Suche zurücksetzen

Inhalte

Akteure

  • Imboden, Natalie (gp/verts, BE) NR/CN
  • Rytz, Regula (gp/verts, BE) NR/CN
  • Nidegger, Yves (svp/udc, GE) NR/CN

Prozesse

187 Resultate
Als PDF speichern Weitere Informationen zur Suche finden Sie hier

Im Jahr 2023 scheiterten einige Vorstösse zur Stellung der Frau in der Gesellschaft, eingereicht von Frauen aus dem links-grünen Lager, bereits in einem frühen Stadium. Darunter befanden sich Vorstösse, die den Schutz vor Diskriminierung verstärken wollten oder verbesserte Informationsgrundlagen zur Einschätzung des Ausmasses der Diskriminierung verlangten. Bereits im Erstrat abgelehnt wurde eine Motion Marti (sp, ZH) zur Angleichung des Schweizer Gleichstellungsgesetzes an das EU-Gleichbehandlungsrecht im Erwerbsleben (Mo. 21.3938), ein Postulat Feri (sp, AG), das mehr Informationen über das Ausmass der Altersdiskriminierung von Frauen und Möglichkeiten zur Bekämpfung der festgestellten Diskriminierung verlangte (Po. 21.3090), sowie ein Postulat Gysin (gp, TI), das mehr Klarheit über die Konzepte der Gleichstellung und der Diskriminierung aufgrund von biologischem und sozialem Geschlecht schaffen wollte (Po. 22.3714).

Auch Vorstösse mit dem Ziel der Verbesserung der Situation von Frauen im Arbeitsleben scheiterten im Erstrat, namentlich eine Motion Imboden (gp, BE) mit der Forderung nach spezifischen, auf die Digitalisierung und eine nachhaltige Gesellschaft ausgerichtete Aus- und Weiterbildungsprogrammen für Frauen im Niedriglohnsegment (Mo. 22.3623), sowie mehrere Motionen, die verstärkte Massnahmen gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz verlangten (Mo. 22.3564 Fehlmann Rielle, sp, GE; Mo. 22.3736 Piller Carrard, sp, FR; Mo. 23.3223 Carobbio Guscetti, sp, TI). Von der Urheberin zurückgezogen wurde ferner eine Motion Feri (sp, AG) mit der Forderung nach verstärkter Hilfe für Sexarbeitende aufgrund prekärer Umstände während der Covid-19-Pandemie (Mo. 21.3114). Unbehandelt abgeschrieben wurde schliesslich ein Postulat Prezioso Batou (egsols, GE), das vom Bundesrat einen Bericht zu den arbeitsmarktlichen Auswirkungen von Covid-19 auf die Frauen forderte (Po. 21.3390).

Im Erstrat abgelehnt wurde ferner eine Motion Funiciello (sp, BE) mit der Forderung, dass 0.1 Prozent des BIP zur Bekämpfung geschlechterspezifischer und sexualisierter Gewalt eingesetzt werde (Mo. 21.3768). Zwei weitere Vorstösse zu diesem Thema wurden von den Urheberinnen wieder zurückgezogen: Die Motion Gysin (gp, TI) mit der Forderung nach einer Übernahme der Verfahrenskosten für Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt (Mo. 21.3084) und ein Postulat Fellmann Rielle (sp, GE) betreffend der Finanzierung von Frauenhäusern für Opfer von Gewalt (Mo. 21.3073). In punkto Bekämpfung von Gewalt an Frauen wurden 2023 hingegen durch Zustimmung zu anderen Vorstössen und parlamentarischen Interventionen bedeutende Zugeständnisse erzielt.

Schliesslich wurde im Jahr 2023 ein die Gesundheit von Frauen betreffender Vorstoss abgeschrieben, da er nicht innert zwei Jahren vom Parlament behandelt worden war. Bei dieser Abschreibung handelte es sich erneut um ein Postulat Prezioso Batou (egsols, GE). Dieses wollte überprüfen lassen, wie auch Männer verstärkt in die sexuelle und reproduktive Gesundheitsprävention einbezogen werden könnten (Po. 21.3429).

Bereits im Erstrat gescheiterte Vorstösse zu Frauen- und Gleichstellungspolitik (2023)

Der Nationalrat beriet in der Wintersession 2023 eine parlamentarische Initiative Imboden (gp, BE), welche nach deren Ausscheiden aus dem Nationalrat durch ihren Parteikollegen Michael Töngi (gp, LU) übernommen worden war. Der Vorstoss zielte auf eine Verbesserung der Transparenz im Mietwesen ab, indem Vermietende den Nachmieterinnen und Nachmietern den Mietzins der Vormieterinnen und Vormietern vorlegen müssten. Dies basierend auf einer bundesweite Formularpflicht – wie sie bereits 2015 vom Bundesrat gefordert worden war. Wichtig sei dies insofern, als dass neue Mieterinnen und Mieter unter Kenntnisnahme des Vormietzinses einen missbräuchlichen Anfangsmietzins besser erkennen und effektiver anfechten könnten. Dieses Instrument sei bereits in einigen Kantonen verbreitet, wobei in diesen ein Grossteil der Anfangsmietzinsanfechtungen stattfinden würden, betonte Nationalrat Töngi. Eine Mehrheit der RK-NR erachtete die existierenden Instrumente im Mietrecht als ausreichend und hob hervor, dass es bereits heutzutage den Kantonen freistehe, zusätzliche Massnahmen zu ergreifen. Der Nationalrat entschied mit 116 zu 71 Stimmen (bei 4 Enthaltungen), dem Antrag der Kommissionsmehrheit zu folgen und der Initiative keine Folge zu geben. Der Vorstoss wurde lediglich von den geschlossen stimmenden Fraktionen der SP und Grünen sowie einer Mehrheit der GLP-Fraktion und dem frisch gewählten Mitte-Nationalrat Giorgio Fonio (mitte, TI) unterstützt.

Transparenz im Mietwesen verbessern
Dossier: Mietzinse: Bestimmung der Missbräuchlichkeit und Anfechtung

Ungefähr 16'000 erwachsene Schweizerinnen und Schweizer seien Schätzungen zufolge aufgrund ihrer Einstufung als dauerhaft urteilsunfähige und unter umfassender Beistandschaft stehende Personen von der Ausübung des Stimm- und Wahlrechts ausgeschlossen. Dies führte ein im Oktober 2023 erschienener Bericht zur politischen Teilhabe von Menschen mit einer geistigen Behinderung aus. Der in Erfüllung eines Postulats Carobbio Guscetti (sp, TI) erstellte Bericht sollte diesen Ausschluss insbesondere mit Bezug auf die von der Schweiz im Jahr 2014 unterzeichnete UNO-Behindertenrechtskonvention (BRK) beurteilen. Die Frage der Notwendigkeit von Stimmrechtsausschlüssen sei eine «verfassungspolitische», gab der Bundesrat in seinem Bericht zu bedenken. Zum einen verlange das Rechtsgleichheitsgebot und das Diskriminierungsverbot, dass niemandem – etwa aufgrund einer Behinderung – Rechte vorenthalten werden dürfen, zum anderen bestünde ein legitimes öffentliches Interesse daran, Personen, welche «weder Bedeutung noch Wirkung politischer Entscheide verstehen und keinen eigenständigen und freien Willen bilden und äussern können» vom Stimmrecht auszuschliessen. Aus letzterem Grund sei ein Stimmrechtsausschluss «nicht a priori unzulässig». Jedoch anerkannte der Bundesrat einen Widerspruch zu den aktuellen grund- und völkerrechtlichen Bestimmungen und deren Auslegung. Ein BRK-Ausschuss, der sich im Jahr 2022 zum ersten Mal zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention in der Schweiz geäussert hatte, hatte Bund und Kantonen empfohlen, die gesetzlichen Bestimmungen zu den Stimmrechtsausschlüssen gänzlich aufzuheben. Eine etwas moderatere Haltung vertritt der EGMR: Gestützt auf die europäische Menschenrechtskonvention erachtet dieser Stimmrechtsausschlüsse dann als unzulässig, wenn sie einer Gruppe aufgrund eines bestimmten Status pauschal auferlegt werden. Nach individueller Prüfung der Entscheidungsfähigkeit seien Stimmrechtsausschlüsse gemäss EGMR jedoch zulässig, so der Bericht.

Demgemäss nahm der Bundesrat in seinem Bericht Stellung zu zwei Handlungsoptionen, zur Aufhebung des Stimmrechtsausschlusses und zu einer individuellen Überprüfung der Urteilsfähigkeit. Würde in der Schweiz auf den Ausschluss vom Stimmrecht verzichtet, würde dies eine Verfassungsänderung und somit die Zustimmung von Volk und Ständen voraussetzen, so der Bundesrat. Obwohl es sich hier um eine Lösung handle, die einen geringen administrativen Aufwand nach sich ziehe, würde sich daraufhin die Frage stellen, wie die Kantone die Frage des Stimmrechtsausschlusses regeln würden, denn diese sind zuständig für die Vergabe der politischen Rechte bezüglich ihrer eigenen und der kommunalen Angelegenheiten. Würde in der Schweiz künftig ein Stimmrechtsausschluss erst nach individueller Prüfung beschlossen, berge dies nebst hohem administrativem Aufwand ebenfalls viele offenen Fragen, so in erster Linie die Frage nach der für den Entscheid zuständigen Stelle. Zudem sei unklar, ob diese Lösung ohne Verfassungsänderung umgesetzt werden könne, so der Bericht.

Weiter kam der Bundesrat zum Schluss, dass Unterstützungsmöglichkeiten zur Wahrnehmung des Stimmrechts in leichter Sprache vorhanden seien. Hier bezog sich der Bericht auf das Informationsangebot von ch.ch, die Abstimmungsvideos in Gebärdensprache, sowie auf die für die eidgenössischen Wahlen 2019 und 2023 im Rahmen eines Pilotversuchs herausgegebenen Wahlanleitungen in einfacher Sprache. Die Einführung eines analogen Pilotversuchs, um auch Abstimmungserläuterungen in leichter Sprache herauszugeben, hatte der Nationalrat auf Anraten des Bundesrates im September 2019 im Rahmen der Beratung einer Motion Rytz (gp, BE; Mo. 18.4395) abgelehnt. Der Bundesrat beharrte in seinem Bericht auf seiner Position, wobei er dies damit begründete, dass die Abstimmungsunterlagen sachlich, transparent, verhältnismässig, vollständig und für alle gleich sein sollen.

Menschen mit einer geistigen Behinderung sollen umfassend am politischen und öffentlichen Leben teilhaben können (Po. 21.3296)

Ebenso wie drei weitere parlamentarische Initiativen zur Förderung der Lohngleichheit (Pa.Iv. 22.464; Pa.Iv. 22.473; Pa.Iv. 22.481) wurde im Jahr 2023 mit der parlamentarischen Initiative von Natalie Imboden (gp, BE) zur Förderung von Lohntransparenz eine weitere Initiative in diesem Bereich erledigt. Nachdem sich im August 2023 bereits die WBK-NR mehrheitlich gegen Folgegeben ausgesprochen hatte, tat es ihr der Nationalrat in der Herbstsession 2023 gleich. Mit 118 bürgerlichen zu 68 links-grünen Stimmen (2 Enthaltungen) vermochte auch diese Forderung über die Fraktionen der SP und der Grünen hinaus nicht zu überzeugen.

Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit. Lohntransparenz fördern, Verhandlungsposition stärken (Pa.Iv. 22.493)
Dossier: Lohngleichheitsanalysen und Diskussionen über die Einführung von Sanktionen

Soll das Sammeln von Unterschriften für Initiativen und Referenden bezahlt werden dürfen oder nicht? Mit dieser Frage setzte sich der Nationalrat in der Herbstsession 2023 auseinander. Stein des Anstosses war erstens eine parlamentarische Initiative von Léonore Porchet (gp, VD), die unter dem Titel «Bezahlte Demokratie ist Demagogie» ein Verbot bezahlter Unterschriftensammlungen forderte. In die Diskussion floss aber zweitens auch der Entscheid des Bundesrats mit ein; dieser hatte den Kanton Neuenburg zurückgepfiffen, der ein in einer kantonalen Volksabstimmung von 2021 angenommenes Verbot von bezahlten Unterschriftensammlungen nun zwar für kantonale und kommunale, nicht aber für nationale Anliegen anwenden darf.
In der Ratsdebatte warnte die Initiantin vor dem immer grösser werdenden Markt von Unternehmen, die Sammlerinnen und Sammler bezahlen würden. Diese hätten einen Anreiz möglichst viele Signaturen zu sammeln, weshalb sie nicht immer adäquate, stark vereinfachende oder gar falsche Argumente vorbrächten, um eine Unterschrift zu erhalten. Man könne teilweise gar von Belästigung sprechen, so Porchet. Insbesondere in der Westschweiz bestehe die Gefahr, dass die direkte Demokratie nicht mehr ein politisches Recht sei, sondern zu einem Finanzgeschäft für Unternehmen werde. Die Sprecherin der SPK-NR-Minderheit Natalie Imboden (gp, BE) erwähnte konkrete Beispiele um für eine Unterstützung des Anliegens zu werben: Die Lausanner Firma Incop bezahle etwa CHF 7.50 pro Unterschrift und habe nachweislich mit falschen Aussagen operiert. Dass ein entsprechendes Gesetz präventiven Charakter entfalten könne, zeige hingegen der Kanton Genf, wo eine entsprechende Regelung seit 1950 gelte. Die beiden Kommissionssprecher Kurt Fluri (fdp, SO) und Marco Romano (mitte, TI) argumentierten mit den bereits vorhandenen und aus Sicht der Kommissionsmehrheit genügenden Sicherheitsmassnahmen. Zum einen würden die Strafbestände der Wahlbestechung und der Wahlfälschung «die schlimmsten Auswüchse» verhindern; zum anderen könne aber auch auf die «Mündigkeit der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger» vertraut werden. Diese seien sehr wohl in der Lage, sich zu überlegen, wofür sie eine Unterschrift gäben. Ein Verbot der Bezahlung von Unterschriften würde überdies Falschinformationen nicht verhindern. Die Kommission teile die Ansicht, dass Bürgerinnen und Bürger zunehmend durch Unterschriftensammlungen belästigt würden, nicht. Sie warne hingegen davor, die funktionierende direkte Demokratie zu stark zu regulieren. Der Entscheid des Bundesrats im Fall Neuenburg, der sich auch auf die deutliche Ablehnung einer Motion mit ähnlicher Stossrichtung vor wenigen Jahren stütze, zeige schliesslich, dass die Kantone solche Verbote einführen könnten, dies für die nationale Ebene aber nicht angezeigt sei. Die Initiative erhielt Unterstützung von den geschlossenen Fraktionen der SP und der Grünen sowie den drei EVP-Mitgliedern der Mitte-Fraktion. Diese 70 Stimmen wurden freilich von einer Mehrheit aus 121 Voten aus den geschlossenen Fraktionen der GLP, der SVP und der FDP, sowie der restlichen Mitte-Fraktion überstimmt, womit der Initiative entsprechend keine Folge gegeben wurde.

Bezahlte Demokratie ist Demagogie (Pa.Iv. 22.471)

Suivant le Conseil des États, le Conseil national a refusé d'entrer en matière sur l'introduction d'un mécanisme de frein à la réglementation conçu pour alléger la charge administrative des entreprises lors de la session d'automne.
Le projet, élaboré à contre-coeur par le Conseil fédéral sur mandat du Parlement, propose de modifier l'article 159 de la Constitution fédérale, en y intégrant un mécanisme similaire à celui du frein aux dépenses, exigeant que les actes législatifs entraînant des charges importantes pour les entreprises soient adoptés à la majorité qualifiée (soit 101 voix au Conseil national et 24 voix au Conseil des États), plutôt qu'à la majorité simple. Le projet fixe également des seuils pour l'utilisation de ce nouvel instrument : une augmentation des coûts de réglementation pour au moins 10'000 entreprises ou de plus de 100 millions de francs pour l'ensemble des entreprises sur une période de 10 ans. Les détails de ce frein à la réglementation doivent être précisés dans la loi sur le Parlement (LParl).
D'abord, la Commission des institutions politiques du Conseil national (CIP-CN) a rejeté, à l'instar du Conseil des États, l'introduction de ce « frein à la réglementation ». La commission a en effet estimé qu'il n'est pas approprié que les actes du Parlement soient soumis à des exigences de majorité différentes en fonction de leur contenu. Par un vote de 14 voix contre 8, la CIP-CN a donc proposé de ne pas entrer en matière sur le projet. Puis, le ministre de l'économie, Guy Parmelin, a rappelé que le Conseil fédéral a rempli son mandat en élaborant ce projet, mais estime que ce n'est pas le bon moyen pour atteindre l'objectif de soulager les entreprises. En effet, il a souligné que 99,5% des projets adoptés par le Parlement auraient été adoptés même avec une majorité qualifiée, remettant ainsi en question l'impact réel de cette mesure sur les entreprises. Le vaudois a donc recommandé, au nom de Conseil fédéral, de ne pas entrer en matière sur ce projet en faveur d'une approche plus ciblée qui sera discutée avec le projet de loi fédérale sur l'allègement des coûts de la réglementation pour les entreprises (UEG).
Lors du débat, Marco Romano (centre, TI), pour la commission, a exprimé son désaccord en soulignant que soumettre les actes du Parlement à des exigences de majorité différentes en fonction de leur contenu était inacceptable du point de vue de la démocratie et sur le plan institutionnel. Il a argumenté que l'instauration d'un tel frein à la réglementation pourrait aggraver les blocages politiques. Natalie Imboden (vert-e-s, BE) a ajouté que le projet favoriserait les intérêts des entreprises au détriment d'autres intérêts sociétaux tout aussi légitimes, créant ainsi un système à deux vitesses. Marianne Binder (centre, AG) a rappelé l'existence d'un autre projet visant à limiter la réglementation des PME, qui englobait déjà les aspects du projet actuel. À l'inverse, Damien Cottier (plr, NE) a souligné le fardeau qui pèse actuellement sur les entreprises, argumentant que le projet allait dans la bonne direction. Piero Marchesi (udc, TI) a abondé dans le même sens, estimant que le frein à la réglementation permettrait aux PME de devenir plus compétitives en favorisant leur création. L'élu tessinois a également souligné que sans ce mécanisme, les PME perdraient en compétitivité.
Lors du vote final, la chambre basse a refusé d'entrer en matière sur le projet par 96 voix (l'ensemble du PS, des Vert-e-s, des Vert'libéraux et 15 élu.e.s du Centre) contre 89 (l'ensemble de l'UDC, du PLR et 11 élu.e.s du Centre) et 1 abstention (Kurt Fluri, (plr, SO).

Einführung einer Regulierungsbremse (BRG); Umsetzung Mo. 16.3360
Dossier: Effektivere Berücksichtigung von Regulierungskosten bei der Gesetzgebung
Dossier: Unternehmensentlastungsgesetz und Regulierungsbremse: Umsetzung der Motionen 16.3388 und 16.3360

Mit 14 zu 9 Stimmen beschloss die WBK-NR im August 2023, einer parlamentarischen Initiative aus der Feder von Natalie Imboden (gp, BE) keine Folge zu geben. Die Initiantin verlangt, dass Arbeitnehmende von ihren (zukünftigen) Arbeitgebenden Auskünfte über das individuelle und kollektive Lohngefüge des Betriebs, aufgeschlüsselt nach Geschlecht und Funktion, erhalten können. Zusätzlich soll es auch Arbeitnehmendenvertretungen ermöglicht werden, kollektive Daten eines Betriebs in aggregierter Form zu beziehen. Die 9-stimmige Kommissionsminderheit plädierte auf Folgegeben, da sie sich von dieser Massnahme zur Förderung von Lohntransparenz eine Verbesserung der Geschlechtergleichstellung in der Arbeitswelt versprach. Die Kommissionsmehrheit, die 14 Stimmen auf sich vereinte, wollte hingegen die Lohnvertraulichkeit schützen und vorerst die in Zusammenhang mit der Revision des Gleichstellungsgesetzes für 2025 in Aussicht gestellte Zwischenbilanz abwarten. Ebenso verwies sie auf eine im Ständerat hängige Motion zur Einführung von Sanktionen im Falle der Nichteinhaltung der Lohngleichheit. Auch das Schicksal dieses Vorstosses gelte es abzuwarten.

Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit. Lohntransparenz fördern, Verhandlungsposition stärken (Pa.Iv. 22.493)
Dossier: Lohngleichheitsanalysen und Diskussionen über die Einführung von Sanktionen

A l'occasion des 175 ans de la première Constitution fédérale, diverses propositions fleurissent afin de réfléchir à l'organisation des droits politiques et au fonctionnement de notre démocratie. Toutes ne rencontrent pourtant pas du succès, à l'image d'une motion déposée par Natalie Imboden (vert-e-s, BE) et refusée par le Conseil national par 121 voix contre 67 (pas d'abstention). L'élue écologiste prônait la création d'un Conseil de l'avenir, dont le rôle aurait été de « réfléchir aux modalités d'une révision de la Constitution actuelle et d'élaborer un projet de Constitution du futur et durable ». Jugeant suffisantes les possibilités actuelles de modifier ou réviser la Constitution, le Conseil fédéral n'a pas soutenu l'objet.

175e anniversaire de la Constitution fédérale. Créer un conseil de l'avenir pour une constitution du futur durable (Mo. 22.3919)
Dossier: 175 Jahre Bundesverfassung

Nachdem die eidgenössischen Räte im März 2023 eine Motion Sommaruga (sp, GE; Mo. 22.3362) überwiesen hatten, die die Übernahme des völkerstrafrechtlichen Aggressionsverbrechens ins Schweizer Recht forderte, stimmte der Nationalrat im Mai desselben Jahres mit 109 zu 74 Stimmen bei 3 Enthaltungen auch einer Motion Arslan (basta, BS) mit derselben Forderung zu. Gegenüber Sommaruga ging Arslan jedoch weiter und verlangte vom Bundesrat zusätzlich zu prüfen, ob die Strafbarkeit ausnahmsweise rückwirkend seit 2015 – also seit der Ratifikation der Änderung des Römer Statuts durch die Schweiz – eingeführt werden könne. Die Motionärin anerkannte, dass im Strafrecht eine Rückwirkung grundsätzlich verboten sei, berief sich in der Begründung aber auf Ausführungen des Bundesstrafgerichts, wonach eine Ausnahme bestehe für Verbrechen, «die schon vorher nach den von zivilisierten Völkern anerkannten Rechtsgrundsätzen strafbar waren». Der Bundesrat erklärte sich bereit, die Frage der Rückwirkung zusammen mit dem Auftrag der Motion Sommaruga zu prüfen, und beantragte die Motion Arslan zur Annahme. Bekämpft wurde der Vorstoss von SVP-Nationalrat Yves Nidegger (GE), der die geforderte Rückwirkung als nicht mit dem Schweizer Strafrecht vereinbar ansah. Überdies warnte er davor, die Schweiz als eine Art Weltgericht («tribunal disponible pour le monde entier») zu etablieren; dies laufe nicht zuletzt der Rolle der Schweiz als Anbieterin von Guten Diensten auf neutralem Boden zuwider. Die Fraktionen der SVP und der FDP lehnten den Vorstoss schliesslich ab, während die übrigen Fraktionen geschlossen dafür votierten.

Völkerstrafrechtliche Verbrechen der Aggression ins Strafgesetzbuch aufnehmen (Mo. 22.4503)

A l'occasion du 175ème anniversaire de la Constitution fédérale, diverses festivités sont prévues au cours de l'été 2023, à l'image des journées portes ouvertes du 1 et 2 juillet, au cours desquelles les bâtiments de la Confédération (Palais fédéral, Bernerhof, Hôtel Bellevue) seront accessibles au public, et de la fête du 12 septembre à Berne, commémorant la date d'adoption de la première Constitution de l'Etat fédéral. Souhaitant profiter de ce jubilé pour lancer une réflexion sur le passé, le présent et le futur de la Constitution, la conseillère nationale écologiste Natalie Imboden (BE) a demandé la création d'un laboratoire de la démocratie. Cet organe, dont la députée Imboden souhaite qu'il prenne en partie une forme numérique, aurait pour mission d'organiser des événements intégrant les diverses régions du pays, et s'adressant à différents groupes de la population, en particulier aux jeunes. L'auteure de la motion a insisté sur la nécessité de mettre en place des espaces de discussion pour faire vivre la démocratie. Elle a été soutenue en ce sens par une minorité du Bureau du Conseil national, qui souhaitait que les festivités ne restent pas sans lendemain.
Pour la majorité du Bureau en revanche, la création d'un laboratoire de la démocratie ne constitue pas une priorité. L'éducation citoyenne a déjà lieu de diverses manières dans les écoles, et les services du Parlement proposent de nombreuses activités pour rendre la jeunesse attentive au fonctionnement de la démocratie suisse. En outre, ce dernier a souligné qu'il n'est pas de sa compétence de créer et de financer un organe dédié à la Constitution.
La majorité bourgeoise du Conseil national s'est rangée derrière l'avis du Bureau et a enterré la motion par 106 voix contre 82 (pas d'abstention). Les Vert-e-s ont soutenu la proposition de leur députée, tout comme les socialistes et les Vert'libéraux.

175e anniversaire de la Constitution fédérale. Préparer le futur en créant un laboratoire de la démocratie soutenu par une fondation (Mo. 22.3920)
Dossier: 175 Jahre Bundesverfassung

Ende Februar 2023 wurde bekannt, dass sich EU-Kommissar Maros Šefčovič Mitte März in der Schweiz mit Aussenminister Ignazio Cassis treffen wolle. Die Zeitung «La Liberté» stellte fest, dass es sich hierbei um das erste hochrangige Treffen der beiden Politiker seit November 2021 handelte. Weiter mutmasste das Blatt, dass dem Bundesrat gar nicht viel anderes übrig geblieben sei, als sich mit dem EU-Kommissar zu treffen, da dieser sich – einer Einladung an die Universität Freiburg folgend – auch mit der APK-SR, dem Präsidenten der APK-NR und der KdK treffen wollte. Wozu das Treffen jedoch wirklich diene und ob es in einer gemeinsamen Ankündigung der beiden Parteien münden könnte, blieb im Vorfeld unklar. SVP-Nationalrat Nidegger (svp, GE) versprach sich wenig von dem Austausch, wohingegen Ständerätin Isabelle Chassot (mitte, FR) sich optimistisch hinsichtlich der Signalwirkung des Treffens äusserte.
Eine Woche vor dem Treffen reiste Staatssekretärin Livia Leu für eine weitere Gesprächsrunde nach Brüssel, der durchschlagende Erfolg blieb dabei jedoch aus. «Die Zeit für neue Verhandlungen ist noch nicht reif», zitierte die Aargauer Zeitung Leu nach dem Treffen. Bei den Sondierungsgesprächen im vergangenen Jahr seien alle Themen, die im neuen bilateralen Paket enthalten sein sollten, – darunter die Weiterentwicklung des Marktzugangsabkommens, ein neues Stromabkommen, ein Gesundheitsabkommen und die verbindliche Teilnahme an den EU-Programmen – besprochen worden, so Leu. Gemäss der Staatssekretärin blieben aber gewisse Differenzen weiterhin bestehen.
Angesichts der gedämpften Erwartungen verlief das Treffen von Bundesrat Cassis und EU-Kommissar Šefčovič positiv, wenn man den Hauptbeteiligten Glauben schenken möchte. Aussenminister Cassis schrieb im Anschluss an das Treffen auf Twitter von einer «guten Gelegenheit, Bilanz zu ziehen und eine positive Dynamik zwischen der Schweiz und der EU festzustellen». Das EDA gab in einer Medienmitteilung bekannt, dass «trotz der bisher erzielten Fortschritte noch eine Reihe von Fragen offen sei» für deren Auflösung beidseitige Anstrengungen vonnöten seien. Weitere Sondierungsgespräche würden daher im April in Brüssel stattfinden. Šefčovič hatte zuvor in seiner Rede an der Universität Freiburg bekannt gegeben, dass er auf einen Verhandlungsabschluss bis Sommer 2024 hoffe, da der Status Quo nicht länger haltbar sei. Allgemein zog sich eine positive Grundhaltung Šefčovičs durch seine Äusserungen, die er im Verlauf der Treffen mit verschiedenen Anspruchsgruppen während seines Besuchs machte. So erwähnte Šefčovič im Austausch mit der KdK, dass die EU sich offen zeige, der Schweiz einen grossen Schritt entgegenzukommen. Brüssel sei bereit, im institutionellen Bereich den von Bern gewünschten «vertikalen» Ansatz – also den Abschluss einzelner Abkommen statt einer allgemeinen Lösung für alle bilateralen Abkommen – zu akzeptieren, zitierte «24heures» den EU-Kommissar. Und die Aargauer Zeitung berichtete, dass er gegenüber der APK-SR angekündigt habe, dass die EU der Schweiz bei der Unionsbürgerrichtlinie gewisse Ausnahmen zugestehen werde. Mehrere Mitglieder der APK-NR – der Schwesterkommission – wünschten sich von der EU jedoch ein positives Signal in Form der Wiederassoziierung der Schweiz am Forschungsprogramm Horizon Europe.
Zum Abschluss seiner Reise traf sich Maros Šefčovič schliesslich mit einigen der erbittertsten Kritikern des gescheiterten Rahmenabkommens – den Gewerkschaften. SGB-Präsident Pierre-Yves Maillard (sp, VD) sprach gegenüber «LeTemps» und der Aargauer Zeitung von einem nützlichen und notwendigen Treffen, machte aber auch klar, dass die Probleme noch nicht gelöst worden seien. Das bestätigte auch Travailsuisse-Vertreter Adrian Wüthrich im «Blick». Es gebe noch Differenzen, doch man sei zuversichtlich, beim Lohnschutz eine Lösung zu finden, so Wüthrich diplomatisch.

EU-Kommissar Sefcovic zu Besuch in Bern
Dossier: Beziehungen Schweiz–EU, institutionelle Frage

La Commission de politique extérieure du Conseil national (CPE-CN) a déposé une motion visant à renforcer les structures organisationnelles pour une mise en œuvre cohérente de l'Agenda 2030. C'est en réaction à la publication du rapport sur l'application de l'Agenda 2030 que la commission a décidé d'agir, remarquant que des lacunes subsistent et qu'il est nécessaire de renforcer les structures organisationnelles et d'augmenter les moyens à disposition afin d'atteindre les objectifs fixés. Une minorité de la commission s'est opposée à ce texte. Yves Nidegger (udc, GE) a argué qu'il ne sera de toute manière jamais possible d'atteindre ces objectifs qui relèveraient de la religion : " le but qu'on s'est fixé à l'horizon, d'un monde différent, dans lequel l'homme maîtriserait le climat, donc le cours des planètes, donc l'activité solaire, donc toutes sortes d'autres choses, n'est évidemment pas atteint. " Le Conseil fédéral, restant plus terre-à-terre dans son argumentaire, a précisé, par la voix d'Ignazio Cassis, que des changements organisationnels avaient d'ores et déjà été entrepris en 2018 et qu'une évaluation était en cours pour évaluer l'efficacité de ces changements. Une majorité du Conseil national a toutefois décidé de suivre sa commission, par 103 voix contre 77 et 2 abstentions. L'objet a été soutenu par les groupes du Centre, des Vert-e-s, socialiste et vert'libéral.

Renforcer les structures organisationnelles pour une mise en oeuvre cohérente de l'Agenda 2030 (Mo. 22.4280)
Dossier: UNO: Nachhaltige Entwicklung

Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (mitte, BL) reichte im März 2022 eine Motion ein, mit der sie das Thema Gesundheit als neuen Schwerpunkt der internationalen Zusammenarbeit festlegen wollte. Gesundheit solle als Schwerpunktthema in die Botschaft zur Strategie der IZA 2025–2028 aufgenommen werden, damit die Schweiz einen Beitrag zur Stärkung der weltweiten Gesundheitssysteme leisten könne. Das wirke sich langfristig positiv auf die Wirtschaftsentwicklung in der Schweiz aus, da man die Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen und Medizinalgütern anrege, argumentierte die Motionärin. Ausserdem könnten neu auftretende Krankheiten früher erkannt werden und dadurch künftige Pandemien verhindert werden.
Der Bundesrat beantragte die Annahme der Motion, da eine gute Grundversorgung im Gesundheitsbereich seiner Meinung nach bereits zu den Zielen der IZA gehöre. Die IZA-Strategie 2021–2024 habe es der Schweiz erlaubt, einen Beitrag zur globalen Bewältigung der Covid-19-Krise zu leisten, da sie über sektorübergreifende Ansätze verfüge, die sich nicht nur auf das Gesundheitswesen beschränken. Das Thema Gesundheit werde auch in der IZA-Strategie 2025–2028 von grosser Bedeutung sein, weshalb sowohl die Gesundheitsaussenpolitik als auch der Bericht des Bundesrates in Erfüllung eines Postulats der APK-NR (Po. 20.3469) berücksichtigt werden.

In der Sommersession 2022 bekämpfte SVP-Nationalrat Yves Nidegger (svp, GE) die Motion, weshalb sie erst in der Frühjahrssession 2023 im grossen Rat diskutiert wurde. Dort warf Nideggger seiner Ratskollegin vor, die Motion vor allem im Interesse der Pharmaindustrie eingereicht zu haben, und warnte vor einem Imageschaden für die Schweiz, sollte die Gesundheit zur strategischen Priorität gemacht werden. Bundesrat Cassis warb für die Annahme der Motion, da die DEZA in den vergangenen Jahren nicht nur rund 10 Prozent ihrer Mittel für Gesundheitsprojekte ausgegeben habe, sondern darüber hinaus auch diverse Gesundheitsorganisationen wie die WHO oder Unaids unterstütze. Der Nationalrat nahm die Motion mit 136 zu 53 Stimmen an, wobei die Gegenstimmen von der SVP-Fraktion stammten.

Gesundheit als neuer Schwerpunkt der internationalen Zusammenarbeit (Mo. 22.3144)

Schlupflöcher zur Umgehung von Sanktionen, welche gemäss dem Embargogesetz verhängt wurden, umgehend schliessen. Dieses Ziel verfolgte eine Kommissionsmotion der APK-NR im November 2022. Die Kommission wollte insbesondere das sogenannte «ring fencing» verhindern, bei dem Firmen von Sanktionen verschont bleiben, indem sie dank buchhalterischen Kniffen garantieren, dass ihre Gelder nicht in Form von Dividenden oder anderweitigen Zahlungen an ihre sanktionierten Eigner fliessen. Die Kommission kritisierte den Bundesrat und die Verwaltung dafür, dass dadurch die von der Schweiz aufgrund des Ukraine-Kriegs übernommenen EU-Sanktionen ihrer Meinung nach nur lückenhaft umgesetzt werden. Der Bundesrat antwortete in seiner Stellungnahme auf diesen Vorwurf und stellte klar, dass die Schweiz im internationalen Vergleich bei der Umsetzung der Sanktionen gut dastehe. Die betroffenen Unternehmen kämen ihren Verpflichtungen nach, zudem spreche man im Rahmen der EU-Taskforce «Freeze and Seize» über Massnahmen zum Einfrieren von Vermögenswerten. Bezüglich «ring fencing» verfolge die Schweiz den gleichen Ansatz wie eine Reihe von EU-Staaten. Es sei nicht das Ziel, dass Sanktionen gegenüber Einzelpersonen dazu führten, dass Firmen in deren Umkreis in den Konkurs getrieben würden. Aus diesen Gründen sah der Bundesrat keinen Handlungsbedarf und beantragte die Ablehnung der Motion.

In der Frühjahrssession 2023 befasste sich der Nationalrat mit dem Vorstoss seiner aussenpolitischen Kommission. Kommissionssprecher Fabian Molina (sp, ZH) erklärte, dass die Kommissionsmehrheit solche Spezial-Rulings für russische Oligarchen als widersprüchlich zur Idee der übernommenen Sanktionen auffasse. Nicolas Walder (gp, GE) – ebenfalls Kommissionssprecher – nannte das «ring fencing» einen buchhalterischen «Taschenspielertrick», der die Wirkung von Sanktionen extrem abschwäche. Eine starke Kommissionsminderheit unter Führung von Yves Nidegger (svp, GE) lehnte die Motion hingegen ab, da diese das Recht auf Eigentum bedrohe und man damit Unternehmen schade, die den Sanktionen nicht unterliegen. Bei den Sanktionen gehe es vornehmlich darum, dem russischen Regime Gelder vorzuenthalten. Wenn diese erst nach Kriegsende ausgezahlt werden, habe die Sanktion ihren Zweck also erfüllt, so Nidegger. Bundesrat Guy Parmelin erklärte, dass der Bundesrat in der Schweiz tätigen Unternehmen die Fortsetzung ihrer Tätigkeiten ermöglichen wolle. Das SECO stelle im Einzelfall mit zusätzlichen Massnahmen sicher, dass die Sanktionen eingehalten werden, sodass das «ring fencing» nicht zu deren Umgehung beitrage.
Die grosse Kammer lehnte die Motion schliesslich mit 103 zu 86 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) ab. Die Fraktionen der SVP, der FDP.Liberale und der Mitte stimmten alle mehrheitlich dagegen.

Schlupflöcher zur Umgehung von nach Embargogesetz verhängten Sanktionen umgehend schliessen (Mo. 22.4279)

Mitte Januar 2023 verabschiedete der Nationalrat auf Antrag der APK-NR eine Erklärung für Menschenrechte und Demokratie im Iran und forderte damit den «sofortigen Stopp der staatlichen Brutalität gegen Demonstrierende». Die grosse Kammer zeigte sich bestürzt über die Menschenrechts- und insbesondere Frauenrechtsverletzungen des iranischen Regimes, verurteilte dessen Gewalt gegen die Zivilbevölkerung und verlangte die Freilassung aller politischen Gefangenen, die Abschaffung der Todesstrafe und die Durchführung von demokratischen Wahlen. Des Weiteren machte sie sich dafür stark, dass die internationale Staatengemeinschaft dem Schutz ethnischer, religiöser und sprachlicher Minderheiten im Iran mehr Bedeutung beimessen muss, und wies auf die Bedeutung der vom UNO-Menschenrechtsrat beschlossenen «Fact Finding Mission» im Iran hin. Vom Bundesrat forderte der Nationalrat die politische und finanzielle Unterstützung von zivilgesellschaftlichen Kräften, die sich für Menschenrechte und Demokratie im Iran einsetzen, sowie die Übernahme der von der EU gegen den Iran verhängten Sanktionen.
Eine Kommissionsminderheit Nidegger (svp, GE) lehnte die Erklärung ab. Minderheitssprecher Nidegger begründete die Ablehnung damit, dass sich der Bundesrat bereits zur Thematik geäussert und erste Sanktionen im Zusammenhang mit iranischen Drohnenlieferungen an Russland verhängt habe. Das Parlament sollte seiner Meinung nach nicht den «Lead» in einem Thema übernehmen, das im Kompetenzbereich des Bundesrats liege. Auch sei es eine Anmassung, sich in die Rechtsordnung anderer Staaten einzumischen und die Abschaffung der Todesstrafe zu fordern, das tue man bei Verbündeten wie den USA oder Japan schliesslich auch nicht. Die Schweiz solle stattdessen neutral bleiben und ihre Guten Dienste anbieten. Christine Bulliard-Marbach (mitte, FR), die Kommissionssprecherin der APK-NR, appellierte an den Rat, mit der Erklärung ein klares Signal für die Menschenrechte und die Demokratie im Iran zu senden. Die Kommission sei der Ansicht, dass die Schweiz ihre offiziellen Beziehungen zum Iran parallel zur Kritik des Parlaments weiterführen könne, erklärte sie. Das Instrument der Erklärung sei dazu da, um die Gefühle und Meinungen breiter Bevölkerungsteile angesichts weitreichender Ereignisse abzubilden, was hier der Fall sei. Die Entscheidung zur Verabschiedung der Erklärung fiel mit 107 zu 71 Stimmen (bei 5 Enthaltungen) schliesslich deutlich aus. Die SVP- sowie ein Grossteil der FDP-Liberalen-Fraktion wehrten sich erfolglos gegen die Verabschiedung der Erklärung.

Für Menschenrechte und Demokratie im Iran

Anfang Februar 2023 reiste eine fünfköpfige Delegation der parlamentarischen Freundschaftsgruppe Schweiz-Taiwan nach Taipeh. Die Gruppe setzte sich aus den Nationalratsmitgliedern Fabian Molina (sp, ZH), Mustafa Atici (sp, BS), Yves Nidegger (svp, GE), Nicolas Walder (gp, GE) und Léonore Porchet (gp, VD) zusammen. Obwohl Freundschaftsgruppen gemäss Parlamentsgesetz nicht als Organe der Bundesversammlung gelten und daher auch nicht in deren Namen auftreten können, sorgte der Besuch aufgrund der angespannten Situation zwischen Taiwan und der Volksrepublik China national wie auch international für Aufregung.
Die Reise erfolgte zudem trotz einer vorangegangenen Bombendrohung in der Metro der taiwanesischen Hauptstadt. Gemäss dem «Blick» hatten Unbekannte gefordert, den Schweizer Parlamentarierinnen und Parlamentariern den Besuch zu verweigern und dieser Forderung mit der Drohung mutmasslich Nachdruck verliehen. Fabian Molina bezeichnete die Reise als «Zeichen der Unterstützung für die Demokratie in Taiwan». Die Volksrepublik China hatte derweil in Person des chinesischen Botschafters in der Schweiz ihre Besorgnis und ihren Widerstand gegen den Besuch deutlich gemacht. Er warf der Delegation vor, die «unabhängigen separatistischen Kräfte in Taiwan» zu unterstützen, was den Frieden in der Taiwanstrasse nicht fördere. Die taiwanesische Regierung mass der Reise entsprechend viel Aufmerksamkeit bei. So wurde die Schweizer Delegation nicht nur von vier hochrangigen Ministern und Ministerinnen, sondern auch von Präsidentin Tsai Ing-wen persönlich in Empfang genommen.

Ebenfalls verärgert zeigte sich die Weltwoche, die die Reise im Nachhinein als Gefahr für die bilateralen Beziehungen zwischen der Schweiz und der Volksrepublik China bezeichnete. Man habe mit der Übernahme der EU-Sanktionen im Zuge des Ukraine-Kriegs schon Russland gegen sich aufgebracht, nun dürfe man es sich nicht auch noch mit China verscherzen, so das Wochenmagazin. Das Blatt störte sich auch daran, dass die APK-NR im Jahr zuvor eine Motion (Mo. 21.3967) angenommen hatte, welche eine Vertiefung der Beziehungen zu Taiwan verlangte, obwohl die Schweiz das Land nicht als eigenständigen Staat anerkenne. Der Genfer Nationalrat Nicolas Walder versuchte im Nachgang des Besuchs, die erhitzten Gemüter in der Schweiz zu beruhigen. Er gab zu verstehen, dass man sich mehr über demokratische Werte und Solidarität ausgetauscht habe als über das Thema Unabhängigkeit. Er betonte zudem die wirtschaftliche Bedeutung Taiwans, unter anderem als Halbleiterproduzent, mithilfe derer man die wirtschaftliche Abhängigkeit von der Volksrepublik reduzieren könne. Walder erwähnte in diesem Zusammenhang, dass sich Taiwan die gleichen Handelsbedingungen wünsche, wie sie die Volksrepublik China seit dem Abschluss des Freihandelsabkommens 2013 geniesse.

Besuch der parlamentarischen Freundschaftsgruppe Schweiz-Taiwan in Taipei

Die für ein fakultatives Referendum nötigen 50'000 Unterschriften innert 100 Tagen zusammenzubringen, ist ohne viele motivierte Mitwirkende und eine gute Organisation nur in Ausnahmesituationen möglich. Für mitgliederstarke, organisatorisch gut eingespielte und referendumserfahrene Parteien wie die SVP ist ein Scheitern an der Unterschriftenhürde aber eine Seltenheit.
Es sorgte deshalb für einiges Aufsehen, als Parteipräsident Marco Chiesa (svp, TI) und Fraktionschef Thomas Aeschi (svp, ZG) Mitte Dezember 2022 öffentlich die Alarmglocke läuteten, weil ihre Partei mit der Unterschriftensammlung fürs Referendum gegen das Klima- und Innovationsgesetz «massiv» im Hintertreffen sei: Nach mehr als der Hälfte der Sammelfrist fehlten noch 20'000 Unterschriften, und über die anstehenden Feiertage könne erfahrungsgemäss nicht mit vielen Unterschriften gerechnet werden.

Als Gründe für die Schwierigkeiten kursierten in der Presse verschiedene Erklärungen: Chiesa selbst gab im Sonntags-Blick an, das Engagement von Fraktionsmitgliedern und Kantonalparteien in der Unterschriftensammlung sei «ungenügend». Hinzu komme «Pech», weil nach den Rücktritten von Ueli Maurer (svp, ZH) und Simonetta Sommaruga (sp, BE) die Bundesratswahlen die Schlagzeilen dominierten und das Referendum deshalb weniger öffentliche Aufmerksamkeit erhalten habe.
Auch die NZZ erwähnte die Bundesratswahlen, allerdings in etwas anderem Licht: Dass die SVP sich mit Blick auf den SP-Sitz von Beginn an zur Konkordanz bekannt und ihrerseits Albert Rösti (svp, BE) ohne nennenswerte Gegenwehr in den Bundesrat gebracht habe, habe «die frühere Oppositionspartei in den vergangenen Wochen züchtig und zahm gemacht»: Die Bundesratswahlen hätten gezeigt, dass die SVP selbst zum «Establishment» gehöre und sich dies für sie «wohlig anfühlt». Das «harmonisch-konkordante Schaulaufen» der Partei stachle die Basis nicht zum Unterschriftensammeln in der Kälte und zu einem Referendumskampf an.
Daneben wusste die NZZ noch von einem anderen Problemfaktor zu berichten: Im Büro des ehemaligen Nationalrats Ulrich Schlüer (ZH, svp), wo die ausgefüllten Unterschriftenbogen aus der ganzen Schweiz geordnet und für die Beglaubigung bereitgemacht würden, habe es gehapert. Schlüer scheine den Überblick über die Anzahl der bisher eingegangenen Unterschriften verloren und anfänglich eine viel zu tiefe Zahl genannt zu haben – in der Parteispitze sei gar von «Chaos» die Rede. Die Unzufriedenheit mit Schlüer gehe so weit, dass Christoph Blocher (ZH, svp) seinem langjährigen Weggefährten kurzerhand die ebenfalls laufende Unterschriftensammlung für die Neutralitätsinitiative entzogen und dort nun eigene Leute für das administrative Kampagnen-Management und die Unterschriften-Logistik eingesetzt habe, mutmasste die NZZ weiter.
Einen weiteren Erklärungsansatz für die Schwierigkeiten beim Referendum gegen das Klima- und Innovationsgesetz hielt Nationalrat Yves Nidegger (svp, GE) in 24heures bereit: Das Referendumsanliegen sei relativ kompliziert zu erklären, und im Gegensatz zum CO2-Gesetz, das die SVP ebenfalls gegen fast alle anderen Parteien bekämpft habe, gehe es zudem um Subventionen und Ziele statt um Preiserhöhungen und Verbote. Auf der Strasse mache es in den Augen der angesprochenen Passantinnen und Passanten deshalb nicht sofort «Klick» wie bei anderen Anliegen, mit denen sich die SVP profiliere.

Die Sorge vor einem blamablen Scheitern in der Unterschriftensammlung schien in der Bundeshausfraktion so gross, dass sie wenige Tage nach Chiesas Sonntags-Blick-Interview zu ungewöhnlichen Massnahmen griff: Zwar ist es bei der SVP üblich, dass den Fraktionsmitgliedern bei Referenden und Initiativen der Partei jeweils unverbindliche Zielvorgaben zur Anzahl zu sammelnder Unterschriften gemacht werden. Beim Klima- und Innovationsgesetz wurde nun aber auf Antrag von Nationalrat Alfred Heer (svp, ZH) nicht nur die ursprünglich bei 100 Unterschriften angesetzte Vorgabe auf 150 Unterschriften pro Fraktionsmitglied erhöht, sondern auch ein Strafgeld von 10 Franken pro fehlende Unterschrift festgelegt, welches Fraktionsmitglieder der Partei zu entrichten hätten, wenn sie ihre Zielvorgabe verpassen sollten. Der Beschluss, der mit 13 zu 11 Stimmen knapp und in Abwesenheit von mehr als der Hälfte der Fraktionsmitglieder gefällt worden war, sorgte in der Folge für einiges böses Blut. Nationalrat Roland Rino Büchel (svp, SG) etwa habe nach der Abstimmung die Sitzung kurzerhand verlassen, beim nächsten Geldautomaten 1500 Franken abgehoben und nach dem Motto «Ihr wollt Stutz statt Stimmen? Könnt ihr haben!» dem Fraktionschef noch in derselben Sitzung auf den Tisch «geknallt», wie die NZZ kolportierte. Sein Ratskollege Yves Nidegger wiederum liess sich in 24heures mit der Aussage zitieren, der Beschluss sei demotivierend und nicht umsetzbar, kurz: «in jeder Hinsicht idiotisch» («idiote à tous points de vue»). Jean-Pierre Grin (svp, VD) sprach gar von parteiinterner «Diktatur» und zeigte sich entschlossen, keinesfalls auch nur einen Rappen Strafgeld abzuliefern. Grin befürchtete, die kontroverse Massnahme könnte sogar kontraproduktiv wirken: Ein Fraktionskollege habe ihm gesagt, er werde unter diesen Voraussetzungen aus Protest keine Unterschriften mehr sammeln.

Ob trotz, wegen oder ungeachtet des umstrittenen Fraktionsbeschlusses: Die Unterschriftensammlung nahm in der Folge Fahrt auf, und schon zwei Wochen nach dem Läuten der Alarmglocke – und drei Wochen vor Ablauf der Sammelfrist – liess Kampagnenleiter und Nationalrat Michael Graber (svp, VS) in der NZZ verlauten, es sehe inzwischen «sehr gut» aus für das Zustandekommen des Referendums. In der Tat konnte die SVP letztlich sogar 103'015 gültige Unterschriften einreichen – doppelt so viele wie nötig. Seit fast zehn Jahren hatte überhaupt nur ein fakultatives Referendum (jenes gegen die Übernahme der EU-Waffenrichtlinie) noch mehr Unterschriften erzielt.

SVP-Referendum gegen das Klimagesetz 2023

In der Wintersession 2022 gelangte die parlamentarische Initiative Molina (sp, ZH) betreffend die Verbesserung des Abwehrdispositivs gegen Potentatengelder ins Plenum des Nationalrats. Die Mehrheit der vorberatenden RK-NR beantragte, der Initiative keine Folge zu geben. Gemäss Kommissionssprecher Yves Nidegger (svp, GE) befürchtete sie einen Widerspruch der Forderung zur grundrechtlichen Eigentumsgarantie. Der Vorstoss schaffe zudem eine generelle Korruptionsvermutung gegenüber Personen, die aus einem Land stammten, welches unter Korruption leide oder dessen Rechtsstaat in den Augen der Schweiz ungenügend ausgebaut sei. Eine Minderheit Dandrès (sp, GE) beantragte, der Initiative Folge zu geben. Aufgrund ihrer Stellung im internationalen Finanzplatz sehe sich die Schweiz dem grossen Risiko ausgesetzt, zum sicheren Hafen für Gelder von Potentaten oder diktatorischen Regimen zu werden. Die präventive Blockierung von Gütern oder Vermögenswerten aus illegalem Handel oder Korruption reduziere dieses geopolitische Risiko, so Dandrès. Ausserhalb der sozialdemokratischen, der grünen und der grünliberalen Fraktionen überzeugten diese Argumente allerdings nicht; der Nationalrat gab der parlamentarischen Initiative mit 108 zu 81 Stimmen bei einer Enthaltung keine Folge.

Améliorer le dispositif de lutte contre les avoirs de potentats (In. Pa. 21.523)

In der Wintersession 2022 stimmte der Nationalrat erstmals über ein gesetzliches Verbot von Konversionsmassnahmen ab. Obschon bereits einige Vorstösse zur gesetzlichen Regelung von Konversionstherapien im Parlament eingereicht worden waren, wurden diese angesichts der vorliegenden Kommissionsmotion der RK-NR allesamt in der Herbstsession 2022 zurückgezogen. Die Motion der RK-NR beabsichtigt, eine Gesetzesgrundlage für ein Verbot von Konversionstherapien und eine entsprechende Strafnorm zu erschaffen. Als Konversionsmassnahmen werden Methoden bezeichnet, die auf eine Veränderung der Geschlechteridentität oder der sexuellen Orientierung einer Person abzielen. Die RK-NR hob insbesondere die Notwendigkeit einer einheitlichen, bundesweiten Regelung hervor, um einen kantonalen Flickenteppich zu vermeiden. Der Bundesrat argumentierte, dass lieber zuerst ein Bericht des EDI zur Erfüllung eines Postulats von Siebenthal (svp, BE; Po. 21.4474) abgewartet werden sollte, da dieser eine Einschätzung zur Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung von Konversionsmassnahmen enthalten werde. Ebenso stellte sich eine Minderheit Nidegger (svp, GE) gegen den Vorstoss. Der Nationalrat sprach sich hingegen mit 143 zu 37 Stimmen (bei 11 Enthaltungen) klar für ein Verbot von Konversionsmassnahmen aus, wobei mehr als die Hälfte der SVP-Fraktion sowie je zwei Mitglieder der FDP- respektive Mitte-Fraktion den Vorstoss ablehnten.

Kommissionsmotion verlangt Verbot von Konversionsmassnahmen (Mo. 22.3889)
Dossier: Verbot von Konversionstherapien

Der Nationalrat befasste sich in der Wintersession 2022 mit fünf gleichlautenden parlamentarischen Initiativen mit dem Titel «Recht auf gesunde Umwelt und Rechte der Natur» von Vertreterinnen und Vertretern der Grünen-, der GLP-, der FDP.Liberalen-, der SP- sowie der Mitte-Fraktion. Marionna Schlatter (gp, ZH) und Jon Pult (sp, GR) erläuterten den Initiativtext und setzten sich dafür ein, dass in der Bundesverfassung ein Grundrecht auf eine gesunde Umwelt festgeschrieben wird. Zudem solle in der BV auch eine Grundlage dafür geschaffen werde, dass die Natur zumindest teilweise eine Rechtspersönlichkeit erhält. Nur dadurch könne der ungenügende Schutz der Natur justiziabel gemacht werden. Anschliessend empfahl Yves Nidegger (svp, GE) im Namen der Mehrheit der RK-NR, den fünf Initiativen keine Folge zu geben. Zum einen sei die Bestimmung des Rechts auf eine gesunde Umwelt zu unbestimmt, um dieses zu einem Verfassungsrecht zu erklären. Zum anderen sei die Forderung, die Natur zum Rechtssubjekt zu machen, in der Schweizer Rechtsordnung nicht vorgesehen, denn einem Rechtssubjekt stünden gemäss der hiesigen Rechtsordnung nicht nur Rechte zu, sondern oblägen auch gewisse Pflichten, die man der Natur nicht auferlegen könne. In der Abstimmung sprachen sich 87 Mitglieder des Nationalrates für Folgegeben aus, 101 votierten dagegen und 1 Person enthielt sich der Stimme. Gegen Folgegeben stimmten die geschlossen stimmende SVP-Fraktion sowie die fast geschlossen stimmenden Fraktionen der FDP.Liberalen und der Mitte. Die fünf parlamentarischen Initiativen sind damit erledigt.

Fünf gleichlautende parlamentarische Initiativen mit dem Titel "Recht auf gesunde Umwelt und Rechte der Natur"

In der Wintersession 2022 gab der Nationalrat einer parlamentarischen Initiative Dandrès (sp, GE), wonach Entschädigungen und Kosten bei Schiedsgerichtsverfahren im Rahmen von Massenentlassungen von der öffentlichen Hand getragen werden sollen, mit 125 zu 69 Stimmen keine Folge. Eine Mehrheit des Rates war der Ansicht, dass private Schiedsgerichtsverfahren nicht durch die öffentliche Hand bezahlt werden sollten. Nachdem bereits im Mai 2022 eine Mehrheit der vorberatenden RK-NR die vorgeschlagene Anpassung des OR mit 16 zu 9 Stimmen abgelehnt hatte, war die Initiative damit erledigt.
Man müsse nicht eine Lösung suchen, wo kein Problem bestehe, meinte Kommissionssprecher Yves Nidegger (svp, GE) im Rat. Mehrere Kantone böten bereits öffentliche Schiedsgerichte an, welche die Kosten auf die Arbeitgebenden überwälzen könnten. Seit der Einführung der entsprechenden Bestimmung im OR sei es zudem zu verhältnismässig wenigen Schiedsgerichtsfällen gekommen, weshalb eine Gesetzesänderung nicht notwendig sei. Der Initiant erläuterte das aktuelle System: Bei Massenentlassungen in Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden – in diesen Fällen greift die 2014 eingeführte Pflicht zur Findung eines Sozialplans – würden die Kosten eines Schiedsgerichts den beiden Parteien auferlegt. Dies führe dazu, dass Arbeitnehmende eher auf unvorteilhafte Konditionen eingingen, um lange und teure Verfahren zu vermeiden. Würde hingegen die öffentliche Hand diese Kosten tragen, so könnte dieser Missstand behoben werden. Schliesslich sei es normal, dass die Allgemeinheit für die Kosten einer gesetzlichen Pflicht aufkomme, versuchte Dandrès vergeblich, den Rat zu überzeugen.

Entschädigungen und Verfahrenskosten bei Verfahren vor einem Schiedsgericht nach Massenentlassungen (Pa.Iv. 21.430)

Der Nationalrat beugte sich in der Wintersession 2022 als Zweitrat über die Revision des Sexualstrafrechts. Wie bereits in der Ständekammer wurde das Ziel des Revisionsprojekts, das in die Jahre gekommene Sexualstrafrecht an die veränderten gesellschaftlichen Wertvorstellungen anzupassen, auch im Nationalrat allseits begrüsst. Eintreten war somit unbestritten.

Die Debatte um den umstrittensten Punkt der Vorlage, die Modellwahl zwischen «Nur Ja heisst Ja» und «Nein heisst Nein», fand in der grossen Kammer im Vergleich zum Ständerat unter umgekehrten Vorzeichen statt: Während sich in der Kantonskammer eine Minderheit der Kommission erfolglos für die Zustimmungslösung ausgesprochen hatte, beantragte im Nationalrat die Mehrheit der vorberatenden Rechtskommission die Verankerung des «Nur-Ja-heisst-Ja»-Prinzips im Strafgesetzbuch. Gemäss Kommissionssprecherin Patricia von Falkenstein (ldp, BS) wolle man damit klar zum Ausdruck bringen, «dass einvernehmliche sexuelle Handlungen im Grundsatz immer auf der Einwilligung der daran beteiligten Personen beruhen sollen» und «dass Geschlechtsverkehr ohne Einwilligung als Vergewaltigung betrachtet wird». Mit der Zustimmungslösung solle bei der Aufklärung von Sexualdelikten zudem mehr das Verhalten des Täters oder der Täterin in den Fokus rücken, und nicht die Frage, ob und wie sich das Opfer gewehrt habe. Letzteres solle sich nicht schuldig fühlen, wenn es nicht in ausreichendem Mass Widerstand geleistet habe. Demgegenüber fordere die «Nein heisst Nein»-Lösung vom Opfer weiterhin einen zumutbaren Widerstand. Bundesrätin Karin Keller-Sutter argumentierte hingegen, dass das Widerspruchsprinzip klarer sei. Jemand könne auch aus Angst oder Unsicherheit Ja sagen, ohne dies tatsächlich zu wollen, wohingegen ein explizites oder stillschweigendes Nein – etwa eine ablehnende Geste oder Weinen – nicht als Zustimmung missverstanden werden könne. Über ein geäussertes Nein könne das Opfer im Strafverfahren allenfalls aussagen, über ein fehlendes Ja jedoch nicht, denn einen Negativbeweis gebe es nicht, ergänzte Philipp Matthias Bregy (mitte, VS), der mit seiner Minderheit ebenfalls für «Nein heisst Nein» eintrat. Wie schon im Ständerat herrschte derweil auch im Nationalrat weitgehende Einigkeit, dass der Unterschied zwischen den beiden Varianten juristisch gesehen «verschwindend klein» sei, wie es Tamara Funiciello (sp, BE) ausdrückte, und es vor allem um Signale gehe. Während die Advokatinnen und Advokaten der Zustimmungslösung darin eine gesellschaftliche Haltung sahen, die die sexuelle Selbstbestimmung betone, erachteten die Befürworterinnen und Befürworter der Widerspruchslösung das Strafrecht nicht als den richtigen Ort für Symbolik – so fasste Christa Markwalder (fdp, BE) die Positionen in ihrer gespaltenen Fraktion zusammen. Als eine Art Mittelweg bewarb eine Minderheit Nidegger (svp, GE) unterdessen die im Ständerat gescheiterte Umformulierung des Widerspruchsprinzips. Diese wollte durch die explizite Nennung von verbaler und nonverbaler Ablehnung die Fälle von sogenanntem Freezing – wenn das Opfer in einen Schockzustand gerät und dadurch widerstandsunfähig ist – besser abdecken. Bundesrätin Karin Keller-Sutter betonte indes, auch mit der Widerspruchslösung seien Freezing-Fälle abgedeckt und die Minderheit Nidegger bringe somit keinen Mehrwert. Die Minderheit Nidegger unterlag der «Nein-heisst-Nein»-Lösung wie vom Bundesrat vorgeschlagen denn auch deutlich mit 118 zu 64 Stimmen bei 8 Enthaltungen. Ebenso chancenlos blieb die Minderheit Reimann (svp, SG), die statt dem vorgesehenen Kaskadenprinzip in Art. 189 und 190 StGB – einer Definition des Grundtatbestands ohne Nötigung (Abs. 1), wobei Nötigung sowie Grausamkeit als zusätzliche Erschwernisse in den Absätzen 2 und 3 aufgeführt werden – einen eigenen Tatbestand für Verletzungen der sexuellen Integrität ohne Nötigung schaffen wollte, sodass das Nötigungselement in den Tatbeständen der sexuellen Nötigung und der Vergewaltigung erhalten bliebe. Dieses Konzept war allerdings bereits in der Vernehmlassung harsch kritisiert worden. «Nur Ja heisst Ja» setzte sich schliesslich mit 99 zu 88 Stimmen bei 3 Enthaltungen gegen «Nein heisst Nein» durch. Zum Durchbruch verhalfen der Zustimmungslösung neben den geschlossen dafür stimmenden Fraktionen der SP, der Grünen und der GLP Minderheiten aus der FDP- und der Mitte-Fraktion sowie SVP-Nationalrätin Céline Amaudruz (svp, GE).

Neben der Modellwahl diskutierte die grosse Kammer auch die Strafrahmen ausführlich. Hier hielt sie sich mit einer Ausnahme überall an die Vorschläge ihrer Kommissionsmehrheit und lehnte zahlreiche Minderheitsanträge aus den Reihen der SVP- und der Mitte-Fraktion ab, die schärfere Strafen forderten. Härtere Sanktionen seien ursprünglich das Ziel der Strafrahmenharmonisierung gewesen, wovon auch die vorliegende Revision Teil sei, argumentierte Barbara Steinemann (svp, ZH). Solange «Belästiger mit symbolischen Strafen aus dem Gerichtssaal davonlaufen» könnten, sei auch die Zustimmungslösung nur ein «Ablenkungsmanöver», warf sie der Ratsmehrheit vor. Letztere wollte allerdings den Ermessensspielraum der Gerichte nicht einschränken. Es wurde befürchtet, dass die Gerichte sonst höhere Massstäbe an die Beweiswürdigung setzen könnten und es damit zu weniger Verurteilungen kommen könnte. Eine Mindeststrafe müsse immer «auch den denkbar leichtesten Fall abdecken», mahnte Justizministerin Keller-Sutter. Einzig bei der Vergewaltigung mit Nötigung – dem neuen Art. 190 Abs. 2, der im Grundsatz dem heutigen Vergewaltigungstatbestand entspricht – folgte der Nationalrat mit 95 zu 90 Stimmen bei 5 Enthaltungen der Minderheit Steinemann und übernahm die bereits vom Ständerat vorgenommene Verschärfung. Damit beträgt die Mindeststrafe für diesen Tatbestand neu zwei Jahre Freiheitsstrafe, Geldstrafen sowie bedingte Strafen sind demnach ausgeschlossen. Vergewaltigerinnen und Vergewaltiger müssen damit künftig zwingend ins Gefängnis. Bisher betrug die Mindeststrafe für Vergewaltigung ein Jahr Freiheitsstrafe, wobei diese auch (teil-)bedingt ausgesprochen werden konnte.

In einem zweiten Block beriet die Volkskammer noch diverse weitere Anliegen im Bereich des Sexualstrafrechts. Die Forderung einer Minderheit Funiciello, dass verurteilte Sexualstraftäterinnen und -täter obligatorisch ein Lernprogramm absolvieren müssen, wie dies bei häuslicher Gewalt oder Pädokriminalität bereits der Fall ist, wurde mit 104 zu 85 Stimmen abgelehnt. Da die Art des Delikts nicht berücksichtigt würde, handle es sich um eine «undifferenzierte Massnahme», so Kommissionssprecherin von Falkenstein. Mit 98 zu 84 Stimmen bei 7 Enthaltungen sprach sich der Nationalrat indessen dafür aus, die Altersgrenze für die Unverjährbarkeit von Sexualverbrechen auf 16 Jahre anzuheben. Bislang lag diese bei 12 Jahren, wie es bei der Umsetzung der Unverjährbarkeitsinitiative festgelegt worden war. Die Mehrheit argumentierte, so falle die Grenze für die Unverjährbarkeit mit dem Alter der sexuellen Mündigkeit zusammen. Den neuen Tatbestand der Rachepornografie hiess die grosse Kammer stillschweigend gut, verfrachtete ihn aber in einen anderen Artikel innerhalb des StGB. Anders als der Ständerat nahm der Nationalrat stillschweigend auch einen Tatbestand für Grooming ins Gesetz auf. In der Vernehmlassung sei dieser Vorschlag sehr positiv aufgenommen worden, erklärte die Kommissionssprecherin. Das Anliegen einer Minderheit von Falkenstein, sexuelle Belästigung nicht nur in Form von Wort, Schrift und Bild zu bestrafen, sondern auch andere sexuell konnotierte Verhaltensweisen – beispielsweise Gesten oder Pfiffe – unter Strafe zu stellen, scheiterte mit 96 zu 93 Stimmen knapp. Bundesrätin Karin Keller-Sutter warnte vor einer «uferlosen Strafbarkeit», da mit der geforderten Ergänzung die Grenze zwischen strafbarem und straflosem Verhalten unklar wäre. Ebenfalls abgelehnt wurde ein Einzelantrag von Léonore Porchet (gp, VD), die ein Offizialdelikt für sexuelle Belästigungen im öffentlichen Raum einführen wollte. Die betroffene Person solle selbst entscheiden können, ob sie eine Strafverfolgung wünsche oder an ihrer Privatsphäre festhalten möchte, argumentierte Justizministerin Keller-Sutter dagegen.

In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat den Entwurf mit 127 zu 58 Stimmen bei 5 Enthaltungen an. Mit der Ausnahme von Céline Amaudruz stellte sich die SVP-Fraktion geschlossen dagegen. Sie wurde von einigen Stimmen aus der Mitte-Fraktion unterstützt, aus der auch die Enthaltungen stammten. Das Ergebnis war Ausdruck der Enttäuschung des rechtsbürgerlichen Lagers über die ablehnende Haltung des Rats gegenüber Strafverschärfungen. SVP-Vertreterin Steinemann hatte schon in der Eintretensdebatte angekündigt, dass ihre Fraktion die Vorlage ablehnen werde, «sofern nicht deutlich schärfere Sanktionen resultieren».

Harmonisierung der Strafrahmen (BRG 18.043)
Dossier: Revision des Strafgesetzbuches (2008– )
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Im November 2022 reichten die Aussenpolitischen Kommissionen beider Räte zwei fast gleichlautende Kommissionsmotionen zur Unterstützung der iranischen Zivilgesellschaft ein. Während sowohl die APK-NR (Mo. 22.4278) als auch die APK-SR (Mo. 22.4274) den Bundesrat damit beauftragen wollten, angemessene Massnahmen zu ergreifen, um die iranische Zivilgesellschaft in ihrem Kampf für Frauen- und Menschenrechte zu unterstützen, forderte die nationalrätliche Motion zusätzlich die vollständige Übernahme der EU-Sanktionen gegen Mitglieder des iranischen Regimes. Beide Kommissionen begründeten ihre Vorstösse damit, dass das iranische Regime mit physischer Gewalt gegen die zivilgesellschaftlichen Proteste vorgehe und iranische NGOs daher finanziell und durch weitere geeignete Massnahmen unterstützt werden müssten.
Eine Kommissionsminderheit Nidegger (svp, GE) in der APK-NR und eine Kommissionsminderheit Chiesa (svp, TI) in der APK-SR beantragten, die Motionen abzulehnen. Auch der Bundesrat sprach sich für die Ablehnung beider Motionen aus, da die Schweiz bereits mit mehreren diplomatischen Interventionen auf bilateraler und multilateraler Ebene auf die jüngsten Entwicklungen reagiert habe. Das EDA führe zudem einen Menschenrechtsdialog mit dem Iran und spreche dabei auch Einzelfälle von Menschenrechtsverletzungen gezielt und offen an. Eine Unterstützung von zivilgesellschaftlichen Organisationen sei mit erheblichen Risiken verbunden, da Vergeltungsmassnahmen gegen diese Organisationen ergriffen werden könnten, argumentierte der Bundesrat weiter. Die Schweiz arbeite gemäss dem Vorsorgeprinzip mit internationalen Organisationen zusammen, unter anderem unterstütze das EDA Projekte des UNICEF und des OHCHR im Bereich der Jugendjustiz. Die Schweizer Botschaft in Teheran fördere zudem NGO-Projekte in den Bereichen Entwicklung, humanitäre Hilfe und menschliche Sicherheit zugunsten der iranischen Bevölkerung. Der Bundesrat gewichte schliesslich die besondere Rolle der Schweiz mit ihren Schutzmachtmandaten höher als den möglichen Effekt zusätzlicher Sanktionen gegen den bereits stark sanktionierten Iran.

Während der Ständerat die Motion seiner APK in der Frühjahrssession mit 20 zu 19 Stimmen (bei 1 Enthaltung) aufgrund der Gegenstimmen der FDP-, SVP- und einiger Mitte-Mitglieder knapp ablehnte, beschloss der Nationalrat mit 105 zu 65 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) gegen den Willen der SVP- und der FDP-Fraktion die Annahme der Motion seiner Kommission. Im Ständerat standen vor allem die wichtige Rolle der Schweiz mit ihren Schutzmachtmandaten im Iran und der privilegierte diplomatische Zugang zum Regime im Vordergrund. Auch in der nationalrätlichen Debatte wurden diese Bedenken aufgeworfen, verfingen aber bei der Ratsmehrheit nicht. Nationalrat Walder (gp, GE) warnte etwa davor, dass der Iran nicht davon ausgehen dürfe, dass ihm die Gewährung von Schutzmachtmandaten eine Vorzugsbehandlung durch die Schutzmächte garantiere. Die Menschenrechtsbilanz des Iran sei seit Jahren dramatisch und ein Verzicht auf weitere Sanktionen könnte als Unterstützung des Regimes interpretiert werden.

Kommissionsmotionen zur Unterstützung der iranischen Zivilgesellschaft (Mo. 22.4278 & Mo. 22.4274)

Anfang November 2022 gab der Bundesrat bekannt, dass das WBF gemeinsam mit dem EDA entschieden habe, die Lieferung iranischer Drohnen nach Russland zu sanktionieren. Damit übernehme die Schweiz die Sanktionen der EU gegen drei iranische Militärangehörige und eine Firma, welche an der Entwicklung und Lieferung von Drohnen an Russland beteiligt gewesen sein sollen. Diese Drohnen seien anschliessend im Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine eingesetzt worden. Die sanktionierten Subjekte durften damit nicht mehr in die EU oder die Schweiz einreisen, mit ihnen durften keine Geschäfte gemacht werden und allfällige Vermögen in der Schweiz konnten eingefroren werden. Gleichzeitig gaben beide Departemente aber auch bekannt, dass man die weiteren – im Zusammenhang mit den gegenwärtigen Protesten – erlassenen EU-Sanktionen gegenüber dem Iran nicht übernehmen wolle. Nach der Tötung von Jina Mahsa Amini in iranischem Polizeigewahrsam am 16. September 2022 war es im Iran zu landesweiten Demonstrationen gekommen, welche die iranische Regierung gewaltsam hatte niederschlagen lassen. Die EU sanktionierte daraufhin elf Personen und vier Organisationen, die sowohl mit dem Tod der jungen Iranerin als auch mit der Protestbekämpfung in Verbindung gebracht wurden. Der Bundesrat rechtfertigte den Verzicht auf die Übernahme dieser Sanktionen damit, dass die Schweiz den Tod von Amini als eines der ersten Länder auf höchster Stufe mit dem Iran thematisiert und eine «rasche, unabhängige und unparteiische Aufklärung gefordert» habe. Auch die Gewaltanwendung gegen Protestierende habe man verurteilt und den Iran auf bilateraler und multilateraler Ebene zur Einhaltung seiner menschenrechtlichen Verpflichtungen aufgefordert. Diese Massnahmen erachtete der Bundesrat als ausreichend. Zudem übernehme die Schweiz fünf Schutzmachtmandate im oder für den Iran, welche ebenfalls in die Abwägung miteingeflossen seien. Die bereits bestehenden Finanz-, Reise- und Gütersanktionen wollte der Bundesrat hingegen weiterhin aufrechterhalten.
Der emeritierte Rechtsprofessor Thomas Cottier erklärte die Zurückhaltung des Bundesrats im Tages-Anzeiger damit, dass die Schweiz bisher noch nie «thematische Menschenrechtssanktionen» – also Sanktionen gegen Staaten, die auf ihrem Gebiet Menschenrechte nicht einhalten – erlassen habe. Dementsprechend wäre eine Übernahme aller EU-Sanktionen ein Paradigmenwechsel mit Präzedenzcharakter gewesen. In der Folge hätte man diese auf weitere Staaten anwenden müssen, da die EU derartige Sanktionen beispielsweise auch gegen China erlassen habe.

Der Entscheid des Bundesrats sorgte für einige rote Köpfe in der Schweizer Parteienlandschaft. Marianne Binder-Keller (mitte, AG) forderte im Tages-Anzeiger mehr Unterstützung der Demokratiebewegung im Iran und kritisierte die nur teilweise erfolgte Sanktionsübernahme. SP-Nationalrat Fabian Molina (sp, ZH) bezeichnete den Bundesratsentscheid gar als «Skandal», für den es rechtlich keinen Grund gebe. Auch in der Bevölkerung formierte sich Widerstand gegen die offizielle Haltung der Schweiz: In Bern protestierten kurz darauf tausende Personen auf dem Bundesplatz gegen das iranische Regime und forderten eine Wende in der Schweizer Iran-Politik. Die grüne Nationalrätin Natalie Imboden (gp, BE), die ebenfalls an den Protesten teilnahm, kritisierte, dass sich die Schweiz hinter ihren Schutzmachtmandaten verstecke.

Bundesrat verhängt Sanktionen gegen den Iran
Dossier: Von der Schweiz ergriffene Sanktionen gegen andere Staaten

Der Bundesrat verabschiedete im Mai 2022 seine Botschaft zur Reform des Visa-Informationssystems VIS und zur Änderung des AIG im Rahmen der Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands. Das VIS wurde 2011 implementiert und erleichtert die Visumverfahren für einen kurzfristigen Aufenthalt im Schengenraum. Es ermöglicht den Visum-, Grenz-, Asyl- und Migrationsbehörden innert kürzester Zeit die notwendigen Informationen (u.a. Gesichtsbild, Fingerabdrücke) über visumpflichtige Drittstaatsangehörige zu überprüfen. Die Botschaft zum überarbeiteten Visa-Informationssystem beruht auf zwei neuen EU-Verordnungen, welche die Schweiz übernehmen muss, da sie eine Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands darstellen. Der Bundesrat erklärte in der Botschaft, dass die Änderungen grundsätzlich technischer Art seien und die Zuständigkeiten des VIS nur in begrenzter Weise erweitert werden sollen. Die vorgesehenen Änderungen umfassen die Herabsetzung des Alters für die Abnahme von Fingerabdrücken bei Kindern von zwölf auf sechs Jahre und die Befreiung von dieser Verpflichtung für Personen über 75 Jahre; die Aufnahme von Visa und Aufenthaltstitel für den längerfristigen Aufenthalt ins VIS; die Erweiterung des VIS-Zwecks für die Rückkehr von Personen, welche die Einreisevoraussetzungen des Schengen-Raums nicht erfüllen; die Aufnahme von Kopien der Reisedokumente von Gesuchstellenden in das VIS; die Anpassung des Zugangs zu VIS-Daten für Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden sowie Europol; die Erfassung von Gesichtsbildern vor Ort; den Zugang für Beförderungsunternehmen zur Überprüfung von Visa und Aufenthaltstiteln sowie den Ausbau diverser technischer Komponenten. Diese Neuerungen machten wiederum die Anpassung des AIG, des BGIAA und des BPI notwendig.
Eine zweite Vorlage, welche die Botschaft behandelte, betraf eine von der Schengen-Weiterentwicklung losgelöste Anpassung des AIG auf Antrag des BAZG. Zwar verfüge das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit für die Aufgabenerfüllung als Grenzkontrollbehörde bereits über die notwendigen Zugriffe auf die Datenbanken, nicht jedoch zur Erfüllung seiner Aufgaben als Strafverfolgungsbehörde. Das BAZG habe bereits bei der Errichtung eines Rahmens für die Interoperabilität zwischen den verschiedenen EU-Informationssystemen um Zugriff auf den «Gemeinsamen Speicher für Identitätsdaten (CIR)» und Zugang zu den Daten von EES, ETIAS und VIS gebeten. Das BAZG wollte diese Datenbanken zur Verhütung, Aufdeckung oder Ermittlung terroristischer oder sonstiger Straftaten nutzen. Diese Regelung habe man damals jedoch nicht umgesetzt, da die entsprechende Vernehmlassung bereits abgeschlossen gewesen sei und man mehr Zeit für die Klärung rechtlicher Details benötigt habe, erklärte der Bundesrat. Da das BAZG jedoch einen gesetzlichen Auftrag im Bereich der Verhütung von terroristischen Straftaten habe, und es diese ohne die beschriebenen Zugänge nicht erfüllen könne, wolle man dessen Zugriffsrechte in der vorliegenden Änderungsverordnung zum VIS erweitern. Der Bundesrat argumentierte, dass man dem BAZG den Zugriff – wie auch bei anderen eidgenössischen kantonalen und kommunalen Strafverfolgungsbehörden – erlauben müsse, um eine Lücke in der inneren Sicherheit der Schweiz zu schliessen. Er versicherte auch, dass die Kompetenzen des BAZG dadurch nicht erweitert würden.
Die Vernehmlassung habe mehrheitlich positive Stellungnahmen zu beiden Vorlagen mit sich gebracht. Während die Reform des Visa-Informationssystems unbestritten war, habe sich nur die KKJPD wirklich kritisch zur Änderung des AIG geäussert. Die KKJPD kritisierte die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen, da polizeiliche Aufgaben – sofern nicht explizit dem Bund zugeordnet – in der Kompetenz der Kantone lägen. Die KKJPD verlangte daher eine vorgängige Kompetenzklärung im Rahmen der Totalrevision des Zollgesetzes, bevor man die Zugriffsrechte des BAZG durch die Änderung des AIG erweitere.

Der Nationalrat behandelte das Geschäft in der Herbstsession 2022 zusammen mit einem Geschäft zur Festlegung der Bedingungen für den Zugang zu anderen EU-Informationssystemen (BRG 22.019). Eine Minderheit Molina (sp, ZH) forderte Schutzbestimmungen bei der Weitergabe von Personendaten an Drittstaaten und internationale Organisationen. Molina erklärte, dass die Vorlage es ermögliche, dass das SEM oder das Fedpol Personendaten unter gewissen Umständen an Drittstaaten ausserhalb des Schengen-Raums weitergeben können. Eine solche Weitergabe dürfe aber nur stattfinden, wenn garantiert werden könne, dass die betroffene Person dadurch keine «ungerechtfertigte Verletzung ihrer Grundrechte erleidet». Gerhard Pfister (mitte, ZG) – Kommissionssprecher der SPK-NR – verwies auf die bestehende Informationslücke im Bereich der Visa, die zu einem längerfristigen Aufenthalt im Schengen-Raum berechtigen, der geschlossen werden müsse. Zum Antrag der Minderheit merkte Pfister an, dass die Kommission von der Verwaltung eine Stellungnahme verlangt habe. Daraus gehe hervor, dass die Behörden Daten zur Identität und zu den Reisedokumenten nur unter engen Auflagen an Drittstaaten weitergeben könnten, wobei keine Kontrolle durch die nationalen Migrationsbehörden vorgesehen sei. Eine zusätzliche Kontrolle durch das SEM könne in dringenden Fällen zu einem Zeitverlust führen. Die Fraktion der Grünen unterstützte die Minderheit Molina, wie deren Sprecherin Natalie Imboden (gp, BE) bekannt gab. Sie ergänzte, dass sich ihre Fraktion in der Gesamtabstimmung ihrer Stimmen enthalten werde, um darauf hinzuweisen, dass den grundrechtlichen Fragen in der Vorlage mehr Gewicht zukommen müsse. FDP-Fraktionssprecher Cottier (fdp, NE) hingegen kritisierte Molina dafür, dass dieser einen Zeitverlust in Fällen von aussergewöhnlicher Dringlichkeit, bei denen eine unmittelbare Gefahr im Zusammenhang mit terroristischen Aktivitäten oder schweren Straftaten bestehe, in Kauf nehme. Ähnlich argumentierte die SVP-Fraktion, während die GLP- und die Mitte-Fraktionen auf ein Votum verzichteten. Die anwesende Bundesrätin Karin Keller-Sutter merkte zum Minderheitsantrag an, dass die Daten nur bei der Feststellung der Identität von rückkehrpflichtigen Drittstaatsangehörigen oder bei der Gewährung von Asyl für Flüchtlingsgruppen übermittelt werden sollten. Die Rechte dieser Personen dürfen – gemäss EU-Recht und nationalem Recht – nicht beeinträchtigt werden, insbesondere nicht das Non-Refoulement-Gebot. Auch müsse sich der Drittstaat oder die internationale Organisation verpflichten, die Daten nur für die angegebenen Zwecke zu verwenden, und einen Datenschutz gewährleisten, der demjenigen der Schweiz entspreche.
Die grosse Kammer lehnte die Minderheit Molina mit 120 zu 63 Stimmen ab und nahm den Bundesbeschluss zur Reform des Visa-Informationssystems in der Gesamtabstimmung mit 146 zu 7 Stimmen (bei 31 Enthaltungen) an. Die Änderung des AIG nahm der Nationalrat mit 144 zu 4 Stimmen (bei 35 Enthaltungen) ebenfalls deutlich an. Der Enthaltung der Grünen schlossen sich einige Mitglieder der SP und der SVP an.

Reform des Visa-Informationssystems VIS und Änderung des AIG