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  • Keller-Sutter, Karin (fdp/plr) BR EFD / CF DFF

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Der Ständerat widmete sich in der Wintersession 2023 der Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens mit den Vereinigten Arabischen Emiraten. Kommissionssprecher Martin Schmid (fdp, GR) gab gekannt, dass das Geschäft in der vorberatenden WAK-SR unbestritten war, dass die Kommission aber eine Diskussion über die Besteuerung in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) geführt habe. Diese erhöben keine Einkommenssteuern, sondern lediglich eine reduzierte Körperschaftssteuer von 9 Prozent. Vor diesem Hintergrund sei die Befürchtung aufgetaucht, dass Personen, die in der Schweiz oder in Europa mit Sanktionen belegt wurden, ihren Wohnsitz in einen Staat wie die VAE verlegen könnten, dadurch «die Vorteile der Doppelbesteuerungsabkommen in Anspruch nehmen könn[t]en» und quasi von einer doppelten Nichtbesteuerung profitierten. Ständerat Schmid forderte den Bundesrat dazu auf, diesen Aspekt bei zukünftigen Verhandlungen zu DBA zu beachten. Der Sinn von DBA liege schliesslich darin, eine doppelte Besteuerung zu verhindern, nicht aber die Besteuerung an sich. Finanzministerin Karin Keller-Sutter nahm diesen Hinweis zur Kenntnis und plädierte im Übrigen dafür, die Änderung des DBA zu genehmigen, da diese ein ausgewogenes Verhandlungsergebnis darstelle und sich positiv auf die weitere Entwicklung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen auswirken werde. In der Gesamtabstimmung genehmigte der Ständerat das Änderungsprotokoll mit 37 zu 1 Stimmen.

In den Schlussabstimmungen am Ende der Wintersession nahm der Nationalrat das Geschäft mit 138 zu 52 Stimmen (8 Enthaltungen) an. Die ablehnenden Stimmen und die Enthaltungen stammten aus den Reihen der SVP-Fraktion. Der Ständerat stimmte dem Geschäft mit 38 zu 2 Stimmen (5 Enthaltungen) zu.

Doppelbesteuerung. Abkommen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten (BRG 23.043)
Dossier: Doppelbesteuerungsabkommen

In der Wintersession 2023 befasste sich der Nationalrat als Erstrat mit der bundesrätlichen Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Schweizerischen Bundesbahnen (SBBG). Ziel des Bundesrats war es, mit einem einmaligen Kapitalzuschuss von CHF 1.15 Mrd., einer Änderung der Darlehenspraxis und einer Anpassung der Reserven des BIF die finanzielle Lage der SBB zu verbessern und die Liquidität des BIF zu gewährleisten.

In der Eintretensdebatte liessen Christian Wasserfallen (fdp, BE) und Valérie Piller Carrard (sp, FR) für die KVF-NR verlauten, dass sich die Kommission für den einmaligen Kapitalzuschuss ausgesprochen habe. Aufgrund des unerfreulichen finanziellen Zustands der SBB sei der Kapitalzuschuss dringend notwendig. Auch sei diesem bereits in der Budgetdebatte am Tag zuvor zugestimmt worden. Der rechtliche Rahmen dafür werde mit Annahme der Vorlage geschaffen.
Bezüglich des vom Bundesrat gewünschten Wechsels von Tresorerie- auf Haushaltsdarlehen ab einem bestimmten Verschuldungsniveau der SBB beantrage die Kommission hingegen mit 14 zu 9 Stimmen, beim bestehenden Recht zu bleiben. Eine dadurch eingeführte Konkurrenz zwischen Ausgaben für den Bahnverkehr und anderen Bundesausgaben sei laut der Kommissionsmehrheit nicht erstrebenswert. Das Parlament verfüge im Rahmen der Ausbauschritte der Bahninfrastruktur bereits über ein ausreichendes Mitspracherecht bei der Finanzplanung der SBB. Die Änderung der Darlehenspraxis lehnte auch die mitberichtende FK-NR ab, wie sie in einer Medienmitteilung mitgeteilt hatte. Bei der Anpassung des Schwerverkehrsabgabegesetzes (SVAG) beantragte die KVF-NR zudem eine Präzisierung: Die angemessene Reserve, die der BIF aufweisen muss, soll laut der Kommission bei CHF 300 Mio. festgelegt werden.
Die Anträge der Kommission wurden laut den jeweiligen Fraktionssprechenden von den Fraktionen der SP, FDP, Grünen, GLP und Mitte unterstützt. Benjamin Giezendanner (svp, AG) – Fraktionssprecher der SVP – plädierte hingegen im Namen seiner Fraktion dafür, die Vorlage als Ganzes abzulehnen. Eintreten wurde indessen aber auch von der SVP nicht bestritten.

Bezüglich der Änderung der Darlehenshandhabung beantragte KVF-NR-Mitglied Thomas Hurter (svp, SH) in der Detailberatung mittels Minderheitsantrag, am Entwurf des Bundesrats festzuhalten und die Umwandlung von Tresorerie- in Haushaltsdarlehen zu unterstützen. Ziel sei laut Hurter, das Parlament bei der Finanzierung der SBB sowie bei deren Schuldenreduktion «stärker in die Verantwortung zu nehmen». Da die Vorlage laut Hurter jedoch nur als Gesamtpaket Sinn mache, plädierte er dafür, die Vorlage in der Gesamtabstimmung abzulehnen, sollte sein Minderheitsantrag nicht angenommen werden. Bundesrätin Karin Keller-Sutter unterstützte den Minderheitsantrag im Namen der Regierung. Der Nationalrat sprach sich aber schliesslich mit 125 zu 65 Stimmen ohne Enthaltung für den Antrag der Kommissionsmehrheit und somit gegen die Änderung der Darlehenshandhabung aus. Die Gegenstimmen kamen allesamt aus der SVP-Fraktion.
Den einmaligen Kapitalzuschuss sowie den Antrag der KVF-NR, die angemessenen BIF-Reserven bei CHF 300 Mio. festzuschreiben, nahm der Nationalrat stillschweigend an. Bundesrätin Keller-Sutter hatte zuvor erfolglos beantragt, dem Antrag der KVF-NR bezüglich der Präzisierung der BIF-Reserven auf mindestens CHF 300 Mio. keine Folge zu geben. Keller-Sutter hatte argumentiert, dass die Festlegung der Mindestreserven nicht notwendig sei und eine Einbusse an Flexibilität bedeuten würde.

Die Vorlage passierte die Gesamtabstimmung mit 126 zu 65 Stimmen ohne Enthaltung, wobei sich allein die geschlossene SVP-Fraktion gegen die Vorlage aussprach. Damit wurde das Geschäft mit zwei Änderungen zur Beratung an den Ständerat überwiesen. Der Nationalrat genehmigte zudem die Abschreibung einer Motion der FK-SR, welche mit dem einmaligen Kapitalzuschuss von CHF 1.15 Mrd. an die SBB erledigt sei.

Änderung des Bundesgesetzes über die Schweizerischen Bundesbahnen (SBBG) (BRG 23.063)

Auch im Nationalrat war die Garantieverpflichtung für ein Darlehen an den neu geschaffenen Treuhandfonds des IWF für Resilienz und Nachhaltigkeit unbestritten. Die Vorlage wurde in der Wintersession 2023 seitens APK-NR von Nicolas Walder (gp, GE) und Christine Badertscher (gp, BE) sowie von Finanzministerin Karin Keller-Sutter vorgestellt. Eintreten wurde anschliessend ohne Gegenantrag beschlossen. In der Gesamtabstimmung nahm die grosse Kammer den Entwurf mit 177 zu 5 Stimmen bei 1 Enthaltung an. Die wenigen Ablehnungen sowie die Enthaltung stammten von Mitgliedern der SVP-Fraktion.

IWF. Garantieverpflichtung für ein Darlehen an den Treuhandfonds (BRG 23.044)

Nach den ausführlichen Debatten um den Nachtrag Ia zum Voranschlag 2023 in der ausserordentlichen Session 2023 zeichnete sich ab, dass auch der Nachtrag Ib nicht ohne grössere Diskussionen über die Bühne gehen würde. Mit ein Grund dafür war, dass der Bundesrat in einer Nachmeldung Ende April 2023 zusätzliche CHF 132.9 Mio. für die Unterbringung von Asylsuchenden beantragt hatte, wie Johanna Gapany (fdp, FR) als Kommissionssprecherin in der Sommersession 2023 ausführte. Aufgrund des befürchteten Platzmangels sollten die Unterbringungskapazitäten durch temporäre Containerdörfer auf Grundstücken der Armee um 3000 zusätzliche Plätze erhöht werden. Die Kommissionsmehrheit lehne den Antrag aufgrund von Bedenken bezüglich der Auswirkungen auf die lokale Bevölkerung sowie auf die Asylsuchenden selber ab. Stattdessen verlange man eine strategische Planung der Kapazitäten für die Erstunterbringung im Rahmen eines Postulats Minder (parteilos, SH; Po. 23.3084). Eine von Eva Herzog (sp, BS) angeführte Minderheit befürwortete hingegen die Schaffung dieser Platzreserve, zumal sie auf der Notfallplanung Asyl von 2016 als Vereinbarung zwischen Bund und Kantonen beruhe und folglich auch von den Kantonen befürwortet werde. Finanzministerin Keller-Sutter hob in der Folge die Reservefunktion dieses Kredits hervor: Das EJPD könne damit vorausschauend planen. Mit 29 zu 13 Stimmen lehnte der Ständerat den Antrag dennoch ab, hiess aber die bereits im ordentlichen Nachtrag Ib für die Bundesasylzentren beantragten CHF 139.9 Mio. gut.
Umstritten war auch der vom Bundesrat von 2 Prozent auf 2.5 Prozent erhöhte Lohnausgleich an das Bundespersonal (CHF 31.2 Mio.). Kommissionssprecherin Gapany verdeutlichte das Unverständnis der Kommissionsmehrheit darüber, dass diese Lohnmassnahme nicht bereits im Rahmen des Voranschlags 2023 vorgeschlagen worden sei – nun war sie bereits seit Januar 2023 in Kraft, was die Handlungsmöglichkeiten des Parlaments schmälerte: Eine Ablehnung würde die Auszahlung des Lohnausgleichs nicht verhindern, sondern nur eine Kompensation dieser Kosten innerhalb der Bundesfinanzen nötig machen. Während die Kommissionsmehrheit den Kredit ablehnen wollte, sprach sich eine Minderheit Herzog für Annahme aus. Die Erhöhung um 2.5 Prozent sei das Resultat der Verhandlungen mit den Personalverbänden, das bei Beratung des Voranschlags noch nicht vorgelegen habe, erklärte Eva Herzog. Mit 27 zu 12 Stimmen folgte der Ständerat aber auch hier seiner Kommissionsmehrheit.
Eine Änderung nahm der Ständerat auch am Kredit von CHF 12.7 Mio. für das EFD-Generalsekretariat vor: Dieser Kredit soll dazu dienen, die dem EFD durch die Übernahme der CS durch die UBS zusätzlich entstehenden Kosten zu decken. Die FK-SR hatte jedoch einstimmig eine Reduktion auf CHF 7 Mio. beantragt und überdies in den Rahmenbedingungen der Kreditvergabe eine Prüfung von «Verantwortlichkeitsklagen gegen die Organe der Credit Suisse» sowie eine Aufarbeitung der Geschehnisse und eine Weiterentwicklung der Rechtsgrundlagen verlangt, wie bereits im Nachtrag Ia diskutiert worden war.
Stillschweigend befürwortete die kleine Kammer in der Folge die übrigen Anträge des Bundesrates und hiess den Bundesbeschluss über den Nachtrag Ib zum Voranschlag 2023 sowie denjenigen über die Planungsgrössen einstimmig (mit 41 zu 0 Stimmen) gut.

Nachträge Ia und Ib zum Voranschlag 2023 (BRG 23.007)
Dossier: Übernahme der Credit Suisse durch die UBS
Dossier: Bundeshaushalt 2023: Voranschlag und Staatsrechnung

Am Tag nach der mitternächtlichen Ablehnung beider Bundesbeschlüsse zum Nachtrag Ia durch den Nationalrat hatten sich die beiden Räte erneut mit den Verpflichtungskrediten zur Übernahme der Credit Suisse durch die UBS auseinanderzusetzen.
Der Ständerat versuche, eine Brücke zum Nationalrat zu schlagen – «jeter un pont», betonte Kommissionssprecherin Gapany (fdp, FR) und mit ihr zahlreiche weitere Sprechende. Die FK-SR hatte zuvor grundsätzlich an den Entscheiden des Ständerats vom Vortag festgehalten – etwa am Verbot an den Bundesrat, weitere dringliche Ausfallgarantien zu sprechen, oder an den beiden vom Ständerat angenommenen Rahmenbedingungen der Kreditvergabe. Entgegenkommen wollte man dem Nationalrat nun insofern, als man – wie von der Mehrheit der FK-NR vorgeschlagen und vom Nationalrat anfänglich gutgeheissen – als zusätzliche Rahmenbedingung der Kreditvergabe eine Prüfung der Anpassung des Bankengesetzes ergänzte. Dabei sollten die Risiken durch private systemrelevante Banken minimiert werden, etwa durch eine Erhöhung der Eigenkapitalquote oder einer Beschränkung der Boni. Wie die Medien tags darauf berichteten, sollte diese Änderung ein Zugeständnis an die SP darstellen und deren Mitglieder dazu veranlassen, ins Unterstützendenlager zu wechseln. Nach der Bereinigung der Rahmenbedingungen der Kreditvergabe hiess der Ständerat die beiden Verpflichtungskredite mit 32 zu 5 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) respektive mit 29 zu 5 Stimmen (bei 7 Enthaltungen) erneut gut.

Alle Augen waren somit auf den Nationalrat gerichtet: Dieser hatte nach der Ablehnung der beiden Bundesbeschlüsse am Vortag die Eintretensdebatte und die Detailberatung zu wiederholen. Die FK-NR habe die Differenzen zum Ständerat bereinigt und somit die vom Nationalrat geschaffenen, aber zum Schluss abgelehnten nationalrätlichen Änderungen des Vortags nicht übernommen, erläuterte Gerhard Andrey (gp, FR) für die Kommission. Bereits zu Beginn der Debatte zeigte sich die SP-Fraktion gespalten. So erklärte Fraktionssprecher Nordmann (sp, VD), dass die meisten Fraktionsmitglieder den Krediten voraussichtlich zustimmen würden, verschiedene Personen jedoch nicht an die Umsetzung der gemachten Versprechen glaubten. Diese Unsicherheit versuchten Mitglieder der SP-Fraktion mehrmals mit Fragen an Bundesrätin Keller-Sutter etwa bezüglich der Erhöhung der Eigenkapitalquote und der Beschränkung der variablen Lohnbestandteile bei Banken auszuräumen. Auch zahlreiche Mitglieder anderer Fraktionen beteiligten sich an der ausführlichen Befragung der Bundesrätin. In der Folge erklärte SP-Co-Präsident Cédric Wermuth (sp, AG), dass sich die SP-Fraktion mangels «wirklich substanzielle[r] Versprechen» des Bundesrates sowie der meisten übrigen Fraktionen gegen die Verpflichtungskredite aussprechen werde. Diese Meinung teilte weiterhin auch die SVP, für die Lars Guggisberg (svp, BE) erklärte, dass man den vorliegenden Entwurf nicht als «Basis dafür [erachte], dass es keine Too-big-to-fail-Unternehmungen mehr geben kann». Auch die Grünen zeigten sich mit dem Entwurf weiterhin unzufrieden, man habe damit die Chance vertan, «den Banken gegenüber eine klare Erwartungshaltung zu formulieren: mehr Verantwortung, wirksame Regulierungen und echte Nachhaltigkeit», betonte Franziska Ryser (gp, SG). In der Folge lehnte der Nationalrat den Bundesbeschluss über die Rahmenbedingungen der Kreditvergabe (mit 98 zu 72 Stimmen bei 12 Enthaltungen) und den Nachtrag Ia (mit 103 zu 71 Stimmen bei 8 Enthaltungen) aufgrund der ablehnenden Stimmen oder Enthaltungen der Mitglieder der SVP-, SP- und Grünen-Fraktion erneut ab. Damit waren der Nachtrag Ia sowie dessen Rahmenbedingungen zur Kreditvergabe erledigt. An dem Verpflichtungskredit änderte dies jedoch nichts, zumal die FinDel diesen zuvor bereits bevorschusst hatte.

In den Medien führte dieser Entscheid des Nationalrats zu vielen Kommentaren. In erster Linie wurde er als «Ohrfeige» (La Liberté, 24heures) an den Bundesrat verstanden, was entweder negativ als «Nachtreten» der drei Parteien nach dem Ende der Krise (La Liberté) oder positiv als Entscheid mit beträchtlicher Symbolkraft und «Dämpfer für den Bundesrat», der ihm gut tue (TA), gewertet wurde. Einige Kommentierende kritisierten die Ablehnung der Kredite als verpasste Chance: Mit den Rahmenbedingungen der Kreditvergabe hätte man Einflussmöglichkeiten gehabt, die man nun vertan habe (AZ, TA). Kritisiert wurde insbesondere die SP, FDP-Präsident Thierry Burkart (fdp, AG) etwa warf ihr gemäss Tages-Anzeiger Wortbruch vor. Umgekehrt kritisierten Mitglieder der drei ablehnenden Parteien diejenigen Parteien, die sich für Annahme der Kredite ausgesprochen hatten, da sich diese gegen wirkliche Veränderungen gesträubt hätten.

Nachträge Ia und Ib zum Voranschlag 2023 (BRG 23.007)
Dossier: Übernahme der Credit Suisse durch die UBS
Dossier: Bundeshaushalt 2023: Voranschlag und Staatsrechnung

Ausserordentliche Sessionen können von einem Viertel der Mitglieder eines Rats unter anderem dann einberufen werden, wenn die FinDel einer dringlichen Verpflichtung von mehr als CHF 500 Mio. zugestimmt hat. In diesem Fall muss die ausserordentliche Session «in der dritten Kalenderwoche nach Einreichung des Begehrens stattfinden», wie die Parlamentsdienste erklären. Folglich kam es im April 2023 zu einer ausserordentlichen Session, in der das Parlament den Nachtrag Ia zum Voranschlag 2023 behandelte. Konkret ging es um zwei Verpflichtungskredite in der Höhe von CHF 100 Mrd. als Ausfallgarantie an die SNB respektive CHF 9 Mrd. zur Absicherung von allfälligen Verlusten der UBS. Den Auftakt zur ausserordentlichen Session machte Bundespräsident Berset mit einer Erklärung des Bundesrats in beiden Räten, in der er die Ereignisse rund um die Übernahme der CS durch die UBS Revue passieren liess.

Gleichentags behandelten Ständerat und Nationalrat erstmals den Nachtrag Ia. In der Eintretensdebatte zeigten sich die Sprechenden im Ständerat mehrheitlich mit dem Handeln des Bundesrates in dieser aussergewöhnlichen Situation einverstanden, kritisierten aber allen voran die erneute Dringlicherklärung einer Verordnung. Wichtig sei es nun vor allem, Lehren für die Zukunft zu ziehen und entsprechende Massnahmen zu erlassen, war man sich einig. Johanna Gapany (fdp, FR) stellte für die FK-SR noch einmal klar, dass das Parlament nach der Zustimmung der FinDel zu den zwei Verpflichtungskrediten am 19. März 2023 nicht mehr die Möglichkeit habe, diese Kredite zu verhindern, da der Bundesrat anschliessend rechtlich bindende Verpflichtungen eingegangen sei. Jedoch wolle man Bedingungen zu ihrer Verwendung festlegen, ergänzte die Kommissionssprecherin. Entsprechend schlug die Kommissionsmehrheit unter anderem eine Regelung vor, wonach allfällige weitere Ausfallentschädigungen nur über den ordentlichen Weg und nicht über den Dringlichkeitsweg gesprochen werden dürfen. Mit Verweis darauf, dass man nicht mit ordentlichem Recht das auf der Verfassung beruhende Dringlichkeitsrecht aushebeln könne, beantragte eine Minderheit Hefti (fdp, GL), auf diese Änderung zu verzichten. Ein Einzelantrag Minder (parteilos, SH) verlangte überdies, gänzlich auf die Garantieleistung an die UBS zu verzichten, zumal die UBS von dem Kauf profitiere und allfällige Verluste selbst tragen könne. Bundesrätin Keller-Sutter verwies darauf, dass es sich bei dem Deal mit der UBS um ein Gesamtpaket handle, das man nun nicht auftrennen solle. Mit 28 zu 14 Stimmen folgte der Ständerat bezüglich des Dringlichkeitsrechts seiner Kommissionsmehrheit und lehnte überdies den Antrag Minder mit 29 zu 6 Stimmen (bei 7 Enthaltungen) ab. Ebenfalls angenommen wurde der Verpflichtungskredit über CHF 100 Mrd. als Ausfallgarantie des Bundes: Mit 31 zu 4 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) löste der Ständerat hier die Ausgabenbremse. Die ablehnenden Stimmen stammten von Mitgliedern der SVP-Fraktion, die Enthaltungen aus der SP- und der Grünen-Fraktion. Als Rahmenbedingungen der Kreditverwendung definierte der Ständerat auf Antrag seiner Kommission überdies stillschweigend die Forderungen, dass die «Möglichkeiten von Verantwortlichkeitsklagen gegen die Organe der Credit Suisse [...] umfassend» geprüft werden und dass sich der Bund als Dritter am Prüfungsverfahren nach dem Kartellgesetz beteiligen soll.

Deutlich grösserer Widerstand drohte den zwei Verpflichtungskrediten im Nationalrat. Bereits in der Eintretensdebatte fanden insbesondere Exponentinnen und Exponenten der SVP kritische Worte gegenüber dem bundesrätlichen Vorgehen. Zusammen mit der SP und den Grünen prägten sie in der Folge die Bedingungen der Kreditvergabe: Der Nationalrat lehnte die zwei vom Ständerat formulierten Rahmenbedingungen der Kreditvergabe ab und wollte den Bundesrat stattdessen verpflichten, eine Anpassung des Bankengesetzes vorzulegen und dabei die Risiken durch systemrelevante Banken zu minimieren. Das Argument einer ablehnenden Minderheit Gmür (mitte, SZ), wonach sich sämtliche Kommissionen geeinigt hätten, entsprechende Anträge mittels eines Postulats und nicht über die Rahmenbedingungen der Kreditvergabe einzureichen, verfing im Nationalrat nicht: Mit 109 zu 65 Stimmen (bei 1 Enthaltung) stimmte die grosse Kammer dieser Bedingung der Kreditvergabe zu, wobei sich die SVP-, SP- und Grünen-Fraktionen sowie eine Minderheit der Mitte-Fraktion für Annahme der Bedingung aussprachen. Dieselben Fraktionen – mit Ausnahme der Mitte – verhalfen in der Folge einer Minderheit Guggisberg (svp, BE) für eine bundesrätliche Untersuchung der «Handlungsweise, [der] Verantwortung, [der] Haftungsbedingungen und insbesondere [der] Vergütungen der Führungsverantwortlichen» und einer Minderheit Schwander (svp, SZ) für eine Gewährleistung der Wettbewerbssituation im Bankensektor zum Erfolg. Bei weiteren Anträgen hielt diese «unheilige Allianz» jedoch nicht, erfolglos blieben ein weiterer Minderheitsantrag Guggisberg mit dem Auftrag an den Bundesrat, die Too-big-to-fail-Regelungen zu verbessern (hier scherte ein Teil der Grünen-Fraktion aus), eine Minderheit Friedl (sp, SG) zum Einsatz einer Task-Force zum Schutz der Schweizer Arbeitsplätze, eine Minderheit Wyss (sp, BS) zur Offenlegung der Verträge zur Übernahme der CS durch die UBS sowie eine Minderheit Gysin (gp, TI) für eine gesetzliche Grundlage zur Integration von Nachhaltigkeitszielen in ausserordentliche Staatshilfen. Letztere drei Anträge fanden in der SVP-Fraktion keine Mehrheit. Nachdem die drei Parteien, die die Rahmenbedingungen der Kreditvergabe zuvor deutlich geprägt hatten, somit nicht alle ihre Forderungen hatten durchsetzen können, lehnten sie den entsprechenden Bundesbeschluss in der anschliessenden Gesamtabstimmung ab: Mit 100 zu 71 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) wurde dieser im Nationalrat versenkt.
Mehr oder weniger geeint zeigten sich die drei Fraktionen anschliessend auch bei der Frage, ob die beiden Verpflichtungskredite selbst gutgeheissen werden sollen. Mit 83 zu 78 Stimmen (bei 15 Enthaltungen) lehnte der Nationalrat die Lösung der Ausgabenbremse für den Verpflichtungskredit zur Ausfallgarantie des Bundes über CHF 100 Mrd. ab und folgte mit 81 zu 69 Stimmen (bei 25 Enthaltungen) einem Einzelantrag der SVP-Fraktion auf Ablehnung der Garantie des Bundes an die UBS über CHF 9 Mrd. Nachdem der Nationalrat beide Verpflichtungskredite abgelehnt hatte, entschied er sich mit ähnlichem Stimmenverhältnis etwa um 1 Uhr morgens – so lange hatten die Diskussionen in den beiden Räten gedauert – auch, den gesamten Bundesbeschluss zum Nachtrag Ia abzulehnen. Dieser Entscheid kam einem Nichteintreten gleich, wodurch sich tags darauf der Ständerat erneut mit dem Geschäft befassen musste.

Nachträge Ia und Ib zum Voranschlag 2023 (BRG 23.007)
Dossier: Übernahme der Credit Suisse durch die UBS
Dossier: Bundeshaushalt 2023: Voranschlag und Staatsrechnung

In der Frühjahrssession 2023 beugten sich die Räte über die Differenzbereinigung zum Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben (EMBAG). Das Gesetz schafft die Grundlagen für eine Digitalisierung der Bundesverwaltung, indem es vor allem Standards und Interoperabilität festlegt und dem Bund die Möglichkeit für Vereinbarungen mit Partnerinnen und Partnern schafft, die ähnliche Standards und Plattformen nutzen.

Der Ständerat hatte in der Wintersession 2022 mehrere Differenzen geschaffen und auch im Nationalrat lagen zahlreiche Minderheitsanträge vor. Einig waren sich die Fraktionssprechenden darüber, dass Digitalisierung vor allem in der Bundesverwaltung dringend nötig sei, weil die Schweiz diesbezüglich «nicht einmal im Mittelfeld» liege, wie etwa Corina Gredig (glp, ZH) für die GLP-Fraktion ausführte. Allerdings brauche es einheitliche Standards, weshalb sie in einem Minderheitsantrag forderte, die Kantone und die dezentralen Verwaltungseinheiten zu solchen einheitlichen Standards zu verpflichten – dies hatte der Ständerat in seiner zweiten Lesung noch abgelehnt. Dieser Punkt war jedoch im Nationalrat sehr umstritten, Marco Romano (mitte, TI) und Damien Cottier (fdp, NE) setzten sich im Namen ihrer Fraktionen für eine föderalistische Lösung ein, während Gerhard Andrey (gp, FR) und Angelo Barrile (sp, ZH) für ihre Fraktionen für eine ganzheitliche Lösung, die nicht nur auf Bundes-, sondern auch auf Kantons- und Gemeindeebene gelte, plädierten. Finanzministerin Karin Keller-Sutter erklärte, der Bundesrat begrüsse den Kompromissvorschlag der SPK-NR, die dezentralen Verwaltungseinheiten generell dem Gesetz zu unterstellen, der Regierung aber die Möglichkeit für Ausnahmen zu geben. Bei den Kantonen bevorzuge der Bundesrat den kooperativen Ansatz, weil eine von den Kantonen nicht mitgetragene Harmonisierung kaum zielführend sein dürfte. Auch die Kommissionssprechenden Greta Gysin (gp, TI) und Andri Silberschmidt (fdp, ZH) erklärten, die SPK-NR würde gerne daran festhalten, alle Kantone zu verpflichten, sehe aber aufgrund der deutlichen Haltung des Ständerats in dieser Frage wenig Spielraum. Es sei deshalb in den Augen der Mehrheit der Kommission vernünftiger, die Kantone auszunehmen. Der Antrag der Minderheit Gredig wurde zwar – wie die Fraktionsvoten erwarten liessen – von den geschlossenen stimmenden Fraktionen der SP, GP und GLP gutgeheissen, diese 80 Stimmen unterlagen allerdings den 108 Stimmen der drei geschlossen stimmenden bürgerlichen Fraktionen.
Gregor Rutz (svp, ZH) erachtete das Gesetz im Namen der SVP-Fraktion als «Notlösung», mit dem wenigstens die «schlimmsten Defizite» behoben würden. Eigentlich bedürfe es aber einer Verfassungsänderung, das Gesetz sei wohl nur knapp verfassungskonform. Auch aus diesem Grund sei stets die Zustimmung der Kantone zu verlangen, wenn der Bund mit Gemeinden Projekte plane – stellte er folglich als Minderheitsantrag. Mit dieser Anhörungspflicht der Kantone zeigte sich die Mehrheit der SPK-NR jedoch nicht einverstanden: Die bundesrätliche Kompetenz, Vereinbarungen abzuschliessen, solle nicht eingeschränkt werden und der Minderheitenantrag Rutz sei entsprechend abzulehnen. Auch hier folgte der Rat mit 107 zu 80 Stimmen seiner Kommissionsmehrheit. Für die Kommissionsempfehlung votierten diesmal die geschlossen stimmenden Fraktionen der SP, der GLP und der GP, unterstützt von einer Mehrheit der FDP und den drei EVP-Mitgliedern der Mitte-EVP-Fraktion.
Mehrere weitere Entscheidungen traf der Rat jeweils ohne Minderheitsantrag. So erachtete die SPK-NR beispielsweise die explizite Erwähnung von Bedürfnissen spezifischer Bevölkerungsgruppen als nicht nötig. Bei der Frage zu «Open Source» hatte die Kommission einen Kompromiss ausgearbeitet: Quellcodes sollen generell transparent gemacht werden müssen, ausser wenn Drittrechte verletzt würden oder die Sicherheit in Gefahr sei. Schliesslich schlug die SPK-NR vor, die Verwaltung der Metadaten einzig beim Bundesamt für Statistik zu belassen. Oppositionslos nahm der Nationalrat diese nicht bestrittenen Empfehlungen seiner Kommission allesamt an.

Damit ging die Vorlage mit noch fünf Differenzen an den Ständerat, der diese ebenfalls in der Frühjahrssession 2023 behandelte. Die SPK-SR schlage vor, bei vier Differenzen auf den Nationalrat einzuschwenken, berichtete Benedikt Würth (mitte, SG) für die Kommission. Dem nationalrätlichen Kompromiss zu den dezentralen Einheiten empfehle die SPK-SR einstimmig zu folgen; auch das Argument des Nationalrats, dass im Gesetz die gesamte Bevölkerung berücksichtigt sei und es keine explizite Erwähnung von Minderheitengruppen brauche, habe die gesamte Kommission überzeugt; die vom Nationalrat formulierte Ausnahmeregel bei der Offenlegung des Quellcodes sei in der SPK-SR ebenfalls auf einstimmige Unterstützung gestossen; bezüglich der Zuständigkeit für die Sammlung der Metadaten hätte sich die Kommission zwar mehr Flexibilität gewünscht, auch hier könne man aber mit der Lösung des Nationalrats gut leben. Allerdings empfehle die Kommission, am ursprünglichen Entscheid des Ständerats festzuhalten, dass der Bund bei Vereinbarungen, die er mit Gemeinden abschliesst, die entsprechenden Kantone anhören müsse. Es wäre stossend, so Würth, wenn ein Kanton mit seinen Gemeinden digitale Projekte vorantreibe und der Bund mit einzelnen Gemeinden andere Projekte plane, ohne dass der Kanton dazu etwas sagen könne. Da es keinen Minderheitsantrag gab, stimmte die kleine Kammer allen Kommissionsempfehlungen stillschweigend zu.

Damit lag der Ball noch einmal beim Nationalrat. Die Kommission habe nur sehr kurz getagt, gab Kommissionssprecher Andri Silberschmidt (fdp, ZH) zu Protokoll. Sie sei einstimmig der Meinung, dass man dem Ständerat im letzten Streitpunkt folgen könne: Die Kommission sei stets der Meinung gewesen, dass der Bund die Kantone anhören würde, wenn er mit einzelnen Gemeinden Projekte plane – dies hatte auch Bundesrätin Keller-Sutter betont. Es spreche nichts dagegen, dies explizit ins Gesetz aufzunehmen. Die grosse Kammer bereinigte diese letzten Differenz schliesslich stillschweigend.

In den Schlussabstimmungen passierte das Gesetz den Nationalrat mit 183 zu 8 Stimmen (6 Enthaltungen). Die Opposition und die Enthaltungen stammten von Mitgliedern der SVP-Fraktion. Der Ständerat stimmte dem Gesetz mit 42 zu 0 Stimmen einstimmig zu.

Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben (BRG 22.022)
Dossier: Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben (EMBAG)

Der Nationalrat beriet die Änderung des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes (FinfraG) in der Frühlingssession 2023. Die vorberatende WAK-NR beantragte – wie zuvor bereits ihre Schwesterkommission – einstimmig die Annahme des Entwurfs. Kommissionssprecherin Petra Gössi (fdp, SZ) erklärte, diese Massnahme, welche dem Schutz des Schweizer Börsenplatzes diene, habe sich in der Vergangenheit bewährt und der Schweiz gar Profite eingebracht. Finanzministerin Karin Keller-Sutter fügte an, dass sich der Bundesrat weiterhin für eine unbefristete Börsenäquivalenz einsetze. Es sei zudem denkbar, dass die EU in naher Zukunft ihr Recht so ändern werde, dass diese Schutzmassnahme obsolet werde; bis dahin bleibe sie für den Schweizer Börsenplatz allerdings äusserst zentral. Der Entwurf war auch im Plenum des Nationalrats unbestritten. Die grosse Kammer trat ohne Gegenantrag auf das Geschäft ein und stimmte dem Beschluss des Ständerats diskussions- und oppositionslos zu.

Die Schlussabstimmungen konnten somit ebenfalls in der Frühlingssession 2023 stattfinden. Sowohl der Ständerat als auch der Nationalrat stimmten dem gänzlich unumstrittenen Entwurf jeweils einstimmig zu.

Loi sur l’infrastructure des marchés financiers (LIMF). Modification (transfert de la mesure visant à protéger l’infrastructure boursière) (Ob. 22.050)

In der Frühjahrssession 2023 stand die Änderung des Tabaksteuergesetzes zur Besteuerung von E-Zigaretten auf der ständerätlichen Traktandenliste. Roberto Zanetti (sp, SO), Urheber des damaligen Vorstosses auf Steuerbefreiung der E-Zigaretten, nutzte die Chance, um auf seine «immerhin edle[n] Motive» hinzuweisen – er habe sich davon eine «Ausstiegshilfe» erhofft, es habe sich aber herausgestellt, dass es sich dabei eher um eine «Einstiegshilfe» handle. Die Mehrheit der SGK-SR hatte sich zuvor gänzlich mit dem bundesrätlichen Vorschlag einverstanden gezeigt, jedoch lag ein umfassender Minderheitsantrag von Carlo Sommaruga (sp, GE) für eine allgemeine Änderung des Tabakgesetzes vor. Revisionen des Tabakbesteuerungsgesetzes seien selten, deshalb müsse man diese Chance nutzen, um Ungereimtheiten im Gesetz zu beheben, begründete der Antragsteller sein Vorgehen. Heute gebe es neben Zigaretten und Feinschnitttabak eine weitere Kategorie mit Tabakprodukten zum Erhitzen – beispielsweise «Iqos» von Philip Morris – , welche um 88 Prozent tiefer besteuert würde als klassische Zigaretten. Die angeblich geringere Schädlichkeit dieser Produkte sei jedoch nicht erwiesen, argumentierte Sommaruga. Entsprechend sollen diese gleichbehandelt werden wie klassische Zigaretten, während Snus, das insbesondere bei der Jugend im Trend stünde, oder andere Tabakfabrikate zukünftig wie Feinschnitttabak besteuert werden sollten. Finanzministerin Keller-Sutter sprach sich gegen diese Änderung aus, da damit die Steuer auf einigen Produkten fünfmal höher ausfallen würde als bisher. Kommissionssprecher Kuprecht (svp, SZ) befürchtete davon überdies eine Zunahme des Einkaufstourismus und Schmuggels. Mit 31 zu 9 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) sprach sich der Ständerat gegen den Minderheitsantrag aus. Erfolglos blieb auch Sommarugas Antrag, dass neben Zigaretten und Feinschnitttabak auch alle anderen Tabakprodukte über eine Abgabe zur Finanzierung des Präventionsfonds herangezogen würden, um eine Gleichbehandlung aller Produkte herzustellen.
Stillschweigend hiess der Ständerat hingegen die neuen Regelungen zu den E-Zigaretten gut. Einzig bei der Höhe der neuen Steuer lag ebenfalls ein Minderheitsantrag vor: Eine Minderheit Germann (svp, SH) schlug vor, die neue Steuer für nikotinhaltige Flüssigkeiten von nachfüllbaren E-Zigaretten auf 11 statt 20 Rappen pro Milliliter festzulegen. Da deren Schädlichkeitspotenzial um 95 Prozent tiefer liege als dasjenige von Zigaretten, solle auch die Steuer entsprechend 95 Prozent niedriger sein. Zwar seien 20 Rappen «im Vergleich zum Risikoprofil eher hoch», pflichtete ihm die Finanzministerin bei, jedoch entstamme die 95 Prozent tiefere Schädlichkeit aus Schätzungen und sei daher nicht sehr genau. Mit 24 zu 16 Stimmen (bei 1 Enthaltung) folgte der Ständerat seiner Kommissionsmehrheit. Anschliessend nahm er den Entwurf in der Gesamtabstimmung mit 40 zu 1 Stimme – derjenigen von Hannes Germann – an.

Änderung des Tabaksteuergesetzes zur Besteuerung von E-Zigaretten (BRG 22.069)

Einstimmig trat der Ständerat in der Frühjahrssession 2023 auf die vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderungen des Schwerverkehrsabgabegesetzes ein.
Nach dem Nationalrat sprach schliesslich auch die kleine Kammer einen Kredit von CHF 515 Mio. für einen Zeitraum von zehn Jahren, um die LSVA-Abgabenerhebung zu modernisieren. Das bestehende Erhebungssystem zur Berechnung der LSVA, welches mittels eines durch das BAZG herausgegebenen und nur in der Schweiz und Liechtenstein zulässigen Geräts funktioniert, soll durch eine an EU-Standards angepasste Lösung ersetzt werden. Das bestehende Erhebungssystem LSVA II hätte 2024 sein technisches Ende erreicht und einer Nachfolgelösung bedurft, erklärte der Bundesrat. Das neue und satellitengestützte System der LSVA III soll zudem – analog zur EU – von privaten Anbietern, welche vom Bundesrat eine Zulassung erhalten, angeboten werden. Die Daten sammeln und auswerten werde aber weiterhin das BAZG. Wie Kommissionssprecher Hans Wicki (fdp, NW) erläuterte, senke das neue System der LSVA III die «betrieblichen Aufwände für alle Beteiligten» und nutze die «Vorteile der modernen digitalen Technologien».
Für Diskussionen sorgte im Rat – wie zuvor auch schon im Nationalrat – hauptsächlich die Frage der Bemessungsgrundlage der Abgabe für Anhänger. Während Bundesrat und Nationalrat sowie eine Mehrheit der KVF-SR beim bestehenden System der Bemessung gemäss dem höchstzulässigen Gesamtgewicht sowie den gefahrenen Kilometern bleiben wollten, beantragte eine Minderheit Mazzone (gp, GE), welche von Mathias Zopfi (gp, GL) übernommen wurde, zu einer Bemessung gemäss der Anzahl Achsen des Anhängers zu wechseln. Der Bundesrat könne dabei zur Berechnung des Gesamtgewichts die Anzahl Achsen herbeiziehen und das zu verwendende Gewicht pro Achse festlegen, wie es in der EU üblich sei. Nach Ansicht der Minderheit könnten damit beim Bund in der 10-jährigen Berechnungsperiode dank Reduktionen bei der Kontrollinfrastruktur (spezielle Kameras) und bei der Auswertung der Daten total rund CHF 50 Mio. eingespart werden, weshalb sie auch den genannten Kredit von CHF 515 Mio. um diesen Betrag senken wollte. Minderheitsbefürworter Olivier Français (fdp, VD) erklärte im Rat, dass der Minderheitsantrag eine Kann-Formulierung vorsehe, die dem Bundesrat das Recht einräume, zu gegebener Zeit die Berechnungsgrundlage anzupassen. Dem entgegnete Finanzministerin Karin Keller-Sutter, dass eine solche Kann-Formulierung Rechtsunsicherheit in der Branche schaffe, und sie erinnerte daran, dass ebendiese Änderung in der Vernehmlassung «dezidiert abgelehnt» worden sei. Eine Mehrheit des Rates war schliesslich auch der Ansicht, dass ein Systemwechsel zu hohen Kosten bei den Unternehmen führen würde, da diese ihre Fuhrparks wieder anpassen müssten. Mit 31 zu 11 Stimmen verwarf die kleine Kammer diesen Antrag und sprach in der Folge – analog zum Nationalrat – den höheren Kredit. In der Gesamtabstimmung hiess der Ständerat das Gesetzespaket einstimmig gut.

Die LSVA III und der dazu notwendige Kredit von CHF 515 Mio. passierten die Schlussabstimmungen ohne Probleme: Beide Kammern nahmen die Anpassungen in der Frühlingssession 2023 einstimmig an (eine Enthaltung im Ständerat). Die Schweizer Schwerverkehrsabgabe werde dadurch Europa angepasst, titelte der «Blick».

Schwerverkehrsabgabegesetz. Änderung (BRG 22.059)

In der Frühjahrssession 2023 begann der Ständerat die Beratung der Mehrwertsteuerrevision. Die WAK-SR beantragte dabei zahlreiche Differenzen gegenüber der nationalrätlichen Version. Zu Beginn der Debatte stellte Kommissionssprecher Ettlin (mitte, OW) klar, dass sich die WAK-SR gegen die diskutierte Ausweitung der Plattformbesteuerung auf elektronische Dienstleistungen ausgesprochen habe. Stattdessen habe man eine Motion eingereicht, um die Auswirkungen einer solchen ausführlich klären zu können.

Die meisten Aspekte der Vorlage hiess der Ständerat als Zweitrat stillschweigend gut, etwa die Unterstellung der Produkte der Monatshygiene (z.B. Tampons und Binden) unter den reduzierten Mehrwertsteuersatz von 2.5 Prozent statt wie bisher 7.7 Prozent (gemäss der Motion Maire: sp, NE; Mo. 18.4205), die Schaffung der neuen Plattformbesteuerung (gemäss der Motion Vonlanthen: damals cvp, FR; Mo. 18.3540) oder die Gleichstellung von Sport- und Kulturvereinen bei der Mehrwertsteuer (gemäss der Motion Page: svp, FR; Mo. 17.3657).

Abweichungen gegenüber dem Nationalrat schuf die kleine Kammer jeweils auf Antrag ihrer Kommission – der sie in allen Anträgen folgte –, beispielsweise bei der Behandlung von gewinnorientierten Anbietenden im Gesundheitsbereich. In mehreren Punkten war der Nationalrat zuvor von der bisherigen Regelung, wonach lediglich nicht gewinnorientierte Unternehmen von der Mehrwertsteuer ausgenommen werden können, abgewichen. So hatte er etwa auch den Belegärzten in Ambulatorien oder Tageskliniken erlaubt, ihre Leistungen ohne Mehrwertsteuer abzurechnen, obwohl diese Gewinne erzielen können. Die Kommissionsmehrheit befürwortete es diesbezüglich hingegen, bei dem Prinzip zu bleiben, wonach alles, «was Gewinn abwirft, [...] auch der Mehrwertsteuerpflicht unterliegen» soll, wie es Kommissionssprecher Ettlin formulierte. Hingegen wich die Kommissionsmehrheit selbst von dieser Regelung ab, als sie beantragte, dass nicht mehr nur wie bisher die gemeinnützigen Organisationen der Krankenpflege (konkret die öffentliche Spitex) Betreuungs- und Begleitungsleistungen mehrwertsteuerbefreit anbieten können sollten, sondern auch die gewinnorientierten. Sie begründete diesen Entscheid damit, dass es keinen Sinn mache, dieselben Leistungen je nach Anbietenden unterschiedlich zu besteuern. Eine Minderheit Sommaruga (sp, GE) lehnte den Bruch mit dem bisherigen Konzept ab und beantragte die Streichung dieser Neuerung. Finanzministerin Keller-Sutter ergänzte, dass damit nur eine neue Ungleichbehandlung geschaffen werde, zum Beispiel gegenüber allen anderen Unternehmen, die Reinigungsleistungen anbieten, aber keine Spitex-Organisation darstellten. Mit 20 zu 18 Stimmen folgte der Ständerat jedoch seiner Kommissionsmehrheit.
Hingegen sträubten sich die Kommissionsmehrheit sowie die kleine Kammer gegen weitere, vom Nationalrat vorgesehene Ausweitungen der Ausnahmen von der Mehrwertsteuer im Gesundheitsbereich. So lehnte der Ständerat etwa eine allgemeine Ausnahme des Zurverfügungstellens von Personal zur Krankenbehandlung oder Sozialhilfe von der Mehrwertsteuer ab – bisher war eine solche Ausnahme nur religiösen oder weltanschaulichen, nicht-gewinnorientierten Einrichtungen möglich gewesen. Auch eine Ausdehnung der Ausnahmen auf alle Leistungen der koordinierten Vorsorge – auch auf die vom Bundesrat ausgenommenen administrativen Leistungen – hiess die Mehrheit der WAK-SR nicht gut.

Differenzen schuf der Ständerat auf Antrag seiner Kommission auch in anderen Themenbereichen. Bei der Umsetzung der Motionen Stöckli (sp, BE; Mo. 18.4194) und von Siebenthal (svp, BE; Mo. 18.4363) für eine Ausnahme von ausländischen Touranbietern von der Schweizer Mehrwertsteuer etwa hatte der Bundesrat vorgeschlagen, dass Dienstleistungen von Reisebüros am Ort der wirtschaftlichen Tätigkeit der Reisebüros besteuert werden sollen. Dies sollte sicherstellen, dass ausländische Reisebüros auch weiterhin Reisen in die Schweiz anbieten, der Nationalrat hatte die neue Regelung jedoch gestrichen, da sie die Schweizer Reiseanbietenden benachteiligen würde. Die WAK-SR schlug stattdessen erfolgreich vor, die Ungleichbehandlung zu beheben, indem auch die Schweizer Anbietenden von der Mehrwertsteuer befreit werden.
Einen Änderungsantrag stellte die Kommission auch zur Umsetzung der Motion Riklin (damals cvp, ZH; Mo. 19.3783). So werden heute «sämtliche Hilfsmittel der Landwirtschaft zum tieferen Satz besteuert», wie der Kommissionssprecher ausführte – somit also auch Pestizide, die auch in Privatgärten eingesetzt werden. Neu sollen gemäss Kommission und Ständerat jedoch nur noch umweltfreundliche Pflanzenschutzmittel dem tieferen Satz unterstehen, womit die Motion erfüllt würde.
Schliesslich ist es möglich, dass bei der ESTV registrierte und nach der effektiven Methode abrechnende steuerpflichtige Importeurinnen und Importeure ihre Mehrwertsteuer nicht am Zoll entrichten und diese später als Vorsteuer zurückfordern müssen, sondern direkt in der Mehrwertsteuerabrechnung verrechnen können. Dieses sogenannte Verlagerungsverfahren sollte gemäss Bundesrat neu auch für die Plattformen gelten. Der Nationalrat wollte es zudem auf alle Importeurinnen und Importeure ausdehnen, was gemäss WAK-SR jedoch eine Verschiebung von CHF 2.9 Mrd. an Einnahmen auf einen späteren Zeitpunkt, Mehraufwand für die Verwaltung und die Unternehmen sowie eine Benachteiligung der Binnenwirtschaft bedeuten würde. Folglich beantragte die Kommission erfolgreich die Streichung der entsprechenden Ausdehnung durch den Nationalrat.

In der Gesamtabstimmung nahm der Ständerat den Entwurf – mit insgesamt 14 Differenzen zum Nationalrat – einstimmig (mit 35 zu 0 Stimmen) an und schrieb verschiedene ihm zugrunde liegende Vorstösse ab. Jedoch entschied er sich auf Antrag seiner Kommission, bei der Motion 16.3431 der WAK-SR auf eine Abschreibung zu verzichten, da man die Grundsatzfrage des Vorstosses, nämlich ob subventionierte Aufgaben der Mehrwertsteuer unterliegen sollen, noch nicht geklärt habe.

Revision des Mehrwertsteuergesetzes: Weiterentwicklung der Mehrwertsteuer in einer digitalisierten und globalisierten Wirtschaft (BRG 21.019)
Dossier: Weiterentwicklung der Mehrwertsteuer in einer globalisierten Wirtschaft – Das Bundesratsgeschäft (BRG 21.019) und der Weg dahin

Im Sommer 2022 gab der Bundesrat bekannt, einen staatlichen Innovationsfonds für Start-ups schaffen zu wollen. Der Fonds soll Jungunternehmen in der Schweiz vorwiegend in ihrer Wachstumsphase unterstützen und dabei auf die Bereiche Dekarbonisierung und Digitalisierung fokussieren. Gemäss Analysen erhöhe ein Innovationsfonds den Reifegrad des Schweizer Risikokapitalmarktes und könne damit die Standortattraktivität der Schweiz verbessern. Langfristig stärke diese Massnahme die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz, sichere Arbeitsplätze und schaffe Wertschöpfung und künftige Steuereinkünfte. Der Fonds solle zudem verhindern, dass die Schweiz ins Hintertreffen gerät, zumal auch andere Staaten solche Fonds kennen und sich der Innovationsstandort Schweiz aufgrund des Ausschlusses aus Horizon verschlechtert habe.
Wie die NZZ im Januar 2023 schrieb, plante Wirtschaftsminister Guy Parmelin einen Fonds mit Bundesgeldern in der Höhe von CHF 500 Mio. (davon ein Drittel als Aktienkapital, der Rest als Bundesgarantien für die Fremdkapitalaufnahme). Zusammen mit privaten Geldgebern könne der Fonds damit eine Grössenordnung von CHF 1 bis 1.5 Mrd. umfassen, so die Zeitung. Parmelin hoffe, mit dem staatlichen Geldtopf private Investoren für den Start-up-Bereich – insbesondere Pensionskassen – anzulocken. Gemäss NZZ vertagte der Bundesrat jedoch im Frühjahr 2023 aufgrund finanzpolitischer Überlegungen – angeblich vor allem auf Geheiss von Finanzministerin Karin Keller-Sutter – den Entscheid und setzte den «Staatsfonds für Jungfirmen [...] auf die Wartebank».

Innovationsfonds für Start-ups