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  • Grüter, Franz (svp/udc, LU) NR/CN
  • Büchel, Roland Rino (svp/udc, SG) NR/CN

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Franz Grüter (svp, LU) forderte mittels einer im September 2022 eingereichten Motion die Einbindung der Schiffs- und Schiffsführendendaten in das für den Strassenverkehr erstellte «Informationssystem Verkehrszulassung» (IVZ). Der bisher in Papierform ausgestellte Schiffsführerausweis solle neu im Kreditkartenformat ausgestellt werden und bei einem Wechsel des Wohnsitzes innerhalb der Schweiz nicht mehr umgetauscht werden müssen. Des Weiteren forderte Grüter, dass die Einführung einer digitalen Lösung für den Schiffs- und Schiffsführerausweis geprüft wird, wie er es bereits in einer unbehandelt abgeschriebenen Motion (Mo. 20.4356) für den Strassenverkehr gefordert hatte. Von der Einbindung in das IVZ versprach sich Grüter auch einen verbesserten Informationsaustausch zwischen den Kantonen, insbesondere bei den Administrativmassnahmen. Der Bundesrat beantragte die Annahme der Motion, wies aber auf die Kosten hin, die durch die neue zentrale Datenverwaltung entstehen würden. Der Nationalrat nahm die Motion in der Wintersession 2022 diskussionslos und stillschweigend an.

Einbindung der Schiffs- und Schiffsführerdaten in das Informationssystem Verkehrszulassung (Mo. 22.3907)

Le passage au Conseil des États de la motion de Franz Grüter (udc, LU) a suscité de vives discussions. Tout a commencé dans la CPS-CE, où aucune majorité n'a été obtenue (5 voix contre 5). Le président a tranché pour l'adoption de la motion, mais les oppositions étaient importantes. Par la suite, les débats ont continué en chambre, où les député.e.s se sont demandés s'ils devaient, ou non, soutenir la formation d'un institut national de test pour la cybersécurité. En particulier, Olivier Français (plr, VD) a fait remarquer que des entreprises du secteur privé se sont lancées des défis similaires à celui du centre de cybersécurité zougois. Si elles ne semblent pas aussi avancées dans leur développement que le projet du canton de Zoug, elles auraient néanmoins du potentiel selon le sénateur. De ce fait, il ne serait pas nécessaire de subventionner et de reconnaître juridiquement cette «start-up» en développement, plutôt que d'autres entreprises. Il a aussi souhaité rappeler, en citant le Conseil fédéral, qu'«un soutien financier de la Confédération au NTC irait à l'encontre du principe de l'égalité de traitement et de la neutralité concurrentielle de l'État».
Dans son intervention, le conseiller fédéral Ueli Maurer a quant à lui invité à ne pas accepter la motion non seulement pour les raisons nommées dans le débat, mais aussi car l'État soutient déjà la cybersécurité par différents biais (commandement cyber de l'armée ou encore projets de recherches dans les EPF). D'après lui, ce que demande la motion ne serait donc pas nécessaire.
Bien que les acteurs principaux s'accordent sur l'importance de la cybersécurité, les arguments des opposants de la motion ont su convaincre la majorité de la Chambre des États. Ainsi, la motion a été rejetée par 22 voix contre 17.

Sécurité des composantes de cybersécurité (Mo. 20.4495)

Nachdem der Nationalrat der parlamentarischen Initiative Grüter (svp, LU) in der Frühjahrssession 2022 Folge gegeben hatte, setzte sich in der Wintersession 2022 der Ständerat mit der Frage auseinander, ob Mineralölsteuern, der Mineralölsteuerzuschlag und Importabgaben auf Treibstoffe weiterhin für die Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer auf Treibstoffen berücksichtigt werden sollen. Die WAK-SR hatte zuvor mit 10 zu 1 Stimmen (bei 1 Enthaltung) beantragt, der Initiative keine Folge zu geben, da eine Konsumsteuer «auf dem ganzen Betrag geschuldet [sei], der nötig ist, um ein Konsumgut zu erwerben». So seien auch im Preis anderer Konsumgüter durch staatliche Regulierung entstehende Kosten enthalten, zudem sei eine entsprechende Änderung kaum umsetzbar und würde zu grossem administrativem Aufwand und finanziellen Einbussen führen. Im Ständerat begründete Hannes Germann (svp, SH) den Minderheitsantrag Chiesa (svp, TI) auf Folgegeben: Es sei nicht in Ordnung, dass man «Steuern auf Steuern» bezahlen müsse, damit entstünden zusätzliche Steuereinnahmen in der Höhe von CHF 300 Mio. jährlich oder von 7 Rappen pro Liter Treibstoff – was überdies die Teuerung verstärke. Zudem sei die Mehrwertsteuerberechnung in allen Bereichen sehr kompliziert, nicht nur bei den Treibstoffen. Mit 28 zu 7 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) sprach sich der Ständerat gegen Folgegeben aus, womit der Vorstoss erledigt war.

Stopp der missbräuchlichen MWST-Belastung auf Steuern und Abgaben bei Treibstoffen

Am 20. Oktober 2022 reiste Bundespräsident Cassis in die Ukraine, um sich mit Präsident Selenskyj zu treffen. Die Reise war aufgrund von Sicherheitsbedenken im Geheimen organisiert worden, trotzdem berichtete der Blick bereits vor Cassis Ankunft über den Besuch. Das EDA zeigte sich in der Folge äusserst verärgert über diese Indiskretion. Dadurch sei die Sicherheit der Delegation gefährdet worden, so ein Sprecher des Departements. Begleitet wurde der Aussenminister von Nationalrätin Marianne Binder-Keller (mitte, AG) und Ständerat Matthias Zopfi (gp, GL). Es war der zweite Besuch einer hochrangigen Schweizer Delegation seit dem Kriegsausbruch, nachdem Nationalratspräsidentin Irène Kälin (gp, AG) im April des gleichen Jahres nach Kiew gereist war. Für Aussenminister Cassis war es bereits die zweite Amtsreise in die Ukraine, eine erste hatte er 2021 vorgenommen. Am Treffen nahmen auch der ukrainische Premierminister Denys Schmyhal und Aussenminister Dmytro Kuleba teil. Die Gespräche fokussierten auf die aktuelle Kriegssituation, die humanitären Bedürfnisse der Ukraine sowie die Vorbereitungsarbeiten für den Wiederaufbau- und Entwicklungsplan des Landes. Im Rahmen der Ukraine Recovery Conference, die im Juli 2022 in Lugano stattgefunden hatte, hatte die Schweiz an der Erarbeitung des Wiederaufbauplans mitgewirkt. Cassis tauschte sich mit seinem ukrainischen Pendant Schmyhal über die Umsetzung der an der Konferenz angestossenen Massnahmen aus. Gegenüber den Medien unterstrich der Bundespräsident die Solidarität der Schweiz mit der ukrainischen Bevölkerung und kritisierte Russlands Verletzung der territorialen Integrität der Ukraine. Im Rahmen des Treffens unterzeichneten die beiden Parteien ein MoU zur digitalen Transformation und zwei Absichtserklärungen zur Zusammenarbeit in den Bereichen «vermisste Personen» und «Forensik».
In der Schweiz wurde die Amtsreise von Cassis insgesamt positiv aufgenommen. APK-NR-Präsident Franz Grüter (svp, LU) erachtete den Besuch als ein gutes Zeichen, stellte aber die Frage in den Raum, «was er damit erreichen will». Ein Schutzmachtmandat der Schweiz zwischen der Ukraine und Russland hätte der SVP-Aussenpolitiker begrüsst, für Gespräche über den Wiederaufbau des Landes sei es aber noch zu früh, wie er CH Media mitteilte. Mitte-Nationalrätin Schneider-Schneiter (mitte, BL) fand es hingegen wichtig, dass Cassis ein Follow-up der Ukraine-Konferenz durchgeführt habe.

Im Anschluss an den Staatsbesuch in der Ukraine reiste Cassis weiter nach Moldawien, um in Chișinău mit Präsidentin Maia Sandu über die Konsequenzen des Kriegs auf ihr Land und dessen humanitäre Lage zu sprechen.

Bundespräsident Cassis trifft Präsident Selenskyi
Dossier: Staatsbesuche im Ausland 2022
Dossier: Schweizer Reaktion auf die russischen Aggressionen in der Ukraine (ab 2014)

Am Montag der dritten Herbstsessionswoche 2020 besetzten Klimaaktivistinnen und -aktivisten den Bundesplatz, obwohl dort Veranstaltungen während der Session verboten sind. Dies führte bei den Parlamentarierinnen und Parlamentariern zu einigem Ärger. So beschwerten sich gemäss verschiedener Medien insbesondere bürgerliche Parlamentsmitglieder, von den Klimaaktivistinnen und -aktivisten «angepöbelt» worden zu sein. Dabei stellten die Medien vor allem verschiedene verbale Entgleisungen ins Zentrum der Berichterstattung. So soll Roland Büchel (svp, SG) derart genervt gewesen sein, dass er die Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten vor laufender Kamera als «Arschlöcher» bezeichnete. Andreas Glarner (svp, AG) nannte die Demonstrierenden während eines Interviews «Kommunisten und Chaoten» und Sibel Arslan (basta, BS), die das Anliegen der Streikenden vertreten wollte, «Frau Arschlan» – was er später als Versprecher entschuldigte. Umgekehrt regten sich linke Parlamentsmitglieder über die falschen Prioritäten der Medien auf, so etwa Jacqueline Badran (sp, ZH), die in einem Radiointerview die Medien angriff, welche «den huere fucking Glarner, who cares, [...] statt die Forderungen der Jugendlichen» gefilmt hätten.

Die Debatten drehten sich in der Folge allerdings nicht nur um «Anstand» und verbale Entgleisungen, sondern auch darum, ob der Bundesplatz überhaupt besetzt werden darf – insbesondere während der Session. Während sich bürgerliche Parlamentarierinnen und Parlamentarier beschwerten, zeigten links-grüne Mitglieder der Bundesversammlung Verständnis für die Aktion. Die aktuelle Regelung im Kundgebungsreglement der Stadt Bern besagt, dass die Versammlungsfreiheit auf dem Bundesplatz während der Sessionen vor allem für grosse Manifestationen aufgehoben wird. Verantwortlich für die Einhaltung dieser Massnahme ist die Stadt Bern, weshalb sich die Kritik der Bürgerlichen in der Folge vor allem gegen den Berner Stadtpräsidenten Alec von Graffenried (gfl) richtete. Einige Medien – darunter etwa die NZZ – warfen der Stadt gar vor, «mit zweierlei Mass» zu messen und das Demonstrationsverbot «selektiv» umzusetzen.

Die Aktion auf dem Bundesplatz führte schliesslich auch zu einiger parlamentarischer Betriebsamkeit. Ein noch am gleichen Montag eingereichter Ordnungsantrag (20.9004/21364) von Thomas Aeschi (svp, ZG), der die Räumung des Platzes beantragte, wurde mit 109 zu 83 Stimmen (1 Enthaltung) im Nationalrat angenommen. Dagegen stimmten die geschlossenen Fraktionen von SP, GP und GLP sowie zwei Angehörige der Mitte-Fraktion. Der am nächsten Tag von Esther Friedli (svp, SG) eingereichte Ordnungsantrag (20.9004/21402), mit dem zusätzlich eine Anzeige gegen die Stadt Bern und die «Klimaextremisten und Linksradikalen» gefordert wurde, lehnte eine 90 zu 79-Stimmen-Mehrheit (bei 16 Enthaltungen) dann freilich ab. Hingegen richtete sich die VD mit einem von Nationalratspräsidentin Isabelle Moret (fdp, VD) und Ständeratspräsident Hans Stöckli (sp, BE) unterzeichneten Schreiben an die Regierungen von Stadt und Kanton Bern und forderte diese auf, für die Einhaltung der Rechtsbestimmungen zu sorgen. Und schliesslich reichte Christian Imark (svp, SO) eine Motion ein, mit der er forderte, die Stadt Bern des Bundesplatzes zu enteignen. Dadurch könne der Bundesrat «künftig selber für Recht und Ordnung auf dem Bundesplatz» sorgen, weil «die linke Berner Stadtregierung [...] die Chaoten immer öfter gewähren» lasse.
Wohl auch weil die Polizei am Mittwoch nach zwei Ultimaten der Stadtregierung den Platz räumte, legte sich die Aufregung kurz darauf wieder. Der Bundesrat beantragte ein paar Wochen später die Ablehnung der Motion, weil eine Enteignung nicht verhältnismässig sei und die Zusammenarbeit mit der Stadt Bern bezüglich Nutzung des Bundesplatzes so funktioniere, dass die Interessen des Parlaments berücksichtigt würden. Die Motion Imark selber wurde dann zwei Jahre nach ihrer Einreichung wegen Nichtbehandlung abgeschrieben.

Wem gehört der Bundesplatz? (Mo. 20.4028)

30. September 2022: Der Rücktritt von Ueli Maurer

Obwohl immer wieder über seinen Rücktritt spekuliert worden war, kam die Ankündigung von Ueli Maurer, nach 14 Jahren Regierungstätigkeit Ende 2022 sein Bundesratsmandat niederzulegen, einigermassen überraschend. Maurer selber hatte nach den letzten Spekulationen vor gut einem Jahr verlauten lassen, er werde mindestens bis Ende Legislatur (also bis Oktober 2023) in der Regierung bleiben und dann vielleicht gar nochmals vier Jahre anhängen. Am 30. September 2022 liess er dann aber an einer Pressekonferenz verlauten, er wolle wieder «der normale Ueli» sein und habe noch einige private Projekte in Planung. Mit 71 Jahren war Maurer der älteste amtierende Bundesrat seit Einführung der Zauberformel. Maurer war 2008 für Samuel Schmid in den Bundesrat gewählt worden und hatte damit die kurze Oppositionsphase der SVP beendet. Er hatte zuerst das Verteidigungsdepartement übernommen, bevor er 2015 ins Finanzdepartement gewechselt war. In den Medien wurde Maurer als «erfolgreichster Politiker der Schweiz» (St. Galler-Tagblatt) beschrieben, allerdings auch dafür kritisiert, dass er häufig mit den Grenzen der Kollegialität gespielt habe und aufgrund seines schlechten Französisch nur einen «reduzierten Kontakt mit der Romandie» gepflegt habe (Le Temps). Im Parlament habe er als Finanzminister grossen Respekt genossen, gaben mehrere Parlamentsmitglieder zu Protokoll. Gelobt wurden zudem seine umgängliche Art, seine Dossierkenntnis und sein Pragmatismus. Er sei sich treu, bodenständig und bescheiden geblieben, urteilte der Blick. Der «widerborstige Bauernsohn» habe sich «nicht vom System vereinnahmen lassen», fasste die Aargauer Zeitung zusammen. Der «erstaunlich wandlungsfähige» Maurer gehöre «zu den Politikern, die zu Anfang ihrer Karriere belächelt, später gefürchtet oder gehasst und am Schluss respektiert werden», befand die NZZ. Auch der «launische Umgang» mit den Medien war Gegenstand der medialen Würdigungen: Der Tages-Anzeiger bezeichnete den SVP-Magistraten als den letzten «Oppositions-Bundesrat» – «mäandriered zwischen den Rollen als Staatsmann und Oppositioneller» habe er es allerdings geschafft, die Konkordanz nach den unruhigen Jahren nach Christoph Blocher und Eveline Widmer-Schlumpf wieder zu stabilisieren. Die Weltwoche vermutete, dass «dem Berner Politikbetrieb» die Spontanität Maurers bald fehlen werde. Kritischer urteilte die WoZ: Maurer habe «wesentlich dazu beigetragen [...], rechtspopulistische Hetze zu normalisieren».

Bereits am Tag nach der Rücktrittsankündigung überboten sich die Medien mit Spekulationen über mögliche Nachfolgerinnen und Nachfolger von Ueli Maurer. Am häufigsten genannt wurden die Nationalrätinnen Esther Friedli (svp, SG) und Céline Amaudruz (svp, GE), die Zürcher Regierungsrätin Natalie Rickli (ZH, svp), die Nationalräte Albert Rösti (svp, BE), Gregor Rutz (svp, ZH) und Thomas Aeschi (svp, ZG), der frühere Parteipräsident und Nationalrat Toni Brunner (SG, svp) sowie der Aargauer Regierungrat Jean-Pierre Gallati (AG, svp). Albert Rösti galt in den meisten Medien als Kronfavorit. Seine einzige Schwäche sei, dass Christoph Blocher, der «noch immer ein entscheidendes Wort mitzureden» habe, wie der Blick wusste, gegen ihn ein Veto einlegen könnte. Dies gelte nicht für Esther Friedli, die als mögliche erste SVP-Bundesrätin gehandelt wurde. Dass neben Karin Keller-Sutter eine zweite St. Gallerin bereits in der Regierung sitze, sei kein Problem, urteilten vor allem die Ostschweizer Medien. Eine früher oft gehandelte Anwärterin auf einen Bundesratssitz, Magdalena Martullo-Blocher gab hingegen noch am Tag von Maurers Rücktritt bekannt, kein Interesse am Regierungsamt zu haben. Ebenfalls unverzüglich aus dem Rennen nahmen sich Roger Köppel (svp, ZH) und Franz Grüter (svp, LU). Auch Diana Gutjahr (svp, TG) erteilte entsprechenden medialen Anfragen eine Absage, da für sie «als junge Mutter [...] der richtige Zeitpunkt für eine Bundesratskandidatur nicht gegeben» sei, wie das St. Galler-Tagblatt bedauerte. Auch Toni Brunner schloss einen Rücktritt auf die nationale Bühne bald aus und nach einiger Bedenkzeit verzichtete auch seine Lebenspartnerin Esther Friedli. Sie wolle ihre regionale Verankerung für den Ständeratswahlkampf nutzen, der aufgrund des Rücktritts von Paul Rechsteiner (sp, SG) im kommenden Frühling 2023 anstand. Bundesrätin werden sei hingegen kein Lebensziel von ihr.

Nachdem sowohl Natalie Rickli als auch der ebenfalls angefragte Regierungsrat Ernst Stocker (ZH, svp) und auch Gregor Rutz bekannt gegeben hatten, nicht für die Nachfolge Maurers kandidieren zu wollen, schien sich abzuzeichnen, dass der Kanton Zürich in Kürze zum zweiten Mal in der Geschichte nicht im Bundesrat vertreten sein könnte. Nur während knapp sieben Jahren zwischen dem Rücktritt von Elisabeth Kopp (1989) und der Wahl von Moritz Leuenberger (1995) war der bevölkerungsreichste Kanton der Schweiz nicht in der eidgenössischen Regierung präsent gewesen und stellte folglich bisher mit 20 Magistratinnen und Magistraten die meisten Bundesratsmitglieder aller Kantone. Von einer «Blamage» für die kantonalzürcherische SVP, die es versäumt habe, rechtzeitig für mögliche Nachfolgerinnen und Nachfolger zu sorgen, sprach in der Folge der Tages-Anzeiger. Dass der Zürcher Flügel nicht vertreten sei, sei aber auch darauf zurückzuführen, dass die Kantonalpartei aufgrund der reihenweisen Absagen eine «Partei der Nein-Sager» sei, so der Blick weiter. Die «oppositionelle DNA der Zürcher SVP» entpuppe sich jetzt als Nachteil, analysierte die Aargauer Zeitung.

Im Gegensatz zum «Personalproblem» der Zürcher habe die Berner SVP einen Kandidaten zu viel, kommentierte der Tages-Anzeiger die Kandidatur von Werner Salzmann (svp, BE), der am 6. Oktober als erster offiziell ankündigte, Bundesrat werden zu wollen. Der Berner Ständerat betonte, er sei als Oberst der Schweizer Armee und Sicherheitspolitiker ein idealer Kandidat für das VBS. Salzmann stamme aus der Familie des BGB-Parteigründers Rudolf Minger, dem ersten Bundesrat der BGB (und späteren SVP) und habe entsprechend ein «Bundesrat-Gen», so der Tages-Anzeiger. Salzmann könne dem Favoriten Rösti zwar gefährlich werden, innerhalb der Berner SVP werde aber befürchtet, dass der Ständeratssitz verloren gehen könnte, wenn Salzmann in den Bundesrat gewählt würde, spekulierte der Tages-Anzeiger weiter. Wenige Tage später, am 10. Oktober 2023, gab auch Albert Rösti seine Kandidatur bekannt. Der Zweikampf zwischen den beiden Bernern bringe ein wenig Salz in den Wahlkampf, urteilte La Liberté. Allerdings vermuteten die Medien, dass der ehemalige Parteipräsident Rösti im Parlament mehr Rückhalt habe als Salzmann. Die BZ urteilte entsprechend, dass Röstis Kandidatur höchstens «wegen internen Widerstands» scheitern könnte. Die NZZ befand gar, dass die Kandidatur Röstis für Langeweile sorge, weil der «anstandslos anständige [...] Panorama-Politiker» kaum anecke – was eine wichtige Voraussetzung sei, um genügend Stimmen aus dem Parlament zu erhalten. Skeptischer zeigte sich die WoZ, die sich fragte, weshalb dem «Ölkönig», der «eine riesige Schadensbilanz» aufweise, so viele Sympathien zuflögen. Starke Kritik erwuchs Rösti auch in der Weltwoche, die befürchtete, dass Rösti seinen SVP-Kurs wohl aufgeben werde, wenn er im Bundesrat sitzen werde. Roger Köppel, Chefredaktor der Weltwoche, warnte vor einem «Kuckucksei» und einem «Trojanischen Pferd» für die SVP im Bundesrat. Rösti sei «der Prototyp eines Pöstchenjägers, ein Hansdampf an allen Kassen» und er sei mit seinem «Naturell des Jasagers» und als «Briefträger bezahlter Interessen» «der Falsche». Im Sonntagsblick wurde vermutet, dass «Atom-Rösti» auch deshalb im Parlament die grössten Chancen habe, weil er nicht die Kernthemen der SVP vertrete, sondern Energiepolitik betreibe. Würde er dem UVEK vorstehen, wäre dies «ein Coup», so der Sonntagsblick. Die zahlreichen Lobby-Mandate Röstis waren in der Folge ein ziemlich häufiges mediales Thema. Der Blick erinnerte schliesslich daran, dass die SVP mit den letzten Berner Vertretern in der Landesregierung nicht sehr glücklich gewesen sei. Sowohl Adolf Ogi, der innerparteilich als zu europafreundlich gegolten habe, als auch Samuel Schmid, der als «halber Bundesrat» bezeichnet worden war, hätten in der SVP selber nur wenig Rückhalt gehabt.

Am 15. Oktober gab der Zuger Finanzdirektor Heinz Tännler (ZG, svp), seit 2006 in der Zuger Kantonsregierung, bekannt, dass er die Innerschweiz und einen «boomenden Kanton» vertreten wolle. Als «zupackender Wirtschaftspolitiker» wolle er den beiden Berner Bewerbungen etwas entgegensetzen und der Partei eine Auswahl bieten. Es sei nicht gut, dass die Zentralschweiz seit dem Rücktritt von Kaspar Villiger im Jahr 2003 nicht mehr im Bundesrat vertreten sei. In zahlreichen Gesprächen sei er darauf aufmerksam gemacht worden, dass «diese Region wieder eine Stimme in der Landesregierung haben» müsse. Er wolle aber auch alle anderen finanzstarken Kantone vertreten, so Tännler in der Ankündigung seiner Kandidatur. In den Medien wurden Tännler trotz Exekutiverfahrung eher geringe Chancen eingeräumt, da er im Gegensatz zu Salzmann und Rösti nicht dem Bundesparlament angehöre, was häufig ein Nachteil sei. Zudem stehe er als Finanzdirektor des reichen Kantons Zug vor allem bei Linken in Verdacht, «Politik für die Reichen und Mächtigen zu machen», so die Bewertung der NZZ.

Am 18. Oktober meldete auch Michèle Blöchliger (svp, NW), seit 2018 Gesundheitsministerin des Kantons Nidwalden, ihre Ambitionen an. Sie sei überzeugt, dass sie «den nötigen Rucksack» mitbringe, den es für das Amt als Bundesrätin brauche: Sie sei sich gewohnt, das Kollegialitätsprinzip zu achten, habe politische Exekutiverfahrung und bringe mit einer englischsprachigen Mutter wichtige Sprachkompetenzen mit. Die SVP könne aufatmen, weil sie doch noch eine Frau gefunden habe, befand 24Heurers. Für die Nidwaldner Regierungsrätin und Rechtsanwältin «mit juristischem Gewissen», wie die Nidwaldner Zeitung wusste, spreche nicht nur ihr Geschlecht, sondern auch der Umstand, dass aus dem Innerschweizer Kanton noch nie jemand in der Landesregierung gesessen habe. Zudem sei sie parteiintern gut vernetzt und der Umstand, dass auch innerhalb der SVP viele eine Frau auf einem Zweierticket forderten, erhöhe ihre Chancen ebenfalls, waren sich viele Medien einig. Allerdings sei sie in Bundesbern etwa auch im Vergleich zu Tännler praktisch unbekannt und liefe Gefahr, sich «in einer undankbaren Rolle als Alibikandidatin» wiederzufinden, prognostizierte die NZZ. Für Schlagzeilen sorgte in der Folge die Aussage Blöchligers, dass Wikipedia nicht zutreffende Angaben über sie verbreite. Sie besitze – im Gegensatz zu den Informationen auf Wikipedia – die britische Staatsangehörigkeit seit dem Tod ihrer Mutter nicht mehr. Der Tages-Anzeiger, der diese Aussage überprüfte, fand allerdings heraus, dass Blöchliger nie formell auf den britischen Pass verzichtet habe. Die Zeitung machte daraus auch deshalb eine Geschichte, weil die SVP 2019 mit einem Vorstoss – erfolglos – das Verbot einer doppelten Staatsbürgerschaft von Bundesratsmitgliedern gefordert hatte. «Blöchligers Hin und Her um ihre zweite Nationalität» biete neuen «Zunder für diese Debatte», so der Tages-Anzeiger. Blöchliger selber gab bekannt, dass sie offiziell auf die britische Staatsangehörigkeit verzichten werde. Allerdings war die Geschichte für viele Medien ein gefundenes Fressen. Der Tages-Anzeiger urteilte, dass sich Blöchliger mit der versuchten Vertuschung ihrer doppelten Staatsbürgerschaft – «um der eigenen Partei zu gefallen» – wohl selbst aus dem Rennen genommen habe. Als «denkbar schlecht» bezeichnete die Weltwoche den Kampagnenstart Blöchligers.

Weitere Kandidatinnen und Kandidaten hatten entsprechend der Terminplanung der SVP bis zum 21. Oktober Zeit, ihr Interesse zu bekunden. Einen Tag vor Ablauf dieser Frist meldete sich die SVP Zürich mit einem eigentlichen Überraschungscoup doch noch zurück und präsentierte den 2021 aus dem Nationalrat zurückgetretenen Hans-Ueli Vogt (svp, ZH) als Kandidierenden. Er sei aus der Politik ausgestiegen, weil ihm die parlamentarische Arbeit nicht zugesagt habe, das Bundesratsamt reize ihn aber, erklärte Vogt. Er wolle «ein Opfer erbringen», zudem sei seine Kandidatur «weder eine Verlegenheitslösung noch eine Alibiübung», gab Vogt der NZZ zu Protokoll, eine urbane Vertretung in der Landesregierung sei zudem wichtig. «Professor Vogt» sei der «Wunschkandidat» der Zürcher Kantonalsektion, betonte Kantonalpräsident Domenik Ledergerber (ZH, svp), der den Kandidierenden als «gründlich, aber zielstrebig, urban und doch bodenständig» beschrieb. In den Medien wurde die Kandidatur begrüsst. Nun habe Zürich doch noch einen Kandidaten, freute sich etwa die NZZ. Vogt sei in Bern auch nach seinem Rücktritt 2021 noch genügend bekannt und werde nach wie vor als seriöser Sachpolitiker geschätzt; vor allem auf linker Seite könne er punkten, ergänzte die NZZ. Auch 24Heures urteilte, dass Vogt mit den Eigenschaften «Intello, urbain, gay» das Zeug habe, die Kampagne aufzumischen. Innerhalb der SVP sei Vogt allerdings ein «OVNI», ein unbekanntes Flugobjekt, urteilte La Liberté. Seine Chancen wurden auch vom Tages-Anzeiger vor allem im Vergleich mit dem «berechenbareren» Albert Rösti als geringer eingestuft. Vogt sei gleichzeitig «Verlegenheitslösung und Befreiungsschlag» für die Zürcher SVP, befand die Weltwoche.

Da bis zum Ende der Meldefrist alle weiteren Favoriten abgesagt hatten – darunter etwa auch Thomas Aeschi, der nach seinem Misserfolg 2015 auf eine zweite Bundesratskandidatur verzichten und sich auf seine Parlamentsarbeit konzentrierten wollte, oder der Aargauer Regierungsrat Jean-Pierre Gallati (AG, svp), der sich bis Meldeschluss bedeckt gehalten hatte – und sich keine neuen Personen mehr gemeldet hatten, standen mit Werner Salzmann, Albert Rösti, Heinz Tännler, Michèle Blöchliger und Hans-Ueli Vogt die fünf Kandidierenden für die Nachfolge von Ueli Maurer fest. Die Partei habe sich knapp gerettet, fasste die Aargauer Zeitung zusammen. Mit einer Frau und einem Kandidaten aus Zürich könne die SVP nun doch verschiedene Optionen bieten. Die Empfehlung der Kandidierenden durch die jeweiligen Kantonalsektionen war Formsache. Für Spannung sorgte einzig die Frage, ob die Kantonalberner Sektion eine Vorselektion treffen und lediglich einen der beiden Kandidierenden vorschlagen würde. Sie schob die Frage einer allfälligen Vorselektion allerdings an die nationale Findungskommission weiter und nominierte sowohl Albert Rösti als auch Werner Salzmann einstimmig. Besagte Findungskommission nahm sich dann bis Mitte November Zeit, die Kandidierenden auf Herz und Nieren zu prüfen, um der Fraktion einen Vorschlag zu unterbreiten.
Wie schon die Kantonalberner scheute sich dann allerdings auch die Findungskommission, eine Vorentscheidung zu treffen. Alle fünf Kandidierenden seien wählbar und in den Hauptthemen strikt auf der Parteilinie. Sie würden einen eindrücklichen Leistungsausweis und die nötige Führungserfahrung mitbringen. Die von alt-Nationalrat Caspar Baader (BL, svp) präsidierte Kommission empfehle der Fraktion zudem, ein Zweierticket zu bilden. Somit stand also die Fraktion in der Verantwortung, die Vorauswahl zu treffen. An der Favoritenrolle von Albert Rösti ändere dies nichts, waren sich die Medien einig. Spannend sei einzig, wer neben ihm aufs Ticket komme, so etwa die NZZ.
Am 18. November entschied sich dann die SVP-Fraktion für ein Zweierticket aus Albert Rösti und Hans-Ueli Vogt. Rösti sei in der ersten Runde mit 26 von 51 Stimmen zum einen Kandidaten auf dem Zweierticket bestimmt worden, wussten die Medien zu berichten. In dieser ersten Runde hätten Michèle Blöchliger vier und Heinz Tännler lediglich eine Stimme auf sich vereinen können. Vogt sei auf 13 und Salzmann auf 5 Stimmen gekommen. Dreimal sei es dann in der Folge zu einem 25:25 Unentschieden zwischen dem Berner und dem Zürcher Kandidaten gekommen, bevor wahrscheinlich eine sich bis dahin enthaltende Stimme in der fünften Runde den Ausschlag für Hans-Ueli Vogt gegeben habe. Das Ringen zeige, dass fraktionsintern befürchtet werde, dass Vogt im Parlament auf linker Seite Stimmen holen könnte und so zum «Rösti-Verhinderer» werde, analysierte die NZZ. Das Rennen zwischen Bern und Zürich sei nun neu lanciert, waren sich die meisten Medien einig.

Bundesratsersatzwahlen 2022 – Nachfolge von Ueli Maurer und Simonetta Sommaruga
Dossier: Bundesratswahlen seit 2008

Une majorité des membres de la commission de politique extérieure du Conseil national (CPE-CN) souhaite que le Conseil fédéral analyse les manières dont la transparence sur la spéculation alimentaire pourrait être renforcée. En effet, elle s'inquiète de l'influence de ce phénomène sur les prix des denrées alimentaires à l'internationale et estime, comme les ministres de l'agriculture des pays du G7, qu'une meilleure surveillance des marchés devrait être mise en place. La commission est consciente que la Suisse n'est pas le centre névralgique du commerce international des denrées alimentaires. Néanmoins, d'importants acteurs étant présents sur le territoire, il est de la responsabilité des autorités de voir comment contribuer à une meilleure transparence sur la fluctuation de ces prix, comme argumenté par Christine Bulliard-Marbach (centre, FR), rapporteuse de commission. Une minorité, menée par Roland Rino Büchel (udc, SG), s'est opposée à ce texte, arguant, premièrement, que la spéculation n'a pas d'influence sur les prix des denrées alimentaires, deuxièmement, qu'il existe à l'international des instruments permettant de récolter des informations sur l'état des récoltes, de la production et des stocks disponibles, et troisièmement que la Suisse n'a pas de bourse négociant des matières premières. Au nom du Conseil fédéral, Guy Parmelin a rappelé qu'un rapport similaire, publié en 2015, avait déjà permis d'éclaircir ces questions déjà posées dans le cadre de l'analyse de l'initiative populaire sur la spéculation des denrées alimentaires. Depuis une dizaine d'années, plusieurs instruments, tant à l'international qu'au niveau national, ont permis d'accroître la transparence à ce sujet, rendant le postulat caduc selon le Conseil fédéral. Une majorité de la chambre basse n'étant pas de cet avis, le texte a finalement été accepté par 105 voix contre 74 (1 abstention). Les autorités sont ainsi chargées de rédiger le rapport demandé.

Spéculation sur les denrées alimentaires (Po. 22.3870)

Alors que le progrès technologique incite les entreprises publiques et privées à digitaliser leurs services, il est nécessaire que ce processus donne des garanties en termes de sécurité. Dans cette optique, le Conseil fédéral avait annoncé être favorable à l'idée de créer un service de test d'ampleur nationale. En vue de concrétiser ce projet, l'Institut national de test pour la cybersécurité (NTC) a été créé en novembre 2020 avec le soutien financier du canton de Zoug et l'assistance technique du centre national de cybersécurité de la Confédération. Cependant, pour répondre à la demande nationale, l'Institut aurait besoin de plus de fonds. Pour ce faire, la motion de Franz Grüter (udc, LU), vice-président du NTC, aimerait intégrer la Confédération dans le financement du projet. En effet, de par les coûts financiers que l'entretien de l'Institut représente, l'attrait du secteur privé pour un tel domaine reste faible. En s'engageant financièrement, la Confédération permettrait de surmonter l'obstacle pécuniaire dans la phase d'agrandissement de l'Institut.
En se basant sur une comparaison avec l'Allemagne, le Conseil fédéral a argumenté que le secteur privé de l'informatique s'est largement développé ces dernières années. C'est pourquoi il ne serait pas nécessaire de financer directement les entreprises qui fournissent des services de tests de technologies. En effet, les entreprises devraient être capables de gérer leurs difficultés entre elles sans que l'État ne les subventionne. Ainsi, le Conseil fédéral se positionne contre cette motion.
Au Conseil national, la motion a toutefois convaincu une large majorité des députés. Le texte a été accepté par 153 voix contre 32 et 5 abstentions.

Sécurité des composantes de cybersécurité (Mo. 20.4495)

Im Rahmen der Vorbereitung für die Ukraine Reform Conference in Lugano, die auf Anfang Juli 2022 geplant war, tat sich einiges im EDA. Weil ein physisches Treffen der wichtigsten Vertreter, das im Januar 2022 am Rande des WEF vorgesehen gewesen wäre, aufgrund dessen Verschiebung nicht stattfinden konnte, wurde noch im Januar ersatzweise ein Online-Anlass organisiert, an dem nebst Bundespräsident Ignazio Cassis auch der ukrainische Präsident Volodymyr Zelenskyy teilnahm. Zelenskyy äusserte seine Erwartungen an die Konferenz. Es solle sich um eine Diskussionsplattform handeln, mit deren Hilfe darüber nachgedacht werden solle, wie die Resilienz der Ukraine gestärkt und ihre Transformation beschleunigt werden könnte. Im Zentrum des Anlasses sollten insbesondere die allgemeinen Wirtschaftsbeziehungen der Ukraine, die wirtschaftspolitischen Reformen und das rechtsstaatliche Investitionsumfeld stehen.

Angesichts des mittlerweile gestarteten russischen Aggressionskriegs in der Ukraine wurde die Konferenz im Mai 2022 umbenannt und sollte fortan unter dem Namen «Ukraine Recovery Conference» mit dem Ziel des Wiederaufbaus der Ukraine durchgeführt werden. Anlässlich des verschobenen WEF-Jahrestreffens in Davos Ende Mai 2022 informierten Bundespräsident Cassis, der ukrainische Premierminister Denys Shmyhal und Aussenminister Dmytro Kuleba über den geplanten Ablauf der Konferenz. Rund vierzig Staaten und 20 internationale Organisationen – darunter die OECD und die EBWE – seien bereits an die Konferenz eingeladen worden. Diese werde einen konkreten Wiederaufbau- und Entwicklungsplan zum Ziel haben und Diskussionen über Prioritäten, Methoden und Prinzipien des Wiederaufbaus und dessen Gestaltung in den Bereichen Wirtschaft, Infrastruktur, Umwelt und Soziales umfassen. Das EDA teilte mit, dass Reformen besprochen werden sollten, die den Wiederaufbau begleiten werden und «in der jetzigen Situation implementiert werden können».

Im Juni 2022 beschloss der Bundesrat aufgrund der anhaltenden internationalen Spannungen umfangreiche Sicherheitsmassnahmen während der Durchführung der Konferenz in Lugano. Da die Veranstaltung als «ausserordentliches Ereignis» klassifiziert wurde, beteiligte sich der Bund zu 80 Prozent an den anfallenden Sicherheitskosten, wobei er zudem den Einsatz von bis zu 1'600 Armeeangehörigen zur Unterstützung der Tessiner Kantonspolizei beschloss. Die Armee sollte auch den Luftraum in der Region Lugano überwachen und dessen Nutzung temporär einschränken.
Einige Tage darauf äusserten sich verschiedene Schweizer Politiker in der Zeitung «Blick» sehr kritisch über die anstehende Konferenz. SVP-Präsident Marco Chiesa (svp, TI) sah in der Veranstaltung keinen Sinn, da es sich weder um eine Reformkonferenz, noch einen Friedensgipfel handle. Für Letzteres hätte es die Einladung beider Kriegsparteien bedurft, zudem sei der Krieg noch in vollem Gange und somit sei unklar «was überhaupt aufgebaut werden muss». Auch für Mitte-Fraktionschef Philipp Bregy (mitte, VS) waren Ziel und Zweck der Lugano-Konferenz nicht klar erkennbar, weshalb die Mitte eine Klärung durch Aussenminister Cassis erwartete. SP-Nationalrat Eric Nussbaumer (sp, BL) mahnte, dass die Konferenz «sorgfältig in die laufenden internationalen Bemühungen eingebettet» werden müsse, um zur Beendigung des Krieges beitragen zu können.
Bundespräsident Cassis liess sich von den kritischen Stimmen nicht beirren und betonte an einer Pressekonferenz Ende Juni, dass eine Absage der Konferenz ein negatives Signal vonseiten der internationalen Gemeinschaft darstellen würde. Die Schweiz, die sich mit ihrer langen Tradition der Guten Dienste für Stabilität in Europa einsetze, könne sich nicht zurückziehen. Zumindest die Tessiner Regierung zeigte sich stolz, einen solchen Anlass beherbergen zu dürfen. Norman Gobbi (lega, TI) sah darin eine Chance für Lugano, sich als Stadt mit internationalem Charakter zu profilieren und zugleich zum Frieden in Europa beizutragen. Die Aargauer Zeitung merkte an, dass die Konferenz zeitlich optimal gelegen sei, fänden doch im Vorfeld mit dem EU-Gipfel und der Diskussion über den Kandidatenstatus der Ukraine, dem G7-Gipfel und dem NATO-Gipfel zahlreiche internationale Treffen statt. Dadurch müsse man in Lugano nicht zusätzlich auch noch über anderweitige politische und sicherheitsrelevante Kriegsthemen diskutieren, sondern könne sich auf das angekündigte Programm fokussieren. Auch Simon Pidoux – EDA-Sonderbotschafter für die Ukraine-Reformkonferenz – hob gegenüber Le Temps den Nutzen der Konferenz hervor. Sie biete dem Privatsektor im In- und Ausland eine erste Gelegenheit, direkt mit der ukrainischen Regierung in Kontakt zu treten und deren Bedürfnisse im Rahmen des Wiederaufbaus in Erfahrung zu bringen.

Neuerliche Kritik kam Ende Juni auf, nachdem der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zum Abschluss des G7-Gipfels eine eigene Ukraine-Wiederaufbaukonferenz ankündigten. SVP-Nationalrat und Mitglied der APK-NR Franz Grüter (svp, LU) meinte darin ein Zeichen der fehlenden Wahrnehmung der Lugano-Konferenz zu erkennen. Nationalrat Fabian Molina (sp, ZH) warf dem EDA vor, konzeptionelle Fehler gemacht zu haben, wenn sich die europäischen Partner schon nicht auf ein koordiniertes Vorgehen einigen könnten. Das EDA teilte hingegen mit, dass sich die internationalen Bemühungen angesichts der Komplexität des Wiederaufbaus ergänzen würden. Der politisch-diplomatische Prozess werde in Lugano initiiert, die Konferenz stelle also nur den Beginn des Wiederaufbauprozesses dar.

Kurz vor Beginn der Konferenz unterzeichneten UVEK-Vorsteherin Simonetta Sommaruga und der ukrainische Umweltminister Ruslan Strilets ein bilaterales Klimaabkommen, das zusätzliche Mittel für den Klimaschutz mobilisieren soll.

Die Konferenz wurde am 4. Juli von Bundespräsident Cassis eröffnet, der in seiner Willkommensrede verlangte, dass sich der ursprüngliche Zweck der Konferenz (institutionelle Reformen) und der neue Zweck (zielgerichteter Wiederaufbau) ergänzen müssten. Obwohl Präsident Zelenskyy nur virtuell an der Konferenz teilnehmen konnte, war die Ukraine durch Premierminister Schmyhal prominent vor Ort vertreten. Das EDA teilte mit, dass in den folgenden beiden Tagen Gespräche über den Wiederaufbau- und Entwicklungsplan der Ukraine, die Beiträge der internationalen Partner, die Prinzipien des Wiederaufbaus aber auch separate Arbeitsgespräche in den Bereichen Wirtschaft, Soziales, Digitalisierung, Infrastruktur und Umweltschutz stattfinden würden. Die Konferenz wurde mit der Veröffentlichung der sogenannten «Lugano-Deklaration», die die wichtigsten Ergebnisse der Konferenz vorstellt, abgeschlossen. Das Dokument und die darin formulierten «Lugano-Prinzipien» diene als gemeinsamer Richtwert für die Zukunft und solle den weiteren Wiederaufbauprozess prägen, erklärte Cassis. Die Schlusserklärung verurteilte die russische Aggression, forderte den Rückzug aller russischen Truppen und verpflichtete die in Lugano anwesenden Staaten, die Ukraine kurz- und langfristig beim Wiederaufbau zu unterstützen.
Cassis stellte die sieben Kernprinzipien in seiner Abschlussrede vor: Partnerschaft: der Wiederaufbauprozess wird von der Ukraine gesteuert und mit internationalen Partnern vorangetrieben; Fokus auf Reformen: Wiederaufbau und der Ausbau von Reformen bedingen sich gegenseitig; Transparenz und Rechenschaftspflicht, eine unabhängige Justiz und die Bekämpfung von Korruption; Demokratische Partizipation unter Einbezug lokaler Gemeinschaften; Multi-Stakeholder Engagement: nationale und internationale Akteure werden miteinbezogen; Gleichheit, kein Ausschluss von Minderheiten; Nachhaltigkeit gemäss der Agenda 2030 und dem Abkommen von Paris, der Wiederaufbau und die Reformen beschränken sich nicht nur auf Infrastruktur und Institutionen sondern umfassen auch soziale, wirtschaftliche und ökologische Aspekte.

Die britische Aussenministerin Elizabeth Truss hatte schon zu Beginn der Konferenz angekündigt, dass 2023 eine weitere Konferenz durch das Vereinigte Königreich organisiert werde, Deutschland hatte verlauten lassen selbiges im Jahr 2024 zu tun und EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen hatte die Initiative für eine Wiederaufbau-Plattform vorgestellt, deren Grundstein die Lugano-Prinzipien darstellten.
Das EDA teilte im Anschluss an die Konferenz überdies mit, dass das SECO in Lugano zwei Abkommen mit der Weltbank und der EBWE abgeschlossen habe, die Beiträge von jeweils CHF 10 Mio. für deren Ukraine-Programme vorsähen. Dadurch sollten die nichtmilitärischen Kernfunktionen der Ukraine aufrechterhalten, das wirtschaftliche Reformprogramm an das Wiederaufbauprogramm angepasst und die Wettbewerbsfähigkeit ukrainischer KMUs erhalten werden. Zudem beschlossen das SECO und die DEZA, die Beiträge an die Ukraine bis Ende 2023 auf über CHF 100 Mio. zu verdoppeln und Bundespräsident Cassis kündigte an, CHF 15 Mio. für die digitale Transformation in der Ukraine zu sprechen.

Ukraine Reform Conference in Lugano
Dossier: Schweizer Reaktion auf die russischen Aggressionen in der Ukraine (ab 2014)

In der Sommersession 2022 folgte der Ständerat dem Nationalrat und nahm sechs gleichlautende Motionen für eine «vertrauenswürdige staatliche E-ID» an. Gerhard Andrey (gp, FR; Mo. 21.3124), Franz Grüter (svp, LU; Mo. 21.3125), Min Li Marti (sp, ZH; Mo. 21.3126), Jörg Mäder (glp, ZH; Mo. 21.3127), Simon Stadler (mitte, UR; Mo. 21.3128) sowie die FDP-Liberale-Fraktion (Mo. 21.3129) argumentierten übereinstimmend, dass die Volksabstimmung vom 7. März 2021 über die E-ID den Bedarf an einer staatlichen Lösung aufgezeigt habe. Auch die einstimmige RK-SR und der Bundesrat empfahlen die Motionen zur Annahme. Karin Keller-Sutter verwies überdies auf die schnelle Wiederaufnahme des Themas durch das EJPD nach dem Volks-Nein und stellte in Aussicht, dass noch im Sommer 2022 die Vernehmlassung zu einem neuen E-ID-Gesetz eröffnet werde. Ebenso sprach sich SGV-Präsident Hannes Germann (svp, SH) für eine staatliche Lösung aus, da es diese in Zusammenarbeit mit den Kantonen und Gemeinden ermögliche, die wichtigsten Behördendienstleistungen rund um die Uhr digital anzubieten. Medial äusserte sich beispielsweise auch Patrick Stähli, Präsident des Vereins Digitale Gesellschaft Schweiz, positiv und betonte, die Schweiz dürfe in diesem Bereich nicht abgehängt werden. Die Motionen wurden daraufhin stillschweigend überwiesen.

Vertrauenswürdige, staatliche E-ID (Mo. 21.3124, 21.3125, 21.3126, 21.3127, 21.3128 und 21.3129)
Dossier: Elektronische Identität

Das EDA teilte Mitte März 2022 mit, dass aufgrund des Kriegs in der Ukraine rund 12 Mio. Menschen auf humanitäre Nothilfe angewiesen seien. 3 Mio. Menschen seien in Nachbarländer geflüchtet, mehr als die Hälfte davon nach Polen. Der Corriere del Ticino berichtete zudem von rund 340'000 Flüchtenden, die bis zu diesem Zeitpunkt nach Moldawien gelangt seien. Um die Schweizer Hilfe zur Bewältigung der Flüchtlingsströme in der Ukraine und den Nachbarländern zu besprechen, reiste Bundespräsident Cassis am 21. und 22. März nach Polen und Moldawien. Einige Tage zuvor hatte der Bundesrat bereits die Entsendung eines Expertenteams des SKH nach Polen und Moldawien beschlossen.
Begleitet wurde Cassis dabei von einer grösseren Delegation, der APK-NR-Präsident Franz Grüter (svp, LU), SiK-NR-Mitglied Edith Graf-Litscher (sp, TG), Botschafter Manuel Bessler – der auch als Delegierter für humanitäre Hilfe und Chef des SKH amtete – und der Schweizer Botschafter für die Ukraine und Moldawien, Claude Wild, angehörten. Mit dem polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki tauschte sich Bundesrat Cassis in Warschau über die humanitäre Notlage in der Ukraine, die Fluchtbewegungen, die Lage in Polen und die humanitäre Hilfe der Schweiz aus. Am Rande der Unterhaltung wurden auch die bilateralen Beziehungen zwischen der Schweiz und Polen angesprochen. Cassis betonte, dass sich die Schweiz als Teil einer gemeinsamen Wertegemeinschaft mit der EU verstehe. Im Anschluss besuchte die Schweizer Delegation Einrichtungen für Flüchtende an der polnisch-ukrainischen Grenze. Tags darauf traf sich der Bundespräsident in Chișinău mit der moldawischen Präsidentin Maia Sandu. Im Zentrum der Gespräche stand die Frage, wie das Land die aktuelle Krise bewältigt und in welcher Art und Weise die Schweiz für Unterstützung sorgen könnte. Cassis versprach, nebst den bereits für die Region gesprochenen CHF 80 Mio. weitere CHF 2 Mio. an finanzieller Soforthilfe für Moldawien zur Verfügung zu stellen.

Auslandreise von Bundespräsident Cassis nach Polen und Moldova
Dossier: Schweizer Reaktion auf die russischen Aggressionen in der Ukraine (ab 2014)

Nur zwei Tage nach deren Behandlung im Ständerat kamen der Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2021, der Bundesbeschluss zur Änderung des Handelsabkommens mit dem Vereinigten Königreich sowie der Bundesbeschluss über die Genehmigung über zolltarifarische Massnahmen im Jahr 2021 in der Frühjahrssession 2022 in den Nationalrat. Claudia Friedl (sp, SG) beantragte dem Rat im Namen der APK-NR die Annahme der beiden Bundesbeschlüsse sowie die Kenntnisnahme des Berichts. Eine starke Kommissionsminderheit Nussbaumer (sp, BL) – unterstützt von der SP-Fraktion – verlangte die Rückweisung von Kapitel 4 des Berichts zu den Wirtschaftsbeziehungen mit der EU an den Bundesrat, damit dieser den Bericht bis zur Sommersession 2022 um einen Umsetzungs- und Verhandlungsplan für die Zukunftsfähigkeit des bilateralen Wegs ergänzt. Nationalrat Nussbaumer bedauerte, dass der Bundesrat den bilateralen Weg mit dem Abbruch der Verhandlungen über ein Rahmenabkommen blockiert habe. Er mahnte, dass man durch die Kenntnisnahme des Berichts die «Strategielosigkeit des Bundesrates» abnicken würde. Unterstützung erhielt Nussbaumer von der Fraktion der Grünen: Christine Badertscher (gp, BE) erklärte, dass ein zusätzlicher Bericht mit möglichen Lösungswegen sinnvoll sei. Zudem kritisierte sie, dass der Bundesrat wie schon im Aussenwirtschaftsbericht keine Zielkonflikte erwähnt habe – beispielsweise zwischen der Stärkung von Handel und der nachhaltigen Entwicklung – und dass die Themen Menschenrechte und Nachhaltigkeit generell zu wenig präsent seien. Auch die GLP-Fraktion erachtete das umstrittene Kapitel 4 des Berichts als unbefriedigend, weshalb sie die Minderheit unterstützen wollte.

Die Mehrheit der Kommission wollte jedoch von dieser Rückweisung absehen, da sich der Bundesrat sowieso dazu verpflichtet habe, den bilateralen Weg fortzuführen und weiterzuentwickeln, wie Kommissionssprecherin Friedl erklärte. Zwar bedauerte es die Mitte-Fraktion gemäss Elisabeth Schneider-Schneiter (mitte, BL), dass der Bericht wenig Informationen zu den Wirtschaftsbeziehungen mit der EU enthielt, dennoch wollte sie die Minderheit nicht unterstützen. Auch Hans-Peter Portmann (fdp, ZH) – und mit ihm die FDP-Fraktion – störten sich am EU-Kapitel des Berichts, weil der Bundesrat darin verlangte, dass schweizerisches Recht als gleichwertig zum EU-Recht anerkannt werden soll. Man könne von der EU nicht verlangen, die Schweiz nicht zu diskriminieren, während die Schweiz die EU beispielsweise beim Entsendegesetz seit Jahren diskriminiere. Trotz aller Kritik unterstützte aber auch die FDP-Fraktion den Rückweisungsantrag nicht. Zudem liess Portmann auch an der aktualisierten Version der Aussenwirtschaftsstrategie des Bundesrats, die im Bericht Erwähnung fand, kein gutes Haar. Diese sei «so ungenügend, wie nur etwas ungenügend sein kann», insbesondere weil sich die Strategie nicht zur Beziehung mit der EU äussere.
Aktiv gegen den Rückweisungsantrag wehrten sich hingegen Roland Rino Büchel (svp, SG) und mit ihm die gesamte SVP-Fraktion.
Der Nationalrat lehnte den Minderheitsantrag schliesslich mit 101 zu 76 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) ab und nahm den Bericht, der ansonsten unbestritten war, zur Kenntnis. Die beiden Bundesbeschlüsse zum Handelsabkommen mit dem Vereinigten Königreich und über die Genehmigung zolltarifarischer Massnahmen wurden einstimmig angenommen.

In den Schlussabstimmungen stimmten beide Räte dem Bundesbeschluss über die Genehmigung der Änderung des Handelsabkommens mit dem Vereinigten Königreich einstimmig zu. Keine Schlussabstimmungen bedurfte es zum Bundesbeschluss über die Genehmigung zolltarifarischer Massnahmen, da es sich hierbei um einen einfachen Bundesbeschluss handelt.

Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2021 und Botschaften zu Wirtschaftsvereinbarungen sowie Bericht über zolltarifarische Massnahmen

Knapp ein Jahr nach ihrer Schwesterkommission entschied die WAK-SR, der parlamentarischen Initiative Grüter (svp, LU) für eine Nichtberücksichtigung von Mineralölsteuersatz, Mineralölsteuerzuschlag und Importabgaben auf Treibstoffen für die Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer auf Treibstoffen keine Folge zu geben. Die Kommissionsmehrheit scheute vor allem den administrativen Aufwand einer entsprechenden Umsetzung sowie «zu hohe Vorsteuerabzüge» und somit hohe Steuerausfälle. Sie gab jedoch bekannt, die Problematik der Mehrwertsteuererhebung auf Leistungen mit staatlichen Abgaben weiter diskutieren zu wollen. Im Januar 2022 folgte die WAK-NR diesem Entscheid mit 13 zu 9 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) und empfahl dem Nationalrat, der Initiative keine Folge zu geben – dies obwohl sie selbst die Initiative im August 2020 noch gutgeheissen hatte.

In der Frühjahrssession 2022 behandelte der Nationalrat die Initiative zusammen mit einer parlamentarischen Initiative Hess (svp, BE; Pa.Iv. 21.434). Initiant Franz Grüter verwies auf den hohen Anstieg der Benzin- und Dieselpreise seit Einreichung seines Vorstosses und die dadurch entstehenden Probleme vor allem für Familien und Geringverdienende. Durch einen Verzicht auf Besteuerung der Abgaben auf Treibstoffe könnten ungefähr 7 Rappen pro Liter gespart werden, was jährlich etwa CHF 300 Mio. ausmache. Zudem widerspreche die Besteuerung der Abgaben dem Prinzip der Mehrwertsteuer, wie auch Minderheitensprecherin Amaudruz (svp, GE) betonte. Dem widersprach Kommissionssprecher Baumann (gp, BE): Mit der Mehrwertsteuer werde jeweils der von den Endverbrauchern bezahlte Betrag besteuert – inklusive Abgaben. Zudem sei eine Ausklammerung der Steuern und Abgaben bei der Mehrwertsteuerberechnung in der Praxis «sehr schwierig bis unmöglich» und mit grossem administrativem Aufwand für Unternehmen und Verwaltung verbunden. Mit 105 zu 84 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) gab der Nationalrat der parlamentarischen Initiative Hess Folge. Dagegen votiert hatten die Fraktionen der SP, der Grünen und der Grünliberalen sowie zwei Mitglieder der Mitte-Fraktion.

Stopp der missbräuchlichen MWST-Belastung auf Steuern und Abgaben bei Treibstoffen

Im März 2021 reichte Erich Hess (svp, BE) eine parlamentarische Initiative ein, mit der er die Erhebung von Mehrwertsteuern auf Steuern und Abgaben zukünftig verhindern wollte. Nachdem Franz Grüter (svp, LU; Pa.Iv. 19.405) 2019 eine ähnliche Forderung für den Treibstoffzuschlag eingereicht hatte, zielte Hess insbesondere auf die Bundesabgabe für die Förderung von erneuerbarer Energie und auf die CO2-Abgabe. Ganz allgemein sollten Mehrwertsteuern aber zukünftig durch eine Änderung des MWStG «nur noch auf effektiv geleistete Lieferungen und Dienstleistungen» und nicht mehr auf Steuern und Abgaben erhoben werden. In der Frühjahrssession 2022 gab der Nationalrat dem Vorstoss von Grüter, nicht aber demjenigen von Hess Folge.

Keine Mehrwertsteuern auf Steuern und Abgaben erheben

In der Frühjahrssession 2022 beriet der Nationalrat über das Postulat Friedl (sp, SG), das eine Strategie für die aktive Teilhabe von Frauen in der Entwicklungszusammenarbeit und Friedensförderung forderte. Roland Büchel (svp, SG), der das Postulat in der Sommersession 2021 bekämpft hatte, zeigte sich mit dem Inhalt des Vorstosses nicht einverstanden. Er lehnte das Anliegen ab, dass in der geforderten Strategie die sozioökonomischen Grundbedingungen für die aktive Teilhabe von Frauen in diesen Themenfeldern «garantiert» werden müssten. Auch an Friedls Aussage, wonach geschlechtsspezifische Auswirkungen von Krisen und Konflikten nur unter Mitarbeit von Frauen sichtbar gemacht werden könnten, störte er sich. Für das von Friedl geforderte geschlechtsspezifische Budget innerhalb der Verwaltung und in der Umsetzung der Entwicklungszusammenarbeit wolle er «das Portemonnaie der Steuerzahler» nicht öffnen. Aussenminister Cassis hingegen begrüsste das Anliegen des Postulats, da die Stärkung der sozioökonomischen Position und der Unabhängigkeit der Frauen bereits Teil der Strategie der internationalen Zusammenarbeit sei. Die Thematik werde zudem auch in der Gleichstellungsstrategie 2030 des Bundes behandelt. Um die in den verschiedenen strategischen und operationellen Dokumenten verstreuten Informationen zu bündeln und sich damit einen Überblick zu verschaffen, sei ein derartiger Bericht gut geeignet. Daher beantragte er die Annahme des Postulats. Der Nationalrat nahm den Vorstoss mit 110 zu 75 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) an. Dem Widerstand der SVP hatte sich auch eine Mehrheit der FDP.Liberalen-Fraktion angeschlossen.

Frauen in der Entwicklungszusammenarbeit und Friedensförderung (Po. 21.3122)

In der Frühjahrssession 2022 diskutierte der Nationalrat die Motion Walder (gp, GE), die vom Bundesrat einen Bericht über die Auswirkungen von Covid-19 auf die Vitalität des Netzwerks der internationalen Organisationen in der Schweiz und auf die Schweizer Gaststaatpolitik verlangte. Motionär Walder erhoffte sich vom Bundesrat auch, dass dieser neue Wege aufzeigen würde, wie sich die Gaststaatpolitik weiterentwickeln könnte. Er befürchtete nämlich, dass die Pandemie langfristig zu mehr «Homeoffice» in den internationalen Organisationen und somit zu einem Rückgang der Präsenzversammlungen und einer Schwächung des internationalen Netzwerks der Schweiz führen könnte. SVP-Nationalrat Büchel (svp, SG) war zwar mit Walders Aussagen einverstanden, hinterfragte aber die Notwendigkeit des Postulats, da der Bundesrat die von Walder aufgestellten Fragen im anstehenden Bericht zur Gaststaatpolitik 2024-2027 bearbeiten wolle. Der in der Ratssitzung anwesende Aussenminister Cassis erklärte dem Nationalrat, dass es im Endeffekt keine Rolle spiele, ob das Postulat angenommen werde oder nicht, weil das Thema sowieso in der Gaststaatstrategie behandelt werde. Trotz dieser Indifferenz beantrage der Bundesrat die Annahme des Postulats, auch weil gemäss Cassis «die Kunst der Debatte», «die Kunst der Zeichen» und die Aussenwirkung mitentscheidend seien. Der Nationalrat nahm den Vorstoss mit 134 zu 56 Stimmen gegen den Willen der SVP-Fraktion an.

Auswirkungen von Covid-19 auf die Vitalität des Netzwerks der internationalen Organisationen in der Schweiz und auf die Schweizer Gaststaatpolitik (Po. 21.3791)

Franz Grüter (svp, LU) verlangte im September 2020 mittels einer Motion die zwingende Entscheidungshoheit des Parlaments für Entscheidungen betreffend Kapitel VII der UNO-Charta für den Zeitraum, in dem die Schweiz einen Sitz im UNO-Sicherheitsrat innehat. Die in Kapitel VII enthaltenen Massnahmen gehörten zu den einschneidensten der internationalen Politik und könnten über Leben oder Tod entscheiden sowie die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes bestimmen, argumentierte Grüter. Da sich die Schweiz in der Verfassung zur Wahrung ihrer Neutralität verpflichtet habe, müsse dem Parlament die Deutungshoheit über die Konsequenzen der Massnahmen in Kapitel VII überlassen werden, meinte er. Kapitel VII mit dem Titel «Massnahmen bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen» der UNO-Charta regelt das Vorgehen bei wirtschaftlichen und militärischen Zwangsmassnahmen gegen Staaten.
Der Bundesrat erklärte in seiner Stellungnahme, dass er der APK-SR in Erfüllung eines ihrer Postulate (Po. 19.3967) aufgezeigt habe, wie das Parlament beim Einsitz der Schweiz im Sicherheitsrat eingebunden werden könne. Zudem habe er in Erfüllung eines Postulats der APK-NR (Po. 13.3005) dargelegt, dass die Schweizer Neutralität mit dem Sitz im UNO-Sicherheitsrat vereinbar sei. Für den unvorhergesehenen Fall, dass der Sicherheitsrat militärische Durchsetzungsmassnahmen oder neue Sanktionsregime beschliessen sollte, würde der Bundesrat die Präsidien der aussenpolitischen Kommissionen konsultieren. Eine Konsultation der gesamten Kommission oder gar der ganzen Bundesversammlung sei nicht praktikabel, weil Entscheide zum Abstimmungsverhalten in diesen Situationen rasch zu fällen seien. Sollten sich Kapitel VII-Massnahmen im Voraus ankündigen, würde das EDA diese im Rahmen des regulären Austausches mit den APK thematisieren. Der Bundesrat beantragte daher die Ablehnung der Motion.
In der Frühjahrssession 2022 wiederholte Aussenminister Cassis die Standpunkte des Bundesrats und erklärte, dass der Ukraine-Konflikt ein solcher Fall sei, in dem die APK an jeder Sitzung über die Diskussion im Sicherheitsrat informiert würden. Die Volkskammer lehnte die Motion in der Folge mit 137 zu 53 Stimmen (bei 1 Enthaltung) ab. Nur die SVP-Fraktion unterstützte den Vorstoss.

Zwingende Entscheidungshoheit des Parlaments für Entscheidungen betreffend Kapitel VII der UNO-Charta

Die Demokratie sei «infiziert», das Virus schnüre «den Volksrechten die Luft ab» oder die direkte Demokratie sei «in Gefahr», titelten verschiedene Medien die Diskussionen um die Auswirkung von Covid-19 auf die Sammlung von Unterschriften für Referenden und Volksinitiativen. In der Tat hatte der Bundesrat während des ersten Lockdowns einen Fristenstillstand beschlossen – zwischen 21. März und 31. Mai 2020 war das Sammeln von Unterschriften verboten. Zwar wurden in der Folge die üblichen Sammelfristen um diese fehlenden 72 Tage verlängert, die Komitees beklagten sich aber, dass das Sammeln von Unterschriften wegen Abstandsregeln, Versammlungs- und Veranstaltungsverboten stark erschwert sei. Leute, die für eine Unterschrift angesprochen würden, hätten teilweise «geharnischt reagiert», gab etwa Franz Grüter (svp, LU) zu Protokoll, der für seine Initiative für ein «E-Voting-Moratorium» Unterschriften sammelte. Man sei deshalb mit der Sammlung «massiv in Rückstand geraten». In der Tat gelte die Initiative, die einen Stopp der Versuche für E-Voting verlangt hätte, als «erste Volksinitiative», die von Corona gestoppt worden sei, wie die Aargauer Zeitung Ende Juni 2020 vorrechnete.

Verschiedene Komitees gelangten in der Folge mit einem Brief an den Bundesrat, in dem sie eine Verlängerung der Sammelfristen forderten. Trotz Unterstützung der SPK-NR stiess die Forderung bei der Regierung auf taube Ohren. In den Medien wurde einerseits dieser Entscheid kritisiert, andererseits die Argumentation des Bundesrates unterstützt, wonach ein Eingriff des Bundesrates per Notrecht in die Verfassung, wo die Fristen definiert sind, ein «gefährliche[s] Präjudiz» darstelle. Hingegen setzte der Bundesrat im Rahmen der Beratungen um das Covid-19-Gesetz in der Herbstsession 2020 die von Thomas Minder (parteilos, SH) vertretene Forderung um, die Stimmrechtsbescheinigungen zu erlassen. In der Folge konnten die Komitees also darauf verzichten, innerhalb der ihnen zur Verfügung stehenden Frist die gesammelten Unterschriften von den Gemeinden beglaubigen zu lassen. Für eine befristete Dauer sollte die Bundeskanzlei die Beglaubigung nach Ablauf der Fristen durchführen. Damit bleibe den Komitees «100 Tage Zeit fürs Sammeln, wie es in der Verfassung steht, und nicht nur 80», freute sich Daniel Graf, Gründer der Unterschriftensammelplattform «WeCollect» in der NZZ – freilich war jedoch 2013 die ursprüngliche Frist von 90 Tagen wegen des Aufwands der Stimmrechtsbescheinigung um 10 Tage verlängert worden.

Trotz dieser Massnahme des Bundesrates kämen wohl viele Volksbegehren nicht zustande, weil die «Face-to-Face-Demokratie [...] völlig eingebrochen» sei, erörterte etwa Oswald Sigg gegenüber den Medien, der für den erneuten Anlauf für seine Initiative «für ein bedingungsloses Grundeinkommen» Unterschriften sammelte. Entsprechend versuchten es verschiedene Komitees auch mit neuen Sammelformen. So wurden beispielsweise vermehrt Sammelplattformen wie etwa «WeCollect» bemüht. Das Komitee, das – letztlich erfolglos – ein Referendum gegen die Covid-19-App lancierte, schaltete gar in verschiedenen Regionalzeitungen Anzeigen mit Unterschriftenbogen.
Als Folgen der Schwierigkeiten des Sammelns machten die Medien nicht nur ein vermehrtes Scheitern an den Sammelhürden aus, sondern auch einen merklichen Rückgang der Zahl lancierter Volksbegehren. In der Tat wurden 2020 lediglich vier Initiativen lanciert – im Schnitt wurden seit 1979 für doppelt so viele Begehren pro Jahr Unterschriftensammlungen gestartet. Diskutiert wurde in den Medien zudem, dass die Balance zwischen direkter und repräsentativer Demokratie aus dem Gleichgewicht geraten könnte, wenn schwächer werdende Referendumsdrohungen dem Parlament mehr Spielraum lassen würden. Freilich nahm die Zahl ergriffener Referenden gar eher wieder zu und auch die Lancierung neuer Volksbegehren stieg ab 2021 wieder an: 2021 wurden neun neue Volksbegehren lanciert.

Dass die direkte Demokratie unter der Pandemie leide, zeige auch die Absage der Landsgemeinden in den Kantonen Glarus und Appenzell-Innerrhoden, urteilte die NZZ Ende August 2020. In Appenzell Innerrhoden, wo die Landsgemeinde 2020 und 2021 durch Urnengänge ersetzt wurde, wurde eine Stimmrechtsbeschwerde eingereicht. Diese wurde Anfang März 2022 vom Bundesgericht allerdings abgewiesen.

Unterschriftensammlung - Probleme
Dossier: Covid-19 und Volksrechte

Im April 2021 eröffnete der Bundesrat das Vernehmlassungsverfahren für die Revisionen der Verordnungen über die politischen Rechte, die für eine Neuausrichtung des Versuchsbetriebs von E-Voting nötig waren. Die Ende Jahr vorliegenden Stellungnahmen fielen mehrheitlich positiv aus. Der Bundesrat kündigte an, die revidierten Verordnungen auf der Grundlage der Vernehmlassung bis Mitte 2022 bereinigen zu wollen.

Die Medien hatten die vorgeschlagenen Neuerungen freilich schon im April, also noch vor der Vernehmlassung, mit einigem Wohlwollen kommentiert. Insbesondere der Umstand, dass die neuen Systeme hohen Sicherheitsanforderungen gerecht werden müssen und dank ihrer Open-Source-Struktur mittels sogenanntem «Bug Bounty» ständig überprüft werden, wurde gelobt: Wird von Hackerinnen oder Hackern ein Fehler entdeckt und gemeldet, gibt es dafür eine Belohnung. Auch die Begleitung der Umsetzung durch Wissenschafterinnen und Wissenschafter wurde von den Medien ausdrücklich gelobt.

Auch die Post, die nach dem Rückzug des Kantons Genf als einzige Anbieterin eines E-Voting-Systems fungierte, bezog laut eigenen Angaben internationale Expertinnen und Experten bei der Entwicklung ihres neuen Systems mit ein. In Neuenburg hatte sie hierfür ein «E-Voting-Kompetenzzentrum» aufgebaut. Anfang September 2021 legte die Post einen Teil ihres Systems offen und versprach eine Belohnung von CHF 250'000 für die Aufdeckung eines gravierenden Systemmangels in diesem Teilsystem. Auch der Bund hatte im Juli angekündigt, das System der Post von unabhängiger Seite überprüfen zu lassen. Die Überprüfung, die von verschiedenen in- und ausländischen IT-Expertinnen und Experten vorgenommen werden und dem Bund Entscheidungsgrundlagen liefern sollten, werde mehrere Monate in Anspruch nehmen, gab der Bundesrat in einer Medienmitteilung bekannt. Dass externe Gutachterinnen und Gutachter für die Überprüfung durch den Bund beigezogen werden, war in der revidierten Verordnung über die politischen Rechte neu geregelt worden.

Grundsätzlich kritisch blieben die Gegnerinnen und Gegner von E-Voting. Franz Grüter (svp, LU), der sich früh als Skeptiker gezeigt und auch die 2020 gescheiterte Volksinitiative für ein «E-Voting-Moratorium» mitlanciert hatte, gab der WoZ zu Protokoll, dass er das Vorhaben weiterhin «scharf beobachte» und in allen Sicherheitsfragen absolute Transparenz verlange. Auch wenn die Initiative an der Unterschriftenhürde gescheitert sei, bestehe immer noch die Möglichkeit eines Referendums. Die Stimmbevölkerung müsse bei der letztlichen Einführung von E-Voting das letzte Wort haben, so Grüter.

Ende Jahr zeigte eine in Le Temps publizierte Umfrage von Deloitte Consulting, dass die Skepsis in der Bevölkerung kleiner scheint, als von den Gegnerinnen und Gegnern angenommen: 84 Prozent der Befragten begrüssten eine Einführung von E-Voting und eine Mehrheit der Antwortenden wünschte sich ein System, das nicht von Privaten, sondern vom Bund betrieben wird.

«Vote électronique» – Kritik und gesellschaftliche Debatte von 2015 bis 2022
Dossier: Vote électronique

Ein «Harakiri für die Presse» seien ihre «Fake News über den Rücktritt von Ueli Maurer» gewesen, urteilte die Weltwoche über eine recht eindrückliche Zeitungsente Ende Oktober 2021. Zwar gab es in den Medien spätestens seit dem siebzigsten Geburtstag Maurers Ende 2020 immer wieder Spekulationen über eine mögliche Demission des SVP-Finanzministers. Bereits Ende 2020 hatten von Maurer etwas überraschend vorgenommene Personalrochaden im Finanzdepartement (Sonntagsblick) oder Informationen von «bundesratsnahe[n] Quellen» (Blick) zu Spekulationen um einen Rücktritt geführt. Letztere Quellen hatten angegeben, Maurer trete zurück, sollte das Rahmenabkommen mit der EU durchkommen, um dann den Widerstand der SVP anzuführen (Weltwoche). Maurer selber schloss damals freilich in Interviews nicht aus, 2023 gar noch eine weitere Legislatur anzuhängen.
Ende Oktober 2021 brachte die Aargauer Zeitung in einem Online-Artikel erneut das Gerücht in Umlauf, Ueli Maurer werde tags darauf zurücktreten. Sie stützte sich dabei auf einen nicht genannten Nationalrat, der zu Protokoll gab, dass es «klare Anzeichen dafür [gebe], dass die Bundesratssitzung vom Freitagmorgen anders ablaufen werde als gewöhnlich». Weil Maurer am Vortag nicht am SVP-Fraktionsausflug teilgenommen habe, scheine eine Demission naheliegend, urteilte daraufhin der Blick. Am folgenden Tag übernahmen sämtliche Leitmedien – mit Ausnahme der NZZ – die Meldung und vermuteten, dass der Finanzchef gleichentags seinen Rücktritt wohl auf Ende 2021 ankündigen werde. Der Tages-Anzeiger und die Aargauer Zeitung präsentierten gar mögliche Nachfolgerinnen und Nachfolger Maurers und porträtierten Albert Rösti (svp, BE), Franz Grüter (svp, LU), Gregor Rutz (svp, ZH) oder Natalie Rickli (ZH, svp) als Favoritinnen und Favoriten. Auch bei der SP tuschle man über mögliche Rücktritte, ging die Aargauer Zeitung gar noch einen Schritt weiter. Le Temps vermutete, dass es Maurer müde sei, seine Kritik an den Corona-Massnahmen wegen des Kollegialprinzips zurückhalten zu müssen.
Allerdings blieb die von den zahlreich anwesenden Medienschaffenden erwartete Rücktrittsankündigung nach der Bundesratssitzung aus. Dies sei keine «Sternstunde des Journalismus» gewesen, bilanzierte der Sonntagsblick. Die Aargauer Zeitung sprach von Gerüchten, die sich «zerschlugen». Maurer habe zudem stets gesagt, nur auf das Ende einer Legislatur zurücktreten zu wollen. Auch die NZZ meldete sich zu Wort. In einem Interview in der NZZ am Sonntag erklärte Maurer, dass ein Rücktritt «kein Thema» sei. Ausgiebig sezierte die Neue Zürcher Zeitung die «Zeitungsente des Jahres», wie sie vom Nebelspalter betitelt wurde. Am Freitag nach dem ersten Gerücht seien in der Schweizerischen Mediendatenbank über drei Dutzend Beiträge zum Rücktritt registriert worden und die grüne Fraktion habe gar eigens eine Sondersitzung einberufen, um darauf «vorbereitet» zu sein, einen Bundesratssitz anzugreifen. Als Ursprung des Gerüchts machte die NZZ einen Journalisten des Tages-Anzeigers aus, der mehrere Nationalratsmitglieder über mögliche Nachfolger Maurers befragt habe, was diese wohl zur irrigen Meinung geführt habe, der Finanzminister trete zurück. Denkbar sei auch, dass die SVP das Gerücht gestreut habe, um die eigenen Kandidierenden zu testen, so die NZZ. Die Weltwoche vermutete hingegen, dass SP-Politikerinnen und -Politiker darin eine Chance gewittert hätten, mit dem Gerücht von der «Affäre Berset» abzulenken.

Rücktritt von Ueli Maurer?

Die APK-NR reichte im August 2021 eine Motion ein, welche verlangte, dass der Bundesrat bis zur Wintersession 2021 eine Finanzierungsbotschaft für die Schweizer Teilnahme am EU-Austauschprogramm Erasmus plus vorlegen soll. Die Kommission war der Ansicht, dass sich der Bundesrat bislang zu wenig für eine Schweizer Assoziierung an dieses Programm eingesetzt habe, obwohl er sich bereits für eine Teilnahme ausgesprochen hatte – beispielsweise im Rahmen der im Jahr 2017 überwiesenen Motion der WBK-SR mit dem Titel «Vollassoziierung an Erasmus plus ab 2021». Eine Kommissionsminderheit Köppel (svp, ZH) beantragte die Ablehnung der Motion.
Der Bundesrat schloss sich dem Antrag der Minderheit an. Er strebe zwar weiterhin die Teilnahme der Schweiz an dem Austauschprogramm an, jedoch seien davor noch einige Punkte zu klären. Zum einen betrachte die EU eine Assoziierung im Rahmen der Gesamtbeziehungen Schweiz-EU und sei bisher noch nicht bereit gewesen, mit der Schweiz exploratorische Gespräche über die wichtigsten Eckpunkte einer Assoziierung zu beginnen. Zum anderen sei die Deblockierung des Schweizer Beitrags an ausgewählte EU-Staaten eine Grundbedingung der EU für eine Assoziierung an Erasmus plus. Vor diesem Hintergrund sei es nicht realistisch, innert weniger Monate eine Finanzierungsbotschaft zu erarbeiten, zumal auch die Höhe der finanziellen Beteiligung noch nicht geklärt sei.
Der Nationalrat beschäftigte sich in der Herbstsession 2021 mit dem Vorstoss, wobei Nicolas Walder (gp, GE) und Christa Markwalder (fdp, BE) die Motion präsentierten. Walder wies darauf hin, dass sich auch das Parlament schon mehrmals für eine Assoziierung ausgesprochen habe und es deshalb wirklich an der Zeit sei, dass der Bundesrat eine Botschaft vorlege. Das bundesrätliche Argument, dass die finanziellen Bedingungen noch nicht geklärt seien, liess Walder nicht gelten. Die Höhe der Schweizer Beteiligung könne anhand der Berechnungen, welche für die EWR-Staaten bereits vorgenommen worden seien, eruiert werden. Christa Markwalder ergänzte, dass die europäischen Mobilitätsprogramme «für die Erweiterung des Erfahrungshorizonts der jungen Generationen zentral» seien. Die bilateral getroffenen Hochschulvereinbarungen vermöchten diese Austauschprogramme nicht zu ersetzen, schloss Markwalder. Franz Grüter (svp, LU), welcher die Minderheit Köppel vertrat, sah dies anders. Für ihn stand ausser Frage, dass die bestehenden Alternativprogramme der Schweizer Hochschulen von grosser Qualität seien. Zudem seien diese Alternativen auf weltweiten Austausch ausgerichtet; dies sei sehr wichtig, da sich viele renommierte Hochschulen ausserhalb Europas befänden. Erasmus plus hingegen sei teuer, unflexibel und bürokratisch. Hinzu komme der Fakt, dass die EU – wie vom Bundesrat erläutert – selber noch gar keinen Willen gezeigt habe, der Schweiz eine Assoziierung anzubieten. Diese Worte vermochten jedoch nicht über die SVP-Fraktion hinaus zu mobilisieren. Der Nationalrat nahm die Motion mit 131 zu 48 Stimmen deutlich an.

Finanzierungsbotschaft für die Schweizer Teilnahme an Erasmus plus (Mo. 21.3975)
Dossier: Erasmus und Horizon

Etwa anderthalb Stunden diskutierte der Nationalrat in der Herbstsession 2021 über die Freigabe des zweiten Kohäsionsbeitrags an die EU. Die APK-NR empfehle, den Vorschlag des Bundesrats anzunehmen und mit dem Entscheid einem «konstruktiven Ansatz in der Europapolitik Raum zu geben», teilte Kommissionssprecher Nussbaumer (sp, BL) zu Beginn der Debatte mit. Die Kommission wolle den Bundesbeschluss zur Freigabe der Kohäsionsmilliarde jedoch dahingehend ergänzen, dass Verpflichtungen auf Grundlage des Kohäsionskredits erst eingegangen würden, nachdem der Bundesrat die Finanzierungsbotschaft zur Schweizer Teilnahme an Erasmus plus vorgelegt hat. Um diesen Prozess zu beschleunigen, hatte die APK-NR Anfang September 2021 eine entsprechende Kommissionsmotion eingereicht.
Obwohl sich alle Fraktionen mit Ausnahme der SVP für die Annahme des Bundesbeschlusses aussprachen, benötigten die Mitglieder des Nationalrats in der Folge viel Sitzfleisch, bis sie eine Entscheidung treffen konnten. So wehrte sich die SVP-Fraktion vehement gegen das Anliegen der Kommissionsmehrheit, wobei ihre Mitglieder zahlreiche Fragen an die Rednerinnern und Redner stellten und dem Rat mehrere Minderheitsanträge vorlegten. Thomas Aeschi (svp, ZG) etwa wollte von Kommissionssprecher Nussbaumer wissen, weshalb die APK-NR trotz weiterer Diskriminierungen die Freigabe unterstütze. Er beklagte die fehlende Assoziierung an Horizon Europe und an Erasmus plus sowie die Probleme im gesamten Strombereich und beim Mutual Recognition Agreement (MRA). Nussbaumer erklärte die Entscheidung der Kommission damit, dass man mit dem Entscheid ein neues Kapitel in den bilateralen Beziehungen aufschlagen könne. Zwei Minderheitsanträge von Roger Köppel (svp, ZH) verlangten, nicht auf das Geschäft einzutreten respektive keine Verpflichtungen auf Grundlage des Rahmenkredits einzugehen, bis die Schweiz an Horizon Europe assoziiert sei oder die Börsenäquivalenz wiederhergestellt worden sei. Eine Minderheit Nidegger (svp, GE) wollte die Vorlage an den Bundesrat rücküberweisen und ihn beauftragen, die Kohäsionsmilliarde für die Sanierung der AHV zu verwenden. Franz Grüter (svp, LU) schlug mit seinem Einzelantrag vor, den Beschluss dem fakultativen Referendum zu unterstellen.
Überdies legten die Sprecherinnen und Sprecher aller Fraktionen deren Position ausführlich dar. So warf etwa Sibel Arslan (basta, NR) für die Grüne Fraktion sowohl der Schweiz wie auch der EU vor, Fehler gemacht zu haben, sah den finalen Fehltritt aber auf Schweizer Seite, und zwar im Abbruch der Verhandlungen über das Rahmenabkommen. Die Freigabe der Kohäsionsmilliarde erachtete sie als einen Schritt zur Normalisierung und als Erfüllung eines längst gemachten Versprechens. Da die Motion der APK-NR zur Finanzierungsbotschaft von Erasmus plus bereits angenommen worden war, forderte sie in einem Minderheitsantrag die Streichung der entsprechenden Bedingung. Ähnlich tönte es auch von SP-Sprecher Molina (sp, ZH), der das Ende der Verhandlungen ebenfalls als «verantwortungslos» kritisierte. Auch aus Sicht der GLP sei der Verhandlungsabbruch ein «grosser Fehler» gewesen, meinte Roland Fischer (glp, LU). Die Schweiz profitiere enorm vom europäischen Binnenmarkt und zahle im Verhältnis zu Norwegen sehr wenig für den Zugang. Die FDP setze sich für die Freigabe des Kohäsionsbeitrags ein, um die Negativspirale im Verhältnis zur EU zu durchbrechen, erklärte Christa Markwalder (fdp, BE). Auch sie sprach das überaus günstige Kosten-Nutzen-Verhältnis an, dass die Schweiz im Hinblick auf die Verflechtung mit dem Binnenmarkt aufweise. Eine Verringerung der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten wirke sich über die europaweiten Bildungs-, Forschungs- und Kulturkooperationen auch positiv auf die Schweiz aus. Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (mitte, BL) hob die Bedeutung der Kohäsionszahlung für das Vorankommen im Horizon-Dossier hervor. Die Nichtassoziierung der Schweiz sei zwar diskriminierend und die Verknüpfung mit der Kohäsionsmilliarde «unschön», doch rechtlich gesehen stehe die EU nicht in der Pflicht, Abkommen mit der Schweiz zu aktualisieren. Auch die Mitte-Fraktion unterstütze die Freigabe des Beitrags sowie den Minderheitsantrag Arslan, gab sie bekannt. Nationalrat Grüter vertrat schliesslich die Ansicht, dass die Schweiz der EU nichts schulde, da die EU massiv von der Schweiz als Handels- und Wirtschaftspartnerin profitiere. Er bemängelte zudem, dass der Bundesbeschluss der Schweizer Bevölkerung nicht zur Abstimmung vorgelegt worden war.
Der im Rat anwesende Aussenminister Cassis drängte die grosse Kammer zur Freigabe der Zahlung, weil man nur so eine positive Verhandlungsdynamik schaffen und Fortschritt in anderen Dossiers erzielen könne. Für die plötzliche Kehrtwende trotz andauernder Diskriminierung der EU im Rahmen der aberkannten Börsenäquivalenz habe der Bundesrat zwei Gründe, erklärte Cassis: Einerseits hätten die Schutzmassnahmen für die Schweizer Börseninfrastruktur die Situation entspannt, andererseits sei die Rechtsgrundlage für den zweiten Kohäsionsbeitrag auf Ende 2024 befristet. Den Einzelantrag von Franz Grüter empfahl er zur Ablehnung, da Finanzgeschäfte gemäss Parlamentsgesetz in Form von einfachen Bundesbeschlüssen erlassen würden – so etwa auch 2019, als das Parlament die Rahmenkredite der zweiten Kohäsionszahlung genehmigt hatte.
Die grosse Kammer lehnte in der Folge sämtliche Minderheitsanträge der SVP ab, strich aber gemäss der Forderung von Sibel Arslan die Verknüpfung mit der Finanzierungsbotschaft für Erasmus plus. Spätabends wurde der Entwurf in der Gesamtabstimmung mit 131 zu 55 Stimmen (bei 1 Enthaltung) gegen den Willen der SVP-Fraktion und einiger Fraktionsmitglieder der Mitte angenommen.

Der zweite Schweizer Beitrag an ausgewählte EU-Mitgliedstaaten (Zweite Kohäsionsmilliarde)
Dossier: Schweizer Beitrag an die erweiterte EU

Der Ständerat beschäftigte sich im Rahmen der Herbstsession 2021 mit der Motion Grüter (svp, LU), die den Bundesrat beauftragen wollte, die Zahl der ausgesteuerten Arbeitnehmenden in die Arbeitslosenstatistik aufzunehmen. Die dafür zuständige SGK-SR beantragte mit 7 zu 4 Stimmen (bei 1 Enthaltung), die Motion abzulehnen. Kommissionssprecher Peter Hegglin (mitte, ZG) erklärte, dass eine Aufnahme der Ausgesteuerten in die Statistik deren weitere Anmeldung beim RAV notwendig machen würde. Zudem wäre durch eine solche Änderung die zeitliche Kontinuität der Statistik nicht mehr gewährleistet. Der Ständerat lehnte die Motion stillschweigend ab, womit das Geschäft erledigt war.

Motion "Aufnahme der Ausgesteuerten in die Arbeitslosenstatistik"

Weil zwar das Büro-NR nicht aber das Büro-SR der parlamentarischen Initiative von Sidney Kamerzin (mitte, VS) für ein papierloses Parlament Folge geben wollte, wurde der Vorstoss in der Herbstsession im Nationalrat behandelt. Der Initiant hatte seinen Vorstoss mit den Erfahrungen der Corona-Krise begründet, die gezeigt habe, dass es dank Digitalisierung möglich sei, den Parlamentsbetrieb mit digital erstellten, verschickten und bearbeiteten Unterlagen zu organisieren. Das papierlose Parlament sei auch aus Umweltgründen anzustreben.
Nachdem das Büro-SR der Initiative im Mai 2021 mit 2 zu 1 Stimme (bei 2 Enthaltungen) keine Folge geben wollte, beharrte das Büro-NR Mitte September 2021 auf seinem ursprünglich im Februar 2021 mit 7 zu 5 Stimmen gefassten Entscheid zu Gunsten der Vorlage und empfahl dem Nationalrat diesmal mit 7 zu 4 Stimmen der Initiative Folge zu geben. Obwohl bereits entsprechende Digitalisierungsarbeiten im Rahmen von «Curia plus» in Gang seien, solle rasch an den Erfahrungen aus der ausserordentlichen Session in der BernExpo angeknüpft werden, wo alle Dokumente digital zur Verfügung standen. Die Kommissionsmehrheit verspreche sich mit der Annahme der parlamentarischen Initiative auch mehr Druck für die Umsetzung der Motion Frehner (svp, BS, Mo. 17.4026), die den digitalen Ratsbetrieb verlange und am Ursprung von Curia plus stehe. Eine FDP-SVP-Kommissionsminderheit sah hier jedoch keine Notwendigkeit. Im Gegenteil könnte eine rasche Umsetzung von Curia plus eher verhindert werden, wenn weitere Arbeiten in Angriff genommen werden müssten.
In der Ratsdebatte warb Sidney Kamerzin neben mehr Effizienz und Umweltschutz auch mit mehr Geschwindigkeit und Sicherheit für sein Anliegen, die mit Digitalisierung möglich würden. In den kantonalen Parlamenten von Genf, Zürich und Wallis sei das papierlose Parlament zudem bereits umgesetzt. Ein Freund von ihm habe ihm versichert: «Wenn uns dies im Wallis gelungen ist, kann es jeder.»
Für die Kommissionsminderheit ergriff Roland Rino Büchel (svp, SG) das Wort. Der Vorstoss sei «für die Galerie» und komme einer Zwängerei gleich. Es müsse verhindert werden, dass das Projekt Curia plus verzögert werde. Nur ein Nein zur Initiative Kamerzin sei ein Ja zu Digitalisierung. Dieses Nein kam allerdings nur seitens der geschlossenen SVP-, einer Mehrheit der FDP- und einer kleinen Minderheit der Mitte-Fraktion. Die 72 Nein-Stimmen reichten gegen die 101 Ja-Stimmen nicht aus (9 Enthaltungen). Damit muss sich die kleine Kammer nun zum Anliegen äussern.

Papierloses Parlament (Pa.Iv. 20.442)

Via une motion, le conseiller national Thomas Aeschi (udc, ZG) demandait au Conseil fédéral de renoncer à l'abandon forcé de la diffusion FM prévu entre 2022 et 2023, ceci pour donner plus de temps aux utilisateurs et utilisatrices pour passer au DAB+ ou à la diffusion via internet, en particulier les personnes âgées, les automobilistes ou les touristes.
Les diffuseurs de radio et la SSR ayant annoncé fin août 2021 revenir à leur décision initiale de ne plus diffuser de programmes FM à partir du 31 décembre 2024, les exigences de la motion étaient remplies. Le parlementaire zougois a alors retiré son intervention, comme son camarade de parti Franz Grüter, qui avait déposé un objet similaire.

Non à la fermeture forcée de tous les émetteurs FM de Suisse (Mo. 21.3554)
Dossier: Diskussionen über die Ausschaltung von UKW