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Akteure

  • Jans, Beat (sp/ps, BS) alt-NR/ex-CN
  • Herzog, Eva (sp/ps, BS) SR/CE
  • Funiciello, Tamara (sp/ps, BE) NR/CN

Prozesse

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Im Jahr 2023 scheiterten einige Vorstösse zur Stellung der Frau in der Gesellschaft, eingereicht von Frauen aus dem links-grünen Lager, bereits in einem frühen Stadium. Darunter befanden sich Vorstösse, die den Schutz vor Diskriminierung verstärken wollten oder verbesserte Informationsgrundlagen zur Einschätzung des Ausmasses der Diskriminierung verlangten. Bereits im Erstrat abgelehnt wurde eine Motion Marti (sp, ZH) zur Angleichung des Schweizer Gleichstellungsgesetzes an das EU-Gleichbehandlungsrecht im Erwerbsleben (Mo. 21.3938), ein Postulat Feri (sp, AG), das mehr Informationen über das Ausmass der Altersdiskriminierung von Frauen und Möglichkeiten zur Bekämpfung der festgestellten Diskriminierung verlangte (Po. 21.3090), sowie ein Postulat Gysin (gp, TI), das mehr Klarheit über die Konzepte der Gleichstellung und der Diskriminierung aufgrund von biologischem und sozialem Geschlecht schaffen wollte (Po. 22.3714).

Auch Vorstösse mit dem Ziel der Verbesserung der Situation von Frauen im Arbeitsleben scheiterten im Erstrat, namentlich eine Motion Imboden (gp, BE) mit der Forderung nach spezifischen, auf die Digitalisierung und eine nachhaltige Gesellschaft ausgerichtete Aus- und Weiterbildungsprogrammen für Frauen im Niedriglohnsegment (Mo. 22.3623), sowie mehrere Motionen, die verstärkte Massnahmen gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz verlangten (Mo. 22.3564 Fehlmann Rielle, sp, GE; Mo. 22.3736 Piller Carrard, sp, FR; Mo. 23.3223 Carobbio Guscetti, sp, TI). Von der Urheberin zurückgezogen wurde ferner eine Motion Feri (sp, AG) mit der Forderung nach verstärkter Hilfe für Sexarbeitende aufgrund prekärer Umstände während der Covid-19-Pandemie (Mo. 21.3114). Unbehandelt abgeschrieben wurde schliesslich ein Postulat Prezioso Batou (egsols, GE), das vom Bundesrat einen Bericht zu den arbeitsmarktlichen Auswirkungen von Covid-19 auf die Frauen forderte (Po. 21.3390).

Im Erstrat abgelehnt wurde ferner eine Motion Funiciello (sp, BE) mit der Forderung, dass 0.1 Prozent des BIP zur Bekämpfung geschlechterspezifischer und sexualisierter Gewalt eingesetzt werde (Mo. 21.3768). Zwei weitere Vorstösse zu diesem Thema wurden von den Urheberinnen wieder zurückgezogen: Die Motion Gysin (gp, TI) mit der Forderung nach einer Übernahme der Verfahrenskosten für Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt (Mo. 21.3084) und ein Postulat Fellmann Rielle (sp, GE) betreffend der Finanzierung von Frauenhäusern für Opfer von Gewalt (Mo. 21.3073). In punkto Bekämpfung von Gewalt an Frauen wurden 2023 hingegen durch Zustimmung zu anderen Vorstössen und parlamentarischen Interventionen bedeutende Zugeständnisse erzielt.

Schliesslich wurde im Jahr 2023 ein die Gesundheit von Frauen betreffender Vorstoss abgeschrieben, da er nicht innert zwei Jahren vom Parlament behandelt worden war. Bei dieser Abschreibung handelte es sich erneut um ein Postulat Prezioso Batou (egsols, GE). Dieses wollte überprüfen lassen, wie auch Männer verstärkt in die sexuelle und reproduktive Gesundheitsprävention einbezogen werden könnten (Po. 21.3429).

Bereits im Erstrat gescheiterte Vorstösse zu Frauen- und Gleichstellungspolitik (2023)

Im September 2023 reichte Nicolò Paganini (mitte, SG) ein Postulat ein, mit dem er den Bundesrat beauftragen wollte, in einem Bericht die Effekte des Anstiegs der Teilzeitstellen sowie mögliche Massnahmen für eine Erhöhung des Teilzeitpensums von Arbeitnehmenden ohne Betreuungsaufgaben aufzuzeigen. Gemäss Postulant wirkt sich Teilzeitarbeit in mehrfacher Hinsicht negativ aus, zum Beispiel durch einen Rückgang des Arbeitsvolumens, durch geringere Lohnbeiträge, die für die Sozialversicherungen zur Verfügung stehen, und durch Schwierigkeiten für die Arbeitgebenden, Arbeitseinsätze zu planen. Es sei wichtig, diese und weitere Auswirkungen zu untersuchen, so Paganini.
In seiner Stellungnahme von Mitte November 2023 beantragte der Bundesrat, das Postulat anzunehmen.
Im Rahmen der Wintersession 2023 wurde das Geschäft im Nationalrat von Gerhard Andrey (gp, FR) und Tamara Funiciello (sp, BE) allerdings bekämpft und die Behandlung des Vorstosses somit verschoben.

Ausschöpfung des Arbeitskräftepotenzials und Rolle der Teilzeitarbeit (Po. 23.4094)

Mit einer Motion forderte Olivier Français (fdp, VD) vom Bundesrat, dass im Rahmen der Botschaft zum Stand der Ausbauschritte und zur Perspektive Bahn 2050 Massnahmen zur Erhöhung der Redundanz und Zuverlässigkeit auf der Eisenbahnachse Lausanne–Genf ausgearbeitet werden. Der Streckenabschnitt sei zentral für den Bahnverkehr in der Romandie und die häufigen Unterbrechungen auf dieser Strecke würden zu massiven Störungen führen, auch über die Westschweiz hinaus.
In der Herbstsession 2023 genehmigte der Ständerat diskussionslos einen Ordnungsantrag, dass die Motion der KVF-SR zur Vorberatung zu überweisen sei. Antragsstellerin Eva Herzog (sp, BS) hatte das Anliegen der Motion als sehr dringlich angesehen. Da in der Zwischenzeit bereits die entsprechende bundesrätliche Botschaft zum Stand der Ausbauschritte und zur Perspektive Bahn 2050 präsentiert worden war, hatte sie eine rasche Vorberatung durch die Kommission als notwendig erachtet, um inhaltliche Zweigleisigkeiten auszuschliessen, so Herzog.

Nach der Behandlung durch die KVF-SR stand die Motion bereits in der darauffolgenden Wintersession wieder auf der Traktandenliste des Ständerats. Für die KVF-SR liess Marianne Maret (mitte, VS) verlauten, dass sich die Kommission einstimmig für die Annahme der Motion ausgesprochen habe. Mit der Aufnahme eines Tunnels auf der Strecke Morges-Perroy in den Bahn-Ausbauschritt 2035 sei die Motion bloss zu einem Teil erfüllt. Würde die Motion jetzt abgelehnt, würde der Anschein erweckt, dass die kleine Kammer den Ausbauschritt 2023 als ausreichend betrachten würde. Johanna Gapany (fdp, FR) – sie hatte die Motion von Français übernommen – ergänzte, dass mit dem Tunnel Morges-Perroy nur ein 9 Kilometer langes Teilstück der insgesamt 66 Kilometer langen Strecke zwischen Lausanne und Genf besser erschlossen würde.
Bundesrat Albert Rösti beantragte hingegen die Ablehnung der Motion. Der Bundesrat anerkenne die grosse Notwendigkeit des Ausbaus der Strecke Lausanne-Genf, sei aber auch der Ansicht, «dass die notwendigen Arbeiten eigentlich angelaufen sind». Im Rahmen einer Studie sei die erste Etappe zwischen Morges und Perroy vorgeschlagen worden. In einem zweiten Schritt soll laut Rösti die Projektierung des Streckenabschnitts Nyon-Genf aufgegleist werden, was im nächsten Ausbauschritt konkretisiert werden solle. Nun sei es eine Frage der Governance, ob eine laut dem Bundesrat erfüllte Motion wie üblich abgelehnt werde oder nicht.
Trotz Röstis Ausführungen fand Français' Anliegen im Ständerat grosse Zustimmung. Die Motion wurde mit 26 zu 5 Stimmen bei 2 Enthaltungen angenommen und somit an den Nationalrat überwiesen.

Redundanz und Zuverlässigkeit auf der Eisenbahnachse Lausanne–Genf (Mo. 23.3668)

Eine parteilich breit abgestützte Motion Herzog (sp, BS) forderte, die Forschung in Bankkundenarchiven zu ermöglichen, indem im Bankengesetz die Möglichkeit geschaffen wird, den Forschenden – bei einem Nachweis eines öffentlichen Forschungsinteresses, nach Ablauf von Schutzfristen und unter Schutz der persönlichen Daten – für wissenschaftliche Zwecke Zugang zu den Bankkundenarchiven zu gewähren. Gemäss geltendem Recht sei es nämlich nicht möglich, Bankdaten historisch zu untersuchen, da solche Vorhaben durch die Strafbestimmung für Bankgeheimnisverletzungen tangiert würden, erklärte Mitunterzeichner Jakob Stark (svp, TG) den Status Quo. Dies stehe beispielsweise der Überprüfung der Ergebnisse von älteren Untersuchungen «aus heutiger Warte» im Wege. Der Bundesrat anerkenne das Interesse an der historischen Forschung zum Schweizer Bankenplatz, unterstrich Finanzministerin Karin Keller-Sutter. Sie erklärte in ihrem Votum jedoch, dass es hierbei um die Frage gehe, ob zur Ermöglichung der Bankforschung grundsätzlich eine Anpassung des Bankengesetzes notwendig sei. Der Bundesrat sei hier der Ansicht, dass erst geprüft werden müsse, ob es überhaupt das Bankkundengeheimnis sei, welches die Forschung verhindere und ob es somit einen regulatorischen Handlungsbedarf gebe, bevor man gesetzgeberisch tätig werde. Diese Prüfung könne beispielsweise im Rahmen der Motion 22.4272 erfolgen. Das Ständeratsplenum liess sich von diesem Votum überzeugen und lehnte die Motion im der Wintersession 2023 schliesslich mit 24 zu 17 Stimmen bei zwei Enthaltungen ab.

Forschung in Bankkundenarchiven ermöglichen (Mo. 23.4206)

In der Wintersession 2023 folgte der Nationalrat dem Ständerat und der vorberatenden RK-NR und entschied, das «Übereinkommen Nr. 190 der internationalen Arbeitsorganisation zur Beseitigung der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz» vorerst nicht zu ratifizieren, sondern die Vorlage an den Bundesrat zurückzuweisen. Die Kommissionssprechenden Tamara Funiciello (sp, BE) und Nicolas Walder (gp, GE) berichteten, dass die Kommissionsmehrheit die Ansicht vertrat, dass die vom Ständerat geforderten zusätzlichen Abklärungen zur Anwendbarkeit der Bestimmungen des ILO-Übereinkommens durchgeführt werden sollen; nicht zuletzt um ein Scheitern der ganzen Vorlage zu verhindern. Nach dem Votum von Wirtschaftsminister Parmelin, welcher unterstrich, dass der Bundesrat die Ratifizierung des Abkommens befürworte, aber auch bereit sei, die gewünschten Arbeiten durchzuführen, wurde der Rückweisungsantrag an den Bundesrat stillschweigend angenommen.

Übereinkommen Nr. 190 und Bericht über die Erklärung zum hundertjährigen Bestehen der internationalen Arbeitsorganisation (BRG 22.045)

Als Mitglied der parlamentarischen OECD-Delegation reichte Ständerat Ruedi Noser (fdp, ZH) im Sommer 2023 eine Motion ein, mit der er den Bundesrat aufforderte, das schweizerische Dispositiv zur Korruptionsbekämpfung an die Anforderungen der OECD-Anti-Korruptionskonvention anzupassen. Die OECD kritisiere die Schweiz immer lauter, dass sie erkannte Lücken in ihrer Korruptionsbekämpfung nicht schliesse, konkret, dass sie keinen gesetzlichen Schutz für Whistleblowerinnen und Whistleblower habe, begründete Noser seinen Vorstoss. Mit der Motion forderte er erstens die Schaffung eines geeigneten Rechtsrahmens für den Schutz von Whistleblowerinnen und Whistleblowern im privaten Sektor und zweitens die Erhöhung der aktuell auf CHF 5 Mio. festgesetzten Höchststrafe für juristische Personen in Art. 102 StGB. Der Bundesrat beantragte beide Ziffern der Motion zur Ablehnung. Der geltende Strafrahmen sei angemessen, da der betreffende Artikel nicht Korruptionstatbestände wie Geldwäscherei oder Bestechung bestrafe, sondern lediglich die Organisationsmängel, infolge deren diese Delikte nicht verhindert wurden. Bei der Forderung nach einer Whistleblowing-Gesetzgebung verwies die Regierung auf den Entwurf von 2013, der vom Parlament abgelehnt worden sei. Mangels neuer Erkenntnisse sehe sie sich nicht in der Lage, nun eine mehrheitsfähige Vorlage zu präsentieren. In der Herbstsession 2023 sprach sich der Ständerat dennoch deutlich für einen neuen Anlauf aus: Er nahm Ziffer 1 der Motion mit 35 zu 2 Stimmen bei 2 Enthaltungen an. Ziffer 2 des Vorstosses hiess er mit Stichentscheid der Präsidentin Eva Herzog (sp, BS) ebenfalls gut.

OECD-Antikorruptionskonvention. Verschärfung der nationalen Umsetzung (Mo. 23.3844)

In der Herbstsession 2023 beschäftigte sich der Nationalrat mit einer Motion Schmid (fdp, GR), welche forderte, dass Personalwohnungen von Hotels als Teil einer Betriebsstätte anerkannt werden sollten und somit das Hotelpersonal einfacher untergebracht werden könnte. Nach der sogenannten Lex Koller bedürfe der Kauf von Grundstücken ohne Status als ständige Betriebsstätte einer Bewilligung für Personen aus dem Ausland. Folglich entstehe ein grosser Wettbewerbsnachteil für ausländische Investorinnen und Investoren, da diese – in Zusammenspiel mit der in Tourismusgebieten herrschenden Wohnungsknappheit – mit höherer Wahrscheinlichkeit ihrem Hotelpersonal keine bezahlbaren Wohnungen vor Ort zur Verfügung stellen könnten. Infolgedessen hätten es Hotels mit ausländischen Inhaberinnen und Inhabern schwieriger, Mitarbeitende für sich zu gewinnen, so Kommissionssprecher Sidney Kamerzin (mitte, VS) im Nationalrat. Eine Kommissionsmehrheit der RK-NR empfahl die Motion seinem Rat zur Annahme, während sich eine Minderheit Funiciello (sp, BE) gegen den Vorstoss stellte. Bereits heutzutage könnten Sondergenehmigungen zum Wohnungserwerb bei Betriebsnotwendigkeit genutzt werden. Die Berner Nationalrätin Funiciello argumentierte weiter, dass eine entsprechende Gesetzesänderung das Tor für ausländische Investitionen in Schweizer Wohnungsgrundstück öffne, wobei nicht überprüft werden könne, ob es sich bei einem entsprechenden Kauf tatsächlich um Personalwohnungen für eine Betriebsstätte handle. Auch Bundesrätin Baume-Schneider betonte, dass die vom Motionär geforderte Anpassung der Lex Koller eine zu starke Öffnung des Schweizer Wohnungsmarkts für ausländische Investorinnen und Investoren nach sich ziehen könnte. Angesichts der Bevorzugung ausländischer Hoteliers könnten auch Forderungen nach weiteren Ausnahmen für die Personalunterbringung seitens Grossunternehmen anderer Branchen laut werden, was die Lex Koller zunehmend «ihrer Substanz berauben» würde. Dementsprechend empfahl der Bundesrat die Motion seiner grossen Kammer zur Ablehnung. Diesem Antrag kam der Nationalrat jedoch nicht nach und nahm, mit Unterstützung der geschlossen dafür stimmenden Fraktionen der SVP und FDP sowie einer Mehrheit der Mitte-Fraktion, die Motion mit 103 zu 78 Stimmen (bei 7 Enthaltungen) an.

Wohnungsknappheit in Tourismusgemeinden. Personalwohnungen von Hotels als Teil einer Betriebsstätte anerkennen (Mo. 22.4413)
Dossier: Lex Koller

Nachdem der Ständerat in der Herbstsession 2023 als Zweitrat die Botschaft zum vierten Programm des Agglomerationsverkehrs behandelt hatte, beugte sich der Nationalrat noch in derselben Session über eine erste Runde der Differenzbereinigung. Zur Debatte stand dabei die vom Nationalrat in der ersten Runde befürwortete Aufnahme des Strassentunnels Moscia-Acapulco in den bundesrätlichen Entwurf, wogegen sich der Ständerat gestellt hatte.
Die KVF-NR hatte in Anbetracht des Beschlusses der kleinen Kammer beantragt, den Wortlaut des Einzelantrags Herzog (sp, BS) aus dem Ständerat in den bundesrätlichen Entwurf zu übernehmen. Laut Kommissionssprecher Kurt Fluri (fdp, SO) sei die Notwendigkeit und Dringlichkeit des Projekts weitgehend unbestritten. Durch die vorgeschlagene Änderung könne der Kanton Tessin sein Projekt nachträglich zur Prüfung einreichen. Eine Botschaft des Bundesrats zum Projekt wird laut Fluri anschliessend nur dann erstellt, wenn das Projekt drei Bedingungen erfülle: Erstens müssten flankierenden Massnahmen zugunsten des öffentlichen und Langsamverkehrs in die Planung aufgenommen werden, zweitens dürften die Kosten für den Strassentunnel die freigegebenen Mittel aus den bereits umgesetzten oder geplanten Generationen des Programms nicht überschreiten und drittens müsse der Kanton Tessin das Projekt so weit ausarbeiten, dass das Vorhaben ohne die Verpflichtungskredite nicht weiter geplant und umgesetzt werden könne. Zu Gunsten des Strassentunnels meldete sich auch der Tessiner SP-Nationalrat Bruno Storni zu Wort. Laut Storni sei die Planung des Projekts bereits weit fortgeschritten und der Baubeginn für 2026/27 geplant. Würde der Tunnel nun nicht in die vierte Generation des Programms Agglomerationsverkehr aufgenommen, käme es zu beachtlichen Bauverzögerungen, da der Tessiner Kantonsrat somit erst mit der fünften Generation des Programms Agglomerationsverkehr eine konkrete Botschaft zum Bau des Tunnels fassen könnte.
Eine Kommissionsminderheit beantragte dagegen aus formalen Gründen, den Strassentunnel Moscia-Acapulco aus der Vorlage zu streichen. Die Minderheit würde das Projekt laut Michael Töngi (gp, LU) aber unterstützen, sobald es korrekt eingegeben werde. Auch Bundesrat Albert Rösti sprach sich weiterhin gegen die Aufnahme des Strassentunnels in die Vorlage aus. Die Notwendigkeit des Projekts seit unbestritten aber der Baustart würde mit einer Aufnahme des Projekts in die fünfte Generation des Programms Agglomerationsverkehr nur wenig verzögert. Zudem sollte laut Rösti verhindert werden, das der vierjährige Prozess des Programms unterbrochen wird und zukünftig alle Kantone Zusatzbotschaften ausserhalb des ordentlichen Rahmens des Programms Agglomerationsverkehr fordern können.
Verschiedene Fragen wurden zudem zum Vergleich des Strassentunnels Moscia-Acapulco mit der Umfahrung Oberburg laut. Während die Kommissionsminderheit und Bundesrat Rösti angaben, dass die Situation rund um die Aufnahme der Projekte zu verschieden sei, um das Vorgehen der dritten Generation des Programms für den Tessiner Tunnel zu übernehmen, sah Bruno Storni durchaus Parallelen zwischen den beiden Projekten. Die Planung des Strassentunnels sei zwar noch nicht konkret eingereicht worden, die Rahmenbedingungen des Bauvorhabens wie beispielsweise der Standort, die Länge oder das ungefähre Budget seien aber in der mittlerweile drei Jahre andauernden Planung beschlossen worden.
Schlussendlich stellte sich eine grosse Mehrheit des Nationalrats hinter den Strassentunnel Moscia-Acapulco. Der Mehrheitsantrag zur Aufnahme des Projekts wurde mit 130 zu 53 Stimmen bei 2 Enthaltungen gutgeheissen, womit das Geschäft zur erneuten Prüfung an den Ständerat überwiesen wurde.

Agglomerationsprogramme der vierten Generation (BRG 23.033)
Dossier: Programme Agglomerationsverkehr

Wie bereits ihre Schwesterkommissionen im Nationalrat sprachen sich auch die KVF-SR und die FK-SR für das vierte Programm des Agglomerationsverkehrs aus. Während die FK-SR der Vorlage des Bundesrats vorbehaltlos zustimmte, gab es in der KVF-SR aber Uneinigkeiten bezüglich der Aufnahme des Strassentunnels Moscia-Acapulco in das Programm und bezüglich des Abzugs von fünf Prozent auf dem Beitragssatz für Projekte, welche ihre Eingaben in den vorherigen Programmen des Agglomerationsverkehrs ungenügend umgesetzt hatten. Die Kommission empfahl ihrem Rat, den Strassentunnel nicht in das Programm aufzunehmen und den Malus beizubehalten.

Im Ständerat wurde Eintreten auf das Geschäft ohne Gegenantrag beschlossen. In der Detailberatung zeichneten sich jedoch dieselben Debatten ab wie bereits in der Vorberatung der KVF-SR. Gegen den Abzug von fünf Prozent auf dem Beitragssatz für zuvor unzureichend umgesetzte Projekte meldete sich Lisa Mazzone (gps, GE) als Sprecherin der Kommissionsminderheit zu Wort. Sie erachtete es nicht als angemessen, aktuelle Projekte für Umsetzungsprobleme in der Vergangenheit abzustrafen. Kommissionssprecher Hans Wicki (fdp, NW) hingegen erachtete den Strafabzug als angemessen. In früheren Projekten habe es etliche selbstverschuldete Verzögerungen gegeben, welchen so entgegengewirkt werden solle. Bundesrat Albert Rösti ergänzte, dass das Parlament einen Anreiz für die beschleunigte Umsetzung der Projekte gewünscht habe, welcher nun in Form des Strafabzugs gesetzt werden solle. Der Ständerat sprach sich schliesslich mit 22 zu 17 Stimmen für Beibehalten des Strafabzugs aus.
Weiter gab auch die Aufnahme des Strassentunnels Moscia-Acapulco als Bestandteil des Agglomerationsprogramms «Locarnese» Anlass zu Diskussionen. Wie Hans Wicki für die KVF-SR verlauten liess, sei das Projekt nicht von der entsprechenden Agglomeration eingereicht worden, zudem könne eine nachträgliche Aufnahme ausserhalb der Projektausschreibung ein gefährliches Präjudiz schaffen. Für die Aufnahme des Strassentunnels lagen zwei Einzelanträge vor. Marco Chiesa (svp, TI) forderte, dass der Tunnel gemäss dem Vorschlag des Nationalrats in das Programm aufgenommen wird. Der Tunnel sei für die Gewährleistung der Verkehrssicherheit sowie für den Pendler- und Transitverkehr unerlässlich. Auch Eva Herzog (sp, BS) betonte die Wichtigkeit des Strassentunnels. Angelehnt an die nachträgliche Aufnahme der Umfahrung Oberburg in die dritte Generation des Programms Agglomerationsverkehr knüpfte Herzog die Aufnahme des Strassentunnels in ihrem Einzelantrag daran, dass der Bundesrat eine entsprechende Botschaft ausarbeitet und diese nachträglich dem Parlament vorlegt. Bundesrat Rösti anerkannte zwar die Notwendigkeit des Strassentunnels, beantragte jedoch die Ablehnung der Einzelanträge, um die festgelegten Prozesse einzuhalten. Er erklärte sich aber bereit, das Projekt in die fünfte Generation des Programms Agglomerationsverkehr von 2028 aufzunehmen. Mit 23 zu 18 Stimmen folgte der Ständerat zwar erst dem Antrag Chiesa anstelle des Antrags Herzog, lehnte Ersteren jedoch in der Folge mit 21 zu 19 Stimmen zugunsten des Antrags der Kommission ab. Somit ging das Geschäft zur Differenzbereinigung zurück an den Nationalrat.

Agglomerationsprogramme der vierten Generation (BRG 23.033)
Dossier: Programme Agglomerationsverkehr

Nachdem die Motionen Funiciello (sp, BE) und Prezioso Batou (egsols, GE; Mo. 21.4642, Mo. 21.4644) mit demselben Anliegen seit ihrer Einreichung 2021 noch nicht behandelt worden waren, reichten Mathilde Crevoisier Crelier (sp, JU) und Tamara Funiciello (sp, BE) Mitte März 2023 erneut gleichlautende Motionen ein, mit denen sie eine mittelfristige Senkung der Arbeitszeit auf 35 Stunden oder eine 4-Tage-Woche forderten. Die reduzierte Arbeitszeit soll einen besseren Ausgleich zwischen Erwerbstätigkeit, Care- und Haushaltsarbeit sowie mehr Gleichstellung ermöglichen und den CO2-Ausstoss reduzieren, argumentierten die Motionärinnen.
Im Unterschied zu den bereits 2021 eingereichten mit demselben Anliegen seien die beiden neuen Motionen «etwas offener formuliert», erklärte der Bundesrat – so verzichteten die Motionärinnen neu auf eine Umsetzungsfrist von zehn Jahren. Trotzdem beantragte der Bundesrat in seiner Stellungnahme, die Motion abzulehnen, da eine Reduktion der Arbeitszeit die Flexibilität des Arbeitsangebots verringern würde.
Im Rahmen der ausserordentlichen Session zur Gleichstellung in der Sommersession 2023 lehnten beide Räte je eine Motion ab. Der Ständerat sprach sich mit 33 zu 6 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) gegen die Motion Crevoisier Crelier aus, der Nationalrat mit 119 zu 65 Stimmen (bei 1 Enthaltung) gegen die Motion Funiciello. Einzig die SP- und die Grüne-Fraktion unterstützten den Vorstoss im Nationalrat.

Arbeitszeit verkürzen! (Mo. 23.3226 & Mo. 23.3248)

La Commission de la science, de l'éducation et de la culture du Conseil des Etats (CSEC-CE) a déposé une motion afin que le Conseil fédéral définisse les conditions-cadres pour la tenue d'une exposition nationale à partir de 2030. Lors de la session d'automne, le Conseil des Etats a accepté cette motion par 24 voix contre 15 et 3 abstentions.
Le dépôt de cette motion a fait suite à l'annonce du Conseil fédéral en mars qu'il ne se prononcerait sur le financement d'une nouvelle exposition nationale qu'en 2028 au plus tôt. Constatant que cette annonce «surprenante» équivalait à un report des projets en cours, qui comptent sur le financement fédéral pour voir le jour, la CSEC-CE attend du Conseil fédéral que celui-ci définisse un processus de sélection clair du projet dans le cas où les négociations en cours afin de mettre en place une exposition nationale commune n'aboutissent pas (les différents projets sont actuellement en discussion afin de se regrouper). En outre, le gouvernement devra se prononcer au plus tard en 2026 sur sa volonté de financer le projet sélectionné, exige la motion. La majorité de la commission souhaite ainsi qu'une exposition nationale puisse se tenir au début des années 2030, sans que tout le travail fourni par les comités des projets en cours ne tombe à l'eau. Pour la commission, Eva Herzog (ps, BS) a insisté sur l'importance d'une expo nationale afin de réfléchir sur le futur de notre pays et du vivre-ensemble, en particulier en cette période troublée par de nombreuses crises (pandémie de Covid-19, guerre en Ukraine, difficultés de la place financière). Une minorité de la commission, représentée à la tribune par Esther Friedli (udc, SG), a remis en question la pertinence d'une exposition nationale à notre époque, rappelant l'échec du projet «Bodensee-Ostschweiz» dans les urnes en 2016.
De son côté, le Conseil fédéral est resté sur sa ligne ; Guy Parmelin a recommandé le rejet de la motion. La situation «extrêmement tendue» au niveau du budget de la Confédération justifierait en effet d'attendre avant de se prononcer sur un soutien financier. En outre, la procédure de sélection du projet devrait avoir lieu après la décision d'accorder ou non un financement, a argué le conseiller fédéral vaudois, critiquant encore le calendrier trop ambitieux proposé par la motion. Cet argumentaire a été principalement suivi par les membres du camp bourgeois (UDC, PLR et Centre) mais n'a pas suffi à convaincre la majorité de l'hémicycle. Il est possible que l'intervention inattendue de Hans Stöckli (ps, BE) ait joué un rôle dans ce résultat. Pour l'une de ses dernières interventions – il rend son tablier au terme de la législature après vingt années sous la Coupole – le biennois a livré un plaidoyer en faveur de la tenue d'une exposition nationale. Lui-même membre du comité d'Expo.02, il a relevé l'importance de discuter l'aspect financier bien assez tôt afin de s'éviter des problèmes («eine Landesausstellung kann man nicht zum Nulltarif haben») tout en relevant l'importance d'une exposition nationale pour la cohésion nationale.

Exposition nationale (Mo. 23.3966)
Dossier: Landesausstellung Expo 2027

Im Dezember 2021 reichten Tamara Funiciello (sp, BE) und Stefania Prezioso Batou (egsols, GE) zwei gleichlautende Motionen ein, mit denen sie den Bundesrat beauftragen wollten, die Arbeitszeit innert 10 Jahren auf maximal 35 Stunden pro Woche bei vollem Lohnausgleich für tiefe und mittlere Löhne zu senken. Eine reduzierte Erwerbszeit würde einen besseren Ausgleich zwischen Erwerbstätigkeit, Care- und Haushaltsarbeit sowie mehr Gleichstellung ermöglichen, da Männer, die bisher häufiger in Vollzeit-Pensen arbeiteten, mehr Zeit für die Care-Arbeit hätten, und Frauen, die häufiger über Teilzeitbeschäftigungen verfügten, ihr Pensum erhöhen könnten, ohne wie bisher 41 Stunden pro Woche zu arbeiten. Der Bundesrat beantragte die Motion zur Ablehnung, da die Sozialpartner, welche die GAV erarbeiteten, besser in der Lage seien, Entscheidungen über die Arbeitszeit zu treffen als die Regierung. Eine allgemeine, verbindliche Regelung erachtete der Bundesrat als unnötig.
In der Herbstsession 2023 lehnte der Nationalrat die beiden Vorstössen mit 123 zu 65 Stimmen (bei 1 Enthaltung) ab. Nur die SP- und die Grüne-Fraktion sprachen sich für Annahme aus. Zuvor hatte Bundesrat Parmelin darauf hingewiesen, dass die beiden Motionen deutlich strenger seien als eine Motion Funiciello (Mo. 23.3248) mit ähnlicher Stossrichtung, welche aber die grosse Kammer bereits in der Sommersession 2023 abgelehnt hatte.

Arbeitszeit verkürzen! (Mo. 21.4642 & Mo. 21.4644)

La motion déposée par le PLR en 2016 visant à mettre en place un frein à la réglementation qui permette de limiter les coûts qu’elle induit a été tacitement classée par le Conseil des Etats lors de la session d'hiver. Comme l'a expliquée la présidente de la chambre haute Eva Herzog (ps, BS), cette motion aurait déjà dû être classée dans le cadre de l'objet 22.083, qui a été traité au Conseil des Etats le 7 juin 2023. Cependant, l'objet 22.083 ne sera plus examinée par la chambre haute, car les deux chambres ont décidé de ne pas entrer en matière.

Mettre en place un frein à la réglementation qui permette de limiter les coûts qu'elle induit (Mo. 16.3360)
Dossier: Effektivere Berücksichtigung von Regulierungskosten bei der Gesetzgebung
Dossier: Unternehmensentlastungsgesetz und Regulierungsbremse: Umsetzung der Motionen 16.3388 und 16.3360

Eine von der Universität Zürich in Auftrag gegebene und im Mai 2023 in der Sonntagszeitung vorgestellte, zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht wissenschaftlich überprüfte Studie zu den Gründen für die so genannte «leaky pipeline» warf medial hohe Wellen. «Leaky pipeline» bezeichnet das Phänomen, dass Frauen in einigen Studienrichtungen bei den Studierenden zwar die Mehrheit bilden, ihr Anteil bei den höheren akademischen Stellen bis hin zu den Professuren jedoch abnimmt. Der Autor des entsprechenden Zeitungsartikels, der die Überschrift «Die meisten Studentinnen wollen lieber einen erfolgreichen Mann als selber Karriere machen» trug, zog aus der Studie die Bilanz, dass die leaky pipeline nicht etwa auf eine tatsächliche Diskriminierung der Frauen zurückzuführen sei, sondern vor allem auf die Tatsache, dass viele Studentinnen gar keine Karriere machen möchten. Ausserdem planten sie, falls sie Kinder bekommen sollten, eher Teilzeit zu arbeiten, währenddem es sodann am Partner liegen solle, für das Haupteinkommen zu sorgen. Gemäss den Autorinnen des Artikels – der Ökonomin Margit Osterloh und der Soziologin Katja Rost – lasse die Studie also den Schluss zu, dass die leaky pipeline auf unterschiedliche Präferenzen der beiden Geschlechter zurückzuführen sei.
Auf diese Studie und den diesbezüglichen Zeitungsartikel folgten diverse, ganz unterschiedliche Reaktionen. Michael Hermann vom Meinungs- und Politikforschungsinstitut Sotomo kritisierte insbesondere den Titel des Zeitungsartikels. Dieser sei schlichtweg falsch; die Resultate der Studie sagten dies nicht aus. Hermann bemängelte auch das methodische Design der Studie. So sei es den Studierenden bei der Umfrage nur möglich gewesen, sich zwischen den beiden Polen «100 Prozent arbeiten und Karriere machen» und «sich um die Familie kümmern und 60 Prozent oder weniger arbeiten» zu entscheiden. Eine Rubrik «Karriere machen und sich um die Familie kümmern» habe gänzlich gefehlt. Auch Markus Theunert von männer.ch stellte die Analyse in der Sonntagszeitung in Frage. Er fand vor allem das im Artikel der Sonntagszeitung nicht erwähnte Resultat interessant, dass nur eine Minderheit der befragten Studierenden (beider Geschlechter) eine Führungsposition mit Personalverantwortung anstrebten. Ebenso zeigten die Befragungen, dass sich nur eine Minderheit der Studentinnen einen Partner wünschte, der nach der Familiengründung Vollzeit arbeitet. In einem Meinungsbeitrag des Tages-Anzeigers wurde zu bedenken gegeben, dass es nicht zulässig sei, aus den Unterschieden im geschlechtspezifischen Antwortverhalten zu folgern, «dass die meisten Frauen aufgrund spezifisch weiblicher Neigungen auf eine Karriere verzichten». Schliesslich übte auch Dagmar Iber, Assistenzprofessorin am Departement Biosysteme der ETH Zürich, Kritik an der Studie. Sie hielt fest, dass es in der Studie grundsätzlich darum ging herauszufinden, weshalb die leaky pipeline existiert. Zu dieser Frage biete die Studie jedoch keine Erkenntnisse. Dazu hätte die Studie auf die talentiertesten Personen und ihre Partnerinnen und Partner eingehen sollen, weil nur diese um die Professuren konkurrierten. Die Antworten der übrigen Studierenden spielten für den Frauenanteil bei den Lehrstühlen kaum eine Rolle, folgerte Iber.
Auf der anderen Seite des Meinungsspektrums figurierten die Autorinnen selber, die ihre Studie verteidigten und die die hitzige Debatte zu ihrer Studie kritisierten, so zum Beispiel an einem Podiumsgespräch an der Universität Zürich. In der Weltwoche wurde Katja Rost dahingehend zitiert, dass der mediale Aufschrei damit zusammenhänge, dass die Diskriminierung der Frauen nicht in Frage gestellt werden dürfe: «Dies – das Mantra der Diskriminierung, das unbedingt aufrechterhalten werden müsse – sei das grosse Thema, um das es hier gehe». Gemäss Katja Rost habe sich die Gleichstellungspolitik in eine dogmatische Richtung entwickelt; es gehe darin nicht mehr um tatsächliche Gleichstellung, sondern um «Gleichmachung». Des Weiteren gingen auch Beiträge von Katharina Fontana in der NZZ auf die Kritik an der Studie ein. Fontana führte die von den Studentinnen in der Befragung angegebene empfundene Diskriminierung an der Universität auf die «Dauerpropaganda von Behörden und Lobbys» zurück. Dadurch würde den Mädchen schon in jungen Jahren suggeriert, diskriminiert zu werden. Zudem sei der Ärger gewisser Personen, darunter Politikerinnen wie Kathrin Bertschy (glp, BE) oder Tamara Funiciello (sp, BE), damit zu erklären, dass der Sinn vieler universitärer Gleichstellungsmassnahmen durch die Studie in Frage gestellt werde. Nicht zuletzt gehe es auch um finanzielle Mittel für Gleichstellungsmassnahmen, die nur fliessen würden, «wenn das Dogma der allgegenwärtigen Diskriminierung der Frauen aufrechterhalten wird», so Fontana.
Die Studie kann auf der Website der Co-Autorin Katja Rost heruntergeladen werden, ist Stand November 2023 aber noch nicht wissenschaftlich publiziert worden.

Studie zu Frauen und Berufswelt

Am Tag des feministischen Streiks 2023 lehnten der Nationalrat eine Motion von Laurence Fehlmann Rielle (sp, GE; Mo. 22.4208) und der Ständerat eine gleichlautende Motion von Eva Herzog (sp, BS; Mo. 23.3213) ab, die bereits Unternehmen ab 50 Angestellten zur Durchführung von Lohnanalysen verpflichten wollten. Seit Inkrafttreten der 2018 verabschiedeten Revision des Gleichstellungsgesetzes sind Unternehmen ab 100 Angestellten zur Durchführung von Lohnanalysen angehalten. In seinem Revisionsentwurf hatte der Bundesrat ursprünglich eine entsprechende Regelung für Unternehmen ab 50 Angestellten beantragt, das Parlament hatte diese Zahl in der Folge jedoch erhöht. Seither schien sich an den politischen Fronten wenig geändert zu haben: Während die Fraktionen der SP, der Grünen und der GLP im Nationalrat die Motion Fehlmann Rielle befürworteten, lehnten sie Vertreterinnen und Vertreter von Mitte, FDP und SVP ab. Ein ähnliches Bild zeigte sich im Ständerat, wo sich jedoch auch einzelne Vertreterinnen und Vertreter der FDP und der Mitte zu den Unterstützenden der Motion Herzog gesellten.

Nach wie vor erst Lohnanalysen ab 100 Angestellte (Mo. 22.4208 und 20.3213)
Dossier: Lohngleichheitsanalysen und Diskussionen über die Einführung von Sanktionen

Am Tag nach der Beratung im Nationalrat behandelte der Ständerat als Zweitrat die parlamentarische Initiative für die Einsetzung einer PUK, um die Verantwortlichkeiten der Behörden und Organe rund um die Übernahme der Credit Suisse (CS) durch die UBS aufzuarbeiten. Die Sprecherin des Büro-SR Eva Herzog (sp, BS) begrüsste das Ratsplenum mit einer Zusammenfassung der Ereignisse im März 2023 sowie des Werdegangs der parlamentarischen Initiative. Das Büro-SR sei einstimmig auf den Beschluss des Nationalrats eingetreten und habe dem Bundesbeschluss zugestimmt. Sie hob in ihrem Votum zudem hervor, dass es nicht Auftrag der PUK sei, die Geschäftsführung der CS zu untersuchen, sondern dass es ausschliesslich darum gehe, die Verantwortlichkeiten der in die Übernahme involvierten Behörden und Organe abzuklären.

Die Einigkeit rund um die Einsetzung einer PUK nahm im Ständerat mit einem Antrag auf nicht Eintreten von Thomas Hefti (fdp, GL) ein Ende. Wie der Antragsteller dem Ratsplenum darlegte, erachte er eine PUK zu diesem Zeitpunkt als nicht angezeigt. Es zeuge von «Masochismus», «[d]en Fehler mittels einer PUK bei der Politik, dem Bundesrat, der Vorsteherin des EFD und der Bundesverwaltung zu suchen», wenn das Problem, welches dieses Debakel angestossen habe, bei einer privaten Unternehmung liege. Jede bisherige PUK sei als Reaktion auf einen Skandal hin eingesetzt worden. Beim Verhalten der Behörden in der Geschichte rund um die CS sei allerdings nie die Rede von einem Skandal gewesen, weshalb er die Frage in den Raum stellte, ob dieses Vorhaben, welches mit einer Stigmatisierung des Bundesrats einhergehe, überhaupt gerechtfertigt sei. Er plädiere dafür, in diesem Fall die dem Parlament zur Oberaufsicht zur Verfügung stehenden Geschäftsprüfungskommissionen einzusetzen, die über dieselben Informationsrechte wie eine PUK verfügten und solide, effizient und womöglich etwas günstiger seien. Auf Heftis Vorwurf reagierte GPK-SR-Präsident Matthias Michel (fdp, ZG), dass es in dieser Diskussion nie um eine Skandalisierung oder Vorverurteilung gegangen sei. Die PUK werde vielmehr zur Klärung von Ereignissen mit grosser Tragweite eingesetzt, wobei die Schuldfrage kein Thema sei. Das Büro-SR habe, anders als sein Schwesterbüro, mit seinem Antrag für eine PUK, die Abklärungen der GPK abgewartet. Die GPK habe mit dieser Prüfung bereits einige Vorarbeiten zum Untersuchungsausschuss leisten und deren Auftrag besser darlegen können. Weiter sei die GPK im Rahmen der Abklärung zum Schluss gekommen, dass sich die Tragweite der Oberaufsicht zwischen der PUK und der GPK nicht unterscheide. Die PUK habe gegenüber der GPK jedoch den Vorteil von punktuell weitergehenden Kompetenzen sowie als Instrument einer parlamentarischen Oberaufsicht eine höhere Legitimation. Michel unterstrich, dass eine Untersuchung in jedem Fall durchgeführt werde – wenn nicht durch die PUK, dann durch die GPK. Er schloss mit dem Hinweis, dass es nun darum gehe, nicht zu früh «sachpolitische Schnellschüsse abzugeben», sondern erst einmal nach dem Motto «Luege, lose, laufe» Analysen vorzunehmen. Auf diese abschliessenden Worte erhob Herzog wiederum Einspruch, indem sie berichtigte, dass das Büro-SR nicht der Ansicht sei, dass die Arbeiten der PUK abgewartet werden müssten, bevor weitere Abklärungen, Berichte und Überprüfungen vorgenommen werden. Dies solle vielmehr parallel zu den Arbeiten einer PUK geschehen.
Nachdem auch Bundespräsident Alain Berset unterstrichen hatte, dass es notwendig sei, eine vollständige Transparenz bei den Rollen der verschiedenen beteiligten Akteure zu schaffen und er dem Ständerat seine volle Zusammenarbeit zugesichert hatte, trat die kleine Kammer mit 39 zu 5 Stimmen auf den Bundesbeschluss ein, womit der Minderheitenantrag Hefti chancenlos blieb. Stillschweigend stimmte der Ständerat dem Nationalrat in der Detailberatung schliesslich in allen Bestimmungen der Vorlage zu.

In der Gesamtabstimmung beschloss der Ständerat mit 37 zu 5 Stimmen schliesslich die Einsetzung der erst fünften PUK in der Schweizer Geschichte. Die Stimmen gegen eine PUK stammten von Thomas Hefti (fdp, GL), Olivier Français (fdp, VD), Peter Hegglin (mitte, ZG), Othmar Reichmuth (mitte, SZ) und Benedikt Würth (mitte, SG).

Einsetzung einer PUK zur Untersuchung der Verantwortlichkeiten der Behörden und Organe rund um die Notfusion der Credit Suisse mit der UBS (Pa.Iv. 23.427)
Dossier: Übernahme der Credit Suisse durch die UBS

À la suite de l'adoption unanime de la motion à la chambre haute, la Commission de l'environnement, de l'aménagement du territoire et de l'énergie du Conseil national (CEATE-CN) s'est penchée sur la proposition de la sénatrice bâloise Eva Herzog (ps, BS). Si la CEATE-CN reconnaît, à l'unanimité, la nécessité de légiférer les risques pour l'économie nationale liés aux entreprises énergétiques d'importance systémique, elle a proposé des amendements afin de compléter et de préciser la motion. Premièrement, la CEATE-CN préconise, en plus de l'amélioration de la transparence sur les activités et les risques, un renforcement des compétences de surveillance. Deuxièmement, elle propose d'ajouter au texte la nécessité d'éviter les distorsions de concurrence sur le marché. Elle indique que les aides financières publiques doivent être retirées le plus rapidement possible afin de ne pas distordre la concurrence et d'éviter que les entreprises soient tentées de prendre des risques supplémentaires, conscientes de la bouée de sauvetage étatique. Troisièmement, la CEATE-CN a évalué une séparation des activités commerciales et des activités de production pour les entreprises énergétiques d'importance systémique. Si la CEATE-CN a conclu que les activités commerciales n'étaient pas forcément spéculatives, elle préconise des prescriptions relatives au négoce pour compte propre afin de réduire les risques macroéconomiques.
À la chambre basse, la motion a été tacitement adoptée dans sa version modifiée. L'objet repart au Conseil des états.

Limiter les risques que représentent pour l'économie nationale les entreprises d'importance systémique du secteur de l'électricité (Mo. 22.4132)
Dossier: Too-big-to-fail in der Energiebranche

Zu Beginn der Sommersession 2023 lag der Ball in der Differenzbereinigung bei der Revision des Sexualstrafrechts beim Nationalrat. Die Volkskammer hatte sich noch mit vier grösseren Streitpunkten zu befassen. Erstens ging es um die Modellwahl (Zustimmungs- oder Widerspruchslösung) bei den Tatbeständen der sexuellen Nötigung und der Vergewaltigung. Es standen sich der Antrag der Kommissionsmehrheit, dem Kompromissvorschlag des Ständerates zuzustimmen, und ein Minderheitsantrag Bellaiche (glp, ZH), am «Nur-Ja-heisst-Ja»-Prinzip festzuhalten, gegenüber. Der Vorschlag des Ständerates beruhe auf der «Nein-heisst-Nein»-Lösung und damit auf der Vermutung, «dass jeder Mensch, jede Frau vornehmlich und jederzeit zu einer Sexualhandlung gewillt ist», kritisierte Bellaiche. Sie erachtete es als falsch, dass es an der Person liege, die gerade nicht zu Sex gewillt ist, dies kundzutun. Auch Tamara Funiciello (sp, BE), als eine der prominentesten Verfechterinnen der Zustimmungslösung, betonte einmal mehr, «dass der Körper von Menschen kein Selbstbedienungsladen ist – es sollte selbstverständlich sein, dass man fragt, bevor man ihn berührt». Gleichzeitig zeigte sie sich dessen bewusst, dass die Zustimmungslösung diesmal wohl keine Mehrheit mehr finden würde und lobte «den wichtigen und grossen Fortschritt», den auch die erweiterte «Nein-heisst-Nein»-Lösung des Ständerates bringe. Während sich die Fraktionen der SP, der GLP und der Grünen noch einmal für «Nur Ja heisst Ja» aussprachen, unterstützte die bürgerliche Ratsmehrheit die Kompromisslösung des Ständerates. Mit 105 zu 74 Stimmen bei 11 Enthaltungen wurde diese zentrale Frage entschieden. Somit sind sexuelle Handlungen künftig strafbar, wenn sie gegen den Willen einer Person vorgenommen werden – bzw. vorgenommen werden lassen – oder wenn zu diesem Zweck ein Schockzustand der betreffenden Person ausgenützt wird (neu Art. 189 Abs. 1 und Art. 190 Abs. 1 StGB). Wie Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider zusammenfasste, werde der Schockzustand damit «einer abwehrenden nonverbalen Willensäusserung gleichgestellt». Eine Vertreterin von Amnesty International Schweiz bezeichnete diesen Entscheid gegenüber «24 heures» als «Sieg für die Menschenrechte in der Schweiz».
Zweitens bestand beim Strafmass für Vergewaltigung mit Nötigung (neu Art. 190 Abs. 2 StGB) noch Diskussionsbedarf. Die Kommissionsmehrheit beantragte auch hier, dem Ständerat zu folgen. Dieser hatte sich in der letzten Beratung für eine Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe ausgesprochen. Eine Minderheit Bellaiche wollte hingegen am früheren Entscheid zu einer Mindeststrafe von mehr als zwei Jahren festhalten, womit bedingte Strafen ausgeschlossen wären. Es gehe hier «um die tiefsten Abgründe menschlicher Verachtung», so die GLP-Nationalrätin, die an den Rat appellierte: «Solche Gewaltverbrechen verdienen keine bedingten Strafen!» Kommissionssprecherin Patricia von Falkenstein (ldp, BS) warnte indes davor, dass sich bei einer solchen Verdopplung der Mindeststrafe – im geltenden Recht ist die Mindeststrafe für Vergewaltigung ebenfalls bei einem Jahr Freiheitsstrafe angesetzt – der Massstab der Gerichte bei der Beweiswürdigung verschieben und eine Nötigung an strengere Bedingungen als heute geknüpfen werden könnte. Der Nationalrat bestätigte mit 99 zu 89 Stimmen bei 3 Enthaltungen die einjährige Mindeststrafe und räumte damit auch diese Differenz aus. Für die unterlegene Minderheit Bellaiche votierten die geschlossen stimmenden Fraktionen der GLP und der SVP sowie die grosse Mehrheit der Mitte-Fraktion, während die Fraktionen der SP, der Grünen und der FDP den Mehrheitsantrag guthiessen.
Drittens legte die Volkskammer die Altersgrenze für die Unverjährbarkeit von sexuellen Handlungen mit Kindern fest. In der letzten Beratung hatte sie beschlossen, diese von aktuell 12 auf neu 16 Jahre anzuheben, was der Ständerat daraufhin aber abgelehnt hatte. Die Minderheit Bellaiche, die am Entscheid zur Erhöhung festhalten wollte, unterlag diesmal mit 97 zu 91 Stimmen bei 3 Enthaltungen, wobei sich die Fraktionen gleich positionierten wie bei der Erhöhung der Mindeststrafe. Damit bleiben Sexualstraftaten nur unverjährbar, wenn sie an Kindern unter 12 Jahren begangen wurden, wie es bei der Umsetzung der Unverjährbarkeitsinitiative beschlossen worden war.
Viertens debattierte der Nationalrat den neuen Tatbestand der Rachepornografie. Während Einigkeit darüber bestand, dass dieses Verhalten strafbar sein sollte, war umstritten, an welcher Stelle der Tatbestand ins Strafgesetzbuch integriert werden und was er genau erfassen sollte. Die Kommissionsmehrheit wollte an der Version, die der Nationalrat bei der letzten Beratung angenommen hatte, festhalten. Diese sah die Strafbarkeit des unbefugten Zugänglichmachens nicht nur für sexuelle, sondern auch für andere anstössige, peinliche oder in anderer Weise kompromittierende Inhalte vor und reihte den Tatbestand darum in die strafbaren Handlungen gegen die Ehre und den Geheim- oder Privatbereich ein. Demgegenüber beantragte eine Minderheit Mahaim (gp, VD) Zustimmung zum Beschluss des Ständerates, der die Strafbarkeit auf das unbefugte Weiterleiten von sexuellen Inhalten beschränken wollte und den Tatbestand deshalb den strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität zurechnete. Der Minderheitsvertreter bezeichnete die enger gefasste Formulierung des Ständerates als hinreichend klar und präzise, während er bei der allgemeineren Formulierung des Nationalrates zu bedenken gab, dass die Grenze des strafbaren Handelns nicht mehr klar sei. Die grosse Kammer folgte mit 148 zu 42 Stimmen bei 2 Enthaltungen der Minderheit Mahaim und räumte auch diese Differenz aus. Der breiter gefasste Tatbestand stiess nur bei der geschlossen stimmenden SP-Fraktion und einigen Ratsmitgliedern aus der Mitte-Fraktion auf Anklang.
Im Ständerat durchgefallen war überdies das Bestreben des Nationalrats, einen neuen Straftatbestand für Cybergrooming einzuführen. Auf Antrag seiner einstimmigen Kommission hielt der Nationalrat jedoch stillschweigend an seinem Entscheid fest, das Anbahnen von sexuellen Kontakten mit Kindern als eigenen Tatbestand ins Strafgesetzbuch aufzunehmen. Ebenso stillschweigend beharrte der Nationalrat auf dem Obligatorium für Lernprogramme für Sexualstraftäterinnen und -täter. Die Kantonskammer hatte hier eine Kann-Vorschrift bevorzugt. Mit diesen zwei verbleibenden inhaltlichen Differenzen ging die Vorlage wieder an den Ständerat.

Harmonisierung der Strafrahmen (BRG 18.043)
Dossier: Revision des Strafgesetzbuches (2008– )
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Mit 29 zu 11 Stimmen trat der Ständerat in der Sommersession 2023 nicht auf den Entwurf seines Büro-SR ein, den dieses auf der Basis einer eigenen parlamentarischen Initiative mit dem Ziel ausgearbeitet hatte, den Parlamentsmitgliedern einen Teuerungsausgleich zu gewähren. Eva Herzog (sp, BS), die Sprecherin des Büros, argumentierte vergeblich, dass die Anpassung der Parlamentsentschädigungen an die Teuerung «eine gesetzliche Pflicht» sei: Das Parlamentsressourcengesetz schreibe einen Teuerungsausgleich zu Beginn jeder Legislaturperiode vor. Darauf zu verzichten, sei «ein falsches Signal», so die Sozialdemokratin. Ein Parlamentsmandat sei genauso «entschädigungswürdig» wie andere entlöhnte Tätigkeiten. Zudem beantrage das Büro nicht den vollen seit 2012 aufgelaufenen Teuerungsausgleich von 3.2 Prozent, sondern denselben Ansatz wie für die Bundesangestellten, also 2.5 Prozent. Dies würde Mehrausgaben von CHF 1.3 Mio. pro Jahr generieren.
Eine Minderheit des Büros, bestehend aus Werner Salzmann (svp, BE) und Andrea Caroni (fdp, AR), plädierte für Nichteintreten. Werner Salzmann begründete dies mit der prekären Situation des Bundeshaushaltes. Die wirtschaftliche Entwicklung gelte als unsicher und der «grosse Schuldenberg aus der Pandemie» müsse abgebaut werden. Der Ständerat habe zudem gleichentags die zusätzliche Finanzierung für den Teuerungsausgleich der Angestellten der Bundesverwaltung abgelehnt und ein paar Wochen zuvor auf den vollen Teuerungsausgleich bei der AHV verzichtet. Deshalb könne man jetzt nicht für sich selber Forderungen stellen. Vergeblich appellierte Stefan Engler (mitte, GR) in der Debatte an seine Ratskolleginnen und -kollegen, auf die Vorlage einzutreten. Parlamentsarbeit habe einen Wert, der einen Teuerungsausgleich rechtfertige. Weil das Geschäft zudem nur alle vier Jahre vorliege und seit 2012 keine Teuerung mehr ausgeglichen worden sei, sei es vor allem «sehr populistisch», mit dem Parlament «als Vorbild» zu argumentieren.

Löhne der Parlamentsmitglieder 2023 (Pa. Iv. 23.404)
Dossier: Entschädigung von Parlamentsmitgliedern

Nach den ausführlichen Debatten um den Nachtrag Ia zum Voranschlag 2023 in der ausserordentlichen Session 2023 zeichnete sich ab, dass auch der Nachtrag Ib nicht ohne grössere Diskussionen über die Bühne gehen würde. Mit ein Grund dafür war, dass der Bundesrat in einer Nachmeldung Ende April 2023 zusätzliche CHF 132.9 Mio. für die Unterbringung von Asylsuchenden beantragt hatte, wie Johanna Gapany (fdp, FR) als Kommissionssprecherin in der Sommersession 2023 ausführte. Aufgrund des befürchteten Platzmangels sollten die Unterbringungskapazitäten durch temporäre Containerdörfer auf Grundstücken der Armee um 3000 zusätzliche Plätze erhöht werden. Die Kommissionsmehrheit lehne den Antrag aufgrund von Bedenken bezüglich der Auswirkungen auf die lokale Bevölkerung sowie auf die Asylsuchenden selber ab. Stattdessen verlange man eine strategische Planung der Kapazitäten für die Erstunterbringung im Rahmen eines Postulats Minder (parteilos, SH; Po. 23.3084). Eine von Eva Herzog (sp, BS) angeführte Minderheit befürwortete hingegen die Schaffung dieser Platzreserve, zumal sie auf der Notfallplanung Asyl von 2016 als Vereinbarung zwischen Bund und Kantonen beruhe und folglich auch von den Kantonen befürwortet werde. Finanzministerin Keller-Sutter hob in der Folge die Reservefunktion dieses Kredits hervor: Das EJPD könne damit vorausschauend planen. Mit 29 zu 13 Stimmen lehnte der Ständerat den Antrag dennoch ab, hiess aber die bereits im ordentlichen Nachtrag Ib für die Bundesasylzentren beantragten CHF 139.9 Mio. gut.
Umstritten war auch der vom Bundesrat von 2 Prozent auf 2.5 Prozent erhöhte Lohnausgleich an das Bundespersonal (CHF 31.2 Mio.). Kommissionssprecherin Gapany verdeutlichte das Unverständnis der Kommissionsmehrheit darüber, dass diese Lohnmassnahme nicht bereits im Rahmen des Voranschlags 2023 vorgeschlagen worden sei – nun war sie bereits seit Januar 2023 in Kraft, was die Handlungsmöglichkeiten des Parlaments schmälerte: Eine Ablehnung würde die Auszahlung des Lohnausgleichs nicht verhindern, sondern nur eine Kompensation dieser Kosten innerhalb der Bundesfinanzen nötig machen. Während die Kommissionsmehrheit den Kredit ablehnen wollte, sprach sich eine Minderheit Herzog für Annahme aus. Die Erhöhung um 2.5 Prozent sei das Resultat der Verhandlungen mit den Personalverbänden, das bei Beratung des Voranschlags noch nicht vorgelegen habe, erklärte Eva Herzog. Mit 27 zu 12 Stimmen folgte der Ständerat aber auch hier seiner Kommissionsmehrheit.
Eine Änderung nahm der Ständerat auch am Kredit von CHF 12.7 Mio. für das EFD-Generalsekretariat vor: Dieser Kredit soll dazu dienen, die dem EFD durch die Übernahme der CS durch die UBS zusätzlich entstehenden Kosten zu decken. Die FK-SR hatte jedoch einstimmig eine Reduktion auf CHF 7 Mio. beantragt und überdies in den Rahmenbedingungen der Kreditvergabe eine Prüfung von «Verantwortlichkeitsklagen gegen die Organe der Credit Suisse» sowie eine Aufarbeitung der Geschehnisse und eine Weiterentwicklung der Rechtsgrundlagen verlangt, wie bereits im Nachtrag Ia diskutiert worden war.
Stillschweigend befürwortete die kleine Kammer in der Folge die übrigen Anträge des Bundesrates und hiess den Bundesbeschluss über den Nachtrag Ib zum Voranschlag 2023 sowie denjenigen über die Planungsgrössen einstimmig (mit 41 zu 0 Stimmen) gut.

Nachträge Ia und Ib zum Voranschlag 2023 (BRG 23.007)
Dossier: Übernahme der Credit Suisse durch die UBS
Dossier: Bundeshaushalt 2023: Voranschlag und Staatsrechnung

In der Sondersession im Mai 2023 überwies der Nationalrat zwei gleichlautende Postulate Funiciello (sp, BE; Po. 22.4566) und von Falkenstein (lpd, BS), die einen Bericht forderten, der Auskunft darüber gibt, welche Gründe Opfer sexualisierter Gewalt davon abhalten, eine Anzeige zu erstatten. In der Begründung wiesen die Postulantinnen unter anderem darauf hin, dass das unabhängige Gremium von Expertinnen und Experten des Europarats zur Istanbul-Konvention (GREVIO) die Schweiz bereits aufgefordert habe, die Sicht der Opfer bei der Bekämpfung von Gewalt verstärkt zu berücksichtigen. Der Bundesrat hatte die Postulate zur Annahme empfohlen, diese waren jedoch von Therese Schläpfer (svp, ZH) in der Frühjahrssession 2023 bekämpft worden. Die SVP-Nationalrätin vertrat unter anderem die Ansicht, das Anliegen sei mit Überweisung der Motionen zur Schaffung von Krisenzentren für Opfer sexualisierter und geschlechtsbezogener Gewalt (Mo. 22.3234; Mo. 22.3333; Mo. 22.3334) bereits erfüllt worden. Der Nationalrat nahm die Postulate in der Sondersession im Mai 2023 schliesslich mit je 49 Gegenstimmen aus der sich fast einhellig ablehnend positionierten SVP-Fraktion an.

Welche Gründe halten Opfer sexualisierter Gewalt davon ab, eine Anzeige zu erstatten (Po. 22.4565; Po. 22.4566)
Dossier: Gewalt gegen Frauen* / häusliche Gewalt (ab Ratifikation Istanbul-Konvention)

Nachdem die APK-SR die Behandlung der parlamentarischen Initiative für ein Bundesgesetz für die Weiterführung und Erleichterung der Beziehungen zur EU zweimal verschoben hatte, weil sie den Europabericht des Bundesrates abwarten wollte, kam sie in der Frühjahrssession 2023 in den Ständerat. Kommissionssprecher Pirmin Bischof (mitte, SO) erinnerte den Ständerat zuerst daran, dass die APK-SR die Initiative im Oktober 2021 bereits einmal abgelehnt, die APK-NR aber an ihrem Entwurf festgehalten hatte. Er wies des Weiteren darauf hin, dass die Initiative zu einem Zeitpunkt eingereicht worden sei, als die Beziehungen zur EU «völlig blockiert waren». Zwar sei das Anliegen der Initiative nachvollziehbar, doch habe sich die APK-SR seit dem Abbruch der Verhandlungen in vielfältiger Art und Weise zu den Beziehungen Schweiz-EU äussern können. Die parlamentarische Initiative der APK-NR sei aus institutioneller Perspektive problematisch und darüber hinaus nicht zielführend, da der geforderte politische Dialog bereits seit Längerem bestehe. Die Umsetzung der Initiative würde zu lange dauern und damit den Verhandlungsspielraum des Bundesrats einschränken, schloss Bischof seine Ausführungen und seine Begründung des Mehrheitsantrags, auf Folgegeben zu verzichten. Eva Herzog (sp, BS) zog in der Folge ihren Einzelantrag auf Folgegeben zurück, da sie bereits im Rahmen der Debatte zur Motion 22.3012 gespürt habe, dass sich eine Mehrheit des Ständerates eine rasche Regelung der bilateralen Beziehungen wünsche und sich vor allem aus formellen und nicht aus inhaltlichen Gründen gegen die parlamentarische Initiative wehre. Der Ständerat gab der Initiative stillschweigend keine Folge, womit diese erledigt war.

Bundesgesetz über die Weiterführung und Erleichterung der Beziehungen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Union (Pa.Iv. 21.480)
Dossier: Entwicklung der bilateralen Beziehungen mit der EU nach dem Scheitern des Rahmenabkommens

Stefan Engler (mitte, GR) wollte den Bundesrat mittels Motion damit beauftragen, eine Regelung zur zulässigen Nettorendite für Wohn- und Geschäftsliegenschaften vorzulegen für den Fall, dass der Referenzzinssatz auf über 2 Prozent steigen sollte. Das Mietrecht verbietet «übersetzte» Erträge aus Mietsachen. Doch was genau ein unzulässig hoher Ertrag ist, ist nicht in einem Gesetz oder einer Verordnung, sondern durch die ständige Rechtsprechung des BGer geregelt. Konkret durfte seit 1986 die Nettorendite, also der Ertrag auf dem investierten Eigenkapital, maximal 0.5 Prozentpunkte höher liegen als der aktuelle hypothekarische Referenzzinssatz. Seit einem BGer-Urteil aus dem Jahr 2010 galt zudem, dass bei einem Referenzzinssatz von 2 Prozent oder weniger die Nettorendite um maximal 2 Prozentpunkte über dem Referenzzinssatz liegen darf. Da in letzter Zeit die Zinsen anstiegen, ist zu erwarten, dass auch der Referenzzinssatz in naher Zukunft schrittweise steigen wird. Engler fragte sich deshalb, was passieren würde, wenn der Referenzzinssatz über 2 Prozent steigt. Wenn nämlich die bisherige Regelung zur Anwendung käme, dann würde ein Anstieg des Referenzzinssatzes von 2 auf 2.25 Prozent gleichzeitig dazu führen, dass die zulässige Nettorendite von 4 auf 2.75 Prozent sinken würde. Engler ging davon aus, dass das Bundesgericht den für die Berechnung der Nettorendite zulässigen Zuschlag in Schritten reduzieren würde. Im Interesse der Rechtssicherheit sei eine politische Klärung allerdings klar vorzuziehen. Der Bundesrat empfahl die Annahme der Motion.
Der Ständerat befasste sich in seiner Frühjahressession 2023 mit der Motion. Dabei stellte Eva Herzog (sp, BS) einen Ordnungsantrag für eine Zuweisung der Motion an die RK-SR zur Vorprüfung. Sie begründete ihren Antrag damit, dass die Motion so gelesen werden könne, dass sie dem Bundesrat direkt vorschreibt, eine gesetzliche Regelung auszuarbeiten. Dabei sei es angezeigt, zuerst noch eine Auslegeordnung zu machen und zu prüfen, ob eine gesetzliche Regelung überhaupt notwendig und erwünscht sei. Engler zeigte sich mit dem Ordnungsantrag einverstanden, plädierte aber für eine rasche Behandlung in der Kommission. RK-SR-Präsident Carlo Sommaruga (sp, GE) sicherte ihm dies zu und so beschloss der Ständerat einstimmig den Ordnungsantrag und schickte die Motion an seine RK.

Mehr Rechtssicherheit im Mietrecht (Mo. 22.4448)

Die Motion würde «Erwartungen schür[en], die nicht erfüllt werden können», begründete die APK-SR ihre ablehnende Position gegenüber eines Vorstosses ihrer Schwesterkommission für dringliche Massnahmen zugunsten des Schweizer BFI-Standorts. Mit 12 Stimmen bei einer Enthaltung beantragte die Kommission im Frühjahr 2023, die Motion zu verwerfen. Der Ansatz dieser Motion würde bei der verfahrenen Situation um die Teilnahme der Schweiz bei Horizon Europe keine «Deblockierung» ermöglichen.

Im März 2023 stand die Motion dann auf der Traktandenliste des Ständerats. Resigniert untermalte Kommissionssprecher Benedikt Würth (mitte, SG) die derzeitige Situation des «Abseitsstehens» der Schweiz. Ins gleiche Horn blies Andrea Gmür-Schönenberger (mitte, LU) – sie bezeichnete die Situation bei Horizon Europe seit dem Abbruch der Verhandlungen zum InstA als «jämmerlich». Obwohl dem Bundesrat im Dezember 2020 durch das Parlament ein Finanzbeschluss von CHF 6.1 Mrd. für eine siebenjährige Teilnahme der Schweiz beim besagten Programm mit einem entsprechenden Verhandlungsmandat zugesprochen worden war, seien seither keine Verhandlungen erfolgt. Die EU wolle nicht verhandeln, solange die institutionellen Fragen nicht geklärt seien, erklärten Würth und Gmür-Schönenberger. Auch mit der in dieser Motion vorgeschlagenen Erhöhung der Kohäsionsmittel – Ausgleichszahlungen an die EU für die Teilnahme am Binnenmarkt – könne keine Bewegung in der Angelegenheit erreicht werden. Es ergebe somit keinen Sinn, «dem Bundesrat Aufträge zu erteilen, die schöne Signale setzen, aber am Ziel vorbeischiessen», so Würth. Für eine Annahme machte sich im Rat hingegen Eva Herzog (sp, BS) stark. Die drei Anliegen der Motion – Verhandlungen über eine umgehende Assoziierung der Schweiz als Drittland an Horizon Europe und an die weiteren Forschungsprogrammen Digital Europe, ITER, Euratom und Erasmus+, eine einmalige Erhöhung des Kohäsionsbeitrags und die Definition von Grundsätzen für zukünftige Verhandlungen über die Beziehungen mit der EU – behinderten den Bundesrat «in keiner Weise» und bestärkten diesen nur in dem, was er bereits tue, so Herzog. Es sei indes wichtig, dass das Parlament dem Bundesrat seine Haltung bezüglich des EU-Dossiers kommuniziere.
Aussenminister Ignazio Cassis unterstrich derweil, wie wichtig dem Bundesrat eine Vollassoziierung der Schweiz bei Horizon Europe und den weiteren Forschungsprogrammen sei, beantragte aber im Namen des Gesamtbundesrates dennoch eine Ablehnung der Motion, da er bereits um eine Lösung ringe. Der Bundesrat habe die Staatssekretärin Livia Leu im Februar 2022 mit Sondierungsgesprächen beauftragt und arbeite im Rahmen derer weiterhin für eine vollständige Teilnahme der Schweiz an diesen Forschungsprogrammen. Mit 31 zu 8 Stimmen bei 2 Enthaltungen lehnte der Ständerat die Motion schliesslich ab. Für eine Annahme votierten Ständerätinnen und Ständeräte aus den Lagern der SP und der Grünen sowie Olivier Français (fdp, VD). Die Motion war damit erledigt.

Dringliche Massnahmen zu Gunsten des Schweizer Forschungs-, Bildungs- und Innovationsstandorts (Mo. 22.3012)
Dossier: Erasmus und Horizon

In der Frühjahrssession 2023 überwiesen die eidgenössischen Räte drei Motionen zur Schaffung von Krisenzentren für Opfer sexualisierter und geschlechterbezogener Gewalt der Nationalrätinnen Tamara Funiciello (sp, BE; Mo. 22.3333) und Jacqueline de Quattro (fdp, VD; Mo. 22.3334) sowie der Ständerätin Marina Carobbio Guscetti (sp, TI; Mo. 22.3234). Alle drei Vorstösse waren vom Erstrat bereits im Herbst 2022 gutgeheissen worden. Während der Ständerat den beiden Motionen Funiciello und de Quattro stillschweigend zustimmte, nahm der Nationalrat die Motion Carobbio Guscetti mit 131 zu 51 Stimmen bei 3 Enthaltungen an. Wie bereits in den Nationalratsabstimmungen über die Motionen Funiciello und de Quattro stimmte lediglich die geschlossene SVP-Fraktion gegen den Vorstoss. Die unterlegene Minderheit Graber (svp, VS) hatte hervorgehoben, dass in erster Linie die Kantone für den Gesundheitsbereich zuständig seien, und deshalb die Ablehnung der Motion beantragt.

Krisenzentren für Gewaltopfer - Vorstösse im National- und Ständerat (Mo. 22.3333, Mo. 22.3334 und Mo. 22.3234)
Dossier: Gewalt gegen Frauen* / häusliche Gewalt (ab Ratifikation Istanbul-Konvention)