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  • Grüter, Franz (svp/udc, LU) NR/CN
  • Wettstein, Felix (gp/verts, SO) NR/CN

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Im April 2021 eröffnete der Bundesrat das Vernehmlassungsverfahren für die Revisionen der Verordnungen über die politischen Rechte, die für eine Neuausrichtung des Versuchsbetriebs von E-Voting nötig waren. Die Ende Jahr vorliegenden Stellungnahmen fielen mehrheitlich positiv aus. Der Bundesrat kündigte an, die revidierten Verordnungen auf der Grundlage der Vernehmlassung bis Mitte 2022 bereinigen zu wollen.

Die Medien hatten die vorgeschlagenen Neuerungen freilich schon im April, also noch vor der Vernehmlassung, mit einigem Wohlwollen kommentiert. Insbesondere der Umstand, dass die neuen Systeme hohen Sicherheitsanforderungen gerecht werden müssen und dank ihrer Open-Source-Struktur mittels sogenanntem «Bug Bounty» ständig überprüft werden, wurde gelobt: Wird von Hackerinnen oder Hackern ein Fehler entdeckt und gemeldet, gibt es dafür eine Belohnung. Auch die Begleitung der Umsetzung durch Wissenschafterinnen und Wissenschafter wurde von den Medien ausdrücklich gelobt.

Auch die Post, die nach dem Rückzug des Kantons Genf als einzige Anbieterin eines E-Voting-Systems fungierte, bezog laut eigenen Angaben internationale Expertinnen und Experten bei der Entwicklung ihres neuen Systems mit ein. In Neuenburg hatte sie hierfür ein «E-Voting-Kompetenzzentrum» aufgebaut. Anfang September 2021 legte die Post einen Teil ihres Systems offen und versprach eine Belohnung von CHF 250'000 für die Aufdeckung eines gravierenden Systemmangels in diesem Teilsystem. Auch der Bund hatte im Juli angekündigt, das System der Post von unabhängiger Seite überprüfen zu lassen. Die Überprüfung, die von verschiedenen in- und ausländischen IT-Expertinnen und Experten vorgenommen werden und dem Bund Entscheidungsgrundlagen liefern sollten, werde mehrere Monate in Anspruch nehmen, gab der Bundesrat in einer Medienmitteilung bekannt. Dass externe Gutachterinnen und Gutachter für die Überprüfung durch den Bund beigezogen werden, war in der revidierten Verordnung über die politischen Rechte neu geregelt worden.

Grundsätzlich kritisch blieben die Gegnerinnen und Gegner von E-Voting. Franz Grüter (svp, LU), der sich früh als Skeptiker gezeigt und auch die 2020 gescheiterte Volksinitiative für ein «E-Voting-Moratorium» mitlanciert hatte, gab der WoZ zu Protokoll, dass er das Vorhaben weiterhin «scharf beobachte» und in allen Sicherheitsfragen absolute Transparenz verlange. Auch wenn die Initiative an der Unterschriftenhürde gescheitert sei, bestehe immer noch die Möglichkeit eines Referendums. Die Stimmbevölkerung müsse bei der letztlichen Einführung von E-Voting das letzte Wort haben, so Grüter.

Ende Jahr zeigte eine in Le Temps publizierte Umfrage von Deloitte Consulting, dass die Skepsis in der Bevölkerung kleiner scheint, als von den Gegnerinnen und Gegnern angenommen: 84 Prozent der Befragten begrüssten eine Einführung von E-Voting und eine Mehrheit der Antwortenden wünschte sich ein System, das nicht von Privaten, sondern vom Bund betrieben wird.

«Vote électronique» – Kritik und gesellschaftliche Debatte von 2015 bis 2022
Dossier: Vote électronique

Einen Tag nach dem Ständerat machte sich auch der Nationalrat an die Beratung des Voranschlags der Eidgenossenschaft 2022 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2023-2025. Sarah Wyss (sp, BS) und Daniel Brélaz (gp, VD) präsentierten dem Rat das Budget aus Sicht der Mehrheit der FK-NR: Der Bundesrat habe ordentliche Ausgaben in der Höhe von 77.7 Mrd. und ausserordentliche Ausgaben von CHF 3.0 Mrd. vorgesehen. Bei ordentlichen Einnahmen von CHF 77.1 Mrd. und ausserordentlichen Einnahmen von CHF 1.5 Mrd. bleibe damit aufgrund der Schuldenbremse ein struktureller Überschuss und somit ein Handlungsspielraum von CHF 44 Mio. Die Kommissionsmehrheit plane «kleinere Adjustierungen» mit Mehrausgaben von CHF 273 Mio. Bei 12 Mehrheitsanträgen zur Schaffung von Differenzen zum Ständerat lagen der grossen Kammer in der Folge auch etwa 40 Minderheitsanträge vor, grösstenteils von der SVP- oder der SP- und der Grünen-Fraktion. Differenzen zum Erstrat schuf der Nationalrat dabei jedoch nur wenige, zeigte sich dabei aber mehrheitlich grosszügiger als der Erstrat.

In der Eintretensdebatte hoben die Fraktionssprecherinnen und -sprecher erneut die spezielle Situation aufgrund der noch immer nicht ganz überstandenen Corona-Pandemie hervor, beurteilten diese aber sehr unterschiedlich. So sprach etwa Lars Guggisberg (svp, BE) von einer «düsteren» Situation aufgrund des grossen Anstiegs der Nettoschulden, während FDP-Sprecher Alex Farinelli (fdp, TI) zwar das Defizit beklagte, aber auch den langfristigen Nutzen der entsprechenden Ausgaben hervorhob. Optimistischer zeigten sich die übrigen Kommissionssprechenden. Michel Matter (glp, GE) schätzte etwa die Situation der Schweiz als «solide» ein, Alois Gmür (mitte, SZ) zeigte sich erfreut über die insgesamt gute Situation der Schweizer Wirtschaft, verwies jedoch auch auf die noch immer stark leidenden Branchen. Ursula Schneider Schüttel (sp, FR) und Felix Wettstein (gp, SO) strichen schliesslich die im Vergleich zum Ausland «gute Schuldensituation» (Schneider Schüttel) heraus. Finanzminister Maurer bat den Rat im Hinblick auf den härter werdenden «internationale[n] Konkurrenz- und Verdrängungskampf» um Zurückhaltung bei zusätzlichen Ausgaben.

Mit den mahnenden Worten des Finanzministers in den Ohren startete der Nationalrat in die Detailberatung von Block 1 zu Beziehungen zum Ausland und zur Migration. Hier schuf er zwei Differenzen zum Ständerat: So wollte die Kommissionsmehrheit den Kredit zuhanden des SECO für Darlehen und Beteiligungen an Entwicklungsländer gegenüber dem bundesrätlichen Vorschlag um CHF 10 Mio. erhöhen und damit die Reduktion gegenüber dem Vorjahr rückgängig machen. Der Bundesrat habe bei der Sifem, der Entwicklungsfinanzierungsgesellschaft des Bundes, bereits 2020 CHF 10 Mio. zusätzlich zur Milderung der Corona-Probleme eingeschossen – diese sollen nun kompensiert werden, erklärte Minderheitensprecher Egger (svp, SG), der den Kürzungsantrag vertrat, die Differenz zum Vorjahr. Da dieser Nachtragskredit damals aber vollständig kompensiert worden sei, erachtete die Kommissionsmehrheit diese Kürzung nicht als angebracht und setzte sich im Rat mit 107 zu 74 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) durch. Ohne Minderheitsantrag erhöhte der Nationalrat zudem auf Antrag seiner Kommission den Sollwert für die Mindestanzahl Freihandelsabkommen für die Finanzplanjahre 2024 und 2025. Der Bundesrat hatte hier für die Finanzplanjahre jeweils 34 Freihandelsabkommen vorgesehen, die Kommission erhöhte diese Zahl auf 35 (2024) respektive 36 (2025).
Im Vorfeld der Budgetdebatte hatte der Vorschlag der APK-NR, dass die Schweiz eine dritte Kohäsionsmilliarde sprechen und sich damit quasi eine Beteiligung an verschiedenen Projekten, unter anderem an Horizon, erkaufen könne, für mediale Aufmerksamkeit gesorgt. Auf Antrag der APK-NR beantragte die Mehrheit der FK-NR nun dem Nationalrat, eine dritte Beteiligung der Schweiz an der Erweiterung der EU 2019-2024 in der Höhe von CHF 953.1 Mio. freizugeben, diese aber von einer bis Ende Juni 2022 unterzeichneten Assoziierungsvereinbarungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union zur Teilnahme an verschiedenen laufenden EU-Programmen abhängig zu machen. Eine Minderheit Guggisberg beantragte in Übereinstimmung mit dem Bundesrat die Streichung dieses zusätzlichen Kreditpostens. Finanzminister Maurer bat den Rat eindringlich darum, darauf zu verzichten, da man sich «mit einer solchen Aufstockung in Brüssel eher blamieren würde […]. Die Erwartungen in Brüssel sind völlig anderer Natur; sie bestehen nicht darin, dass wir hier einfach etwas bezahlen, und dann läuft alles.» Mit 93 zu 84 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) folgte der Nationalrat der Minderheit. Die (fast) geschlossen stimmenden Fraktionen der SVP und der FDP.Liberalen sowie die Mehrheit der Mitte-Fraktion setzten sich in dieser Frage durch.
Ansonsten lagen in diesem Block verschiedene Minderheitenanträge von linker und rechter Ratsseite für Aufstockungen und Kürzungen vor, die jedoch allesamt erfolglos blieben, etwa eine Aufstockung des Budgets des EDA für humanitäre Aktionen zugunsten des Engagements in Afghanistan und den umliegenden Ländern (Minderheit Friedl: sp, SG), eine Erhöhung des Kredits für zivile Konfliktbearbeitung und Menschenrechte (Minderheit Badertscher: gp, BE) und einen erneuten Beitrag von CHF 300'000 an den Access to Tools Accelerator (Minderheit Friedl) sowie auf der anderen Seite eine Reduktion der Beiträge an multilaterale Organisationen, an die Entwicklungszusammenarbeit und an die Länder des Ostens (Minderheiten Grin: svp, VD).

Im zweiten Block zu den Themen «Kultur, Bildung, Forschung und Sport» schuf der Nationalrat keine Differenzen zum Erstrat. Er folgte dem Ständerat bei seiner Aufstockung des Kredits für Sportverbände und andere Organisationen um CHF 660'000, mit der – wie in den Planungsgrössen vermerkt wurde – eine unabhängige nationale Anlauf- und Meldestelle für Misshandlungen im Schweizer Sport geschaffen werden sollte. Eine Minderheit Sollberger (svp, BL) unterlag mit ihrem Antrag auf Streichung der Aufstockung mit 112 zu 69 Stimmen (bei 4 Enthaltungen). Auch die vom Ständerat vorgenommenen Aufstockungen beim Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie hiess der Nationalrat entgegen zweier Minderheitsanträge Egger deutlich gut (129 zu 55 Stimmen bei 1 Enthaltung respektive 129 zu 56 Stimmen). Abgelehnt wurden in der Folge auch verschiedene Streichungsanträge Nicolet (svp, VD), Schilliger (fdp, LU) und Sollberger bei den Covid-19-Leistungsvereinbarungen zur Kultur, bei der Covid-19-Soforthilfe für Kulturschaffende und Kulturvereine im Laienbereich sowie bei den Covid-19-Finanzhilfen.

Verschiedene Differenzen zum Erstrat entstanden hingegen im dritten Block zur sozialen Wohlfahrt und Gesundheit. So erhöhte der Nationalrat auf Antrag der Kommissionsmehrheit die Gelder für die Familienorganisationen bei den Krediten des BSV, die Finanzhilfen unter anderem zur Elternbildung oder zur familienergänzenden Kinderbetreuung beinhalten, im Voranschlags- und den Finanzplanjahren um CHF 1 Mio. Der Bundesrat und eine Minderheit Guggisberg hatten die Ablehnung der Aufstockung beantragt, zumal für eine solche Unterstützung auch institutionelle Voraussetzungen geschaffen werden müssten. Auch den Kredit für den Kinderschutz und die Kinderrechte erhöhte die grosse Kammer um CHF 390'000, um damit die privatrechtliche Stiftung «Ombudsstelle Kinderrechte Schweiz» zu finanzieren, deren Schaffung eine angenommene Motion Noser (fdp, ZH; Mo. 19.3633) verlangt hatte. Der Bundesrat hatte sich gegen diese Aufstockung gestellt, zumal die rechtliche Grundlage für diesen Kredit noch nicht bestehe. «Wir können ja nicht Gelder einsetzen, wenn wir dafür keine legale Grundlage haben», betonte Finanzminister Maurer. Kommissionssprecher Brélaz argumentierte hingegen, man können nicht «tout contrôler pendant deux-trois ans», bevor man damit beginnt, die Gelder einzusetzen.
Abgelehnt wurden in diesem Block Anträge auf Kreditkürzungen bei der Gleichstellung von Frau und Mann, die eine Minderheit Sollberger beantragt hatte. Eine Plafonierung gegenüber dem Vorjahr hätte gemäss Sollberger «keinen Einfluss auf weniger oder mehr Gleichstellung». Ebenfalls erfolglos blieb ein Antrag Glarner (svp, AG) auf Streichung des Beitrags an ein spezifisches Projekt des Vereins Netzcourage sowie ein Minderheitsantrag Nicolet zur Änderung der Planungsgrössen zur Bundesfinanzierung der Covid-19-Tests: Diese sollte nur solange gewährt werden, wie die Covid-19-Zertifikatspflicht gilt. Auch ein Minderheitsantrag Schilliger, der die Leistungen des Erwerbsersatzes mit Verweis auf die vierte Revision des Covid-19-Gesetzes nur bis Ende Juni 2022 gewähren und die Covid-19-Situation anschliessend neu beurteilt wissen wollte, fand keine Mehrheit.

Auch im vierten Block zu Landwirtschaft, Tourismus und Steuern wich der Nationalrat in einem Punkt von den Entscheiden des Ständerates ab: Bei der Nachmeldung für ein Tourismus-Recovery-Programm von CHF 17 Mio. wollte die Kommission die Gelder zu je 50 Prozent für Marketingkampagnen von Schweiz Tourismus und für Entlastungszahlungen an touristische Partnerorganisationen verwenden. Der Bundesrat und der Ständerat hatten keine entsprechenden Einschränkungen vorgenommen, weshalb gemäss den beiden Kommissionssprechenden wie üblich zwei Drittel in die gesamtschweizerischen Marketingkampagnen fliessen würden. Jedoch sei eine Werbekampagne in Südafrika momentan – auch aus ökologischer Sicht – nicht «unbedingt gerade unser Hauptziel», betonte Kommissionssprecherin Wyss. Stillschweigend stimmte der Nationalrat diesem Antrag seiner Kommission zu.
Hingegen folgte der Nationalrat dem Ständerat in diesem Block bei der Erhöhung der Zulagen für die Milchwirtschaft und den Beihilfen für den Pflanzenbau. Eine Minderheit Munz (sp, SH) hatte beantragt, auf erstere Erhöhung zu verzichten und dem Bundesrat zu folgen. Der Bundesrat wolle die Verkehrsmilchzulage erhöhen, aber die Verkäsungszulage senken, da Letztere aufgrund von Fehlanreizen zu einer zu grossen Menge Käse von geringer Qualität führe. Die von der Kommission beantragte Erhöhung zugunsten der Verkäsungszulage würde folglich die bisherige Marktverzerrung noch zementieren. Finanzminister Maurer wies überdies darauf hin, dass man entsprechende Erhöhungen – falls nötig – lieber erst mit den Nachtragskrediten vorlegen würde, wenn man die dazugehörigen Zahlen kenne. Mit 105 zu 61 Stimmen (bei 20 Enthaltungen) sprach sich der Nationalrat jedoch für die Erhöhung aus. Die ablehnenden Stimmen stammten grösstenteils von der SP-, einer Mehrheit der GLP- und einer Minderheit der FDP.Liberalen-Fraktion, die Enthaltungen grösstenteils von der Grünen-Fraktion.
Auch in diesem Block blieben zwei Minderheitsanträge erfolglos: Eine Minderheit I Fischer (glp, LU) und eine Minderheit II Gysi (sp, SG) unterlagen mit Anträgen auf Erhöhungen bei der direkten Bundessteuer respektive bei der Mehrwertsteuer, beim Globalbudget der ESTV sowie in den Finanzplanjahren. Die zusätzlichen Mittel sollten zur Schaffung von je fünf zusätzlichen Steuerkontrollstellen und somit zur Erhöhung des Steuerertrags eingesetzt werden und sich so mittelfristig quasi selbst finanzieren.

Im fünften Block zu Verkehr, Umwelt, Energie und Raumplanung entschied sich der Nationalrat bezüglich zweier Punkte zum Bundesamt für Energie anders als der Ständerat. Letzterer hatte den Kredit für das Globalbudget des BFE sowie für das Programm EnergieSchweiz gegenüber dem bundesrätlichen Entwurf erhöht. Die Mehrheit der FK-NR beantragte nun bei beiden Kreditposten eine zusätzliche Erhöhung um CHF 2.9 respektive CHF 8.3 Mio., wobei die zusätzlichen Gelder beim Globalbudget zur Finanzierung des durch die Erhöhung beim Programm EnergieSchweiz begründeten Aufwands eingesetzt werden sollten. Damit wollte die Kommission gemäss ihrem Sprecher Brélaz in den wenigen Bereichen, in denen die Finanzierung entsprechender Projekte über das Bundesbudget läuft, nach der Ablehnung des CO2-Gesetzes erste Massnahmen zum Klimaschutz treffen. Eine Minderheit Egger sprach sich gegen die Erhöhung aus, zumal im Energiebereich zuerst die Problematik der Stromversorgungslücke gelöst werden müsse. Finanzminister Maurer wehrte sich vor allem dagegen, nach der Ablehnung des CO2-Gesetzes einzelne Punkte «quasi durch die Hintertüre einfach wieder aufs Tapet» zu bringen. Mit 115 zu 67 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) hiess der Nationalrat die Erhöhung jedoch gut, abgelehnt wurde sie von einer Mehrheit der SVP-, der Hälfte der Mitte- und einer Minderheit der FDP.Liberalen-Fraktion.
Erhöht gegenüber dem bundesrätlichen Antrag wurde auch der Kredit für das Globalbudget des ARE. Hier hatte der Ständerat zuvor entschieden, CHF 100'000 mehr für das Projekt Swiss Triple Impact, ein Förderprogramm zur Erreichung von nachhaltigen Entwicklungszielen, einzusetzen, und der Nationalrat folgte ihm mit 115 zu 69 Stimmen (bei 1 Enthaltung). Der Finanzminister hatte die Erhöhung bei einem Sach- und Betriebsaufwand des ARE von CHF 9 Mio. als unnötig erachtet. Auch bei der Aufstockung der Einlage des BIF folgte der Nationalrat seinem Schwesterrat: Hier soll der Maximalbetrag und somit zusätzlich CHF 233 Mio. eingestellt werden, um sicherzustellen, dass auch zukünftig genügend Geld für den Bahnverkehr vorhanden ist, betonte Kommissionssprecherin Wyss. Dies erachteten der Bundesrat und eine Minderheit Schilliger als nicht notwendig, da der Fonds genügend stark geäufnet sei. Mit 125 zu 59 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) folgte der Nationalrat jedoch der kleinen Kammer.
Abgelehnt wurden hingegen ein Kürzungsvorschlag einer Minderheit Egger bei den Umweltschutzmassnahmen des BAZL – Egger hatte argumentiert, die Erhöhung beruhe lediglich auf der Vermutung des BAZL, dass es zukünftig mehr Umweltschutzgesuche geben könne – sowie ein Einzelantrag Rüegger (svp, OW) zur Aufstockung des Kredits des BAFU um CHF 6 Mio., mit der nach der Ablehnung des revidierten Jagdgesetzes die durch Wölfe verursachten Schäden abgegolten und der zusätzliche Aufwand entschädigt werden sollten.

Im sechsten Block zum Themenbereichen Eigenaufwand und Schuldenbremse schlug eine Kommissionsmehrheit in Übereinstimmung mit dem Ständerat vor, verschiedene Kredite beim Bundesamt für Verkehr ausserordentlich zu verbuchen, um so die zuvor vorgenommene Erhöhung der BIF-Einlage finanzieren zu können. Anders als der Ständerat beabsichtigte die Mehrheit der FK-NR zudem, eine Nachmeldung des Bundesrates im Bereich Covid-19-Arzneimittel und -Impfleistungen in der Höhe von CHF 57 Mio. ausserordentlich zu verbuchen – da man noch zusätzliche Ausgaben beschlossen habe, könne nur so die Schuldenbremse eingehalten werden, begründete Kommissionssprecher Brélaz den Vorschlag. Eine Minderheit Schwander (svp, SZ) wehrte sich gegen diese Umbuchungen, da sie gegen die Schuldenbremse und das Finanzhaushaltsgesetz verstossen würden. Diese Meinung teilte auch der Finanzminister, ihm ging das Parlament «mit [seiner] Interpretation [des FHG] hier zu weit», auch wenn die Interpretation der Gesetze keine exakte Wissenschaft sei. Der Nationalrat stimmte den Umbuchungen jedoch mit 133 zu 50 Stimmen respektive 133 zu 49 Stimmen zu.
Eine weitere Differenz schuf der Nationalrat stillschweigend bezüglich der Planungsgrössen beim VBS: Dort soll eine neue Planungsgrösse dafür sorgen, dass die Bruttomietkosten ab 2025 um 2 Prozent gesenkt und damit gemäss Kommissionssprecherin Wyss CHF 400 Mio. jährlich «freigespielt» werden sollen.
Erfolglos blieben die Minderheitsanträge Sollberger und Strupler (svp, TG), welche die Kredite für das Bundespersonal gegenüber dem bundesrätlichen Vorschlag um CHF 1.8 Mio. (2022, Minderheit Sollberger) respektive um CHF 10.9 Mio. (2023), CHF 117 Mio. (2024) und CHF 265 Mio. (2025, alle Minderheit Strupler) reduzieren wollten. Damit hätte auf zusätzliche Stellen für die Strategie Social Media/Digitalisierung verzichtet (Sollberger) respektive «das ungebremste Personalwachstum beim Bund» gebremst werden (Strupler) sollen. Zuvor hatte bereits der Ständerat die Ausgaben im Voranschlags- und den Finanzplanjahren um CHF 21 Mio. reduziert. Mit 131 zu 52 Stimmen respektive 133 zu 50 Stimmen lehnte der Nationalrat die beiden Anträge ab, folgte damit dem Bundesrat und schuf eine weitere Differenz zum Erstrat. Erfolglos blieb auch ein Kürzungsantrag Egger beim Ressourcenpool des Generalsekretariats UVEK.

Mit der Bereinigung des Entwurfs, bei welcher der Nationalrat seiner Kommission in fast allen Punkten gefolgt war, hatte der Nationalrat den Ausgabenüberschuss von CHF 2.08 Mrd. (Bundesrat) respektive CHF 2.32 Mrd. (Ständerat) auf CHF 2.36 Mrd. erhöht – durch die Umbuchung einzelner zusätzlicher Ausgaben auf das Amortisationskonto (ausserordentliche Ausgaben Bundesrat: CHF 3.03 Mrd., Ständerat: CHF 3.25 Mrd., Nationalrat: CHF 3.30 Mrd.) konnte die Schuldenbremse jedoch eingehalten werden. Mit 130 zu 44 Stimmen (bei 7 Enthaltungen) nahm der Nationalrat den Voranschlag 2022 an. Die ablehnenden Stimmen stammten von Mitgliedern der SVP-Fraktion und von Stefania Prezioso (egsols, GE), die Enthaltungen ausschliesslich von Mitgliedern der SVP-Fraktion. Letztere sprachen sich teilweise auch gegen die übrigen Bundesbeschlüsse aus, dennoch nahm der Nationalrat den Bundesbeschluss Ib über die Planungsgrössen im Voranschlag für das Jahr 2022, den Bundesbeschluss III über die Entnahmen aus dem Bahninfrastrukturfonds für das Jahr 2022 und den Bundesbeschluss IV über die Entnahmen aus dem Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds für das Jahr 2022 jeweils deutlich an.

Voranschlag 2022 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2023-2025 (BRG 21.041)
Dossier: Bundeshaushalt 2022: Voranschlag und Staatsrechnung

Ein «Harakiri für die Presse» seien ihre «Fake News über den Rücktritt von Ueli Maurer» gewesen, urteilte die Weltwoche über eine recht eindrückliche Zeitungsente Ende Oktober 2021. Zwar gab es in den Medien spätestens seit dem siebzigsten Geburtstag Maurers Ende 2020 immer wieder Spekulationen über eine mögliche Demission des SVP-Finanzministers. Bereits Ende 2020 hatten von Maurer etwas überraschend vorgenommene Personalrochaden im Finanzdepartement (Sonntagsblick) oder Informationen von «bundesratsnahe[n] Quellen» (Blick) zu Spekulationen um einen Rücktritt geführt. Letztere Quellen hatten angegeben, Maurer trete zurück, sollte das Rahmenabkommen mit der EU durchkommen, um dann den Widerstand der SVP anzuführen (Weltwoche). Maurer selber schloss damals freilich in Interviews nicht aus, 2023 gar noch eine weitere Legislatur anzuhängen.
Ende Oktober 2021 brachte die Aargauer Zeitung in einem Online-Artikel erneut das Gerücht in Umlauf, Ueli Maurer werde tags darauf zurücktreten. Sie stützte sich dabei auf einen nicht genannten Nationalrat, der zu Protokoll gab, dass es «klare Anzeichen dafür [gebe], dass die Bundesratssitzung vom Freitagmorgen anders ablaufen werde als gewöhnlich». Weil Maurer am Vortag nicht am SVP-Fraktionsausflug teilgenommen habe, scheine eine Demission naheliegend, urteilte daraufhin der Blick. Am folgenden Tag übernahmen sämtliche Leitmedien – mit Ausnahme der NZZ – die Meldung und vermuteten, dass der Finanzchef gleichentags seinen Rücktritt wohl auf Ende 2021 ankündigen werde. Der Tages-Anzeiger und die Aargauer Zeitung präsentierten gar mögliche Nachfolgerinnen und Nachfolger Maurers und porträtierten Albert Rösti (svp, BE), Franz Grüter (svp, LU), Gregor Rutz (svp, ZH) oder Natalie Rickli (ZH, svp) als Favoritinnen und Favoriten. Auch bei der SP tuschle man über mögliche Rücktritte, ging die Aargauer Zeitung gar noch einen Schritt weiter. Le Temps vermutete, dass es Maurer müde sei, seine Kritik an den Corona-Massnahmen wegen des Kollegialprinzips zurückhalten zu müssen.
Allerdings blieb die von den zahlreich anwesenden Medienschaffenden erwartete Rücktrittsankündigung nach der Bundesratssitzung aus. Dies sei keine «Sternstunde des Journalismus» gewesen, bilanzierte der Sonntagsblick. Die Aargauer Zeitung sprach von Gerüchten, die sich «zerschlugen». Maurer habe zudem stets gesagt, nur auf das Ende einer Legislatur zurücktreten zu wollen. Auch die NZZ meldete sich zu Wort. In einem Interview in der NZZ am Sonntag erklärte Maurer, dass ein Rücktritt «kein Thema» sei. Ausgiebig sezierte die Neue Zürcher Zeitung die «Zeitungsente des Jahres», wie sie vom Nebelspalter betitelt wurde. Am Freitag nach dem ersten Gerücht seien in der Schweizerischen Mediendatenbank über drei Dutzend Beiträge zum Rücktritt registriert worden und die grüne Fraktion habe gar eigens eine Sondersitzung einberufen, um darauf «vorbereitet» zu sein, einen Bundesratssitz anzugreifen. Als Ursprung des Gerüchts machte die NZZ einen Journalisten des Tages-Anzeigers aus, der mehrere Nationalratsmitglieder über mögliche Nachfolger Maurers befragt habe, was diese wohl zur irrigen Meinung geführt habe, der Finanzminister trete zurück. Denkbar sei auch, dass die SVP das Gerücht gestreut habe, um die eigenen Kandidierenden zu testen, so die NZZ. Die Weltwoche vermutete hingegen, dass SP-Politikerinnen und -Politiker darin eine Chance gewittert hätten, mit dem Gerücht von der «Affäre Berset» abzulenken.

Rücktritt von Ueli Maurer?

Die APK-NR reichte im August 2021 eine Motion ein, welche verlangte, dass der Bundesrat bis zur Wintersession 2021 eine Finanzierungsbotschaft für die Schweizer Teilnahme am EU-Austauschprogramm Erasmus plus vorlegen soll. Die Kommission war der Ansicht, dass sich der Bundesrat bislang zu wenig für eine Schweizer Assoziierung an dieses Programm eingesetzt habe, obwohl er sich bereits für eine Teilnahme ausgesprochen hatte – beispielsweise im Rahmen der im Jahr 2017 überwiesenen Motion der WBK-SR mit dem Titel «Vollassoziierung an Erasmus plus ab 2021». Eine Kommissionsminderheit Köppel (svp, ZH) beantragte die Ablehnung der Motion.
Der Bundesrat schloss sich dem Antrag der Minderheit an. Er strebe zwar weiterhin die Teilnahme der Schweiz an dem Austauschprogramm an, jedoch seien davor noch einige Punkte zu klären. Zum einen betrachte die EU eine Assoziierung im Rahmen der Gesamtbeziehungen Schweiz-EU und sei bisher noch nicht bereit gewesen, mit der Schweiz exploratorische Gespräche über die wichtigsten Eckpunkte einer Assoziierung zu beginnen. Zum anderen sei die Deblockierung des Schweizer Beitrags an ausgewählte EU-Staaten eine Grundbedingung der EU für eine Assoziierung an Erasmus plus. Vor diesem Hintergrund sei es nicht realistisch, innert weniger Monate eine Finanzierungsbotschaft zu erarbeiten, zumal auch die Höhe der finanziellen Beteiligung noch nicht geklärt sei.
Der Nationalrat beschäftigte sich in der Herbstsession 2021 mit dem Vorstoss, wobei Nicolas Walder (gp, GE) und Christa Markwalder (fdp, BE) die Motion präsentierten. Walder wies darauf hin, dass sich auch das Parlament schon mehrmals für eine Assoziierung ausgesprochen habe und es deshalb wirklich an der Zeit sei, dass der Bundesrat eine Botschaft vorlege. Das bundesrätliche Argument, dass die finanziellen Bedingungen noch nicht geklärt seien, liess Walder nicht gelten. Die Höhe der Schweizer Beteiligung könne anhand der Berechnungen, welche für die EWR-Staaten bereits vorgenommen worden seien, eruiert werden. Christa Markwalder ergänzte, dass die europäischen Mobilitätsprogramme «für die Erweiterung des Erfahrungshorizonts der jungen Generationen zentral» seien. Die bilateral getroffenen Hochschulvereinbarungen vermöchten diese Austauschprogramme nicht zu ersetzen, schloss Markwalder. Franz Grüter (svp, LU), welcher die Minderheit Köppel vertrat, sah dies anders. Für ihn stand ausser Frage, dass die bestehenden Alternativprogramme der Schweizer Hochschulen von grosser Qualität seien. Zudem seien diese Alternativen auf weltweiten Austausch ausgerichtet; dies sei sehr wichtig, da sich viele renommierte Hochschulen ausserhalb Europas befänden. Erasmus plus hingegen sei teuer, unflexibel und bürokratisch. Hinzu komme der Fakt, dass die EU – wie vom Bundesrat erläutert – selber noch gar keinen Willen gezeigt habe, der Schweiz eine Assoziierung anzubieten. Diese Worte vermochten jedoch nicht über die SVP-Fraktion hinaus zu mobilisieren. Der Nationalrat nahm die Motion mit 131 zu 48 Stimmen deutlich an.

Finanzierungsbotschaft für die Schweizer Teilnahme an Erasmus plus (Mo. 21.3975)
Dossier: Erasmus und Horizon

Etwa anderthalb Stunden diskutierte der Nationalrat in der Herbstsession 2021 über die Freigabe des zweiten Kohäsionsbeitrags an die EU. Die APK-NR empfehle, den Vorschlag des Bundesrats anzunehmen und mit dem Entscheid einem «konstruktiven Ansatz in der Europapolitik Raum zu geben», teilte Kommissionssprecher Nussbaumer (sp, BL) zu Beginn der Debatte mit. Die Kommission wolle den Bundesbeschluss zur Freigabe der Kohäsionsmilliarde jedoch dahingehend ergänzen, dass Verpflichtungen auf Grundlage des Kohäsionskredits erst eingegangen würden, nachdem der Bundesrat die Finanzierungsbotschaft zur Schweizer Teilnahme an Erasmus plus vorgelegt hat. Um diesen Prozess zu beschleunigen, hatte die APK-NR Anfang September 2021 eine entsprechende Kommissionsmotion eingereicht.
Obwohl sich alle Fraktionen mit Ausnahme der SVP für die Annahme des Bundesbeschlusses aussprachen, benötigten die Mitglieder des Nationalrats in der Folge viel Sitzfleisch, bis sie eine Entscheidung treffen konnten. So wehrte sich die SVP-Fraktion vehement gegen das Anliegen der Kommissionsmehrheit, wobei ihre Mitglieder zahlreiche Fragen an die Rednerinnern und Redner stellten und dem Rat mehrere Minderheitsanträge vorlegten. Thomas Aeschi (svp, ZG) etwa wollte von Kommissionssprecher Nussbaumer wissen, weshalb die APK-NR trotz weiterer Diskriminierungen die Freigabe unterstütze. Er beklagte die fehlende Assoziierung an Horizon Europe und an Erasmus plus sowie die Probleme im gesamten Strombereich und beim Mutual Recognition Agreement (MRA). Nussbaumer erklärte die Entscheidung der Kommission damit, dass man mit dem Entscheid ein neues Kapitel in den bilateralen Beziehungen aufschlagen könne. Zwei Minderheitsanträge von Roger Köppel (svp, ZH) verlangten, nicht auf das Geschäft einzutreten respektive keine Verpflichtungen auf Grundlage des Rahmenkredits einzugehen, bis die Schweiz an Horizon Europe assoziiert sei oder die Börsenäquivalenz wiederhergestellt worden sei. Eine Minderheit Nidegger (svp, GE) wollte die Vorlage an den Bundesrat rücküberweisen und ihn beauftragen, die Kohäsionsmilliarde für die Sanierung der AHV zu verwenden. Franz Grüter (svp, LU) schlug mit seinem Einzelantrag vor, den Beschluss dem fakultativen Referendum zu unterstellen.
Überdies legten die Sprecherinnen und Sprecher aller Fraktionen deren Position ausführlich dar. So warf etwa Sibel Arslan (basta, NR) für die Grüne Fraktion sowohl der Schweiz wie auch der EU vor, Fehler gemacht zu haben, sah den finalen Fehltritt aber auf Schweizer Seite, und zwar im Abbruch der Verhandlungen über das Rahmenabkommen. Die Freigabe der Kohäsionsmilliarde erachtete sie als einen Schritt zur Normalisierung und als Erfüllung eines längst gemachten Versprechens. Da die Motion der APK-NR zur Finanzierungsbotschaft von Erasmus plus bereits angenommen worden war, forderte sie in einem Minderheitsantrag die Streichung der entsprechenden Bedingung. Ähnlich tönte es auch von SP-Sprecher Molina (sp, ZH), der das Ende der Verhandlungen ebenfalls als «verantwortungslos» kritisierte. Auch aus Sicht der GLP sei der Verhandlungsabbruch ein «grosser Fehler» gewesen, meinte Roland Fischer (glp, LU). Die Schweiz profitiere enorm vom europäischen Binnenmarkt und zahle im Verhältnis zu Norwegen sehr wenig für den Zugang. Die FDP setze sich für die Freigabe des Kohäsionsbeitrags ein, um die Negativspirale im Verhältnis zur EU zu durchbrechen, erklärte Christa Markwalder (fdp, BE). Auch sie sprach das überaus günstige Kosten-Nutzen-Verhältnis an, dass die Schweiz im Hinblick auf die Verflechtung mit dem Binnenmarkt aufweise. Eine Verringerung der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten wirke sich über die europaweiten Bildungs-, Forschungs- und Kulturkooperationen auch positiv auf die Schweiz aus. Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (mitte, BL) hob die Bedeutung der Kohäsionszahlung für das Vorankommen im Horizon-Dossier hervor. Die Nichtassoziierung der Schweiz sei zwar diskriminierend und die Verknüpfung mit der Kohäsionsmilliarde «unschön», doch rechtlich gesehen stehe die EU nicht in der Pflicht, Abkommen mit der Schweiz zu aktualisieren. Auch die Mitte-Fraktion unterstütze die Freigabe des Beitrags sowie den Minderheitsantrag Arslan, gab sie bekannt. Nationalrat Grüter vertrat schliesslich die Ansicht, dass die Schweiz der EU nichts schulde, da die EU massiv von der Schweiz als Handels- und Wirtschaftspartnerin profitiere. Er bemängelte zudem, dass der Bundesbeschluss der Schweizer Bevölkerung nicht zur Abstimmung vorgelegt worden war.
Der im Rat anwesende Aussenminister Cassis drängte die grosse Kammer zur Freigabe der Zahlung, weil man nur so eine positive Verhandlungsdynamik schaffen und Fortschritt in anderen Dossiers erzielen könne. Für die plötzliche Kehrtwende trotz andauernder Diskriminierung der EU im Rahmen der aberkannten Börsenäquivalenz habe der Bundesrat zwei Gründe, erklärte Cassis: Einerseits hätten die Schutzmassnahmen für die Schweizer Börseninfrastruktur die Situation entspannt, andererseits sei die Rechtsgrundlage für den zweiten Kohäsionsbeitrag auf Ende 2024 befristet. Den Einzelantrag von Franz Grüter empfahl er zur Ablehnung, da Finanzgeschäfte gemäss Parlamentsgesetz in Form von einfachen Bundesbeschlüssen erlassen würden – so etwa auch 2019, als das Parlament die Rahmenkredite der zweiten Kohäsionszahlung genehmigt hatte.
Die grosse Kammer lehnte in der Folge sämtliche Minderheitsanträge der SVP ab, strich aber gemäss der Forderung von Sibel Arslan die Verknüpfung mit der Finanzierungsbotschaft für Erasmus plus. Spätabends wurde der Entwurf in der Gesamtabstimmung mit 131 zu 55 Stimmen (bei 1 Enthaltung) gegen den Willen der SVP-Fraktion und einiger Fraktionsmitglieder der Mitte angenommen.

Der zweite Schweizer Beitrag an ausgewählte EU-Mitgliedstaaten (Zweite Kohäsionsmilliarde)
Dossier: Schweizer Beitrag an die erweiterte EU

Der Ständerat beschäftigte sich im Rahmen der Herbstsession 2021 mit der Motion Grüter (svp, LU), die den Bundesrat beauftragen wollte, die Zahl der ausgesteuerten Arbeitnehmenden in die Arbeitslosenstatistik aufzunehmen. Die dafür zuständige SGK-SR beantragte mit 7 zu 4 Stimmen (bei 1 Enthaltung), die Motion abzulehnen. Kommissionssprecher Peter Hegglin (mitte, ZG) erklärte, dass eine Aufnahme der Ausgesteuerten in die Statistik deren weitere Anmeldung beim RAV notwendig machen würde. Zudem wäre durch eine solche Änderung die zeitliche Kontinuität der Statistik nicht mehr gewährleistet. Der Ständerat lehnte die Motion stillschweigend ab, womit das Geschäft erledigt war.

Motion "Aufnahme der Ausgesteuerten in die Arbeitslosenstatistik"

Via une motion, le conseiller national Thomas Aeschi (udc, ZG) demandait au Conseil fédéral de renoncer à l'abandon forcé de la diffusion FM prévu entre 2022 et 2023, ceci pour donner plus de temps aux utilisateurs et utilisatrices pour passer au DAB+ ou à la diffusion via internet, en particulier les personnes âgées, les automobilistes ou les touristes.
Les diffuseurs de radio et la SSR ayant annoncé fin août 2021 revenir à leur décision initiale de ne plus diffuser de programmes FM à partir du 31 décembre 2024, les exigences de la motion étaient remplies. Le parlementaire zougois a alors retiré son intervention, comme son camarade de parti Franz Grüter, qui avait déposé un objet similaire.

Non à la fermeture forcée de tous les émetteurs FM de Suisse (Mo. 21.3554)
Dossier: Diskussionen über die Ausschaltung von UKW

Drei Tage nachdem die Schweizer Stimmbevölkerung am 7. März 2021 das E-ID-Gesetz an der Urne verworfen hatte, reichten Verfechterinnen und Verfechter einer staatlichen Lösung aus allen politischen Lagern sechs gleichlautende Motionen für eine «vertrauenswürdige staatliche E-ID» ein. Gerhard Andrey (gp, FR; Mo. 21.3124), Franz Grüter (svp, LU; Mo. 21.3125), Min Li Marti (sp, ZH; Mo. 21.3126), Jörg Mäder (glp, ZH; Mo. 21.3127), Simon Stadler (mitte, UR; Mo. 21.3128) sowie die FDP-Liberale-Fraktion (Mo. 21.3129) argumentierten übereinstimmend, die Volksabstimmung habe deutlich gezeigt, dass sich die Bevölkerung eine E-ID wünsche, aber deren Herausgabe und Betrieb nicht privaten Unternehmen überlassen werden dürfe. Nur wenn der Staat dafür zuständig sei, könne die E-ID Vertrauen und Akzeptanz der Nutzerinnen und Nutzer geniessen. Die Vorstösse enthielten demzufolge den Auftrag an den Bundesrat, eine staatliche E-ID zu schaffen, die insbesondere die Grundsätze der «privacy by design», der Datensparsamkeit und der dezentralen Datenspeicherung einhalten soll.
Der Bundesrat beantragte die Annahme der Motionen. Bundesrätin Karin Keller-Sutter interpretierte das Abstimmungsresultat gleich wie die Motionärinnen und Motionäre und erklärte, der Bundesrat wolle so rasch wie möglich einen neuen Vorschlag für eine E-ID präsentieren. Ende Mai habe er deshalb das EJPD bereits mit der Ausarbeitung eines Grobkonzepts beauftragt. Die daraus resultierende Auslegeordnung verschiedener staatlicher Lösungsansätze befinde sich momentan in öffentlicher Konsultation. Basierend darauf wolle der Bundesrat voraussichtlich Mitte 2022 ein neues E-ID-Gesetz in die Vernehmlassung schicken, führte die EJPD-Chefin im Nationalratsplenum aus.
Für etwas Dissonanz in all dem Einklang sorgte Jean-Luc Addor (svp, VS), der die Vorstösse bekämpfte. Er sah den Ursprung des Misstrauens vonseiten der Stimmbevölkerung nicht in der privatwirtschaftlichen Natur des abgelehnten Vorschlags, weshalb es die falsche Schlussfolgerung sei, nun alles dem Staat überlassen zu wollen. Auch die Zentralisierung und der Datenschutz seien wichtige Fragen für die Konzeption der E-ID. Erfahrungen hätten zudem gezeigt, dass der Bund auch kein «unerschütterliches Vertrauen» bei der erfolgreichen Durchführung von IT-Projekten geniesse. Ausserhalb seiner eigenen Fraktion verfing die Kritik Addors allerdings nicht. Die grosse Kammer nahm die sechs Motionen in der Herbstsession 2021 mit 145 zu 39 Stimmen bei 7 Enthaltungen an. Ausser der SVP stimmten alle Fraktionen geschlossen dafür.

Vertrauenswürdige, staatliche E-ID (Mo. 21.3124, 21.3125, 21.3126, 21.3127, 21.3128 und 21.3129)
Dossier: Elektronische Identität

A l'instar de son collègue Thomas Aeschi (udc, ZG), le conseiller national lucernois Franz Grüter (udc) a retiré sa motion demandant au Conseil fédéral de maintenir la diffusion des fréquences radio à ondes ultra-courtes (OUC) jusqu'en 2025. Les exigences de cette intervention ont été partiellement remplies avec l'annonce des radiodiffuseurs et de la SSR de renoncer à l'arrêt anticipé des stations FM entre juin 2022 et janvier 2023. Sous la pression politique, ceux-ci ont fait machine arrière et sont revenus à leur décision initiale d'abandonner les OUC à la fin de l'année 2024.

Pour le maintien des fréquences OUC jusqu'en 2025 (Mo. 19.4081)
Dossier: Diskussionen über die Ausschaltung von UKW

Durant la session d'hiver, le Conseil des Etats a accepté unanimement une motion demandant au Conseil fédéral de ne pas stopper la diffusion FM tant que le DAB+ ainsi que la radio internet n'atteignent pas une part de marché cumulée de 90 pour cent. Dépositaire de l'objet, le zurichois Ruedi Noser (plr, ZH) reconnaissait que le passage de la diffusion FM à d'autres technologies de diffusion était inévitable. Il souhaitait cependant inciter le Conseil fédéral à reconsidérer certains aspects, en particulier celui des subventions pour le DAB+. En relevant qu'il s'agit là d'un standard uniquement dédié à la radio, il craignait que la Confédération ne soutienne une technologie bientôt dépassée, alors qu'à l'avenir, la majorité de la diffusion radiophonique pourrait se faire via internet. Le sénateur zurichois donnait en ce sens l'exemple des voitures, vendues aujourd'hui la plupart du temps avec un système de diffusion qui se fait par l'intermédiaire du téléphone portable, et donc d'internet. En conclusion, la prolongation du financement de la diffusion FM devait donner l'opportunité à la Confédération de réfléchir à la technologie à utiliser dans le futur et à laquelle allouer des subventions, argumentait l'élu zurichois.
D'autres interventions parlementaires aux griefs similaires à celle de Ruedi Noser ont été déposées en lien avec l'annonce conjointe des diffuseurs radio et de la SSR de ne plus diffuser de programmes en FM à partir de 2023, contrairement à la décision initiale qui prévoyait l'arrêt à fin 2024. Les conseillers nationaux UDC Franz Grüter (LU) et Thomas Aeschi (ZG) ont retirés leurs motions après que leurs exigences aient été prises en compte, alors que la motion de Mauro Tuena (udc, ZH) a été classée, n'ayant pas été traitée dans le délai imparti.
La pression politique contre l'abandon de la FM a trouvé des échos dans la presse. Le pionnier de la radio privée en Suisse Roger Schawinski s'est exprimé à de nombreuses reprises dans les médias pour demander le maintien de la FM, avant de lancer une pétition qui a recueillie près de 60'000 signatures. En outre, il a reçu le soutien de Doris Leuthard. Rappelant que les pays voisins n'ont de leur côté pas abandonné la diffusion FM, l'ancienne conseillère fédérale a souligné qu'un «Alleingang» de la Suisse serait inutile, les voitures devant avoir la possibilité de réceptionner la radio «du sud de l'Italie au nord de l'Allemagne», y compris celles qui sont équipées pour recevoir les ondes FM ultra-courtes. En effet, à peine la moitié de voitures immatriculées en Suisse seraient équipés du DAB+ ou de la réception internet, d'après les opposants de l'abandon de la diffusion FM. Face à cette résistance, les radiodiffuseurs et la SSR ont annoncé fin août 2021 revenir à leur choix initial, c'est-à-dire de débrancher la diffusion analogique en FM à la fin de l'année 2024.

Ne pas interrompre la diffusion FM prématurément (Mo. 21.3648)
Dossier: Diskussionen über die Ausschaltung von UKW

Im August 2021 gründeten bürgerliche Exponentinnen und Exponenten unter der Bezeichnung «Allianz Sicherheit Schweiz» eine neue sicherheitspolitische Organisation. Die Allianz erhielt professionelle Strukturen und eine permanente Geschäftsstelle, was sie von ihrer Vorgänger-Organisation, dem «Verein für eine sichere Schweiz», unterscheidet. Die Gründerinnen und Gründer wollten die Allianz damit ausdrücklich auch als Gegengewicht zur GSoA positionieren. Der Bedarf nach einer solchen Organisation auf bürgerlicher Seite sei unter anderem dadurch deutlich geworden, dass in der Volksabstimmung vom September 2020 die vor allem von armeekritischer Seite bekämpfte Beschaffung neuer Kampfjets um ein Haar gescheitert wäre. Als eines ihrer Ziele formulierte die Allianz Sicherheit Schweiz denn auch, «eine jederzeit einsatzbereite und schlagkräftige Fach- und Kampagnenorganisation [bereitzustellen], die permanent und proaktiv die sicherheitspolitische Meinungsbildung im parlamentarischen Prozess und in der Öffentlichkeit prägt sowie Abstimmungskampagnen führt». Die Allianz wollte sich dabei nicht bloss auf Armeefragen beschränken, sondern die Verbindung von innerer und äusserer Sicherheit gesamtheitlich bearbeiten – also etwa auch Felder wie Wirtschaftsspionage, Cybersicherheit oder Versorgungssicherheit abdecken.
Gründungspräsident der Allianz wurde der Ständerat und designierte FDP-Präsident Thierry Burkart (fdp, AG), der bereits dem Vorgängerverein «für eine sichere Schweiz» vorgestanden hatte. Auch die Liste der weiteren Vorstandsmitglieder liest sich wie ein Who is Who aus bürgerlichen Parteien und wirtschaftlichen sowie sicherheitspolitischen Interessenvereinigungen. So gehören dem Vorstand aus der Politik auch die Mitte-Ständerätin Brigitte Häberli (mitte, TG), der Tessiner Lega-Staatsrat Norman Gobbi (TI, lega), die FDP-Nationalrätin Jacqueline de Quattro (fdp, VD) sowie der SVP-Nationalrat Franz Grüter svp, LU) an. Aus der Wirtschaft und armeenahen Verbänden sassen im Gründungsvorstand der Arbeitgeberverbands-Präsident Valentin Vogt, Swissmem-Direktor Stefan Brupbacher, der Swissmem-Ressortleiter der Rüstungssparten Matthias Zoller, Markus Niederhauser vom Westschweizer Rüstungsindustrie-Verband Groupe romand pour le matériel de Défense et de Sécurité (GRPM), die Präsidentin der Waadtländer Industrie- und Handelskammer (CVCI) Aude Pugin, der Präsident der Schweizerischen Offiziersgesellschaft Stefan Holenstein, Paul Röthlisberger vom Schweizer Schiesssportverband und Max Rechsteiner von der Landeskonferenz der militärischen Dachverbände (LKMD). Offen war zunächst, inwieweit sich auch der Schweizerische Gewerbeverband beteiligen würde. Geschäftsführer wurde Marcel Schuler, der vorher als Kampagnenleiter für die FDP Schweiz gearbeitet hatte.

Allianz Sicherheit Schweiz gegründet

Felix Wettstein (gp, SO) reichte im Sommer 2020 eine Motion betreffend die Veröffentlichung von Luftschadstoffemissionen stationärer Anlagen ein. Er verlangte, dass die Kantone die Luftschadstoffemissionen derjenigen Anlagen, welche die Grenzwerte im Tagesmittel überschreiten – allen voran Zementwerke und Kehrichtverbrennungsanlagen – veröffentlichen müssen. Wettstein erläuterte, dass zahlreiche Anlagen bis heute zu viele krebserregende Stoffe ausstiessen und die umliegende Bevölkerung darüber im Dunkeln gelassen werde. Der Bundesrat beantragte die Annahme der Motion.
Nachdem die Motion in der Herbstsession 2020 von Monika Rüegger (svp, OW) bekämpft worden war, kam sie in der Sommersession 2021 in die grosse Kammer. Bei dieser Gelegenheit erläuterte Rüegger, dass die Umsetzung der geforderten Änderung der LRV zu Verwirrung in der Bevölkerung führen werde, da diese die veröffentlichten Daten eventuell nicht richtig interpretieren könnte. Ausserdem wäre der Vollzug «aufwendig und einfach nur kompliziert». Den kantonalen Behörden stehe es schon heute frei, die Daten zu veröffentlichen. Sie seien die kompetenten Behörden und kämen ihrer Aufsichtspflicht bereits genügend nach. Rüeggers Votum vermochte ausserhalb der Reihen der SVP kaum zu überzeugen und so nahm der Nationalrat die Motion mit 128 zu 61 Stimmen, bei einer Enthaltung, deutlich an.

Luftschadstoffemissionen stationärer Anlagen, welche die Tagesmittel-Grenzwerte überschreiten. Pflicht zur Veröffentlichung (Mo. 20.3507)

Jon Pult (sp, GR) reichte im September 2020 ein Postulat betreffend die digitale Infrastruktur und deren geopolitische Risiken ein. Der Bündner Nationalrat wollte den Bundesrat beauftragen darzulegen, wie die Risiken beim Ausbau und der Weiterentwicklung von digitalen Infrastrukturen wie etwa 5G reduziert werden können. Es gelte zu klären, welche Risiken Anbieter wie Huawei darstellten, «die in Ländern domiziliert sind, die weder marktwirtschaftlich noch rechtsstaatlich organisiert sind». Pult ging es insgesamt auch darum, dass die Schweizer Technologieinfrastruktur nicht durch den sich abzeichnenden geoökonomischen Wettbewerb zwischen China und den USA tangiert wird. Der Bundesrat beantragte die Annahme des Postulats. Er verwies dabei auf die angenommenen Postulate 19.3135 und 19.3136, die sich ebenfalls mit den Risiken in Zusammenhang mit digitalen Infrastrukturen befassen. Die von Pult geforderte Analyse werde mit diesen Arbeiten abgestimmt.
Der Nationalrat behandelte das Geschäft in der Sommersession 2021; es war zuvor von Franz Grüter (svp, LU) bekämpft worden. Grüter argumentierte, dass die Schweiz in digitaler Hinsicht nun einmal vom Ausland abhängig sei und dies in absehbarer Zukunft auch bleiben werde. Daher gelte es, Partnerschaften und damit auch gewisse Risiken einzugehen. Um diese Risiken wiederum zu kontrollieren, brauche die Schweiz technologisches und geopolitisches Knowhow sowie Prüfverfahren für gewisse Technologien. Eine solche Prüfung könne jedoch durch private Testinstitute erfolgen und brauche keinen staatlichen Eingriff. Eine Ausnahme könne hingegen für national kritische Infrastrukturen gemacht werden, so Grüter. Anschliessend erläuterte Bundesrätin Simonetta Sommaruga, dass der Bundesrat das Thema unter anderem auch deshalb aufgreifen möchte, weil die digitale Sicherheit auch die Infrastrukturanbieter, die Fernmeldeunternehmen und die Privatwirtschaft stark beschäftige. Die grosse Kammer nahm das Postulat mit 104 zu 83 Stimmen bei 4 Enthaltungen an. Die SVP- und die FDP.Liberale-Fraktion stimmten geschlossen gegen den Vorstoss.

Digitale Infrastruktur. Geopolitische Risiken minimieren (Po. 20.3984)
Dossier: Schutz kritischer Infrastrukturen

Einigkeit bestand bei der Behandlung der AHV 21-Reform durch den Nationalrat eigentlich nur in der Feststellung, dass dies ein sehr zentrales Projekt sei – «l'un des objets majeurs de la législature», nannte es beispielsweise Kommissionssprecher Nantermod (fdp, VS). Ansonsten unterschieden sich die Positionen der links-grünen und der bürgerlichen Ratsseite ziemlich stark. Bewusst waren sich die Befürwortenden sowie die Gegnerinnen und Gegner des vorliegenden Entwurfs aber auch, dass die Revision dieses Mal auch vor dem Stimmvolk unbedingt bestehen müsse, zumal die letzte erfolgreiche AHV-Revision fast 30 Jahre zurück lag. Darüber, ob und wie das aktuelle Projekt vor den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern mehrheitsfähig wird, schieden sich jedoch die Geister. Umstritten waren nicht nur die Frage der Rentenaltererhöhung der Frauen – die der Ständerat zuvor deutlich angenommen hatte –, sondern auch die Höhe der Ausgleichsmassnahmen für die älteren Frauenjahrgänge sowie die Zusatzfinanzierung für die AHV. Kommissionssprecher Nantermod wehrte sich gegen die Formulierung, wonach die AHV 21-Reform eine Abbauvorlage sei. So würde die Erhöhung des Frauenrentenalters, welche die Ausgaben der AHV um CHF 1.2 Mrd. verringert, durch zusätzliche Leistungen in der Höhe von CHF 812 Mio. gemildert. Somit würden die Leistungskürzungen insgesamt nur etwa CHF 400 Mio. einbringen. Dabei zählte Nantermod jedoch nicht nur die Ausgleichszahlungen für die Übergangsgenerationen zu den zusätzlichen Leistungen, sondern auch die Flexibilisierung des Rentenalters und die Änderung des Selbstbehalts, die Frauen und Männern zugute kommt. Hingegen würde die Finanzierung um CHF 1.58 Mrd. erhöht (CHF 1.36 Mrd. aus der Mehrwertsteuer und CHF 222 Mio. aus den zusätzlichen Beiträgen). Somit bestehe die Reform zu 80 Prozent aus Mehreinnahmen und zu 20 Prozent aus Leistungskürzungen und sei folglich sozial ausgestaltet. Gleichzeitig sei man sich bewusst, dass der Entwurf die Problematik der AHV-Finanzierung nicht vollständig lösen könne, voraussichtlich käme der Deckungsgrad des AHV-Fonds damit im Jahr 2030 bei 88 Prozent zu liegen. Folglich habe man die Motion 21.3462 eingereicht, gemäss welcher der Bundesrat bis Ende 2026 eine neue AHV-Reform für die Jahre 2030 bis 2040 vorlegen soll.

Ihre Kritikpunkte an dieser Vorlage fassten die Frauen der links-grünen Ratsseite in verschiedene Rückweisungsanträge an den Bundesrat oder an die SGK-NR. Eine Minderheit Porchet (gp, VD) erachtete den Leistungsabbau als unnötig und schlug stattdessen vor, die Finanzierungsprobleme der AHV durch Zuweisung der SNB-Gewinne an die AHV zu lösen. Statt an Bund und Kantone, die bereits stark von den Negativzinsen profitierten, solle das Geld der SNB aus den zusätzlichen Ausschüttungen der AHV und somit den Verliererinnen und Verlierern der Negativzinsen zugutekommen. Eine alternative Finanzierungsmöglichkeit für die AHV sah auch eine Minderheit Prelicz-Huber (gp, ZH) vor, die das AHV-Defizit über eine Erhöhung des Bundesbeitrags decken wollte. Das AHV-Gesetz erlaube es, den Bundesbeitrag auf 50 Prozent der jährlichen Ausgaben zu erhöhen, folglich solle dieser stärker als nur auf die vom Bundesrat vorgesehenen 20.2 Prozent angehoben werden. Ebenfalls als alternative Finanzierungsquelle stellte Manuela Weichelt-Picard (al, ZG) ihren Minderheitsantrag dar, mit dem sie die Erfüllung des Gleichstellungsartikels, des Gleichstellungsgesetzes und des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) sowie eine Koppelung der AHV 21-Vorlage an «gleiche[n] Lohn bei gleichwertiger Arbeit» forderte. So führten die noch immer bestehenden Lohnunterschiede von 18.3 Prozent – 7.7 Prozent davon unerklärt – zwischen den Geschlechtern zu tieferen Lohnbeiträgen für die Frauen. Mit fairen Löhnen für die Frauen würden die AHV-Beiträge gemäss Travailsuisse um CHF 825 Mio. pro Jahr steigen. Statt an die Lohngleichheit wollte eine Minderheit um Mattea Meyer (sp, ZH) den Entwurf an die aktuelle Revision des BVG (BVG 21) koppeln. So liege das Hauptproblem in den Rentenunterschieden zwischen Frauen und Männern nicht bei der AHV, sondern bei den Pensionskassen. Die mittlere Pensionskassenrente für Frauen betrage beispielsweise CHF 1160 und diejenige der Männer CHF 2144; fast ein Drittel der Neurentnerinnen habe überdies gar keine Pensionskassenrente. Folglich müsse das BVG 21 zuerst revidiert werden, bevor die AHV 21 angegangen werden könne. Eine zweite Minderheit Prelicz-Huber verlangte schliesslich, dass die AHV so auszugestalten sei, dass sie den Verfassungsauftrag, wonach AHV-Renten den Existenzbedarf angemessen decken müssen, erfüllt. Dies sei heute nicht der Fall, dafür sei die AHV-Rente zu tief – insbesondere für diejenigen 13 Prozent der Männer und über ein Drittel der Frauen, die keine zweite oder dritte Säule hätten. Über 330'000 Menschen lebten deshalb unter dem Existenzminimum und müssten Ergänzungsleistungen beziehen, betonte Prelicz-Huber.

Vor der Detailberatung und nach dem unbestrittenen Eintretensentscheid musste sich der Nationalrat mit den Rückweisungsanträgen auseinandersetzen. «Die Mehrheit der Kommission will die Vorlage zügig vorantreiben», hatte Kommissionssprecher de Courten (svp, BL) zuvor betont und daran hielt sich der Nationalrat: Er lehnte sämtliche Rückweisungsanträge ab, diese fanden über die SP- und die Grüne-Fraktion hinaus einzig bei Lorenzo Quadri (lega, TI) Unterstützung.

Die Detailberatung nahm die grosse Kammer in vier Blöcken vor, wobei sie in den zentralen Punkten Differenzen zum Ständerat schuf.
Gleich zu Beginn beschäftigte sich der Nationalrat mit der Hauptthematik der Revision: Im ersten Block debattierte der Nationalrat über die Erhöhung des Rentenalters der Frauen auf 65 Jahre – das in der Zwischenzeit in «Referenzalter» umbenannt worden war. Dazu gab es noch einmal eine ausführliche und teilweise ziemlich gereizte Debatte mit zahlreichen Nachfragen, bei der verschiedene Frauen erneut die noch immer bestehende Benachteiligung der Frauen in zahlreichen Bereichen, insbesondere beim Lohn und bei der unbezahlten Arbeit, hervorhoben. Bürgerliche Sprechende verwiesen hingegen unter anderem ebenfalls auf den Gleichstellungsartikel in der Verfassung, den es nun durch eine Angleichung des Rentenalters zu erfüllen gelte. Mit 124 zu 69 Stimmen sprach sich nach dem Ständerat auch der Nationalrat für eine Erhöhung des Rentenalters der Frauen aus. Abgelehnt wurde diese von der SP- und der Grünen-Fraktion sowie von Lorenzo Quadri und zwei Mitgliedern der Mitte-Fraktion (Christine Bulliard (mitte, FR) und Jean-Paul Gschwind (mitte, JU)). Nicht nur bei den Männern waren die Fronten somit deutlich nach politischen Lagern gespalten: Einzig Christine Bulliard sprach sich als bürgerliche Frau gegen die Rentenaltererhöhung für Frauen aus. Insgesamt lehnten die Frauen im Nationalrat die Erhöhung jedoch mit 38 zu 29 Stimmen ab, zumal dem links-grünen Lager deutlich mehr Frauen angehören als dem bürgerlichen Lager.
Gleich im Anschluss behandelte der Nationalrat die zweite grosse Frage der Revision: die Kompensationsmassnahmen für Frauen, die in Kürze pensioniert würden und nun ein Jahr länger arbeiten müssten als geplant. Wie bereits im Ständerat standen diesbezüglich zahlreiche verschiedene Modelle zur Debatte. Die Kommissionsmehrheit hatte sich gegen das vom Ständerat geschaffene Trapezmodell ausgesprochen und nahm stattdessen das Modell, das Damian Müller (fdp, LU) im Ständerat vertreten hatte, in modifizierter Form auf: So sollte der Zuschlag für die Frauen nach deren bisherigem Einkommen abgestuft werden, wobei die SGK-NR im Gegensatz zu Müller drei Stufen vorsah: Je nach Höhe des bisherigen Einkommens sollten die Frauen zwischen CHF 50 und CHF 150 pro Monat zusätzlich erhalten. Davon sollten sechs Jahrgänge profitieren, maximal sollte dies CHF 551 Mio. kosten. Eine Minderheit II Prelicz-Huber befürwortete hingegen die Änderung der Rentenformel, wie sie der Bundesrat vorgeschlagen hatte (Modell Bundesrat), wollte diese aber grosszügiger ausgestalten (bei Kosten von CHF 1.08 Mrd.) und 14 Jahrgänge daran teilhaben lassen. Die restlichen drei Minderheiten befürworteten das Trapezmodell, das die Rentenzuschläge nach Jahrgängen zuerst zunehmend, später absteigend abstufen wollte. Damit sollte der Tatsache Rechnung getragen werden, dass das Rentenalter schrittweise erhöht wird und somit die ersten Jahrgänge keinen vollständigen Rentenzuschlag zugute haben. Eine Minderheit II de Courten wollte dabei dem Ständerat folgen (Kosten: CHF 409 Mrd.), die Minderheiten IV Meyer und V Prelicz-Huber forderten hingegen verglichen mit dem Ständerat deutlich höhere Grundzuschläge (SR: CHF 150, Meyer: CHF 430, Prelicz-Huber: 515), zudem sollten bei der Minderheit Prelicz-Huber deutlich mehr Jahrgänge unterstützt werden (SR und Meyer: 9 Jahrgänge, Prelicz-Huber: 14 Jahrgänge), bei Kosten von CHF 1.35 Mrd. respektive CHF 1.72 Mrd. Ein Einzelantrag Bäumle wollte schliesslich dem Modell der Kommission folgen, aber die Übergangsmassnahmen acht Jahrgängen zugutekommen lassen (SGK-NR: 6 Jahrgänge), was Kosten von CHF 900 Mio. mit sich bringen sollte.
Wie das Modell des Bundesrates vorgesehen hatte, waren bei den Ausgleichsmassnahmen jedoch nicht nur Rentenzuschläge angedacht, sondern alternativ auch ein privilegierter Rentenvorbezug: Die Frauen der Übergangsgeneration sollten gemäss der Mehrheit der SGK-NR – ebenfalls abgestuft nach Einkommen – ihre Rente mit einem Kürzungssatz von 0 bis 2 Prozent (tiefere Einkommen), 1 bis 4 Prozent (mittlere Einkommen) und 2 bis 6 Prozent (höhere Einkommen) vorbeziehen können. Die Minderheit II Prelicz-Huber wollte hier auf den höchsten Kürzungssatz verzichten. Das Trapezmodell und somit auch die Modelle des Ständerats sowie der übrigen Minderheiten sahen keine Möglichkeit für einen privilegierten Vorbezug vor.
Gesundheitsminister Berset sprach sich mit deutlichen Worten gegen den Antrag der Kommissionsmehrheit aus. So sei die Anzahl Jahrgänge, die von den Ausgleichsmassnahmen profitieren sollen, deutlich zu gering, insbesondere wenn die ersten Übergangsjahrgänge nur reduzierte Zuschläge erhalten sollten. Die Kompensationen seien demnach deutlich weniger grosszügig als bei der erfolgreichen 10. AHV-Reform, weshalb sich der Nationalrat für das grosszügigere Modell des Bundesrates entscheiden solle. Kommissionssprecher de Courten verwies hingegen darauf, dass die Kommissionsmehrheit zwar eine geringere Anzahl Jahrgänge berücksichtige als der Bundesrat und der Ständerat, diese aber grosszügiger behandeln wolle.
Deutlich setzte sich der Vorschlag der Kommissionsmehrheit in der Ausmehrung gegen sämtliche anderen Modelle durch. Knapp wurde es einzig gegen die Minderheit II de Courten, die dem Ständerat folgen wollte (79 zu 74 Stimmen bei 40 Enthaltungen). Dabei stimmte fast die gesamte Grünen-Fraktion mit der SVP-Fraktion für die Minderheit de Courten, während sich die SP-Fraktion ihrer Stimme enthielt.

Im zweiten Block behandelte der Nationalrat die Flexibilisierung des Rentenbezugs, dessen erste Frage des privilegierten Vorbezugs der Übergangsgeneration ja bereits bei der Wahl des Kompensationsmodells geklärt worden war. Umstritten war hier – wie bereits im Ständerat – die Frage, ob der Vorbezug ab 62 oder 63 Jahren möglich sein soll. Die Kommissionsmehrheit wollte der Version des Ständerates folgen (63 Jahre). Yvonne Feri (sp, AG) argumentierte hingegen, dass Frauen neben dem Rentenalter nicht auch noch beim Zeitpunkt des Vorbezugs eine Verschlechterung erfahren sollten, und beantragte folglich Zustimmung zur bundesrätlichen Version für einen Vorbezug ab 62 Jahren. Deutlich setzte sich die Kommissionsmehrheit aber auch hier durch.
Auch bei der Frage des Freibetrags für Personen, die nach Erreichen des AHV-Alters weiterhin erwerbstätig sind, war die Kommissionsmehrheit erfolgreich. Der Ständerat hatte sich hier statt eines Betrags in der Höhe des anderthalbfachen Mindestbetrags der AHV-Rente (aktuell CHF 16’800) für einen fixen Betrag von CHF 24'000 entschieden, der jedoch an die Teuerung angepasst werden soll. Damit sollten die Bürgerinnen und Bürger motiviert werden, über das Referenzalter hinaus erwerbstätig zu bleiben. Die Kommissionsmehrheit wollte stattdessen dem Bundesrat folgen, den Freibetrag jedoch für freiwillig erklären. Erfolglos blieben diesbezüglich eine Minderheit I de Courten, die dem Ständerat folgen, aber den Zusatz der Kommission zur Freiwilligkeit des Freibetrags aufnehmen wollte, sowie eine Minderheit II Gysi (sp, SG) für die bundesrätliche Position.

In einem dritten Block fasste der Nationalrat die übrigen Themenbereiche zusammen. So hatte zum Beispiel eine Minderheit Feri im Lichte des Urteils des EGMR gegen die Schweiz vorgeschlagen, die Witwerrente der Witwenrente anzupassen und somit grosszügiger auszugestalten als bisher. Denn während Witwer nach geltendem Recht nur solange Witwerrente erhalten, wie sie minderjährige Kinder zu betreuen haben, haben Witwen bis zu ihrer Pensionierung Anrecht auf Witwenrente. Es sei höchste Zeit, die biologisch und funktional ungerechtfertigten rechtlichen Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu beheben, argumentierte Feri. Die beiden Kommissionssprecher verwiesen jedoch auf die Kosten dieser Regelung von CHF 105 Mio. pro Jahr und wollten stattdessen einen entsprechenden Vorschlag des Bundesrates abwarten. Verschiedene Sprechende hofften darauf, die Problematik nicht durch eine grosszügigere Witwerrente, sondern durch eine Einschränkung der Witwenrente zu lösen. Der Nationalrat teilte diese Einschätzung und lehnte den Antrag der Minderheit Feri ab.

Im vierten Block debattierte der Nationalrat über die dritte grosse Frage, die Zusatzfinanzierung für die AHV. Dabei lagen auch bezüglich der Mehrwertsteuererhöhung unterschiedliche Konzepte vor. Die Kommissionsmehrheit schlug mit einer Erhöhung von 0.4 Prozentpunkten des Normalsatzes (sowie Erhöhungen um je 0.1 Prozentpunkte des Sondersatzes für Beherbergungsleistungen und des reduzierten Satzes) eine etwas grössere Erhöhung vor als der Ständerat (0.3 und je 0.1 Prozentpunkte), blieb jedoch deutlich unter dem Vorschlag des Bundesrates (0.7 respektive 0.2 und 0.3 Prozentpunkte). Eine Minderheit II de Courten bevorzugte die ständerätliche Version, während eine weitere Minderheit IV de Courten die Mehrwertsteuer nur zeitlich begrenzt bis Ende 2030 in demselben Ausmass erhöhen wollte wie die Kommissionsmehrheit. Eine Minderheit I Maillard (sp, VD) sprach sich zwar für die von der Kommissionsmehrheit vorgeschlagene Mehrwertsteuererhöhung aus, wollte jedoch auf die von der Kommission sowie von mehreren Minderheiten ebenfalls vorgesehene Verknüpfung der Mehrwertsteuererhöhung mit der Erhöhung des Rentenalters verzichten. Eine Minderheit III Gysi beantragte schliesslich, dem Bundesrat zu folgen. Gesundheitsminister Berset verwies darauf, dass die Situation für zukünftige Revisionen noch viel schwieriger werde, wenn man bereits jetzt mit einer 88-prozentigen Deckung des Fonds für das Jahr 2030 rechne – so hoch sollte der Deckungsgrad mit dem Modell der Kommissionsmehrheit sein. Folglich empfahl er dem Nationalrat die stärkere vom Bundesrat vorgesehene Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0.7 Prozentpunkte. Davon liess sich dieser jedoch nicht überzeugen, auch in dieser Frage setzte sich die Kommissionsmehrheit gegen sämtliche Minderheitsanträge durch.
Ein weiterer Diskussionspunkt betraf die Frage, ob der Bundesbeschluss zur Mehrwertsteuererhöhung an die AHV 21-Reform geknüpft werden soll oder nicht. Der Ständerat hatte eine solche Verknüpfung geschaffen, die Mehrheit der SGK-NR wollte ihr zustimmen, während sie eine Minderheit Maillard ablehnte. Bundesrat Berset verwies diesbezüglich auf die Altersvorsorge 2020, bei der die Verknüpfung der beiden Vorlagen für die Ablehnenden ein wichtiges Argument dargestellt habe. Dabei forderte er den Nationalrat auf, denselben Fehler nicht erneut zu begehen. Davon liess sich dieser jedoch nicht überzeugen und nahm den Mehrheitsantrag mit 124 zu 67 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) an.
In der Folge schlug Felix Wettstein (gp, SO) ein alternatives Finanzierungskonzept in Anlehnung etwa an die Mikrosteuer-Initiative vor, gemäss dem auf jeder Finanztransaktion an der Schweizer Börse eine Steuer von 1 Promille erhoben werden sollte. Damit könne neben den Einkommen eine weitere Finanzierungsquelle für die AHV erschlossen werden, begründete Wettstein seinen Antrag. Dieser wurde jedoch mit 120 zu 70 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) abgelehnt. Zustimmung fand der Vorschlag bei der SP- und der Grünen-Fraktion sowie bei einer Minderheit der Mitte-Fraktion.
Stattdessen schuf die Mehrheit der SVP-Fraktion unterstützt von der SP- und der Grünen Fraktion eine andere, zusätzliche Einnahmequelle für die AHV. So schlug die SVP-Fraktion in einem Einzelantrag vor, sämtliche Bruttoerträge der Schweizerischen Nationalbank aus den Negativzinsen auf den von ihr geführten Girokonten dem AHV-Ausgleichsfonds zukommen zu lassen. Zudem sollten die Bruttoerträge aus den Negativzinsen auf den von ihr geführten Girokonten, die zwischen 2015 und dem Inkrafttreten der AHV 21-Revision anfallen würden, in einer einmaligen Zahlung der AHV zugeschrieben werden. Eine Minderheit Maillard hatte zuvor einen ähnlichen Antrag gestellt, diesen aber zugusten des SVP-Antrags zurückgezogen. Pierre-Yves Maillard verwies auf die riesigen Gewinne, welche die SNB mit den Negativzinsen mache: In den ersten 60 Tagen dieses Jahres habe diese bereits die Gewinne angehäuft, welche gemäss dem Antrag der SVP der AHV zukommen würden. Alfred Heer (svp, ZH), der bereits 2018 eine entsprechende Motion (Mo. 18.4327) eingereicht hatte, verwies für die SVP-Fraktion darauf, dass die Negativzinsen zwar zur Schwächung des Frankens und als Subvention für die Exportindustrie gedacht seien, in erster Linie aber vor allem eine «Strafe für die Sparerinnen und Sparer in der Schweiz» darstellten. Folglich müssten deren Gewinne wieder an die Bevölkerung zurück verteilt werden. Kommissionssprecher Nantermod empfand es hingegen als unklug «de lier le destin de l'AVS à […] celui des intérêts négatifs». Die AHV-Finanzierung solle nicht von der SNB abhängig werden, da damit auch die Unabhängigkeit der SNB gefährdet sei. Schliesslich gehöre die SNB den Kantonen, weshalb der Bund nicht über die Verwendung ihrer Gewinne bestimmen könne. Mit 108 zu 80 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) nahm der Nationalrat den SVP-Antrag jedoch an und verschob diese Zusatzfinanzierung in der Folge in eine neue Vorlage 3.
Erfolglos blieb hingegen ein Minderheitsantrag Prelicz-Huber für eine Erhöhung des Bundesbeitrags an die AHV von bisher 19.55 Prozent auf 25 Prozent. Stattdessen nahm die grosse Kammer die Erhöhung auf 20.2 Prozent, wie sie der Bundesrat vorgeschlagen hatte, an.

In der Gesamtabstimmung stimmte die grosse Kammer dem Revisionsentwurf für das Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung mit 126 zu 67 Stimmen zu, abgelehnt wurde er von den geschlossen stimmenden SP- und Grünen-Fraktionen sowie von Lorenzo Quadri. Der Bundesbeschluss über die Zusatzfinanzierung der AHV durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer wurde nur von Stefania Prezioso (egsols, GE) abgelehnt, die SP-Fraktion enthielt sich jedoch ihrer Stimme. Dem vom Nationalrat auf Initiative der SVP-Fraktion neu geschaffenen Bundesbeschluss über die Zuweisung des Gewinns aus den Negativzinsen der SNB an den AHV-Ausgleichsfonds stimmte der Nationalrat mit 132 zu 60 Stimmen (bei 1 Enthaltung) zu. Zu den SP-, Grünen- und SVP-Fraktionen, die dieses Projekt bereits zuvor unterstützt hatten, gesellte sich auch eine Mehrheit der Mitte-Fraktion. Nachdem diese Abstimmung wegen unklarer Abstimmungsfrage wiederholt worden war, betrug die Unterstützung durch die Mitte-Fraktion jedoch nur noch drei Stimmen. Dennoch reichte es mit 114 zu 75 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) zur Annahme des neu geschaffenen Bundesbeschlusses.

Reform «Stabilisierung der AHV (AHV 21)» (BRG 19.050)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter
Dossier: Erhöhung des Rentenalters

In der Sommersession 2021 behandelte das Parlament die Staatsrechnung 2020. Im erstberatenden Ständerat präsentierte Kommissionssprecher Hegglin (mitte, ZG) die Zahlen zu diesem ausserordentlichen Rechnungsjahr und verwies dabei insbesondere auf die CHF 16.1 Mrd., welche der Bund Corona-bedingt schlechter abschloss, als veranschlagt worden war. Daneben stellte er auch die grossen Einnahmerückgänge – insgesamt sanken die Einnahmen im Vergleich zum Vorjahr um 3.4 Prozent – in den Mittelpunkt: Die Einnahmen der Mehrwertsteuer (-1.8%), der Verrechnungssteuer (-37.5%) oder der Mineralölsteuer (-6%) nahmen allesamt deutlich ab. Nach einer kurzen Debatte darüber, was nun mit den Schulden auf dem Amortisationskonto geschehen soll, hiess der Ständerat die Staatsrechnung 2020, die Rechnung des Bahninfrastrukturfonds 2020 sowie die Rechnung des NAF 2020 einstimmig (mit jeweils 44 zu 0 Stimmen) gut.

Etwas mehr zu reden gab die Staatsrechnung einige Tage später in der grossen Kammer. «[...] La période des vaches grasses est révolue», fasste Kommissionssprecher Gschwind (mitte, JU) die aktuelle Finanzsituation mit einem Defizit von CHF 15.8 Mrd. zusammen. Dennoch hätten die Vorgaben der Schuldenbremse mit einem strukturellen Überschuss von CHF 1.7 Mrd. erfüllt werden können, allerdings nur aufgrund der in der Schuldenbremse vorgesehenen Möglichkeit, Ausgaben ausserordentlich zu verbuchen – im Jahr 2020 wurden CHF 14.7 Mrd. ausserordentlich auf das Amortisationskonto gebucht. Die Bruttoschulden des Bundes stiegen Corona-bedingt um CHF 6.6. Mrd. an, die Schuldenquote liegt neu bei 14.7 Prozent des BIP, wie der zweite Kommissionssprecher Egger (svp, SG) ergänzte. In der Folge schwankte die Beurteilung der Situation zwischen «schwindelerregende Zahlen» respektive einem «Horrorfilm» (Guggisberg, svp, BE), und «in vielerlei Hinsicht ein erstaunlich normales Jahr» (Wettstein, gp, SO) respektive «von der Spannung beim Lesen [...] schon eher mit einem Telefonbuch vergleichbar» (Siegenthaler, mitte, BE). Gemeinsam hatten die Sprechenden, dass sie mit Spannung den Vorschlag des Bundesrates zum Abbau dieser Schulden auf dem Amortisationskonto im Herbst 2021 erwarteten. Finanzminister Maurer kündigte diesebezüglich eine Vernehmlassung zur Änderung des Finanzhaushaltsgesetzes an. Trotz dieser unterschiedlichen Beurteilungen der Situation war die Annahme der Staatsrechnung nicht umstritten: Mit 181 Stimmen nahm der Nationalrat die Staatsrechnung 2020 ohne Gegenstimmen, aber mit Enthaltung von Stefania Prezioso (egsols, GE) an. Einzelne Gegenstimmen gab es hingegen bei der Rechnung des Bahninfrastrukturfonds 2020 (180 zu 3 Stimmen bei 1 Enthaltung) sowie bei der Rechnung des Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds 2020 (180 zu 3 Stimmen bei 2 Enthaltungen).

Staatsrechnung 2020 (BRG 21.003)
Dossier: Bundeshaushalt 2020: Voranschlag und Staatsrechnung
Dossier: Mögliche Massnahmen zur Reduktion des Covid-19-bedingten Defizits
Dossier: Staatsrechnungen (seit 1991)

Nach dem «Horrorjahr für das Abstimmen per Mausklick», wie die NZZ die Entwicklungen 2019 für E-Voting bezeichnete, kehrte 2020 zuerst ein wenig Ruhe ein. Hinter den Kulissen geschah allerdings einiges. Auf der einen Seite entwickelte die Post, deren ursprüngliches E-Voting-System 2019 an einem Intrusionstest gescheitert war, ein alternatives System weiter. Dies stiess vor allem beim Komitee der Initiative für ein E-Voting-Moratorium auf Kritik. Deren Sprecher Nicolas A. Rimoldi sprach davon, dass die Post «auf einem toten Pferd» reite. Für Schlagzeilen sorgte Ende Mai, dass die spanische Firma Scytl, von der die Post 2019 die Rechte am Programmcode des neuen Systems übernommen hatte, Konkurs anmelden musste.
Auf der anderen Seite erarbeitete die Bundeskanzlei zusammen mit Kantonen und Expertinnen und Experten eine Neuausrichtung des Versuchsbetriebs für E-Voting. Im Zentrum standen Sicherheitsanforderungen und Zertifizierung neuer Systeme und die Frage nach Kontrolle und Aufsicht durch den Bund. Der Bericht lag Ende November vor und wurde vom Bundesrat Ende Dezember zur Kenntnis genommen. Es soll den Kantonen nach wie vor frei gestellt bleiben, ob und mit welchen Systemen sie an Versuchen mit E-Voting teilnehmen wollen. Kantonal dürfen maximal 30 Prozent und national maximal 10 Prozent der Stimmberechtigten elektronisch abstimmen. Der Bund erteilt dann Bewilligungen, wenn strenge Sicherheitsanforderungen erfüllt sind, die einem kontinuierlichen Überprüfungsprozess unterliegen, was zu stetigen Verbesserungen der Systeme führen soll. Ziel seien Systeme mit Open-Source-Lizenzen, die ständig unabhängig überprüft werden könnten. Der Bundesrat kündigte an, 2021 eine Vernehmlassung zu den notwendigen Revisionen der Verordnung über die politischen Rechte bzw. über die elektronische Stimmabgabe durchführen zu wollen. Ziel sei, dass die Bürgerinnen und Bürger einem möglichen dritten Stimmkanal vertrauen könnten. Es gelte aber nach wie vor «Sicherheit vor Tempo», erklärte Bundeskanzler Walter Thurnherr Ende Jahr in den Medien.

Bereits Anfang Juli hatte zudem das überparteiliche Komitee der E-Voting-Moratoriums-Initiative die Unterschriftensammlung abgebrochen. Bis November hätte noch praktisch die Hälfte der Unterschriften gesammelt werden müssen. Die Covid-19-Pandemie habe die Sammlung erschwert, aber mit dem Marschhalt 2019 sei trotzdem ein wichtiger Zwischenerfolg gelungen, gaben die Initiantinnen und Initianten beim Rückzug zu Protokoll.

Freilich bedeutet Digitalisierung der Demokratie nicht bloss digitales Wählen und Abstimmen. In der vor rund 20 Jahren vom Bund angestossenen Entwicklung im Rahmen von «Vote électronique» waren explizit auch E-Collecting, also die Ermöglichung, eine lancierte Volksinitiative mittels digitaler Unterschrift zu unterstützen, elektronische Vernehmlassungen oder elektronische Behördeninformationen als mögliche Projekte genannt worden. Neben E-Voting fristeten diese Unternehmungen allerdings höchstens ein Mauerblümchendasein. Dies sollte sich mit Hilfe der Unterstützung des «Prototype Fund» ändern, der lanciert vom Verein Opendata.ch und der Mercator-Stiftung Projekte finanziell unterstützen wollte, die «demokratische Partizipation in der Schweiz durch digitale Lösungen stärken», so die Beschreibung in der WoZ. Gefragt waren Projekte im Sinne einer «Demokratie für die Generation Smartphone» oder einer «Gamefication» der Demokratie, also der Möglichkeit, demokratische Prozesse spielerisch zu erfahren. In den Medien wurde zudem diskutiert, dass die Pandemie wohl auch der Digitalisierung der Demokratie Vorschub leisten könnte.

Auch E-Collecting erhielt 2020 Aufwind. Zumindest beauftragte der Nationalrat den Bundesrat mittels Postulat, einen Bericht über mögliche Auswirkungen der Einführung von E-Collecting zu verfassen. Eine Motion von Franz Grüter (svp, LU), mit der E-Collecting eingeführt werden sollte, wurde allerdings wieder zurückgezogen. Er sei aufgrund der Diskussionen um eine notwendige Erhöhung der Unterschriftenzahlen, die sein Vorstoss ausgelöst habe, zum Schluss gekommen, dass seine Motion eher zu einem Abbau der direkten Demokratie führen könnte und nicht, wie von ihm eigentlich beabsichtigt, zu einer Förderung, so Grüter.

Für Schlagzeilen sorgten wie schon im Vorjahr die verschiedenen Internetplattformen, die Unterschriftensammlungen digital unterstützten. Berichtet wurde über das «Unterschriftensammlungs-Tool» WeCollect von Daniel Graf, auf dem Unterschriftenbogen «per Mausklick heruntergeladen werden» können, so die Aargauer Zeitung. Die Plattform verfüge über Mailadressen von 75'000 Personen, die potenziell solche Bogen runterladen und unterschreiben bzw. unterschreiben lassen würden und so Unterstützung multiplizierten. Damit sei WeCollect zu einem «politischen Machtfaktor» geworden, wobei allerdings «hauptsächlich Anliegen aus dem rot-grünen Lager» unterstützt würden, so die Aargauer Zeitung. Um politisch unabhängiger zu werden, wandelte Graf die Plattform in eine Stiftung um, deren Leitungsgremium künftig darüber entscheiden soll, welche Begehren unterstützt werden. Dieses Leitungsgremium bleibe aber «eng mit SP und Grünen verbandelt», stellte die Aargauer Zeitung weiter fest. Ebenfalls für Schlagzeilen sorgte die «Agentur Sammelplatz Schweiz GmbH», die von Alexander Segert, dem Verantwortlichen zahlreicher SVP-Abstimmungs- und Wahlwerbungen, gegründet wurde. Auf der Plattform werde ein «Rundumservice» von der Formulierung des Initiativtexts über das Sammeln von Unterschriften bis hin zum Lobbying bei einer allfälligen Abstimmungskampagne angeboten, berichtete die Aargauer Zeitung. Da die traditionellen Kanäle für Unterschriftensammlungen – z.B. Anlässe, Strassensammlungen, Versand über Zeitschriften – an Effektivität verlören, könnte die digitale Hilfe an Bedeutung zunehmen, so die Zeitung. Kritisiert wurde freilich, dass es hier nicht um einen Ausbau, sondern eher um eine «Kommerzialisierung der direkten Demokratie» gehe, wie sich Daniel Graf in der Aargauer Zeitung zur Konkurrenz äusserte.
Die NZZ schliesslich berichtete von einer Studie des Zentrums für Demokratie Aarau, die zeige, dass vier von fünf Volksbegehren von grossen Parteien und Verbänden getragen würden. Rund 35 Prozent aller zwischen 1973 und 2019 zustande gekommenen Volksbegehren stammten laut Studie direkt aus einer Parteizentrale. Eine wichtige Bedingung für das Zustandekommen einer Volksinitiative scheint entsprechend der Resultate zudem zu sein, dass mindestens eine Parlamentarierin oder ein Parlamentarier dem Initiativkomitee angehöre. Ist dies der Fall, liege die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns bei 23 Prozent; im Gegensatz zu einer Wahrscheinlichkeit von 36 Prozent, wenn dies nicht der Fall ist. Laut NZZ könnte die Digitalisierung der Unterschriftensammlung kleinen Gruppierungen entsprechend entgegenkommen und dabei helfen, die Relevanz von grossen Organisationen zu reduzieren.

«Vote électronique» – Kritik und gesellschaftliche Debatte von 2015 bis 2022
Dossier: Vote électronique

Die gesamte Bundesverwaltung soll mit Hilfe eines zentralen Daten-Hubs eine zukunftsfähige Daten-Infrastruktur und Daten-Governance erhalten; der digitale Austausch zwischen Behörden aller Staatsebenen aber auch zwischen Behörden und Wirtschaft sowie Zivilgesellschaft soll mittels sogenannter «Open Access-Echtzeit-Schnittstellen (API)» verbessert werden. Nichts weniger forderte eine Motion der Finanzkommission des Nationalrats, die nicht einmal zwei Monate nach ihrer Einreichung vom Nationalrat in der Wintersession 2020 überwiesen wurde. Die FK-NR begründete ihren Vorstoss und den damit verbundenen Auftrag an den Bundesrat damit, mittels jährlichem Bericht aufzuzeigen, wie gross der Anteil an via diesem Hub erreichbaren und genutzten Daten ist, mit dem Ziel der Verbesserung der Beziehungen zwischen Staat und Unternehmen bzw. Bürgerinnen und Bürgern. Das «Once-Only-Prinzip» müsse umgesetzt werden: Standardinformationen sollen von der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft allen Behörden lediglich einmal mitgeteilt werden müssen. Die FK-NR wollte ihre Motion als Ergänzung zu den bereits angenommenen gleichlautenden Motionen Vonlanthen (cvp, FR; Mo. 18.4276) und Grüter (svp, LU; Mo. 18.4238) verstanden wissen, die die Einführung von elektronischen Schnittstellen in der Bundesverwaltung fordern. Der Bundesrat hatte die Annahme der Motion beantragt und im Nationalrat wurde sie ohne Diskussion durchgewinkt.

Zukunftsfähige Daten-Infrastruktur und Daten-Governance in der Bundesverwaltung (Mo. 20.4260)
Dossier: E-Government
Dossier: Flexible Arbeitsformen in der Bundesverwaltung – Diskussionen seit der Covid-19-Krise

In der Wintersession 2020 behandelte der Nationalrat als Erstrat das Bundesgesetz über administrative Erleichterungen und die Entlastung des Bundeshaushalts. Jean-Paul Gschwind (cvp, JU) und Peter Schilliger (fdp, LU) erläuterten die Vorlage und betonten, dass diese den Bundeshaushalt zwar insgesamt entlasten werde, es jedoch unklar sei, wie stark – zudem falle die Entlastung vermutlich geringer aus, als viele gehofft hätten, erklärte Gschwind. Das Ziel seien denn auch nicht signifikante Einsparungen, sondern die Steigerung der Personaleffizienz um 2 Prozent pro Jahr. In der Folge zeigten sich die meisten Fraktionssprecherinnen und -sprecher in der Tat nicht begeistert vom Ausmass der Einsparungen, zeigten jedoch Verständnis für die Problematik und sagten der vorliegenden Revision ihre Unterstützung zu.
Die FK-NR hatte sich zuvor entschieden, die Einführung von Pauschalen bei der Berechnung der Kostenbeteiligung für die Post- und Fernmeldeüberwachung (ÜPF), der aber eben auch eine gesetzliche Grundlage für die Analyse der Überwachungsdaten im ÜPF-Verarbeitungssystem hinzugefügt worden war, in ein separates zweites Teilprojekt zu verschieben; dieses zweite Teilprojekt sollte wegen der Analyse der Überwachungsdaten zudem an die RK-NR zur Vorberatung zurückgewiesen werden. Die Aufteilung hiessen die Sprechenden gut, zumal die Massnahme selbst insbesondere auf der linken Ratsseite auf Kritik stiess: Eine solche Änderung wäre «definitiv nicht einfach ein administrativer Akt», kritisierte etwa Felix Wettstein (gp, SO) und Céline Widmer (sp, ZH) ergänzte, dass nicht gleichzeitig mit den übrigen eher technischen Massnahmen auch die Rechtsgrundlage für eine Analyse der ÜPF-Daten bezüglich Personennetzwerken sowie Kommunikations- und Bewegungsgewohnheiten von überwachten Personen geschaffen werden könne. Stillschweigend nahm der Rat den Rückweisungsantrag für das zweite Teilprojekt an.
Zum ersten Teilprojekt lagen zwei Minderheitsanträge Wettstein bezüglich des Eisenbahngesetzes und des Bahninfrastrukturfondsgesetzes vor, die darauf abzielten, das heutige Investitionsniveau im Bereich des öffentlichen Verkehrs zu halten; durch eine Umstellung des Berechnungsmasses vom Bahnbau-Teuerungsindex auf den LIK würde das Investitionsniveau um CHF 20 bis 30 Mio. reduziert, argumentierte Wettstein. Der Nationalrat sprach sich mit 157 zu 29 Stimmen und mit 156 zu 29 Stimmen gegen die Minderheitsanträge aus, diese fanden lediglich bei der geschlossen stimmenden Grünen-Fraktion und bei je einem Mitglied der FDP.Liberalen- und der Mitte-Fraktion Anklang. Alle übrigen Massnahmen hiess der Nationalrat stillschweigend gut und nahm den Entwurf in der Gesamtabstimmung einstimmig an.

Bundesgesetz über administrative Erleichterungen und die Entlastung des Bundeshaushalts (BRG 20.067)

Wenige Tage nach der zweiten Sitzung des Ständerats zur Vorlage befasste sich der Nationalrat mit dessen Kompromiss zu den Kapitalerhöhungen der Weltbankgruppe und der Afrikanischen Entwicklungsbank. Die vier Verpflichtungskredite waren in beiden Räten unumstritten, jedoch hatte der Nationalrat fünf Artikel mit Handlungsrichtlinien ergänzt, die vom Ständerat zwar abgelehnt, im Sinne einer Kompromisslösung aber grösstenteils in einem neu geschaffenen Artikel 3a aufgenommen worden waren. Während dieser Artikel 3a auf Antrag der APK-NR angenommen wurde, setzte sich eine Minderheit Schneider-Schneiter (cvp, BL) dafür ein, dem Ständerat auch hinsichtlich der Streichung der Offenlegungspflicht zu folgen und Artikel 3c zu streichen. Die Minderheit aus Vertreterinnen und Vertretern der Mitte-, der FDP- und der GLP-Fraktion argumentierte, dass die Publikation im Internet nicht umsetzbar und die Unterrichtungspflicht des Parlaments bereits anderweitig geregelt sei. Roland Fischer (glp, LU) zeigte Verständnis für den Wunsch nach mehr Transparenz und stellte in Aussicht, dass die Aussenpolitischen Kommissionen in der Differenzbereinigung einen Kompromiss ausarbeiten könnten. Die Mehrheit des Nationalrates wollte jedoch an der Offenlegungspflicht festhalten. Franz Grüter (svp, LU), dessen Fraktion sich von Anfang an gegen die Verfügungskredite eingesetzt hatte, bezeichnete die Institutionen als «Dunkelkammern» und verlangte eine «Aufsicht über die Aufsicht». Auch die SP setze sich für die Einhaltung von Transparenz und Rechenschaft und daher für Artikel 3c ein, wie Claudia Friedl (sp, SG) verlauten liess. Bundesrat Parmelin freute sich zwar über den konstruktiven Kompromiss zu Artikel 3a, der keine grösseren Umsetzungsprobleme mit sich brachte. Er verwies jedoch in Bezug auf den umstrittenen Artikel 3c ebenfalls darauf, dass die Publikation der Schweizer Positionen im Internet «äusserst problematisch und sehr oft kontraproduktiv» sein könne. Um auf internationaler Ebene Kompromisse finden zu können, sei es manchmal unumgänglich, Positionen vertraulich zu behandeln. Auf Nachfrage von Fabian Molina (sp, ZH) stimmte er aber im Namen des Bundesrats zu, den zuständigen Kommissionen gegenüber Rechenschaft abzulegen. Der Nationalrat nahm den Antrag der Mehrheit in Bezug auf Artikel 3c trotz der bundesrätlichen Bedenken mit 118 zu 68 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) an, womit er erneut eine Differenz zum Ständerat schuf.

Kapitalerhöhungen Weltbankgruppe und Afrikanische Entwicklungsbank (BRG 20.024)

Der Ständerat behandelte in der Wintersession 2020 die Motion «Wahre Kosten von Lärmschutzmassnahmen» von Nationalrat Franz Grüter (svp, LU), nachdem diese in der Herbstsession 2020 der KVF-SR zur Vorberatung zugewiesen worden war. Kommissionssprecher Wicki (fdp, NW) legte im Plenum dar, warum die KVF-SR die Motion einstimmig zur Ablehnung empfahl. Grüters Forderung, Kostenberechnungen für Lärmschutzmassnahmen möglichst auf effektiven Marktpreisen zu basieren, sei in der Praxis quasi nicht umzusetzen, da man sich zu diesem Zeitpunkt in der Vorprojektphase befinde, in welcher noch zu viele unbekannte Faktoren Einfluss nehmen können. Vor allem würde die Umsetzung dieser Forderung aber bedeuten, dass der Verfassungsgrundsatz der Gleichbehandlung missachtet würde, wenn ein teureres Objekt (beispielsweise Gebäude) als schützenswerter als ein günstigeres Objekt eingestuft würde, obwohl die Bewohner und Bewohnerinnen genau gleich von Lärm betroffen wären. Nachdem sich auch Bundesrätin Sommaruga noch einmal gegen die Motion ausgesprochen und betont hatte, dass auch die BPUK die Anliegen der Motion kritisch sehe, lehnte die kleine Kammer die Motion stillschweigend ab.

Wahre Kosten von Lärmschutzmassnahmen (Mo. 17.3702)

Wie so vieles im Jahr 2020 stand auch der in der Wintersession 2020 zusammen mit der Staatsrechnung 2019 und dem ordentlichen zweiten Nachtrag zum Voranschlag 2020 behandelte Voranschlag 2021 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2022-2024 im Zeichen der Corona-Pandemie. Zum ersten Mal hatten sich National- und Ständerat vorgängig auf ein Notbudget geeinigt für den Fall, dass die Session Corona-bedingt abgebrochen werden müsste und der Voranschlag deshalb nicht zu Ende beraten werden könnte. Zudem hatte das Parlament neben unzähligen traditionellen erneut auch über zahlreiche im ursprünglichen Voranschlag oder in einer der drei vom Bundesrat eingereichten Nachmeldungen aufgeführten Corona-bedingten Budgetposten zu beraten, wobei es gleichzeitig entscheiden musste, welche davon als ausserordentliche Ausgaben verbucht und damit von der Schuldenbremse ausgenommen werden sollen. Die Kommissionssprecher Nicolet (svp, VD) und Fischer (glp, LU) erläuterten, dass das ursprüngliche Budget des Bundesrates ein Defizit von CHF 1.1 Mrd. aufgewiesen habe, dass dieses durch die Nachmeldungen aber auf über CHF 2 Mrd. CHF angestiegen sei; auf über CHF 4 Mrd. gar, wenn man die ausserordentlichen Ausgaben miteinbeziehe. Keine unwesentliche Rolle spielten dabei die Corona-bedingten Mehrausgaben, welche sich auf CHF 5.4 Mrd. beliefen (CHF 2.5 Mrd. davon sollten als ordentlicher, CHF 2.9 Mrd. als ausserordentlicher Zahlungsbedarf verbucht werden).
In der Folge beriet die grosse Kammer zwar einmal mehr zahlreiche Minderheitsanträge, nahm jedoch nur 7 Minderheits- oder Einzelanträge an und änderte die bundesrätliche Version nur in 14 Bereichen ab. Dadurch erhöhte der Nationalrat die Ausgaben gegenüber dem bundesrätlichen Entwurf um CHF 726 Mio. und gegenüber der FK-NR um CHF 15 Mio. und nahm den Entwurf zum Schluss mit 190 zu 2 Stimmen deutlich an.

Vor der Detailberatung betonten die Kommissionssprecher, dass die FK-NR dem Bundesrat weitgehend gefolgt sei, gerade bei den Covid-19-Massnahmen und bei den Direktzahlungen in der Landwirtschaft aber einige Änderungen angebracht habe. Insgesamt schöpfe die Kommission den Schuldenbremse-bedingten Spielraum mit einem Defizit von CHF 2 Mrd. nicht vollständig aus – möglich wäre ein Defizit von CHF 3.2 Mrd. Der dadurch verbleibende strukturelle Überschuss von CHF 1.2 Mrd. sollte, wie vom Bundesrat vorgeschlagen, dem Amortisationskonto der Schuldenbremse gutgeschrieben und entsprechend für den Abbau der als ausserordentliche Ausgaben verbuchten Corona-Defizite verwendet werden, wie es der Bundesrat auch für den budgetierten Überschuss in der Staatsrechnung 2019 beantragt hatte.
Ergänzend wies Finanzminister Maurer darauf hin, dass das Budget mit sehr vielen Unsicherheiten belastet sei. Je nach Dauer und Anzahl der Corona-Wellen und der Erholungszeit gewisser Bereiche könne sich der Voranschlag durch kommende Nachträge durchaus noch verschlechtern. Man habe hier aber ein Budget ohne Sparmassnahmen erstellt, um der Wirtschaft zu helfen, wieder auf die Beine zu kommen, betonte er.

Der Nationalrat behandelte die einzelnen Budgetposten in sieben Blöcken, beginnend mit den Covid-19-Unterstützungshilfen. Stillschweigend folgte er dem Bundesrat dabei bei den meisten seiner Nachmeldungen, zum Beispiel bezüglich der Leistungen des Erwerbsersatzes, welche der Bundesrat von anfänglich CHF 490 Mio. auf CHF 2.2. Mrd. aufgestockt hatte, nachdem das Parlament im Rahmen des Covid-19-Gesetzes auch indirekt betroffenen Selbständigen Zugang zur EO gewährt hatte; bezüglich der Unterstützung für den Kulturbereich, wie sie in der Herbstsession 2020 in der Kulturbotschaft beschlossen worden war; bezüglich der Arzneimittelbeschaffung; der Lagerhaltung von Ethanol; der Härtefallentschädigung für Vermietende; des öffentlichen Verkehrs oder der Stabilisierung von Skyguide. Minderheitsanträge lagen unter anderem bezüglich der kantonalen Härtefallmassnahmen für Unternehmen vor. Hier hatte der Bundesrat den anfänglichen Verpflichtungskredit von CHF 200 Mio. auf CHF 680 Mio. aufgestockt, eine Minderheit Widmer (sp, ZH) verlangte hingegen eine weitere Erhöhung auf CHF 1 Mrd. Bundesrat Maurer bat den Rat jedoch darum, bei den mit den Kantonen ausgehandelten CHF 680 Mio. zu bleiben, da eine Erhöhung gegen Treu und Glauben verstossen würde – die Kantone müssten entsprechend ebenfalls höhere Beträge sprechen. Zudem wollte dieselbe Minderheit Widmer den Verpflichtungskredit durch einen Zahlungskredit ersetzen, so dass diese Mittel den Kantonen rasch zur Verfügung stehen könnten; die Kommission schlug stattdessen eine Ergänzung des Verpflichtungskredits durch einen entsprechenden Zahlungskredit vor. Finanzminister Maurer kritisierte die Umwandlung, da sie dem Finanzhaushaltsgesetz widerspreche und sich der Bund ja erst beteiligen müsse, wenn die Kantone durch ihre Darlehen Verluste erlitten. Entsprechend müssten die nicht ausgeschöpften Kredite jeweils übertragen werden. Mit 110 zu 78 Stimmen sprach sich der Nationalrat gegen die Minderheit Widmer aus, die immerhin bei den geschlossen stimmenden SP-, Grünen- und GLP-Fraktionen Anklang fand, nahm jedoch den neuen Zahlungskredit stillschweigend an.

Im zweiten Block – Beziehungen zum Ausland und Migration – lagen zwei Gruppen von Minderheitsanträgen vor. So beantragten auf der einen Seite Minderheiten aus der SVP-Fraktion (Grin (svp, VD) und Keller (svp, NW)), Beträge bei der Entwicklungszusammenarbeit, bei multilateralen Organisationen oder bei den Darlehen und Beteiligungen in Entwicklungsländern zu senken und sie damit auf dem Stand des Vorjahres zu belassen. Nicht nur in den Entwicklungsländern, auch in der Schweiz müsse man der schwierigen Rechnungssituation 2021 Rechnung tragen, argumentierte etwa Grin. Auf der anderen Seite versuchten Minderheiten aus der SP- und der Grünen-Fraktion (Friedl (sp, SG) und Wettstein (gp, SO)), unter anderem die Kredite der Entwicklungszusammenarbeit, für humanitäre Aktionen, zur zivilen Konfliktbearbeitung sowie für Integrationsmassnahmen für Ausländerinnen und Ausländer zu erhöhen, um sicherzustellen, dass die APD-Quote, welche auf 0.5 Prozent des BNE festgelegt worden war, auch wirklich erreicht werde. Roland Fischer (glp, LU) verwies für die Kommission darauf, dass die Kredite im Budget den Parlamentsbeschlüssen zu den Zahlungsrahmen für internationale Zusammenarbeit entsprechen und die Kommission entsprechend Erhöhungen oder Kürzungen ablehne. Folglich sprach sich der Nationalrat gegen sämtliche Minderheitsanträge aus, diese fanden denn auch kaum über die jeweiligen Fraktionen hinaus Unterstützung.

Dasselbe Bild zeigt sich im dritten Block, in dem es um die soziale Wohlfahrt ging. Minderheiten Guggisberg (svp, BE) und Nicolet (svp, VD) beantragten tiefere Kredite respektive den Verzicht auf eine Aufstockung der Kredite für Massnahmen zur Gleichstellung von Frauen und Männern, für familienergänzende Kinderbetreuung sowie für den Kinderschutz und die Kinderrechte. Die entsprechenden Aufgaben lägen vor allem in der Kompetenz der Gemeinden und Kantone, weshalb auf eine Aufstockung beim Bund verzichtet werden solle. Eine Minderheit Dandrès (sp, GE) wollte das Budget des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen aufstocken, weil gerade Menschen mit Behinderungen von der Corona-Pandemie besonders stark getroffen worden seien. Zudem sollte auch der Betrag des Bundesamtes für Verkehr zur Behindertengleichstellung für Investitionen in die Barrierefreiheit aufgestockt werden. Letzterer Betrag sei jedoch nicht gekürzt worden, wie einige Sprechende vermuteten, sondern werde neu über den Bahninfrastrukturfonds finanziert, erklärte Finanzminister Maurer. Auch in diesem Block wurden sämtliche Minderheitsanträge deutlich abgelehnt.

Im vierten Block, in dem es um Kultur, Bildung, Forschung und Sport ging, waren die Bildungsanträge wie in früheren Jahren vergleichsweise erfolgreich. Der Nationalrat stimmte Einzelanträgen von Christian Wasserfallen (fdp, BE) sowie Matthias Aebischer (sp, BE) und einem Minderheitsantrag Schneider Schüttel (sp, FR) zu. Wasserfallen und Aebischer wollten verschiedene Kredite des SBFI und des ETH-Bereichs aufstocken (unter anderem den Finanzierungsbeitrag an den ETH-Bereich und an die Forschungseinrichtungen von nationaler Bedeutung) und damit die Entscheidungen des Nationalrats aus der BFI-Botschaft, die sich gerade im Differenzbereinigungsverfahren befand, aufnehmen. Alle vier Einzelanträge fanden im Rat eine Mehrheit, obwohl sie von der SVP- sowie von mehr oder weniger grossen Teilen der FDP.Liberalen- und der Mitte-Fraktion abgelehnt wurden. Die Minderheit Schneider Schüttel wollte den Betrag bei der internationalen Bildungs-Mobilität verdoppeln und auch in den Finanzplanjahren sehr stark aufstocken, um so ab 2021 die Schweizer Vollassoziierung an Erasmus plus zu finanzieren. Kommissionssprecher Fischer (glp, LU) wies jedoch darauf hin, dass die Bedingungen für die Teilnahme von Drittstaaten noch nicht bekannt seien und man das Geld entsprechend erst dann beantragen wolle, wenn man die genauen Kosten kenne. Der Nationalrat folgte der Kommission diesbezüglich zwar im Voranschlagsjahr, nahm aber die Erhöhungen für die Finanzplanjahre mit 93 zu 86 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) an. Erfolglos blieben in diesem Block Kürzungsanträge bei Pro Helvetia, bei verschiedenen Kultureinrichtungen (Minderheiten Guggisberg), deren Kredit die FK-NR aufgrund der Kulturbotschaft aufgestockt hatte, sowie beim Schiesswesen (Minderheit Wettstein).

Landwirtschaft und Tourismus standen im fünften Block im Zentrum und einmal mehr wurde die 2017 angenommene Motion Dittli (fdp, UR; Mo. 16.3705) zum Streitpunkt. Der Bundesrat hatte die Direktzahlungen gegenüber dem Jahr 2020 aufgrund der negativen Teuerung reduziert – gemäss der Motion Dittli soll jeweils die tatsächlich stattgefundene Teuerung verrechnet werden. Die Kommission schlug nun aber vor, zum früheren Betrag zurückzukehren. Der Finanzminister zeigte sich genervt über diesen Entscheid: Die Parlamentarierinnen und Parlamentarier müssten sich überlegen, «ob Sie uns überhaupt solche Aufträge erteilen wollen, wenn Sie sich letztlich nicht daran halten. Das auszurechnen, gibt nämlich einiges zu tun». Mit dieser Darstellung zeigten sich aber verschiedene Sprechende nicht einverstanden. So argumentierten Heinz Siegenthaler (bdp, BE) und Markus Ritter (cvp, SG), dass der Bundesrat in der Botschaft zur Agrarpolitik 2018-2021 die Teuerung nicht ausgleichen wollte und zusätzlich eine nominelle Kürzung vorgenommen habe. Das Parlament habe in der Folge auf die Teuerung verzichtet, aber die Kürzung rückgängig gemacht. Nun dürfe aber keine Teuerung korrigiert werden, die man gar nie gewährt habe. Auch eine linke Minderheit Schneider Schüttel (sp, FR) zeigte sich bereit, die Direktzahlungen zu erhöhen, solange dies zielgerichtet erfolge, und schlug vor, als Reaktion auf das abgelehnte Jagdgesetz eine Krediterhöhung um CHF 1.6 Mio. in den Planungsgrössen den Sömmerungsbeiträgen an die nachhaltige Schafalpung zuzuweisen. Eine zweite Minderheit Schneider Schüttel beantragte, bezüglich der Direktzahlungen dem Bundesrat zu folgen. Der Rat entschied sich in der Folge sowohl für eine Erhöhung um CHF 1.8 Mio. für die Sömmerungsbeiträge als auch für die von der Kommissionsmehrheit vorgeschlagene Erhöhung um fast CHF 17 Mio. und lehnte entsprechend den Antrag der Minderheit II ab. Weitere Minderheitsanträge zur Pflanzen- und Tierzucht und zur Förderung von Innovationen und Zusammenarbeit im Tourismus (Minderheiten Wettstein) fanden keine Mehrheit, jedoch folgte der Nationalrat stillschweigend dem Antrag seiner Kommission, das Globalbudget von Agroscope für deren Restrukturierung um CHF 4.1 Mio. aufzustocken.

Im sechsten Block behandelte der Rat die Themen Verkehr und Umwelt und änderte hier stillschweigend die Sollwerte für die Auslastung des öffentlichen Verkehrs und des Schienengüterverkehrs. Diese sollen überdies auch in den Finanzplanjahren um jährlich 0.1 Prozent steigen. Erfolgreich war auch eine Minderheit Gschwind (cvp, JU), die beantragte, den Kredit für Schäden durch Wildtiere, Jagd und Fischerei nicht zu erhöhen, da hier bereits genügend Mittel vorhanden seien (106 zu 86 Stimmen). Erfolglos blieben Minderheitsanträge auf höhere Kredite für den Technologietransfer und den Langsamverkehr (Minderheit Brélaz: gp, VD) und auf einen tieferen Kredit für Natur und Landschaft (Minderheit Nicolet). Bei der Förderung von Umwelttechnologien wollte die Kommissionsmehrheit den vom Bundesrat vorgeschlagenen Betrag um CHF 3 Mio. erhöhen und den Anfangsbetrag damit fast verdoppeln, was eine Minderheit Gmür bekämpfte. Die Förderung könne auch durch die Privatwirtschaft geschehen, nicht immer durch den Staat – sofern die Projekte gut seien. Die grosse Kammer folgte jedoch ihrer Kommissionsmehrheit.

Im siebten und letzten Block standen Eigenaufwand und Verwaltungsprozesse im Zentrum, wobei der Rat überall seiner Kommission folgte. Er lehnte sämtliche Anträge auf Kürzung, zum Beispiel bei den Parlamentsdiensten, bei denen eine Minderheit Strupler (svp, TG) auf zusätzliches bewaffnetes Sicherheitspersonal im Parlamentsgebäude verzichten wollte, oder bei der Aufstockung des Globalbudgets des BAFU (Minderheit Dandrès), ab. Umstrittener war die Frage, ob das Globalbudget des NDB erhöht und stattdessen der Kredit für Rüstungsaufwand und -investitionen des VBS reduziert werden soll. Eine Minderheit Widmer (sp, ZH) lehnte diesen Austausch ab, der Rat stimmte dem Kommissionsantrag jedoch deutlich zu. Abgelehnt wurde schliesslich auch der Antrag einer Minderheit Schwander (svp, SZ), wonach die gesamten Personalausgaben in den Finanzplanjahren sukzessive auf CHF 6 Mrd. reduziert und dort plafoniert werden sollten. Schliesslich schlug die Kommission vor, für die Zentrale Ausgleichsstelle (ZAS), die für die Durchführung der Sozialversicherungen der 1. Säule zuständig ist, vier neue Planungsgrössen bezüglich einer effizienten Bearbeitung der Versichertendossiers einzuführen, um so deren Effizienz zu steigern. Obwohl Finanzminister Maurer um die Annahme der Minderheiten Fischer und Gysi (sp, SG) für einen Verzicht auf die neuen Sollwerte bat, weil die ZAS inmitten eines Umbaus ihrer Informatik sei, wodurch die Effizienz der Institution ab 2024 gesteigert werden könne, sprach sich der Nationalrat für die Änderung aus.

Insgesamt erhöhte der Nationalrat damit die Ausgaben gegenüber dem bundesrätlichen Entwurf um CHF 726 Mio. und gegenüber der FK-NR um CHF 15 Mio. Offen war schliesslich noch die Frage, welche Kredite als ausserordentliche Ausgaben verbucht werden sollen. Der Bundesrat hatte vorgeschlagen, die Covid-Kosten für die Erwerbsausfallentschädigungen für Selbständigerwerbende (CHF 2.2 Mrd.) und CHF 680 Mio. für die Härtefallhilfe der Kantone als ausserordentlichen Kredite zu behandeln, während die übrigen Corona-bedingten Ausgaben über CHF 2.5 Mrd. dem ordentlichen Zahlungsbedarf zugerechnet werden sollten. Die Kommission beantragte dem Bundesrat zu folgen, während eine Minderheit Fischer (glp, LU) die gesamten Corona-bedingten Mehrkosten von CHF 5.4 Mrd. als ausserordentliche Ausgaben dem Amortisationskonto belasten wollte. Eine einheitliche Verbuchung würde eine höhere Transparenz ermöglichen, erklärte Fischer, zumal es keine objektiven und rechtlichen Kriterien für eine Einteilung in ordentliche und ausserordentliche Ausgaben gebe. Zusätzlich würde dadurch der Schuldenbremse-bedingte Spielraum vergrössert, indem der strukturelle Überschuss von CHF 1.2 Mrd. auf CHF 3.7 Mrd. erhöht würde. Unverändert bliebe dabei das Finanzierungsdefizit in der Höhe von CHF 4.917 Mrd. Auch Finanzminister Maurer bestätigte, dass die Verbuchung keine exakte Wissenschaft sei und entsprechend beide Lösungen möglich wären. Der Bundesrat habe diejenigen Ausgaben, die man «im Voraus» kenne, im ordentlichen Budget untergebracht und einzig die bei der Budgetierung unbekannten Kredite für die EO und die Härtefallhilfen ausserordentlich verbucht. Die Transparenz werde zukünftig durch einen noch zu erstellenden Zusatzbericht hergestellt, welcher die gesamten aufgeschlüsselten Kosten der Covid-19-Krise für den Bund aufzeigen werde. Mit 112 zu 73 Stimmen folgte der Rat gegen den Willen der SP, der Grünen und der GLP der Kommissionsmehrheit. In der darauffolgenden Gesamtabstimmung sprach sich der Nationalrat mit 190 zu 2 Stimmen für seinen Budgetentwurf aus. Die ablehnenden Stimmen stammten von Erich Hess (svp, BE) und Christian Imark (svp, SO). Auch die Bundesbeschlüsse zu den Planungsgrössen, Finanzplanjahren, zum Bahninfrastrukturfonds und dem Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds wurden jeweils sehr deutlich angenommen.

Voranschlag 2021 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2022-2024 (BRG 20.041)
Dossier: Bundeshaushalt 2021: Voranschlag und Staatsrechnung
Dossier: Mögliche Massnahmen zur Reduktion des Covid-19-bedingten Defizits

In der Herbstsession 2020 war das Postulat Reimann (svp, SG) «Auslandsabhängigkeit der Schweiz vermindern, souveräner und krisenresistenter werden» von Felix Wettstein (gp, SO) bekämpft worden, weshalb es erst in der Wintersession desselben Jahres im Nationalrat behandelt werden konnte. Dort plädierte der Postulant erneut dafür, dass die Schweiz sich resistenter machen müsse, um dadurch auch besser auf zukünftige Pandemien vorbereitet zu sein. Er richtete sich in seiner Ansprache vor allem an die Fraktion der Grünen und hob daher auch die Verminderung der Abhängigkeit von Primärrohstoffen hervor. Bundesrat Parmelin empfahl dem Nationalrat ebenfalls die Annahme des Postulats, weil die Covid-19-Pandemie gezeigt habe, wie wichtig die Versorgungssicherheit sei. Obwohl man in der jetzigen Krise keine ernsthaften Engpässe erlebt habe, sei der Bundesrat gewillt, aus der Krise zu lernen und notwendige Massnahmen zu ergreifen. Aufgrund verschiedener parlamentarischer Interventionen würden das BAG und das BWL Berichte erarbeiten, um das derzeitige System der Versorgungssicherheit in ihren jeweiligen Bereichen zu überprüfen. Parmelin verwies auch auf die verwandten Motionen Häberli-Koller (cvp, TG; Mo. 20.3268) und der Mitte-Fraktion (Mo. 20.3245), welche ähnliche Forderungen gestellt hatten, jedoch ohne vorhergehende Bedarfsanalyse.
Der Nationalrat nahm das Postulat in einem ersten Durchgang mit 90 zu 89 Stimmen (bei 5 Enthaltungen) an, musste die Abstimmung aber aufgrund technischer Probleme wiederholen. Beim zweiten Versuch sprach er sich dann mit 87 zu 83 Stimmen (bei 17 Enthaltungen) gegen das Postulat aus. Ausschlaggebend für die Ablehnung waren die zahlreichen Enthaltungen der SP-Fraktion sowie das Umschwenken mehrerer GLP-Mitglieder.

Auslandsabhängigkeit vermindern, souveräner und krisenresistenter werden (Po. 20.3433)

Man sehe sich nicht im Stande, in den verbleibenden fünf Monaten die noch nötigen Unterschriften zu sammeln – in den Medien war die Rede davon, dass erst rund 50'000 Signaturen vorlagen –, gaben Franz Grüter (svp, LU) und Balthasar Glättli (gp, ZH) vom überparteilichen Komitee der eidgenössischen Volksinitiative «Für eine sichere und vertrauenswürdige Demokratie (E-Voting-Moratorium)» Ende Juni 2020 bekannt. Aufgrund des Fristenstillstands war das Sammeln von Unterschriften zwischen 21. März und 31. Mai 2020 verboten worden. Auch wenn die Frist für die Unterschriftensammlung um diese 72 Tage verlängert worden sei, würden es die momentan geltenden Massnahmen – Abstandregeln, Veranstaltungsverbote, Hygienevorschriften – praktisch verunmöglichen, die fehlenden Unterschriften noch rechtzeitig zusammenzubringen, argumentierte das Komitee. Man habe aber trotz des Scheiterns wichtige Ziele erreicht. So war in der Zwischenzeit die eigentlich geplante Einführung der digitalen Stimmabgabe als ordentlichem dritten Stimmkanal aufgrund von gravierenden Sicherheitsmängeln des Betriebssystems der Post gestoppt worden. Die Initiative, die einen Stopp der Nutzung von E-Voting verlangt hätte, bis zentrale Sicherheitsstandards eingehalten werden können, habe zu einer Sensibilisierung beigetragen, urteilte auch die WoZ. Zudem zeigten die gesammelten 50'000 Unterschriften, dass ein Referendum durchaus möglich sei, sollte E-Voting in den nächsten Jahren trotzdem eingeführt werden.
Am 23. November 2020 teilte die Bundeskanzlei offiziell mit, dass die Frist für die Initiative «unbenützt abgelaufen» sei.

Eidgenössische Volksinitiative «Für eine sichere und vertrauenswürdige Demokratie (E-Voting-Moratorium)»
Dossier: Vote électronique

Im Rahmen der Beratungen um das Covid-19-Gesetz in der Herbstsession 2020 wollte das Parlament auf der Basis zweier Anträge von Balthasar Glättli (gp, ZH) und Franz Grüter (svp, LU) Erleichterungen für das Sammeln von Unterschriften für fakultative Referenden einführen. Der Bundesrat erliess in der Folge die zeitlich befristete Möglichkeit, Listen mit Signaturen zuzulassen, für welche die Gemeinden noch keine Stimmrechtsbescheinigungen ausgestellt hatten. In einer Medienmitteilung gab die Regierung bekannt, diese Vereinfachung für alle Erlasse von Sommersession 2020 bis Sommersession 2021 zu schaffen. Die entsprechende Verordnung trat Anfang Oktober 2020 in Kraft und galt nur für Referenden, nicht aber für Initiativen.

Fristenstillstand und Erleichterung bei Unterschriftensammlungen
Dossier: Covid-19 und Volksrechte

Die Kapitalerhöhungen der Weltbankgruppe und der Afrikanischen Entwicklungsbank wurden im der Herbstsession 2020 im Nationalrat ähnlich hitzig diskutiert, wie einige Monate zuvor bereits im Ständerat. Konkret handelte es sich bei vorliegendem Geschäft um drei Bundesbeschlüsse: zwei Verpflichtungskredite über CHF 217.5 Mio. respektive CHF 713.9 Mio. für die Kapitalerhöhungen und die Erhöhung des Garantiekapitals der WBG; zwei Verpflichtungskredite über CHF 109.7 Mio. respektive CHF 1.718 Mrd. für die Kapitalerhöhung und die Erhöhung des Garantiekapitals der AfDB; und schliesslich eine Änderung des Quorums für Kapitalerhöhungen im Rahmen der IFC.
Die APK-NR empfahl dem Nationalrat auf alle drei Bundesbeschlüsse einzutreten, während zwei Kommissionsminderheiten – die Minderheit Guggisberg (svp, BE) der FK-NR und die Minderheit Grüter (svp, LU) der APK-NR – einen Antrag auf Nichteintreten stellten. Claudia Friedl (sp, SG), Komissionssprecherin der FK-NR, betonte die Bedeutung der beiden Banken, die für ihre Arbeit auf Unterstützung von aussen angewiesen seien, wobei die Schweiz sich über das reine Geldgeben hinaus auch gegen Korruption und Fehlinvestitionen einsetze. Für Minderheitsführer Guggisberg waren derartige Ausgaben in der Corona-Krise schlicht nicht zu verkraften. Zudem würden die Banken immer wieder menschenrechtsverletzende Projekte finanzieren und hätten mit Korruption zu kämpfen. Schliesslich wies Guggisberg darauf hin, dass sich auch die USA nicht an der Kapitalerhöhung beteiligten. Franz Grüter argumentierte im Namen seiner APK-NR-Minderheit ebenfalls gegen das Eintreten und nahm dabei vor allem auf die Argumente seines Vorredners und Parteikollegen Bezug. Er kritisierte darüber hinaus aber auch, dass CHF 300 Mio., welche den Banken im Austausch für Aktien überwiesen werden sollten, als Investitionen und nicht als ordentliche Ausgaben klassifiziert werden sollen. Die beiden Minderheiten Guggisberg und Grüter wurden gemeinsam mit 133 zu 54 Stimmen abgelehnt, womit der Nationalrat auf das Geschäft eintrat. Darüber hinaus machte die APK-NR mehrere Änderungsvorschläge in den Bundesbeschlüssen, welche dem Bundesrat konkrete Handlungsanweisungen auferlegen würden. Unter anderem stimmte der Nationalrat dafür, dass die Schweiz ihr Abstimmungsverhalten zu den einzelnen Projekten der Banken im Internet publizieren und der Bundesrat dem Parlament alle zwei Jahre Auskunft darüber geben muss, wie sich die Schweiz für den Schutz der Menschenrechte, gute Regierungsführung und den Klimaschutz einsetzt. Ausserdem muss sich die Schweiz in der Weltbankgruppe für die Stärkung der staatlichen Bildung und der Gesundheitsversorgung einsetzen, eine Nulltoleranzpolitik gegenüber Korruption und Repression verfolgen und die Schaffung von dauerhaften Arbeitsplätzen in den Zielländern unterstützen. In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat die Kredite für die Weltbankgruppe mit den vorgenommenen Ergänzungen mit 139 zu 54 Stimmen und jene für die Afrikanische Entwicklungsbank mit 140 zu 55 Stimmen an. Damit schuf er eine Differenz zum Ständerat, welcher das Geschäft erneut zur Behandlung überwiesen erhielt.

Kapitalerhöhungen Weltbankgruppe und Afrikanische Entwicklungsbank (BRG 20.024)