Suche zurücksetzen

Inhalte

Akteure

  • Hess, Lorenz (bdp/pbd, BE) NR/CN
  • Amstutz, Adrian (svp/udc, BE)

Prozesse

58 Resultate
Als PDF speichern Weitere Informationen zur Suche finden Sie hier

Im Oktober 2022 wurde unter dem Namen «Pro Schweiz» eine neue nationalkonservative und EU-skeptische Gruppierung aus der Taufe gehoben. Sie ist das Produkt einer Dreierfusion aus der «Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz» (Auns), dem «Komitee Nein zum schleichenden EU-Beitritt (EU-No)» und der «Unternehmer-Vereinigung gegen den EU-Beitritt». Bereits im Frühling hatten die drei Organisationen je separat der Fusion – und damit ihrer Auflösung – zugestimmt.

Zum Gründungspräsidenten von Pro Schweiz wurde Stephan Rietiker (ZG, svp) gewählt, mit 15 Gegenstimmen bei 450 Anwesenden – die einzige Abstimmung an der Gründungsversammlung, die nicht einstimmig ausfiel, wie die NZZ festhielt. Für Rietiker ist das Pro-Schweiz-Präsidium das erste politische Amt: Bisher habe ihm für ein regelmässiges politisches Engagement wegen beruflicher Verpflichtungen die Zeit gefehlt, wie er der AZ erklärte. Nun plane er einen Tag pro Woche für Pro Schweiz einzusetzen, entlöhnt werde sein Präsidium nicht. Der 65-jährige US-schweizerische Doppelbürger ist Medtech-Unternehmer, Arzt, Oberst im Generalstab und ehemaliger kurzzeitiger Präsident des Fussballklubs Grasshoppers. Zu Rietikers parteipolitischem Werdegang wusste die NZZ zu berichten, dass dieser in seinen jungen Jahren die NZZ abbestellte, weil sie ihm «zu links» war, und der Autopartei beitrat. Später sei er FDP-Mitglied, dann parteilos und wieder FDP-Mitglied gewesen, bevor er vor zwanzig Jahren zur SVP wechselte. Ein gewisses politisches Engagement entwickelte Rietiker als Kritiker der behördlichen Covid-19-Politik, im Herbst 2021 kam er zu Medienauftritten im Abstimmungskampf gegen die zweite Revision des Covid-19-Gesetzes. Im Zusammenhang mit diesem Engagement wurde gemäss NZZ Christoph Blocher (ZH, svp), der als graue Eminenz von Pro Schweiz gilt, auf Rietiker aufmerksam und fragte ihn schliesslich für das Pro-Schweiz-Präsidium an.
Mehr politische Erfahrung brachte der Vizepräsident von Pro Schweiz mit: Nationalrat Walter Wobmann (SO, svp) ist insbesondere als Vater der Initiativen für ein Minarettverbot und für ein Verhüllungsverbot bekannt. Wie Wobmann sind auch die meisten weiteren Mitglieder des 13-köpfigen Gründungsvorstands daneben in der SVP aktiv, so unter anderem die Nationalratsmitglieder Piero Marchesi (TI), Pierre-André Page (FR) und Therese Schläpfer (ZH) sowie die alt Nationalräte Adrian Amstutz (BE), Christoph Mörgeli (ZH) und Ulrich Schlüer (ZH). Geschäftsführer wurde Werner Gartenmann, der dieselbe Funktion schon bei der Auns ausgeübt hatte. Angesichts des doch stark parteipolitisch geprägten Vorstands äusserten einige Medien in ihren Kommentaren Zweifel, ob das von Rietiker formulierte Ziel, Pro Schweiz wieder über die SVP hinaus im bürgerlichen Lager abzustützen – wie die Auns in deren Anfangszeiten –, realistisch sei. Auch die angestrebte Verjüngung der Mitgliederbasis fand im Gründungsvorstand – und gemäss Medienberichten auch in der Teilnehmerschaft der Gründungsversammlung – noch keinen Niederschlag. Nicht im Gründungsvorstand sassen Lukas Reimann (SG, svp) und Roger Köppel (ZH, svp), die bisherigen Präsidenten der Auns und des Komitees «EU-No».

Stark betont wurde in den Pressekommentaren die Rolle von Christoph Blocher, der bei Pro Schweiz zwar kein Amt übernahm, aber der Haupttreiber hinter der Fusion gewesen war und auch den Gründungsakt der neuen Organisation leitete. Blocher war 1986 selbst Gründungspräsident der Auns gewesen und hatte diese zu ihrem grösstem Erfolg geführt, nämlich zum Sieg in der EWR-Abstimmung 1992. Auch das 2013 gegründete Komitee «EU-No» hatte Blocher früher präsidiert. Die Fusion bezeichnete er als notwendig, um dem konservativen Lager zu mehr Schlagkraft zu verhelfen; Pro Schweiz solle eine direktdemokratische «Kampforganisation» «gegen die Gegner der Schweiz im Innern» werden. Die Auns hingegen habe zuletzt an Kraft eingebüsst und war nach Blochers Einschätzung nicht mehr referendumsfähig. Nichtsdestotrotz war die Auns mit 20'000 zahlenden Mitgliedern und Einnahmen von rund einer Million Franken pro Jahr die mit Abstand grösste Fusionspartnerin. Pro Schweiz zählte bei ihrer Gründung gemäss NZZ 25'000 Mitglieder.

Dafür, dass sich Pro Schweiz inhaltlich wesentlich anders positionieren würde als die Auns, sahen die Medienkommentare keine Anhaltspunkte; die Fusion wurde als primär organisatorische und personelle Neuaufstellung dargestellt. Allerdings habe sich Rietiker über seine Pläne noch nicht stark in die Karten blicken lassen, sondern in seiner Antrittsrede eher allgemein über die Freiheit, die EU, die Zuwanderung, die «Woke-Kultur», die Medien, die Corona-Massnahmen, das «Gutmenschentum», eine «dilettantische Energiepolitik» des Bundes, die «skandalösen» Sanktionen gegen Russland und eine anzustrebende Orientierung an wachsenden Märkten in Asien und Amerika statt der EU gesprochen. Ein konkretes Projekt beschloss Pro Schweiz indessen gleich noch an der Gründungsversammlung – die Lancierung der Neutralitätsinitiative, welche ihrerseits eine Idee Blochers ist.

Ablösung der Auns durch «Pro Schweiz»

Wie könnte die Stimm- und Wahlbeteiligung gefördert werden? Um diese Frage zu beantworten, beantragte Gabriela Suter (sp, AG) mittels eines Postulats beim Bundesrat einen Bericht. Die politische Partizipation sei in der Schweiz «chronisch tief», begründete die Sozialdemokratin ihr Anliegen und führte in der Debatte in der Sommersession 2022 ein paar aktuelle kantonale und kommunale Wahlen auf, bei denen nicht einmal ein Drittel aller Wahlberechtigten ihr Wahlrecht genutzt hatten. Es stelle sich nicht nur die Frage der demokratischen Legitimation bei solch geringer Beteiligung, sondern diese gehe auch mit Ungleichheit einher, so die Postulantin. Junge, Frauen und Angehörige unterer Bildungs- und Einkommensschichten beteiligten sich weniger stark und würden entsprechend auch weniger gut repräsentiert. Der Bundesrat solle deshalb in einem Bericht mögliche Massnahmen aufzeigen, mit denen die zu geringe politische Partizipation wieder erhöht werden könnte. Zu denken sei etwa an eine Einführung der Stimmpflicht wie im Kanton Schaffhausen, an die Etablierung von sogenannten Super Sundays, an denen mehrere Kantone gleichzeitig Regierung und Parlament wählen, eine gezielte Sensibilisierung von Bevölkerungsgruppen, die Belohnung der Teilnahme mittels eines Steuerabzugs oder die Erweiterung der Zahl der Stimmberechtigten. Bundeskanzler Walter Thurnherr vertrat die ablehnende Position des Bundesrats. Dieser teile die Einschätzung über die grosse Bedeutung der politischen Beteiligung für eine Demokratie. Diese könne in der Schweiz aber nicht nur sehr häufig ausgeübt werden, sondern sei gemessen an nationalen Wahlen und Abstimmungen auch nicht rückläufig. Zahlreiche Studien hätten zudem gezeigt, dass der Verzicht auf das Stimm- und Wahlrecht kein Zeichen für «Politikverdrossenheit» sei, sondern es vielmehr Anzeichen dafür gebe, dass viele Personen selektiv teilnehmen würden. Bereits heute fördere der Bund die Mobilisierung mittels verschiedener Kommunikationsinstrumente und auch die vom Bund finanzierten VOX-Abstimmungsanalysen trügen «zum besseren Verständnis der politischen Beteiligung bei». Aus Sicht des Bundesrats würden schliesslich weder Stimmpflicht noch monetäre Anreize zur «Qualität der politischen Partizipation» beitragen. Dies habe der Nationalrat bereits vor sechs Jahren bei der Ablehnung einer entsprechenden parlamentarischen Initiative von Lorenz Hess (bdp, BE; Pa.Iv. 15.498) so gesehen. Eine bürgerliche Mehrheit des Nationalrats folgte dem Bundesrat und lehnte das Postulat mit 103 zu 80 Stimmen ab. Die geeinten Fraktionen von SP, GP und GLP standen den geschlossenen Fraktionen von FDP, Mitte-EVP und SVP gegenüber.

Stimm- und Wahlbeteiligung fördern (Po. 20.4720)

Sensibiliser à une consommation plus saine et plus écologique est l'objectif de la motion traitant des succédanés de viande à base de protéines végétales déposée par Kilian Baumann (vert.e.s, BE). Alors que ce type de produits alimentaires non carnés ne cesse de convaincre plus de consommateurs chaque année, le politicien bernois souhaite rendre les produits plus régionaux et plus en vogue pour les consommateurs et les professionnels du secteur alimentaire en Suisse. En effet, en demandant à la Confédération de promouvoir les produits de succédanés de viande et de soutenir les entreprises visant leur développement, le Bernois estime que la Suisse pourrait solidifier une place intéressante sur un marché grandissant tout en protégeant l'environement et les consommateurs. Pour justifier cette position, il a mis en avant les vertus de ces produits pour la santé et le climat tout comme la production annuellement croissante, depuis quelques années, de ce type de produits.
Pour le Conseil fédéral, le rôle du gouvernement n'est pas de déplacer les pions de ce plateau. Si les entreprises ont été félicitées de répondre à l'engouement des consommateurs, il a été rappelé que les organisations helvétiques de la santé et de l'environnement, comme l'OSAV et l'OFEV, prennent leur rôle de gardien au sérieux en évoquant des sujets tels qu' une alimentation équilibrée ou le climat dans leurs campagnes de prévention. Quant au soutien apporté aux entreprises innovantes sur des questions de développement ou de part de marché, Guy Parmelin a évoqué les différents programmes déjà existants, lors de son intervention devant les députés, pour justifier la décision du Conseil fédéral de ne pas soutenir cette motion. Suite aux mots du Conseil fédéral, la motion a été refusée au Conseil national par 109 voix contre 78 et 2 abstentions. En effet, les voix du camp rose-vert ainsi que de Niklaus-Samuel Gugger (pev, ZH) et Lorenz Hess (pbd, BE) n'auront pas suffi pour atteindre la majorité.

Publicité pour le succédanés de viande à base végétale (Mo. 20.3299)

Mitte November 2021 legte der Bundesrat eine Änderung des KVG über eine Vereinfachung des elektronischen Datenaustauschs zwischen Kantonen und Krankenversicherern vor. In Erfüllung einer Motion Brand (svp, GR; Mo. 18.3765) sollte ein einheitliches Verfahren für den elektronischen Datenaustausch zwischen Kantonen und Krankenversicherungen geschaffen werden. Demnach sollen diese diejenigen Daten austauschen können, die zur Überprüfung der Einhaltung der Versicherungspflicht und zur Vermeidung von Doppelversicherungen nötig sind – dazu benötigen sie unter anderem Informationen über den Wohnort der Versicherten, der entsprechend neu ausgetauscht werden soll. In einem zweiten Teil sollen in Umsetzung einer Motion Hess (bdp, BE; Mo. 18.4209) zukünftig auch im Ausland wohnhafte Versicherte, wie Grenzgängerinnen und Grenzgänger, Rentnerinnen und Rentner und entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, im Risikoausgleich berücksichtigt werden. Zudem sollen nicht mehr kontaktierbare Versicherte aus dem Bestand einer Versicherung ausgeschlossen werden können, damit die Krankenversicherungen für diese Personen keine Risikoabgaben mehr bezahlen müssen. Bis März 2022 schickte der Bundesrat den Entwurf in die Vernehmlassung.

elektronischen Datenaustausch zwischen Kantonen und Krankenversicherern

Der Nationalrat beugte sich in der Herbstsession 2021 abermals über die Vorlage des Tabakproduktegesetzes und bereinigte die offenen Differenzen. So stimmte die grosse Kammer mit 99 zu 85 Stimmen (bei 8 Enthaltungen) in Übereinstimmung mit dem Ständerat gegen ein Mentholverbot und legte fest, dass die verbotenen Stoffe direkt im Anhang des Gesetzes zu regeln sind. Damit waren die letzten verbleibenden Differenzen ausgeräumt und die Vorlage bereit für die Schlussabstimmungen.
Dabei gingen die Meinungen zum Erreichten jedoch weit auseinander. Während Lorenz Hess (mitte, BE) betonte, dass die Regelung von Tabak dadurch erstmalig «nicht mehr im Lebensmittelgesetz, sondern in einem einheitlichen Gesetz» erfolge, war Gesundheitsminister Berset mit der Ausgestaltung des Gesetzes unzufrieden. Er bemängelte, dass das Gesetz dem Jugendschutz nicht gerecht werde und die Ratifizierung des WHO-Übereinkommens, das der Bundesrat seit 2004 anstrebe, damit weiterhin nicht möglich sei.

Tabakproduktegesetz (BRG 15.075)
Dossier: Tabakproduktegesetz

Im September 2019 forderte Rosmarie Quadranti (bdp, ZH) in einer Motion die Abgeltung der Umnutzung von Mitteln und Gegenständen für Kinder und Jugendliche durch die OKP. Solche Materialien für Kinder und Jugendliche müssten in zahlreichen verschiedenen Grössen vorhanden sein, was sich aber für die Leistungserbringenden betriebswirtschaftlich nicht lohne, da nur deren Verwendung, nicht aber ihre Lagerung abgegolten werde. Deshalb würden häufig bestehende Gegenstände fachfremd angewendet, wodurch sie jedoch nicht abgerechnet werden könnten, erklärte die Motionärin und verlangte eine Änderung dieser Regelung. Der Bundesrat beantragte die Motion zur Ablehnung. Bereits heute dürfe «zweckmässig[...] und wirtschaftlich[...]» eingesetzes Verbrauchsmaterial zum Einkaufspreis abgegolten werden, sofern es nicht in einer Tarifposition oder in der Fallpauschale enthalten sei. Die Nutzung von selten gebrauchtem Material könne überdies zum Beispiel durch eine Zusammenarbeit von mehreren Leistungserbringenden optimiert werden. In der Herbstsession 2021 setzte sich der Nationalrat mit der Motion auseinander, nachdem sie Lorenz Hess (bdp, BE) übernommen hatte. Diskussionlos stimmte ihr die grosse Kammer mit 109 zu 76 Stimmen (bei 1 Enthaltung) zu. Die ablehnenden Stimmen stammten von der FDP.Liberalen- und der SVP-Fraktion.

Die zweckmässige Umnutzung von Mitteln und Gegenständen muss in den Sozialversicherungstarifen abgebildet werden (Mo. 19.4107)

Anfang Juni gab die GK ihre Wahlvorschläge für die beiden vakanten ordentlichen deutschsprachigen Gerichtsstellen am Bundesgericht bekannt: Sie beantragte für die Amtsperiode 2021-2026 die Wahl von Stephan Hartmann (gp) und Marianne Ryter (sp), die Andreas Zünd (sp) und Hansjörg Seiler (svp) ersetzen sollten. Zünd war an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gewählt worden und Seiler ging in Pension. Die GK habe sich aus 22 Bewerbungen (10 von Frauen) für die beiden vorgeschlagenen Personen entschieden, die zudem mit der GP und der SP zwei Parteien vertreten, die im Bundesgericht «stark untervertreten» seien.
Während der Wahlvorschlag für Stephan Hartmann von allen Fraktionen unterstützt wurde, sprach sich die SVP-Fraktion aufgrund «schwerwiegender Vorwürfe» gegen die Wahl der aktuellen Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts, Marianne Ryter, aus. Die SVP-Minderheit in der GK beantragte entsprechend, die für die Sommersession 2021 vorgesehene Wahl auf die Herbstsession zu verschieben und anstelle von Marianne Ryter den aktuell nebenamtlichen Bundesrichter Markus Berger (sp) zu wählen.
In einer Medienmitteilung konkretisierte die SVP die Vorwürfe: Ryter habe ihre Fürsorgepflicht als Gerichtspräsidentin verletzt, weil sie wegen eines «Mobbing-Falls» gegen einen SVP-Richter am BVGer keine Untersuchung eingeleitet habe. Es gelte die Unschuldsvermutung, aber die Vorwürfe seien bei der Anhörung Ryters nicht ausgeräumt worden, weshalb es hier eine Untersuchung und entsprechend eine Verschiebung der Wahl brauche – so das Communiqué der Volkspartei.
Es kam – nachdem GK-Präsident Andrea Caroni (fdp, AR) erklärt hatte, dass die Kommission mehrheitlich zum Schluss gekommen sei, dass es keine Anhaltspunkte gebe, die eine Wahl von Marianne Ryter in Frage stellen würden – zu einem teilweise recht heftigen Schlagabtausch in der Versammlung: Die SVP versuchte zu zeigen, dass gewichtige Fragen zur Integrität von Marianne Ryter bestehen, während die Sprecherinnen und Sprecher der anderen Fraktionen der SVP mehr oder weniger vorwarfen, die Richterwahlen zu «verpolitisieren» (Mathias Aebischer, sp, BE) bzw. «Kampagnen» zu betreiben (Sibel Arslan basta, BS). Lorenz Hess (bdp, BE) warnte mit Verweis auf die anstehende Justizinitiative, dass das Parlament gut daran täte, «hier zu zeigen, dass wir in der Lage sind, korrekte Prozesse durchzuführen». In der Folge lehnte die Vereinigte Bundesversammlung den Minderheitenantrag ab. Die Ständerätinnen und Ständeräte taten dies per Namensaufruf mit 39 zu 6 Stimmen, die elektronische Abstimmung der Nationalrätinnen und Nationalräte ergab ein Stimmenverhältnis von 180 zu 55 Stimmen. Der Minderheitsantrag wurde lediglich von der SVP-Fraktion unterstützt. Diese Opposition zeigte sich dann noch einmal bei der Wahl: Von den 235 eingelangten Wahlzetteln waren 6 leer und 229 gültig. Der Name «Stefan Hartmann» stand auf 223 dieser Zettel, der Name «Marianne Ryter» hingegen lediglich 161 Mal. Er war in 58 Fällen mit dem Namen «Markus Berger» ersetzt worden.
In den Medien wurden in der Folge der «Sittenzerfall in der Bundesjustiz» (Aargauer Zeitung) und das «zu sorglose» Parlament (NZZ) kritisiert. Damit würde «Wasser auf die Mühlen» der Kritikerinnen und Kritiker dieses Wahlsystems geleitet, so die NZZ.

Wahlen ans Bundesgericht

In der Sommersession 2021 beriet der Nationalrat die parlamentarische Initiative von Erich Hess (svp, BE), wonach AHV- und IV-Kinderrenten zukünftig nur noch für in der Schweiz wohnhafte Kinder ausbezahlt werden sollen. Erich Hess und Andreas Glarner (svp, AG) erläuterten dabei die Funktionsweise der von ihnen angeprangerten kriminellen Machenschaften, die zu unzulässigen Bezügen von Kinderrenten im Ausland führten. So gingen beispielsweise Mütter mit vielen Kindern auf AHV-Rentner zu oder man besorge sich eine Bescheinigung für nicht vorhandene Kinder. Lorenz Hess (bdp, BE) wehrte sich einerseits gegen den Begriff «Geschäftsmodell», den Glarner verwendet hatte, da solche Machenschaften nur in Einzelfällen vorkämen. Zudem erhielten nach der Formulierung der parlamentarischen Initiative auch Personen, die mit ihren eigenen Kindern aus der Schweiz ausgereist sind, keine Kinderrenten mehr. Mit 136 zu 52 Stimmen sprach sich der Nationalrat gegen Folgegeben aus, Zustimmung fand die Initiative in der geschlossen stimmenden SVP-Fraktion.

Keine Kinderrenten mehr ins Ausland ausbezahlen (Pa. Iv. 20.412)

Der Nationalrat behandelte die zweite Revision des Covid-19-Gesetzes in einer Open-End-Sitzung, an deren Ende er gar noch den Nachtrag I zum Voranschlag 2021 anhängte. Mit einer Dauer von 10 Stunden und 10 Minuten (von 14:30 Uhr bis 00:40 Uhr) sei dies die längste Debatte der jüngeren Parlamentsgeschichte gewesen, wie die Parlamentsdienste auf Medienanfrage bestätigten. In dieser «Monsterdebatte» (SRF Online) hatte die grosse Kammer neben der Grundsatzdebatte und unzähligen Mehrheitsanträgen auch 54 Minderheitsanträge und 25 Einzelanträge zu behandeln. Die Relevanz dieser Debatte zeigte sich auch daran, dass drei Mitglieder des Bundesrates zugegen waren: Neben Finanzminister Maurer, der auch die erste Revision sowie die Debatte im Ständerat begleitet hatte, begründete Gesundheitsminister Berset die bundesrätlichen Positionen zum umstrittensten ersten Block der Vorlage und Wirtschaftsminister Parmelin diejenigen im vierten Block zum Thema der Arbeitslosenversicherung. Dabei schuf der Nationalrat zahlreiche Differenzen zum Ständerat, insbesondere im Bereich der Härtefallhilfen, verzichtete aber auf die umstrittensten Anträge der Kommissionsmehrheit.

Eintreten war unbestritten. Insbesondere der erste Block hatte es in der Folge aber in sich, wurde hier doch die zuvor medial stark diskutierte Frage des Endes der Corona-bedingten Schliessungen in verschiedenen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereichen behandelt. Bereits in der Grundsatzdebatte wiesen Esther Friedli (svp, SG) und Fabio Regazzi (mitte, TI) für die Kommission auf die Unzufriedenheit der Mehrheit der WAK-NR mit den jüngsten Handlungen des Bundesrat hin: Die Kommission habe den Bundesrat brieflich darauf hingewiesen, dass sie «eine Schliessung der Läden als nicht zielführend erachte […]; dies, weil neben den gesundheitlichen auch die wirtschaftlichen Folgen im Auge behalten werden müssen», und eine umfassende Öffnung gefordert. Trotz dieser Forderung der WAK-NR sowie weiterer Kommissionen hatte sich der Bundesrat bisher gegen kurzfristige Öffnungen entschieden, hatte aber auf den 1. März 2021 einen ersten kleineren Öffnungsschritt vorgenommen. Folglich versuchte die Kommissionsmehrheit ihre Anliegen mithilfe des Covid-19-Gesetzes durchzusetzen.
Das zentrale Anliegen der Kommissionsmehrheit stellte die Öffnung der Restaurationsbetriebe sowie der öffentlich zugänglichen Einrichtungen und Betriebe in den Bereichen Kultur, Unterhaltung, Freizeit und Sport auf den 22. März 2021 – den Tag nach den Schlussabstimmungen zur zweiten Revision des Covid-19-Gesetzes – dar. Diese Öffnungen sollten entsprechend ins Covid-19-Gesetz aufgenommen werden. Die WAK-NR hatte sich zuvor knapp mit 12 zu 11 Stimmen bei 1 Enthaltung zu diesem medial vieldiskutierten und -kritisierten Entscheid durchgerungen. Der Öffnungsplan des Bundesrates sei der Kommissionsmehrheit zu zaghaft, betonte Friedli. Die epidemiologische Lage erlaube die Öffnung der Betriebe. Die Schutzkonzepte, Massentests und Impfungen zeigten Wirkung und die Spitäler seien weniger ausgelastet; folglich seien die Schliessungen «nicht mehr verhältnismässig». Eine Minderheit I Burgherr beantragte sogar, den Öffnungstermin auf den 1. März 2021 zu legen, womit der Antragssteller zwar keine rückwirkende, jedoch eine sofortige Öffnung erreichen wollte. Alle Indikatoren zeigten – «unabhängig von den harten Massnahmen» von Dezember 2020 und Januar 2021 – eine Verbesserung der Situation an, gleichzeitig stiegen die staatlichen Ausgaben stündlich um CHF 6 Mio., ergänzte Burgherr die Argumente der Kommission. Damit zerstöre man den Schweizer Wohlstand, die Wirtschaft, die Existenzen von Menschen sowie deren Gesundheit. Es sei zwar «irgendwie verrückt, dass wir die Termine in dieses Gesetz schreiben müssen, aber leider ist das inzwischen nötig geworden». Dies sahen eine Minderheit II Grossen (glp, BE; Art. 8a) und eine Minderheit II Rytz (gp, BE; Art. 8b) anders: Sie beantragten, auf die Aufnahme dieser zwei Bestimmungen ins Covid-19-Gesetz zu verzichten. Jürg Grossen bezeichnete ein fixes Öffnungsdatum als «unverantwortlich». Er hatte in den Tagen zuvor die Schaffung einer Erklärung des Nationalrats, in welcher dieser eine Öffnung auf den 22. März 2021 forderte, initiiert, eine Verpflichtung zur Öffnung ging ihm aber zu weit. Auch er wünsche sich den Normalzustand zurück, dieser müsse aber «auch langfristig Bestand haben. Wir haben es hier aber eben mit einem Virus zu tun, das nicht das macht, was wir uns wünschen oder was wir ins Gesetz schreiben». Auch Gesundheitsminister Berset sprach sich gegen die entsprechende Regelung aus: Der Bundesrat gehe in dieselbe Richtung, in die die Kommission gehen wolle, nehme aber eine risikobasierte Öffnung vor. Der Unterschied liege entsprechend in der Geschwindigkeit. Er wolle nicht das Risiko eingehen, «dass es wieder explodiert, mit allen Konsequenzen auch für die Spitäler, für die Intensivpflegestationen». Folglich forderte er weiterhin die Möglichkeit für den Bundesrat, «in Abhängigkeit von der Situation» über eine Weiterführung der verschiedenen Massnahmen entscheiden zu können. Der Nationalrat bevorzugte in der Folge in beiden Fragen den Öffnungstermin des 22. März 2021 gegenüber einer Öffnung auf den 1. März 2021, sprach sich jedoch anschliessend für die beiden Minderheitsanträge Grossen und Rytz aus und verzichtete auf die Festschreibung fixer Öffnungstermine (121 zu 69 Stimmen bei 4 Enthaltungen respektive 122 zu 70 Stimmen bei 3 Enthaltungen). Die Position der Kommissionsmehrheit fand in der SVP fast vollständig Anklang und wurde überdies von Minderheiten der FDP.Liberalen- sowie der Mitte-Fraktion unterstützt.
Neben diesen zwei Hauptartikeln hatte die Kommissionsmehrheit in diesem Block noch zwei weitere Änderungen vorgeschlagen, nämlich einerseits eine Wiedereröffnung von Schiessständen mit Schutzkonzepten auf den 22. März 2021, die eine Minderheit Birrer-Heimo (sp, LU) ablehnte. Die Minderheitensprecherin zeigte sich genervt darüber, dass «Schiessstände […] noch einen separaten Passus [im Covid-19-Gesetz] erhalten» sollten. Auch dieser Mehrheitsantrag fand im Plenum nur bei der SVP-Fraktion und einzelnen FDP.Liberalen- und Mitte-Mitgliedern Zustimmung. Als allgemeinere Regelung wollte die Kommission andererseits festhalten, dass der Bundesrat einen Lockdown und eine Homeoffice-Pflicht nur noch «in begründeten Ausnahmefällen» und maximal für 90 Tage erlassen können sollte. Da diese Regelung rückwirkend auf den 1. Dezember 2020 in Kraft treten sollte, wäre die maximale Dauer für Lockdown und Homeoffice-Pflicht bereits am 28. Februar 2020 abgelaufen – die aktuellen Einschränkungen hätten folglich auch hier sofort aufgehoben werden müssen. Fabio Regazzi begründete diesen Entscheid der Kommissionsmehrheit damit, dass ein Lockdown und eine Homeoffice-Pflicht so weitreichende Massnahmen seien, dass man einerseits eine rechtliche Grundlage dafür schaffen, diese aber andererseits auch zeitlich begrenzen wolle. Auch diesen Vorschlag der Kommissionsmehrheit lehnte der Nationalrat jedoch ab; Zustimmung fand er bei der Mehrheit der SVP- sowie bei Minderheiten der FDP.Liberalen- und der Mitte-Fraktion.
Schliesslich beantragte die WAK-NR auch eine vom Ständerat eingefügte Bestimmung, wonach Kantonen mit guter epidemiologischer Lage und geeigneten Massnahmen Erleichterungen bezüglich des Lockdowns gewährt werden sollten, zur Annahme. Mit dieser «Lex Grischun», wie sie der Finanzminister im Rahmen der ständerätlichen Debatte bezeichnet hatte, sollte die Massentest-Strategie des Kantons Graubünden gewürdigt werden. Prisca Birrer-Heimo lehnte diesen Antrag ab und erinnerte an den «Beizen- und Einkaufstourismus in den Kantonen […], gefolgt vom Virustourismus» im Herbst 2020, als kantonal unterschiedliche Lösungen vorgelegen hatten. Damals sei bald eine national einheitliche Regelung gefordert worden, weshalb die Kantone gemäss Schreiben der GDK in dieser Frage mehrheitlich einheitliche Regeln befürworteten. Hier setzte sich jedoch die Kommissionsmehrheit, unterstützt von der SVP, den FDP.Liberalen und einer Mehrheit der Mitte-Fraktion, durch.
Darüber hinaus lagen zahlreiche weitere Öffnungsanträge von Kommissionsminderheiten oder Einzelpersonen vor. Eine Minderheit Friedli forderte ein Ende der Homeoffice-Pflicht auf den 22. März 2021 und ein Einzelantrag Aeschi (svp, ZG) die Wiedereröffnung der Aussenbereiche von Restaurants. In fünf Einzelanträgen forderte Jean-Luc Addor (svp, VS) ein Ende der Einschränkungen bei politischen Versammlungen, Versammlungen im Familien- und Freundeskreis oder im öffentlichen Raum, bei Präsenzveranstaltungen in Bildungseinrichtungen oder bei Gottesdiensten. Sämtliche Anträge blieben erfolglos und fanden nur bei der SVP-Fraktion sowie teilweise bei Minderheiten der FDP.Liberalen- und/oder der Mitte-Fraktion Zustimmung. Hingegen sprach sich der Nationalrat für eine Regelung aus einem Einzelantrag Rüegger (svp, OW) aus, die es Berufsleuten aus der Landwirtschaft, dem Bausektor sowie Handwerkerinnen und Handwerkern auf Montage erlaubt, sich in Gastrobetrieben zu verpflegen. Dies hatte zuvor auch die Petition «Beizen für Büezer» gefordert.

Ein weiteres medial stark diskutiertes Thema betraf die Rolle der Covid-19-Task Force. Die Kommissionsmehrheit wollte die Mitglieder der Task Force im Covid-19-Gesetz zur Wahrung ihres Rahmenmandats verpflichten. Demnach sollte die nach aussen gerichtete Kommunikation der Task Force nur noch durch deren Präsidentinnen oder Präsidenten erfolgen, während die übrigen Mitglieder bei öffentlicher Kommunikation deklarieren müssten, dass dies ausserhalb ihres Mandats geschehe. Dies sei gemäss Kommissionssprecher Regazzi nötig, zumal die Task Force ihr Mandat überschreite oder gar missbrauche, wenn sie den Bundesrat öffentlich belehre oder das Parlament kritisiere. Eine Minderheit Rytz, welche die Streichung dieser Regelung beantragte, fürchtete den Glaubwürdigkeitsverlust einer «aufgeklärte[n], liberale[n] Demokratie […], wenn sie der Wissenschaft einen Maulkorb umhängen will und naturwissenschaftliche Tatsachen ignoriert». Balthasar Glättli (gp, ZH) stellte zudem den Nutzen davon, die bisherige kritisierte Regelung telquel ins Covid-19-Gesetz aufzunehmen, in Frage. Mit 116 zu 78 Stimmen (bei 1 Enthaltung) setzten sich SP, GPS, GLP und eine Mehrheit der Mitte-Fraktion durch und lehnten die entsprechende Bestimmung der Kommissionsmehrheit ab. Erfolglos blieb auch eine ergänzende Forderung von David Zuberbühler (svp, AR), den Zugang zu den bundesrätlichen Medienkonferenzen in der Corona-Thematik allen Schweizer Medien, also auch den im Bundeshaus nicht akkreditierten kantonalen, regionalen oder lokalen Medien, zu eröffnen. Den Kantonen komme eine wichtige Rolle zu, weshalb auch die entsprechenden Medien die Möglichkeiten für direkte Rückfragen haben müssten.

Nicht nur an der Kommunikation durch die Task Force, auch an der Berechnung der Covid-19-Zahlen störte sich die Kommissionsmehrheit. Entsprechend forderte sie, dass in die Berechnung der Positivitätsrate neu auch die Resultate von Massentests in Unternehmen einfliessen sollten. Bisher waren diese nicht integriert worden, weil man gemäss Bundesrat Berset die administrativen Hürden für die Unternehmen nicht habe vergrössern wollen. Zudem solle über rückwirkende Korrekturen der Covid-19-Kennzahlen «offen und transparent» informiert werden. Damit solle die Sicherheit und die Sichtbarkeit der vorhandenen Informationen gewährleistet werden, argumentierte Regazzi. Zudem wollte ein Einzelantrag Humbel (cvp, AG) zur Berechnung der Positivitätsrate ausschliesslich auf PCR-Tests setzen. Eine Minderheit Gysi (sp, SG) tat diese Anträge der Kommissionsmehrheit und von Ruth Humbel jedoch als Mikromanagement ab und setzte sich mit dieser Ansicht auch durch.
Darüber hinaus störten sich die Kommission sowie Thomas Aeschi, Thomas Burgherr und Nicolo Paganini (mitte, SG) auch allgemein an den Masszahlen, auf denen der Bundesrat seine Entscheidungen basierte. Die WAK-NR schlug deshalb vor, die zu berücksichtigenden Masszahlen im Gesetz festzuhalten und dem Bundesrat die Verwendung eines Ampelsystems mit Grenzwerten, welche eine Verschärfung oder Lockerung der Massnahmen anzeigen sollten, festzuschreiben. Diese Liste von Masszahlen der Kommission wollten die Minderheiten- und Einzelanträge weiter einschränken. Gesundheitsminister Berset wehrte sich insbesondere gegen das Ampelsystem, zumal der Bundesrat anfänglich Automatismen ausprobiert habe, aber schnell festgestellt habe, dass er Flexibilität brauche. Stattdessen setze man auf Richtwerte als Entscheidungshilfen, aber nicht als automatische Entscheidungsgrundlagen. Zudem seien eben – wie zum Beispiel Thomas Aeschi seine Forderung, auf die Berücksichtigung der Positivitätsrate zu verzichten, begründet hatte – die Zahlen nicht immer korrekt; entsprechend brauche es einen «Strauss von unterschiedlichen Kriterien, und dann braucht es einfach gesunden Menschenverstand [...], um zu versuchen, einen Entscheid zu fällen». Sowohl der Mehrheitsantrag als auch sämtliche Minderheits- und Einzelanträge zu diesem Thema wurden abgelehnt, womit es bei der bundesrätlichen Fassung blieb.
In eine ähnliche Richtung ging die Idee der Kommissionsmehrheit, dem Bundesrat Massnahmen wie Contact Tracing, ein tägliches Monitoring als Entscheidungsgrundlage, Orientierung an nationalen und internationalen Erfahrungen, die Erstellung eines Impfplans oder Möglichkeiten für Quarantänelockerungen vorzuschreiben. Trotz Ablehnungsantrag des Bundesrates stimmte die grosse Kammer dieser Regelung zu. Eine Minderheit Martullo-Blocher (svp, GR) und ein Einzelantrag Addor wollten darüber hinaus den Bundesrat bei der Ergreifung weiterer Massnahmen mit bedeutenden volkswirtschaftlichen Auswirkungen dazu zwingen, vorgängig die Zustimmung der zuständigen parlamentarischen Kommissionen einzuholen. Als Alternative schlug Philipp-Mathias Bregy (cvpo, VS) in Übereinstimmung mit den parlamentarischen Initiativen 20.418 und 20.414 vor, eine neue gemeinsame Kommission beider Räte zu schaffen, die Empfehlungen an den Bundesrat ausspricht, die Sachkommissionen informiert und die bundesrätlichen Massnahmen evaluiert. Die «politische Eskalation» verdeutliche die Notwendigkeit einer «zusätzliche[n] legislative[n] Institution». Der Nationalrat lehnte den Minderheitsantrag Martullo-Blocher sowie den Einzelantrag Addor ab, während Philipp-Mathias Bregy seinen Antrag zurückzog. Stattdessen folgte der Nationalrat einem Vorschlag des Ständerates, wonach neu nicht mehr «die Kantone», also faktisch die KdK/GDK, sondern die einzelnen Kantonsregierungen in die Entscheidungen einbezogen werden müssen. Dagegen hatte sich der Bundesrat gewehrt, zumal es ihm wichtig sei, eine konsolidierte Meinung der Kantone anzutreffen.

Daneben beschäftige den Rat insbesondere auch die Frage der Impfungen, respektive der Folgen für die Geimpften und Ungeimpften. Der Ständerat wollte bei mit zugelassenen Covid-19-Impfstoffen Geimpften auf Quarantänemassnahmen verzichten, was die Kommissionsmehrheit jedoch streichen wollte, zumal nicht alle Impfstoffe gleich wirksam seien und die Regelung Ungleichheiten schaffe. Eine Minderheit Aeschi, die dem Ständerat beipflichten wollte, setzte sich äusserst knapp mit 96 zu 96 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) und Stichentscheid von Präsident Aebi (svp, BE) durch. Mit Minderheits- und Einzelanträgen wollten Thomas Aeschi und Jean-Luc Addor zudem sicherstellen, dass niemand zu einer Impfung gezwungen oder aufgrund einer fehlenden Impfung diskriminiert werden darf und die entsprechenden Impfdaten ausschliesslich für medizinische Zwecke genutzt werden dürfen. Für die Kommission sprach sich Esther Friedli gegen eine solche Einschränkung aus, zumal diesbezüglich zuerst noch viele offene Fragen geklärt werden müssten. Die grosse Kammer lehnte beide Anträge ab und sprach sich stattdessen für zwei Anträge von Regine Sauter (fdp, ZH) und Lorenz Hess (bdp, BE) aus, wonach der Bundesrat ein international kompatibles Covid-19-Zertifikat – einen Impf- und Testnachweis (Sauter) – respektive die rechtlichen Grundlagen für ein solches Zertifikat (Hess) erstellen sollte.

Auch eine Ausweitung des vereinfachten Verfahrens zur Unterschriftenbeglaubigung auf Volksinitiativen hiess der Nationalrat gut. Schliesslich war auch ein Minderheitsantrag Glättli auf Verpflichtung der Kantone zu Contact Tracing und auf Gewährung von Bundesgeldern zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Contact Tracing-Systems erfolgreich.
Im medial viel diskutierten ersten Block waren somit nur sehr wenige Anträge erfolgreich: In den meisten Fällen folgte der Nationalrat hier dem Ständerat. Erfolglos blieben sämtliche Kommissionsanträge, welche die Handlungsfreiheit des Bundesrates einschränken wollten.

Im zweiten Block, dem gemäss Finanzminister Maurer «teuersten Teil der Vorlage», beschäftigte sich der Nationalrat mit den Härtefall-Massnahmen für Unternehmen und den Verpflichtungskrediten. Dabei bereiteten die Anträge der Kommissionsmehrheit dem Finanzminister ziemlich sicher Kopfzerbrechen, beantragte sie doch Mehrausgaben von insgesamt CHF 9 Mrd. Wie bereits in früheren Debatten zum Covid-19-Gesetz verwies Finanzminister Maurer nochmals darauf, dass der Bund nicht sämtliche entgangenen Einnahmen, sondern lediglich Härtefälle abgelten könne – die hier gestellten Anträge würden aber weit über eine Härtefallabgeltung hinausgehen. Überdies prophezeite er mögliche Rechtsstreitigkeiten in anderen Bereichen, die weniger grosszügig behandelt würden, zum Beispiel bei den KAE, Studierenden oder Lernenden. Dabei kritisierte er auch das Vorgehen der Kommission, die teilweise «wirklich faktenfrei» gehandelt habe, indem sie Entscheidungen getroffen habe, ohne deren Kosten zu kennen. Nun seien die Kosten aber bekannt, weshalb die Entscheidungen korrigiert werden müssten. Schliesslich verwies er auf die Beteiligung der Kantone an diesen Entscheidungen und auf deren starke Belastung durch die Mehrausgaben. Neben dem Finanzminister störte sich auch die SVP an diesen Zusatzausgaben und forderte in mehreren Minderheitsanträgen einen Verzicht auf eine Aufstockung der Härtefallmassnahmen. Er begreife nicht, «dass man auf der einen Seite, bei den gesundheitspolitischen Massnahmen, dem Bundesrat vollumfänglich vertraut und daran nichts ändern will, während man auf der anderen Seite den finanzpolitisch austarierten Stützungsmassnahmen dann derart misstraut», fasste Albert Rösti (svp, BE) den Unmut der SVP zusammen. Im Gegenzug verwies Esther Friedli für die Kommissionsmehrheit auf die Probleme bei den Härtefallprogrammen. Diese habe man nun erkannt und müsse sie folglich beheben.
Die folgende Beratung des zweiten Blocks wurde dann in der Tat zum Albtraum des Finanzministers. In einem ersten Schritt beschloss der Nationalrat, Härtefallhilfen unabhängig vom Gründungsdatum der Unternehmen zu sprechen. Der Bundesrat hatte, unterstützt vom Ständerat, vorgeschlagen, Unternehmen, die nach dem 1. Oktober 2020 gegründet worden waren, nicht zu unterstützen, weil diese mit einem Anstieg der Covid-19-Erkrankungen hätten rechnen müssen. Der Finanzminister beschilderte diese Zusatzausgabe der Kommissionsmehrheit mit CHF 300 Mio.
Darüber hinaus entschied sich der Nationalrat, Härtefallhilfen neu auch Unternehmen, deren Umsatz während der Covid-19-Pandemie 75 statt 60 Prozent des durchschnittlichen Umsatzes beträgt, zukommen zu lassen. Gleichzeitig sollten nicht mehr die gesamte Vermögens- und Kapitalsituation der Unternehmen, sondern nur noch ihre ungedeckten Fixkosten berücksichtigt werden. In der Praxis sei festgestellt worden, dass auch Unternehmen mit einem Umsatz leicht unter 75 Prozent des früheren Umsatzes grosse Probleme hätten und ebenfalls Härtefallunterstützung benötigten, um überleben zu können. Die Konzentration auf die nicht gedeckten Fixkosten begründete die Kommissionsmehrheit damit, dass aufgrund der Berücksichtigung der Vermögens- und Kapitallage «vor der Krise gesunde Unternehmen faktisch erst unterstützt werden, wenn sie schon fast in Konkurs sind». Dieser Entscheid des Nationalrats koste CHF 3.5 Mrd., rechnete der Finanzminister vor, damit würden 17'000 zusätzliche Betriebe berücksichtigt.
Etwa CHF 500 Mio. würde der Antrag der Kommissionsmehrheit kosten, die vom Ständerat geschaffene Pflicht zu streichen, wonach sich Eignerinnen und Eigner von Unternehmen an den Härtefallleistungen beteiligen müssen, wenn diese CHF 5 Mio. übersteigen. «Wer ein Härtefall ist, hat ja wohl kaum noch Möglichkeiten, Eigenmittel einzubringen», argumentierte Esther Friedli für die Kommission und verwies auf die Ungleichbehandlung gegenüber Unternehmen mit tieferem Jahresumsatz. Auch diesen Vorschlag der Kommissionsmehrheit nahm der Nationalrat an.
Eine Gewinnbeteiligung des Bundes bei denjenigen Unternehmen mit Jahresumsatz von über CHF 5 Mio., die A-Fonds-perdu-Beiträge erhalten hatten, hatte der Ständerat tags zuvor eingeführt. Im Geschäftsjahr der entsprechenden Härtefallhilfe sollen die Unternehmen in der Folge ihren gesamten Gewinn (maximal jedoch den Betrag, den sie vom Bund erhalten hatten minus CHF 1 Mio.) dem Bund abgeben müssen. Dagegen wehrte sich eine Minderheit Badran (sp, ZH), die auf die Definition von «A Fonds perdu» hinwies, die entsprechenden Leistungen als «Abgeltung für unverschuldeten Schaden» verstand und sich dagegen wehrte, Unternehmen, die fleissig arbeiteten, dafür zu bestrafen. Damit würge man Investitionen in die Zukunft ab. Finanzminister Maurer zeigte gewisses Verständnis für die Argumentation von Badran, sorgte sich jedoch insbesondere um die Akzeptanz dieser Massnahmen in der Bevölkerung. Auch hier zeigte sich der Nationalrat grosszügig und folgte dem Antrag Badran, der die entsprechenden Rückzahlungen auf Unternehmen ab einem Jahresumsatz von CHF 250 Mio. beschränken wollte.
Überdies folgte die Mehrheit des Nationalrats dem Ständerat auch bezüglich der Erhöhung der Höchstbeiträge bei den Härtefallhilfen für Unternehmen mit einem Umsatzrückgang von über 70 Prozent – eine Minderheit Aeschi hatte 80 Prozent gefordert. Finanzminister Maurer hatte die Zusatzkosten der beiden Anträge auf CHF 540 Mio. (Mehrheit) und CHF 470 Mio. (Aeschi) beziffert und deren Ablehnung beantragt.
Damit hatte der Nationalrat in wenigen Geschäften Zusatzausgaben in Milliardenhöhe geschaffen. Der Finanzminister sprach einige Tage später davon, dass sich der Nationalrat «in einen Ausgabenrausch gesteigert» habe – zum Ende der Beratung des Covid-19-Gesetzes durch den Nationalrat beliefen sich die Zusatzausgaben auf fast CHF 10 Mrd.

Doch nicht nur aus monetären Gründen lehnte der Bundesrat verschiedene von der Kommissionsmehrheit in diesem Block vorgeschlagene Anträge ab. So störte sich beispielsweise der Finanzminister bezüglich der von der Kommissionsmehrheit vorgeschlagenen Präzisierung des Dividendenverbots weniger an deren Kosten als daran, dass damit im Vollzug Rechtsunsicherheit geschaffen würde – Maurer sprach gar von einem «Gummiparagrafen». So sollten zwar die Ausschüttung von Dividenden und die Rückerstattung von Kapitaleinlagen verboten bleiben, aber Ausschüttungen mit Finanzierungscharakter, für Nachfolgelösungen oder an nicht-mitarbeitende Familienangehörige, Darlehen oder Lohnvorschüsse erlaubt bleiben. Die aktuelle Regelung war vor weniger als drei Monaten beschlossen worden, dennoch sprach sich die Mehrheit des Nationalrats gegen den Widerstand von SVP und FDP für die Änderung aus.
Eine weitere Änderung an Massnahmen, die erst gerade in der letzten Session beschlossen worden waren, schlug die Kommissionsmehrheit beim Handlungsspielraum der Kantone vor. So hatte das Parlament im Dezember entschieden, dass die Kantone bei den Härtefallmassnahmen nur Mindestanforderungen des Bundes einhalten müssen. Nun sollte jedoch eine Pflicht für den Bund zu einer koordinierten Umsetzung der Massnahmen und für Mindeststandards der Leistungen geschaffen werden. Darüber zeigte sich der Finanzminister ziemlich verärgert: «Meiner Meinung nach ist dieser Absatz so ziemlich das Dümmste, was Sie jetzt noch machen können». Der Bund sei seit dem 1. Dezember 2020 gemeinsam mit den Kantonen dabei, die entsprechenden Massnahmen auszuarbeiten – das Vorgehen erfolge somit bereits koordiniert. Es habe lange gedauert, nun sei man aber soweit; folglich mache es keinen Sinn, die Kantone zu zwingen, jetzt noch einmal von vorne zu beginnen. Die Kommissionsmehrheit störte sich jedoch an den unterschiedlichen kantonalen Regelungen und setzte sich mit ihrer Forderung im Nationalrat gegen die SVP, fast die ganze Mitte-Fraktion und einzelne Mitglieder der FDP-Fraktion durch.
Abgelehnt wurden hingegen zahlreiche Minderheitsanträge in diesem Block, etwa eine Minderheit Grossen für eine Erleichterung der Anspruchsvoraussetzungen für Unternehmen mit sehr hohen Umsatzausfällen, einer Minderheit Regazzi für eine neue Unterstützungsmassnahme in Form von A-Fonds-perdu-Beiträgen für Betriebe, die aufgrund von behördlichen Anordnungen geschlossen worden waren, oder eine weitere Minderheit Grossen für eine Wiederaufnahme des Solidarbürgschaftsprogramms.
Einsparungen konnte der Finanzminister schliesslich aufgrund eines Einzelantrags Markwalder (fdp, BE) verzeichnen: Darin wurde gefordert, dass die A-Fonds-perdu-Beiträge maximal den belegten ungedeckten Fixkosten entsprechen dürfen, bei Unternehmen mit über CHF 250 Mio. Jahresumsatz maximal 30 Prozent der ungedeckten Fixkosten. Damit sollten die Härtefallhilfen auf KMU fokussiert werden, da diese auch besonders stark von den Restriktionen betroffen seien. Zudem sollte eine staatliche «Überentschädigungen» verhindert werden. Gegen den Willen von SP, GLP und GP nahm der Rat diesen Antrag an.
Nicht umstritten war in diesem Block hingegen die Frage zu den Härtefallmassnahmen: Diesbezüglich schlug der Bundesrat vor, die finanzielle Beteiligung des Bundes an den Härtefallmassnahmen nicht mehr im Rahmen des Covid-19-Gesetzes, sondern neu in einem separaten Bundesbeschluss über die Finanzierung der Härtefallmassnahmen zu regeln. Mit diesem sollte ein Verpflichtungskredit von CHF 8.2 Mrd. genehmigt werden, wobei CHF 4.2 Mrd. für Unternehmen mit einem Jahresumsatz bis CHF 5 Mio., CHF 3 Mrd. für grössere Unternehmen und CHF 1 Mrd. als Bundesratsreserve eingesetzt werden sollten. Mit 192 zu 4 Stimmen nahm der Nationalrat den neuen Bundesbeschluss deutlich an. Die ablehnenden Stimmen stammten von Mitgliedern der SVP-Fraktion.

In einem dritten Block zum Thema «Arbeitslosenversicherung» vertrat Wirtschaftsminister Parmelin die Position des Bundesrates. Bei den Bestimmungen im Bereich der ALV lagen verschiedene Änderungsanträge vor. Der Bundesrat hatte vorgeschlagen, die Höchstdauer für Kurzarbeitsentschädigung zu erhöhen, zumal Unternehmen, die seit März 2020 ohne Unterbrechung auf KAE angewiesen waren, die bisherige Höchstdauer Ende August 2021 erreichen würden. Nach dem Ständerat sprach sich auch der Nationalrat für die Erhöhung aus. Überdies schlug der Bundesrat eine Streichung der Voranmeldefrist für KAE und rückwirkende Anmeldungsmöglichkeiten ab dem 18. Dezember 2020 vor, die WAK-NR wollte diese Rückwirkung bereits ab dem 1. September 2020 ermöglichen und gleichzeitig bis Ende April 2021 beschränken. Die Unternehmen seien im Dezember 2020 von den schnellen Schliessungen «überrumpelt» worden, betonte Bundesrat Parmelin, nun sollten sie die verpassten Anmeldungen nachholen können. Um die kantonalen Ämter zu schonen, begrenzte der Bundesrat die Rückwirkung aber stärker als die Kommissionsmehrheit, die sich in dieser Frage jedoch durchsetzte.
Bezüglich der ordentlichen Leistungen der ALV wollte die Kommissionsmehrheit in Übereinstimmung mit dem Bundesrat und dem Ständerat 66 zusätzliche ALV-Taggelder für die Monate März bis Mai 2021 schaffen, um der schwierigen Arbeitsmarktsituation Rechnung zu tragen. Eine Minderheit Ryser (gp, SG) wollte jedoch auch die Monate Januar und Februar in diese Bestimmung aufnehmen und die zusätzliche Anzahl Taggelder auf 107 erhöhen. Damit würden auch Personen unterstützt, die im Januar ausgesteuert wurden, zumal diese in der Folge kaum Stellen im Detailhandel oder im Gastgewerbe hätten finden können. «Wären [diese Personen] erst im März ausgesteuert worden, würden sie von einer Verlängerung profitieren», begründete Ryser den Antrag. Bundesrat Parmelin und mit ihm auch die Mehrheit des Nationalrats lehnten diese rückwirkende Massnahme aus Rücksicht auf die ohnehin schon überlasteten Durchführungsstellen und auf die zusätzlichen Kosten von CHF 1.3 Mrd. ab. Die Kommissionsmehrheit setzte sich diesbezüglich durch.
Neben diesen Änderungsvorschlägen des Bundesrates lagen erneut zahlreiche Anträge links-grüner Minderheiten auf einen Ausbau der KAE vor. Im Zentrum stand diesbezüglich die Aufstockung der KAE auf 100 Prozent für Einkommen bis CHF 3'470, wie sie im Dezember 2020 temporär bis Ende März 2021 geschaffen worden war. Eine Minderheit Ryser verlangte in Übereinstimmung mit mehreren Motionen, die Grenze für einen 100-prozentigen Anspruch auf CHF 4'000 zu erhöhen. Es habe sich gezeigt, dass die bisherige Grenze gerade für Familien zu tief liege, «das zieht eine Familie unter die Armutsgrenze». Ein Einzelantrag von Flavia Wasserfallen (sp, BE) verlangte gar 100-prozentige KAE für Einkommen bis CHF 4'412, dem Medianlohn im Gastgewerbe. Der Bundesrat verwies hingegen auf die wachsende Ungleichheit bei der Entschädigung von Arbeitslosen und Personen mit KAE und lehnte nicht nur die Erhöhung des entsprechenden Grenzbetrags, sondern auch die Verlängerung dieser Erhöhung bis Ende Dezember 2021 ab. Thomas Aeschi verwies in der Begründung seines Minderheitsantrags, mit dem er die entsprechende Regelung im März 2021 auslaufen lassen wollte, erneut auf die Öffnung der Gastronomie, welche eine solche Lösung überflüssig mache. Für die Kommission betonte Esther Friedli, dass noch immer viele Arbeitnehmende von Kurzarbeit betroffen seien und diese Massnahme folglich bis Ende Juni 2021, nicht aber bis Ende 2021 weiterlaufen soll. Diesem Votum pflichtete der Nationalrat bei und verlängerte die Dauer der bisherigen Lösung auf Ende Juni 2021. Sämtliche Minderheitsanträge lehnte er folglich ab.
Stattdessen sah eine Minderheit Bendahan (sp, VD) ein Dividendenverbot für den Zeitraum des Bezugs von KAE vor: Solange ein Unternehmen von öffentlichen Geldern profitiere, sollten die Aktionärinnen und Aktionäre keine Dividende erhalten, argumentierte er. Bisher bestand ein Dividendenverbot bereits beim Bezug von Härtefallhilfe. Bundesrat Parmelin verwies denn auch darauf, dass KAE keine Subvention, sondern eine Versicherungsleistung seien. Da damit insbesondere die Arbeitsplätze erhalten werden sollen, wäre eine Regelung, gemäss der ein Unternehmen zwischen Kurzarbeit und Dividendenzahlungen wählen muss, kontraproduktiv. Zudem müssten die Unternehmen gerade jetzt Investoren anlocken können. Wie bereits der Ständerat bei der Schaffung des Covid-19-Gesetzes sprach sich nun auch der Nationalrat gegen eine solche Regelung aus, die von der SP, der GP und zwei Mitgliedern der GLP unterstützt wurde.
Auf grossen Widerstand stiess schliesslich der Vorschlag der Kommissionsmehrheit, zur Stärkung des Detailhandels an 12 zusätzlichen Terminen Sonntagsverkäufe durchführen zu können. Deutliche Worte fand die Sprecherin des Minderheitsantrags, Prisca Birrer-Heimo, die den Antrag als «zynisch» und als «Missbrauch der Covid-19-Gesetzgebung» bezeichnete. Das Verkaufspersonal, das unter normalen Bedingungen sehr viel leiste, habe während der Pandemie «noch einen zusätzlichen Effort für die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln geleistet». Dafür seien sie in der ersten Welle beklatscht worden, während man nun von ihnen verlange, noch verstärkt am Sonntag zu arbeiten. Und dies ohne dass die Sozialpartner konsultiert worden seien. Auch Wirtschaftsminister Parmelin verwies auf den starken Widerstand gegen Sonntagsarbeit in Teilen der Bevölkerung und empfahl den Verzicht auf eine solche Regelung. Knapp setzten sich die Minderheit und der Bundesrat mit 96 zu 93 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) durch, womit der Nationalrat zusätzliche Sonntagsverkäufe ablehnte.
In der Folge sprach sich der Nationalrat mit 139 zu 54 Stimmen (bei 1 Enthaltung) dafür aus, dem ALV-Ausgleichsfonds CHF 6 Mrd. zur Deckung der Kosten für KAE für die Jahre 2020 und 2021 zukommen zu lassen und die entsprechende Ausgabenbremse zu lösen. Damit sollte verhindert werden, dass sich der ALV-Fonds überschuldet und die automatische Schuldenbremse in Kraft tritt. Einzig die Mitglieder der SVP lehnten die entsprechende Regelung ab respektive enthielten sich der Stimme.

In einem vierten Block behandelte der Nationalrat sämtliche übrigen im Covid-19-Gesetz geregelten Aspekte der Pandemie.
Bei den Geschäftsmieten etwa beantragte eine Minderheit Badran, die Kündigungsfristen bei Mietzinsrückständen auf 90 Tage und bei Pachtzinsrückständen auf 120 Tage zu verlängern. Im Dezember 2020 sei das Parlament davon ausgegangen, dass Vermietende und Mietende eine Lösung finden würden, was eine gesetzliche Regelung unnötig gemacht hätte – dies sei jedoch nicht der Fall gewesen. Insbesondere grosse Vermietende hätten sich in der Folge «darauf berufen, dass das Parlament hier offensichtlich keine Einigung wünsche», und den Mietenden bei Verzug mit Kündigung gedroht. Man müsse nun die Mietenden «bis zum Eintreffen der Härtefallgelder» vor Kündigungen schützen. Finanzminister Maurer erachtete diese Regelung als mit dem Covid-19-Gesetz nicht kompatibel, zumal entsprechende Härtefälle in der Härtefallverordnung geregelt seien – das Anliegen solle folglich dort aufgenommen werden. Die Minderheit setzte sich jedoch mit 98 zu 90 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) durch.

Daneben beantragte die Kommissionsmehrheit, die Übernahme von Betriebsstätten durch ausländische Käuferinnen und Käufer erneut einer Bewilligung zu unterstellen. Damit solle verhindert werden, dass ausländische Personen die Notverkäufe von Betrieben während der Pandemie nutzten und dadurch viele Objekte in der Schweiz in fremde Hände gerieten. Bundesrat Maurer lehnte eine solche Regelung im Covid-19-Gesetz ab, nicht zuletzt, weil diese Regelung nur bis zum 31. Dezember 2021 in Kraft sein würde – anschliessend tritt das Gesetz ausser Kraft. Zudem könne eine solch gravierende materielle Änderung nicht ohne Vernehmlassung und breite Abstützung ins Gesetz aufgenommen werden. Schliesslich verwies er auf die parlamentarische Initiative 21.400, der die RK-NR bereits Folge gegeben hatte. Einen Minderheitsantrag Leo Müller (mitte, LU) auf Streichung der Massnahme war anfangs erfolgreich, nach einem Ordnungsantrag und einer Wiederholung der Abstimmung sprach sich der Nationalrat mit 113 zu 80 Stimmen (bei 1 Enthaltung) jedoch für die von der Kommissionsmehrheit vorgeschlagene Regelung aus.

Im Kulturbereich wollte die Kommissionsmehrheit dem Ständerat beipflichten, der die bisher geltende Beschränkung der Höhe der Kulturleistungen aufheben wollte. Man brauche hier analog zu den Härtefallhilfen Flexibilität, argumentierte Esther Friedli. Finanzminister Maurer fürchtete sich jedoch davor, mit dieser Ausweitung «Tür und Tor für Forderungen» zu öffnen. Die Mehrheit setzte sich aber gegen einen Minderheitsantrag Aeschi, der bei der bisherigen Regelung bleiben wollte, durch und strich die Beschränkung für Härtefallhilfen im Kulturbereich. Zudem beantragte die Kommissionsmehrheit, bei der Hilfe für Kulturschaffende die Freischaffenden ausdrücklich zu erwähnen, was eine weitere Minderheit Aeschi ablehnte. Der Finanzminister verwies auf die schwierige Definition von «freischaffende[n] Angestellte[n]» und betonte, dass die selbständigerwerbenden Freischaffenden bereits Anspruch auf den Corona-Erwerbsersatz, Ausfallentschädigung und Notfallhilfe hätten. Auch hier setzte sich die Kommissionsmehrheit jedoch durch.
Darüber hinaus schuf der Nationalrat einen von der Kommissionsmehrheit vorgeschlagenen Paragraphen, der eine Ausfallentschädigung für abgesagte oder verschobene Veranstaltungen, Messen, Gewerbeausstellungen und Jahrmärkte zwischen dem 1. Juni 2021 und dem 30. April 2022 vorsah. Damit wollte die Kommissionsmehrheit einen «Schutzschirm für die Veranstaltungsbranche», wie es Esther Friedli nannte, schaffen. Dies sollte Kulturunternehmen zur Planung neuer Veranstaltungen motivieren. Der Finanzminister bekundete zwar seine Sympathie für die Idee, verwies aber erfolglos auf die daraus resultierenden Vollzugsprobleme.
Angenommen wurde überdies ein Verbot finanzieller Beiträge an kantonale Grundeinkommen, womit die Kommission insbesondere die Bundesfinanzierung des Zürcher Modells der Ausfallentschädigung für Kulturschaffende verhindern wollte. Jedoch entsprächen weder das Zürcher noch das Basler Modell einem Grundeinkommen, betonte Prisca Birrer-Heimo, die diesen Artikel wieder streichen wollte. Durch die Annahme eines befristeten Pauschalbetrags solle lediglich eine administrative Erleichterung geschaffen werden. Zudem widerspreche der in diesem Artikel ebenfalls vorgeschriebene detaillierte Nachweis der finanziellen Einbussen der bisherigen Praxis, wonach finanzielle Einbussen nur plausibilisiert werden müssen. Knapp setzte sich die Kommissionsmehrheit mit 100 zu 92 Stimmen (bei 1 Enthaltung) durch.
Einig waren sich Kommissionsmehrheit und Bundesrat schliesslich bei der Frage der Rückwirkung im Kulturbereich: Hier gäbe es eine Lücke in der bisherigen Gesetzgebung, die durch eine Rückwirkungsklausel geschlossen werden müsse, erklärte der Bundesrat und der Nationalrat stimmte ihm zu.

Bei den Härtefallmassnahmen für Sportklubs hatte sich der Ständerat zuvor entschieden, auf die für den Erhalt von A-Fonds-perdu-Beiträgen nötigen Einkommensreduktionen bei den Sportklubs zu verzichten. Dieses Vorgehen unterstützte eine Minderheit Regazzi gegen den Willen der Kommissionsmehrheit, welche die Einkommensreduktionen beibehalten wollte. Regazzi verwies auf die Probleme von Klubs mit geringerem Budget. Diese müssten Verträge mit ihren Topspielern auflösen, welche den Klub in der Folge ablösefrei verlassen könnten, wodurch diesem Transfereinnahmen entgingen und er an Wettbewerbsfähigkeit verliere. Deshalb hätten auch kaum Super League-Klubs entsprechende Anträge gestellt. Mit 130 zu 48 Stimmen blieb der Nationalrat zwar deutlich bei der im Dezember 2020 getroffenen Regelung, der Minderheitsantrag fand jedoch in allen Fraktionen Zustimmung.

Im Medienbereich hatte der Ständerat zuvor eine Möglichkeit zur Unterstützung für private Radio- und Fernsehunternehmen geschaffen, welche auch in der Kommission nicht umstritten war. Jedoch verlangte eine Minderheit I Rytz statt einer Kann-Formulierung eine Verpflichtung, während eine Minderheit II Birrer-Heimo die entsprechenden Zahlungen nicht aus der RTVG-Abgabe tätigen wollte. Regula Rytz verwies insbesondere auf die Corona-bedingt fehlenden Werbeeinnahmen der Medienunternehmen, deren Einnahmen trotz zunehmender Mediennachfrage sänken. Prisca Birrer-Heimo wehrte sich dagegen, dass die privaten Haushalte die Medienunterstützung durch eine Erhöhung der RTVG-Abgabe finanzieren müssten. Der Nationalrat lehnte die Änderungsvorschläge von Rytz und Birrer-Heimo indes ab und folgte damit dem Ständerat.

Neu hinzugekommen war im Covid-19-Gesetz eine Regelung für Kitas. So schlug der Bundesrat in Übereinstimmung mit der angenommenen Motion 20.3917 Finanzhilfen für Kantone vor, welche die entgangenen Betreuungsbeiträge von öffentlich geführten Institutionen der familienergänzenden Kinderbetreuung übernommen hatten. Eine Minderheit Aeschi lehnte die neue Finanzhilfe ab, scheiterte damit jedoch.

In diesem vierten Block behandelte der Nationalrat auch das Thema des Erwerbsersatzes. Im Dezember hatte das Parlament die Zugangsgrenze zu EO von Umsatzeinbussen von 55 Prozent auf 40 Prozent reduziert, nun wollte die WAK-NR einen Schritt weitergehen und Selbständigerwerbstätigen ab Umsatzeinbussen von 20 Prozent Erwerbsersatz bezahlen. Eine Minderheit Mettler (glp, BE) forderte überdies, die Geltungsdauer des Erwerbsersatzes von Ende Juni 2021 bis Ende Dezember 2021 zu verlängern. Einmal mehr verwies Minderheitensprecher Aeschi auf die Kosten von «mehrere[n] hundert Millionen Franken» – CHF 200 Mio. bis Ende Juni 2021, gar zwischen CHF 600 Mio. und CHF 1 Mrd. bis Ende 2021, wie der Finanzminister daraufhin auswies. Die Kommissionsmehrheit setzte sich jedoch mit dem Argument durch, dass auch Personen mit Erwerbsausfall bis 20 Prozent «in ihrer Erwerbstätigkeit als massgeblich eingeschränkt gelten». Erfolglos blieb hingegen der Antrag auf eine zeitliche Verlängerung der Massnahme.
Für Diskussionen sorgte auch der Antrag, den im Dezember 2020 geschaffenen Anspruch auf Überbrückungsleistungen für Personen, die ab dem 1. Januar 2021 ausgesteuert würden (statt erst ab dem 1. Juli 2021), wieder zu streichen. Stattdessen wollte die Kommissionsmehrheit erreichen, dass diese Personen nicht ausgesteuert werden, bis sie Anfang Juli 2021 ÜL beziehen können. Eine Minderheit Aeschi beantragte hingegen, sowohl die im Dezember geschaffene Lösung zu streichen als auch auf die neue Lösung der Kommission zu verzichten. So seien die für einen rückwirkenden Anspruch auf ÜL nötigen Strukturen gemäss der Verwaltung noch nicht vorhanden, unterstützte Daniela Schneeberger (fdp, BL) die Minderheit. Dennoch hiess der Nationalrat den Antrag der Kommissionsmehrheit gut.
Eine Regelung für verschiedene Bereiche – KAE, EO, Härtefall, sektorielle Unterstützung – schlug schliesslich die Kommissionsmehrheit in Übereinstimmung mit einem Antrag der SGK-NR vor: Neu sollte ein Anspruch auf unverzügliche Vorschüsse geschaffen werden, wenn Gesuche nicht innert 30 Tagen bearbeitet werden. Bundesrat Parmelin verwies auf das bereits bestehende beschleunigte, summarische Verfahren bei den KAE und betonte, eine verzögerte Auszahlung von KAE liege häufig daran, dass die von den Unternehmen zur Verfügung gestellten Unterlagen nicht vollständig seien. Er unterstrich zudem die Schwierigkeit, später allfällige zu Unrecht bezahlte Leistungen wieder zurückzufordern. Der Nationalrat folgte hier dem Antrag der Kommissionsmehrheit und lehnte einen Antrag Aeschi auf Streichung ab.

Nach über 10-stündiger Debatte schritt der Nationalrat schliesslich zur Gesamtabstimmung zur zweiten Revision des Covid-19-Gesetzes, das in der grossen Kammer auf deutliche Zustimmung stiess: Mit 143 zu 35 Stimmen (bei 17 Enthaltungen) nahm der Nationalrat den Entwurf an. Sämtliche Enthaltungen und ablehnenden Stimmen stammten aus der SVP-Fraktion, von der nur zwei Personen für den Entwurf stimmten. Als weniger kritisch erachtete die SVP-Fraktion in den Gesamtabstimmungen den Bundesbeschluss über die Finanzierung der Härtefallmassnahmen nach dem Covid-19-Gesetz sowie das Bundesgesetz über die obligatorische ALV und die Insolvenzentschädigung, mit dem der ausserordentliche Beitrag 2021 an den Ausgleichsfonds geregelt wurde: Diesen Vorlagen stimmten erneut die Mitglieder aller anderen Fraktionen sowie 11 respektive 25 Mitglieder der SVP-Fraktion zu (150 zu 26 Stimmen (bei 16 Enthaltungen) respektive 165 zu 23 Stimmen (bei 6 Enthaltungen)).

Zweite Revision des Covid-19-Gesetzes (Änderung und Zusatzkredit; BRG 21.016)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

In der Frühjahrssession 2021 setzte sich der Ständerat mit der Motion von Lorenz Hess (bdp, BE) für einen Intransparenzabzug für Leistungserbringende, die systematisch auf die Sendung von Rechnungskopien verzichten, auseinander. Dabei folgte er stillschweigend dem Antrag der SGK-SR, welche die Motion zur Ablehnung empfohlen hatte, da die im Vorstoss geforderte Pflicht zur Zustellung von Rechnungskopien bereits im ersten Massnahmenpaket zur Kostendämpfung beschlossen worden war.

Intransparenzabzug für Leistungserbringer, die den Patienten keine Rechnungskopie zustellen (Mo. 18.3777)

Der Ständerat setzte sich in der Frühjahressession 2021 mit der Frage auseinander, ob es weiterhin möglich sein soll, Werbung für Alkoholprodukte kostenlos durch die EAV vorprüfen zu lassen, wie dies eine Motion Hess (bdp, BE) forderte. Christian Levrat (sp, FR), Sprecher der vorberatenden WAK-SR, die dem Geschäft mit 7 zu 5 Stimmen (bei 1 Enthaltung) zugestimmt hatte, argumentierte, dass zur Gewährleistung einer wirksamen Prävention gegen übermässigen Alkoholkonsum der kostenlose Zugang zu dieser Dienstleistung essentiell sei. Anders sah dies hingegen Bundesrat Maurer. Er rechtfertigte die geplante Kostenpflicht damit, dass die gegenwärtigen Bestimmungen ziemlich viele Ressourcen in der EZV für etwas beanspruchten, das mit dem durch die gleiche Stelle als Hilfsmittel herausgegebenen kostenlosen Leitfaden selbständig überprüft werden könne. Dem Finanzminister gelang es jedoch nicht, die kleine Kammer zu überzeugen. Mit 35 zu 7 Stimmen folgte der Ständerat seiner Kommission und stimmte der Motion zu.

Spirituosenwerbung. Bewährtes System beibehalten

In der Wintersession 2020 befasste sich der Nationalrat als Zweitrat mit der Vorlage zum Tabakproduktegesetz. Die grosse Kammer war sich einig, dass Handlungsbedarf angezeigt sei – so ist gemäss Kommissionssprecher Lorenz Hess (bdp, BE) die Regelung von Tabakprodukten im Lebensmittelgesetz «weder zweckdienlich noch zeitgemäss», Benjamin Roduit (cvp, VS) erklärte für die Kommission, dass durch das Gesetz die Ratifizierung des 2004 unterzeichneten WHO-Rahmenübereinkommens zur Eindämmung des Tabakgebrauchs realisiert werden könne und Andreas Glarner (svp, AG) gab zu verstehen, dass niemand den Tabakkonsum durch Kinder unterstütze. Trotzdem stellte letzterer einen Rückweisungsantrag. Gerade in Zeiten der Krise schade man mit dem Gesetz neben verschiedenen Branchen in den Bereichen Veranstaltungen, Werbung und Kommunikation auch den Medien, Läden sowie den angeschlagenen Tabakprodukteherstellern. Weiter gelte es, zwischen den verschiedenen Rauchsystemen zu differenzieren. Wenig begeistert vom Rückweisungsantrag zeigte sich nicht nur Gesundheitsminister Berset, welcher den Nationalrat dazu aufforderte, damit aufzuhören, «Pingpong zu spielen», sondern auch die grosse Mehrheit der grossen Kammer, die den Antrag mit 126 zu 43 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) ablehnte.
Der erste Tag der Ratsdebatte war den Punkten «Zusammensetzung und Emissionen» sowie der Verpackung gewidmet. Bei der ersten Thematik folgte der Nationalrat seiner vorberatenden SGK-NR und sprach sich unter anderem für die von der Kommission beantragte Anpassung aus, dass Inhaltsstoffe, welche zur Steigerung des Suchtpotentials dienen oder die Inhalation erleichtern, verboten werden sollten, wovon beispielsweise Mentholzigaretten betroffen wären. Weiter wollte die grosse Kammer dem Bundesrat die Kompetenz zugestehen, über die zulässigen Zutaten in Tabakprodukten zu bestimmen. Ein Minderheitsantrag Weichelt-Picard (al, ZG), der darauf abzielte, nur noch biologisch abbaubare Zigarettenfilter zu erlauben, fand indes kein Gehör.
Betreffend die Verpackungsangaben beschloss die grosse Kammer eine Vereinfachung der Produktinformationen auf resp. in der Verpackung. Stattdessen sollen die Hersteller und Herstellerinnen die Informationen auf geeignete Weise, beispielsweise per Online-Packungsbeilage, verfügbar machen. Katharina Prelicz-Huber (gp, ZH) versuchte ferner vergeblich, die Ratsmitglieder von einer neutralen Einheitsverpackung zu überzeugen, da die «Verpackung eine grosse Wirkung auf die Animation zum Rauchen» verfüge. Aber auch der SVP rund um Thomas Aeschi (svp, ZG) gelang es ihrerseits mittels verschiedener Minderheitsanträgen nicht, eine Mehrheit für eine Abschwächung der an den Verpackungen angebrachten Warnhinweise zu gewinnen.
Am zweiten Debattentag nahm sich der Nationalrat mit der Werbung für die Tabakprodukte dem umstrittensten Punkt der Vorlage an. Während sich die Ratslinke für ein weitgehendes, respektive die SP gar für ein vollständiges Werbeverbot einsetzte, wollte die SVP ganz von einem Werbeverbot absehen. Regine Sauter (fdp, ZH) betonte für die FDP die Wirtschaftsfreiheit und dass nicht vergessen werden dürfe, dass es sich bei Zigaretten um ein legales Produkt handle, für welches entsprechend Werbung gemacht werden dürfe. Im Wissen um die Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung» schlug die grosse Kammer insgesamt einen Mittelweg zwischen der von der Landesregierung und dem Stöckli eingenommenen Position ein, wobei weitgehend die von der vorberatenden Kommission entwickelten Anträge übernommen wurden. Anders als der Ständerat, der Werbung in Zeitungen, Zeitschriften und Internetseiten verbieten wollte, die von Minderjährigen besucht werden können, schränkte der Nationalrat dieses Verbot auf Presseerzeugnisse und Internetseiten ein, die an unter 18-Jährige gerichtet sind. Weiter untersagte der Nationalrat Werbung im öffentlichen Raum, in Kinos sowie auf Plakaten, die öffentlich sichtbar sind. Im Vergleich zum Ständerat wollte der Nationalrat bei den Einschränkungen zur Verkaufsförderung weniger weit gehen. So sollen diese nur Tabakprodukte zum Rauchen, nicht aber elektronische Zigaretten und «Gegenstände, die eine funktionale Einheit mit einem Tabakprodukt bilden» betreffen. Ausgenommen werden vom Verbot soll ferner die Verkaufsförderung von Zigaretten und Zigarillos in Form von Degustationen und Kundenpromotionen, da es sich um Genussmittel und nicht um Einstiegsprodukte handle. Nicht länger erlaubt sein soll zudem das Sponsoring von Veranstaltungen, die über einen internationalen Charakter verfügen oder Minderjährige als Zielpublikum haben. Auch bei Events, für deren Organisation der Bund, die Kantone oder die Gemeinden zuständig sind, sollen Tabakproduktehersteller nicht als Sponsoren in Erscheinung treten dürfen. Auf eine Meldepflicht für die Ausgaben in den Bereichen Werbung, Verkaufsförderung und Sponsoring wollte der Nationalrat hingegen verzichten.
Denkbar knapp – und entgegen der Position des Ständerats und der SGK-NR – stimmte die grosse Kammer mit 95 zu 94 Stimmen für einen Antrag aus den Reihen der SVP, wonach die Kantone nicht befugt sind, weitergehende Massnahmen zu erlassen. Unbestritten hingegen war das schweizweite Verkaufsverbot an Minderjährige sowie die Erlaubnis von Testkäufen zur Überprüfung, ob die Altersgrenze von 18 Jahren tatsächlich eingehalten wird. Ferner stimmte der Nationalrat Anträgen von Martin Landolt (mitte, GL) zu, der forderte, dass E-Zigaretten und Tabakprodukte zum Erhitzen in Restaurations- und Hotelbetrieben sowie in spezialisierten Verkaufsgeschäften in gewissen Zonen verwendet werden dürfen.
In der Gesamtabstimmung, in welcher der Entwurf mit 84 zu 59 Stimmen angenommen wurde, enthielten sich mit 47 Nationalrätinnen und -räten relativ viele Parlamentarierinnen und Parlamentarier ihrer Stimme. Es waren dies in erster Linie Mitglieder der Grünen-Fraktion und der FDP.Liberalen-Fraktion. Während der Stimmverzicht Ersterer vermutlich darauf zurückzuführen ist, dass sich diese schärfere Massnahmen gewünscht hätten, dürfte es sich bei Letzteren wohl um Beweggründe rund um die Wirtschaftsfreiheit handeln. Die Nein-Stimmen stammten vorwiegend aus dem Lager der SVP. Als einzige Partei geschlossen für die Vorlage stimmte die Fraktion der Grünliberalen.

Tabakproduktegesetz (BRG 15.075)
Dossier: Tabakproduktegesetz

Mit 17 zu 8 Stimmen empfahl die SGK-NR im November 2020 die Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung» abzulehnen, wobei sich eine Minderheit für das Volksbegehren aussprach. Gut einen Monat zuvor hatte die Kommission Vertreterinnen und Vertreter des Initiativkomitees konsultiert.
Während der Frühjahrssession 2021 stand die Initiative auf der Traktandenliste des Nationalrates. Die grosse Kammer zeigte sich bezüglich des Volksbegehrens gespalten. Benjamin Roduit (mitte, VS) und Lorenz Hess (mitte, BE) sprachen sich für die Kommissionsmehrheit gegen die Initiative aus. Ihnen zufolge hätte eine Annahme ein «faktisches Totalverbot» von Werbung zur Folge, was die Markt- und Handelsfreiheit von «sich legal im Handel befindenden Produkten» unverhältnismässig einschränken würde. Dies gehe auch mit wirtschaftlichen Konsequenzen für den Staat, der durch entsprechende Steuereinnahmen mitverdiene, sowie für Veranstaltungen und Medien, die von Sponsoring und Werbung abhängig seien, einher. Zielführender sei ein Kompromiss, bei dem der Jugendschutz im Vordergrund stehe, etwa in Form des Tabakproduktegesetzes. Dies entsprach weitgehend der Meinung der bürgerlichen Parteien SVP, FDP und Mitte. Nicht einverstanden damit waren hingegen die SP, Grünen und die GLP, welche die Ansicht vertraten, dass das Tabakproduktegesetz zu wenig weit gehe. Flavia Wasserfallen (sp, BE) betonte die Wichtigkeit der Volksinitiative, da die Mehrheit aller Rauchenden als Minderjährige mit dem Tabakkonsum begonnen hätten und dieser zu Gesundheitskosten sowie Kosten für die Wirtschaft in der Höhe von je CHF Mrd. 4 führe. Gesundheitsminister Alain Berset stellte sich im Namen des Bundesrates auf die Seite der Gegnerschaft, ebenfalls mit der Meinung, dass es sich beim Tabakproduktegesetz um das griffigere Instrument handle. Der Nationalrat empfahl das Volksbegehren in der Folge mit 96 zu 84 Stimmen (bei 1 Enthaltung) zur Ablehnung.

Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung (Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung)» (BRG 20.068)
Dossier: Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung» und deren Umsetzung

Noch bevor die Räte den gemäss SGK-NR weniger umstrittenen Teil des ersten Massnahmenpakets zu Ende beraten hatten, behandelte der Nationalrat in der Sondersession im Oktober 2020 die übrigen Artikel des ersten Kostendämpfungspakets unter dem Namen Paket 1b des ersten Massnahmenpakets zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen. Dazu gehörten die Massnahmen zur Steuerung der Kosten, das Beschwerderecht der Versicherer gegen Spitalplanungsentscheide sowie das Referenzpreissystem für patentabgelaufene Arzneimittel. Mit 17 zu 0 Stimmen bei 8 Enthaltungen hatte die SKG-NR ihren Entwurf, der gegenüber dem bundesrätlichen Vorschlag einige gewichtige Änderungen enthielt, zuvor angenommen. Eintreten war unbestritten.

Als ersten Hauptpunkt diskutierte der Nationalrat die Frage der Kostensteuerung, wobei Ruth Humbel (cvp, AG) und Philippe Nantermod (fdp, VS) die Kommissionsposition ausführlich darlegten: Eine knappe Kommissionsmehrheit unterstütze die Kostensteuerung generell. Diese lege fest, dass Tarifverträge entsprechend der Forderung der angenommenen Motion Brand (svp, GR; Mo. 18.3305) Massnahmen zur Kostenkorrektur im Falle eines unvorhergesehenen Anstiegs der Gesundheitskosten enthalten müssen. Anstatt entsprechende Regeln vorzuschreiben, wie der Bundesrat beabsichtigt hatte, setzte die Kommission jedoch auf degressive Tarife: Bei häufigerer Anwendung sollten die Tarife entsprechend sinken. Stattdessen folgte der Rat jedoch äusserst knapp mit 91 zu 90 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) einer Minderheit II Hess (bdp, BE), die vorschlug, die Kostensteuerungsmassnahmen aus dieser Vorlage zu streichen, zumal sie ein «Bestandteil des Zielkostensystems» seien, welches erst im zweiten Kostendämpfungspaket behandelt werden wird. Entsprechend solle diese Massnahme ins zweite Paket verschoben werden.

Der zweite Hauptpunkt der Vorlage stellte das Beschwerderecht der Krankenversicherungen und ihrer Verbände gegenüber Entscheidungen der Kantonsregierungen bezüglich der Spitallisten sowie bezüglich Preisfestsetzungen für Arzneimittel, wie die Kommissionsmehrheit den bundesrätlichen Vorschlag ergänzt hatte, dar. Eine Minderheit Prelicz-Huber (gp, ZH) wehrte sich dagegen, dass «private Interessen eine Steuerung durch die politische Seite, durch die Kantone, aufheben» können sollen. Stattdessen soll die Kompetenz sowie die Entscheidhoheit in den entsprechenden Fragen bei den Kantonen und damit bei der Politik verbleiben. Nur die Politik und das Volk hätten das Wohl der ganzen Bevölkerung im Blick, während die Versicherungen ihre Partikularinteressen verfolgten, argumentierte sie. Konsequenterweise müsse man sonst auch ein Beschwerderecht unter anderem für Patienten- und Patientinnenorganisationen oder für die Sozialpartner einrichten. Zudem könne die entsprechende Regelung zu einer Blockade und zu Rechtsunsicherheit führen. Dem widersprach unter anderem Thomas de Courten (svp, BL), der die Versicherungen im Gesundheitswesen als «Anwälte der Patientinnen und Patienten» bezeichnete und die Massnahme für nötig erachtete, damit ein Gleichgewicht in der Verhandlungsmacht sichergestellt und die alleinige Macht der Kantone gebrochen werden könne. Die Minderheit setzte sich mit 104 zu 75 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) respektive 94 zu 87 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) durch, der Nationalrat sprach sich somit gegen das Beschwerderecht der Krankenversicherungen aus. Die Stimmen für die Kommissionsmehrheit stammten von Mehrheiten der SVP-, FDP.Liberale- und Mitte-Fraktion.

Den dritten zentralen Aspekt stellte die Frage des Referenzpreissystems für patentabgelaufene Arzneimittel dar, das der Bundesrat einführen wollte. Mit einem Referenzpreissystem für Generika dürfte die OKP zukünftig nur noch denjenigen Preis für ein Arzneimittel vergüten, der in diesem Referenzpreissystem festgelegt worden war — ausser es ist das einzige für die Patientin oder den Patienten mögliche Arzneimittel, dann wird es unabhängig vom Preis vergütet. Die Kommissionsmehrheit lehnte nun die Schaffung eines solchen Systems ab. Hier gehe es um Fragen der Versorgungssicherheit und der Patientensicherheit (wie in diesem Bericht ausgeführt wird), erklärte Kommissionssprecherin Humbel. Bei wechselnden Referenzpreisen bestehe die Gefahr, dass es zu nicht medizinisch begründeten Medikamentenwechseln komme, was zu abnehmender Therapietreue und sinkender Patientensicherheit und dadurch zu Folgekosten führen könne. Zudem könnten Firmen aufgrund des Preisdrucks darauf verzichten, ihre Produkte in der Schweiz anzubieten, wodurch die Abhängigkeit von den übrigen Lieferanten steige. Wie problematisch eine solche Abhängigkeit sei, habe sich im Rahmen der Corona-Krise gezeigt. Die Kommission wolle deshalb auf das Referenzpreissystem verzichten und stattdessen, beruhend auf einem Vorschlag von Curafutura, Pharmasuisse, Ärzte mit Patientenapotheke und Intergenerika die Generikapenetration erhöhen. Der Marktpreis solle daher jährlich statt alle drei Jahre überprüft und die Generikapreise gegenüber den Originalen um weitere fünf Prozent gesenkt werden. Zudem soll eine preisunabhängige Vertriebsmarge geschaffen werden, damit Ärztinnen, Ärzte, Apothekerinnen und Apotheker nicht wie bisher mehr Geld verdienten, wenn sie teurere Medikamente verkauften. Entsprechend habe man auch einstimmig die Motion 20.3936 eingereicht.
Eine Minderheit I Hess unterstützte hingegen das Referenzpreissystem des Bundesrates. Minderheitensprecher Hess argumentierte, seine Minderheit habe das bundesrätliche System etwas vereinfacht und abgeschwächt. So solle das Referenzpreissystem nur gelten, wenn mehr als zwei wirkstoffgleiche Medikamente auf dem Markt sind und ein Arzneimittel vom Bundesrat nicht als unverzichtbar festgelegt worden war. Mit einem eigenen Preis, also unabhängig vom Generika-Preis, sollten überdies Biosimilars, das sind Nachahmerpräparate, deren Wirkstoffe nicht mit denjenigen der Originale identisch sind, ins Preissystem aufgenommen werden, da diese gemäss dem revidierten Heilmittelgesetz nicht mit Generika gleichgesetzt werden können. Mit diesem Modell, das er als Referenzpreissystem «light» bezeichnete, könne das grösstmögliche Sparvolumen erreicht werden, argumentierte der Minderheitensprecher.
Eine Minderheit II Porchet (gp, VD) wollte überdies das Substitutionsrecht für Apothekerinnen und Apotheker stärken. Diese sollten zukünftig bei neuen Behandlungen eines der drei preisgünstigsten Arzneimittel abgeben müssen, sofern dies aus medizinischer und pharmazeutischer Sicht möglich ist.
Mit 114 zu 65 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) lehnte der Nationalrat die Einführung des Referenzpreissystems light ab. Interessant ist dabei, dass sich die Positionen der SP und der Grünen in dieser Frage deutlich unterschieden, was in Gesundheitsfragen nur selten der Fall ist: Während die SP die Einführung eines Referenzpreissystems zusammen mit der Mehrheit der Mitte-Fraktion unterstützte, sprachen sich die Grünen mit der GLP-Fraktion, der Mehrheit der SVP-, der FDP.Liberalen- und der Minderheit der Mitte-Fraktion dagegen aus. Abgelehnt wurden auch die Anträge auf eine Sonderbehandlung der Biosimilars (103 zu 75 Stimmen bei 7 Enthaltungen) sowie der Antrag der Minderheit II Porchet (108 zu 77 Stimmen). In letzterer Frage standen SP und Grüne zusammen mit den Grünliberalen wieder gemeinsam auf der Seite der Minderheit.

Im Rahmen dieser drei Hauptthemen behandelte der Nationalrat auch weitere Detailfragen, so zum Beispiel die Frage der verhandelten Rabatte. Als «Tabubruch» und als «absolutes No-Go» bezeichnete Barbara Gysi (sp, SG) den Vorschlag der SGK-NR, wonach maximal 25 Prozent der Einsparungen durch zwischen Tarifpartnern und Leistungserbringenden ausgehandelten tieferen Preisen und Tarifen den Versicherungen zur freien Verfügung stehen sollten, dass sie gemäss Gysi also «in die Taschen der Versicherer fliessen» sollten. Bisher mussten die entsprechenden Einsparungen vollumfänglich den Versicherten zugute kommen. «Braucht es denn wirklich dieses sogenannte Incentive [...], damit die Krankenversicherer ihre Arbeit tun, nämlich günstige Preise aushandeln?», fragte Gysi rhetorisch. Entsprechend beantragte ihre Minderheit die Streichung des Artikels, zumal dieser gemäss Flavia Wasserfallen (sp, BE) auch ohne seriöse Abklärungen in die Kommission gelangt sei. Kommissionssprecherin Humbel führte aus, dass der Ständerat bei Annahme dieser Regelung noch prüfen müsse, ob dieser Artikel dem grundsätzlichen Gewinnverbot in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung und der Forderung in Art. 56 Abs. 3bis KVG, wonach alle nicht der Qualitätsverbesserung dienenden Vergünstigungen an die Versicherten weitergegeben müssen, widerspricht und was unter dem Ausdruck «zur freien Verfügung» genau verstanden werden soll. Thomas de Courten befürwortete schliesslich den Mehrheitsantrag; es sei der «Sinn dieser ganzen Debatte, dass wir die Kosten dämpfen und die Anreize entsprechend setzen». Mit 117 zu 67 Stimmen (bei 1 Enthaltung) sprach sich der Nationalrat für den Kommissionsvorschlag aus.
Ausführlich legte schliesslich Thomas de Courten seinen Minderheitsantrag zu den Parallelimporten dar. Er wehrte sich darin gegen den Vorschlag der Kommissionsmehrheit, patentabgelaufene Medikamente ohne Zulassungspflicht durch Swissmedic auf den Schweizer Markt zu bringen. Parallelimporte seien bereits heute erlaubt, dabei müssten aber dieselben Bedingungen eingehalten werden, die für alle anderen Medikamente auch gelten. Mit dem Vorschlag der Kommission könnten Zulassungsentscheide irgendwelcher anderen Länder zukünftig auch für die Schweiz gelten, ohne dass zum Beispiel die Good Manufacturing Practice der Schweiz im Herstellungsprozess beachtet werden müsste. Eine zusätzliche Prüfung durch Swissmedic sei nicht nötig, da man davon ausgehe, dass die ausländischen Zulassungsbehörden dieselben Qualitätsanforderungen stellten wie Swissmedic, begründete Kommissionssprecherin Humbel den Minderheitsantrag. Mit 128 zu 53 Stimmen folgte der Rat diesbezüglich jedoch der Mehrheit, Gehör fand das Anliegen von de Courten nur bei der Mehrheit der SVP-Fraktion und je einem Mitglied der FDP.Liberalen- und der Mitte-Fraktion.

In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat seinen Entwurf schliesslich mit 130 zu 52 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) an. Die Gegenstimmen stammten von der SP-Fraktion sowie von der Mehrheit der Grünen-Fraktion.

Erstes Massnahmenpaket zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen (BRG 19.046)
Dossier: Anstieg der Krankenkassenprämien dämpfen (seit 2020)

Obwohl die Leistungserbringenden im Tiers payant die Pflicht hätten, den Patientinnen und Patienten Rechnungskopien zuzustellen, verzichten einige von ihnen systematisch darauf und verunmöglichen dadurch die Kontrolle der Rechnungen durch die Patientinnen und Patienten. Entsprechend forderte Lorenz Hess (bdp, BE) in einer Motion die Schaffung einer Möglichkeit im KVG, Leistungserbringende, die systematisch auf die Sendung von Rechnungskopien verzichten, mit einem Intransparenzabzug – zum Beispiel in der Höhe von CHF 40 pro Rechnung – zu belegen. Der Bundesrat verwies in seiner Antwort auf das erste Kostendämpfungspaket, welches die bisher in der KVV aufgeführte Pflicht zur Zustellung einer Rechnungskopie ins KVG aufnehmen und klarer definieren sowie Sanktionsmassnahmen festlegen will. Entsprechend empfahl er die Motion zur Ablehnung. Obwohl der erste Teil des Kostendämpfungspakets I, der die Frage der Rechnungszustellung beinhaltete, in der Zwischenzeit vom Nationalrat behandelt und mit einigen Änderungen angenommen worden war, sprach sich der Nationalrat mit 187 zu 1 Stimme (bei 1 Enthaltung) fast einstimmig für Annahme der Motion aus. Nicht überzeugt zeigten sich einzig Alfred Heer (svp, ZH; Ablehnung) und Beat Walti (fdp, ZH; Enthaltung).

Intransparenzabzug für Leistungserbringer, die den Patienten keine Rechnungskopie zustellen (Mo. 18.3777)

Eine von Bernhard Guhl (bdp, AG) im Sommer 2018 eingereichte und auf die neue Legislaturperiode von seinem Parteikollegen Lorenz Hess (bdp, BE) übernommene Motion forderte, die Innovation im Stromnetz zu ermöglichen. Konkret sollen dazu im Kontext der Revision des StromVG bei der Netztarifierung mehr Gestaltungsfreiheit und mehr Verursachergerechtigkeit Einzug halten. Der Bundesrat erachtete das Anliegen in seiner Stellungnahme bereits als erfüllt, da im Zuge der Energiestrategie 2050 (Bestimmungen zu Mess-, Regel- und Steuersystemen im StromVG) und der Strategie Stromnetze Massnahmen in Richtung Smart Grids, Effizienz und einer verbesserten Integration dezentraler Stromproduktionsstätten getroffen worden seien. Mit der Strategie Stromnetze habe zudem das Nova-Prinzip Eingang ins Gesetz gefunden, das besagt, dass Netzoptimierung vor einer Netzverstärkung stehen soll und dadurch innovative Massnahmen seitens der Netzbetreiber erwünscht seien. Mehr Freiraum und Flexibilität bei der Verwendung von Leistungstarifen wollte der Bundesrat den Betreibern zudem im Zuge der genannten Revision des StromVG einräumen, die im Herbst 2018 in die Vernehmlassung kommen sollte. In seiner ablehnenden Haltung erklärte der Bundesrat weiter, dass die Motion den Handlungsspielraum des Bundesrates einschränken würde und grösseren administrativen Aufwand zur Folge hätte. Im Sommer 2020 verstrich schliesslich die Behandlungsfrist des Vorstosses, was zu dessen Abschreibung führte.

Innovationen im Stromnetz ermöglichen (Mo. 18.3678)

In der Frühjahrssession 2020 behandelte der Ständerat die Motion Hess (fdp, BE), in welcher der Motionär eine Ausweitung des elektronischen Datenaustauschs auf weitere Bereiche forderte, zusammen mit der Motion Brand (svp, GR; Mo. 18.3765). Zuvor hatte die SGK-SR den Ausbau des elektronischen Datenaustausches zwischen Kantonen und Krankenversicherungen befürwortet, die Krankenversicherungsverbände davon aber noch einmal ausdrücklich ausgenommen und einen entsprechenden Vorbehalt angebracht. Stillschweigend folgte der Ständerat diesem Antrag und nahm die Motion an, nachdem Kommissionssprecher Ettlin (cvp, OW) im Rat noch einmal ausdrücklich auf den Vorbehalt der Kommission hingewiesen hatte.

Wohnsitzfrage, Krankenkassenprämie und stationäre Anteile der Kantone. Weniger Bürokratie, weniger Fehler (Mo. 18.4209)

In der Frühjahrssession 2020 behandelte der Ständerat die Motion Brand (svp, GR) für eine administrative Erleichterung der Überprüfung der Versicherungspflicht durch die Kantone zusammen mit der Motion Hess (bdp, BE; Mo. 18.4209). Zuvor hatte die SGK-SR den Ausbau des elektronischen Datenaustausches zwischen Kantonen und Krankenversicherungen befürwortet, die Krankenversicherungsverbände davon aber noch einmal ausdrücklich ausgenommen. Während Kommissionssprecher Ettlin (cvp, OW) diesen Vorbehalt bezüglich der Motion Hess im Rat noch einmal betonte, sprach er denselben Vorbehalt der Kommission bezüglich der Motion Brand nicht mehr an. Stillschweigend nahm der Ständerat die Motion Brand in der Folge an.

Zeitgemässer elektronischer Datenaustausch zwischen Gemeinden und Krankenversicherern (Mo. 18.3765)

Die Disziplinaruntersuchung gegen Michael Lauber war verzögert worden, weil das Bundesverwaltungsgericht im Sommer 2019 entschieden hatte, dass kein externes Untersuchungsmandat vergeben werden darf, sondern dass jemand aus der AB-BA selber die Untersuchung leiten müsse. Gegen dieses Urteil hatte die AB-BA Beschwerde eingereicht, es wurde aber Anfang 2020 vom Bundesgericht bestätigt. Die AB-BA habe generell kein Beschwerderecht, urteilte das Bundesgericht, was im Tages-Anzeiger als «Etappensieg für Michael Lauber» bewertet wurde.
In der Folge übernahm AB-BA-Mitglied Alexia Heine die Leitung der Disziplinaruntersuchung. Konkret ging es darum, herauszufinden, ob eine Amtspflichtverletzung vorlag, weil sich Lauber bei nicht protokollierten Geheimtreffen mit Fifa-Präsident Gianni Infantino abgesprochen und diesbezüglich gelogen haben soll. Heine galt als «sehr effiziente Person», wie die Aargauer Zeitung zu berichten wusste. Die gleiche Zeitung vermeldete freilich auch, dass Lauber nicht kooperiere, Informationen verweigere und die «gleiche Verteidigungstaktik wie US-Präsident Donald Trump in seinem Amtsenthebungsverfahren» wähle: «Stonewalling».

Anfang März 2020 legte die AB-BA dann die Resultate der Disziplinaruntersuchung vor und hielt darin schwerwiegende Amtspflichtverletzungen fest. Neben der Verletzung der Protokollierungspflicht fanden sich in der Liste der Vorwürfe etwa auch eine «Verweigerungshaltung gegenüber den Auskunfts- und Editionsaufforderungen der AB-BA», «Übernahme der eigenen Anwaltskosten durch die Bundesanwaltschaft» – ein Punkt der im Blick besondere Empörung hervorrief –, «Verletzung der Treuepflicht», «Erstattung unwahrer Angaben gegenüber der AB-BA», «Illoyales Handeln» oder «Behinderung der Untersuchung». Als Sanktion verfügte die AB-BA eine einjährige Lohnkürzung von 8 Prozent, was insgesamt einer Reduktion des Jahreslohns um rund CHF 24'000 entsprach. Damit wählte die Aufsichtsbehörde allerdings nicht das schärfste Mittel, das ihr zur Verfügung stand, wären doch eine maximale Lohnkürzung von 10 Prozent oder aber ein Antrag auf Amtsenthebung möglich gewesen. Man habe keine Hinweise darauf gefunden, dass Lauber unrechtmässige Leistungen empfangen habe, was das mildere Urteil rechtfertige, so die AB-BA in ihrem Bericht.

Die Reaktionen auf den Untersuchungsbericht waren unterschiedlich. Verschiedene Parlamentsmitglieder äusserten sich konsterniert. Lorenz Hess (bdp, BE), Mitglied der Gerichtskommission (GK), sprach in der Aargauer Zeitung von einer «untragbaren Situation» und Matthias Aebischer (sp, BE) befürchtete einen «Reputationsschaden für die Schweiz». Es wurde allerdings auch darauf hingewiesen, dass Lauber die Möglichkeit habe, die Verfügung vor Bundesverwaltungsgericht anzufechten. Es sei deshalb zu früh für ein politisches Urteil über die Amtsführung des Bundesanwalts, gab Christian Lüscher (fdp, GE) zu Protokoll.
Die NZZ zeigte sich über die eher zurückhaltenden Stellungnahmen verwundert: Die «Schelte» gegen den Bundesanwalt verhalle im Parlament wohl auch deswegen, weil man Lauber ja erst kürzlich im Amt bestätigt habe. Die Aargauer Zeitung forderte den Rücktritt Laubers. Damit könne er «eine Art Grösse zeigen». Die NZZ wies darauf hin, dass die Politik eigentlich nur die Möglichkeit der Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens habe, weshalb Lauber als einziger mit einem Rücktritt dafür sorgen könne, dass die Bundesanwaltschaft wieder zur Ruhe komme. Der Tages-Anzeiger sah hingegen neben dem Rücktritt Laubers eine andere Möglichkeit: Würde nämlich das Bundesverwaltungsgericht als Berufungsinstanz zum Schluss kommen, dass die Aufsichtsbehörde übertrieben habe, dann müsste die Berechtigung derselben und vor allem ihres Präsidenten, Hanspeter Uster, in Frage gestellt werden. Christian Levrat schlug in der Tribune de Genève gar vor, dass am besten beide Protagonisten zurücktreten sollten. Er beurteilte die Arbeit von AB-BA-Präsident Uster als zu «brutal». Dieser unwürdigen Auseinandersetzung («match assez indigne») an der Spitze einer so wichtigen Institution müsse ein Ende bereitet werden, so Levrat. Diese Ansicht wurde auch in der Weltwoche vertreten. Man gewinne beim Lesen des Disziplinarberichts den Eindruck, dass sich die AB-BA – «Hanspeter Uster und seine sechs Kollegen» – nicht an den Pflichtverletzungen Laubers störten, sondern «am unbotmässigen Verhalten des Bundesanwalts ihnen gegenüber». Die AB-BA habe sich in den ersten Jahren zu grosszügig gezeigt, der «furiore Uster» überschiesse nun aber in die andere Richtung, so das Wochenblatt.

Michael Lauber selber behielt sich rechtliche Schritte vor. In einer Ende März im Rahmen des «Fifa-Falls» ans Bundesstrafgericht gerichteten Stellungnahme, die der Aargauer Zeitung vorlag, wehrte sich der Bundesanwalt gegen die «unrechtmässig erstellte wie publizierte» Verfügung, die «einen persönlichkeitsverletzenden Inhalt» aufweise. Die Vorwürfe seien «konstruiert» und die Verfügung habe keine Rechtsgrundlage. Er werde sie deshalb anfechten und eine Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht einreichen. Dafür hatte Lauber aufgrund des im Rahmen der Covid-19-Massnahmen getroffenen Fristenstillstands bis Ende April 2020 Zeit.

Disziplinaruntersuchung gegen Michael Lauber (2019-2020)
Dossier: Michael Lauber - Bundesanwalt

Im Oktober 2019 entschied sich die WAK-NR äusserst knapp mit 13 zu 12 Stimmen, ihrem Rat die Rückweisung des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer bezüglich einer ausgewogenen Paar- und Familienbesteuerung an den Bundesrat zu empfehlen. Die Vorlage trage den gesellschaftlichen Entwicklungen nicht Rechnung und zementiere das geltende System, kritisierte die Kommissionsmehrheit. Eine Minderheit Ritter (cvp, SG) erachtete jedoch die Lösung des Problems als Verantwortung des Parlaments und betonte, dieses könne die nötigen Änderungen ja im Rahmen der Beratung vornehmen; eine Rückweisung nach 35-jähriger Vorarbeitszeit hingegen «grenze an Arbeitsverweigerung», kritisierte Ritter in der Ratsdebatte. Nach einer neuerlichen Grundsatzdebatte zu den Fragen, welches Familienmodell gefördert werde respektive gefördert werden solle, ob sozialpolitische Überlegungen in einem steuerpolitischen Geschäft überhaupt relevant seien und ob solche Überlegungen eine neuerliche Verzögerung rechtfertigten, folgte der Nationalrat mit 113 zu 80 Stimmen (bei 1 Enthaltung) dem Antrag der Kommissionsmehrheit und wies das Geschäft an den Bundesrat zurück. Grösstenteils stimmten die Fraktionen geschlossen: Die SP-, die FDP.Liberalen-, die Grünen- und die Grünliberale-Fraktion sprachen sich geschlossen für die Rückweisung aus, die SVP-Fraktion geschlossen dagegen. Einzig in der Mitte-Fraktion scherten die drei BDP-Nationalräte Lorenz Hess (bdp, BE), Martin Landolt (bdp, GL) und Heinz Siegenthaler (bdp, BE) aus und sprachen sich ebenfalls für die Rückweisung aus.

Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (ausgewogene Paar- und Familienbesteuerung; BRG 18.034)
Dossier: Abschaffung der Heiratsstrafe
Dossier: Reform der Ehe- und Familienbesteuerung seit 2000 – Gemeinschaftsbesteuerung oder Individualbesteuerung?
Dossier: Bestrebungen zur Einführung der Individualbesteuerung

In der Wintersession 2019 nahm sich der Nationalrat der Änderung des BetmG bezüglich Pilotversuche mit der Droge Cannabis an. Entgegen der Empfehlung seiner Kommission trat er mit 100 zu 85 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) auf die Gesetzesvorlage ein. Während sich die SP, die GLP, die Grünen, etwas mehr als die Hälfte der FDP-Liberalen-Fraktion sowie einige Vertreterinnen und Vertreter der Mitte-Fraktion für den Experimentierartikel aussprachen, stiess dieser bei der SVP sowie der Mehrheit der Mitte-Fraktion auf taube Ohren. Lorenz Hess (bdp, BE) erklärte bei der Eintretensdebatte für letztere, dass die Sorge um den Jugendschutz zur Haltung der Fraktionsmehrheit geführt habe. Ebenfalls auf den Jugendschutz ging Verena Herzog (svp, TG) als Kommissionssprecherin ein. Statt Experimente sollten mit den Geldern besser eine wirksame Drogenprävention für eine gesunde Jugend finanziert werden. Benjamin Roduit (cvp, VS) bat seine Ratskolleginnen und -kollegen zudem, nicht auf das Geschäft einzutreten, da es sich dabei um einen ersten Schritt zur Liberalisierung handle. Anders sah dies Regine Sauter (fdp, ZH). Ihrer Meinung nach versage das aktuell geltende Gesetz, wenn es darum gehe, den Cannabiskonsum zu verhindern. Der Zugang zur Droge sei zu einfach und es herrsche ein florierender Schwarzmarkt, fand auch Léonore Porchet (gp, VD). So sei es in einigen Schweizer Städten am Sonntagmorgen einfacher, Cannabis als Brot zu erhalten. Yvonne Feri (sp, AG) hob hervor, dass die Projekte lediglich darauf abzielten, die Auswirkungen der kontrollierten Abgabe der Droge auf den Konsum, die Gesundheit und das Suchtverhalten zu eruieren. Es werde dadurch niemand zum Cannabiskonsum verleitet. In ähnlicher Manier argumentierte Gesundheitsminister Berset. Man stecke in einer Sackgasse, denn die gegenwärtige Repressionspolitik sei nicht effektiv. In der Schweiz sei fast ein Drittel der Bevölkerung bereits einmal mit Cannabis in Kontakt gekommen und mehr als 200'000 Personen konsumierten die Droge regelmässig, wobei kein Rückgang dieser Zahlen ersichtlich sei. Vor dem Hintergrund dieser Tatsache sei es daher essentiell, auf systematische und wissenschaftliche Art festzustellen, ob andere Wege einen besseren Ansatz und wirksamere Ergebnisse ermöglichen würden.

Änderung des Betäubungsmittelgesetzes (BRG 19.021)
Dossier: Voraussetzungen für die Durchführung von Studien zur regulierten Cannabis-Abgabe für Genusszwecke schaffen

Im Vorfeld der Ständeratswahlen 2019 im Kanton Bern kam es zu einer Anpassung des Wahlverfahrens. Neu kann bei einem zweiten Wahlgang nur noch teilnehmen, wer im ersten Durchgang mindestens drei Prozent der Stimmen holte. Die Regeländerung wurde beschlossen, nachdem bei den Ständeratswahlen 2015 der chancenlose Bruno Moser (parteilos) einen zweiten Wahlgang erzwungen hatte. Der daraus resultierende administrative und finanzielle Aufwand hatte den Kanton Bern veranlasst, die rechtlichen Bestimmungen zur Ständeratswahl anzupassen («Lex Moser»).
Der 2015 bestgewählte Ständerat Werner Luginbühl (bdp) gab dieses Jahr nach zwölf Jahren in der kleinen Kammer seinen Rücktritt bekannt. Der kantonale BDP-Parteipräsident Jan Gnägi hatte ihn vergeblich darum gebeten, noch einmal anzutreten. Mit dem Abgang von Luginbühl lief die BDP Gefahr, ihren schweizweit einzigen Ständeratssitz zu verlieren. Um diesen einen Sitz in der Chambre de Réflexion zu verteidigen, nominierte die BDP die Berner Finanzdirektorin Beatrice Simon. Dies war insofern nachvollziehbar, als dass die BDP mit Simon sehr gute Chancen auf die Verteidigung des Ständeratssitzes eingeräumt wurden: Simon hatte bei den letzten beiden Regierungsratswahlen (2014 und 2018) jeweils das beste Ergebnis aller Kandidierenden gemacht. Trotzdem war die Entscheidung, Simon ins Rennen zu schicken auch mit Risiken behaftet. Da in Bern Doppelmandate zwischen der Kantonsregierung und den eidgenössischen Räten verboten sind, hätte Simon bei einer Wahl ihren Posten als Finanzdirektorin räumen müssen. Dies verärgerte das bürgerliche Lager, welches die mühsam erkämpfte Mehrheit im Regierungsrat in Gefahr sah, sollte Simon aus der Kantonsregierung ausscheiden. Anders als Luginbühl kandidierte der zweite bisherige Ständerat, Hans Stöckli (sp), für eine weitere Legislatur. Dies wurde von einigen Exponenten seiner Partei kritisiert, da diese lieber eine jüngere Frau als Ständeratskandidatin nominiert hätten. Der 67-jährige Stöckli versuchte seine Partei hinter sich zu scharen, indem er ankündigte, es sei seine letzte Kandidatur. Stöckli bestritt den Wahlkampf zusammen mit der Nationalrätin und Parteipräsidentin der Grünen Partei Schweiz Regula Rytz, die für die Grünen antrat. Offiziell liessen die beiden Kandidierenden aus dem linken Lager verlauten, die Strategie für einen allfälligen zweiten Wahlgang bespreche man erst nach dem ersten Durchgang. Gemeinhin wurde jedoch davon ausgegangen, dass Rytz im ersten Wahlgang eher schlechter abschneiden würde als der vom Bisherigen-Bonus profitierende Stöckli und sie sich dann zu Gunsten von ihm zurückziehen würde. Auf der anderen Seite des politischen Spektrums kandidierte Nationalrat Werner Salzmann für die SVP. Mit der Kandidatur ihres kantonalen Parteipräsidenten erhoffte sich die SVP, erstmals seit 2003 wieder eine ungeteilt bürgerliche Berner Standesstimme erreichen zu können. In der Mitte kandidierten drei Nationalrätinnen mit Aussenseiterchancen. Christa Markwalder (fdp), Kathrin Bertschy (glp) und Marianne Streiff (evp) hofften allesamt auf eine Überraschung. Neben den Kandidierenden aus etablierten Parteien stiegen acht weitere Personen ins Rennen um die beiden Ständeratssitze: Jorgo Ananiadis und Pascal Fouquet (beide Piratenpartei), Yannic Nuoffer und Florian Gerber (beide Pnos), sowie Peter Eberhart, Philipp Jutzi, Verena Lobsiger-Schmid und Joe Grin, die auch für den Nationalrat auf kleineren Listen kandidierten.

Nach dem ersten Wahlgang erreichte keiner der Kandidierenden das absolute Mehr von 152'797 Stimmen. In Führung lag nach dem ersten Durchgang Hans Stöckli (122'263 Stimmen), der das absolute Mehr allerdings deutlich verpasste. Überraschend auf dem zweiten Platz, nur knapp hinter Stöckli, lag Regula Rytz (119'960). Praktisch gleichauf mit Rytz lag Werner Salzmann (119'630). Eine Enttäuschung setzte es für Beatrice Simon ab. Mit 82'283 Stimmen lag sie bereits deutlich hinter dem Spitzen-Trio. Hinter Simon folgten Markwalder (61'904), Bertschy (48'076) und Streiff (24'139). Wie erwartet lagen die weiteren Kandidierenden abgeschlagen hinter den Vertretern der etablierten Parteien.
Nachdem sie im ersten Durchgang unter den Erwartungen abgeschnitten hatte, zog Beatrice Simon ihre Kandidatur vor dem zweiten Wahlgang zurück. Trotz ihrer gegenteiligen Beteuerungen während des Wahlkampfs verzichtete sie damit ausserdem auf ihren eben erst gewonnenen Nationalratssitz und blieb stattdessen Regierungsrätin. Das linke Lager änderte nach dem Spitzenresultat von Regula Rytz die Strategie und entschied sich, beide Kandidaturen im Rennen zu behalten. Man wolle damit die historisch gute Ausgangslage nutzen und versuchen beide Sitze zu holen. Ein Erfolg der beiden linken Kandidaturen im bürgerlich geprägten Kanton Bern wurde in den Medien als regelrechte Sensation beschrieben. Kein Deutschschweizer Vollkanton hatte je eine rein linke Standesstimme. Das bürgerliche Lager versuchte diese drohende Blamage zu verhindern, weshalb zusammen mit Werner Salzmann auch Christa Markwalder erneut antrat. Die SVP, die sich bei Ständeratswahlen in zweiten Wahlgängen seit einigen Jahren schwer tat, zusätzliche Stimmen zu generieren, hoffte durch das Zweierticket mit der FDP auf einige zusätzliche Stimmen von freisinnigen Wählerinnen und Wählern. Markwalder, welche laut Medieneinschätzungen eher am linken Rand ihrer Partei politisiere, konnte sich aufgrund der Ausgangslage selber Chancen auf eine Wahl ausrechnen, da mit Simon, Bertschy und Streiff gleich drei Mitte-Kandidatinnen im zweiten Wahlgang nicht mehr mit von der Partie waren. Offiziell traten Markwalder und Salzmann gemeinsam an und unterstützten sich gegenseitig. Doch das bürgerliche Duo harmonierte nur bedingt. Die pro-europäische Haltung von Markwalder sorgte in den Reihen der SVP für einigen Unmut. Zudem fanden einige SVP-Mitglieder, dass man die FDP nicht unterstützen solle, nachdem der Freisinn in der Vergangenheit die SVP in zweiten Wahlgängen oftmals «ausgebootet» und stattdessen verdeckt die linken Kandidaten unterstützt habe. Der abtretende Nationalrat und langjährige SVP-Fraktionschef Adrian Amstutz rief die SVP-Wähler sogar offen dazu auf, ausschliesslich Werner Salzmann auf den Wahlzettel zu schreiben. Trotzdem hielten die Parteispitzen und die Delegierten beider Parteien am bürgerlichen Ticket fest. Die Ausgangslage vor dem zweiten Wahlgang war dank den zwei Zweiertickets sehr spannend und das Resultat schwierig vorhersehbar, da vieles davon abhing ob die Grünen ihre starke Mobilisierung vom 20. Oktober vier Wochen später würden wiederholen können.

Im zweiten Wahlgang setzten sich Hans Stöckli (157'750 Stimmen) und Werner Salzmann (154'586) durch. Regula Rytz (141'337) war rund 13'000 Stimmen von der Sensation entfernt. Christa Markwalder (115'163) konnte zwar gegenüber dem ersten Wahlgang ordentlich Stimmen zulegen, blieb aber letztendlich chancenlos. Dass sie klar weniger Stimmen holte als Werner Salzmann, deutet darauf hin, dass viele SVP-Wähler nicht über die inhaltlichen Differenzen der beiden Bürgerlichen hinwegzusehen vermochten. Für Werner Salzmann ging die Strategie jedoch auf. Mit ihm schaffte die SVP nach acht Jahren die Rückkehr ins Stöckli. Dass auch im linken Lager die rot-grüne Allianz nicht nur harmonierte, zeigte sich im Anschluss an die Wahl. Die Co-Präsidentin der SP, Mirjam Veglio, legte offen, dass das Verhalten der Grünen bei den Sozialdemokraten nicht gut angekommen sei. Es sei abgemacht gewesen, dass Regula Rytz sich zugunsten von Stöckli zurückziehen würde. Mit der Teilnahme am zweiten Wahlgang habe die Grüne Partei den Pakt gebrochen. Zudem wurde Stöckli trotz seines guten Resultates mehrmals mit der Frage konfrontiert, ob er sich nicht hätte zugunsten von Regula Rytz zurückziehen sollen, um so einer Frau den Einzug in den Ständerat zu ermöglichen. Stöckli zeigte sich genervt über die Frage und sprach gar von einem Skandal. Anders als in anderen Kantonen lockte der zweite Wahlgang (Wahlbeteiligung 44.4%) in Bern beinahe so viele Wählerinnen und Wähler an die Urne wie der erste (47.3%). Mit seiner Wiederwahl wurde Stöckli im Übrigen zum designierten Ständeratspräsidenten.

Ständeratswahlen 2019 – Bern
Dossier: Resultate Ständeratswahlen 2019 (nach Kantonen)
Dossier: Eidgenössische Wahlen 2019 - Überblick

Obwohl der Kanton Bern aufgrund seines unterdurchschnittlichen Bevölkerungswachstums bei den Nationalratswahlen 2019 schon zum zweiten Mal in Folge ein Mandat in der Grossen Kammer abgeben musste, bewarben sich dieses Jahr deutlich mehr Personen auf einen der verbliebenen 24 Sitze als vor vier Jahren. Unter den total 651 Kandidierenden waren auch 274 Frauen gemeldet. Damit war der Frauenanteil ebenfalls höher als 2015 (2019: 42.1%; 2015: 37.4%). Die Anzahl der Wahllisten stieg von 26 auf 34.

Bei den letzten Nationalratswahlen hatte sich die SVP nach ihrem Sitzgewinn als Wahlsiegerin feiern lassen können. Je einen Sitz verloren hatten damals die BDP und die Grünen. Während der vergangenen Legislatur waren die Berner Nationalratssitze somit wie folgt auf die Parteien verteilt: 9 SVP, 6 SP, 3 BDP, 2 FDP, 2 Grüne, 2 GLP, 1 EVP. Aufgrund des Mandatsverlustes war schon von Beginn weg klar, dass mindestens eine Partei einen Sitz verlieren würde. Die beiden Parteien welche im Vorfeld am stärksten gefährdet schienen, waren die SVP und die BDP. Die Volkspartei hatte 2015 Proporzglück gehabt und den Sitzgewinn nur dank einem Überhangmandat geschafft. Auf kantonaler Ebene hatte die SVP seither Federn lassen müssen, auch weil sie bei den Grossratswahlen 2018 drei Sitze verloren hatte. Keine wirkliche Hilfe waren der Partei die Listenverbindungen – sie verband sich einzig mit der Liste «Gesundheit-Energie-Natur». Ausserdem musste die Volkspartei einen gewichtigen Abgang verkraften: Der langjährige Nationalrat Adrian Amstutz wurde Opfer der parteiinternen Amtszeitbeschränkung. Zwar hatten die SVP-Delegierten eigens eine «Lex Amstutz» beschlossen, die es erlaubt hätte die Beschränkung in einzelnen Fällen zu lockern. Doch Amstutz entschied sich trotz dieser Sonderregel, nicht erneut zu kandidieren. Auch die BDP musste bei den diesjährigen Wahlen auf bekannte Parteigrössen verzichten. Neben dem Rücktritt von Werner Luginbühl aus dem Ständerat kündigte auch Hans Grunder im Frühjahr an, im Oktober nicht erneut kandidieren zu wollen. Schon während der Legislatur war Urs Gasche aus dem Rat geschieden. Ohne ihre langjährigen Zugpferde musste die BDP um ihre drei Sitze bangen. Die Hoffnungen ruhten im Wahljahr deshalb vor allem auf Beatrice Simon. Zusätzlich zu ihrer Ständeratskandidatur figurierte die bekannte Berner Finanzdirektorin auch auf der BDP-Nationalratsliste als Wahllokomotive. Da in Bern ein Doppelmandat in der kantonalen Regierung und im nationalen Parlament verboten ist, hätte Simon im Falle eines Einzuges ins Bundesparlament ihr Regierungsratsmandat abgeben müssen. Da der Posten in der Regierung gemeinhin als erstrebenswerter angesehen wird, wurde Simon von politischen Gegnern vorgeworfen, sie täusche die Wähler, denn sie habe gar nicht vor, eine Wahl in den Nationalrat anzunehmen. Stattdessen habe sie sich nur aufstellen lassen, um der BDP-Liste zu mehr Stimmen zu verhelfen. Simon beteuerte jedoch, dass sie auch eine Wahl in den Nationalrat annehmen würde. Dies wiederum stiess den Bürgerlichen sauer auf, da sie dadurch die 2018 mühselig erkämpfte bürgerliche Mehrheit im Berner Regierungsrat bedroht sahen. Relativ ungefährdet schienen die sechs Sitze der SP zu sein. Die Sozialdemokraten waren bei den Kantonsratswahlen 2018 als Sieger hervorgegangen (+5 Sitze). Zwar hatte auch die SP einen Rücktritt zu vermelden – für Margret Kiener Nellen war wegen der Amtszeitbeschränkung Ende der Legislatur Schluss – doch die national bekannte ehemalige Juso-Chefin Tamara Funiciello sprang in die Bresche. Auch dieses Jahr führte die SP eine separate Frauen- und Männerliste. Bisher waren auf beide Listen je drei Nationalratssitze abgefallen. Doch aufgrund der starken Frauenliste wurde gemutmasst, dass die SP-Frauen ihren männlichen Kollegen einen Sitz wegschnappen könnten. Die männlichen SP-Vertreter, allen voran Adrian Wüthrich, der erst während der Legislatur für den verstorbenen Alexander Tschäppät nachgerutscht war, mussten daher um ihre Wiederwahl bangen. Obwohl in Bern ein Sitz weniger zu vergeben war, peilten 2019 einige Parteien einen Sitzgewinn an. Die FDP, ermutigt durch ihre drei Sitzgewinne bei den Kantonsratswahlen 2018, hatte sich 11 Prozent Wähleranteil und einen dritten Sitz als Ziel gesetzt. Sie ging dafür aber keine überparteiliche Listenverbindung ein. Die CVP strebte derweil nach achtjährigem Unterbruch ihre Rückkehr in den Nationalrat an. Dafür ging sie eine breite Mitte-Verbindung mit den Listen der GLP, EVP, BDP und den Piraten ein. Als aussichtsreichster CVP-Kandidat galt der Stadtberner Sicherheitsdirektor Reto Nause. Ebenfalls nach achtjähriger Absenz in die Grosse Kammer zurückkehren wollte die EDU. Um die dazu nötigen Wählerprozente zu erreichen, verband sich die EDU mit sechs teilweise recht skurrilen Listen («Schweizer Demokraten», «Die Musketiere», «Landliste», «Partei der unbegrenzten Möglichkeiten», «5G ade!» und «JutziPhilipp.com»). Durch dieses breite Bündnis der Kleinsten wurden der EDU und ihrem Spitzenkandidat Andreas Gafner tatsächlich gute Chancen für den Einzug in den Nationalrat eingeräumt. Da das Thema der Stunde, die Klimapolitik, im Wahlkampf allgegenwärtig war, gehörten auch die Grünen und die Grünliberalen zu den Anwärtern auf einen Sitzgewinn. Beide Parteien wussten national bekannte Zugpferde in ihren Reihen – die Parteipräsidentin der Grünen Schweiz Regula Rytz, der Präsident der GLP Schweiz Jürg Grossen und die Co-Präsidentin der Frauendachorganisation «alliance F» Kathrin Bertschy (GLP). Bei den Grünen hoffte zudem die bisherige Nationalrätin Aline Trede darauf, dieses Mal den Einzug ins Parlament auf Anhieb zu schaffen, nachdem sie schon zwei Mal für aus dem Rat scheidende Parteikollegen nachgerutscht war. Während die GLP in der Mitteverbindung Unterschlupf fand, verbanden die Grünen ihre Listen mit der SP und der Partei der Arbeit (PdA).

Der Wahlsonntag brachte unerwartet grosse Verschiebungen. Die grossen Wahlsieger waren die Grünen und die Grünliberalen. Erstere bauten ihren Wähleranteil gegenüber 2015 um 5.1 Prozentpunkte aus (neu 13.6%) und gewannen zwei Sitze dazu. Neben Rytz und Trede zogen auch Christine Badertscher und Kilian Baumann in den Nationalrat ein. Die GLP vergrösserte ihren Wähleranteil um 3.7 Prozentpunkte (neu 9.7%), was für einen Sitzgewinn reichte. Melanie Mettler schaffte den Einzug ins Parlament zusammen mit den Bisherigen Grossen und Bertschy. Anders als die CVP, die ihren angestrebten Wiedereinzug in den Nationalrat verpasste, holte sich die EDU einen Sitz. Ihre Strategie der Listenverbindungen mit zahlreichen Kleinstgruppierungen war damit aufgegangen. Zwar verpasste sie die vier-Prozent-Marke ganz knapp, doch sie sicherte sich ein Überhangsmandat, womit der EDU-Spitzenkandidat Andreas Gafner ins Parlament einzog. Keine Verschiebungen gab es bei der FDP und der EVP: Die bisherigen Christian Wasserfallen (FDP), Christa Markwalder (FDP) und Marianne Streiff (EVP) wurden wiedergewählt. Ein Debakel waren die Wahlen hingegen für die SP, die SVP und die BDP. Die Sozialdemokraten verloren 2.9 Prozentpunkte ihres Wähleranteils (neu 16.8%) und dazu gleich zwei Sitze, wobei hauptsächlich die SP-Männer unter die Räder kamen. Von der Männerliste schaffte einzig Matthias Aebischer die Wiederwahl, Adrian Wüthrich und Corrado Pardini verpassten ihre Wiederwahl. Die SP-Frauen hielten ihre drei Sitze. Tamara Funiciello ersetzte Kiener Nellen und zog neben Nadine Masshardt und Flavia Wasserfallen in die Grosse Kammer ein. Die SVP (-3.1 Prozentpunkte, neu 30.0%) musste ebenfalls den Verlust von zwei Nationalratssitzen hinnehmen. Zusätzlich zum Rücktritt von Amstutz wurde noch Manfred Bühler abgewählt. Damit schied der einzige Vertreter des französischsprachigen Berner Jura aus dem Nationalrat. Für die SVP verblieben Albert Rösti, Andreas Aebi, Nadja Pieren, Erich von Siebenthal, Erich Hess und Andrea Geissbühler im Rat. Lars Guggisberg rutschte ausserdem für den Neo-Ständerat Werner Salzmann in den Nationalrat nach. Den grössten Wähleranteilverlust (-3.8 Prozentpunkte, neu 8.0%) erlitt die BDP. Trotzdem verlor sie «nur» einen ihrer drei Sitze. Neben Lorenz Hess schaffte auch Beatrice Simon die Wahl. Nach ihrer erfolglosen Ständeratskandidatur verzichtete sie allerdings – entgegen ihren Ankündigungen im Wahlkampf – auf ihr Nationalratsmandat und blieb stattdessen Regierungsrätin. Der Bisherige Heinz Siegenthaler rutschte für sie nach. Die Zusammensetzung der Berner Nationalratsdelegation lautet somit neu: 7 SVP, 4 SP, 4 GP, 3 GLP, 2 FDP, 2 BDP, 1 EVP und 1 EDU. Die Stimmbeteiligung fiel im Vergleich zu 2015 um 1.7 Prozentpunkte auf 47.4 Prozent.

Nationalratswahlen 2019 – Bern
Dossier: Eidgenössische Wahlen 2019 - Überblick

Nach der medial breit begleiteten Empfehlung der Gerichtskommission (GK), Bundesanwalt Michael Lauber nicht für eine Wiederwahl zu empfehlen, starteten in den Medien die Spekulationen, wie sich das Parlament zur Frage entscheiden würde. Lauber habe in allen Fraktionen Gegner und Unterstützer, wusste etwa die NZZ zu berichten. Der Bundesanwalt selber wollte in Fraktions-Hearings seine Position darlegen.

In die Diskussionen schaltete sich auch die Schweizerische Staatsanwälte-Konferenz ein. Sie forderte die Wiederwahl von Lauber. Nicht nur die Fortsetzung entscheidender Projekte würde ansonsten aufs Spiel gesetzt, sondern auch die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen gefährdet, die unter Lauber sehr gut funktioniere.

Die Wiederwahl Laubers wurde zudem vermehrt auch unter institutionellen Gesichtspunkten diskutiert. So weibelte etwa Daniel Jositsch (sp, ZH) für sein Postulat, mit dem er eine Evaluation von Struktur, Organisation, Zuständigkeit und Überwachung der Bundesanwaltschaft forderte. Auch der Tages-Anzeiger machte institutionelle Mängel aus: Es liege ein Systemfehler vor, wenn ein Bundesanwalt Wahlkampf betreiben müsse. In der Tat hatte Lauber laut Tages-Anzeiger ein PR-Büro engagiert, um die Parlamentsmitglieder von seiner Wiederwahl zu überzeugen. Zahlreich waren die Vorschläge, wieder zum alten System zurückzukehren, bei dem der Bundesrat für die Wahl des Bundesanwaltes verantwortlich gewesen war, bevor das Parlament 2011 einen Systemwechsel beschlossen hatte.

In den Medien wurde auch die Frage gestellt, weshalb sich Lauber das antue und nicht einfach zurücktrete. Die Aargauer Zeitung vermutete einen pekuniären Grund: Bei einer Abwahl winke ein Jahreslohn, bei einem Rücktritt ginge Lauber wohl leer aus. Der «Blick», der Lauber «gegen den Untergang» rudern sah, fragte sich zudem, wer die Kosten für das PR-Büro und den Anwalt Laubers bezahle. In der Tat eine offene Frage, wie auch die Bundesanwaltschaft selber bestätigte.

Mitte September, zwei Wochen vor dem vorgesehenen Wahltermin, trat Lauber vor der FDP- und der CVP-Fraktion auf. Die FDP empfahl ihn nach dem Gespräch deutlich zur Wiederwahl; dies aus Respekt gegenüber der Unabhängigkeit der Institutionen, wie die Partei, die als «Heimbasis Laubers gilt» (Aargauer Zeitung), verlauten liess. Die CVP, die neben Lauber auch den Präsidenten der Aufsichtsbehörde AB-BA, Hanspeter Uster, eingeladen hatte, gab hingegen keine Wahlempfehlung ab, um eine «Politisierung der Wahl» zu vermeiden, wie die Partei verlautbarte.
Der Vize-Präsident der SP, Beat Jans (sp, BS), verriet der Sonntags-Zeitung, dass seine Fraktion «grossmehrheitlich» gegen Lauber stimmen werde. Er sei für die meisten aufgrund seines Verhaltens nicht wählbar, zudem fehle ihm die Glaubwürdigkeit und Souveränität, um die Bundesanwaltschaft weiter zu führen. Weil auch die SVP in einer früheren Konsultativabstimmung mehrheitlich gegen Lauber gestimmt habe, die Grünen und die BDP den Antrag auf Nicht-Wiederwahl in die GK getragen hätten und auch die CVP gespalten sei, war für die Sonntags-Zeitung «die Rechnung schnell gemacht»: die nötigen 124 Stimmen für eine Abwahl kämen bei weitem zusammen.
Allerdings schien sich das Blatt eine Woche vor dem Wahltermin aufgrund weiterer Hearings von Lauber bei den Grünen und der SVP wieder zu wenden. Während die Grünen Stimmfreigabe beschlossen, um das Stimmgeheimnis zu wahren, nahm die SVP-Fraktion eine eigentliche Wende – die «Tribune de Genève» sprach von «tourner casaque» – vor und begründete wie die FDP eine Woche zuvor, dass die Kontinuität der Strafverfolgung gewährleistet werden müsse und sich die Fraktion deshalb mehrheitlich hinter Lauber stelle. In den Medien nicht genannte Insider wollten wissen, dass Lauber innerhalb der Partei nach wie vor umstritten sei. Für den Stimmungswandel habe Adrian Amstutz (svp, BE) gesorgt, der erklärt habe, man könne nicht jemanden wegen eines einzigen Fehlers in die Wüste schicken. Die SVP forderte zudem mittels parlamentarischer Initiative Reformen bei der Aufsicht über die Bundesanwaltschaft.
Für eine weitere «Überraschung» (NZZ) sorgte dann einen Tag vor dem Wahltermin die SP. Obwohl die drei GK-Mitglieder der SP-Fraktion die Empfehlung für eine Nicht-Wiederwahl Laubers unterstützt hatten, empfahl eine knappe Mehrheit der sozialdemokratischen Fraktion, Lauber zu bestätigen. Allerdings seien bei der entsprechenden Fraktionsabstimmung zahlreiche Mitglieder nicht mehr anwesend gewesen – so die NZZ weiter. Nicht zu den Hearings äusserte sich die GLP und die BDP hatte ganz darauf verzichtet, Lauber anzuhören.

Am Wahltag legten die Sprecherin und der Sprecher der GK noch einmal die Gründe ihres Mehrheitsbeschlusses mit der Empfehlung der Nicht-Wiederwahl dar. Die Minderheitsposition wurde offiziell von der FDP- und der SVP-Fraktion gestützt. Christian Lüscher (fdp, GE) und Raphaël Comte (fdp, NE) verteidigten diese in ihren Voten. Auch der Fraktionschef der CVP ergriff das Wort. Er erinnerte daran, dass die CVP keine Empfehlung abgebe und plädierte an die Mitglieder der Vereinigten Bundesversammlung mit ihrem Gewissen zu entscheiden.
Die Wahl fiel schliesslich erwartet knapp aus und zwar zugunsten Laubers – was vor wenigen Tagen in den Medien kaum für möglich gehalten worden war. Die Parlamentarierinnen und Parlamentarier hatten die Möglichkeit, den Wahlzettel unverändert mit dem Namen Lauber einzulegen oder aber diesen Namen durchzustreichen. Letzteres war auf 114 Wahlzetteln der Fall gewesen. Weil aber 129 der 243 eingelangten Wahlzettel den Namen Lauber noch trugen, übersprang dieser das absolute Mehr von 122 Stimmen, wenn auch ziemlich knapp. Da von der Tribüne aus ziemlich gut sichtbar war, wer den Namen durchstrich, bzw. wer einen Stift zur Hand nahm und wer nicht, wurde in der Folge in den Medien von einem «Kugelschreiber-Gate» gesprochen, da das Wahlgeheimnis nicht gewahrt gewesen sei.

In den Medien wurde der Erfolg Laubers auch mit seinem ausgezeichneten Lobbying erklärt. Er habe wohl aber auch bei den Hearings überzeugt, wie zahlreiche Parlamentsmitglieder in den Medien bestätigten. Während die befürwortenden Parlamentsmitglieder vor den Medien die Institution betonten, deren Ruf verteidigt worden sei, machten die Gegnerinnen und Gegner der Wiederwahl keinen Hehl aus ihrer Abneigung gegen den Bundesanwalt. Fast die Hälfte des Parlaments misstraue Lauber, was keine guten Voraussetzungen für die nächsten vier Jahre seien, schrieb etwa Carlo Sommaruga (sp, GE) der NZZ ins Notizheft. Lauber selber bedankte sich in einem kurzen Statement bei Familie und Freunden für die Unterstützung. Er werde sich weiterhin für eine moderne Strafverfolgung einsetzen. Die knappe Wiederwahl wurde in den Medien auch als Denkzettel bezeichnet. Man müsse jetzt die Disziplinaruntersuchung abwarten, die allerdings an politischer Bedeutung verloren habe. Zudem verlangten die Kommentatorinnen und Kommentatoren ein Überdenken der institutionellen Strukturen. Die Bestätigung Laubers sei nur eine kurze Atempause – so die «Tribune de Genève». Ruhe werde so schnell keine einkehren, urteilte die Aargauer Zeitung. Der «Blick» prophezeite gar, dass der angeschlagene Bundesanwalt wohl kaum vier Jahre durchhalten werde. Das Parlament habe niemandem einen Gefallen getan. Der Tages-Anzeiger bezeichnete die Wiederwahl Laubers durch «das mutlose Parlament» gar als «Fehler». Die Aargauer Zeitung wusste tags darauf zu berichten, das Lauber bei der SP auch Stimmen geholt habe, weil er während des Hearings versprochen habe, zurückzutreten, wenn das Disziplinarverfahren für ihn negativ ausfallen werde.

Wahl des Bundesanwaltes für die Amtsperiode 2020-2023
Dossier: Michael Lauber - Bundesanwalt

En dernière lecture, le Conseil national s'est une nouvelle fois écharpé sur les quatre divergences restantes. Après avoir siégé, la CEATE-CN a proposé à sa chambre de suivre le Conseil des Etats sur deux aspects, tandis que deux propositions de minorités allaient dans le sens de la chambre haute. Au final, la chambre du peuple a décidé de s'aligner sur deux points avec sa chambre sœur.
Tout d'abord, et à une voix près (92 contre 91 et 2 abstentions), l'autorisation de chasser le loup dans les districts francs – appelés dans la nouvelle loi «zones de protection de la faune sauvage» – lorsque diverses conditions sont remplies a été entérinée. Franz Ruppen (udc, VS) a défendu cette proposition de minorité, argumentant que les loups risquaient de se réfugier et de se multiplier dans ces zones s'il était décidé d'en faire des lieux intouchables. Le loup doit pouvoir être régulé et ceci sur tout le territoire, a-t-il avancé. Sans quoi, on ne pourrait pas atteindre les objectifs de régulation. Silva Semadeni (ps, GR) a défendu une position radicalement différente, dénonçant les partisans d'une éradication des loups. Pour elle, la solution est à chercher dans une protection accrue des troupeaux; mesures qui ont fait leurs preuves selon l'élue socialiste. Une majorité de la commission s'était pourtant prononcée pour le maintien de la divergence, principalement pour des raisons politiques, celle-ci redoutant le lancement d'un référendum. Mais également pour une raison d'ordre scientifique: ces zones de protection étant explicitement prévues pour la reproduction des proies et des prédateurs, un équilibre naturel peut se créer, comme expliqué par le député Müller-Altermatt (pdc, SO).
Ensuite, par 91 voix contre 86 et 1 abstention, les député.e.s ont suivi l'avis de la majorité qui proposait de s'aligner sur la décision du Conseil des Etats qui ne souhaitait pas imposer au Conseil fédéral l'obligation de consulter les milieux concernés en cas de dégâts provoqués par des espèces protégées. Celui-ci ne devra que consulter les cantons touchés, comme inscrit dans le droit en vigueur.
Le Conseil national a, au contraire, décidé de maintenir deux divergences qui devront donc être résolues dans le cadre d'une conférence de conciliation.
Il s'agit, premièrement, de l'article 4 de la LChP qui traite des conditions d'obtention du permis de chasse. La chambre basse continue de souhaiter une relative harmonisation de celles-ci entre les cantons, ce que la chambre des cantons n'a cessé de refuser. De plus, une proposition émanant de Lorenz Hess (pbd, BE) souhaitait abroger l'alinéa 3 du droit en vigueur qui prévoit l'octroi d'une autorisation de chasse de quelques jours. Ces deux points ont été acceptés tacitement par les élu.e.s. Pour Simonetta Sommaruga, conseillère fédérale en charge du dossier, cette décision est à voir comme une tentative de compromis à l'égard du Conseil des Etats. Et deuxièmement, les député.e.s ont décidé de soutenir, par 99 voix contre 74, la proposition de la minorité Ruppen de conserver la lettre c de l'article 7a, alinéa 2 qui précise que des animaux protégés peuvent être régulés à des fins de «préservation de populations sauvages adaptées au niveau régional».
Durant ce débat, Silva Semadeni ainsi que Bastien Girod (verts, ZH) ont annoncé que leurs groupes respectifs – le PS et les Verts – rejetteraient la présente révision.

Modifications de la loi sur la chasse (MCF 17.052)
Dossier: Änderung des Bundesgesetzes über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel