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  • Guggisberg, Lars (svp/udc, BE) NR/CN
  • Graf-Litscher, Edith (sp/ps, TG) NR/CN

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Während der Wintersession 2023 nahm sich der Ständerat einer Motion Graf-Litscher (sp, TG) zur Förderung salutogenetischer Aspekte bei der Prävention, Behandlung und Nachsorge von Epidemien und Pandemien und zum Einbezug der Komplementärmedizin an. Konkret galt es lediglich über die ersten beiden Ziffern des Geschäfts zu befinden, da der Nationalrat die letzteren beiden bereits abgelehnt hatte. Erich Ettlin (mitte, OW) erklärte, dass die SGK-SR den Vorstoss ablehne, da die darin enthaltenen Anliegen überholt und die verlangten Anpassungen nicht zielführend seien. Beispielsweise sei die Swiss National Covid-19 Science Task Force auf Ende März 2022 aufgelöst worden, weshalb Komplementärmedizin-Fachpersonen darin nicht mehr Einsitz nehmen könnten. Zudem sei die Kommission der Ansicht, dass zusätzliche Bestimmungen bezüglich der Zusammensetzung der EKP «zu starr und nicht sinnvoll» seien. Bundesrätin Viola Amherd schloss sich diesen Worten an und empfahl im Namen der Landesregierung ebenfalls die Ablehnung der Motion. Stillschweigend folgte das Stöckli diesen Voten.

Salutogenetische Aspekte bei der Prävention, Behandlung und Nachsorge von Epidemien und Pandemien fördern und die Komplementärmedizin einbeziehen (Mo. 20.3664)

Le postulat de Lars Guggisberg (udc, BE), adopté en mars 2022 par le Conseil national, demandait au Conseil fédéral d'évaluer la nécessité d'une réforme totale pour moderniser et pérenniser le droit de la société coopérative. Plusieurs questions spécifiques étaient posées par l'élu bernois, notamment sur la définition juridique de la coopérative, sur le devoir de loyauté des membres, sur le nombre minimal de membres fondateurs ou encore sur les éventuels désavantages des coopératives par rapport à d'autres formes juridiques. Dans son postulat, le député soulignait un décalage entre le cadre juridique existant depuis 1936 et l'évolution entrepreneuriale actuelle.
Dans son rapport pour un droit de la société coopérative moderne et durable, publié en décembre 2023, le Conseil fédéral conclut qu'une révision totale serait difficile en raison de la diversité des coopératives et des intérêts divergents. L'exécutif rappelle en effet que la Suisse compte plus de 8000 sociétés coopératives, formant un groupe diversifié présent dans toutes les régions, tant en milieu rural qu'urbain. Ces coopératives couvrent une variété de secteurs, allant des coopératives rurales agricoles aux grandes coopératives du commerce de détail et du secteur financier, en passant par les coopératives d'habitation en ville, les coopératives sociopolitiques (comme les magasins coopératifs de quartier) et les syndicats publics (tels que les stations d'épuration ou les usines d'incinération des ordures ménagères). De plus, il craint qu'une réforme totale n'entraîne une densité normative accrue, des obstacles administratifs et ne compromette la flexibilité et la nature libérale du droit des sociétés coopératives. Les conclusions du rapport suggèrent que le droit coopératif est actuellement couvert d'une régulation minimale, ce qui permet aux coopératives de s'organiser de manière autonome. En résumé, le Conseil fédéral propose de renoncer à une révision totale et de poursuivre une approche de modification ponctuelle en fonction des besoins émergents.

Zeitgemässes und zukunftsfähiges Genossenschaftsrecht (Po. 21.3783)
Dossier: Revision Genossenschaftsrecht

Lors de la session d'automne, le Conseil des Etats a rejeté tacitement une motion visant à lancer des projets numériques phares d'intérêt public pour faire avancer la Suisse. Cette décision fait suite à l'adoption du projet par le Conseil national en mars 2022. Avec sa proposition, le conseiller national Lars Guggisberg (udc, BE) souhaite créer des bases juridiques permettant de soutenir des projets numériques d'intérêt public en Suisse en leur fournissant un financement initial, qu'ils soient privés ou issus de partenariats public-privé.
Lors des délibérations, le conseiller aux Etats Benedikt Würth (centre, SG) a détaillé la situation au nom de la Commission de la science, de l'éducation et de la culture du Conseil des États (CSEC-CE). Cette dernière a proposé de rejeter la motion par 7 voix contre 0 et 2 abstentions. Dans son rapport, elle a souligné que le Conseil fédéral avait déjà exprimé sa volonté de créer une base juridique pour soutenir de tels projets, mais en veillant à ne pas empiéter sur d'autres instruments d'encouragement existants, et en vérifiant que les exigences constitutionnelles soient respectées. La commission considère également que l'objectif de la motion a déjà été atteint grâce à la loi sur l'utilisation des moyens électroniques pour l'exécution des tâches des autorités (LMETA), adoptée entre-temps et qui entrera en vigueur en 2024. Au nom du Conseil fédéral, le chancelier de la Confédération, Walter Thurnherr, s'est rallié à la proposition de la commission, soulignant que le but de la motion était déjà rempli.

Digitale Leuchtturmprojekte mit öffentlichem Interesse anschieben (Mo. 21.4490)
Dossier: Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben (EMBAG)

Mit der Revision der Verkehrszulassungsverordnung vom Juni 2022 setzte der Bundesrat die überwiesene Motion Graf-Litscher (sp, TG) betreffend Verhinderung der doppelten Strafe für Berufsfahrerinnen und Berufsfahrer um. Die Behörden können somit Fahrausweisentzüge bei Chauffeurinnen und Chauffeuren auf privater und beruflicher Ebene unterscheiden. Den Vorstoss schrieben National- und Ständerat im Sommer 2023 im Rahmen des Berichts des Bundesrates über Motionen und Postulate der eidgenössischen Räte im Jahr 2022 ab.

Nein zur doppelten Strafe für Berufsfahrer und Berufsfahrerinnen! (Mo. 17.3520)
Dossier: Wie soll mit Raserdelikten umgegangen werden?

Der Bundesrat legte im Dezember 2022 den Rahmenkredit 2024–2027 für drei Genfer Zentren im Bereich der Sicherheitspolitik vor. Dieser Rahmenkredit war mit CHF 130 Mio. in etwa gleich hoch wie derjenige der vorangegangenen Periode und entsprach im Übrigen inflationsbereinigt dem Betrag, der bereits für die Periode 2016 bis 2019 gutgeheissen worden war. Bei den Zentren handelt es sich um das Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik (GCSP), das Genfer internationale Zentrum für humanitäre Minenräumung (GICHD) sowie das Genfer Zentrum für die Gouvernanz des Sicherheitssektors (DCAF). Der Bundesrat führte in der Botschaft aus, dass der Bund mit der Unterstützung dieser Zentren drei Ziele verfolge: Erstens möchte er eine friedliche internationale Ordnung fördern, zweitens soll das internationale Genf als Standort für friedens- und sicherheitspolitische Organisationen gestärkt werden und schliesslich soll das Fachwissen im Bereich der Aussen- und Sicherheitspolitik weiterentwickelt werden.
Der Nationalrat beugte sich in der Sommersession 2023 über die Botschaft. Kommissionssprecherin Doris Fiala (fdp, ZH) erläuterte für die SiK-NR, die dem Rahmenkredit einstimmig zugestimmt hatte, dass sich die drei Genfer Zentren zu weltweit anerkannten und geschätzten Kompetenzzentren für die Aussen-, Friedens- und Sicherheitspolitik entwickelt hätten. Kommisssionssprecher Fabien Fivaz (gp, NE) ergänzte, dass die Arbeit der drei Zentren der humanitären Mission der Schweiz entspreche und zur Entwicklung des Friedens und der internationalen Beziehungen beitrage. Die beiden Mitglieder der FK-NR, Laurence Fehlmann Rielle (sp, GE) und Lars Guggisberg (svp, BE), riefen ebenso dazu auf, den Rahmenkredit gutzuheissen. Sie berichteten, dass es in der Kommission zu einer Diskussion gekommen war, ob der Kredit angesichts der aktuellen Finanzlage des Bundes nicht etwas gekürzt werden sollte. In der Abstimmung sei der entsprechende Antrag auf Kürzung jedoch deutlich mit 22 zu 3 Stimmen abgelehnt worden. Gelobt wurde von den beiden Kommissionssprechenden der Fakt, dass die Zentren in den letzten Jahren den Anteil an Drittmitteln hatten steigern können.
Nach diesen Voten schritt die grosse Kammer zur Abstimmung. Sie stimmte der Vorlage mit 156 zu 23 Stimmen (1 Enthaltung) zu. Die ablehnenden Stimmen stammten aus den Reihen der SVP-Fraktion sowie von einem SP-Mitglied.

Rahmenkredit 2024–2027 für drei Genfer Zentren (BRG 22.081)
Dossier: Internationales Genf

In der Sommersession 2023 beriet das Parlament die Staatsrechnung 2022. Im Ständerat übernahm Kommissionssprecherin Gapany (fdp, FR) die Präsentation der ganzen Vorlage, während sich in früheren Debatten der Staatsrechnung jeweils auch die Präsidentinnen und Präsidenten der Subkommissionen zu Wort gemeldet hatten. Im Zentrum ihres Votums standen die verschiedenen Krisen – die Covid-19-Pandemie, die Energie-Krise sowie der Krieg in der Ukraine –, welche sie kumuliert als Hauptschuldige dafür ausmachte, dass das ordentliche Finanzierungsdefizit höher ausfiel, als es die Schuldenbremse erlaubte. Finanzministerin Keller-Sutter stellte hingegen vor allem die tieferen Einnahmen bei der Verrechnungssteuer in den Mittelpunkt: Diese würden zwar in den einzelnen Jahren teilweise deutlich von den Prognosen abweichen, über die Jahre glichen sich die Mehr- und Mindereinnahmen jedoch wieder aus. Das sei auch zum gegebenen Zeitpunkt zu erwarten. Einig waren sich die Kommissionsprecherin und die Bundesrätin darin, dass es der Schweiz im internationalen Vergleich noch immer gut gehe. Während Gapany im Namen der FK-SR eine «rigorose und bedarfsorientierte Haushaltsführung» forderte, verwies die Finanzministerin auf die Motion der ständerätlichen Finanzkommission zur Überprüfung der staatlichen Aufgaben und Leistungen. Einstimmig (mit 39 zu 0 Stimmen) nahm der Ständerat die drei Bundesbeschlüsse über die Eidgenössische Staatsrechnung für das Jahr 2022, über die Rechnung des Bahninfrastrukturfonds für das Jahr 2022 sowie über die Rechnung des Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds für das Jahr 2022 an.

Die Frage nach den Hauptschuldigen für das strukturelle Defizit stellten sich auch die Fraktionen Im Nationalrat. Laurence Fehlmann Rielle (sp, GE) verwies für die SP-Fraktion vor allem auf die Unsicherheiten bei der Verrechnungssteuer und forderte zur Behebung der Finanzierungsprobleme einen Ausbau der Steuereinnahmen anstelle der vom Bundesrat bereits geplanten Querschnittskürzungen. Gerhard Andrey (gp, FR) kritisierte ergänzend das asymmetrische Schuldenmanagement des Bundes – Defizite würden abgebaut, aber Gewinne nicht genutzt –, wodurch die Schulden abgebaut würden, anstatt dass man Einnahmen und Ausgaben im Gleichgewicht halte. Als «nicht weiter tragisch» erachtete Roland Fischer (glp, LU) das strukturelle Defizit, zumal der Bund seit Einführung der Schuldenbremse trotz aller Krisen nur CHF 800 Mio. mehr ausgegeben als eingenommen habe. Weniger erfreut zeigte sich Jean-Paul Gschwind (mitte, JU) für die Mitte-Fraktion. Er betonte die Relevanz von Ausgabenkontrollen, Einhaltung der Schuldenbremse und Stabilisierung oder Abbau der Schulden im Hinblick auf die zukünftigen Finanzierungsprobleme. Auch Anna Giacometti (fdp, GR) stellte die Schuldenbremse ins Zentrum, diese sei «der Garant für eine wettbewerbsfähige Schweiz», weshalb man ihre Aufweichung verhindern wolle. Lars Guggisberg (svp, BE) kritisierte schliesslich vor allem die «masslose[...] Ausgabenpolitik dieses Parlamentes in den letzten Jahren», das für den «erheblichen» Anstieg der Ausgaben verantwortlich sei, wobei die Ausgaben zur Umgehung der Schuldenbremse immer häufiger ausserordentlich verbucht würden. In der Folge sprach sich der Nationalrat mit 132 zu 52 Stimmen – letztere stammten von den Mitgliedern der SVP-Fraktion – für Annahme der Staatsrechnung 2022 aus. Nur vereinzelte ablehnende Stimmen aus der SVP-Fraktion gab es gegen den Bundesbeschluss über die Rechnung des Bahninfrastrukturfonds für das Jahr 2022, einstimmig nahm der Nationalrat den Bundesbeschluss über die Rechnung des Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds für das Jahr 2022 an.

Staatsrechnung 2022 (BRG 23.003)
Dossier: Bundeshaushalt 2022: Voranschlag und Staatsrechnung
Dossier: Staatsrechnungen (seit 1991)

Mit einer im März 2022 eingereichten Standesinitiative forderte der Kanton Thurgau, dass der Ausbau der Bodensee-Thurtal-Strasse (BTS) in den Nationalstrassen-Ausbauschritt 2023 aufgenommen wird. Die bestehende N23, welche die Autobahn A7 bei Grüneck/Bonau (TG) und die A1/A13 bei Meggenhus (SG) miteinander verbindet, sei unzureichend ausgebaut und belaste die betroffenen Ortschaften mit starkem Durchgangsverkehr. Mit dem Ausbau der Verbindung und der Umfahrung von Ortschaften soll durchgängig eine Nationalstrasse zweiter Klasse von Bonau (TG) bis zum Autobahnzubringer Arbon (TG) geschaffen werden. Prominente Befürwortende der neuen Strasse waren etwa Ständerätin Brigitte Häberli-Koller (mitte, TG) und Ständerat Jakob Stark (svp, TG), welche grossen Handlungsbedarf bei der Strassensituation im Ober- und Mittelthurgau erkannten und sich von der Strasse wirtschaftliche Entwicklung erhofften. Bekannte Kritikerin der BTS war hingegen beispielsweise Nationalrätin Edith Graf-Litscher (sp, TG), welche das Strassenprojekt als überholt betrachtete und für kostengünstigere und nachhaltigere Alternativen plädierte.

Die BTS war in den Medien und in der kantonalen Politik im Thurgau schon seit längerem ein Politikum gewesen. Nach einer erfolgreichen kantonalen Volksabstimmung im Jahr 2012 hatte der Kanton das Projekt vorangetrieben und die Strasse im Jahr 2019 dem ASTRA ins Bundeseigentum übergeben. Der Ausbau der Strasse hatte es in der Folge zwar kurzzeitig in den Bundesbeschluss zum Ausbauschritt 2019 geschafft, war dann aber vom Parlament in den entsprechenden Beratungen wieder von der Ausbauliste gestrichen worden, da das Projekt noch zu wenig ausgereift gewesen sei und es einer verbesserten Koordination in der Ostschweiz bedürfe. Als der Bundesrat das Projekt im Januar 2022 auch nicht im Vorentwurf zum Ausbauschritt 2023 aufgelistet hatte, hatte sich die Thurgauer Regierung empört gezeigt. Der Bundesrat hatte argumentiert, dass der Handlungsbedarf bei der BTS zwar unbestritten gewesen sei, der «Lösungsfächer» allerdings noch einmal geöffnet werden müsse und «Alternativen zur vorgeschlagenen Neutrassierung des gesamten Streckenabschnitts» in die Überlegungen einbezogen werden sollten. Die Thurgauer Kantonsregierung zeigte jedoch wenig Verständnis für diese Argumentation und hatte in der Folge im März 2022 die entsprechende Standesinitiative eingereicht: Die «Nichtberücksichtigung der BTS wäre ein Affront gegenüber dem Kanton Thurgau» und das Projekt würde «auf die lange Bank geschoben», während «13 Milliarden Steuerfranken – auch aus dem Thurgau – andernorts in Strassenprojekte investiert» würden. Die Schweiz höre nicht bei Winterthur (ZH) auf und die östlichen Landesteile dürften nicht vergessen gehen, hatte die Thurgauer Regierung in ihrer Standesinitiative gemahnt. Unter der Federführung der Thurgauer FDP und weiterer bürgerlicher Kräfte war im Mai 2022 zudem bei der Bundeskanzlei eine Petition von mehr als 7000 Personen mit dem programmatischen Titel «BTS umsetzen – jetzt» eingereicht worden.

Trotz der scharfen Worte aus dem Thurgau empfahl die zuständige KVF-SR im Mai 2023 mit 9 zu 4 Stimmen, der Standesinitiative keine Folge zu geben. Die Kommission wolle sich mit dem Ausbauschritt 2023 in einer Gesamtschau befassen und keine einzelnen Projektpriorisierungen vor der entsprechenden Beratung vornehmen.

N23 als Teil des Bundesbeschlusses über den Ausbauschritt 2023 für die Nationalstrassen. Die Bodensee-Thurtal-Strasse (Kt. Iv. TG 22.304)

Am Tag nach der mitternächtlichen Ablehnung beider Bundesbeschlüsse zum Nachtrag Ia durch den Nationalrat hatten sich die beiden Räte erneut mit den Verpflichtungskrediten zur Übernahme der Credit Suisse durch die UBS auseinanderzusetzen.
Der Ständerat versuche, eine Brücke zum Nationalrat zu schlagen – «jeter un pont», betonte Kommissionssprecherin Gapany (fdp, FR) und mit ihr zahlreiche weitere Sprechende. Die FK-SR hatte zuvor grundsätzlich an den Entscheiden des Ständerats vom Vortag festgehalten – etwa am Verbot an den Bundesrat, weitere dringliche Ausfallgarantien zu sprechen, oder an den beiden vom Ständerat angenommenen Rahmenbedingungen der Kreditvergabe. Entgegenkommen wollte man dem Nationalrat nun insofern, als man – wie von der Mehrheit der FK-NR vorgeschlagen und vom Nationalrat anfänglich gutgeheissen – als zusätzliche Rahmenbedingung der Kreditvergabe eine Prüfung der Anpassung des Bankengesetzes ergänzte. Dabei sollten die Risiken durch private systemrelevante Banken minimiert werden, etwa durch eine Erhöhung der Eigenkapitalquote oder einer Beschränkung der Boni. Wie die Medien tags darauf berichteten, sollte diese Änderung ein Zugeständnis an die SP darstellen und deren Mitglieder dazu veranlassen, ins Unterstützendenlager zu wechseln. Nach der Bereinigung der Rahmenbedingungen der Kreditvergabe hiess der Ständerat die beiden Verpflichtungskredite mit 32 zu 5 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) respektive mit 29 zu 5 Stimmen (bei 7 Enthaltungen) erneut gut.

Alle Augen waren somit auf den Nationalrat gerichtet: Dieser hatte nach der Ablehnung der beiden Bundesbeschlüsse am Vortag die Eintretensdebatte und die Detailberatung zu wiederholen. Die FK-NR habe die Differenzen zum Ständerat bereinigt und somit die vom Nationalrat geschaffenen, aber zum Schluss abgelehnten nationalrätlichen Änderungen des Vortags nicht übernommen, erläuterte Gerhard Andrey (gp, FR) für die Kommission. Bereits zu Beginn der Debatte zeigte sich die SP-Fraktion gespalten. So erklärte Fraktionssprecher Nordmann (sp, VD), dass die meisten Fraktionsmitglieder den Krediten voraussichtlich zustimmen würden, verschiedene Personen jedoch nicht an die Umsetzung der gemachten Versprechen glaubten. Diese Unsicherheit versuchten Mitglieder der SP-Fraktion mehrmals mit Fragen an Bundesrätin Keller-Sutter etwa bezüglich der Erhöhung der Eigenkapitalquote und der Beschränkung der variablen Lohnbestandteile bei Banken auszuräumen. Auch zahlreiche Mitglieder anderer Fraktionen beteiligten sich an der ausführlichen Befragung der Bundesrätin. In der Folge erklärte SP-Co-Präsident Cédric Wermuth (sp, AG), dass sich die SP-Fraktion mangels «wirklich substanzielle[r] Versprechen» des Bundesrates sowie der meisten übrigen Fraktionen gegen die Verpflichtungskredite aussprechen werde. Diese Meinung teilte weiterhin auch die SVP, für die Lars Guggisberg (svp, BE) erklärte, dass man den vorliegenden Entwurf nicht als «Basis dafür [erachte], dass es keine Too-big-to-fail-Unternehmungen mehr geben kann». Auch die Grünen zeigten sich mit dem Entwurf weiterhin unzufrieden, man habe damit die Chance vertan, «den Banken gegenüber eine klare Erwartungshaltung zu formulieren: mehr Verantwortung, wirksame Regulierungen und echte Nachhaltigkeit», betonte Franziska Ryser (gp, SG). In der Folge lehnte der Nationalrat den Bundesbeschluss über die Rahmenbedingungen der Kreditvergabe (mit 98 zu 72 Stimmen bei 12 Enthaltungen) und den Nachtrag Ia (mit 103 zu 71 Stimmen bei 8 Enthaltungen) aufgrund der ablehnenden Stimmen oder Enthaltungen der Mitglieder der SVP-, SP- und Grünen-Fraktion erneut ab. Damit waren der Nachtrag Ia sowie dessen Rahmenbedingungen zur Kreditvergabe erledigt. An dem Verpflichtungskredit änderte dies jedoch nichts, zumal die FinDel diesen zuvor bereits bevorschusst hatte.

In den Medien führte dieser Entscheid des Nationalrats zu vielen Kommentaren. In erster Linie wurde er als «Ohrfeige» (La Liberté, 24heures) an den Bundesrat verstanden, was entweder negativ als «Nachtreten» der drei Parteien nach dem Ende der Krise (La Liberté) oder positiv als Entscheid mit beträchtlicher Symbolkraft und «Dämpfer für den Bundesrat», der ihm gut tue (TA), gewertet wurde. Einige Kommentierende kritisierten die Ablehnung der Kredite als verpasste Chance: Mit den Rahmenbedingungen der Kreditvergabe hätte man Einflussmöglichkeiten gehabt, die man nun vertan habe (AZ, TA). Kritisiert wurde insbesondere die SP, FDP-Präsident Thierry Burkart (fdp, AG) etwa warf ihr gemäss Tages-Anzeiger Wortbruch vor. Umgekehrt kritisierten Mitglieder der drei ablehnenden Parteien diejenigen Parteien, die sich für Annahme der Kredite ausgesprochen hatten, da sich diese gegen wirkliche Veränderungen gesträubt hätten.

Nachträge Ia und Ib zum Voranschlag 2023 (BRG 23.007)
Dossier: Übernahme der Credit Suisse durch die UBS
Dossier: Bundeshaushalt 2023: Voranschlag und Staatsrechnung

Ausserordentliche Sessionen können von einem Viertel der Mitglieder eines Rats unter anderem dann einberufen werden, wenn die FinDel einer dringlichen Verpflichtung von mehr als CHF 500 Mio. zugestimmt hat. In diesem Fall muss die ausserordentliche Session «in der dritten Kalenderwoche nach Einreichung des Begehrens stattfinden», wie die Parlamentsdienste erklären. Folglich kam es im April 2023 zu einer ausserordentlichen Session, in der das Parlament den Nachtrag Ia zum Voranschlag 2023 behandelte. Konkret ging es um zwei Verpflichtungskredite in der Höhe von CHF 100 Mrd. als Ausfallgarantie an die SNB respektive CHF 9 Mrd. zur Absicherung von allfälligen Verlusten der UBS. Den Auftakt zur ausserordentlichen Session machte Bundespräsident Berset mit einer Erklärung des Bundesrats in beiden Räten, in der er die Ereignisse rund um die Übernahme der CS durch die UBS Revue passieren liess.

Gleichentags behandelten Ständerat und Nationalrat erstmals den Nachtrag Ia. In der Eintretensdebatte zeigten sich die Sprechenden im Ständerat mehrheitlich mit dem Handeln des Bundesrates in dieser aussergewöhnlichen Situation einverstanden, kritisierten aber allen voran die erneute Dringlicherklärung einer Verordnung. Wichtig sei es nun vor allem, Lehren für die Zukunft zu ziehen und entsprechende Massnahmen zu erlassen, war man sich einig. Johanna Gapany (fdp, FR) stellte für die FK-SR noch einmal klar, dass das Parlament nach der Zustimmung der FinDel zu den zwei Verpflichtungskrediten am 19. März 2023 nicht mehr die Möglichkeit habe, diese Kredite zu verhindern, da der Bundesrat anschliessend rechtlich bindende Verpflichtungen eingegangen sei. Jedoch wolle man Bedingungen zu ihrer Verwendung festlegen, ergänzte die Kommissionssprecherin. Entsprechend schlug die Kommissionsmehrheit unter anderem eine Regelung vor, wonach allfällige weitere Ausfallentschädigungen nur über den ordentlichen Weg und nicht über den Dringlichkeitsweg gesprochen werden dürfen. Mit Verweis darauf, dass man nicht mit ordentlichem Recht das auf der Verfassung beruhende Dringlichkeitsrecht aushebeln könne, beantragte eine Minderheit Hefti (fdp, GL), auf diese Änderung zu verzichten. Ein Einzelantrag Minder (parteilos, SH) verlangte überdies, gänzlich auf die Garantieleistung an die UBS zu verzichten, zumal die UBS von dem Kauf profitiere und allfällige Verluste selbst tragen könne. Bundesrätin Keller-Sutter verwies darauf, dass es sich bei dem Deal mit der UBS um ein Gesamtpaket handle, das man nun nicht auftrennen solle. Mit 28 zu 14 Stimmen folgte der Ständerat bezüglich des Dringlichkeitsrechts seiner Kommissionsmehrheit und lehnte überdies den Antrag Minder mit 29 zu 6 Stimmen (bei 7 Enthaltungen) ab. Ebenfalls angenommen wurde der Verpflichtungskredit über CHF 100 Mrd. als Ausfallgarantie des Bundes: Mit 31 zu 4 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) löste der Ständerat hier die Ausgabenbremse. Die ablehnenden Stimmen stammten von Mitgliedern der SVP-Fraktion, die Enthaltungen aus der SP- und der Grünen-Fraktion. Als Rahmenbedingungen der Kreditverwendung definierte der Ständerat auf Antrag seiner Kommission überdies stillschweigend die Forderungen, dass die «Möglichkeiten von Verantwortlichkeitsklagen gegen die Organe der Credit Suisse [...] umfassend» geprüft werden und dass sich der Bund als Dritter am Prüfungsverfahren nach dem Kartellgesetz beteiligen soll.

Deutlich grösserer Widerstand drohte den zwei Verpflichtungskrediten im Nationalrat. Bereits in der Eintretensdebatte fanden insbesondere Exponentinnen und Exponenten der SVP kritische Worte gegenüber dem bundesrätlichen Vorgehen. Zusammen mit der SP und den Grünen prägten sie in der Folge die Bedingungen der Kreditvergabe: Der Nationalrat lehnte die zwei vom Ständerat formulierten Rahmenbedingungen der Kreditvergabe ab und wollte den Bundesrat stattdessen verpflichten, eine Anpassung des Bankengesetzes vorzulegen und dabei die Risiken durch systemrelevante Banken zu minimieren. Das Argument einer ablehnenden Minderheit Gmür (mitte, SZ), wonach sich sämtliche Kommissionen geeinigt hätten, entsprechende Anträge mittels eines Postulats und nicht über die Rahmenbedingungen der Kreditvergabe einzureichen, verfing im Nationalrat nicht: Mit 109 zu 65 Stimmen (bei 1 Enthaltung) stimmte die grosse Kammer dieser Bedingung der Kreditvergabe zu, wobei sich die SVP-, SP- und Grünen-Fraktionen sowie eine Minderheit der Mitte-Fraktion für Annahme der Bedingung aussprachen. Dieselben Fraktionen – mit Ausnahme der Mitte – verhalfen in der Folge einer Minderheit Guggisberg (svp, BE) für eine bundesrätliche Untersuchung der «Handlungsweise, [der] Verantwortung, [der] Haftungsbedingungen und insbesondere [der] Vergütungen der Führungsverantwortlichen» und einer Minderheit Schwander (svp, SZ) für eine Gewährleistung der Wettbewerbssituation im Bankensektor zum Erfolg. Bei weiteren Anträgen hielt diese «unheilige Allianz» jedoch nicht, erfolglos blieben ein weiterer Minderheitsantrag Guggisberg mit dem Auftrag an den Bundesrat, die Too-big-to-fail-Regelungen zu verbessern (hier scherte ein Teil der Grünen-Fraktion aus), eine Minderheit Friedl (sp, SG) zum Einsatz einer Task-Force zum Schutz der Schweizer Arbeitsplätze, eine Minderheit Wyss (sp, BS) zur Offenlegung der Verträge zur Übernahme der CS durch die UBS sowie eine Minderheit Gysin (gp, TI) für eine gesetzliche Grundlage zur Integration von Nachhaltigkeitszielen in ausserordentliche Staatshilfen. Letztere drei Anträge fanden in der SVP-Fraktion keine Mehrheit. Nachdem die drei Parteien, die die Rahmenbedingungen der Kreditvergabe zuvor deutlich geprägt hatten, somit nicht alle ihre Forderungen hatten durchsetzen können, lehnten sie den entsprechenden Bundesbeschluss in der anschliessenden Gesamtabstimmung ab: Mit 100 zu 71 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) wurde dieser im Nationalrat versenkt.
Mehr oder weniger geeint zeigten sich die drei Fraktionen anschliessend auch bei der Frage, ob die beiden Verpflichtungskredite selbst gutgeheissen werden sollen. Mit 83 zu 78 Stimmen (bei 15 Enthaltungen) lehnte der Nationalrat die Lösung der Ausgabenbremse für den Verpflichtungskredit zur Ausfallgarantie des Bundes über CHF 100 Mrd. ab und folgte mit 81 zu 69 Stimmen (bei 25 Enthaltungen) einem Einzelantrag der SVP-Fraktion auf Ablehnung der Garantie des Bundes an die UBS über CHF 9 Mrd. Nachdem der Nationalrat beide Verpflichtungskredite abgelehnt hatte, entschied er sich mit ähnlichem Stimmenverhältnis etwa um 1 Uhr morgens – so lange hatten die Diskussionen in den beiden Räten gedauert – auch, den gesamten Bundesbeschluss zum Nachtrag Ia abzulehnen. Dieser Entscheid kam einem Nichteintreten gleich, wodurch sich tags darauf der Ständerat erneut mit dem Geschäft befassen musste.

Nachträge Ia und Ib zum Voranschlag 2023 (BRG 23.007)
Dossier: Übernahme der Credit Suisse durch die UBS
Dossier: Bundeshaushalt 2023: Voranschlag und Staatsrechnung

Die SVP-Fraktion beantragte im September 2022 in einer parlamentarischen Initiative, die Schuldenbremse um eine Obergrenze für das Ausgabenwachstum zu ergänzen, so dass das Ausgabenwachstum das Wirtschaftswachstum über einen Konjunkturzyklus hinweg nicht übersteigen darf. Mit der aktuellen Regelung dürften die Ausgaben in einem Konjunkturzyklus die Einnahmen nicht übersteigen – neu solle aber eben auch das Ausgabenwachstum unter dem Wirtschaftswachstum zu liegen kommen. Die FK-NR beantragte mit 17 zu 7 Stimmen, der Initiative keine Folge zu geben. Heute sei ein Ausgabenwachstum möglich, wenn gleichzeitig die Einnahmen stiegen, zudem schränke die vorgeschlagene Regelung die Flexibilität des Bundes in Krisenzeiten ein. Eine Minderheit Guggisberg (svp, BE) beantragte hingegen Folgegeben.
In der Frühjahrssession 2023 debattierte der Nationalrat die Vorlage. Minderheitensprecher Guggisberg kritisierte, dass die Staatsausgaben seit 1990 deutlich stärker gewachsen seien als die Wirtschaft, was man mit dieser neuen Regel korrigieren wolle. Alois Gmür (mitte, SZ) erachtete die neue Regelung im Namen der Kommissionsmehrheit dennoch nicht für nötig, zumal die «ordentlichen Ausgaben seit der Einführung der Schuldenbremse in etwa gleich stark gewachsen sind wie die Wirtschaft». Mit 137 zu 53 Stimmen – Letztere stammten gänzlich von Mitgliedern der SVP-Fraktion – sprach sich der Nationalrat gegen Folgegeben aus. Damit ist die parlamentarische Initiative erledigt.

Ergänzung der Schuldenbremse, damit das Ausgabenwachstum über einen Konjunkturzyklus hinweg das Wirtschaftswachstum nicht übersteigt (Pa.Iv. 22.458)

Ende Februar 2023 wurden mit Manfred Bühler (svp, BE) und Andreas Meier (mitte, AG) im Nationalrat zwei neue Mitglieder vereidigt.

Manfred Bühler, amtierender SVP-Kantonalpräsident und Berner Grossrat, rückte für den in den Bundesrat gewählten Albert Rösti nach. Der Bernjurassier Bühler, der schon von 2015 bis 2019 ein Nationalratsmandat innehatte, beendete mit seinem Nachrücken die Phase der Nichtvertretung des französischsprachigen Teils des Kantons Bern. Dieser war seit 1848 bis 2011 ununterbrochen in der grossen Kammer vertreten gewesen, bei den eidgenössischen Wahlen 2011 und 2019 schafften es allerdings keine Kandidierenden aus dem Berner Jura, nach Bundesbern gewählt zu werden, was auch auf nationaler Ebene zu einigen Vorstössen geführt hatte. Manfred Bühler war 2019 trotz Bisherigenbonus und gutem Listenplatz nicht wiedergewählt worden und rückte nun als zweiter Berner Vertreter der SVP Liste nach. Zuvor bereits nachgerückt war Lars Guggisberg (svp, BE), der den Platz von Werner Salzmann (svp, BE) einnahm, nachdem letzterer im zweiten Wahlgang in den Ständerat gewählt worden war. Bühler gab zu Protokoll, dass es wichtig sei, dass ein zweisprachiger Kanton mit Abgeordneten aus beiden Sprachregionen vertreten sei. Die Kultur im französischsprachigen Teil des Kantons Bern sei eine andere als im Deutschschweizer Teil.

Andreas Meier, 60-jähriger Winzer und Aargauer Grossrat, rückte für Ruth Humbel (mitte, AG) nach, über deren vorzeitigen Rücktritt in den Medien bereits im März 2022 spekuliert worden war. Ruth Humbel hatte seit 2003 im Nationalrat gesessen und war zum Zeitpunkt ihres Rücktritts das amtsälteste Nationalratsmitglied. Sie war damals für Guido A. Zäch (cvp, AG) nachgerutscht und insgesamt fünfmal wiedergewählt worden. Die Aargauer Zeitung erinnerte daran, dass bereits vor den letzten eidgenössischen Wahlen 2019 spekuliert worden sei, dass Ruth Humbel zurücktreten werde. Ihr nochmaliges Antreten als Spitzenkandidatin habe der damaligen CVP wohl einen zusätzlichen Sitzgewinn eingebracht. Gemäss parteiinternen Quellen habe es damals aber einen Deal gegeben. Sollte Ruth Humbel das Präsidium der SGK erhalten, würde sie frühzeitig zurücktreten, um einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger Platz zu machen. Dies würde deren oder dessen Wahlchancen im Herbst 2023 erhöhen, womit die Mitte weiterhin auf zwei Nationalratsmandate aus dem Kanton Aargau hoffen könnte. In der Tat präsidierte Humbel die Kommission von 2019 bis 2021. Obwohl Andreas Meier in der Folge seinen Rücktritt als Aargauer Grossrat ankündigte, um sich für sein Amt in Bern vorzubereiten, gab Humbel ihren Rücktritt lange Zeit nicht bekannt, was der Tages-Anzeiger als «Kommunikatives Desaster» bezeichnete. Erst in der Wintersession 2022 gab die Aargauer Mitte-Politikerin dann schliesslich offiziell zu Protokoll, dass dies ihre letzte Session sei. Sie hätte zwar gerne noch die Reform der beruflichen Vorsorge und die Gesundheitsreform zur einheitlichen Finanzierung von Gesundheitsleistungen (Efas) begleitet, gegen diese würden aber wohl Referenden ergriffen, die erst nach den Wahlen 2023 zur Abstimmung kämen. Zudem habe sie ihrer Partei versprochen, einem Nachfolger frühzeitig Platz zu machen, um dessen Wahlchancen zu erhöhen. An ihrem letzten Sessionstag wurde Ruth Humbel mit einer Standing Ovation verabschiedet.

Die beiden Neuzugänge waren in der bald zu Ende gehenden 51. Legislatur in der grossen Kammer die Mutationen Nummer 15 und 16.

Mutationen 2023
Dossier: Mutationen im nationalen Parlament

Zu Beginn der Wintersession 2022 machte sich der Nationalrat an die Beratung des Voranschlags 2023 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2024–2026. Anna Giacometti (fdp, GR) und Jean-Pierre Grin (svp, VD) präsentierten dem Rat das Budget und die Änderungsvorschläge der Kommissionsmehrheit. Beide betonten die «düsteren finanzpolitischen Aussichten» (Giacometti), welche in den Finanzplanjahren grosse Korrekturmassnahmen nötig machen würden. Besser sehe es noch für das Jahr 2023 und somit für den Voranschlag aus, hier schlug die Kommissionsmehrheit gar Mehrausgaben von CHF 11.2 Mio. vor, womit die Schuldenbremse immer noch eingehalten werden könne. Insgesamt beantragte die Kommission sieben Änderungen am bundesrätlichen Voranschlag, welche der Rat allesamt annahm. Kaum Erfolg hatten hingegen die Minderheitsanträge.

Das geplante Defizit in den Finanzplanjahren war auch Thema in den folgenden Fraktionsvoten. Als besonders dramatisch erachtete etwa Lars Guggisberg (svp, BE) die finanzielle Situation des Bundes: Man befinde sich «finanzpolitisch seit Jahren im freien Fall», zumal das Parlament immer mehr Geld ausgebe als vorhanden sei. Nun müsse man Prioritäten setzen, weshalb die SVP insbesondere im Finanzplan entsprechende Kürzungsanträge stelle. Ähnlich formulierte es Alex Farinelli (fdp, TI) für die FDP-Fraktion, der die Bundesfinanzen mit der Titanic verglich – zwar scheine alles ruhig, bei genauerer Betrachtung sei «das Bild, insbesondere das mittelfristige, [aber] wesentlich problematischer und beunruhigender». Auch er verlangte daher die Setzung von Prioritäten. Demgegenüber hob Jean-Paul Gschwind (mitte, JU) das positive strukturelle Saldo des Voranschlags hervor, betonte aber auch, dass man für die Finanzplanjahre Korrekturmassnahmen einbringen müsse – insbesondere auch, weil die Gewinnausschüttung durch die SNB ausbleiben könne.
Deutlich weniger besorgt zeigten sich die Sprechenden der anderen Fraktionen über die finanzpolitische Situation. Roland Fischer (glp, LU) erachtete in Anbetracht der tiefen Schuldenquote des Bundes nicht in erster Linie die Defizite als problematisch, sondern die Ausgestaltung der Schuldenbremse, die es nicht erlaube, Schulden zu machen, um Investitionen zu tätigen. Auch Sarah Wyss (sp, BS) zeigte sich durch die «Mehrbelastungen ab 2024 [...] nicht besonders beunruhig[t]». Man müsse zwar reagieren, dabei aber vor allem auf Nachhaltigkeit setzen und von «kurzfristige[r] Sparwut» absehen. Gerhard Andrey (gp, FR) sah die Schuld für die finanzpolitischen Probleme vor allem bei denjenigen Mitgliedern des Parlaments, welche das Armeebudget stark aufgestockt und einen Abbau der Corona-Schulden über zukünftige Überschüsse durchgesetzt hätten. Statt über Sparmassnahmen solle man aber nun über zusätzliche Einnahmen, etwa im Rahmen einer Erbschaftssteuer, sprechen.

In der Folge behandelte der Nationalrat den Voranschlag 2023 in sechs Blöcken, beginnend mit einem ersten Block zu den Beziehungen zum Ausland und zur Migration. Hierbei lagen dem Rat keine Mehrheitsanträge der Kommission vor, jedoch zahlreiche Minderheitsanträge von Mitgliedern der Polparteien. Einerseits verlangten Minderheiten Badertscher (gp, BE), Friedl (sp, SG), Wettstein (gp, SO) sowie zwei Einzelanträge Pasquier-Eichenberger (gp, GE) etwa eine Aufstockung der Beiträge für humanitäre Aktionen oder an die Entwicklungszusammenarbeit mit den Ländern des Ostens, teilweise auch in den Finanzplanjahren. Andererseits forderten Minderheiten Grin (svp, VD), Guggisberg (svp, BE), Fischer (svp, ZH) sowie ein Einzelantrag der SVP-Fraktion etwa eine Reduktion des Schweizer Beitrags an ausgewählte EU-Mitgliedstaaten, an die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit oder an die Integrationsmassnahmen für Ausländerinnen und Ausländer (teilweise auch oder nur in den Finanzplanjahren) sowie die ordentliche Verbuchung der Ausgaben für Kriegsvertriebene aus der Ukraine. Die Minderheitsanträge blieben jedoch allesamt erfolglos.

Im zweiten Block zu Kultur, Bildung, Forschung, Familie und Sport lagen dem Nationalrat vier Kommissionsanträge vor. Im Sportbereich wollte die Kommission einerseits einen Kredit für die Sportverbände zugunsten der nationalen Meldestelle von Swiss Sport Integrity um CHF 360'000 aufstocken, zumal seit deren Schaffung Anfang 2022 dreimal mehr Meldungen eingegangen seien, als erwartet worden waren. CHF 650'000 sollten zudem für die Ausrichtung der Staffel-Weltmeisterschaft 2024 in Lausanne gesprochen werden, wobei der Bund einen Drittel der Gesamtfinanzierung übernehmen würde. Keine Aufstockung, sondern eine ausdrückliche Verwendung der CHF 390'000, welche der Bundesrat im Bereich Kinderschutz/Kinderrechte veranschlagt hatte, für eine Übergangslösung zur Stärkung der Kinderrechte verlangte die Kommission bei den Krediten des BSV. Eine Übergangslösung war nötig geworden, weil die Ombudsstelle für Kinderrechte, für die der Betrag gedacht war, noch nicht über eine gesetzliche Grundlage verfügte. Schliesslich verlangte die Kommission, dass CHF 35 Mio., welche nach dem Ausschluss der Schweiz aus Horizon Europe bei den EU-Forschungsprogrammen nicht benötigt werden, stattdessen Innosuisse zugesprochen werden. Der Nationalrat hiess alle vier Kommissionsanträge stillschweigend gut.
Weitere CHF 50 Mio. aus dem Kredit der EU-Forschungsprogramme zum Kredit für die Institutionen der Forschungsförderung verschieben wollte eine Minderheit Munz (sp, SH). Zudem verlangten zwei weitere Minderheiten Munz Aufstockungen bei der internationalen Mobilität Bildung zugunsten des Programms Erasmus+. Die Kredite gegenüber dem bundesrätlichen Vorschlag reduzieren wollten hingegen eine Minderheit I Grin bei den Institutionen der Forschungsförderung sowie eine Minderheit Guggisberg in den Finanzplanjahren bei der internationalen Mobilität Bildung und bei den Stipendien an ausländische Studierende. Mit 123 zu 68 Stimmen kürzte der Nationalrat in Übereinstimmung mit der Minderheit Munz den Kredit der EU-Forschungsprogramme zugunsten der Institutionen der Forschungsförderung, lehnte aber ansonsten sämtliche Minderheitsanträge ab. Dazu gehörten auch zwei Minderheiten Nicolet (svp, VD), welche bei Pro Helvetia (auch in den Finanzplanjahren) und bei der familienergänzenden Kinderbetreuung kürzen wollten.

Im Block 3 zu Umwelt und Energie hiess der Nationalrat die veranschlagten CHF 42 Mio. für Programme von EnergieSchweiz für den Heizungsersatz, zur Dekarbonisierung von Industrie und Gewerbe, zur Einführung von neuen Technologien und zur Bekämpfung des Fachkräftemangels sowie CHF 4 Mrd. für den Rettungsschirm Elektrizitätswirtschaft, welchen der Bundesrat in einer Nachmeldung beantragt hatte, gut. Eine Minderheit Schilliger (fdp, LU) hatte erfolglos eine Kürzung bei den Programmen von EnergieSchweiz im Voranschlag und in den Finanzplanjahren gefordert. Erfolglos blieben auch alle anderen Minderheiten etwa zur Streichung von CHF 10 Mio. für eine Winter-Energiespar-Initiative, zur Reduktion des Kredits für die Reservekraftwerke, aber auch für eine Erhöhung des Kredits für die Reservekraftwerke um CHF 100 Mio., um eine Erhöhung der Energiekosten für die Bevölkerung zu verhindern.

Erfolglos blieben auch sämtliche Minderheitsanträge im vierten Block zu den Themen «soziale Wohlfahrt, Gesundheit und Sicherheit», wo etwa eine Minderheit Wettstein (gp, SO) eine Erhöhung des Bundesbeitrags an das Schweizerische Rote Kreuz oder verschiedene Minderheiten Kürzungen beim Rüstungsaufwand oder bei verschiedenen Positionen zur Verteidigung beantragten.

Im fünften Block zu Standortförderung, Steuern und Landwirtschaft gab es nur einzelne Forderungen zu den ersten beiden Bereichen, etwa verlangte eine Minderheit Gysi (sp, SG) zusätzliche Mittel und Stellen in der Steuerverwaltung für mehr Mehrwertssteuerkontrollen und eine Minderheit Guggisberg eine Streichung der Neuen Regionalpolitik, da diese Aufgabe der Kantone sei. Das Hauptinteresse des Nationalrats galt in diesem Block aber der Landwirtschaft, zu der zahlreiche Mehr- und Minderheitsanträge vorlagen: Die Kommissionsmehrheit verlangte eine Erhöhung des Kredits für die Qualitäts- und Absatzförderung zugunsten des Schweizer Weins um CHF 6.2 Mio. (in Umsetzung einer Motion 22.3022, die vom Nationalrat angenommen, aber vom Ständerat an die WAK-SR verwiesen worden war). Eine Minderheit Munz wollte stattdessen einen Teil der bereits veranschlagten Mittel zur Umsetzung der Motion einsetzen, der Nationalrat folgte jedoch seiner Kommissionsmehrheit und beschloss die Krediterhöhung. Weiter beantragte die Kommissionsmehrheit, in den Planungsgrössen zu den Direktzahlungen die Höhe der Versorgungssicherheitsbeiträge auf CHF 1.1 Mrd. festzuschreiben, so dass diese entgegen der Absicht des Bundesrates nicht gekürzt werden könnten. Der Nationalrat folgte auch dieser Kommissionsmehrheit, während eine Minderheit Munz besagte Planungsgrösse erfolglos streichen wollte. Schliesslich sollten die Mittel für Wildtiere, Jagd und Fischerei gemäss Kommissionsmehrheit um CHF 4 Mio. zugunsten von Sofortmassnahmen für den Herdenschutz aufgestockt werden, wobei der Nationalrat auch hier der Komissionsmehrheit und nicht einer Minderheit Schneider Schüttel (sp, FR) auf Beibehalten des bundesrätlichen Betrags folgte. Erfolgreich war zudem eine Minderheit Grin für eine Erhöhung des Kredits für die Pflanzen- und Tierzucht um CHF 3.9 Mio. zugunsten einheimischer Nutztierrassen, nicht aber ein weiterer Minderheitsantrag Grin für einen Verzicht auf die Aufstockung des Funktionsaufwands beim Bundesamt für Landwirtschaft um CHF 900'000 zur Umsetzung einer parlamentarischen Initiative zur Verminderung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln.

Im sechsten Block ging es abschliessend um den Eigenaufwand des Bundes und um die Schuldenbremse, wobei die Kommissionsmehrheit nur einen Antrag auf Änderung gegenüber der bundesrätlichen Version stellte: Bei den Planungsgrössen zum BABS sollte der Soll-Wert der Kundenzufriedenheit bei den Ausbildungsleistungen von 80 auf 85 Prozent und in den Finanzplanjahren auf 90 Prozent erhöht werden. Stillschweigend hiess der Nationalrat die Änderung gut. Zudem lagen zahlreiche Minderheitsanträge Nicolet auf Kürzungen im Personalbereich verschiedener Bundesämter (BAFU, BAG, BAK, BAV, BFS) sowie beim UVEK vor, die jedoch allesamt abgelehnt wurden – genauso wie weitere Kürzungsanträge im Personalbereich sowie bei den Sach- und Betriebsausgaben des SEM, zur Kürzung des Personalaufwands im Bereich der Social-Media-Strategie und der Digitalisierung sowie für Querschnittskürzungen beim BBL. Abgelehnt wurde aber auch ein Minderheitsantrag Schneider Schüttel zur Schaffung von zwei zusätzlichen Stellen beim BLV im Bereich Zulassung von Pflanzenschutzmitteln. Schliesslich scheiterte auch ein Antrag der SVP-Fraktion, die aus der Gewinnausschüttung der SNB veranschlagten Einnahmen von CHF 666.7 Mio. zu streichen, da die SNB diese nach ihren Verlusten voraussichtlich nicht würde tätigen können.

Nach langen Diskussionen, bei denen sämtliche Mehrheits- sowie einzelne Minderheitsanträge angenommen worden waren, hiess der Nationalrat den Voranschlag in der Gesamtabstimmung mit 137 zu 49 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) gut. Die ablehnenden Stimmen stammten von der geschlossen stimmenden SVP-Fraktion sowie von einem Mitglied der Grünen. Angenommen wurden in der Folge auch der Bundesbeschluss über die Planungsgrössen im Voranschlag für das Jahr 2023 (138 zu 50 Stimmen bei 2 Enthaltungen), der Bundesbeschluss über den Finanzplan für die Jahre 2024-2026 (179 zu 12 Stimmen) sowie der Bundesbeschluss über die Entnahmen aus dem Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds für das Jahr 2023 (191 zu 0 Stimmen).

Voranschlag 2023 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2024-2026 (BRG 22.041)
Dossier: Bundeshaushalt 2023: Voranschlag und Staatsrechnung

2. November 2022: Der Rücktritt von Simonetta Sommaruga

Am 25. Oktober, also kurz nachdem die fünf Kandidierenden der SVP offizialisiert waren, gab Simonetta Sommaruga via den Departementssprechenden bekannt, dass sie ihre Regierungstätigkeit temporär unterbrechen müsse, da ihr Ehemann Lukas Hartmann hospitalisiert worden sei. Dies war dann auch die Ursache für die wenige Tage später sehr überraschend erfolgende Rücktrittsankündigung der amtierenden Energie- und Verkehrsministerin: Am 2. November gab Simonetta Sommaruga ihren auch für sie persönlich abrupten Rücktritt auf Ende Jahr bekannt, weil der Hirnschlag ihres Mannes für sie ein schwerer Schock gewesen sei und gezeigt habe, dass sie die Schwerpunkte in ihrem Leben anders setzen wolle. Den Tränen nahe beteuerte die Bernerin, dass sie gerne Bundesrätin gewesen sei und eigentlich geplant habe, dies auch noch eine Weile zu bleiben. So ein Schicksalsschlag stimme aber nachdenklich und verschiebe die Prioritäten. Die 2010 in den Bundesrat gewählte Simonetta Sommaruga war zuerst Justizministerin bevor sie 2019 das UVEK übernommen hatte.

In den Medien wurde die SP-Magistratin als populäre Bundesrätin gewürdigt, die allerdings häufig Abstimmungsniederlagen in Kauf habe nehmen müssen (Le Temps) – die Schlimmste darunter sei wohl das Ja zur Masseneinwanderungsinitiative der SVP gewesen. Im Zentrum ihrer Arbeit hätten stets die Menschen gestanden, urteilte der Blick. Die NZZ bezeichnete sie als «clever» und «beharrlich» mit einem «Hang zur Perfektion», der ihre Auftritte auch «angestrengt und belehrend» habe wirken lassen. Sie habe aber für eine SP-Bundesrätin auch dank «stoischer Beharrlichkeit» letztlich überraschend viele Vorlagen durch das Parlament gebracht. Die Aargauer Zeitung würdigte Simonetta Sommaruga als «Mensch gewordenes Verantwortungsgefühl», als «Bundesrätin, die niemals die Kontrolle verlieren will». Alle ausser der SVP hätten sie geliebt, titelte La Liberté. Die WoZ erinnerte angesichts der Betroffenheit, die Simonetta Sommaruga bei ihrer Rücktrittsmedienkonferenz ausgelöst hatte, daran, dass die Magistratin seit ihrer Wahl in den Bundesrat immer wieder von Teilen der Medien und der SVP angegriffen worden sei: «An der Bernerin offenbarte sich die Verunsicherung rechter Männer vor linken, machtbewussten Frauen», so die WoZ. In der Tat warf etwa Roger Köppel (svp, ZH) der Magistratin nach ihrem auch für den Bundesrat und ihre Partei überraschenden Rücktritt in der Weltwoche Parteikalkül und «Flucht» vor, weil sie schon lange «ermattet und ermüdet» sei. Dies stiess in vielen Medien freilich auf Kritik, da der Entscheid private Gründe habe und Respekt verdiene, so etwa der Tages-Anzeiger. Allerdings kommentierte die NZZ, dass der Rücktritt zwar verständlich sei, in Anbetracht der schwierigen Lage hinsichtlich Energieversorgung aber zur Unzeit komme. Ihre Nachfolgerin oder ihr Nachfolger müsse nun innert kürzester Zeit «eine der schwersten Krisen für die Schweiz seit Jahrzehnten» meistern.

Auch bei der SP begann das von den Medien in Schwung gehaltene Kandidierendenkarussell noch am Tag der Demission von Simonetta Sommaruga zu drehen. Daran beteiligte sich freilich auch aktiv die Parteispitze, die unmittelbar ankündigte, dass die SP ein reines Frauenticket präsentieren werde, wobei egal sei, aus welcher Sprachregion die Kandidatinnen stammten. Da die SP mit Alain Berset bereits einen Mann in der Bundesregierung habe und den Grundsatz der Geschlechterparität pflegen wolle, sei ein reines Frauenticket angezeigt, so die Begründung des SP-Co-Präsidiums aus Mattea Meyer (sp, ZH) und Cédric Wermuth (sp, AG). In den Medien wurden entsprechend schnell Favoritinnen ernannt: Sehr häufig fielen dabei die Namen der Ständerätin Eva Herzog (sp, BL), der Nationalrätinnen Flavia Wasserfallen (sp, BE) und Nadine Masshardt (sp, BE) sowie der Regierungsrätinnen Jacqueline Fehr (ZH, sp) oder Evi Allemann (BE, sp). Obwohl sich vor allem die Westschweizer Medien nur geringe Chancen für eine Kandidatur aus der Westschweiz ausrechneten (beispielsweise Le Temps), da in diesem Fall vier nicht deutschsprachige Personen im Bundesrat sitzen würden – zwei davon für die SP –, fielen auch die Namen der Regierungsrätinnen Rebecca Ruiz (VD, sp) und Nuria Gorrite (VD, sp) sowie der Ständerätinnen Marina Carobbio (sp, TI) und Elisabeth Baume-Schneider (sp, JU). Co-Präsidentin Mattea Meyer (sp, ZH) gab hingegen sofort bekannt, nicht zur Verfügung zu stehen.

Die in den Medien als vorschnell kritisierte Ankündigung der Parteispitze, ein reines Frauenticket präsentieren zu wollen, gab Raum für weitere Spekulationen. Ständerat Daniel Jositsch (sp, ZH) etwa wurden laut Medien schon lange Bundesratsambitionen nachgesagt. Diese würden freilich stark geschmälert, wenn eine Deutschschweizer SP-Frau Simonetta Sommaruga beerben würde, weil für eine allfällige spätere Nachfolge von Alain Berset dann wohl Westschweizer Männer im Vordergrund stehen würden. Auch Regierungsrat Beat Jans (BS, sp) und die Nationalräte Matthias Aebischer (sp, BE) oder Jon Pult (sp, GR) dürften ob der Ankündigung «frustriert» sein, mutmasste La Liberté. Für den Westschweizer Nationalrat Pierre-Yves Maillard (sp, VD) sei der Fokus auf eine (Deutschschweizer) Frau hingegen eine gute Nachricht, mutmasste der Tages-Anzeiger wiederum im Hinblick auf eine Nachfolge von Alain Berset. Zu den eigentlichen Verliererinnen der SP-Strategie gehörten neben den Deutschschweizer Männern aber auch die Westschweizer Frauen, die sich eine Kandidatur eher zweimal überlegen dürften, analysierte 24Heures. Einerseits seien die Chancen gering, dass das Parlament eine vierte romanischsprachige Person in den Bundesrat wähle, und andererseits werde wohl bei einem Rücktritt von Alain Berset dann lediglich ein Männerticket aufgestellt.

Der SP blieben für die Kandidierendensuche nur wenige Tage. Sie setzte sich als Meldeschluss den 21. November, damit die Fraktion am 26. November ein Zweierticket nominieren konnte. Der Rücktritt Simonetta Sommarugas habe die Partei auf dem falschen Fuss erwischt, beurteilte der Blick die kurze Zeitspanne. Bevor sich die ersten Kandidierenden meldeten, kam es wie zuvor schon bei der SVP auch bei der SP zu einer Reihe von medial mehr oder weniger stark begleiteten Absagen. Ausser Mattea Meyer verzichteten neben den genannten Favoritinnen Jacqueline Fehr, Nadine Masshart, Rebecca Ruiz, Nuria Gorrite und Marina Carobbio auch die Nationalrätinnen Priska Seiler Graf (sp, ZH), Barbara Gysi (sp, SG), Edith Graf-Litscher (sp, TG), Yvonne Feri (sp, AG) und die Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch (ZH, sp) mit offiziellen Presseauftritten auf eine Kandidatur. Nach kurzer Bedenkzeit und grosser medialer Aufmerksamkeit verzichtete auch die ehemalige Aargauer Ständerätin Pascale Bruderer (AG, sp) auf eine Kandidatur. Sie war gar mittels Petition von mehreren Personen zu einer Kandidatur aufgefordert worden. Das habe sie sehr berührt, eine Rückkehr in die Politik sei aber für sie kein Thema. Auch die Absage von Flavia Wasserfallen war den Medien mehr als eine Kurzmeldung wert. Wie Esther Friedli (svp, SG) bei der SVP wollte sich die Bernerin auf die Ständeratswahlen 2023 konzentrieren und den Sitz des auf Ende Legislatur zurücktretenden Hans Stöckli (sp, BE) verteidigen.

Im Gegensatz zu Jon Pult, der den Entscheid der SP-Spitze für ein reines Frauenticket befürwortete und sich entsprechend nicht zur Verfügung stellte, wollte sich Daniel Jositsch nicht aus dem Rennen nehmen. Er erhielt dabei Zuspruch von bürgerlichen Parlamentarierinnen und Parlamentariern, die das Vorgehen der SP-Parteileitung in den Medien als «diktatorisch» (Alfred Heer, svp, ZH) bezeichneten oder kritisierten, dass es «mit Gleichberechtigung nicht mehr viel zu tun habe» (Josef Dittli, fdp, UR). Jositsch liess verlauten, dass er sich eine Kandidatur überlege, wenn die Fraktion auch Männer zulasse. Dafür werde er sich parteiintern einsetzen, weil er ein reines Frauenticket als «diskriminierend» erachte. Es handle sich um eine Einschränkung der Wahlfreiheit, die dem Passus in den Statuten der SVP nahekomme, der jedes Mitglied automatisch ausschliesse, wenn es eine Wahl annehme, ohne von der Partei nominiert worden zu sein. Seine damit offiziell angekündigte Kandidatur brachte dem Zürcher Ständerat zahlreiche negative Kommentare ein. Der am rechten Rand der SP politisierende Daniel Jositsch fordere seine eigene Partei heraus und schaffe sich damit zahlreiche Feinde, befand LeTemps. Die «Granate Jositsch explodierte im Gesicht der SP», titelte 24Heures: «Il est vieux, blanc, mâle et riche», also alles, was die neue Garde der SP im Moment «verabscheue», so die Westschweizer Zeitung. Der Tages-Anzeiger warf Jositsch vor, mit dem «unsäglichen Theater» Frauen zu brüskieren, solange diese in den verschiedenen politischen Gremien nach wie vor nicht angemessen vertreten seien. Er sei auf einem «Egotrip», überschätze sich völlig und zeige damit nachgerade auf, dass er eben nicht geeignet sei für ein Bundesratsamt, zitierte der Blick verschiedene SP-Stimmen. Er habe Goodwill verspielt und müsse für den «Hochseilakt ohne Netz» wohl noch büssen. Die WoZ kritisierte, dass nach «173 Jahren Patriarchat [...] ein Mann auch heute noch nicht glauben [will], dass der eigene Karriereverzicht ein Akt der Gleichstellung sein kann». Auch die Weltwoche schrieb von «Selbstdemontage». Allerdings erhielt Jositsch auch Unterstützung aus der eigenen Fraktion. Sich auf ein reines Frauenticket zu konzentrieren sei «demokratisch und strategisch ungeschickt», meldete sich etwa Nationalrätin Franziska Roth (sp, SO) im Blick zu Wort. Es brauche Wettbewerb zwischen Frauen und Männern und keine Reduktion der Kandidierenden auf ihr Geschlecht. Roberto Zanetti (sp, SO) kritisierte vor allem die Parteileitung: «Ich mag es nicht, wenn man mir vorschreibt, wie ich mir meine Gedanken machen soll», so der Ständerat, der in der Folge ein Dreierticket vorschlug. Die Frage werde fraktionsintern wohl noch zu reden geben, vermutete der Blick. Die Fraktion selber versuchte etwas den Wind aus den Segeln zu nehmen, indem sie verkündete, den Vorschlag der Parteispitze für ein reines Frauenticket bzw. den Antrag von Jositsch auf ein gemischtes Ticket an ihrer Fraktionssitzung am 18. November zu diskutieren. Es sei der Verdienst von Jositsch, dass das Thema offen diskutiert werde, urteilte die NZZ. Er verdiene auch deshalb einen «fairen Prozess».

Nach der Kandidatur von Jositsch verging einige Zeit, bis die ersten Kandidatinnen ihre Bewerbung einreichten. Die erste Frau, die sich schliesslich am 10. November mit einer Kandidatur meldete, war Evi Allemann. Damit habe es die SP «geschafft, eine junge Mutter ins Rennen zu schicken [... und] mit einer Art Sanna Marin [...] für frischen Wind [zu] sorgen» (die finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin war jüngste Ministerpräsidentin weltweit und bei ihrem Amtsantritt Mutter einer einjährigen Tochter). Die ehemalige Nationalrätin und seit 2018 Berner Regierungsrätin – und Mutter zweier Kinder im Alter von elf und sieben Jahren, wie sogleich in allen Medien berichtet wurde – habe allerdings national kaum Schlagzeilen gemacht, zudem könnte es ein Nachteil sein, dass sie seit fünf Jahren nicht mehr im nationalen Parlament sitze, mutmasste der Blick. Allemann sei nicht die Wunschkandidatin der SP gewesen, wusste 24Heures. Sie habe nicht das Charisma von Flavia Wasserfallen, die in Bundesbern wesentlich häufiger als Favoritin genannt worden sei. Die Kandidatur von Evi Allemann, die eine Bilderbuchkarriere ohne Kanten aufweise und bereits mit 20 Jahren in den Berner Grossen Rat gewählt worden war – 1998 war sie die jüngste Kantonsparlamentarierin der Schweiz – und 2003 den Sprung in den Nationalrat geschafft hatte, habe aber ein grosses «ouf de soulagement» bei der Parteileitung ausgelöst, so 24Heures weiter. Evi Allemann sei auch in bürgerlichen Kreisen beliebt und zeichne sich durch Pragmatismus aus. Sie habe zudem auf Anhieb jedes politische Mandat erhalten, das sie angestrebt habe, so der Tages-Anzeiger. Dass sie nicht mehr in Bundesbern sei, sei für die ehemalige VCS-Präsidentin allerdings ein Handicap, urteilte auch die NZZ.

Als klare Favoritin wurde in den Medien freilich Eva Herzog gehandelt, die tags darauf ihre Kandidatur bekannt gab. «Eva Herzog est la Albert Rösti du Parti socialiste» – sie sei die mit Abstand am häufigsten genannte Favoritin –, berichtete etwa Le Temps über die Kandidatur der Basler Ständerätin. Sie könne einige Trümpfe aufweisen, wie etwa ihre 19-jährige Erfahrung als Finanzvorsteherin des Kantons Basel-Stadt und ihre Ständeratskarriere seit 2019. Ihre gescheiterte Bundesratskandidatur im Jahr 2010, als sie von der Fraktion für die Nachfolge von Moritz Leuenberger nicht aufs Ticket gesetzt worden war, sei zudem ebenfalls kein Nachteil. Schliesslich sei der Kanton Basel-Stadt seit 1973 nicht mehr im Bundesrat vertreten gewesen. Dies sei auch ein Vorteil gegenüber der Bernerin Evi Allemann, waren sich die meisten Medien einig. Auch der Blick machte Eva Herzog zusammen mit Albert Rösti sogleich zum «Favoriten-Duo» und betonte «die Lust aufs Amt und den Gestaltungswillen», den die Baslerin versprühe. Als Nachteil bezeichnete 24Heures das fehlende Charisma von Eva Herzog. Sie sei «un peu cassante», wirke häufig ein wenig spröde.

Einen weiteren Tag später warf die vierte Kandidatin der SP ihren Hut in den Ring. «Elisabeth Wer?», titelte die WoZ in Anspielung auf die zumindest in der Deutschschweiz geringe Bekanntheit von Elisabeth Baume-Schneider, die ähnlich wie Eva Herzog seit 2019 im Ständerat sitzt und vorher während 13 Jahren im Kanton Jura als Regierungsrätin das Bildungsdepartement geleitet hatte. Ebendiese Unbekanntheit sei das grosse Manko der Kandidatin aus der Romandie, waren sich zahlreiche (Deutschschweizer) Medien einig. Auch wenn von der SP-Parteileitung explizit auch Frauen aus der lateinischen Schweiz zu einer Kandidatur aufgefordert worden seien, werde die Vereinigte Bundesversammlung kaum eine Mehrheit von nicht-deutschsprachigen Personen im Bundesrat goutieren, prognostizierte Le Temps – auch wenn Elisabeth Baume-Schneider bilingue ist, ihr Vater ist Deutschschweizer. Dass die Jurassierin «rien à perdre» habe, könne ihr aber auch zum Vorteil gereichen. Die Chancen seien «mince, mais pas nulles», hoffte Le Quotidien Jurassien. Es könnte sich gar für die Zukunft lohnen, den bisher noch nie im Bundesrat repräsentierten peripheren Kanton Jura bekannter zu machen, befand Le Temps mit Blick auf eine mögliche Wahl bei einem Rücktritt von Alain Berset. Für den Kanton sei dies «une belle publicité», so Le Temps. Zudem habe die ehemalige Regierungsrätin im Jura viel Rückhalt, so die Westschweizer Zeitung weiter. In der Tat gab der jurassische Regierungsrat ihre Kandidatur gar in einem Communiqué bekannt und stellte sich mit der Ankündigung, sie könne den Röstigraben verkleinern, öffentlich hinter seine ehemalige Kollegin. In den Medien wurde zudem Elisabeth Baume-Schneiders Nähe zur Landwirtschaft betont. Thema war freilich auch ihr Alter, das als «Handicap» gewertet wurde, weil sich die SP eine jüngere Frau wünsche, so der Blick. Die 58-jährige Ständerätin aus dem Kanton Jura gab zudem in Interviews zu Protokoll, dass sie sich mit 65 Jahren pensionieren lassen wolle. Sie betrachte sich deshalb als «conseillère fédérale de transition», so ihre Aussage in 24Heures. Eva Herzog bleibe aber auch deshalb Favoritin, weil die Jurassierin eher am linken Rand der SP politisiere und das Parlament deshalb weniger gut von sich überzeugen könne als die eher am rechten Rand der SP einzuschätzende Eva Herzog, so der Blick weiter. 24Heures befand zudem, dass Elisabeth Baume-Schneider das grünste Profil der SP-Kandidierenden habe, was ihr allenfalls Stimmen von den Grünen einbringen könnte. Kaum zur Sprache kam hingegen, dass die Jurassierin in ihren Jugendjahren bei der Revolutionären Marxistischen Liga politisiert hatte, galt sie doch auch in bürgerlichen Kreisen als «sehr konziliant». In Interviews gaben Ständerätinnen und Ständeräte aus allen Lagern etwa der Aargauer Zeitung zu Protokoll, sie sei «lösungsorientiert, ohne den grossen Auftritt zu suchen», «verlässlich und kollegial», «seriös, aber nicht verbissen» und sie strahle eine «positive Leichtigkeit» aus. Hingegen wurde das Thema Mutterschaft auch bei der Kandidatin aus dem Kanton Jura diskutiert: Der Blick wusste zu berichten, dass Elisabeth Baume-Schneider zwar nicht mehr das Profil der jungen Mutter habe, wie dies von der SP gewünscht werde, sie habe aber bereits im Jahr 2000 landesweit für Schlagzeilen gesorgt, weil sie damals als Parlamentspräsidentin ihr Baby an eine Sitzung im Jurassischen Parlament mitgenommen habe. Die Frage, ob ein Exekutivamt mit Kindern möglich sei, sei für Elisabeth Baume-Schneider deshalb ein «Déjà-vu». Die Sanna Marin, die die SP heute im Bundesrat haben wolle, sei die zweifache Mutter Elisabeth Baume-Schneider schon vor 20 Jahren gewesen, bemühte die Aargauer Zeitung den Vergleich mit der finnischen Präsidentin ein weiteres Mal.

Bevor die SP über die Nominierung entschied, stand die mit einiger Spannung erwartete Lösung der «Frage Jositsch» an. In den Medien hatte der Wind in der Zwischenzeit etwas gedreht und die SP wurde für ihr mangelndes strategisches Geschick kritisiert. Dass sofort kommuniziert worden sei, nur auf Frauen zu setzen, habe die Partei unnötigen Spannungen ausgesetzt, war in zahlreichen Medien zu lesen. In der Zwischenzeit hatte sich zudem die «Reformplattform», ein loser Zusammenschluss moderat-zentristischer Kräfte der SP, hinter Jositsch gestellt. Im Hinblick auf die eidgenössichen Wahlen 2023 habe die SP aber wohl keine andere Wahl, als mit einer Frau und einem Mann im Bundesrat vertreten zu sein, was nur ein reines Frauenticket garantiere, ergänzte der Tages-Anzeiger. Als Gleichstellungspartei sei sie sonst nicht glaubwürdig. Alles andere wäre denn auch «politisches Harakiri», urteilte auch die Republik. Denn würde Jositsch auf dem Ticket stehen, würde er «mit hoher Wahrscheinlichkeit» gewählt, was dem mächtigen «Momentum von feministischer Politik» völlig zuwiderlaufen und Proteste auslösen würde. Auch der 80-köpfige Parteirat, eine Art Parlament innerhalb der Partei, stärkte der Parteileitung den Rücken und sprach sich einstimmig für ein reines Frauenticket aus. Die diese Frage letztlich entscheidende Fraktion selber tagte dann am 18. November und sprach sich laut ihrem Chef Roger Nordmann (sp, VD) klar mit 37 zu 6 Stimmen (2 Enthaltungen) dafür aus, nur Frauen zu nominieren. Daniel Jositsch habe sich eloquent verteidigt, respektiere aber das Urteil, so Nordmann weiter. Der Vorschlag für ein Dreierticket sei mit 26 zu 19 Stimmen abgelehnt worden. In einem kurzen Statement gab Daniel Jositsch im Anschluss an die Fraktionssitzung den Medien zu Protokoll, er verstehe den Entscheid, es gebe keine innerparteilichen Konflikte und er ziehe seine Kandidatur angesichts der exzellenten Kandidatinnen zurück. Die Diskussionen seien freilich nicht so glatt verlaufen, wie dies für die Presse dargestellt worden sei, wusste der Tages-Anzeiger zu berichten. Vor allem die Parteispitze habe sich von einigen Fraktionsmitgliedern harsche Kritik anhören müssen: Dass Mattea Meyer und Cédric Wermuth unmittelbar nach dem Rücktritt von Simonetta Sommaruga eigenmächtig ein Frauenticket angekündigt hätten, zeuge von schlechtem Kommunikationsstil und mangelndem Vertrauen in die Fraktion, so die interne Kritik laut Tages-Anzeiger.

Spannend blieb in der Folge also die Frage, welche beiden Kandidatinnen von der Fraktion aufs Ticket gehievt werden. Im Vorfeld der entsprechenden Fraktionsentscheidung vom 26. November hatte die SP vier von ihr so benannte «öffentliche Hearings» in Luzern, Lausanne, Zürich und Liestal geplant, in denen die drei Kandidatinnen Red und Antwort stehen – und «mit dem personellen Spektakel etwas Werbung» für die Partei machen sollten, wie die NZZ vermutete. Alle vier Hearings verliefen ohne Überraschungen. Es gebe kaum Unterschiede in den Positionen der drei Kandidatinnen war die ziemlich einhellige Meinung der Medien, was das Rennen um die Plätze auf dem Ticket freilich nur spannender mache.

Die Entscheidung der SP-Fraktion, Eva Herzog und Elisabeth Baume-Schneider auf das Ticket zu setzen, sorgte dann doch bei vielen Beobachterinnen und Beobachtern für überraschte Gesichter und einige Kritik. Der Entscheid habe etwas Zufälliges, urteilten einige Medien gestützt auf den Wahlprozess in der Fraktion, über den medial berichtet wurde. In den ersten beiden Wahlgängen waren die Unterschiede jeweils knapp, einmal verfügte Elisabeth Baume-Schneider und einmal Evi Allemann über die meisten Stimmen. Erst im dritten Wahlgang, in dem keine Zweitstimmen mehr zugelassen waren, war das Ergebnis schliesslich klar genug: 24 Stimmen für Eva Herzog, 23 für Elisabeth Baume-Schneider und lediglich noch 14 für Evi Allemann, die also für viele Fraktionsmitglieder anscheinend jeweils zweite Wahl gewesen war. Ausgerechnet die in den letzten Wochen so breit diskutierte «junge Mutter» hatte es damit nicht auf das Ticket geschafft. Dies stiess bei zahlreichen Beobachterinnen und Beobachtern auf Kritik. Die Sonntagszeitung wusste zu berichten, dass es in der Fraktion zwei Lager gegeben habe: Das eine habe auf die moderatere Eva Herzog gesetzt, während das andere vorwiegend aus Romand.e.s bestanden habe, unterstützt von Fraktionsmitgliedern, die bei der nächsten Vakanz die Wahlchancen Deutschschweizer Männer erhöhen wollten. Dieses Lager habe die eher links politisierende Westschweizer Kandidatin Elisabeth Baume-Schneider präferiert. Dies wiederum weckte Unbill bei der FDP, die sich im Vorfeld dezidiert gegen eine lateinische Mehrheit im Bundesrat ausgesprochen und bei der SP entsprechende Forderungen angemeldet hatte. Auch die SVP kritisierte die Auswahl, weil die Gefahr bestehe, dass am Schluss nur noch Kantone im Bundesrat vertreten seien, die im Finanzausgleich zu den Nehmerkantonen gehörten. Der Sonntagsblick hatte im Vorfeld der Fraktionssitzung eine Bevölkerungsbefragung durchführen lassen, bei der sich zeigte, dass die Mehrheit der Befragten ebenfalls die beiden Ständerätinnen auf das Ticket gesetzt hätte. Laut der Montagspresse änderte diese Vorauswahl allerdings wenig an der Ausgangslage: Wie bei der SVP Albert Rösti bleibe auch bei der SP Eva Herzog klare Favoritin. Die Aargauer Zeitung bezeichnete die Nomination von Elisabeth Baume-Schneider als «taktisch». Sie sei für Herzog die ungefährlichere Partnerin auf dem Ticket. Elisabeth Baume-Schneider selber war sich ihrer Outsider-Rolle bewusst, aber man könne ja nie wissen, gab sie dem Quotidien Jurassien zu Protokoll.

Bundesratsersatzwahlen 2022 – Nachfolge von Ueli Maurer und Simonetta Sommaruga
Dossier: Bundesratswahlen seit 2008

Im September 2022 beschloss die RK-SR einstimmig, der parlamentarischen Initiative ihrer Schwesterkommission für ein zeitgemässes Genossenschaftsrecht keine Folge zu geben, da sie zuerst den Bericht zum angenommenen Postulat Guggisberg (svp, BE; Po. 21.3783) abwarten wollte. Die parlamentarische Initiative hätte verlangt, dass das Genossenschaftsrecht, welches zu grossen Teilen noch aus dem Jahr 1936 stammt, vereinfacht und modernisiert wird. Daraufhin zog die RK-NR ihre Initiative zurück.

Moderniser le droit de la société coopérative (Iv. pa. 21.479)
Dossier: Revision Genossenschaftsrecht

In der Herbstsession 2022 behandelten National- und Ständerat den ersten Teil des Nachtrags II zum Voranschlag 2022 im Rahmen einer von der SVP-Fraktion beantragten ausserordentlichen Session (22.9015). Die ausserordentliche Session war einberufen worden, nachdem die FinDel den dringlichen Kredit zur Elektrizitätswirtschaft, also den Nachtragskredit über CHF 4 Mrd. sowie den Verpflichtungskredit über CHF 10 Mrd. für den Rettungsschirm für die Elektrizitätswirtschaft, gutgeheissen hatte. Da das Parlament den Verpflichtungskredit in der Zwischenzeit genehmigt hatte und die übrigen Kredite des Nachtrags II erst zu einem späteren Zeitpunkt behandelt wurden, wurde in der Herbstsession lediglich über den Nachtragskredit für die Elektrizitätswirtschaft diskutiert und abgestimmt.

Im Nationalrat legten Ursula Schneider Schüttel (sp, FR) sowie Jean-Paul Gschwind (mitte, JU) die Position der Mehrheit der FK-NR dar: Wie im Bundesgesetz über subsidiäre Finanzhilfen zur Rettung systemkritischer Unternehmen der Elektrizitätswirtschaft diskutiert worden sei, sei der Kredit zur Sicherstellung der Elektrizitätsversorgung der Schweiz nötig. Der Kredit selbst war denn auch bei den meisten Fraktionen nicht umstritten, auch wenn sie sich davon wenig begeistert zeigten. Drei Minderheiten Egger (svp, SG) wollten jedoch Rahmenbedingungen für die Kreditvergabe definieren, unter anderem um die Axpo «an die ganz kurze Leine» zu nehmen, wie Lars Guggisberg (svp, BE) betonte. So sollten erstens die Kantone als Eigentümerinnen der drei betroffenen Energieunternehmen die Hälfte des Kredits übernehmen. Da die Kantone während Jahren die Dividenden eingestrichen hätten, sollten sie jetzt auch für die Risiken aufkommen müssen, verlangte Minderheitssprecher Egger. Weil bisher keine gründliche Risikoprüfung stattgefunden habe, verlangte eine zweite Minderheit überdies eine solche. Und schliesslich sollte es den Unternehmen drittens während der Dauer der Gewährung dieser Darlehen verboten werden, spekulative Eigenhandelsgeschäfte zu tätigen. So habe eine Studie entsprechende Handelsgeschäfte der Axpo aufgedeckt, diese seien der Grund für ihre fehlende Liquidität, argumentierte Mike Egger. Die meisten Kommissions- und Fraktionssprechenden sprachen sich gegen die Minderheitsanträge aus, zumal diese bereits bei der Schaffung des entsprechenden Gesetzes abgelehnt worden seien. Schliesslich erläuterte Finanzminister Maurer den Rahmen des Geschäfts: Die Alpiq habe im Jahr 2021 beinahe innerhalb von Stunden einen Kredit zur Sicherstellung ihrer Liquidität benötigt. Anschliessend habe der Bundesrat befürchtet, dass solche Fälle zukünftig vermehrt auftreten könnten. Da die Kantone nicht innerhalb weniger Tage solche Beträge bereitstellen könnten, habe man sich mit ihnen geeinigt, dass der Bund die Zuständigkeit für Axpo, Alpiq und BKW übernehme, während die Kantone für die übrigen rund sechzig an der Börse gehandelten Stromversorgenden verantwortlich bleiben. Darüber hinaus sei beispielsweise bezüglich der Axpo eine kantonale Lösung schwierig zu erreichen, weil diese zuerst die Parlamente der acht Eignerkantone passieren müsste. Aufgrund der Grösse der drei Unternehmen und der daraus resultierenden Gefahr eines Dominoeffekts bei Ausfall eines der drei Unternehmen bestehe überdies nicht nur ein regionales, sondern ein schweizweites Interesse an ihrem Überleben. Entsprechend sei der erste Antrag der Minderheit Egger abzulehnen. Auch die anderen beiden Minderheitsanträge beantragte die Regierung zur Ablehnung, etwa da eine gründliche Risikoprüfung durch externe Fachleute stattgefunden habe. Der Finanzminister betonte darüber hinaus, dass die drei Unternehmen «nur im absoluten Notfall auf das Darlehen zurückgreifen» würden, da man die entsprechenden Bedingungen sehr unvorteilhaft ausgestaltet habe.
Im Anschluss an die Debatte zum Kredit für den Rettungsschirm schritt der Nationalrat zur Abstimmung: Mit 137 zu 46 Stimmen (bei 1 Enthaltung) sprach er sich für Annahme des Nachtragskredits aus, wobei die Mehrheit der SVP-Fraktion ablehnend votierte. Die drei Minderheitsanträge zu den Voraussetzungen für die Darlehensgewährung fanden nur in der SVP-Fraktion Zustimmung und wurden jeweils mit 134 zu 50 Stimmen abgelehnt.

Im Ständerat blieb zwei Tage später trotz ausserordentlicher Session eine Diskussion über den ersten Teil des Nachtrags II aus, es lagen auch keine Minderheitsanträge vor. Nachdem Johanna Gapany (fdp, FR) und Finanzminister Maurer die Vorlage präsentiert hatten, nahm die kleine Kammer den Nachtragskredit mit 29 zu 8 Stimmen (bei 5 Enthaltungen) an. Hier waren die parteipolitischen Fronten jedoch weniger deutlich, so stammten die ablehnenden Stimmen sowie die Enthaltungen von einzelnen Mitgliedern der SVP-, der FDP.Liberalen- sowie der Mitte-Fraktion. Die übrigen Kredite des Nachtrags II zum Voranschlag 2023 wird das Parlament in der Wintersession beraten.

Nachtrag II zum Voranschlag 2022 (BRG 22.042)
Dossier: Bundeshaushalt 2022: Voranschlag und Staatsrechnung

In der Herbstsession 2022 stand die Behandlung der Revision des Bundesgesetzes über das Öffentlichkeitsprinzip in der Verwaltung in beiden Kammern auf der Traktandenliste. Beide Räte waren sich schon zuvor grundsätzlich einig, dass der Zugang zu amtlichen Dokumenten gebührenfrei möglich sein muss. Allerdings – dies hatte bereits die parlamentarische Initiative von Edith Graf-Litscher (sp, TG), auf die die Vorlage zurückging, so vorgesehen – sollten in hohe Kosten verursachenden Ausnahmefällen den Gesuchsstellenden Rechnungen ausgestellt werden dürfen. Nicht einig waren sich National- und Ständerat darüber, ob für diese Ausnahmefälle eine Kostenobergrenze festgelegt werden soll. Der Nationalrat hatte diese auf CHF 2'000 fixieren wollen. Der Ständerat hielt allerdings – unterstützt vom Bundesrat – diskussionslos und einstimmig daran fest, keine solche Obergrenze festzulegen. Sie seien zwar sehr selten, es gebe aber durchaus Gesuche, die Kosten von weit mehr als CHF 2'000 verursachten, argumentierte der Sprecher der SPK-SR, Mathias Zopfi (gp, GL). Die Kommission sei zudem der Meinung, dass der Erlass von Gebühren Sache des Bundesrats sei.
Tags darauf schwenkte der Nationalrat auf diesen Beschluss des Ständerats ein. Die Kommission sei zwar «inhaltlich» nicht einverstanden, sie wolle aber auf «eine aussichtslose Differenzbereinigungsrunde» verzichten. Mit einer Gebührenobergrenze hätte die Unterwanderung des grundsätzlich gebührenfreien Zugangs zu amtlichen Dokumenten verhindert werden können; trotzdem sei auch die ständerätliche Lösung noch ein «Schritt zur Stärkung des Öffentlichkeitsprinzips», argumentierte die Sprecherin der SPK-NR, Céline Widmer (sp, ZH) in der grossen Kammer. Diese folgte anschliessend stillschweigend dem Kommissionsantrag.
In den Schlussabstimmungen hiess der Nationalrat die Vorlage mit 193 zu 0 Stimmen gut und der Ständerat stimmte ihr mit 44 zu 1 Stimme zu.

Öffentlichkeitsprinzip (Pa.Iv. 16.432)
Dossier: Öffentlichkeitsprinzip in der Bundesverwaltung

In der Herbstsession 2022 bereinigte das Parlament die Änderung des Finanzhaushaltgesetzes zum Abbau der coronabedingten Verschuldung. Bei der ersten Beratung im Ständerat lagen ähnliche Anträge vor wie zuvor bei der Beratung im Erstrat. Jedoch hatte sich die Ausgangslage verändert: Während der Bundesrat und auch der Nationalrat bei seiner Erstberatung davon ausgegangen waren, die ausserordentlichen Ausschüttungen der SNB für den Covid-19-Schuldenabbau verwenden zu können, hatte der Bundesrat in der Zwischenzeit als Antwort auf eine Frage von Gerhard Andrey (gp, FR) bekannt gegeben, dass Bund und Kantone gemäss den vorläufigen, bis Juni 2022 vorliegenden Zahlen von der SNB am Ende des Jahres weder den Grundbetrag noch Zusatzausschüttungen erhalten würden – diese Zahlen könnten sich aber bis Ende Jahr durchaus noch ändern, wie der Bundesrat betont hatte. Die FK-SR rechnete in der Folge jedoch nicht mehr mit den entsprechenden Geldern, was die Dauer des Schuldenabbaus deutlich verlängern würde, wie verschiedene Sprechende betonten. Dennoch beabsichtigte die Kommissionsmehrheit, die Corona-bedingten Schulden, die sich Ende 2022 auf etwa CHF 26 Mrd. belaufen werden, mithilfe der zukünftigen ordentlichen Überschüsse abzubauen und dabei auf eine Verwendung eines Teils der bisherigen ordentlichen Überschüsse auf dem Ausgleichskonto, wie sie der Nationalrat vorgeschlagen hatte, zu verzichten. Entsprechend wollte die Mehrheit der FK-SR die Dauer des Schuldenabbaus ebenfalls wie vom Bundesrat vorgesehen bis 2035, bei ausserordentlichen Ereignissen bis 2039 verlängern. Sowohl Kommissionssprecherin Gapany (fdp, FR) als auch Finanzminister Maurer äusserten sich zum Vorschlag der Kommissionsmehrheit. Letzterer argumentierte, dass auf dem Ausgleichskonto nicht wirklich Geld liege, «sondern das ist einfach die Statistik des ordentlichen Bundeshaushalts». Folglich wäre die Verrechnung der beiden Konten ein «Signal, dass wir bereit sind, in der Finanzpolitik die Zügel zu lockern». Diese Befürchtung teilte eine Minderheit I Hegglin (mitte, ZG), die in Übereinstimmung mit dem Nationalrat die Hälfte der Schulden auf dem Amortisationskonto durch die ordentlichen Überschüsse finanzieren und im Gegenzug die Abbaufrist verkürzen wollte, nicht. Vielmehr entwickelte sich eine Diskussion zur Frage, welche Massnahme die grösste Freiheit für das Parlament mit sich bringe: die Beibehaltung des Überschusses auf dem Ausgleichskonto oder eine schnelle Tilgung der Schulden auf dem Amortisationskonto. Eine Minderheit II Herzog (sp, BS) wollte überdies nicht nur einen Teil, sondern gar den ganzen Überschuss auf dem Ausgleichskonto zum Covid-19-Schuldenabbau verwenden, um den mittel- oder langfristig grösstmöglichen Handlungsspielraum zu schaffen. Die Minderheitensprecherin zog ihren Antrag jedoch später zurück. Mit 28 zu 16 Stimmen sprach sich der Ständerat anschliessend für den Mehrheitsantrag und somit gegen eine Verwendung des Überschusses auf dem Ausgleichskonto aus.

Noch in der Herbstsession folgte der Nationalrat seinem Schwesterrat in dieser Frage. Die Kommissionsmehrheit beantragte, an der ursprünglichen Position des Nationalrats festzuhalten und weiterhin eine Verrechnung eines Teils des Überschusses auf dem Ausgleichskonto mit dem Amortisationskonto vorzunehmen und im Gegenzug die Frist für den Schuldenabbau zu kürzen. Eine Minderheit Guggisberg (svp, BE) wollte jedoch dem Bundesrat folgen, unter anderem da eine Vermischung der beiden Konten der von der Stimmbürgerschaft angenommenen Idee der Schuldenbremse widerspreche, wie Lars Guggisberg argumentierte. Mit 105 zu 83 Stimmen sprach sich der Nationalrat für diesen Minderheitsantrag und somit gegen eine Verrechnung der beiden Konten aus und bereinigte damit die einzige Differenz zum Ständerat. Die SP-, Grünen- und Grünliberalen-Fraktionen sowie ein Mitglied der Mitte-Fraktion waren dabei der Kommissionsmehrheit gefolgt.

In den Schlussabstimmungen nahm der Nationalrat die Änderung des FHG mit 152 zu 23 Stimmen (bei 17 Enthaltungen) an, der Ständerat einstimmig (45 zu 0 Stimmen). Die Gegenstimmen und Enthaltungen im Nationalrat stammten von Mitgliedern der Grünen Fraktion.

Bundesrätlicher Vorschlag zum Abbau der Covid-19-Schulden (BRG 22.020)
Dossier: Wie sollen die Kosten der Covid-19-Krise verbucht und die Schulden abgebaut werden?
Dossier: Mögliche Massnahmen zur Reduktion des Covid-19-bedingten Defizits

Eine Motion Würth (mitte, SG) zur finanziellen Unterstützung von «digitalen Leuchtturmprojekten» mit öffentlichem Interesse stand in der Herbstsession 2022 auf der Traktandenliste des Nationalrats. Die Mehrheit der vorberatenden WBK-NR beantragte die Ablehnung der Motion, da der Anwendungsbereich der Forderung zu wenig genau abgegrenzt sei und ein Kriterienkatalog fehle. Des Weiteren bestünden bereits entsprechende Förderinstrumente. Kommissionssprecherin Verena Herzog (svp, TG) erklärte im Rat des Weiteren, dass der Ständerat beim Entwurf zum Bundesgesetz über den Einsatz von elektronischen Mitteln zur Erfüllung von Behördenaufgaben (BRG. 22.022) die Forderungen der Motion bereits teilweise aufgenommen habe. Eine Minderheit Kutter (mitte, ZH) beklagte hingegen den Rückstand der Schweiz im Bereich der Digitalisierung und wollte, wie der Bundesrat auch, an der Motion festhalten. Die Minderheit argumentierte zudem, dass die gleichlautende Motion Guggisberg (svp, BE; Mo. 21.4490) ebenfalls angenommen worden sei, weshalb man die vorliegende Motion aus Kohärenzgründen auch annehmen müsse. Bundeskanzler Walter Thurnherr versicherte zudem, dass bei einer Annahme keine Doppelspurigkeit zu bestehenden Förderinstrumenten geschaffen würde, sondern die geforderten Instrumente nur subsidiär Anwendung fänden. Während jeweils eine grosse Mehrheit der SP-, der GLP- und der Mitte-Fraktion sowie einige Abgeordnete der Grünen Fraktion (23 enthielten sich der Stimme) dieser Argumentation mit 87 Stimmen folgten, votierten die grossen Mehrheiten der SVP- sowie der FDP.Liberalen-Fraktion mit 72 Stimmen gegen Annahme der Motion. Damit überwies der Nationalrat die Motion an den Bundesrat.

Die Schweiz voranbringen. Digitale Leuchtturmprojekte mit öffentlichem Interesse anschieben (Mo. 21.4377)
Dossier: Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben (EMBAG)

Die Nationalratsmitglieder Sidney Kamerzin (mitte, VS), Corina Gredig (glp, ZH), Gerhard Andrey (gp, FR), Lilian Studer (evp, AG), Lars Guggisberg (svp, BE), Susanne Vincenz-Stauffacher (fdp, SG) und Edith Graf-Litscher (sp, TG) reichten im Juni 2020 allesamt gleichlautende Postulate ein, mit denen sie den Bundesrat beauftragen wollten, marktwirtschaftliche Lösungen zur Förderung von regionalem Coworking zu prüfen. Da nicht alle Personen im Homeoffice arbeiten könnten und da bei Homeoffice der soziale Austausch fehle und die Trennung zwischen Beruf und Familie schwierig sei, könne regionales Coworking eine Lösung für immer mehr Arbeitnehmenden darstellen, argumentierten sie. Neben einer möglichen Starthilfe durch den Bund für den Aufbau eines nationalen Netzes soll der Bericht aufzeigen, wie die Bundesverwaltung in einer Vorbildfunktion Büroflächen sparen und diese Fläche stattdessen als regionale Coworking Spaces zur Verfügung stellen könnte. Zudem soll beleuchtet werden, wie etwa die SBB in Regionalbahnhöfen – oder auch andere bundesnahe Betriebe – Coworking-Formate umsetzen könnten.
In seiner Stellungnahme vom August 2020 beantragte der Bundesrat, die Postulate abzulehnen. Der Bund überlasse es den Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden, ob sie im Coworking arbeiten oder Coworking als flexible Arbeitsform anbieten möchten. Zudem seien Coworking-Möglichkeiten in einigen ländlichen Gebieten und Bergregionen bereits vorhanden. Zudem verfüge der Bund über keinen direkten Einfluss auf die Nutzung leer stehender Büroräume der bundesnahen Betriebe oder auf ihr operatives Geschäft.
Im Juni 2022 wurden die Postulate abgeschrieben, da sie nicht innert zwei Jahren vom Nationalrat behandelt worden waren.

Postulate zur «Förderung von regionalem Coworking» (Po. 20.3622, Po. 20.3638, Po. 20.3639, Po. 20.3640, Po. 20.3641, Po. 20.3642, Po. 20.3643)

In der Sommersession beschloss der Nationalrat, der Mehrheit seiner SPK-NR zu folgen und an der ursprünglichen Version seiner Revision des Bundesgesetzes über das Öffentlichkeitsprinzip in der Verwaltung festzuhalten. Der Ständerat hatte in der Detailberatung zur Vorlage, die auf eine parlamentarische Initiative von Edith Graf-Litscher (sp, TG) zurückging, eine Differenz geschaffen: In der Regel soll die Einsicht in Dokumente der Bundesverwaltung zwar kostenlos sein, für Gesuche, denen die verantwortliche Verwaltungsstelle nur mit hohem Aufwand nachkommen kann, sollen allerdings Gebühren verlangt werden können. Der Nationalrat hatte dafür eine Obergrenze von CHF 2'000 vorgesehen, der Ständerat wollte hingegen keine Kostenobergrenze beziffern. Eine Minderheit der SPK-NR hatte vergeblich dafür plädiert, die ständerätliche Lösung zu übernehmen. Die Argumente von Minderheitensprecher Damien Cottier (fdp, NE) sowie von Bundesrätin Karin Keller-Sutter, es könne auch Gesuche geben, die Gebühren von mehr als CHF 2'000 rechtfertigten, stiessen lediglich bei der geschlossen stimmenden FDP.Liberalen- und der Mehrheit der Mitte-Fraktion auf Gehör. Mit 130 zu 53 Stimmen (2 Enthaltungen) sprach sich der Nationalrat für Festhalten aus.

Öffentlichkeitsprinzip (Pa.Iv. 16.432)
Dossier: Öffentlichkeitsprinzip in der Bundesverwaltung

Bereits in der Sommersession 2022 machte sich der Nationalrat an die Beratung der Änderung des Finanzhaushaltgesetzes zum Abbau der coronabedingten Verschuldung. Die beiden Kommissionssprecher Heinz Siegenthaler (mitte, BE) und Alex Farinelli (fdp, TI) fassten dabei die finanzpolitische Situation der letzten Jahre zusammen: Vor der Corona-Pandemie habe man während 20 Jahren keine neuen Schulden gemacht und gar CHF 23 Mrd. auf dem Ausgleichskonto angehäuft. Demgegenüber stünden Schulden in der Höhe von CHF 25 bis 30 Mrd., welche Corona-bedingt in den letzten Jahren entstanden seien. Für deren Abbau sehe der Bundesrat jährliche Zahlungen von CHF 1 Mrd. aus dem ordentlichen Haushalt und CHF 1.3 Mrd. «aus der ausserordentlichen Gewinnausschüttung der Schweizerischen Nationalbank» vor – Letztere hatte der Bundesrat bereits im Juni 2022 für diesen Zweck gesprochen –, wobei die Frist für den Schuldenabbau von sechs auf zwölf Jahre erhöht werden soll. Die Mehrheit der FK-NR sprach sich jedoch für den zweiten Vorschlag aus, den der Bundesrat in die Vernehmlassung geschickt hatte: Die Hälfte der Corona-bedingten Schulden auf dem Amortisationskonto soll mit den Geldern auf dem Ausgleichskonto beglichen werden, während die andere Hälfte durch zukünftige Überschüsse sowie durch die ausserordentlichen Ausschüttungen der SNB abgebaut werden soll. Damit sei ein Schuldenabbau innert acht Jahren möglich, was die Kommissionsmehrheit bevorzuge, argumentierte Siegenthaler. Zusätzlich zur Position der Kommissionsmehrheit lagen verschiedene Minderheitsanträge vor: Eine Minderheit I Wyss (sp, BS) beantragte, das vollständige Guthaben auf dem Ausgleichskonto für den Corona-Schuldenabbau zu verwenden. Damit könne man sicherstellen, dass auch zukünftig genügend Geld für kommende Herausforderungen vorhanden sei. Eine Minderheit II Guggisberg (svp, BE) wollte dem Bundesrat folgen und die bereits angesparten Gelder auf dem Ausgleichskonto belassen. Stattdessen sollten die ordentlichen Gewinnausschüttungen der SNB in der Höhe von CHF 660 Mio., welche bisher in das Bundesbudget flossen, für die Tilgung der Corona-Schulden eingesetzt werden. Bezüglich der Abbaufristen plädierte eine Minderheit Gysi (sp, SG) für den vom Bundesrat vorgesehenen zwölfjährigen Schuldenabbau. Ein Abbau über drei Legislaturen sei sinnvoll, zumal sich die Schweiz dies leisten könne, die Covid-19-Pandemie eine «Jahrhundertkrise» darstelle und man auch in den letzten 20 Jahren Schulden in der Höhe von CHF 29 Mrd. abgebaut habe, argumentierte die Minderheitensprecherin. Der Nationalrat folgte jedoch in sämtlichen Anträgen seiner Kommissionsmehrheit. Die zwei Minderheiten Guggisberg fanden bei Mitgliedern der SVP-Fraktion, die Minderheiten Wyss und Gysi bei Mitgliedern der SP-, Grünen- und GLP-Fraktion sowie der EVP Zustimmung. Mit 133 zu 51 Stimmen nahm der Nationalrat die Revision in der Gesamtabstimmung gegen den Willen der SVP-Fraktion an.

Bundesrätlicher Vorschlag zum Abbau der Covid-19-Schulden (BRG 22.020)
Dossier: Wie sollen die Kosten der Covid-19-Krise verbucht und die Schulden abgebaut werden?
Dossier: Mögliche Massnahmen zur Reduktion des Covid-19-bedingten Defizits

Im Dezember 2021 reichte Edith Graf-Litscher (sp, TG) ein Postulat zur Prüfung von Massnahmen für einen besseren Schutz gegen Ransomware-Angriffe ein. Laut der Postulantin stellten Cyberangriffe über Verschlüsselungstrojaner, sogenannte Ransomware, eine grosse Gefahr für die Wirtschaft und die Verwaltung dar. Besondere Beachtung sollten im Rahmen der auszuarbeitenden Massnahmen die Sicherheitsrichtlinien von Unternehmen mit öffentlichem Auftrag, eine mögliche Meldepflicht für Lösegeldzahlungen bei Cyberangriffen und die engere Zusammenarbeit der betroffenen Unternehmen mit den zuständigen Behörden erhalten. Während der Bundesrat das Postulat zur Annahme beantragte, wurde es von Erich Hess (svp, BE) bekämpft. In der Sommersession 2022 stimmte der Nationalrat dem Postulat mit 87 Ja- zu 86 Nein-Stimmen bei 6 Enthaltungen knapp zu, nachdem sich Judith Graf-Litscher und Bundesrat Maurer für dessen Annahme ausgesprochen hatten. Erich Hess hatte auf ein Votum verzichtet. Gegen das Postulat sprachen sich insbesondere die SVP-, FDP- und Mitte-Fraktion aus.

Massnahmen für einen besseren Schutz gegen Ransomware-Angriffe (Po. 21.4512)
Dossier: Cyber Defence

In der Sommersession beugte sich der Ständerat über den bundesrätlichen Entwurf zum Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben (EMBAG). Die WBK-SR hatte es einstimmig zur Annahme empfohlen, wie Kommissionssprecher Benedikt Würth (mitte, SG) berichtete. Obwohl die Schweiz ein «Hightech-Land» sei, schneide sie im internationalen Vergleich hinsichtlich digitaler Verwaltung äusserst schlecht ab. Aus diesem Grund sei die «Digitale Verwaltung Schweiz» (DVS), eine gemeinsame Organisation zwischen Bund und Kantonen, ins Leben gerufen worden. Damit der Bund hier als Partner fungieren könne, brauche es Rechtsgrundlagen, die mit dem EMBAG geschaffen werden sollen. In den bisherigen Diskussionen habe sich herausgestellt, dass bisher zu stark in Sektoren gedacht und zu wenig auf Kooperation gebaut worden sei. Mit dem vorliegenden «Querschnittsgesetz» solle dies geändert werden, so Würth. Die WBK-SR habe an der bundesrätlichen Vorlage leichte Anpassungen vorgenommen. So soll dafür gesorgt werden, dass Menschen ohne digitale Kompetenzen von Behördeninteraktionen nicht ausgeschlossen würden. Darüber hinaus will die Kommission, dass Kantone Vereinbarungen zwischen Bund und Gemeinden zustimmen müssen. Um die Motionen Guggisberg (svp, BE; Mo 21.4490) und Würth (mitte, SG; Mo. 21.4377) zu erfüllen, sollen zudem unter Bundesbeteiligung erarbeitete digitale Instrumente und Ergebnisse frei zur Verfügung gestellt werden. Die WBK-SR wolle zudem der Verwaltung schliesslich nicht wie vom Bundesrat vorgesehen fünf, sondern lediglich drei Jahre gewähren, um Daten und Ressourcen öffentlich zugänglich zu machen. Auch Bundesrat Ueli Maurer warb für das Gesetz, das auch Datenschutz und Prozesssicherheit gross schreibe.
Eintreten war in der Folge unbestritten, die Ausgabenbremse wurde einstimmig (34 zu 0 Stimmen) gelöst und alle Anträge der WBK-SR wurden ohne Diskussion gutgeheissen. Auch die Gesamtabstimmung passierte die leicht angepasste Vorlage einstimmig (33 zu 0 Stimmen).

Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben (BRG 22.022)
Dossier: Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben (EMBAG)

Mitte 2020 reichte Edith Graf-Litscher (sp, TG) eine Motion mit dem Titel «Salutogenetische Aspekte bei der Prävention, Behandlung und Nachsorge von Epidemien und Pandemien fördern und die Komplementärmedizin einbeziehen» ein. Die Motionärin argumentierte, dass es der Berufung mindestens einer Fachperson der Komplementärmedizin in die Clinical Care Task Force und die Eidgenössische Kommission für Pandemievorbereitung und -bewältigung (Ziffer 1) sowie der Integration komplementärmedizinischer Aspekte in den bestehenden Pandemieplan (Ziffer 2) bedürfe. Zudem verlangte die Motionärin einen spezifischen Forschungsauftrag für gesundheitsfördernde Ansätze in der Komplementärmedizin und das Zurverfügungstellen entsprechender finanzieller Mittel (Ziffer 3). Die vierte Ziffer des Vorstosses bestand in der Forderung, Konzepte der integrativen Medizin in die Umsetzung des NFP «Covid-19» einfliessen zu lassen.
Die Motion kam in der Sommersession 2022 in den Nationalrat. Dort erklärte Gesundheitsminister Alain Berset, dass der Bundesrat die Ablehnung des Vorstosses empfehle. Er begründete diese Haltung etwa damit, dass der Pandemieplan flexibel sei, was es der Vertreterschaft der Komplementärmedizin ermögliche, Ergänzungen vorzuschlagen. Weiter obliege die Auswahl der Projekte des NFP nicht der Landesregierung. Thomas Aeschi (svp, ZG) verlangte eine separate Abstimmung über die verschiedenen Ziffern des Geschäfts. Während die ersten beiden Ziffern mit 111 zu 79 Stimmen respektive mit 102 zu 77 Stimmen (bei 8 Enthaltungen) angenommen wurden, lehnte die grosse Kammer die Ziffern 3 und 4 mit 122 zu 65 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) respektive mit 122 zu 59 Stimmen (bei 9 Enthaltungen) ab. Grund für die unterschiedlichen Abstimmungsresultate war, dass sich die SVP bei den ersten beiden Punkten auf die Seite der linken Fraktionen schlug, welche alle Ziffern befürworteten, bei Punkt 3 und 4 jedoch zusammen mit den Fraktionen der GLP, FDP, und derjenigen der Mitte gegen den Vorstoss stimmte.

Salutogenetische Aspekte bei der Prävention, Behandlung und Nachsorge von Epidemien und Pandemien fördern und die Komplementärmedizin einbeziehen (Mo. 20.3664)

Das EDA teilte Mitte März 2022 mit, dass aufgrund des Kriegs in der Ukraine rund 12 Mio. Menschen auf humanitäre Nothilfe angewiesen seien. 3 Mio. Menschen seien in Nachbarländer geflüchtet, mehr als die Hälfte davon nach Polen. Der Corriere del Ticino berichtete zudem von rund 340'000 Flüchtenden, die bis zu diesem Zeitpunkt nach Moldawien gelangt seien. Um die Schweizer Hilfe zur Bewältigung der Flüchtlingsströme in der Ukraine und den Nachbarländern zu besprechen, reiste Bundespräsident Cassis am 21. und 22. März nach Polen und Moldawien. Einige Tage zuvor hatte der Bundesrat bereits die Entsendung eines Expertenteams des SKH nach Polen und Moldawien beschlossen.
Begleitet wurde Cassis dabei von einer grösseren Delegation, der APK-NR-Präsident Franz Grüter (svp, LU), SiK-NR-Mitglied Edith Graf-Litscher (sp, TG), Botschafter Manuel Bessler – der auch als Delegierter für humanitäre Hilfe und Chef des SKH amtete – und der Schweizer Botschafter für die Ukraine und Moldawien, Claude Wild, angehörten. Mit dem polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki tauschte sich Bundesrat Cassis in Warschau über die humanitäre Notlage in der Ukraine, die Fluchtbewegungen, die Lage in Polen und die humanitäre Hilfe der Schweiz aus. Am Rande der Unterhaltung wurden auch die bilateralen Beziehungen zwischen der Schweiz und Polen angesprochen. Cassis betonte, dass sich die Schweiz als Teil einer gemeinsamen Wertegemeinschaft mit der EU verstehe. Im Anschluss besuchte die Schweizer Delegation Einrichtungen für Flüchtende an der polnisch-ukrainischen Grenze. Tags darauf traf sich der Bundespräsident in Chișinău mit der moldawischen Präsidentin Maia Sandu. Im Zentrum der Gespräche stand die Frage, wie das Land die aktuelle Krise bewältigt und in welcher Art und Weise die Schweiz für Unterstützung sorgen könnte. Cassis versprach, nebst den bereits für die Region gesprochenen CHF 80 Mio. weitere CHF 2 Mio. an finanzieller Soforthilfe für Moldawien zur Verfügung zu stellen.

Auslandreise von Bundespräsident Cassis nach Polen und Moldova
Dossier: Schweizer Reaktion auf die russischen Aggressionen in der Ukraine (ab 2014)