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  • Heim, Bea (sp/ps, SO) NR/CN
  • Herzog, Verena (svp/udc, TG) NR/CN

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Zu Beginn des Jahres 2022 hatte der Bundesrat stark mit der neuen Dynamik in der fünften Welle der Covid-19-Pandemie zu kämpfen: Die sich immer stärker ausbreitende Omikron-Variante erwies sich als deutlich ansteckender als die bis zu diesem Zeitpunkt vorherrschende Delta-Variante. Dies führte zu immer neuen Rekordzahlen laborbestätigter Ansteckungen mit dem Corona-Virus. Anders als bei der Delta-Variante stiegen jedoch die Spitaleinweisungen deutlich weniger stark an. So stellte etwas später auch die EMPA zusammen mit wissenschaftlichen Instituten und dem Kanton Graubünden fest, dass «Omikron [...] das Gesundheitssystem wohl nicht an die Grenzen [bringe]». So sei die Omikron-Variante zwar infektiöser als die Delta-Variante, aber «scheinbar weniger gefährlich für die Gesundheit». Folglich stieg die Anzahl täglicher Hospitalisationen mit oder wegen Covid-19 zwischen Dezember 2021 und Februar 2022 auf durchschnittlich 119 und blieb damit fast halb so gross wie im November 2020 mit durchschnittlich 206 entsprechenden Hospitalisationen täglich.
Somit stand neu nicht mehr in erster Linie das Gesundheitssystem pandemiebedingt vor grossen Schwierigkeiten, sondern die Wirtschaft: Die Medien diskutierten ausführlich über die Folgen des Personalmangels, der durch die überaus hohen Quarantänezahlen verursacht wurde. «Wir können nicht einen Drittel der Bevölkerung in Quarantäne schicken, sonst würde alles zusammenbrechen», gab etwa der Luzerner Gesundheitsdirektor Guido Graf (LU, mitte) gegenüber der Luzerner Zeitung zu bedenken. Am 12. Januar 2022 entschied der Bundesrat daher, die Kontaktquarantäne sowie die Isolation von zehn auf fünf Tage zu verkürzen, wie es Economiesuisse zuvor gegenüber den Medien gefordert hatte. Weiterhin konnte die Isolation jedoch nur verlassen, wer zuvor 48 Stunden ohne Symptome war. Die Kontaktquarantäne wurde überdies auf Personen in demselben Haushalt und mit engem Kontakt zu Infizierten beschränkt, während Personen, die innert der letzten vier Monate geimpft worden oder genesen waren, gänzlich von der Quarantäne ausgenommen wurden. Ausdrücklich ermöglichte der Bundesrat den Kantonen zudem Ausnahmen bezüglich Quarantäne und Isolation, «um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten». Trotz dieser Abschwächung der Quarantäne verlängerte der Bundesrat Mitte Januar 2022 ob der immer noch steigenden Fallzahlen die Geltungsdauer verschiedener Massnahmen: Die Kontaktquarantäne sowie die Homeoffice-Pflicht sollten neu bis Ende Februar gelten, die 2G-, 2Gplus- und 3G-Regeln, die Maskenpflicht und die Einschränkung privater Treffen sollten gar bis Ende März aufrechterhalten werden. Zudem sollten die Covid-19-Zertifikate in Übereinstimmung mit den Regelungen in der EU neu nur noch 270 statt 365 Tage gültig sein.

Dies sollten jedoch vorerst die letzten Verschärfungen in den Covid-19-Regelungen sein. Denn so schnell die laborbestätigten Covid-19-Fallzahlen Ende 2021 angestiegen waren, so schnell begannen sie Ende Januar 2022 wieder zu sinken. Entsprechend entschied sich der Bundesrat, die Homeoffice-Pflicht und die Kontaktquarantäne per 3. Februar 2022 wieder aufzuheben. Die Kontaktquarantäne habe aufgrund der hohen Ansteckungszahlen «an Bedeutung verloren» und wurde folglich erstmals seit Pandemiebeginn eingestellt. Weiterhin mussten sich jedoch infizierte Personen während fünf Tagen isolieren, um Ansteckungen anderer zu verhindern. Zwei Wochen später hob der Bundesrat schliesslich beinahe alle verbliebenen Covid-19-Massnahmen auf: Er beendete generell die Zertifikats- und Maskenpflicht – ausser im öffentlichen Verkehr und in Gesundheitseinrichtungen –, die Bewilligungspflicht von Grossveranstaltungen sowie die Einschränkung privater Treffen. Zuvor hatte sich eine Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden für diese schnelle Lockerung ausgesprochen. Zwar stiegen die Fallzahlen Mitte Februar 2022 erneut an, erreichten bis Mitte März aber mit über 40'000 Fällen und einem 7-Tage-Durchschnitt von 28'000 Fällen nicht mehr die Rekordzahlen von Mitte Januar 2022.

Dass der Anteil Personen, die sich bisher noch nie mit dem Coronavirus infiziert hatten, immer geringer wurde, zeigte sich beispielhaft an den sich mehrenden Meldungen über infizierte Bundesratsmitglieder: Im Februar 2022 traf es Ignazio Cassis, im März 2022 Gesundheitsminister Alain Berset sowie Guy Parmelin und im April Simonetta Sommaruga. Im August 2022 gab der Bundesrat dann bekannt, dass in der Zwischenzeit über 97 Prozent der Schweizer Bevölkerung mit dem Virus in Kontakt gekommen seien – durch Ansteckung oder Impfung, wobei 70 Prozent der Gesamtbevölkerung mindestens einmal geimpft seien.

Bereits vorher, nämlich am Freitag, 1. April 2022 folgte schliesslich nach über zwei Jahren Ausnahmezustand die Rückkehr in die normale Lage gemäss Epidemiengesetz. Somit fielen mit der Isolationspflicht für infizierte Personen und der Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr und in Gesundheitseinrichtungen auch die letzten grossen Massnahmen zur Bekämpfung der Pandemie. Gleichzeitig legte der Bundesrat die «Hauptverantwortung für Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung» nun wieder in die Hände der Kantone. Dennoch wollte er in einer einjährigen Übergangsphase eine erhöhte Wachsamkeit und Reaktionsfähigkeit aufrechterhalten, in der die während der Pandemie wichtigen Strukturen insbesondere bezüglich Tests, Impfungen und Contact Tracing erhalten bleiben sollten. So hatten Bund und Kantone bereits einen Monat zuvor in einer Medienmitteilung festgestellt, dass auch weiterhin mit saisonalen Erkrankungswellen zu rechnen sei. Um das Ausmass der Verbreitung des Virus weiterhin überprüfen zu können, setzte der Bundesrat in der Folge verstärkt auf die Überprüfung des Abwassers: Bis zu diesem Zeitpunkt war das Wasser in sechs Kläranlagen auf die Stärke der Virenlast und die zirkulierenden Varianten überprüft worden, neu wurde dieses Projekt auf 100 Kläranlagen ausgedehnt.
Gänzlich aufgehoben wurden die Covid-19-Massnahmen im Übrigen nicht, bestehen blieben die zwangsweisen Covid-19-Tests von Abgewiesenen bei der Rückstellung in ihr Herkunftsland, welche das Parlament bis ins Jahr 2024 verlängerte.

Im Mai 2022 verabschiedete der Bundesrat ein Grundlagenpapier zu Zielen und Aufgabenverteilung in der Übergangsphase. Demnach liege die Hauptverantwortung bei den Kantonen, wobei sie insbesondere für die Test- und Spitalkapazitäten und das Impfangebot zu sorgen und allfällige Massnahmen bei Anstieg der Fallzahlen zu ergreifen hätten. Der Bund blieb lediglich zuständig für die Überwachung, den internationalen Personenverkehr, für die Versorgung mit Heilmitteln sowie für alle Massnahmen aufgrund des Covid-19-Gesetzes. Die besondere Lage gemäss Epidemiengesetz werde er zukünftig nur dann wieder ausrufen, wenn die Bemühungen der Kantone die Verbreitung des Virus nicht verhindern könnten und die öffentliche Gesundheit gefährdet sei.

Ab Juni 2022 stiegen die Fallzahlen für eine Sommerwelle – wie sie in den Medien teilweise genannt wurde – an, die Mitte Juli 2022 Höchstwerte von fast 10'000 Fällen und einen 7-Tage-Schnitt von fast 8'000 Fällen erreichte. Wie stark die Corona-Pandemie in der Zwischenzeit an Schrecken und Aufmerksamkeit verloren hatte, zeigte sich etwa daran, dass sich die Medien kaum noch auf eine einheitliche Nummerierung der Covid-19-Wellen einigen konnten. Zudem galt die Medienaufmerksamkeit in der Zwischenzeit viel mehr den beiden grossen aktuellen Themen, dem Krieg in der Ukraine und dem Energie-Engpass. Mitte September 2022 bahnte sich schliesslich eine auch vom Bundesrat mehrfach prognostizierte Herbst- und Winterwelle an, die aber bis Ende Jahr mit einem Spitzenwert im Oktober von fast 8'300 gemeldeten Neuinfektionen täglich und einem maximalen 7-Tage-Schnitt von 5'450 Neuinfektionen nicht die befürchteten Fallzahlen erreichte – womöglich auch wegen einer hohen Dunkelziffer.

Allgemein hatte sich der Fokus der bundesrätlichen Massnahmen seit November 2021 immer stärker hin zur Ausweitung der Behandlungsmöglichkeiten der Schweizer Bevölkerung verschoben. So berichtete die Regierung immer wieder über den Kauf neuer Arzneimittel, mit denen Patientinnen und Patienten mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Verlauf oder bei einem schweren Verlauf behandelt werden können: Ende November 2021 reservierte der Bundesrat 8'640 Packungen des «vielversprechenden Arzneimittels» Molnupiravir von MSD Merck Sharp & Dohme AG Schweiz, das bis im Januar 2022 verfügbar sein sollte. Ende Dezember 2021 kamen weitere Verträge mit GlaxoSmithKline AG und Roche Pharma (Schweiz) AG für die Medikamente Sotrovimab (2'000 Packungen) und Casirivimab/Imdevimab (4'000 Packungen) hinzu, welche der Bund bereits im Jahr zuvor bestellt hatte. Kurz darauf gab die Regierung im Rahmen ihres Förderprogramms für Covid-19-Arzneimittel den Abschluss von Verträgen mit vier in der Schweiz ansässigen Unternehmen in der Gesamthöhe von CHF 27 Mio. bekannt, von denen sie sich bis Ende 2022 neue Medikamente versprach. Im Mai 2022 folgte ein Vertrag mit Pfizer für die Beschaffung von 12'000 Packungen des Arzneimittels Paxlovid.

Doch nicht nur zur Behandlung, auch zur Prophylaxe standen neu Arzneimittel zur Verfügung: Noch Ende 2021 erteilte Swissmedic dem Arzneimittel Ronapreve, das zur Prävention von Covid-19 für Personen mit ungenügender Immunantwort auf die Impfung dient, die Zulassung. Dieses Medikament war in Übereinstimmung mit der Covid-19-Verordnung 3 bereits während der Zulassungsphase eingesetzt worden. Mitte Februar 2022 reservierte der Bundesrat zudem erneut 2'000 Packungen des Medikaments Sotrovimab von GlaxoSmithKline AG, während er in Übereinstimmung mit Motionen von Verena Herzog (svp, TG) und der SGK-NR den Zugang zu weiteren Arzneimitteln zur Prävention von Covid-19 für immunsupprimierte Personen sicherte. Im März 2022 und im Juil 2022 folgten Verträge mit AstraZeneca Schweiz für Tixagevimab/Cilgavimab als weitere Möglichkeit zur Prophylaxe gegen Covid-19.

Ausgedehnt wurden auch die Impfmöglichkeiten. Bereits Ende 2021 hatte der Bundesrat bekannt gegeben, dass die Bevölkerung auch im Jahr 2022 gratis Zugang zu den Covid-19-Impfungen haben werde – die Kosten teilen sich OKP, Bund und Kantone weiterhin auf. Noch Ende 2021 hiess Swissmedic nach Pfizer/BioNTech und Moderna auch die Auffrischungsimpfung von Johnson & Johnson sowie deren Kreuzimpfungen mit mRNA-Impfstoffen gut.
Neu zugelassen für Personen ab 18 Jahren wurde Anfang März 2022 überdies der Impfstoff Nuvaxovid von Novavax. Neben den beiden mRNA-Impfstoffen von Pfizer/BioNTech und Moderna sowie dem Vektor-basierten Impfstoff von Johnson & Johnson stellte Nuvaxovid einen Protein-Impfstoff dar, der «einen nicht infektiösen Bestandteil der Oberfläche des Sars-CoV-2-Virus» enthält und damit eine Immunreaktion auslöst. Im April 2022 nahmen BAG und EKIF diesen Impfstoff in ihre Impfempfehlung für Personen ab 18 Jahren auf.
Anfang März 2022 gab der Bundesrat seinen Plan für die Impfstoffversorgung der Schweizer Bevölkerung für das Jahr 2023 bekannt, die er mit je 7 Mio. Impfdosen von Pfizer/BioNTech und Moderna sowie mit je weiteren 7 Mio. optionalen Dosen sicherstellen wollte. Bereits zuvor hatte er bekannt gegeben, bis Mitte 2022 maximal 15 Mio. Impfstoffdosen an die COVAX-Initiative und andere Länder weiterzugeben, sofern die Schweiz diese nicht verwenden könne. Später entschied das Parlament jedoch bei der Beratung des Nachtrags Ib zum Voranschlag 2022, die Anzahl Impfdosen für das Jahr 2023 zu halbieren, woraufhin das BAG neue Verträge mit den Impfstofflieferanten ausarbeiten musste.
Im Juni 2022 folgte ein erstes Zulassungsgesuch für einen «Omikron-Impfstoff» durch Moderna Switzerland GmbH, Anfang August sowie Mitte September folgten auch zwei entsprechende Anträge von Pfizer/BioNTech. Die Gesuche wurden Mitte September (Moderna) respektive Mitte Oktober (Pfizer/BioNTech) bewilligt.
Laufend passten BAG und EKIF auch ihre Impfempfehlung an: Ab Mai 2022 empfahlen sie Personen mit einem stark geschwächten Immunsystem eine weitere Auffrischimpfung mit einem mRNA-Impfstoff, Anfang Juli dehnten sie diese Empfehlung auf Personen über 80 Jahren aus. Und auf den Herbst hin empfahlen sie insbesondere Personen über 65 Jahren sowie Personen mit erhöhtem Krankheitsrisiko durch Vorerkrankung oder Schwangerschaft sowie ergänzend dazu Personen in Akut- und Langzeitbetreuung oder in Betreuung besonders gefährdeter Personen eine Impfung. Schliesslich sei die Impfung auch für alle anderen Personen ab 16 Jahren sinnvoll, um «das Risiko einer Infektion oder eines seltenen schweren Verlaufs [zu] vermindern».

Nicht nur für Erwachsene, auch für Kinder wurden die Impfmöglichkeiten erweitert. Bereits Ende 2021 erteilte Swissmedic dem Impfstoff von Pfizer/BioNTech die Zulassung für Kinder zwischen fünf und elf Jahren, im Mai 2022 folgte die Zulassung des Moderna-Impfstoffs für Kinder zwischen sechs und elf Jahren und im September 2022 die Zulassung von Novoxovid für Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren.

Neben den Arzneimitteln und Impfungen gelangte auch die Finanzierung der Covid-19-Massnahmen sowie der Abbau der pandemiebedingten Schulden, welche der Bundesrat ausserordentlich verbucht hatte, stärker in den Fokus. Im Februar 2022 beantragte die Regierung die Finanzierung der vom Parlament vorgenommenen Änderungen in der vierten Revision des Covid-19-Gesetzes in einem ausserordentlichen Nachtrag Ia zum Voranschlag 2022, was das Parlament in der Frühjahrssession 2022 guthiess.
In der Folge wurde vor allem über den Abbau der Covid-19-Schulden diskutiert, wobei man sich lange nicht einig war, ob die Schulden mit zukünftigen Überschüssen oder auch mit bisherigen Überschüssen und dafür in einer verkürzten Frist abgebaut werden sollten. Das Parlament entschied sich schliesslich, nur die zukünftigen Überschüsse und allfällige SNB-Zusatzausschüttungen zu verwenden, deren Anfallen jedoch im Verlauf des Jahres unwahrscheinlich geworden war.

Gleichzeitig wurden auch immer mehr Aktivitäten zur Evaluation des Krisenmanagements während der Pandemie bekannt. Bereits Ende 2020 hatte das BAG eine «externe Evaluation über die Bewältigung der Covid-19-Pandemie» in Auftrag gegeben. Diese stellte Bund und Kantonen grundsätzlich ein gutes Zeugnis aus, kritisierte jedoch die Krisenvorbereitung sowie das anfängliche Krisenmanagement. Im Juni 2022 ergänzte der Bundesrat diese Evaluationsbemühungen um eine Administrativuntersuchung zur Beschaffung von Covid-19-Impfstoffen, bei der untersucht werden sollte, ob sämtliche Beschaffungen durch Kredite gedeckt «und in den Verträgen Parlamentsvorbehalte eingefügt» waren. Zeitgleich erschien auch der zweite Bericht über die Beschaffung von medizinischen Gütern während der Covid-19-Pandemie, gemäss dem die Armeeapotheke zwischen Juli 2020 und Dezember 2021 medizinische Güter im Wert von CHF 96 Mio. beschafft hatte. Deren Einsatz bezüglich der Maskenbeschaffung im Frühjahr 2020 würdigte der Bundesrat überdies in einer Stellungnahme zu einem Bericht der GPK-NR. Das «VBS und insbesondere die Armeeapotheke» hätten den Auftrag, eine grösstmögliche Menge an Schutzmasken in kürzester Zeit zu beschaffen, «unter hohem Druck, mit grossem Einsatz und trotz der schwierigen Bedingungen» erfüllt. Aus den dabei dennoch erfolgten Fehlern sollen nun Lehren gezogen werden.
Im August 2022 zeigten statistische Auswertungen schliesslich noch einmal das Ausmass der Pandemie im Jahr 2020 auf: So habe es im ersten Pandemiejahr 12.4 Prozent mehr Todesfälle gegeben als durchschnittlich, wobei die Covid-19-Pandemie mit 12.2 Prozent für am drittmeisten Todesfälle nach Herz-Kreislauf-Krankheiten (mit 26.9%) und Krebs (mit 22.2%) verantwortlich gewesen sei.

In der Herbst- und Wintersession 2022 beschäftigte sich das Parlament mit der fünften Änderung des Covid-19-Gesetzes, bei dem es erneut insbesondere um die Frage ging, wie lange die Regelungen im Covid-19-Gesetz aufrecht erhalten bleiben sollen. Besonders umstritten war dabei die Frage, ob die Kantone die Finanzierung und Organisation der Covid-19-Tests übernehmen sollten, wie dies der Bundesrat vorgeschlagen hatte. Die Kantone wehrten sich erfolgreich, so dass ab 2023 die Krankenkassen und bei Tests, welche für Reisen nötig sind, die Bevölkerung für die Tests aufkommen werden.

Verlauf und Bekämpfung der Covid-19-Pandemie
Dossier: Covid-19 – Wirtschaftliche und finanzielle Folgen

Ende Dezember 2021 startete ein Komitee rund um die beiden SVP-Nationalrätinnen Yvette Estermann (LU) und Andrea Geissbühler (BE) die Unterschriftensammlung für zwei Volksinitiativen zur Reduktion von Schwangerschaftsabbrüchen. Beide verlangen, in der Verfassung den «Schutz des menschlichen Lebens, insbesondere vor der Geburt», explizit zu verankern. Bis am 21. Juni 2023 hat das Initiativkomitee Zeit, die notwendigen 100'000 Unterschriften für ihre Begehren zu sammeln. Während sich die eine Volksinitiative gegen Spätabtreibungen richtet, verlangt die andere Volksinitiative «einen Tag Bedenkzeit vor jeder Abtreibung (Einmal-darüber-schlafen-Initiative)». Letztere will genau das, was der Titel des Anliegens bereits zum Ausdruck bringt: Mit Ausnahme von Schwangerschaftsabbrüchen aufgrund lebensbedrohlicher Umstände sollen Schwangerschaftsabbrüche erst «nach einem Tag Bedenkzeit» durchgeführt werden dürfen. Zu dieser Bedenkzeit würde die ärztliche Pflicht gehören, der schwangeren Frau einen Leitfaden abzugeben, «der sämtliche kantonal und sämtliche national tätigen Beratungs- und Hilfsstellen enthält, welche psychologische, finanzielle oder materielle Hilfe anbieten». Laut Aussagen des Initiativkomitees, dem ebenfalls SVP-Nationalrat Erich von Siebenthal (BE) und die Zürcher SVP-Kantonsrätin Maria Rita Marty angehören, bestünden in 18 Ländern in Europa Bestimmungen für Wartefristen. Mit einer Wartefrist verfolge die Initiative das Ziel, überstürzte Entscheidungen für einen Schwangerschaftsabbruch zu verhindern. Die Initiantinnen und Initianten gaben an, auf das Mittel der Volksinitiative zurückgegriffen zu haben, weil entsprechende Anliegen in parlamentarischen Vorstössen nicht auf Gehör gestossen waren. Zur Frage der Bedenkzeit hatte sich der Bundesrat in Beantwortung einer Motion Herzog (svp, TG; Mo. 14.3442) negativ geäussert. Dabei hatte er angemerkt, dass er eine solche Regelung nicht als notwendig erachte, und auf die geltende Praxis basierend auf Art. 120 StGB verwiesen, die darin besteht, dass die ärztliche Fachperson vor einer Abtreibung zur Beratung und Information ein eingehendes Gespräch mit der schwangeren Frau führen muss. Da die Motion nicht innert der vorgegebenen Frist von zwei Jahren im Nationalrat traktandiert worden war, war sie im Jahr 2016 unbehandelt abgeschrieben worden.

Volksinitiative «Für einen Tag Bedenkzeit vor jeder Abtreibung (Einmal-darüber-schlafen-Initiative)»
Dossier: Aktuelle Vorstösse zur Verschärfung der Regelungen zu Schwangerschaftsabbrüchen (ab 2020)

Im November 2021 berichtete das BAG über die Arzneimittelüberprüfung 2021 – jedes Jahr werden dabei die Preise eines Drittels aller Arzneimittel (Originalpräparate, Generika, Co-Marketing-Arzneimittel und Biosimilars) mit den Preisen in Referenzländern und von anderen Arzneimitteln verglichen. Demnach seien im Jahr 2021 die Preise von knapp 300 Arzneimitteln um durchschnittlich 10 Prozent gesenkt worden, wodurch CHF 60 Mio. eingespart werden sollen. Bei den Originalpräparaten wurden die Preise in 53 Prozent der Fälle, bei den übrigen Präparaten in knapp 40 Prozent der Fälle gesenkt. Im Juni 2021 hatten sich Jakob Stark (svp, TG) und Verena Herzog (svp, TG) mit je einer Motion gegen zu starke Preissenkungen von günstigeren Medikamenten im Rahmen der Arzneimittelüberprüfung gewehrt, aus Angst, die entsprechenden Medikamente könnten vom Markt genommen werden, was zu einer Verschlechterung der Versorgungssicherheit führen würde.

Arzneimittelüberprüfung 2021

Eine grössere Versorgungssicherheit bei Impfstoffen wollte Bea Heim (sp, SO) mittels einer Motion erreichen, die sie im September 2019 – und somit noch vor der Covid-19-Pandemie – einreichte. Der Fokus soll dabei auf Impfstoffe gelegt werden, bei denen ein Risiko für Versorgungsengpässe bestehe. Weiter forderte die Motionärin einen zentralen Einkauf, mehrjährige Lieferverträge und garantierte Mengen sowie die Beschleunigung der Zulassung EMA-geprüfter Impfstoffe. Der Vorstoss wurde gut zwei Jahre nach dessen Einreichung im Nationalrat diskutiert. Angelo Barrile (sp, ZH), welcher die Motion nach dem Ausscheiden Heims aus der grossen Kammer übernommen hatte, veranschaulichte am Beispiel des Mangels an Impfungen gegen Starrkrampf und Keuchhusten, was es bedeutet, wenn es zu einem Lieferengpass kommt. Es sei an der Ärzteschaft gewesen, über die Verteilung des verfügbaren Impfstoffes zu entscheiden, wobei die Empfehlung herausgegeben worden sei, werdende Eltern zu bevorzugen und Seniorinnen und Senioren zu vertrösten. So etwas dürfe in der Schweiz nicht wieder geschehen, erklärte Barrile. Gesundheitsminister Berset führte aus, dass die Situation nun eine ganz andere sei als noch bei der Stellungnahme des Bundesrates im November 2019. Trotzdem beantrage die Landesregierung weiterhin die Ablehnung des Geschäfts. Grund dafür sei, dass sich eine ganze Reihe an Massnahmen bereits in Umsetzung befinde. So diskutiere man in Zusammenarbeit mit dem BWL und Swissmedic zwanzig Massnahmen zur Verbesserung der Versorgung. Bei einer der geplanten Massnahmen handle es sich um den zentralen Einkauf, welcher allerdings nicht alleine, sondern zusammen mit anderen Massnahmen beurteilt werden müsse. Die Corona-Pandemie habe zudem gezeigt, dass der zentrale Einkauf im Krisenfall etwas sei, das funktioniert. Was das vereinfachte Zulassungsverfahren betreffe, so schliesse dieses seit Inkrafttreten der letzten Änderung des Heilmittelgesetzes auch Impfstoffe mit ein, womit diese Forderung bereits adressiert werde. Eine Evaluation der Wirksamkeit der ergriffenen Massnahmen erfolge auf Ende 2020. Ebenfalls für die Ablehnung der Motion spreche der Bundesratsbeschluss vom Mai 2021 zur Ausarbeitung einer Strategie zur langfristigen Sicherung der Versorgung der Schweiz mit Impfstoffen, mit der das EDI und das WBF beauftragt worden seien. Der Nationalrat liess sich vom Bundesrat jedoch nicht überzeugen und nahm die Motion mit 137 zu 44 Stimmen (bei 8 Enthaltungen) an. Dabei stammten alle ablehnenden Stimmen aus der SVP-Fraktion.

Versorgungssicherheit bei Impfstoffen (Mo. 19.4131)

Ende September 2019 reichte Verena Herzog (svp, TG) eine Motion mit dem Titel «Stärkung der Kinder- und Jugendmedizin. Versorgungsforschung und Massnahmenplanung zur Sicherstellung der Behandlung von Kindern und Jugendlichen» ein. Die Motion enthielt drei Forderungen: Erstens verlangte sie einen periodisch zu erteilenden Forschungsauftrag durch den Bund, der sich auf das Versorgungsangebot in der Kinder- und Jugendmedizin bezieht. Zweitens forderte sie vom BAG das periodische Verfassen eines Berichts, wie sich der Versorgungsstand in der Kinder- und Jugendmedizin entwickelt. Dabei soll die Situation im ambulanten und im stationären Bereich für die einzelnen Kantone einerseits betreffend Grundversorgenden und andererseits betreffend allen weiteren Fachdisziplinen dargelegt werden. Drittens soll der Bund den Kantonen im Bereich seiner Zuständigkeiten beim Ergreifen von Massnahmen, die darauf abzielen, die Unterversorgung mittelfristig zu verringern und langfristig zu beseitigen, unter die Arme greifen. Herzog begründete die Notwendigkeit ihres Geschäfts damit, dass zurzeit eine «akute Unterversorgung» im Bereich der Kindermedizin existiere, die sich in Zukunft verschärfen werde. Mit der geforderten Versorgungsforschung würden Bund und Kantonen die erforderlichen Grundlagen erhalten, um in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen adäquate Massnahmen zu beschliessen. Die Motion wurde in der Herbstsession 2021 vom Nationalrat behandelt. Herzog konfrontierte den Bundesrat in ihrem Votum damit, dass, anders als von der Regierung in ihrer Stellungnahme dargestellt, die Anliegen der Motion bislang nicht oder höchstens teilweise erfüllt seien. Gesundheitsminister Berset wiederum hielt daran fest, dass man sich zwar den Herausforderungen in der Kinder- und Jugendmedizin bewusst sei, dass die Ziele des Vorstosses jedoch bereits erreicht worden seien oder in verschiedenen Projekten – beispielsweise im Mandat zum Ärztemonitoring 2021–2025 – umgesetzt würden. Zudem falle die medizinische Versorgung in den Zuständigkeitsbereich der Kantone. Daher empfahl der Bundesrat, die Motion abzulehnen. Trotz dieser Einwände nahm die grosse Kammer den Vorstoss mit 148 zu 26 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) an. Die ablehnenden Stimmen stammten grösstenteils von Mitgliedern der FDP.Liberalen-Fraktion.

Stärkung der Kinder- und Jugendmedizin. Versorgungsforschung und Massnahmenplanung zur Sicherstellung der Behandlung von Kindern und Jugendlichen (Mo. 19.4134)

In Umsetzung der Motion Heim (sp, SO) beauftragte der Bundesrat das EDI im September 2021 mit der Ausarbeitung der rechtlichen Grundlage für eine Kostenübernahme von medizinischen Produkten aus dem Ausland. Gemäss dem Territorialitätsprinzip werden im Ausland gekaufte MiGeL-Produkte, beispielsweise Verbandmaterial oder Inkontinenzhilfen, heute von der OKP nicht vergütet. Zukünftig sollen jedoch die Kosten derjenigen MiGeL-Produkte, bei denen die Anforderungen zur Anwendung und Abgabe niedrig sind – sie machen gut 60 Prozent der MiGeL-Vergütungen aus –, von der obligatorischen Krankenkasse übernommen werden, solange die Produkte im EWR-Raum gekauft werden.

Vergütungspflicht der Krankenkassen für im Ausland eingekaufte medizinische Mittel und Gegenstände (Mo. 16.3169)
Dossier: Änderungsvorschläge zur Mittel- und Gegenständeliste (MiGeL)

Nachdem der Nationalrat in der Frühlingssession 2021 entschieden hatte, auf den Entwurf des neuen Bundesgesetzes über den Jugendschutz bei Filmen und Videospielen des Bundesrates einzutreten, führte er in der Sommersession 2021 die Detailberatung der Vorlage weiter, welche in zwei Blöcke unterteilt wurde.
Beim ersten Block, welcher insbesondere den Geltungsbereich sowie die Zielsetzung des Gesetzes festlegt, sprach sich der Nationalrat für verschiedene, von der WBK-NR vorgeschlagene Änderungen aus. So wurde das Gesetz auch auf allfällige Zusatzfunktionen bei Filmen wie beispielsweise Mikrotransaktionen in Videospielen – dies sind In-App-Käufe, die Kinder und Jugendliche während des Spiels zu Käufen mit echtem Geld verführen – ausgeweitet (98 zu 67 Stimmen, 1 Enthaltung). Dagegen hatte sich eine Minderheit Herzog (svp, TG) gewehrt, da es in die Verantwortung der Erziehungsberechtigten falle, ob Kinder oder Jugendliche selbstständig eine Kreditkarte nutzen dürfen, um solche Käufe überhaupt erst zu tätigen. Der Nationalrat bevorzugte ausserdem mit 110 zu 60 Stimmen eine vom Bundesrat nach der Vernehmlassung angepasste Regelung, wonach die Altersgrenze für Jugendliche um maximal zwei Jahre unterschritten werden darf, wenn diese die Spiele oder Filme in Begleitung einer mindestens 10 Jahre älteren, volljährigen Person kaufen oder konsumieren. Ein Minderheitsantrag Tuena (svp, ZH) hatte in solchen Situationen einen Verzicht auf eine Altersgrenze gefordert.
In der Debatte zum zweiten Block zur praktischen Umsetzung des Gesetzes nahm der Nationalrat zahlreiche Änderungen vor. So fügte er, wie von der Kommissionsmehrheit verlangt, eine Regelung hinzu, wonach Expertinnen und Experten als ständige Mitglieder in die Jugendschutzorganisationen miteinbezogen werden müssen (110 zu 77 Stimmen, 1 Enthaltung). Erfolglos hatte Mauro Tuena auch diese Regelung in einem Minderheitsantrag bekämpft, da der Bundesrat in seinem Entwurf bereits vor sah, dass die Meinungen von Expertinnen und Experten für die Erarbeitung der Jugendschutzregelungen mit einbezogen werden sollen. Diese nun aber gar als ständige Mitglieder aufzunehmen, erachtete der Zürcher als «unnötiges Bürokratiemonster». Auch angenommen wurde der von der Kommissionsmehrheit vorgeschlagenen Artikel, wonach der Bund die Medienkompetenz der Jugendlichen und Kinder steigern sowie Massnahmen zur Prävention in diesem Bereich ergreifen solle (111 zu 79 Stimmen). Verena Herzog wehrte sich erneut erfolglos mit dem Argument, dass hier bereits genügend gemacht werde, etwa durch den Lehrplan 21 oder die Onlineplattform «Jugend und Medien» des BSV.
Auf breite Unterstützung stiess hingegen der Einzelantrag von Philipp Kutter (mitte, ZH). Mit 168 zu 15 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) sprach sich der Nationalrat dafür aus, dass Altersklassifikationssysteme, die bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes in der Schweiz angewendet wurden, weiter bestehen dürfen. Damit wurde verhindert, dass Altersklassifikationen von Produkten, die bereits auf dem Markt sind, nachträglich geändert werden müssen.
In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat das neue Gesetz samt aller Änderungen mit 112 zu 74 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) an. Die geschlossene SVP-Fraktion sowie eine Mehrheit der FDP.Liberalen-Fraktion lehnten die Gesetzesänderung ab. Entsprechend dem Antrag des Bundesrates wurden ausserdem die beiden Motionen (Mo. 07.3870 und Mo. 09.3422), die diesem Entwurf zugrunde lagen, abgeschrieben. Damit wurde das Bundesgesetz zur Behandlung an die kleine Kammer weiter gereicht.

Bundesgesetz über den Jugendschutz bei Filmen und Videospielen (BRG 20.069)

Eine Gleichstellung von Hospizen mit Geburtshäusern im KVG war Gegenstand einer parlamentarischen Initiative Flückiger-Bäni (svp, AG), die in der Sommersession 2021 im Nationalrat behandelt wurde. Verena Herzog (svp, TG), welche das Geschäft nach dem Ausscheiden der Initiantin aus der grossen Kammer übernommen hatte, wies darauf hin, dass viele Hospize aufgrund ihres Pflegeheimstatus Verluste schrieben und daher auf Spendengelder angewiesen seien. Zudem komme ein Hospizaufenthalt auch die Patientinnen und Patienten teuer zu stehen, da sie selber für «Pension, Betreuung und einen Pflegeanteil» aufkommen müssten. Dennoch kosteten Hospizeinrichtungen verglichen mit Palliativstationen von Spitälern vergleichsweise wenig, da die zu betreuenden Personen trotz ihrer schweren Krankheit einen stabilen Zustand aufwiesen. Ein Ausbau der Hospizinfrastrukturen könne daher zur Entlastung des Gesundheitssystems beitragen. So sei gemäss Hans-Peter Stutz, dem Geschäftsführer des Dachverbandes Hospize Schweiz, von Kosteneinsparungen um die CHF 50 Mio. pro Jahr die Rede, erklärte Herzog weiter. Manuela Weichelt-Picard (al, ZG) erläuterte als Kommissionssprecherin die ablehnende Position der SGK-NR. Diese hatte seit dem Beginn der Beratungen einen Meinungswandel durchgemacht – in der ersten Behandlung hatte sie sich noch für Folgegeben ausgesprochen. Es sei der Kommission zwar ein Anliegen, den Betroffenen zu ermöglichen, «ihre letzten Tage in Ruhe und Würde verbringen [zu] können». Trotzdem könnten Hospize nicht mit Geburtshäusern verglichen werden, da ein Aufenthalt in letzteren im Gegensatz zu ersteren zeitlich limitierbar sei. Eine Kommissionsmehrheit halte es folglich für sinnvoller, die Hospizfrage im übergeordneten Kontext der Palliativversorgung zu behandeln. Deshalb unterstütze sie eine Motion ihrer Schwesterkommission zur Gewährleistung einer landesweiten «bedarfsgerechte[n] Palliative Care» und beantrage, der parlamentarischen Initiative keine Folge zu geben. Mit 131 zu 60 Stimmen kam die grosse Kammer diesem Antrag nach. Einzig die SVP-Fraktion stimmte geschlossen für Folgegeben.

Stärkung der Palliative Care. Entlastung der stationären Strukturen durch Gleichstellung von Hospizen mit Geburtshäusern (Pa.Iv. 18.437)

Einige Tage später setzte sich der Nationalrat mit der dritten Revision des Covid-19-Gesetzes auseinander. Marie-France Roth Pasquier (mitte, FR) und Matthias Aebischer (sp, BE) berichteten für die WBK-NR von den Kommissionsentscheiden: Unumstritten seien auch hier die Vorschläge des Bundesrates gewesen, da auch der Nationalrat ein abruptes Auslaufen der Covid-Hilfen verhindern wolle. Zusätzlich zu den neuen ständerätlichen Regelungen lägen jedoch auch im Nationalrat verschiedene Vorschläge von Kommissionsmehrheit und -minderheiten vor.

In der Eintretensdebatte forderten die SVP- und die FDP-Fraktion eine Rückkehr zur Normalität, während sich die GLP insbesondere gegen die Maskenpflicht im Freien aussprach. Auch die Mitte-, die SP- und die Grünen-Fraktionen zeigten sich über die bereits erfolgten Lockerungen erfreut, sprachen sich aber für einen «kontrollierten Ausstieg» aus den Covid-19-Massnahmen aus. Eintreten war in der Folge unbestritten.
Widerstandslos verlängerte der Nationalrat die Covid-19-Erwerbsausfallentschädigungen bis Ende 2021, wie es der Bundesrat vorgeschlagen hatte. Stillschweigend stimmte er auch der Aufhebung der Obergrenze der A-Fonds-perdu-Beiträge für die Sportklubs zu. Gleichzeitig nahm er aber auch eine ergänzende Bestimmung der WBK-NR an, welche die Regelungen zu den A-Fonds-perdu-Beiträgen erneut ändern wollte. Ursprünglich hatte das Parlament entschieden, dass nur Klubs, die bestimmte Vorgaben erfüllen – darunter eine Reduktion der Löhne und ein Verzicht auf Lohnerhöhung während fünf Jahren – A-Fonds-perdu-Beiträge in der Höhe von 66 Prozent ihrer entgangenen Ticketeinnahmen erhalten sollen. In der Frühjahrssession 2021 hatte das Parlament diese Regelung insofern abgeschwächt, als die Sportklubs auch ohne die Erfüllung einer dieser Vorgaben, nämlich der Lohnreduktion, Finanzhilfen in der Höhe von 50 Prozent der entgangenen Ticketeinnahmen erhalten sollten – aber eben nicht die vollen 66 Prozent. Nun habe sich aber auch neben der Lohnreduktion auch die Klausel zum Verbot der Lohnerhöhungen als problematisch erwiesen, weshalb diese Regel ebenfalls geändert werden soll, wie Matthias Aebischer für die Kommission erklärte. Demnach sollen neu Sportklubs, welche die Gesamtlohnsumme aller Mitarbeitenden und aller Spielerinnen und Spieler in den nächsten fünf Jahren erhöhen, nur die erhaltenen A-Fonds-perdu-Beträge, die 50 Prozent der entgangenen Ticketeinnahmen übersteigen, – nicht aber die gesamten erhaltenen A-Fonds-perdu-Beiträge – zurückzahlen müssen.

Auch weitere Entscheidungen wurden ohne grosse Diskussionen getroffen: So entschied der Nationalrat auf Vorschlag der WBK-NR auch, die Ausnahmeregelung zur Durchführung von Generalversammlungen von Aktiengesellschaften auf schriftlichem oder elektronischem Weg bis Ende 2021 zu verlängern – der Ständerat hatte eine Verlängerung bis zum Inkrafttreten der Revision des Aktienrechts oder spätestens bis Ende 2023 vorgesehen.
Stillschweigend folgte der Nationalrat seiner Kommission zudem bei der Verlängerung der 100-prozentigen Kurzarbeitsentschädigung für Personen mit tiefen Einkommen bis Ende 2021. Hingegen lehnte die grosse Kammer einen Antrag Piller Carrard (sp, FR), basierend auf einem Mitbericht der SGK-NR, ab und sprach für die Zeit zwischen Juni und Dezember 2021 keine zusätzlichen Taggelder. Umstrittener war zudem der Antrag der Kommissionsmehrheit auf Verlängerung der Massnahmen im Kul­turbereich bis Ende April 2022: Eine Minderheit Gutjahr (svp, TG) hatte sich hier für einen Verzicht auf die vorzeitige Verlängerung ausgesprochen, war aber mit 96 zu 91 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) knapp unterlegen.

Besonders umstritten waren schliesslich die vom Ständerat eingefügten Änderungen: Die Streichung der Möglichkeit für Zugangsbeschränkungen zu öffentlich zugänglichen Einrichtungen und Veranstaltungen, sobald alle impfwilligen Erwachsenen geimpft sind, hatte die Kommission zuvor mit 12 zu 10 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) abgelehnt. Auch das ähnliche Anliegen, Inhaberinnen und Inhaber eines Covid-Zertifikats von Zugangsbeschränkungen auszunehmen, hatte bei der WBK-NR mit 11 zu 11 Stimmen bei 2 Enthaltungen und Stichentscheid der Vizepräsidentin knapp keine Zustimmung gefunden. Beide Anträge würden den Handlungsspielraum des Bundesrates einschränken, kritisierte Roth Pasquier für die Kommissionsmehrheit. Man lehne zudem generell die Aufnahme von Terminen und Kriterien ins Covid-19-Gesetz ab. Christian Wasserfallen (fdp, BE) befürwortete hingegen insbesondere diesen «GGG-Ansatz» (Geimpfte, Genesene oder Getestete), mit dem man die Lockerungen vorantreiben könne. In der Folge sprach sich die grosse Kammer mit 106 zu 81 Stimmen (bei 1 Enthaltung) und mit 103 zu 78 Stimmen (bei 1 Enthaltung) für beide Minderheitsanträge auf Annahme der Bestimmungen aus und folgte damit dem Ständerat. Zustimmung fanden diese bei der SVP-, der FDP.Liberalen-, einer Mehrheit der Mitte-Fraktion und einem Teil der GLP-Fraktion.

Zu einer eigentlichen Antragsflut der SVP-Fraktion kam es bei den Massnahmen im Bereich der Gesundheitsversorgung sowie zum Covid-19-Zertifikat. Dabei forderten Mitglieder der Fraktion unter anderem die Aufhebung der Maskenpflicht – im Allgemeinen (Haab, svp, ZH), für Personen mit Covid-19-Zertifikat (Martullo, svp, GR), im Freien (mit Ausnahmen für Veranstaltungen; Haab), bei Kindern und Jugendlichen auf der Primar- und Sekundarstufe I und II (Haab) sowie im Aussenbereichen von Schularealen (Aeschi, svp, ZG). Erneut ging es auch um Fragen des Umgangs mit dem Covid-19-Zertifikat. So wurde beantragt, dass dieses ausschliesslich für den internationalen Reiseverkehr und für Grossveranstaltungen in Innenräumen mit mehr als 5'000 Teilnehmenden, in Diskotheken und bei Tanzveranstaltungen gelten soll, nicht aber zum Beispiel für einen Restaurantbesuch (Gutjahr, ähnlich auch Addor (svp, VS), Aeschi sowie als einziges Mitglied einer anderen Fraktion Léonore Porchet (gp, VD)). In einem weiteren Antrag sollte die Nutzung des Zertifikats in der Schweiz bis Ende September 2021 begrenzt werden (Aeschi). Des Weiteren sollten Veranstaltungen für Geimpfte von der Verpflichtung zu zusätzlichen Massnahmen wie einem Schutzkonzept oder einer Maskenpflicht befreit werden (Herzog, svp, TG). Andere Vorstösse verlangten Rechtsgleichheit für die Impfunwilligen (Gafner, edu, BE), die Auflösung des Mandats der Swiss National Covid-19 Science Task Force (Keller, svp, NW) oder ganz allgemein ein Ende der Einschränkungen – etwa der Homeofficepflicht (Gutjahr), der Personenobergrenzen bei Veranstaltungen, Versammlungen, in Läden oder beim Schulunterricht sowie der Einschränkungen für Restaurants, sobald 80 Prozent der über 65-Jährigen geimpft sind (Aeschi) –, eine Streichung der Ordnungsbussen für Maskenverweigernde (Gafner) sowie eine systematische Kontrolle der Landesgrenzen (Aeschi) und eine Einreisebeschränkung für Personen ohne Covid-19-Zertifikat (Aeschi). Keiner der Anträge fand im Nationalrat jedoch eine Mehrheit.

Mit 149 zu 39 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) verabschiedete der Nationalrat in der Folge die dritte Revision des Covid-19-Gesetzes in der Gesamtabstimmung. Sämtliche Nein-Stimmen und Enthaltungen stammten von Mitgliedern der SVP-Fraktion.

Dritte Revision des Covid-19-Gesetzes (Änderung Covid-Erwerbsersatz und Massnahmen im Sportbereich; BRG 21.033)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

In der Sondersession Anfang Mai 2021 befasste sich der Nationalrat mit einer Motion Heim (sp, SO), welche den Bundesrat dazu auffordern wollte, gemeinsam mit den medizinischen Fachgesellschaften sicherzustellen, dass den vernachlässigten Aspekten, welche die Diagnose, Indikation, Therapie, Forschung und Prävention im Bereich der geschlechtsspezifischen Medizin betreffen, angemessen begegnet wird. Nach dem Ausscheiden Heims aus der grossen Kammer war das Geschäft von Martina Munz (sp, SH) übernommen worden. Munz erläuterte in der Ratsdebatte, dass es geschlechtsspezifische Unterschiede bezüglich «Prävalenz, Manifestation und Verlauf von Krankheiten» gebe. Trotzdem kämen Frauen in der medizinischen Forschung zu kurz, da nach wie vor der Mann als «Prototyp» gelte. Dies habe beispielsweise zur Folge, dass Frauen bei einem Herzinfarkt über «ein signifikant höheres Todesrisiko» verfügten, weil sie oftmals andere Symptome aufwiesen. Gesundheitsminister Berset bat die Volkskammer, die Motion abzulehnen. Einerseits sei nicht in erster Linie der Bund für die Umsetzung der entsprechenden Massnahmen zuständig, vielmehr liege diese im Verantwortungsbereich der medizinischen Fachgesellschaften und der Forschung. Andererseits beinhalte das Geschäft einen Strauss an heterogenen Themen, was ein formales Problem darstelle. Diesem Votum kam der Nationalrat mit 95 zu 79 Stimmen (bei 5 Enthaltungen) nach.

Homo mensura. Der Mann, das Mass in Forschung und Medizin? (Mo. 19.3577)

Fabien Fivaz (gp, NE) eröffnete in der Frühlingssession 2021 als Sprecher der WBK-NR, welche sich zuvor mit 17 zu 8 Stimmen für Eintreten ausgesprochen hatte, die Eintretensdebatte über das neue Bundesgesetz zum Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiel. Ziel der Vorlage sei es, eine schweizweite Vereinheitlichung des Jugendschutzes zu erreichen, welche Hand in Hand mit den EU-Richtlinien in diesem Themenbereich gehe. Zudem gehe der Entwurf auf die Forderungen diverser Standesinitiativen (Kt.Iv. BE 08.316; Kt.Iv. SG 09.313; Kt.Iv. TI 09.314; Kt.Iv. FR 09.332; Kt.Iv. ZG 10.302), deren Behandlung seit 2011 ausgesetzt war, sowie auf zwei angenommene Motionen (Mo. 07.3870, Mo. 09.3422) ein – welche alle in irgendeiner Form ein Verbot von Videospielen und/oder Gewaltfilmen forderten. Matthias Aebischer (sp, BE) führte für die Kommission ergänzend an, dass die derzeitige Gesetzeslage in Anbetracht des rasanten Wandels bezüglich des Konsums von Filmen und Videospielen in den letzten beiden Jahrzehnten, der sich vom Kino hin zu Online Streaming-Plattformen verlagert habe, nicht mehr ausreiche. Der Videospielmarkt sei mittlerweile doppelt so gross wie der Film- und Musikmarkt, werde aber von internationalen Anbieterinnen und Anbietern auf internationalen Plattformen dominiert. Somit sei es zwingend notwendig, ein Gesetz zu erlassen, welches international kompatible Lösungen und Regeln insbesondere für diese neuen Medien schaffe. Eine Kommissionsminderheit Herzog (svp, TG) sprach sich gegen Eintreten aus. Das Gesetz werde in kürzester Zeit bereits veraltet sein, da sich das Nutzungsverhalten der Jugendlichen sehr schnell verändere, erklärte die Minderheitensprecherin. Deshalb bringe dieses Gesetz nur unnötige zusätzliche Bürokratie mit sich, auch wenn der Jugendschutz grundsätzlich zu unterstützen sei. Ausserdem liege die Verantwortung bei den Erziehungsberechtigten, welche durch Erziehung, Vorbildfunktion und eigener kritischer Auseinandersetzung mit den Inhalten von Filmen und Videospielen für einen angemessenen Schutz ihrer Kinder besorgt sein sollten. Die SVP-Fraktion, sowie eine Mehrheit der FDP-Fraktion sprach sich folglich gegen, die Fraktionen der SP, der Mitte, der GLP, sowie der Grünen für Eintreten aus. Mit 115 zu 69 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) sprach sich der Nationalrat in der Folge dafür aus, auf den Entwurf des Bundesrates einzutreten. Nachdem die ersten Minderheitsanträge begründet wurden, wurde die Detailberatung der Vorlage in die Sommersession 2021 verlegt. Hingegen nahm der Rat im Rahmen der Eintretensdebatte auch das Postulat der WBK-NR zur Stärkung der Nationalen Strategie Sucht durch den Einbezug der Cyberabhängigkeit an.

Bundesgesetz über den Jugendschutz bei Filmen und Videospielen (BRG 20.069)

Die Versorgungsverbesserung und Zulassungsvereinfachung von Impfstoffen war Gegenstand einer Motion Heim (sp, SO), welche im März 2019 – also noch vor der Covid-19-Pandemie – eingereicht wurde. Heim verlangte vom Bundesrat die Schaffung entsprechender rechtlicher Grundlagen. Unter anderem wollte sie eine Harmonisierung der Zulassungskriterien zwischen Swissmedic und der EMA erreichen, um Liefer- und Versorgungsengpässe zu unterbinden. Sie forderte die Vereinfachung der Einfuhrbestimmungen und die Übernahme der Kosten von importierten Impfstoffen durch die OKP. Obwohl sich der Impfstoffmangel nicht nur auf die Schweiz auswirke, seien einige Probleme wie die hohen Markteintrittshürden «hausgemacht». Angesichts der hohen Eintrittskosten in den kleinen Schweizer Markt sähen viele Hersteller davon ab, hierzulande Fuss zu fassen. Ein weiteres Problem betreffe die dezentrale Versorgung, wodurch die Impfstoffe von einer grossen Anzahl Leistungserbringenden selbst bestellt würden. Diese müssten jedoch für die Einfuhr kleinerer Produktmengen Sondergenehmigungen einholen. Der Bundesrat beantragte – ebenfalls noch im Jahr 2019 – die Ablehnung der Motion, da ein beträchtlicher Teil der Forderungen bereits umgesetzt worden sei. Trotzdem teile er die Meinung, dass die Verbesserung der Impfstoffversorgung zentral sei. Sollte eine Evaluation zur Wirksamkeit der getroffenen Massnahmen, die Ende 2020 publiziert werden soll, nicht zufriedenstellend sein, müssten weitere Schritte geprüft werden. Im Frühjahr 2021 kam die Motion, welche nach dem Ausscheiden Heims aus der grossen Kammer von Angelo Barrile (sp, ZH) übernommen worden war, in den Nationalrat. Infolge der krankheitsbedingten Absenz Barriles kam sie dort diskussionslos zur Abstimmung. Diese fiel mit 180 zu 1 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) für die Motion aus, wobei die einzige Gegenstimme von Markus Ritter (mitte, SG) stammte.

Impfstoffe. Versorgung verbessern, Zulassung vereinfachen (Mo. 19.3221)

Der Nationalrat folgte in der Frühjahrssession 2021 der Mehrheit seiner vorberatenden SGK-NR, die – wie bereits zuvor der Ständerat und die SGK-SR – nicht bereit war, vom eigenen Standpunkt bezüglich der beiden verbleibenden Differenzen zum indirekten Gegenvorschlag der Pflegeinitiative abzurücken. Sinnbildlich dafür stand Manuela Weichelt-Picards (al, ZG) Aussage, wonach «[i]m Yoga [...] gerne gesagt [wird], dass man ein Mantra mindestens 108-mal wiederholen soll. Zum Glück haben wir das Parlamentsgesetz, das uns ein 108-maliges Pingpong nicht erlaubt».
Die erste noch bestehende Differenz hatte die Ausbildungsbeiträge durch die Kanton zum Inhalt. Verena Herzog (svp, TG) appellierte für eine zum Grossenteil aus SVP-Mitgliedern bestehende Minderheit, die Lebensunterhaltsbeiträge an angehende Pflegefachpersonen für die Kantone nicht verpflichtend, sondern – wie vom Ständerat vorgesehen – freiwillig zu gestalten. Dadurch würde der jeweiligen Situation der Kantone Rechnung getragen. Denn diese wären am besten dazu in der Lage, den eigenen Handlungsbedarf einzuschätzen. Barbara Gysi (sp, SG) hielt dem allerdings entgegen, dass ein drastischer Mangel an Pflegefachpersonen bestehe und viele interessierte Personen gerade durch diese Freiwilligkeit und den tiefen Ausbildungslohn von einer entsprechenden Ausbildung abgebracht würden. Es sei daher wichtig, an der Beitragspflicht festzuhalten. Mit 115 zu 72 Stimmen (bei 8 Enthaltungen) stimmte die grosse Kammer für den Antrag der Kommissionsmehrheit, die ebendiese Pflicht vorsah.
Der zweite Punkt, in dem die Volksvertreterinnen und -vertreter mit den Standesvertreterinnen und -vertrern uneinig waren, betraf die selbständige Abrechnung durch Pflegefachpersonen, Spitex-Organisationen und Pflegeheime mit der OKP. Anders als das Stöckli wollte der Nationalrat mit 109 zu 84 Stimmen (bei 1 Enthaltung) von einer im Vorfeld getroffene Vereinbarung mit den Versicherern bezüglich der entsprechenden Leistungen absehen. Die gleiche Kommissionsminderheit wie bei der ersten Differenz argumentierte vergeblich mit Mengenausweitungen, die ohne entsprechende Vereinbarung aufträten – ein Einwand, den Kommissionssprecherin Ruth Humbel (mitte, AG) nicht gelten liess, da mit der direkten Abrechnung auch eine Reduktion der Arztbesuche einhergehe und somit Arztkosten verringert werden könnten.

Für eine starke Pflege (Pflegeinitiative). Volksinitiative und indirekter Gegenvorschlag (BRG 18.079 & Pa.Iv. 19.401)
Dossier: Die Pflegeinitiative und ihre Umsetzung

In der Sondersession Ende Oktober 2020 war es am Nationalrat, eine Motion der SGK-SR zur Besteuerung von E-Zigaretten zu beraten. Dabei hatte er über eine von der SGK-NR geforderte Erweiterung des Motionstexts zu befinden. In dieser Ergänzung ging es darum, die Besteuerungsbestimmungen von elektronischen Zigaretten nicht vor der Verabschiedung des TabPG (BRG 15.075) in Kraft zu setzen. Dem Zusatz liege die Überlegung zugrunde, dass mehrere der vorliegenden Besteuerungsvarianten auf einem Vergleich von Risiko-, Mengen- und Preiskriterien mit herkömmlichen Zigaretten beruhten, weshalb das Anliegen der Motion nicht unabhängig betrachtet werden könne, sondern die Bestimmungen des künftigen TabPG beachtet werden müssten, erklärte Verena Herzog (svp, TG) für die Kommission. Benjamin Roduit (cvp, VS), der die Ergänzung ursprünglich in die Kommission eingebracht hatte, machte darauf aufmerksam, dass E-Zigaretten – deren Ungefährlichkeit keinesfalls unumstritten sei – gerade bei Jugendlichen als Einsteigerprodukt ins Rauchen diene. Folglich sei es wichtig, wirksame Präventionsmassnahmen gegen dieses Sprungbrett zu ergreifen. Weil Kosten für junge Menschen häufig einen entscheidenden Faktor darstellten, setze die Motion dort an. Mit 126 Stimmen zu 42 Stimmen (bei 5 Enthaltungen) sprach sich die grosse Kammer für den Kommissionsantrag und gegen einen Antrag von Andreas Glarner (svp, AG) aus, der kritisierte, dass es in der Motion nicht um die Prävention, sondern um die Kompensation der durch den Umstieg auf E-Zigaretten wegfallenden Tabaksteuern gehe. Er lehne jedoch «[s]ämtliche neuen Steuern, Gebühren und Abgaben» ab und beantragte daher die Ablehnung der Motion.

Besteuerung von elektronischen Zigaretten (Mo. 19.3958)

Le sujet de l'utilisation d'antibiotiques chez les animaux a été abordé au Conseil national, dans le cadre du traitement de la motion Heim (ps, SO) sur les incitations pernicieuses poussant à l'administration excessive de ces médicaments. Ce texte a été repris et défendu par la socialiste vaudoise Brigitte Crottaz qui a plaidé pour une abolition des biais poussant à l'administration abusive d'antibiotiques. Celle qui est également médecin de profession a rappelé le danger d'une utilisation excessive de ces médicaments, qui a pour conséquence une augmentation de la résistance à certaines bactéries. L'antibiorésistance pourrait devenir l'une des principales causes de mortalité chez les êtres humains, a-t-elle prévenu. Bien que reconnaissant que la Confédération a déjà entrepris un certain nombre d'actions pour en réduire l'utilisation en médecine vétérinaire, la députée Crottaz a appelé ses pairs à soutenir la motion. Alain Berset a rappelé que parmi ces actions, une stratégie est actuellement déployée; elle vise notamment à lutter contre ces incitatifs négatifs. Il a insisté sur le fait que les différentes mesures déjà implémentées ont permis une réduction de la vente d'antibiotiques pour animaux de 55 pour cent entre 2009 et 2019. Pour le Conseil fédéral, cette motion est donc superflue.
Cet avis n'est pas partagé par la chambre basse qui, par 96 voix contre 78 et 4 abstentions, a soutenu le texte. La gauche a été rejointe par l'ensemble du groupe vert'libéral, 18 membres du groupe libéral radical ainsi que 2 député.e.s du groupe agrarien. Au Conseil des Etats de décider de la suite à donner à cette proposition.

Eliminer les incitations pernicieuses poussant à l'utilisation excessive d'antibiotiques chez les animaux (Mo. 18.4117)
Dossier: Reduktion der Verwendung von Antibiotika

Hatte bei der Beratung des Bundesgesetzes über die Datenweitergabe der Versicherungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung im Ständerat nur ein Änderungsantrag vorgelegen, standen in der Nationalratsdebatte in der Herbstsession 2020 deutlich mehr Aspekte der Vorlage zur Debatte. Die Mehrheit der SGK-NR wollte die Datenweitergabe der Krankenversicherungen an das BAG um eine Verpflichtung des Bundesamtes ergänzen, vorgängig den Zweck der Datenlieferung zu nennen. Zudem sollte die Datenlieferung nur einmal jährlich stattfinden. Eine Minderheit Heim (sp, SO) wehrte sich gegen beide Änderungen: Das BAG und die Versicherungen sollten die Häufigkeit und den Termin der Lieferung gemeinsam aushandeln können, argumentierte Barbara Gysi (sp, SG) für die Minderheit, da Bea Heim bei den Nationalratswahlen 2019 nicht mehr angetreten war. Der Zweck der Datenlieferung sei überdies im Gesetz bereits festgehalten, was die entsprechende Bestimmung überflüssig mache. Mit 107 zu 85 Stimmen bevorzugte der Rat dennoch die Kommissionsversion. Eine Minderheit Brand (svp, GR) forderte weiter, generell nur Aggregatdaten weiterzugeben und die Lieferung von Individualdaten nur ausnahmsweise, unter Wahrung der Verhältnismässigkeit und nach Anhörung der Versicherungen sowie auf Entscheid des Bundesrates zuzulassen. Der Bundesrat wäre zudem verpflichtet, vorher zu überprüfen, ob bereits Datenbestände Dritter bestünden. Zudem sollten keine Daten zur Evaluation des Risikoausgleichs und zur Überprüfung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen bei den Arzneimitteln und MiGeL geliefert werden. Bei der Datenbeschaffung solle «möglichst grosse Zurückhaltung geübt werden», begründete Thomas de Courten (svp, BL) diesen Antrag. Mit 104 zu 87 Stimmen (bei 1 Enthaltung) folgte der Rat diesbezüglich der Minderheit. Hatten die SGK-SR und der Ständerat die Kompetenz zur Bestimmung, welche individuellen Daten geliefert werden sollen, dem Bundesrat übertragen wollen, schlug nun eine weitere Minderheit Brand vor, die zu liefernden Individualdaten im Gesetz abschliessend zu definieren. Diesen Vorschlag lehnte der Nationalrat jedoch mit 115 zu 82 Stimmen ab. Unumstritten war hingegen der Vorschlag der Kommission, die anonymisierten Daten auch der Forschung und der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.

Für den Persönlichkeitsschutz auch in der Aufsicht über die Krankenversicherung

Zwei Wochen nach der ständerätlichen Behandlung des Bundesratsgeschäfts zur Ergänzung des BetmG um einen Artikel, welcher das Durchführen von Cannabis-Studien ermöglichen soll, diskutierte der Nationalrat in der Herbstsession 2020 über die übriggebliebene Differenz zur Herkunft und der Bio-Qualität des Hanfs. Für die Minderheit der SGK-NR appellierte Verena Herzog (svp, TG), die nationalrätliche Fassung, die «ausschliesslich» Cannabis aus Schweizer Bio-Landwirtschaft für die Studien zulassen wollte, beizubehalten und vom Vorschlag des Ständerates, diese Aussage mit einem «wenn möglich» zu relativieren, abzusehen. Herzog, die sich ursprünglich gegen die Vorlage ausgesprochen hatte, argumentierte, wenn es schon «staatlich finanzierte Cannabisprogramme» gebe, sollten zumindest die Schweizer Bäuerinnen und Bauern etwas davon haben. Bundesrat Berset hingegen wendete ein, dass nur wenige Cannabisproduzierende Erfahrung mit Bio-Landwirtschaft hätten. Es gelte aber sicherzustellen, dass die Studien durchführbar seien. Kommissionssprecherin Regine Sauter (fdp, ZG) führte entsprechend für die SGK-NR aus, dass die Kommission die Version des Ständerates mit 16 zu 8 Stimmen unterstütze, da mit der bisherigen Fassung des Nationalrates nicht ausreichend Cannabisprodukte für die Studien zur Verfügung stünden. Mit 124 zu 73 Stimmen sprach sich die grosse Kammer für den Mehrheitsantrag ihrer SGK aus. Für den Minderheitsantrag stimmten die geschlossene SVP-Fraktion sowie 19 Mitglieder der CVP-Fraktion, die restlichen Fraktionen stellten sich einstimmig hinter den Mehrheitsantrag. Damit war die Vorlage bereinigt und bereit für die Schlussabstimmungen, bei denen der Nationalrat der Änderung des Betäubungsmittelgesetzes mit 115 zu 81 Stimmen zustimmte, wobei sich ähnliche Allianzen zeigten wie bereits bei den Detailabstimmungen. Auch der Ständerat gab der Gesetzesänderung mit 37 zu 5 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) grünes Licht.

Änderung des Betäubungsmittelgesetzes (BRG 19.021)
Dossier: Voraussetzungen für die Durchführung von Studien zur regulierten Cannabis-Abgabe für Genusszwecke schaffen

Obwohl sich National- und Ständerat einig waren, dass es einer Stärkung des Pflegesektors bedürfe, gingen die Meinungen zur diesbezüglichen Umsetzung im Rahmen des indirekten Gegenvorschlags zur Pflegeinitiative auseinander. In der Herbstsession 2020 nahm sich der Nationalrat erneut dem Geschäft an.
Mit 115 zu 76 Stimmen hielt er an seiner Position fest, dass die Kantone dazu verpflichtet werden sollen, Pflegefachkräften in Ausbildung mit einem Beitrag an die Lebenshaltungskosten finanziell unter die Arme zu greifen. Die Kantone sollen dabei während acht Jahren vom Bund unterstützt werden. Für die Ausbildungsoffensive kalkulierte die grosse Kammer CHF 469 Mio. seitens des Bundes ein. Damit blieb die Differenz zum Ständerat bestehen, der sich für die Freiwilligkeit seitens der Kantone ausgesprochen hatte und dessen Ansichten auch von Bundesrat Berset vertreten wurden. Durch das Prinzip der Freiwilligkeit könne eine übermässige Einmischung in die Autonomie der Kantone vermieden werden und die Kosten um rund CHF 100 Mio. auf CHF 369 Mio. gesenkt werden, so der Gesundheitsminister. Während Regine Sauter (fdp, ZH) derselben Auffassung war, da durch die Covid-19-Pandemie die öffentlichen Gelder bereits genug strapaziert würden, machte sich Barbara Gysi (sp, SG) für eine Verpflichtung der Kantone stark. Eine Kann-Formulierung könne zur Folge haben, dass sich nicht alle Kantone zur Unterstützung der angehenden Pflegefachleute bereiterklärten. Es sei allerdings notwendig, dass sich alle an der Pflegeoffensive beteiligen, denn um den Beruf attraktiver zu machen, müsse in die Ausbildung investiert werden. Nur so könne man verhindern, dass bis 2030 65'000 Pflegefachmänner und -frauen fehlten. Manuela Weichelt-Picard (al, ZG) merkte zudem an, dass gerade in den Grenzregionen viele Einrichtungen ohne die Grenzgängerinnen und -gänger schliessen müssten, die etwa im Kanton Genf 38 Prozent des Personals ausmachten.
Die zweite Differenz betraf die Kompetenzerweiterung bezüglich selbständiger Abrechnung gewisser Leistungen durch die Pflegenden ohne ärztliche Anordnung, wobei der Bundesrat diese Leistungen festlegen soll. Verena Herzog (svp, TG) erklärte für die SVP, dass man aufgrund der grösseren Zahl an Leistungserbringenden mit Mehrkosten rechnen müsse. Ähnlich sah dies die FDP.Liberale-Fraktion. Daher unterstützten die beiden Parteien die Version des Ständerates, der die selbständige Leistungsabrechnung an eine im Vorfeld mit den Krankenkassen abgeschlossene Vereinbarung binden wollte. Mitglieder der Ratslinken erachteten die Angst vor Mehrkosten hingegen als unbegründet und hoben hervor, dass durch die Kompetenzerweiterung vielmehr Kosten gespart werden könnten, da die Ärzteschaft, die nicht mehr für jede Leistung eine Anordnung verfassen müsste, entlastet würde. Diese Worte schienen den Nationalrat mehr zu überzeugen und so sprach er sich mit 114 zu 79 Stimmen (bei 1 Enthaltung) gegen eine Vereinbarungspflicht mit den Versicherern aus.
Bezüglich der Ausweitung der Kompetenzen im Bereich der Delegation von Aufgaben an weniger qualifiziertes Personal durch Pflegefachpersonen folgte die grosse Kammer auf Anraten ihrer Kommission jedoch der kleinen, womit zumindest eine Differenz beseitigt werden konnte.

Für eine starke Pflege (Pflegeinitiative). Volksinitiative und indirekter Gegenvorschlag (BRG 18.079 & Pa.Iv. 19.401)
Dossier: Die Pflegeinitiative und ihre Umsetzung

Anders als ihre Schwesterkommission erteilte die SGK-SR im August 2020 der parlamentarischen Initiative Flückiger (svp, AG) (übernommen von Verena Herzog (svp, TG)) zur Gleichstellung von Hospizen mit Geburtshäusern mit 8 zu 0 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) eine Absage. Sie sei zwar ebenfalls der Meinung, dass im Bereich Palliative Care gehandelt werden müsse, möchte aber noch weiteren Fragen im Zusammenhang mit der Versorgung von Menschen in ihrem letzten Lebensabschnitt nachgehen, so die Kommission in ihrer Medienmitteilung. Mit einem Verweis auf das von ihr eingereichte Postulat zur besseren Betreuung und Behandlung von Menschen am Lebensende (Po. 18.3384), das vom Ständerat angenommen worden war, erklärte sie, sie werde sich aller Voraussicht nach im nächsten Vierteljahr mit dem bundesrätlichen Postulatsbericht befassen und auf Grundlage dessen ihre Arbeiten weiterführen sowie über die folgenden Schritte befinden.

Stärkung der Palliative Care. Entlastung der stationären Strukturen durch Gleichstellung von Hospizen mit Geburtshäusern (Pa.Iv. 18.437)

Die Bekämpfung der Motion von Martina Munz (sp, SH), mit der die Schaffhauser Sozialdemokratin geschlechtergerechte Namen für Fachkommissionen gefordert hätte, führte Mitte Juni 2020 zur Abschreibung der Motion, weil sie während zweier Jahre nicht behandelt worden war. Der Bundesrat hätte den Vorstoss eigentlich zur Annahme empfohlen – eine Qualifikation, die normalerweise zu einer stillschweigenden Annahme in den Räten führt. Da das Begehren aber bekämpft worden war, hätte eigentlich eine Diskussion darüber stattfinden müssen. Dies geschah aber auch deshalb nicht, weil Natalie Rickli (svp, ZH), die die Motion ursprünglich bekämpft hatte, in der Zwischenzeit aus dem Rat ausgeschieden war, aber Christian Wasserfallen (fdp, BE) und Verena Herzog (svp, TG) die Bekämpfung übernommen hatten.

Geschlechtergerechte Namen für Fachkommissionen (Mo. 18.3119)

Im Juni 2020 schickte die SGK-SR den Vorentwurf der KVG-Ergänzung über die Vollstreckung der Prämienzahlungspflicht der Versicherten in die Vernehmlassung. Darin hatte sie auch das Anliegen der Motion Brand (svp, GR) sowie einer ähnlichen Motion Heim (sp, SO; Mo. 17.3323) aufgenommen: Zukünftig sollen Eltern für die ausstehenden Prämien und Kostenbeteiligung ihrer Kinder auch nach deren Erreichen der Volljährigkeit haftbar bleiben.

KVG. Unterhaltspflichtige Eltern schulden nichtbezahlte Kinderprämien

Basierend auf der Standesinitiative des Kantons Thurgau schickte die SGK-SR im Juni 2020 den Vorentwurf der KVG-Ergänzung über die Vollstreckung der Prämienzahlungspflicht der Versicherten in die Vernehmlassung. Damit wolle sie «den Anliegen der Kantone, der Versicherten, der Versicherer und der Leistungserbringer ausgewogen Rechnung» tragen, erklärte die Kommission in einer Medienmitteilung. So soll das Verfahren bei Nichtbezahlen von Prämien und Kostenbeteiligungen geklärt werden. Unter anderem sollen Eltern zukünftig für die ausstehenden Prämien und die Kostenbeteiligung ihrer Kinder bei deren Erreichen der Volljährigkeit haftbar bleiben, wie es die Motionen Heim (sp, SO; Mo. 17.3323) und Brand (svp, GR; Mo. 18.4176) verlangt hatten. Schwarze Listen soll es zudem zukünftig nicht mehr geben und die Krankenversicherungen sollen die Versicherten nur noch maximal viermal jährlich betreiben können. Stattdessen erhalten sie die Möglichkeit, säumigen Versicherten ein günstigeres Versicherungsmodell zuzuweisen. Schliesslich sollen die Kantone entsprechend der Forderung des Kantons Thurgau neu 90 statt 85 Prozent der ausgewiesenen Forderungen der Krankenversicherungen übernehmen und dafür die Verlustscheine erhalten und bewirtschaften können. Eine Minderheit beantragte, den Kantonen die Führung schwarzer Listen weiterhin zu erlauben. Die Vernehmlassung läuft bis Anfang Oktober 2020.

Vollstreckung der Prämienzahlungspflicht der Versicherten (Kt. Iv. 16.312)
Dossier: Schwarze Liste für säumige Prämienzahlende

Im Juni 2020 schickte die SGK-SR den Vorentwurf der KVG-Ergänzung über die Vollstreckung der Prämienzahlungspflicht der Versicherten in die Vernehmlassung. Darin hatte sie auch das Anliegen der Motion Heim (sp, SO) sowie einer ähnlichen Motion Brand (svp, GR; Mo. 18.4176) aufgenommen: Zukünftig sollen Eltern für die ausstehenden Prämien und die Kostenbeteiligung ihrer Kinder auch nach deren Erreichen der Volljährigkeit haftbar bleiben.

Krankenkassenprämien. Eltern bleiben Schuldner der nichtbezahlten Prämien der Kinder

Eine im Juni 2018 eingereichte Motion Herzog (svp, TG) forderte vom Bundesrat, sich bei der geplanten Änderung des Zivilgesetzbuchs bezüglich der Änderung des Geschlechts im Personenstandsregister an folgenden Punkten zu orientieren: Es sollen «unterschiedliche Lösungsansätze infolge unterschiedlicher Bedürfnisse zwischen Transmenschen und Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung» ausgearbeitet werden und eine Änderung im Personenstandsregister soll nur einmal möglich sein. Ferner müsse sich eine Änderung des Geschlechts «so weit wie möglich an den biologischen und medizinischen Fakten und Realitäten orientieren». Eine Änderung im Personenstandsregister dürfe schliesslich nicht nur gemäss dem persönlichen Empfinden erfolgen, damit Beliebigkeiten vorgebeugt werden könne, so Herzogs Forderung.
Der Bundesrat betonte in seiner Stellungnahme im August 2018, er sei sich der unterschiedlichen Bedürfnissen von Transmenschen und Menschen mit einer Geschlechtsvariante bewusst. Die geplanten Änderungen des ZGB würden freilich vermehrt Transmenschen entgegekommen. Es gelte aber nun, das Vernehmlassungsergebnis zum Vorentwurf über die Änderungen des ZGB abzuwarten, bevor Änderungen im Sinne der vorliegenden Motion diskutiert werden können.
In der Vernehmlassung stiessen die vorgeschlagenen Änderungen des Zivilgesetzbuchs schliesslich grösstenteils auf Zustimmung: In einer entsprechenden Botschaft im Dezember 2019 hielt der Bundesrat fest, dass Betroffene eine Änderung des Geschlechts beim Zivilstandsamt ohne die von Verena Herzog geforderten Auflagen beantragen können sollen. Die Motion Herzog wurde in der Folge im Juni 2020 zurückgezogen.

Änderung des Geschlechts im Personenstandsregister (Mo. 18.3696)

Eigentlich hätte sich der Nationalrat bereits in der Frühjahrssession 2020 mit der Schaffung einer gesetzlichen Grundlage zur Durchführung von wissenschaftlichen Studien zum Cannabiskonsum befassen sollen. Nachdem jedoch diese Session aufgrund des Coronavirus abgebrochen worden war, führte die grosse Kammer die Detailberatung im Juni 2020 durch.
Dabei wurden zwei Änderungen, die von der SGK-NR gegenüber dem Entwurf des Bundesrates vorgeschlagen worden waren, angenommen: Zum einen stimmte der Nationalrat einstimmig für die Untersuchung der Gesundheitszustandsentwicklung der Studienteilnehmenden. Zum anderen entschied er sich mit 112 zu 76 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) dafür, dass die für die Projekte verwendeten Produkte aus dem Schweizer Biolandbau stammen müssen und somit die Schweizer Landwirtschaft gestärkt wird. Letzteres stiess beim Bundesrat auf keine grosse Zustimmung. Gesundheitsminister Berset gab zu bedenken, dass es nur sehr wenige Hersteller mit Erfahrung in diesem Bereich gebe und die benötigte Zeit für die Beschaffung entsprechender Produkte lang sein dürfte. Daher könne es zu Verzögerungen bei der Umsetzung der Projekte kommen.
Sämtliche Anträge von Seiten der SVP und der CVP – beide Parteien hatten sich bereits bei der Eintretensdebatte teilweise oder vollständig negativ gegenüber der Gesetzesänderung geäussert – stiessen im Nationalrat auf Ablehnung. So sprach sich die grosse Kammer mit 118 zu 75 Stimmen (bei 1 Enthaltung) resp. mit 119 zu 74 Stimmen (bei 1 Enthaltung) dagegen aus, dass die Arbeitgebenden resp. Schulen der Studienteilnehmenden über deren Teilnahme am Projekt informiert werden müssen. Therese Schläpfer (svp, ZH) hätte sich eine entsprechende Meldepflicht gewünscht, da der Cannabiskonsum zu Konzentrationsminderung und Gefährdung der konsumierenden Person oder Drittpersonen führen könne. Die SP und Teile der Mitte-Fraktion hielten dem jedoch entgegen, dass sich in diesem Fall kaum jemand mehr zur Teilnahme an den Studien bereit erklären würde. Auch die beiden Minderheitsanträge Roduit (cvp, VS) und Herzog (svp, TG), die eine Registrierung der Partizipanten und Partizipantinnen resp. die Abgabe des Führerscheins während und für eine bestimmte Zeit nach der Studienteilnahme verlangten, fanden im Nationalrat kein Gehör. Ein Antrag von Andrea Geissbühler (svp, BE), dass die Teilnehmenden das Cannabis selber finanzieren müssen und nur Personen an den Studien teilnehmen dürfen, die weder Sozialhilfegelder noch eine Invalidenrente beanspruchen, wurde mit 122 zu 70 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) ebenfalls abgelehnt. Bezüglich des THC-Gehalts sprach sie der Nationalrat für die vom Bundesrat vorgeschlagene Begrenzung des maximalen Wertes bei 20 Prozent aus – eine Minderheit Herzog hatte eine obere Limite von 15 Prozent gefordert – und dass die Partizipanten und Partizipantinnen monatlich nicht mehr als 10 Gramm THC erhalten können. Ferner wurde unter anderem dem Antrag eine Absage erteilt, dass die Bewilligung von Pilotversuchen durch den Bundesrat statt durch das BAG erfolgen muss und Gemeinden ein Projekt nur mit der Zustimmung ihres Kantons bewilligen können. Die von der Mitte-Fraktion hervorgebrachte Forderung zur alleinigen Finanzierung der Pilotversuche durch Gemeinden und Kantone scheiterte mit 107 zu 86 Stimmen (bei 1 Enthaltung).
In der Gesamtabstimmung nahm die grosse Kammer die Vorlage mit 113 zu 81 Stimmen an, wobei die Fraktionen der SP, der GLP und der Grünen geschlossen für das Geschäft stimmten, die Stimmen der FDP-Liberalen- und der Mitte-Fraktion sich aufteilten und sich bei der SVP-Fraktion, abgesehen von Roger Köppel (svp, ZH), alle gegen die Ergänzung des Betäubungsmittelgesetzes aussprachen.

Änderung des Betäubungsmittelgesetzes (BRG 19.021)
Dossier: Voraussetzungen für die Durchführung von Studien zur regulierten Cannabis-Abgabe für Genusszwecke schaffen