategie und die Subsahara-Afrika-Strategie, sowie die IZA-Strategie, die Strategie zur Digitalaussenpolitik und die Strategie Landeskommunikation.
Claudia Friedl (sp, SG) kritisierte im Namen der APK-NR das Fehlen einer «Teilstrategie Europa» in diesem Bericht. Zudem unterstütze die Kommission zwar grundsätzlich das Bestreben des Bundesrats, die Politikkohärenz zu erhöhen, sie verlange aber, dass die Agenda 2030 den übergeordneten Rahmen für die Aussenpolitik bilden solle. Die Kommission bemängelte laut Friedl auch das zu kurze Kapitel zum Thema «Migration und Flucht», merkte aber selbst an, dass der Bundesrat im Migrationsbericht vertieft darauf eingehen wolle. Kommissionssprecher Denis de la Reussille (pda, NE) fügte dem Votum seiner Kollegin hinzu, dass die Frage des Zugangs zu Wasser weiterhin eine wichtige Rolle in der Schweizer Aussenpolitik spielen werde. Bei dieser Thematik könne sich die Schweiz mit ihrem Fachwissen einbringen. Noch kritischer als die Kommission war Nationalrat Roland Büchel (svp, SG), der sich entrüstet darüber zeigte, dass das Rahmenabkommen und die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU im Bericht erst an achter Stelle aufgeführt wurden. Er verlangte die Überweisung dieses Dossiers an das Parlament. Nationalrätin Tiana Angelina Moser (glp, ZH) bezeichnete die fehlende Führungsverantwortung des Gesamtbundesrats, dessen verwirrende Kommunikation und den mangelnden Einbezug des Parlaments diesbezüglich als «Trauerspiel» und forderte ebenfalls die Überweisung des Rahmenabkommens an das Parlament. Christine Bulliard-Marbach (mitte, FR) sprach die bevorstehende Publikation der China-Strategie an und verlangte, dass die Schweiz von China die Respektierung der Menschenrechte, mehr Transparenz und die Einhaltung international anerkannter Handelsregeln einfordern müsse. Zum Abschluss der Debatte erklärte Bundesrat Ignazio Cassis, dass sich die globalen Kräfteverhältnisse nicht zuletzt aufgrund der wachsenden Konkurrenz der Grossmächte veränderten. Die Schweiz müsse in internationalen Auseinandersetzungen als Brückenbauerin fungieren, an ihren Trümpfen wie den guten Diensten festhalten und zugleich ihre Aussenpolitik agiler gestalten, beispielsweise durch Wissenschaftsdiplomatie oder die digitale Aussenpolitik. Cassis betonte zudem, dass die Europafrage auch bei einem gescheiterten Rahmenabkommen zentral bleiben werde und dass die Schweiz sich auch in den bilateralen Beziehungen mit europäischen Staaten engagiere, unter anderem durch die Mind the Gap-Strategie mit dem Vereinigten Königreich.

Aussenpolitischer Bericht 2020 (BRG 21.009)
Dossier: Aussenpolitische Berichte (ab 2009)

Nachdem die RK-NR 2018 der parlamentarischen Initiative Nantermod (fdp, VS) Folge gegeben, sich ihre Schwesterkommission aber im Herbst 2019 mit 8 zu 0 Stimmen bei einer Enthaltung gegen die Abschaffung der Vergütung auf Werkverwendungen in privaten Räumlichkeiten von Hotels, Ferienwohnungen, Spitälern und Gefängnissen ausgesprochen hatte, kam die Vorlage in der Frühjahrssession 2021 in die grosse Kammer. Die Rechtskommission des Nationalrats beantragte in ihrem Bericht vom Januar 2021 zwar weiterhin, der Initiative Folge zu geben, dies jedoch mit einem neuen Stimmenverhältnis von 13 zu 11 bei einer Enthaltung und einem Minderheitsantrag Brenzikofer (gp, BL) auf Ablehnung. Die Kommissionsmehrheit erachtete es als notwendig, insbesondere den Begriff «private Räumlichkeiten» neu zu definieren und so dafür zu sorgen, dass in diesen privaten Räumlichkeiten keine Urheberrechtsentschädigungen anfallen. Dies könne in der von der Coronakrise stark gebeutelten Hotelbranche zu Kostensenkungen führen. Die Minderheit vertrat hingegen die Ansicht, dass man den äusserst fragilen AGUR-Kompromiss zur URG-Revision nicht gefährden dürfe, zumal sich der Konsum von Multimediainhalten verändert habe, was von der betroffenen Branche berücksichtigt werden müsse. Im Weiteren handle es sich bei den zu entrichtenden Beiträgen um so geringe Summen, dass eine Annahme des Vorstosses die Hotellerie nicht wirklich entlasten würde.
Der Nationalrat schloss sich mit 119 zu 65 Stimmen bei einer Enthaltung dem Mehrheitsantrag an und sprach sich für Folgegeben aus. Wohl nicht zuletzt teilte der Rat die Auffassung von Nationalrat Bregy (cvpo, VS), dass man mit diesem Vorstoss die Möglichkeit habe, ein Zeichen für den Abbau von Gebühren, Abgaben und der Bürokratie zu setzen – auch wenn es sich hierbei um verhältnismässig kleine Beträge handle. Die parlamentarische Initiative ging in der Folge für weitere Beratungen an die Rechtskommission des Ständerats (RK-SR).

Abschaffung der Vergütung auf Werkverwendung in privaten Räumlichkeiten von Hotels, Ferienwohnungen, Spitälern und Gefängnissen (Pa. Iv. 16.493)
Dossier: Revision des Urheberrechts

Delegationen und Vertretungen des Parlaments haben unter anderem die Aufgabe, die Schweiz zu vertreten. Da diese Delegationen hinsichtlich der Geschlechter häufig nur sehr einseitig und vor allem männlich zusammengesetzt seien, wiederspiegelten sie ein «veraltetes Gesellschaftsbild» und suggerierten, dass Frauen in der Schweizer Politik nicht vertreten seien. Mit dieser Begründung forderte Claudia Friedl (sp, SG) mittels parlamentarischer Initiative eine Mindestquote von 30 Prozent jeden Geschlechts in diesen Gremien.
Ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis in parlamentarischen Vertretungen sei zwar ein berechtigtes Anliegen, befand eine 12 zu 10-stimmige Mehrheit (1 Enthaltung) der SPK-NR, es sei aber nicht mittels gesetzlicher Regelung umzusetzen. Bei der Zusammensetzung parlamentarischer Vertretungen müssten bereits mehrere Kriterien – Fraktionsstärke, Amtssprache, Landesregion – berücksichtigt werden. Eine Geschlechterregelung würde die Besetzung nicht nur verkomplizieren, sondern unter Umständen auch verunmöglichen – etwa wenn eine Fraktion nicht genügend Frauen stellen könnte. Mit den letzten eidgenössischen Wahlen sei die 30-Prozent-Quote zudem praktisch bereits erreicht worden.
In der Debatte zeigte sich die Kommissionsminderheit, vertreten durch Ada Marra (sp, VD) erstaunt, dass über dieses Thema überhaupt gesprochen werden müsse, sässen im Parlament doch mittlerweile 38.7 Prozent Frauen. Die Zahlen zeigten allerdings auch, dass in sechs der elf Delegationen ein Frauenanteil von 30 Prozent eben nicht erreicht würde. Ein zusätzliches Argument brachte Pierre-Alain Fridez (sp, JU) in die Debatte ein: Im Europarat werde eine 30-Prozent-Quote eingeführt und für diese Delegation aus der Schweiz müsse also sowieso eine entsprechende Regel gefunden werden. Kommissionssprecher Damien Cottier (fdp, NE) wies in der Folge darauf hin, dass sich die Kommission lediglich gegen eine gesetzliche Regelung wende; einer Absprache zwischen den einzelnen Fraktionen stehe aber freilich nichts im Weg. Mit einer formellen und starren Quote – so auch Barbara Steinemann (svp, ZH) ebenfalls für die Kommission – würden mehr Probleme entstehen als gelöst. Dies sahen 105 Parlamentsmitglieder anscheinend ebenso, womit der parlamentarischen Initiative keine Folge gegeben wurde. Immerhin 83 Stimmen aus den geschlossenen Fraktionen der SP, der GP und der GLP, unterstützt von drei FDP-Nationalrätinnen (Jacqueline de Quattro (fdp, VD), Anna Giacometti (fdp, GR), und Susanne Vincenz-Stauffacher (fdp, SG)), hatten die Idee einer Quote gutgeheissen. Drei weitere FDP-Nationalrätinnen (Doris Fiala (fdp, ZH), Christa Markwalder (fdp, BE) und Isabelle Moret (fdp, VD)) und SVP-Vertreterin Céline Amaudruz (GE) enthielten sich der Stimme.

Ausgewogenes Geschlechterverhältnis in parlamentarischen Vertretungen (Pa.Iv. 19.472)

In der Frühjahrssession 2021 bereinigte der Nationalrat die letzten Differenzen im Bundesgesetz über die Datenweitergabe der Versicherungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung. Offen geblieben war noch die grundsätzliche Frage, wie viele Informationen die Verwaltung erhalten soll. Hier standen sich zwei Modelle der beiden Parlamentskammern gegenüber: Der Nationalrat wollte die Daten immer aggregiert weitergegeben und somit nur ausnahmsweise, für klar definierte Zwecke und unter Erfüllung von bestimmten Kriterien auch die Weitergabe von anonymisierten Individualdaten erlauben. Nicht möglich wäre damit die Weitergabe von Individualdaten in vordefinierten Situationen. Dies wollte jedoch der Ständerat ermöglichen: Zwar sollten die Daten primär und wo immer möglich aggregiert weitergegeben werden, jedoch sollten in vorgängig aufgelisteten Fällen auch anonymisierte Individualdaten erhältlich sein. Die Mehrheit der SGK-NR wollte hier am Konzept des Nationalrats festhalten, während eine Minderheit Mäder (glp, ZH) dem Ständerat beipflichten wollte. Die Mehrheit fürchtete sich vor allem davor, dass aufgrund dieser sensiblen Gesundheitsdaten Rückschlüsse auf einzelne Personen gezogen werden könnten. Diese Gefahr erachtete Minderheitensprecher Mäder als klein, zumal jeweils nur einzelne Datensätze geliefert würden und nicht mehrere Datensätze aus unterschiedlichen Quellen, was eine Rückverfolgung der Individuen begünstigen würde. Der Nationalrat folgte diesbezüglich mit 101 zu 83 Stimmen (bei 8 Enthaltungen) der Kommissionsminderheit und bereinigte somit diese zentrale Differenz im Sinne des Ständerats. Gleichzeitig strich er damit auch die vom Nationalrat vorgeschlagenen verbindlichen Bedingungen, die für eine Weitergabe der Individualdaten zwingend erfüllt sein müssen.
Uneinig waren sich National- und Ständerat auch bei der Frage der jährlichen Datenlieferung. Hier beabsichtigte die Kommissionsmehrheit, dem Ständerat zuzustimmen. Der Nationalrat hatte die Datenlieferung auf einmal jährlich begrenzt und eine Pflicht für das zuständige Bundesamt, vorgängig den Zweck einer Datenlieferung bekanntzugeben, geschaffen. Der Ständerat hatte hingegen argumentierte, dass neben einer geplanten jährlichen Datenlieferungen in Ausnahmefällen auch häufigere Lieferungen möglich sein sollten. Eine Minderheit Sauter (fdp, ZH) wollte zwar auf die Beschränkung auf jährliche Datenlieferungen verzichten, die Notwendigkeit zur Angabe des Zwecks jedoch beibehalten. Man dürfe diese Daten nicht aufgrund «irgendwelche[r] Informationsbedürfnisse» verlangen, es brauche einen «wissenschaftliche[n] und ausgewiesene[n] Zweck». Philippe Nantermod (fdp, VS) verwies hingegen für die Kommission auf die grosse Relevanz dieser Daten für die Verwaltung. Mit 110 zu 82 Stimmen folgte der Nationalrat der Kommissionsmehrheit und somit dem Ständerat und bereinigte damit auch diesen letzten offenen Punkt des Gesetzes.
Ende Session nahmen dann National- und Ständerat das Bundesgesetz über die Datenweitergabe der Versicherer in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung mit 140 zu 55 Stimmen und 42 zu 0 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) an. Die Gegenstimmen im Nationalrat stammten von der SVP-Fraktion und einem Mitglied der FDP-Fraktion.

Für den Persönlichkeitsschutz auch in der Aufsicht über die Krankenversicherung