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Akteure

  • Kqira, Paulin (parteilos/indépendant, ZH)
  • Moser, Tiana Angelina (glp/pvl, ZH) NR/CN
  • Stöckli, Hans (sp/ps, BE) SR/CE

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La motion Moser (pvl, ZH) sur la suppression de certaines subventions agricoles nuisibles à la sécurité alimentaire a été classée car non traitée dans les deux ans après son dépôt. La députée zurichoise demandait que soient abolies certaines contributions incitant à la production de produits agricoles ne contribuant pas à la sécurité alimentaire suisse et étant contraire au nouvel article constitutionnel en la matière. Elle s'appuyait, pour cela, sur les conclusions d'un rapport délivré par le Contrôle fédéral des finances (CDF) qui estime que certaines contributions pour la production de viande, d'œufs et de laine ne sont pas conforme à la nouvelle disposition constitutionnelle sur la sécurité alimentaire.
Le Conseil fédéral s'est exprimé contre la motion, précisant que ces contributions avaient été plusieurs fois explicitement soutenues par les parlementaires et qu'elles étaient à nouveau questionnées dans le cadre de la PA 22+.

Suppression de certaines subvensions agricoles nuisibles à la sécurité alimentaire (Mo. 18.4408)

Nachdem der Ständerat die Motion Stöckli (sp, BE; Mo. 18.4194) für eine Anpassung der Mehrwertsteuer für ausländische Tour Operators im März 2019 der WAK-SR zur Vorberatung zugewiesen hatte, legte diese im Oktober 2020 ihren Bericht vor und empfahl darin mit 11 zu 0 Stimmen (bei 1 Enthaltung), die Motion anzunehmen. Durch die Erhebung der Mehrwertsteuer für ausländische Tour Operators auf den in der Schweiz erwirtschafteten Umsatz anstelle ihres gesamten Umsatzes könne deren administrativer Aufwand gesenkt werden, was auch «eine gewisse Ungleichbehandlung in- und ausländischer Reisebüros» rechtfertige.
In der Zwischenzeit hatte auch der Bundesrat seine Meinung zum Anliegen geändert, wie Finanzminister Maurer dem Ständerat in der Wintersession 2020 erklärte. Der Bundesrat habe im Juni 2020 die Weiterentwicklung der Mehrwertsteuer mit einer entsprechenden Gesetzesänderung in die Vernehmlassung geschickt, insofern sei die Motion praktisch erfüllt. Ohne Gegenstimmen (31 zu 0 Stimmen bei 1 Enthaltung) nahm der Ständerat den Vorstoss in der Folge an.

Nach Annahme der Motion Stöckli durch den Ständerat behandelte der Nationalrat die ähnliche Motion von Siebenthal (svp, BE; Mo. 18.4363) noch in derselben Session. Mit 107 zu 79 Stimmen (bei 1 Enthaltung) folgte auch die grosse Kammer den Ausführungen des Motionärs und des Finanzministers. Nicht überzeugt zeigten sich die Fraktionen der Grünen und der Grünliberalen, eine grosse Mehrheit der SP-Fraktion sowie einzelne Mitglieder der Mitte-Fraktion.

Mehrwertsteuer für ausländische Tour Operators (Mo. 18.4363 & Mo. 18.4194)
Dossier: Weiterentwicklung der Mehrwertsteuer in einer globalisierten Wirtschaft – Das Bundesratsgeschäft (BRG 21.019) und der Weg dahin

Zu Beginn der Wintersession 2020 standen im Nationalrat die Wahlen des Präsidiums für 2020/21 an. Die scheidende Präsidentin Isabelle Moret (fdp, VD) hatte bereits am Ende der Sondersession im Oktober eine spontane Standing Ovation erhalten, als der Vizepräsident Andreas Aebi (svp, BE) sie in einer vorgezogenen Abschiedsrede für ihre Arbeit gelobt hatte. Moret erinnerte daran, dass vor einem Jahr, als sie zur Präsidentin gekürt worden war, noch zahlreiche Gäste, Musikerinnen und Musiker und Tänzerinnen und Tänzer das Ereignis untermalt hätten. Jetzt sei das Bild geprägt von Videokonferenzen und Plexiglasscheiben. Sie habe sich im vergangenen Jahr mit dem Ständeratspräsidenten Hans Stöckli (sp, BE) und den Parlamentsdiensten mit viel Energie um zahlreiche juristische und operationelle Fragen gekümmert, damit das Parlament seine Funktion unter den bestmöglichen Umständen habe erfüllen können. Das sei – auch mit Blick auf die Sessionen in der BernExpo – nicht immer einfach gewesen, sie hoffe aber, dass sie ihrem Nachfolger eine Ausgangslage bieten könne, mit der dieser gegen die nachfolgenden Pandemiewellen besser gewappnet sei.
Zu ebendiesem Nachfolger wurde der aktuelle Vizepräsident Andreas Aebi mit 178 von 187 eingelangten Wahlzetteln gewählt. 3 Wahlzettel waren leer geblieben, einer war ungültig und 5 entfielen auf Diverse. Dies gilt als überdurchschnittlich gutes Resultat; im langjährigen Schnitt haben Präsidentinnen und Präsidenten rund 150 Stimmen erhalten. Mit einem Blumenstrauss von der scheidenden Präsidentin bedacht, nahm Aebi auf dem Präsidentensitz Platz und übernahm den Vorsitz des Nationalrats. Der 62-Jährige dankte seiner Familie, die ausnahmsweise auf der Zuschauertribüne anwesend sein durfte, und versprach, sein Mandat effizient und unparteiisch auszuüben. Er habe mit Isabelle Moret eine hervorragende Lehrmeisterin gehabt und mit Irène Kälin (gp, AG) stehe ihm eine gute Vizepräsidentin zur Seite. Aebi gedachte den Opfern der Pandemie und dankte den Menschen, die in dieser Krise Verantwortung übernehmen. Er stelle sein Präsidialjahr unter das Motto «Zusammenhalt, Zuversicht und Zufriedenheit». Zusammenhalt brauche es, damit griffige Lösungen für die Bewältigung der Krise gefunden werden können. Zusammenhalt brauche es aber auch über die Sprachregionen hinweg und zwischen Stadt und Land. Er hätte sehr gerne die Kinder und Lehrerinnen aus der Schule seines Heimatdorfes Alchenstorf hier begrüsst, die zusammen mit Florian Ast hätten singen sollen. Stattdessen hätten die Schülerinnen und Schüler nun Vogelrestaurants gebastelt, die im Bundeshaus verteilt würden. Dies gebe Zuversicht, die es auch in der Krise brauche. Trotz Pandemie und Einschränkungen ebenfalls nicht vergessen werden dürfe die Zufriedenheit, die er mit Lebensfreude gleichsetze und die er im Amt ebenfalls vorleben wolle.
Turnusgemässe wurde im Anschluss Irène Kälin zur ersten Vizepräsidentin gekürt. Sie erhielt 137 Stimmen. Von den 188 eingelangten Wahlzetteln entfielen ganze 31 auf Diverse, 18 blieben leer und 2 waren ungültig. Der zweite Vizepräsident, Martin Candinas (cvp, GR), erhielt 154 Stimmen. Bei seiner Wahl gingen noch 176 Wahlzettel ein (6 leer, 16 Diverse).
Der traditionelle Apéro zur Feier des neugewählten Präsidiums entfiel. Aebi schenkte dafür allen Ratsmitgliedern ein Glas Honig aus seinem Bauernbetrieb und einen Gutschein für ein Glas Wein und einen Käseteller im Bundeshaus-Restaurant Galerie des Alpes.

Wahl des Nationalratspräsidiums 2020/21
Dossier: Nationalrat und Ständerat. Wahl des Präsidiums und des Büros

Das erste Geschäft der Wintersession im Ständerat ist jeweils die Wahl des Büros, die mit der Rede des scheidenden Präsidenten eingeläutet wird. Der im Jahr 2020 amtierende Präsident Hans Stöckli (sp, BE) sagte, er sei froh, dass lediglich ein Mitglied der kleinen Kammer wegen Covid-19 die Sessionsarbeit nicht habe aufnehmen können. Tatsächlich sei sein Präsidialjahr unter dem Einfluss der Pandemie gestanden, die Leid gebracht und zahlreiche Opfer gefordert habe. Sie werde Spuren hinterlassen, die in wirtschaftlicher, sozialer, kultureller und politischer Hinsicht noch lange spürbar bleiben werden. Auch der Ratsbetrieb sei nicht verschont geblieben; der Tiefpunkt seines Präsidialjahres sei der Abbruch der Frühjahrssession gewesen – so Stöckli. Freilich habe die Organisation der ausserordentlichen Session und der Sommersession in der BernExpo auch gezeigt, dass das Parlament in Krisensituationen reagieren könne. In Erinnerung werde ihm bleiben, in welch kurzer Zeit die Arbeiten während dieser schwierigen Phase immer wieder hatten erledigt werden müssen.
Stöckli erhielt grossen Applaus und schritt dann zur Wahl seines Nachfolgers. Alex Kuprecht (svp, SZ), der seit 17 Jahren Mitglied der kleinen Kammer ist, wurde mit 43 von 44 eingelangten Wahlzetteln gewählt; ein Zettel war leer geblieben. Der Gewählte dankte für die Wahl, die der Höhepunkt seiner politischen Laufbahn darstelle. Er interpretiere die Wahl als Vertrauen und als Verpflichtung, die kleine Kammer «unaufgeregt, aber mit Umsicht und Effizienz über die Partei-, Sprach-, regionalen und ideologischen Grenzen hinweg» zu führen – ganz im Sinne der Tradition des Ständerats als «Chambre de Réflexion». Er gehe davon aus, dass die Welt nicht mehr so sein werde wie vor der Pandemie. Krisenmanagement sei nun gefragt, das sich auf nüchterne Analysen von Expertinnen und Experten stützen müsse und rasches Handeln durch die Politik verlange. In Zeiten der Krise müsse man auf zu umfassende partizipative und föderalistische Prozesse auch mal verzichten und mit einer Stimme sprechen. Es brauche – im Gegensatz zu immer neuen Vorschriften – pragmatische Lösungen. Der Ständerat müsse einen Kontrapunkt zum parteipolitisch geprägten Nationalrat setzen. Entsprechend müssten in der kleinen Kammer vielmehr Sachlichkeit, Augenmass, Weitblick und Kollegialität vorherrschen. «Lassen Sie uns mehr reflektieren und weniger auf die flüchtigen medialen Befindlichkeiten und die Kapriolen der sozialen Medien achten!», forderte er die Ständerätinnen und Ständeräte auf.
Nachdem die Originalkapelle Carlo Brunner mit zwei Musikstücken für ein Intermezzo gesorgt hatte, schritt Kuprecht als erste Amtshandlung zur Wahl des Büros. Zum ersten Vizepräsidenten wurde Thomas Hefti (fdp, GL) bestimmt. Auch er erhielt 43 Stimmen aus 44 eingelangten Wahlzetteln und auch bei ihm blieb ein Wahlzettel leer. Das genau gleiche Resultat erzielte auch Brigitte Häberli-Koller (cvp, TG), die als amtierende Stimmenzählerin zur zweiten Vizepräsidentin des Ständerats gekürt wurde. Zur Stimmenzählerin wiederum avancierte Elisabeth Baume-Schneider (sp, JU), die mit 40 Stimmen (von 43 eingelangten Wahlzetteln blieben 3 leer) gewählt wurde. Und schliesslich wurde das Büro mit der Neo-Ständerätin und Ersatzstimmenzählerin Lisa Mazzone (gp, GE) vervollständigt, die 36 Stimmen (von 43 eingelangten Wahlzetteln) erhielt. 3 Wahlzettel blieben leer und vier Bulletins entfielen auf Diverse. Mazzone war ein Jahr zuvor als erste grüne Ständerätin überhaupt ins Büro-SR gewählt worden und wird – eine Wiederwahl bei den eidgenössischen Wahlen 2023 vorausgesetzt – ab Winter 2024 die kleine Kammer als erstes grünes Parteimitglied präsidieren.

Wahl ins Ständeratspräsidium 2020/21
Dossier: Nationalrat und Ständerat. Wahl des Präsidiums und des Büros

In der Wintersession 2020 eröffnete der Ständerat das Differenzbereinigungsverfahren zum Bundesgesetz über die Datenweitergabe der Versicherungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung. Die SGK-SR beantragte, die vom Nationalrat gegenüber dem ursprünglichen ständerätlichen Entwurf geschaffenen Änderungen abzulehnen, etwa bei der Frage, ob das Bundesamt den Zweck einer Datenlieferung vorgängig bekanntgeben müsse – die Definition der zulässigen Zwecke der Datenlieferungen sei ja eben genau das Ziel der Vorlage, erklärte Erich Ettlin (cvp, OW) als Kommissionssprecher und unter Nennung seiner Interessenbindung als Verwaltungsrat der CSS-Versicherung. In der Folge lehnte die kleine Kammer den entsprechenden Passus des Zweitrats stillschweigend ab. Zudem sprach sich der Ständerat gegen eine Ergänzung des Nationalrats aus, wonach die Daten nur jährlich geliefert werden sollen; zwar sei eine jährliche Datenlieferung geplant, in Ausnahmesituationen wie einer Pandemie solle sie jedoch häufiger möglich sein. Bezüglich der Lieferung von Aggregat- oder Individualdaten bestanden unterschiedliche Konzepte zwischen National- und Ständerat. Der Ständerat sah vor, üblicherweise Aggregatdaten liefern zu lassen, aber in im Gesetz vorab definierten Ausnahmesituation auch die Lieferung von Individualdaten zu ermöglichen. Der Nationalrat entschied sich hingegen für ein anderes Konzept, indem er die Aufzählung der Ausnahmesituationen des Ständerats als Liste derjenigen Situationen definierte, in welchen Aggregatdaten zu liefern seien, wie Ettlin erklärte. Gemäss dem Nationalrat sollten somit die Situationen, in denen überhaupt Daten geliefert werden, gegenüber dem ständerätlichen Vorschlag deutlich eingegrenzt werden; die Lieferung von Individualdaten sollte zudem nur noch in Ausnahmesituationen durch Anweisung des Bundesrates, sofern gleichzeitig verschiedenen Kritierien erfüllt würden, aber nicht mehr in vordefinierten Situationen, möglich sein. Diesen Konzeptwechsel lehnte der Ständerat ebenfalls ab.
Umstritten war im Rat einzig die Frage, ob aggregierte Daten auch zur Beurteilung und Überprüfung der Wirtschaftlichkeit und der Qualität der Leistungen im Bereich der Arzneimittel und den MiGeL verwendet werden sollten. Auf diesen Punkt hatte der Ständerat in der ersten Behandlungsrunde trotz eines entsprechenden Antrags des Bundesrates verzichtet, was der Nationalrat in der Folge bestätigt hatte; die Frage war somit eigentlich bereits vom Tisch. Welche zusätzlichen Daten weitergegeben werden sollen, solle der Postulatsbericht zu einer «kohärenten Datenstrategie für das Gesundheitswesen» (Po. 18.4102) zeigen, betonte Ettlin. Eine Minderheit Stöckli (sp, BE) wollte die entsprechenden Punkte ebenfalls in die Liste der zu liefernden Daten aufnehmen, da hier die Kostenexplosion besonders gross sei. «Es gilt als gut gehütetes Geheimnis, weshalb ausgerechnet in diesen beiden Bereichen die vorhandenen Daten nicht weitergeleitet werden sollen», betonte er. Auch Gesundheitsminister Berset bat um die Lieferung dieser Daten; ansonsten könnten die Empfehlungen bezüglich MiGeL mangels Daten nicht erfüllt werden. Dennoch lehnte der Ständerat den Minderheitsantrag mit 26 zu 13 Stimmen ab.

Für den Persönlichkeitsschutz auch in der Aufsicht über die Krankenversicherung

Im August 2020 machte die NZZ am Sonntag ein bisher geheimes Abkommen mit China publik, gegen das sich in der Folge Widerstand in der Schweizer Politik regte. Aufgrund des Abkommens wurde die Anwesenheit chinesischer Sicherheitsbeamtinnen und -beamter in der Schweiz durch den Bundesrat geduldet; und dies ohne dass das Abkommen vorgängig dem Parlament zur Konsultation vorgelegen hatte. Gemäss Tages-Anzeiger erlaube das Abkommen die Ermittlung der Nationalität und Identität chinesischer Staatsbürgerinnen und Staatsbürger durch die chinesischen Sicherheitsbehörden in der Schweiz, sofern sich Erstere illegal im Land aufhielten. Das 2015 abgeschlossene Abkommen sei gemäss NZZ am Sonntag derart geheim gewesen, dass selbst Mitglieder der aussenpolitischen Kommissionen keine Kenntnisse davon gehabt hätten. Mitglieder des Nationalrats von links bis rechts empörten sich nach Bekanntwerden über diese Praxis und verlangten teilweise die Kündigung des Abkommens. Staatssekretär Gattiker verteidigte das Vorgehen des SEM, da solche Abkommen Standard und für die Schweiz unverzichtbar seien. Die chinesischen Beamtinnen und Beamten kämen nur auf Einladung in die Schweiz, zudem habe man seit Inkrafttreten des Abkommens nur 43 Personen nach China zurückgeschafft. Nachdem Gattiker im August 2020 der APK-NR Rede und Antwort gestanden hatte, erklärte Tiana Moser (glp, ZH), dass zwar gewisse Vorbehalte ausgeräumt worden seien, die Debatte über die Verlängerung des Abkommens aber noch nicht abgeschlossen sei.

Im November 2020 reichte dann der Kanton Genf eine Standesinitiative ein, die sich gegen das «demokratieunwürdige Abkommen mit China» richtete. Gestützt auf die Verfassung, die EMRK und den UNO-Pakt II zu den bürgerlichen und politischen Rechten forderte der Kanton von der Bundesversammlung Massnahmen, um Minderheiten wie die uigurische Gemeinschaft in der Schweiz vor Überwachung und Einschüchterung durch den chinesischen Staat zu schützen. Zudem müsse in der Schweiz auch die freie Meinungsäusserung in Bezug auf die Lage in Xinjiang und Ost-Turkestan sowie die Menschenrechtslage in China garantiert werden. Die chinesischen Beamtinnen und Beamten hätten durch das Abkommen – ohne einen offiziellen Status zu besitzen – während zwei Wochen die Möglichkeit gehabt, Nachforschungen und Befragungen über chinesische Staatsangehörige anzustellen, so der in der Initiative formulierte Vorwurf. Zudem hätten diese Beamtinnen und Beamten oft chinesische Bürgerinnen und Bürger identifiziert, worauf deren Rückschaffung nach China veranlasst worden sei. Diese Praxis käme laut Initiativtext einer «Verletzung der Schweizer Verpflichtungen gegenüber der internationalen Gemeinschaft» gleich, da dadurch bestimmte Minderheiten ungestraft unterdrückt und überwacht würden. Der Kanton Genf forderte, dass die Verlängerung dieses Abkommens an konkrete Bedingungen geknüpft werden müsse, um die humanistische Tradition der Schweiz zu schützen.

Schweizerisch-chinesische Beziehungen: demokratieunwürdige Abkommen
Dossier: Menschenrechtspolitik Schweiz-China

Bereits Tage bevor der Bundesrat Livia Leu Mitte Oktober 2020 als neue Chefunterhändlerin für die Verhandlungen mit der EU und damit als Ablösung von Roberto Balzaretti bestätigte, hatte der Tagesanzeiger von Gerüchten berichtet, wonach ein personeller Umbruch bevorstehe. Auch Le Temps hatte Balzaretti bereits vor der Ankündigung als vierten Diplomaten bezeichnet, der in seiner Tätigkeit als Staatssekretär über das Rahmenabkommen mit der EU «gestolpert» sei (nach Yves Rossier, Pascale Baeriswyl und Jacques de Watteville). In den Medien wurde die Verabschiedung Balzarettis mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Für die NZZ deutete der hohe Personalverschleiss auf diesem Posten darauf hin, dass das eigentliche Problem beim Bundesrat liege, welcher den ehemaligen Aussenminister Didier Burkhalter zu lange habe gewähren lassen, ohne kritisch nachzufragen. Erst mit Cassis und Balzaretti war das Institutionelle Abkommen 2018 zu Ende verhandelt worden, doch der Bundesrat habe damals weder Ja noch Nein dazu gesagt und den Vertrag stattdessen in eine «improvisierte Konsultation» geschickt. Staatssekretär Balzaretti habe schliesslich die Debatte versachlicht, indem er sich selbst exponiert und den Vertrag in der Öffentlichkeit verteidigt habe, würdigte die NZZ den abtretenden Chefunterhändler. Durch dieses klare Bekenntnis sei Balzaretti jedoch für die notwendigen Nachverhandlungen vor allem für die Gewerkschaften nicht mehr glaubwürdig genug gewesen. Nichtsdestotrotz vermochte Bundesrat Cassis gegenüber den Medien nicht überzeugend zu begründen, weshalb dieser personelle Wechsel nun derart unmittelbar vollzogen werden musste. Hinter der Entlassung vermutete die NZZ Alt-Bundesrat Johann Schneider-Ammann, der sich im September 2019 in einem NZZ-Gastbeitrag öffentlich von der 2018 ausgehandelten Version des Rahmenabkommens distanziert und die Verantwortlichen damit stark unter Druck gesetzt hatte.
Zahlreiche Parlamentsmitglieder äusserten sich in der Folge äusserst positiv über Balzaretti und zweifelten am vom Bundesrat erhofften positiven Effekt eines neuen Chefunterhändlers. So eruierte Tiana Moser (glp, ZH) gegenüber der AZ das eigentliche Problem nicht im «guten Unterhändler» Balzaretti, sondern vielmehr in der mangelnden Führung des Bundesrats. Auch BDP-Präsident Martin Landolt (bdp, GL) glaubte nicht an die Lösung inhaltlicher Fragen durch personelle Wechsel. Obwohl Livia Leu von allen Seiten her sehr viel Pragmatismus attestiert wurde, schien die Erwartungshaltung angesichts der verhärteten Fronten zwischen der EU und den inländischen Gegnern des Abkommens gering zu sein. Die AZ zitierte tags darauf auch noch Andreas Schwab, der die Schweiz-Delegation im EU-Parlament leitet, der dazu lapidar meinte, dass so viele Auswechslungen im Fussball nicht erlaubt wären. Auch die EU-Kommission nahm die Ernennung zur Kenntnis. Ihr Sprecher forderte von der Schweiz aber «konkrete Schritte Richtung Unterzeichnung und Ratifizierung des Rahmenabkommens ohne Verzögerung», wie die AZ berichtete.

Vorstellung der neuen Chefunterhändlerin für die Verhandlungen mit der EU
Dossier: Institutionelles Rahmenabkommen

Im Zentrum eines von Daniel Jositsch (sp, ZH) im Juni 2020 eingereichten Postulats stand die Förderung des Berufspraktikums für arbeitslose Lehrabgängerinnen und Lehrabgänger zur Bewältigung der Corona-Krise. Das Berufspraktikum sei als arbeitsmarktliche Massnahme der ALV ein geeignetes Instrument, um «Berufserfahrung zu sammeln, berufliche Kenntnisse zu vertiefen und das persönliche Netzwerk zu vergrössern», so Jositsch. Der Bundesrat beantragte die Ablehnung des Postulats; eine zusätzliche Unterstützung der Berufspraktika sei nicht nötig, diese würden bereits heute gefördert. Des Weiteren bestehe derzeit aufgrund der Corona-Krise die Möglichkeit, dass Lernende nach Lehrabschluss in ihrem Lehrbetrieb weiterbeschäftigt werden können, auch wenn sich der Betrieb in Kurzarbeit befinde.
Der Ständerat entschied sich in der Herbstsession 2020 äusserst knapp, bei 21 zu 21 Stimmen mit Stichentscheid von Präsident Stöckli (sp, BE), das Postulat anzunehmen.

Berufserfahrung von arbeitslosen Lehrabgängerinnen und Lehrabgängern in der Corona-Krise stärken (Po. 20.3480)
Dossier: Schulen und Ausbildung während Covid-19 – Reaktionen und Folgen

Nur drei Tage nach der Beratung der Legislaturplanung 2019–2023 im Nationalrat, debattierte der Ständerat die Differenzen. Anders als bei regulären Debatten schaltet sich bei der Legislaturplanung die Einigungskonferenz bereits im Falle von Differenzen nach der ersten Beratung ein. Sie hatte sich der 26 Abweichungen angenommen, die durch die Ergänzungen durch den Nationalrat entstanden waren.
Die Mehrheit der Vorschläge des Nationalrats wurden von der Einigungskonferenz zur Übernahme empfohlen oder sprachlich leicht angepasst. Fünf Änderungen der grossen Kammer stiessen hingegen auf Widerstand. Zur Streichung beantragt wurde der Vorschlag des Nationalrats, ausgeglichene und stabile Bundesfinanzen im Legislaturprogramm festzuschreiben. Auch die Stabilisierung der Personalausgaben wollte die Einigungskonferenz nicht als Ziel festhalten. Die Wirtschaftsbeziehungen mit der EU, mit Grossbritannien und den USA sollten zwar gewährleistet, aber nicht vertieft werden. Bei der Bildung- und Forschungspolitik soll laut der Einigungskonferenz die Chancengleichheit nicht als Ziel festgehalten werden. Und auch der flächendeckende Ausbau der 5G-Technologie soll nicht als Legislaturziel formuliert werden.
Der Ständerat folgte mit Ausnahme zweier Anträge allen Empfehlungen der Einigungskonferenz. Insbesondere aus redaktionellen Gründen wollte eine knappe 20 zu 16 Stimmen-Mehrheit zum einen die Ausführungen zu einer Aussenwirtschaftsstrategie streichen. Zum anderen wurde das Ziel einer Botschaft für eine weitere AHV-Reform noch in der laufenden Legislatur als zu ambitiös erachtet. Auch Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga plädierte dafür, hier dem Antrag der Einigungskonferenz nicht zu folgen, da ein mehrheitsfähiger Kompromiss im AHV-Dossier, das grossen Reformbedarf aufweise, Zeit brauche. Die abgelehnten Punkte wurden definitiv aus dem Legislaturprogramm gestrichen und die Behandlung des Geschäfts war für den Ständerat damit abgeschlossen. Es ging freilich noch einmal zurück an den Nationalrat. Man habe die Legislaturplanung also noch verabschieden können, bevor die Legislatur zu Ende sei, schloss Ständeratspräsident Hans Stöckli (sp, BE) die Debatte.

Legislaturplanung 2019-2023 (BRG 19.078)
Dossier: Legislaturplanungsberichte

Le Conseil des Etats a discuté de l'initiative parlementaire visant une réduction des risques liés aux pesticides. Sans vouloir parler de contre-projet aux deux initiatives populaires s'attaquant aux pesticides (initiative pour une interdiction des pesticides de synthèse et initiative pour une eau potable propre, le président de la CER-CE, Christian Levrat (ps, FR), a présenté le projet élaboré par sa commission comme une réponse politique à ces textes. L'initiative parlementaire est constituée de trois volets: premièrement, le projet est doté d'une trajectoire de réduction des risques liés aux pesticides avec un objectif d'une diminution de ces risques de 50% d'ici à 2027. Cet objectif ne concerne pas que l'agriculture mais tous les domaines, qu'il s'agisse des pouvoirs publics ou du secteur privé. Pour que cette trajectoire soit tenue, un monitoring, des indicateurs de risque, ainsi qu'un système d'information sur l'utilisation de ces substances devront être mis en place. Divers outils seront également mis à la disposition du Conseil fédéral afin de faire respecter cette trajectoire (possibilité de retirer des produits, d'introduire des taxes incitatives, etc.). Le deuxième volet touche à la loi sur les eaux (LEaux) et vise une meilleure protection de l'eau potable, notamment par l'interdiction de l'utilisation de certains produits phytosanitaires dans l'air d'alimentation des captages d'eau potable. Finalement, le troisième volet s'attaque aux excédents d'éléments fertilisants agricoles (azote et phosphore en tête). Il s'appuie sur les mesures prévues par la Politique agricole 22+ (PA 22+) et les objectifs prévus de réduction des pertes d'azote et de phosphore de 10% d'ici à 2025 et de 20% d'ici à 2030 (en comparaison à la valeur moyenne des années 2014 à 2016). Le Conseil fédéral se verrait munir de la possibilité de prendre des mesures correctives si la trajectoire venait à ne pas être bonne. Christian Levrat a précisé que ce troisième volet avait été ajouté au projet initial afin de pouvoir proposer une alternative crédible aux deux initiatives sur les pesticides qui passeront vraisemblablement devant le corps électoral en 2021. Il a, en effet, expliqué que le traitement de la PA 22+ n'interviendrait vraisemblablement pas avant 2023, la CER-CE souhaitant suspendre les débats en attendant la réponse à l'un de ses postulats. La reprise dans l'initiative parlementaire des objectifs de réduction des intrants fertilisants prévus par la PA 22+ est donc une manière de prendre en considération les craintes exprimées dans l'initiative pour une eau potable propre, une majorité des membres de la commission craignant que les initiatives populaires soient acceptées par la population.
Le Conseil fédéral, par la voix de son ministre de l'économie et de l'agriculture, Guy Parmelin, a rappelé son soutien à l'initiative parlementaire qui permet d'envoyer un signal clair à la population, quant à la prise en compte des problèmes liés aux pesticides et aux intrants fertilisants. Le ministre agrarien a également tenu à préciser que les autorités ne partaient pas de zéro en ce qui concerne la réduction de ces substances problématiques, faisant référence au plan d'action produits phytosanitaires. Mais Guy Parmelin a dit regretter le souhait de la CER-CE de repousser les débats autour de la PA 22+. Il estime que cela pourrait déséquilibrer le paquet proposé dans la PA 22+ et a donc appelé les sénatrices et sénateurs à décider en décembre de ne pas renvoyer les discussions autour de la politique agricole en préparation.
Lors de la discussion par article, le premier volet a subi quelques modifications, selon les propositions Germann (udc, SH) et Rieder (pdc, VS). Le premier ne souhaite pas que le Conseil fédéral puisse mettre en place, à partir de 2025, des taxes incitatives sur certains produits phytosanitaires pour atteindre la trajectoire fixée pour 2027 (disposition biffée du projet de loi par 25 voix contre 14). Le second a proposé de supprimer une série de points concernant les prestations écologiques requises, contre l'avis de la majorité de la commission (proposition acceptée par 21 voix contre 18 et une abstention). Tandis que le deuxième volet n'a pas été touché, le troisième volet a été source de nombreuses discussions. Alors qu'une proposition individuelle de Beat Rieder visant à écarter complètement ce volet a été rejetée grâce à la voix prépondérante du président Hans Stöckli (ps, BE), une proposition Würth (pdc, SG) a gagné les faveurs d'une majorité de sénatrices et sénateurs (27 contre 14 et une abstention). Celle-ci est une solution de compromis, ne fixant pas d'objectifs chiffrés de la baisse des intrants fertilisants. Le sénateur saint-gallois souhaite, par cela, donner toute liberté au Conseil fédéral de déterminer des objectifs de réduction, en consultation avec les milieux concernés. Le ministre de l'agriculture a pourtant expliqué aux parlementaires que les objectifs chiffrés présents dans l'initiative parlementaire étaient directement repris de la PA 22+ et issu d'un calcul et d'une analyse approfondie de la situation. A la suite de la l'acceptation de la proposition Würth, les parlementaires étaient également appelés à supprimer une série de points y relatifs, selon une proposition Rieder. Par 24 voix contre 16 et une abstention les sénatrices et sénateurs se sont prononcés en faveur de la minorité emmenée par le parlementaire valaisan.
Au vote final, les sénatrices et sénateurs ont été 36 à accepter ce projet de loi, tandis que trois membres de l'UDC l'ont refusé et trois membres du PDC se sont abstenus.

Réduire les risques liés aux pesticides (Iv. pa. 19.475)
Dossier: Reduzierung und Verbot des Pestizideinsatzes

Der Ständerat behandelte das Covid-19-Gesetz gleich am Folgetag der entsprechenden nationalrätlichen Debatte, was dazu führte, dass der Kommission und den einzelnen Ratsmitgliedern nur sehr wenig Zeit für die Vorbereitung blieb. Probleme bereiteten der Kommission insbesondere die vom Nationalrat gutgeheissenen Einzelanträge, da sie diese erst am Morgen vor der Ratsdebatte behandeln konnten. Kommissionssprecher Rechsteiner (sp, SG) nannte die Situation entsprechend «herausfordernd, aber auch nicht völlig ungewöhnlich», zumal die Themen «überblickbar» seien. Anders sah dies Thomas Minder (parteilos, SH), der das Geschäft zu einem «Fauxpas der gröberen Sorte» erklärte, was er unter anderem auf die gedrängte Behandlung bezog. Eintreten war jedoch unbestritten.

Zuerst setzte sich der Ständerat in der Detailberatung mit einem Ordnungsantrag Minder auseinander, der auf dem zweiten Teil seiner Kritik beruhte: Der Schaffhauser Ständerat befürchtete, dass die Breite des Gesetzes die Einheit der Materie verletze. Er zeigte sich besorgt, dass die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger bei einer so breiten Vorlage in einem drohenden Referendum ihrer freien Willensäusserung nicht nachkommen könnten. Entsprechend reichte er einen Splittingantrag ein, bei dem er die Primärmassnahmen, also die Massnahmen zur Bekämpfung der Epidemie, von den Sekundärmassnahmen, also den Massnahmen zur Bewältigung der Folgeprobleme, trennen wollte. Mit der Ansicht, dass die Zusammenfassung solch unterschiedlicher Aspekte in einem Gesetz problematisch sei, war Minder nicht alleine. Zahlreiche Sprechende pflichteten ihm diesbezüglich bei, selbst Kommissionssprecher Rechsteiner sprach von einem «gesetzgeberischen Birchermüesli». Dennoch fand die vorgeschlagene Lösung des Splittings bei der Ratsmehrheit wenig Anklang: Damit vereinfache man die Wahrnehmung der politischen Rechte nicht, sondern erschwere sie zusätzlich, argumentierte etwa Carlo Sommaruga (sp, GE). Zudem gebe man der Stimmbevölkerung erst recht das Gefühl, dass man sie an ihrer Mitsprache hindern wolle, weil sie dadurch zwei Referenden ergreifen müsste, ergänzte Paul Rechsteiner für die Kommission. Bundeskanzler Thurnherr erklärte, dass sich der Bundesrat durchaus überlegt habe, die Vorlage in viele einzelne dringliche Bundesbeschlüsse aufzuspalten, sich aber dagegen entschieden habe, weil das zu wenig übersichtlich gewesen wäre. Mit 30 zu 7 Stimmen lehnte der Ständerat in der Folge den Antrag Minder ab.

Bei der Detailberatung lag auch dem Ständerat eine Vielzahl an Anträgen vor (20 Mehrheits-, 13 Minderheits- und 10 Einzelanträge) und wiederum war bereits der Artikel zum Gegenstand des Gesetzes umstritten. Hier behandelte der Ständerat einen neuen Einzelantrag Caroni (fdp, AR), der explizit festhalten wollte, dass der Bundesrat die entsprechenden Befugnisse nur soweit wahrnehmen dürfe, wie eine Problematik wirklich dringlich sei. Wann immer möglich, solle er jedoch den ordentlichen oder dringlichen Gesetzgebungsprozess einhalten. Kommissionssprecher Rechsteiner erachtete die Bestimmung als überflüssig und befürchtete überdies, dass sie zu Missverständnissen führen könnte. So gebe es durchaus Massnahmen, von denen man wolle, dass sie der Bundesrat selbständig umsetze, zum Beispiel die Beschaffung von Gesundheitsmaterial. Bundeskanzler Walter Thurnherr erachtete den Zusatz zwar ebenfalls als unnötig, er sei aber auch nicht schädlich, «weil wir nichts anderes vorhaben als das». Mit 24 zu 15 Stimmen nahm die kleine Kammer den Antrag Caroni an und schuf damit eine erste Differenz zum Nationalrat.
Darüber hinaus diskutierte nach dem Nationalrat auch der Ständerat über die Frage, ob die Dachverbände der Sozialpartner und die Verbände der Gemeinden und Städte ausdrücklich ins Gesetz aufgenommen werden sollten. Die Kommissionsmehrheit lehnte diese Änderung durch den Nationalrat ab, eine Minderheit Germann (svp, SH) befürwortete sie. So betonte Germann unter Nennung seiner Interessenbindung als Präsident des Gemeindeverbandes, dass die Massnahmen gerade in den Bereichen der Kinderkrippen, der Unterstützung des öffentlichen Verkehrs oder der Kulturhilfen die Gemeinden durchaus betreffe und dass diese entsprechend auch angehört werden sollten. Mit 23 zu 16 Stimmen folgte der Ständerat jedoch der Kommissionsmehrheit und schuf damit eine weitere Differenz zum Erstrat. Die übrigen Änderungen des Nationalrats, wie die Information der Parlamentsorgane und die Orientierung der Entscheidungen an den vorhandenen Daten, hiess der Ständerat stillschweigend gut. Umstritten war hingegen die Frage, ob temporär die Bundeskanzlei einen Teil der Stimmrechtsbescheinigungen bei den Gemeinden einholen solle, wie der Nationalrat entschieden hatte. Die Kommissionsmehrheit lehnte dies ab. Der Bundeskanzler betonte, dass Initiativen und Referenden nicht nur aufgrund erschwerter Bedingungen nicht zustandekämen, in den letzten zehn Jahren seien 40 Prozent der Initiativen an der Unterschriftensammlung gescheitert. Ziel des bestehenden Gesetzes sei, dass die Referendumskomitees «selber die Verantwortung dafür übernehmen, wie viele Unterschriften sie haben». Ein Einzelantrag Vara (gp, NE) wollte diesbezüglich hingegen dem Nationalrat folgen: Damit könne man der Zivilgesellschaft zeigen, dass man ihre Anliegen anerkenne, zudem sei es die Pflicht der Politikerinnen und Politiker, die demokratischen Rechte auch unter schwierigen Bedingungen zu gewährleisten, betonte die Minderheitensprecherin. Mit 18 zu 17 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) teilte der Rat diese Meinung mehrheitlich und folgte diesbezüglich dem Nationalrat.

Besonders umstritten waren im Ständerat, wie bereits im Nationalrat, die Massnahmen im Kulturbereich. Hier entschied sich der Ständerat mit 26 zu 14 Stimmen für den Vorschlag der Kommission, insgesamt nur CHF 80 Mio. anstelle der vom Nationalrat festgesetzten und von einer Minderheit Graf (gp, BL) vorgeschlagenen CHF 100 Mio. für Leistungsvereinbarungen der Kantone bereitzustellen.
Bei den Sportvereinen schlug die Kommission vor, die vom Nationalrat angenommenen Darlehen ebenfalls zu ermöglichen, jedoch von den Vereinen Sicherheiten im Umfang von 35 Prozent statt 25 Prozent zu verlangen und keine Möglichkeit für Rangrücktritte durch den Bund – also für eine Einwilligung des Bundes, dass seine Forderungen im Falle einer Insolvenz letzte Priorität hätten – vorzusehen. Eine Minderheit Germann wollte in beiden Punkten dem Nationalrat folgen. Für die Klubs seien diese Fragen entscheidend, da eigentlich bereits Sicherheiten von 25 Prozent über ihrer Schmerzgrenze lägen. Wenn der Betrag zudem ohne Rangrücktritte gewährt würde, müsste er als Fremdkapital angerechnet werden, wodurch sich die Klubs womöglich bereits zur Überschuldung anmelden müssten. Stattdessen solle eine Kann-Formulierung geschaffen werden, so dass der Bund immer noch entscheiden könne, ob ein Verein bereits hoffnungslos verloren sei oder nicht. Mit letzterem Kommentar nahm er eine Kritik des Bundeskanzlers auf, der mit Bezug auf die Position des VBS und des BASPO erklärt hatte, dass ein Verein, der keine Sicherheiten im Umfang von 35 Prozent aufbringen könne, auch kein Darlehen erhalten solle. Mit 25 zu 13 Stimmen sprach sich der Ständerat für die tieferen, vom Nationalrat vorgeschlagenen Sicherheiten von 25 Prozent aus, lehnte hingegen die Rangrücktritte mit 19 zu 19 Stimmen bei Stichentscheid durch Präsident Stöckli ab.

Besonders umstritten waren die Härtefallmassnahmen für Unternehmen. Kommissionssprecher Rechsteiner betonte, dass der Bundesrat dabei sei, mit dem SECO, der EFV und den Kantonen abzuklären, wie dieser Härtefallfonds aussehen soll. Anstatt jedoch die Ergebnisse dieses Prozesses und den entsprechenden Gesetzesvorschlag in der Wintersession 2020 abzuwarten, habe der Nationalrat die Rechtsgrundlage geschaffen, «bevor das Projekt reif ist». Nun wisse man daher nicht, was die vorgeschlagenen Regelungen kosten würden. Da die Regelung nun aber bereits auf dem Tisch lag, versuchte der Ständerat das Beste daraus zu machen und ergänzte weitere Bestimmungen. So verlangte die Kommissionsmehrheit eine «entsprechende» finanzielle Beteiligung der Kantone, während eine Minderheit I Bischof (cvp, SO) diese Beteiligung auf den Wohnsitzkanton beschränken wollte. Eine Minderheit II Germann wollte eine ähnliche Bestimmung schaffen, wie sie der Nationalrat am Vortrag aufgrund des Einzelantrags Paganini (cvp, SG) angenommen hatte. Entsprechend sei der jetzige Antrag eher eine Ergänzung der nationalrätlichen Bestimmung, quasi ein Absatz 1bis, betonte Carlo Sommaruga, worauf Germann seine Minderheit auf die Streichung der Kann-Bestimmung für die Unterstützung verkürzte. Zusätzlich wollte die Minderheit II Germann ausdrücklich auch A-fonds-perdu-Beiträge ermöglichen. Ein Einzelantrag Ettlin (cvp, OW) wollte schliesslich sicherstellen, dass nur Unternehmen unterstützt würden, die vor Ausbruch der Krise wirtschaftlich gesund waren, und dass es keine doppelte Unterstützung für die Unternehmen durch verschiedene Massnahmen geben würde. Der Ständerat entschied sich hier für eine ausführlichere Regelung zu den Härtefallmassnahmen, nahm alle drei Minderheits- und Einzelanträge an (Antrag Bischof: 31 zu 8 Stimmen bei 1 Enthaltung; Antrag Germann: 23 zu 17 Stimmen; Antrag Ettlin: 38 zu 0 Stimmen bei 1 Enthaltung) und löste die dafür nötige Ausgabenbremse ohne Gegenstimmen. Damit war er auch einem Vorschlag von Ratspräsident Stöckli (sp, BE) gefolgt, dem Antrag Ettlin zuzustimmen, damit man diese Frage im Differenzbereinigungsverfahren noch genauer diskutieren könne.

Ähnlich umstritten waren die Regelungen zum Erwerbsersatz. Bezüglich der Möglichkeiten auf EO wollte der Ständerat noch einen Schritt weitergehen als der Nationalrat, der diese bereits auf massgebliche Einschränkung der Erwerbstätigkeit ausgedehnt hatte. Der Ständerat wollte aber zusätzlich auch die Kann-Formulierung der entsprechenden Regelung streichen, während eine Minderheit Hegglin (cvp, ZG) den engeren bundesrätlichen Vorschlag befürwortete. Es sei bereits mit der jetzigen Lösung für die Vollzugsstellen schwierig, die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzung zu prüfen, betonte er. Bundekanzler Thurnherr kritisierte einerseits die unklaren, aber vermutlich sehr hohen Ausgaben, die für die EO durch die Ausdehnung auf «Hunderttausende mehr» entstünden, und andererseits die unklare Formulierung der Regelung. Äusserst knapp folgte der Ständerat diesbezüglich der Minderheit Hegglin und dem Bundeskanzler und übernahm die Formulierung des Bundesrates mit 20 zu 19 Stimmen. Sehr kritisch zeigte sich der Bundeskanzler auch gegenüber der Idee, die EO auch für Selbständigerwerbende zu öffnen, da es «einfach nicht möglich [sei] zu überprüfen, ob eine selbständigerwerbende Person einen teilweisen Erwerbsausfall erleidet oder nicht». Damit öffne man Missbrauch «Tür und Tor». Die Kommissionsmehrheit wollte den entsprechenden, vom Nationalrat ergänzten Passus streichen, während eine Minderheit Graf diesbezüglich dem Nationalrat folgen wollte. Mit 21 zu 18 Stimmen sprach sich der Rat gegen den Einbezug der Selbständigerwerbenden aus. Stillschweigend lehnte er überdies eine Obergrenze des anzurechnenden Betrags von CHF 90'000, die Möglichkeit für den Bundesrat, Bestimmungen zu den anspruchsberechtigten Personen erlassen zu können, die Pflicht, den Erwerbsausfall nachzuweisen, und die Festlegung der Auszahlung durch Selbstdeklaration ab. Stattdessen nahm er einen Verweis auf die Regelung zur Erlöschung der Ansprüche und zur Verfügung im ATSG vor. Äusserst knapp lehnte die kleine Kammer mit 19 zu 19 Stimmen und Stichentscheid des Präsidenten auch die Verlängerung der Nutzung der Arbeitgeberreserven durch die Arbeitgeber ab, nachdem ein Einzelantrag Gmür-Schönenberger (cvp, LU) diese entgegen dem Antrag der Kommissionsmehrheit aufrechterhalten wollte. Andrea Gmür-Schönenberger hatte argumentiert, dass dadurch den Arbeitgebenden geholfen werden könne, ohne dass jemand belastet würde.

In Zusammenhang mit der Regelung zur EO standen gemäss dem Kommissionssprecher die Entschädigungen für Lohnzahlungen von Unternehmen an ihre Mitarbeitenden im Zuge von Covid-19-Massnahmen des Bundes. Der Nationalrat hatte sich für eine solche Entschädigung entschieden und eine Minderheit Carobbio Guscetti (sp, TI) wollte diesem Beispiel folgen, die SGK-SR-Mehrheit empfahl hingegen deren Ablehnung. Da es sich bei einer vom Bund verhängten Quarantäne in der Praxis um ein Arbeitsverbot handle, müsse der Bund die Unternehmen für die anfallenden Lohnkosten entschädigen, betonte Marina Carobbio Guscetti. Kommissionssprecher Rechsteiner entgegnete, dass für gefährdete Personen nicht in erster Linie eine Quarantäne, sondern Massnahmen, welche eine Weiterarbeit der Betroffenen erlaube (wie zum Beispiel Homeoffice), angeordnet würden. Durch die vorgeschlagene Regelung hätten die Arbeitgebenden jedoch einen Anreiz, die Mitarbeitenden an der Arbeit zu hindern, anstatt sie dabei zu schützen. Mit 24 zu 13 Stimmen lehnte der Rat den Minderheitsantrag ab.

Bei den Massnahmen zur ALV lehnte die Kommission die Ausdehnung der EO auf Personen auf Abruf, in Arbeitsverhältnissen auf Dauer, in Lehrverhältnissen sowie im Dienste von Temporärfirmen ab, wie sie der Nationalrat zuvor hinzugefügt hatte. In einem Einzelantrag machte sich Marina Carobbio Guscetti dafür stark, diese Ausdehnung beizubehalten, um diese Personen, in «prekären Arbeitsverhältnissen» zu unterstützen. Bundeskanzler Thurnherr argumentierte einerseits, dass Temporärarbeit sehr missbrauchsanfällig sei, und befürchtete andererseits, dass diese Arbeitsverhältnisse durch eine solche Besserstellung noch gefördert würden. Mit 26 zu 13 Stimmen folgte der Rat den Ausführungen des Bundeskanzlers und dem Antrag der Kommission. Auch zwei Minderheitsanträge Graf, die Vorschläge aus dem Erstrat aufnahmen, waren nicht erfolgreich: Mit 25 zu 14 Stimmen lehnte der Ständerat einen höheren Lohnersatz bei tiefen Löhnen (entsprechend dem Minderheitsantrag Maillard (sp, VD) im Nationalrat) ab, mit 25 zu 14 Stimmen (bei 1 Enthaltung) sprach er sich gegen die finanzielle Unterstützung von familienergänzenden Institutionen (gemäss den Anträgen Feri (sp, AG) und Weichelt-Picard (al, ZG) im Nationalrat) aus.

Die übrigen Massnahmen waren deutlich weniger umstritten. Bei den Massnahmen im Bereich der Gesundheitsversorgung schlug Jakob Stark (svp, TG) in einem Einzelantrag vor, den Personen, die sich vor einem durch diesen Artikel ausgelösten Impfobligatorium und der Zulassung von ausserordentlich zugelassenen Impfungen fürchteten, entgegenzukommen und ihren Bedenken Rechnung zu tragen, indem man ausdrücklich festhalten sollte, dass im Ausnahmeverfahren zugelassene Impfstoffe nicht dem Impfobligatorium gemäss Epidemiengesetz (Art. 6, Absatz 2 Buchstabe d) unterliegen sollen. Damit könnte die Akzeptanz des Gesetzes erhöht werden, betonte er. Von diesem Vorschlag zeigte sich Kommissionssprecher Rechsteiner gar nicht überzeugt. Die Annahme dieses Antrags wäre ein «Eigengoal erster Güte», betonte er. Das Covid-19-Gesetz habe «null und nichts» mit Impfen zu tun, es gehe lediglich um die vereinfachte Zulassung von Arzneimitteln, nicht von Impfstoffen. Bundeskanzler Thurnherr betonte zudem, dass es beim Impfobligatorium gemäss Epidemiengesetz ausschliesslich um Personen mit Betreuungsfunktionen gehe. Zudem sei eine vereinfachte Zulassung von Impfstoffen aufgrund der Konzeption des Heilmittelgesetzes nicht möglich, wie ihm das BAG versichert habe. Mit 33 zu 6 Stimmen lehnte der Ständerat den Antrag Stark in der Folge ab.
Ständerat Minder beantragte überdies, die Möglichkeit des Bundesrates zur Direktvermarktung von wichtigen medizinischen Gütern aus dem Gesetz zu streichen. Dass während der Corona-Krise zu wenig medizinische Güter wie Desinfektionsmittel vorhanden gewesen seien, heisse nicht, dass der Staat für deren Vermarktung zuständig sein und damit die freie Privatwirtschaft konkurrenzieren solle, kritisierte er. Der Bundeskanzler betonte jedoch, dass es hier lediglich darum gehe, dass der Bund, wenn er wie im Frühling Güter beschaffen müsse, diese bei der Rückkehr zur normalen Lage auch dann an die Verbraucher im Gesundheitswesen oder die Kantone abgeben könne, wenn er dafür Marktpreise gezahlt hatte. Es würden aber keine medizinischen Güter direkt an die Endkunden verkauft. Mit 33 zu 6 Stimmen lehnte der Ständerat den Antrag Minder ab.
Dann wollte die SGK-SR die Möglichkeit des Bundesrates, medizinische Tätigkeiten einzuschränken oder zu verbieten, nur auf Fälle beschränken, die nicht dringend sind und deren Aufschub keine Konsequenzen für die Gesundheit der Patientinnen und Patienten mit sich bringen. Diesen Punkt wolle man einfach explizit im Gesetz ausführen, betonte Kommissionssprecher Rechsteiner. Der Bundeskanzler zeigte sich von der Formulierung nicht begeistert: Entweder gebe es «keine nicht dringlichen Eingriffe, deren Nichtausführung schädliche Konsequenzen beim Patienten nach sich» zögen, weil sie sonst ja dringlich wären, oder alle möglichen Konsequenzen einer Nichtbehandlung würden einen sofortigen Eingriff nötig machen. Mit 31 zu 1 Stimme (bei 1 Enthaltung) sprach sich der Ständerat dennoch für die Präzisierung aus. Alle übrigen Änderungen des Nationalrats hiess der Ständerat stillschweigend gut.

In der Ausländer- und Asylpolitik wurden einige im Nationalrat abgelehnte Forderungen wieder aufs Tapet gebracht. So schlug die Kommission entsprechend dem Minderheitsantrag Crottaz (sp, VD) im Nationalrat vor, die Fristerstreckung auf weitere Bereiche auszudehnen, was der Rat stillschweigend annahm. Ohne Diskussion sprach sich der Rat auch für die vom Nationalrat geschaffene Ausnahme für Familiennachzug und Konkubinate aus. Eine Minderheit Sommaruga wollte zudem mit einer sehr offenen Formulierung festhalten, dass der Bundesrat bei Grenzschliessung die Reisefreiheit der Grenzgängerinnen und Grenzgänger sowie der Einwohnerinnen und Einwohner des Grenzgebiets «bestmöglich» gewährleistet. Damit wolle er der im Frühjahr aufgetretenen Problematik Rechnung tragen, als viele Personen Probleme bekamen, zum Beispiel weil sie auf der anderen Seite der Grenze arbeiteten, zur Schule gingen oder Familienmitglieder besuchen wollten. Dem pflichteten Maya Graf und Charles Juillard (cvp, JU) als weitere Vertretende von Grenzregionen bei, während Marco Chiesa aus gegenteiliger Perspektive des Tessins vertrat: Im Tessin sei man vielmehr hilflos gewesen, weil die Grenzen nicht hatten geschlossen werden können. Mit 28 zu 10 Stimmen (bei 1 Enthaltung) stimmte der Rat dem Antrag Sommaruga zu.

Bei den insolvenzrechtlichen Massnahmen schlug die Kommission vor, dass der Bundesrat neben dem Nachlassvertrag und der Stundung auch bei der Anzeigepflicht bei Kapitalverlust und Überschuldung vom Gesetz abweichende Regeln erlassen können soll. Der Bundeskanzler sprach sich im Namen des Bundesrates aufgrund des Gläubigerschutzes gegen diesen Antrag, der mit einer Motion Ettlin (Mo. 20.3418) übereinstimme, aus. Der Gläubigerschutz sei mit der entsprechenden Sofortmassnahme eingeschränkt worden, nun könne man diese Massnahme aber nicht beliebig lange fortsetzen. Auch in der Vernehmlassung seien entsprechende Bedenken geäussert worden. Mit 31 zu 5 Stimmen nahm der Ständerat den Vorschlag dennoch an. Stattdessen strich der Ständerat auf Antrag der Kommission stillschweigend die vom Nationalrat geschaffene Möglichkeit, die Haftung von Transporteuren für die Zollschuld bei Konkursen der Empfänger oder Importeure wegen Covid-19 zu streichen.

Zum Abschluss der Debatte behandelte der Rat noch einen Einzelantrag Stark, der das Covid-19-Gesetz nur bis Ende September 2021, statt wie vom Bundesrat vorgeschlagen bis Ende Dezember 2021 laufen lassen wollte. Da die Covid-19-Krise im Sommer 2021 mit grosser Wahrscheinlichkeit vorbei sein werde, solle das Gesetz nicht noch bis Ende Jahr gültig bleiben, argumentierte Jakob Stark. Durch die verkürzte Gültigkeit sende man der Schweizer Bevölkerung ein positives Signal, dass man das Notrecht zeitlich möglichst begrenzt halten wolle. Mit 30 zu 8 Stimmen folgte der Ständerat jedoch der Kommissionsmehrheit und beliess die Frist bei Ende 2021.
Mit 33 zu 1 Stimme (bei 4 Enthaltungen) sprach sich schliesslich die überwiegende Mehrheit des Ständerats für das Covid-19-Gesetz aus. Die ablehnende Stimme stammte von Thomas Minder (parteilos, SH) und die Enthaltungen von Mitgliedern SVP und einem Mitglied der CVP.

Bundesgesetz über die gesetzlichen Grundlagen für Verordnungen des Bundesrates zur Bewältigung der Covid 19-Epidemie (Covid-19-Gesetz; BRG 20.058)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

Neben den zahlreichen parlamentarischen Initiativen, die aufgrund der Notrechtssituation mit dem Ziel einer Stärkung der Legislative eingereicht wurden, taten sich die Parlamentsmitglieder auch mit Motionen und Postulaten hervor, die das gleiche Ziel verfolgten und das Parlament in der Krise stärken wollten. So forderte etwa eine Motion Wicki (fdp, NW) Gesetzesgrundlagen für ein von der Bundesversammlung zu wählendes Gremium – zusammengesetzt aus nationalen Parlamentsmitgliedern, Mitgliedern kantonaler Regierungen, Wirtschafts- und Wissenschaftsvertreterinnen und -vertretern –, welchem der Bundesrat in ausserordentlichen Lagen Erlasse zur Stellungnahme vorzulegen hätte (Mo. 20.3748). Ein Postulat Burkhart (fdp, AG) forderte einen Bericht zur Schaffung eines permanenten operativen Bundesführungsstabs (Po. 20.3478).
Interessant waren die sich bei allen Vorstössen gleichenden Antworten des Bundesrats, die Mitte August eintrafen. Er verwies auf das geltende Verordnungsrecht, das die Kompetenz für Notrechtsverordnungen beim Bundesrat verorte, aber eine zeitliche Befristung vorsehe. Spätestens sechs Monate nach Inkrafttreten einer Notverordnung müsse die Regierung eine gesetzliche Grundlage für deren Inhalt vorlegen. Zudem sei die Bundeskanzlei beauftragt worden, das Krisenmanagement während der Covid-19-Pandemie zu analysieren und einen Bericht mit Empfehlungen vorzulegen. Erst nach Vorliegen dieser Analyse sollte diskutiert werden, ob neue Strukturen notwendig seien. Für das Krisenmanagement sei grundsätzlich der Bundesrat zuständig. Via Bundeskanzlei sei die Regierung aber stets mit den Partei- und Fraktionsspitzen sowie mit der Nationalratspräsidentin und dem Ständeratspräsidenten in Kontakt gewesen. Der Einbezug von Fachleuten sowie der Kantone sei über den «Krisenstab Bundesrat Corona» und diversen Task-Forces ebenfalls stets gewährleistet gewesen. Entsprechend beantragte der Bundesrat die Ablehnung aller Vorstösse.

Ein Gremium für Krisenzeiten (Mo. 20.3748)
Dossier: Parlament in Krisensituationen

Nachdem der Bundesrat dem Parlament die Botschaft zur AHV 21 vorgelegt hatte, diskutierten die Medien die Vorlage in unregelmässigen Zeitabständen. Im Zentrum der Diskussion stand insbesondere die vorgeschlagene Rentenaltererhöhung der Frauen, welche für Frauenorganisationen und linke Parteien eine «unglaubliche Frechheit», wie es das Streikkollektiv des Frauenstreiks ausdrückte, und einen Referendumsgrund, für viele Bürgerliche jedoch eine notwendige Massnahme zur Sanierung der AHV darstellte. Mehrfach wurde zu diesem Zeitpunkt auch bereits eine weitergehende Rentenaltererhöhung für Frauen und Männer auf 66 oder gar 67 Jahre gefordert. So schlug zum Beispiel Ständerat Ruedi Noser (fdp, ZH; Mo. 20.3225) in einer Motion vor, eine automatische schrittweise Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre mit einer Erhöhung des gesetzlichen Ferienanspruchs um zwei Wochen zu verknüpfen. Demgegenüber wurde auch darüber diskutiert, ob das Konzept der Pensionierung und des fixen Rentenalters überhaupt noch zeitgemäss sei oder ob es nicht besser abgeschafft werden sollte. Immer wieder beriefen sich die Medien zudem auf Umfragen, um die Zukunftssorgen der Bevölkerung bezüglich ihrer Altersvorsorge zu unterstreichen. Gleichzeitig ergaben aber auch mehrere solche Umfragen, dass eine Mehrheit der Befragten, insbesondere der befragten Frauen, eine Erhöhung des Frauenrentenalters ablehnte (z.B. Umfrage Deloitte: Männer: 60% für Erhöhung des Frauenrentenalters, 32% der Frauen dafür). Ende November 2019 forderte schliesslich auch die OECD in ihrem alle zwei Jahre erscheinenden Länderbericht zur Schweiz eine Rentenaltererhöhung.

Die Ausgangslage der Vorlage AHV 21 änderte sich – wie so vieles – im Frühjahr 2020 mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Diese habe aufgezeigt, «wie wertvoll funktionierende Sozialversicherungen sind», betonte der Tages-Anzeiger, aber habe auch grosse Kosten für die Altersvorsorge mit sich gebracht (NZZ). Gerade für die AHV sei die Situation aufgrund des Umlageverfahrens schwierig: Erste Schätzungen wiesen aufgrund des Rückgangs der Löhne und somit auch der Lohnbeiträge auf einen Corona-bedingten Schaden für die AHV und IV von CHF 4 bis 5 Mrd. hin. Vor der Pandemie sei mit einem Umlageergebnis von CHF 800 Mio. gerechnet worden, wobei die CHF 2 Mrd., welche die AHV aufgrund der STAF jährlich zusätzlich erhält, bereits inbegriffen waren. Nun müsse trotz dem Zuschuss mit einem deutlich negativen Umlageergebnis gerechnet werden, das vermutlich auch nicht durch ein positives Anlageergebnis des AHV-Ausgleichsfonds kompensiert werden könne. Bereits vor der Corona-Krise rechnete das BSV überdies ohne AHV-Reform für das Jahr 2035 mit einem Umlagedefizit von CHF 10 Mrd.
Nicht nur bezüglich des Ablaufs der Behandlung der Vorlage, auch bezüglich des Inhalts erwarteten die Medien einen Einfluss der Corona-Pandemie auf die AHV 21: So werde es jetzt noch schwieriger, Steuergelder für die AHV zu beschaffen, mutmasste etwa der Tages-Anzeiger. FDP-Ständerat Dittli (fdp, UR) betonte denn auch, dass eine Mehrwertsteuererhöhung um 0.7 Prozentpunkte wegen Corona inakzeptabel sei.

Im August 2020 begann die SGK-SR die Vorberatung der Vorlage zur Stabilisierung der AHV («AHV 21»). Dabei hörte sie sich verschiedene Vertreterinnen und Vertreter von Kantonen, Sozialpartnern und Frauenorganisationen an und erteilte der Verwaltung verschiedene Abklärungsaufträge. Bereits vor dieser ersten Sitzung hatten die Medien aber über einen von Ständerat Kuprecht (svp, SZ) initiierten bürgerlichen AHV-Pakt zur Vorlage berichtet. So hätten «sozialpolitische Wortführer» der SVP, FDP, CVP und später auch der GLP aus beiden Räten bereits im März eine parteiübergreifende Arbeitsgruppe gebildet, wie die NZZ schilderte und Alex Kuprecht (svp, SZ) und Ruth Humbel (cvp, AG) bestätigten. Ziel der Gruppe sei es gemäss Medien, eine Mitte-links Allianz, wie sie bei der Altersvorsorge 2020 zwischen der CVP und den linken Parteien entstanden war, zu verhindern. Die Gruppe habe sich auf folgende Eckwerte für die AHV 21-Vorlage geeinigt: eine Rentenaltererhöhung für Frauen auf 65 Jahre und eine Rentenverbesserung in der Höhe von CHF 400 Mio. bis CHF 550 Mio. für vier betroffene Frauenjahrgänge; eine flexible Ausgestaltung des Rentenübergangs mit Teilrenten ab 63 Jahren; eine Erhöhung der Freibeträge für Erwerbstätige über 65 Jahren; eine maximale Mehrwertsteuererhöhung um 0.3 Prozentpunkte. Zum Vergleich: Die vom Bundesrat vorgelegte Botschaft enthielt unter anderem Ausgleichszahlungen an Frauen in der Höhe von CHF 700 Mio. für neun Jahrgänge und eine Mehrwertsteuererhöhung um 0.7 Prozentpunkte. Weitere zentrale Punkte seien gemäss Presse bei den Eckwerten bisher aber ausgeklammert worden, etwa die Plafonierung der AHV-Rente für Ehepaare. Die SP reagierte mit einem Communiqué auf den Zeitungsartikel und bezeichnete die Absicht der Gruppe als «Betrug an den Frauen», da diese die «Kosten der AHV-Reform nahezu alleine tragen» sollten, obwohl sie bei den Renten bereits jetzt benachteiligt seien. Gerade bezüglich der Kompensation für die Frauen zeigte sich jedoch auch die GLP in den Medien kritisch gegenüber den Eckwerten: Eine Rentenaltererhöhung sei nur möglich, wenn gleichzeitig die diskriminierenden Aspekte der zweiten Säule angegangen würden, erklärte etwa Tiana Angelina Moser (glp, ZH).
Anfang September traf die Kommission in ihrer Vorberatung erste Vorentscheidungen: Sie sprach sich mit 9 zu 3 Stimmen (bei 1 Enthaltung) für die Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre aus. Während vier Jahren solle das Referenzalter – wie das Rentenalter neu heissen soll – um je drei Monate pro Jahr erhöht werden. Über die Ausgleichsmassnahmen für die ersten Jahrgänge von Frauen, die länger arbeiten müssen, diskutierte die Kommission erst im Oktober. Dabei beauftragte sie die Verwaltung mit der Berechnung von verschiedenen Ausgleichsvarianten, die gemäss Medien jedoch allesamt von einem Ausgleich für lediglich vier Jahrgänge ausgingen.

Die Medien verwiesen in der Folge auf den Zeitdruck, unter dem das Projekt stehe, zumal eine allfällige zusätzliche Rentenaltererhöhung erst möglich sei, nachdem das Rentenalter der Frauen angeglichen worden sei. Dies sei aber frühestens im Jahr 2026, später war gar von 2027 die Rede, möglich. Folglich erntete die SGK-SR für die Dauer ihrer Vorberatung einige Kritik: «Im parlamentarischen Alltag scheint der Reformdruck noch nicht angekommen zu sein», kritisierte etwa der Tages-Anzeiger.

Reform «Stabilisierung der AHV (AHV 21)» (BRG 19.050)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter
Dossier: Erhöhung des Rentenalters

Die viel diskutierten informellen und nicht protokollierten Treffen zwischen Bundesanwalt Michael Lauber und Fifa-Präsident Gianni Infantino hatten nicht nur zu einer Disziplinaruntersuchung gegen den Bundesanwalt und letztlich zum Rücktritt Laubers geführt, sondern auch drei Strafanzeigen ausgelöst, in denen Lauber Amtsmissbrauch, Amtsgeheimnisverletzung und Begünstigung vorgeworfen wurden. Infantino wurde der Anstiftung zu Begünstigung bezichtigt. Da zwei der besagten Treffen in Bern stattgefunden hatten, wurden die Strafanzeigen Anfang Juni 2020 bei der Staatsanwaltschaft in Bern eingereicht. Diese leitete die Anzeigen allerdings an die Bundesbehörden weiter, da es sich bei Lauber um ein Mitglied der Bundesbehörden handle und deshalb ein ausserordentlicher Bundesanwalt dafür zuständig sei. Strafanzeige gegen Lauber könne zudem nur eingereicht werden, wenn seine Immunität aufgehoben werde, die er als von der Bundesversammlung gewähltes Behördenmitglied geniesse.

Mitte Juni forderten die Präsidentin und der Präsident der eidgenössischen Räte – Isabelle Moret (fdp, VD) und Hans Stöckli (sp, BE) – die AB-BA entsprechend auf, eine ausserordentliche Bundesanwältin oder einen ausserordentlichen Bundesanwalt zu ernennen, der die drei Strafanzeigen prüfen und entscheiden solle, ob eine Strafuntersuchung eingeleitet werden und ein Antrag auf Aufhebung der Immunität Laubers gestellt werden soll. Für eine allfällige folgende Untersuchung müsste das Parlament aber vorgängig eine ausserordentliche Bundesanwältin oder einen ausserordentlichen Bundesanwalt wählen.

Ende Juni ernannte die AB-BA Stefan Keller zum ausserordentlichen Bundesanwalt. Der promovierte Jurist amtete teilzeitlich als Präsident des Ober- und Verwaltungsgerichts des Kantons Obwalden sowie als Dozent an verschiedenen Hoch- und Fachhochschulen.

Strafverfahren gegen Lauber
Dossier: Michael Lauber - Bundesanwalt

Mit dem neuerlichen Entscheid, nicht auf die Vorlage einzutreten, versenkte der Ständerat die Idee eines Verordnungsvetos endgültig. Thomas Minder (parteilos, SH) erörterte noch einmal kurz die Gründe der SPK-SR, die einstimmig Nichteintreten empfohlen hatte. Es gäbe zwar einen «ansehnlichen Anteil des Parlaments», der mit dem Umgang der Regierung mit Verordnungen nicht glücklich sei, aber bisher sei kein Vorschlag zum kontrollierenden Eingreifen des Gesetzgebers wirklich ausgereift gewesen – obwohl man «seit den Siebzigerjahren am Schräubeln und am Sich-Überlegen» sei. Minder erinnerte daran, dass im Ständerat die ursprüngliche Begeisterung für ein Verordnungsveto gewichen sei. Dies sei mangelndem Handlungsdruck, schwierigen Abgrenzungsfragen und insbesondere dem Umstand geschuldet, dass bereits genügend parlamentarische Instrumente bestünden, um die Verordnungstätigkeit des Bundesrates zu beeinflussen. So könne beispielsweise bei einem Gesetz ja auch beschlossen werden, dass die ausführende Verordnung dem Parlament vorgelegt werden müsse. Aber auch mit Hilfe von Motionen könnten Anpassungen von Verordnungen verlangt werden – ein Punkt, der auch von Walter Thurnherr noch einmal aufgegriffen wurde, der die ablehnende Haltung des Bundesrats in der Sache noch einmal deutlich machte: Es sei sinnvoller, die vorhandenen Möglichkeiten gezielt zu nutzen, als ein neues Instrument einzuführen, das alle Verordnungen, «also auch die grosse Mehrzahl der unproblematischen Verordnungen», betreffe. Da kein Minderheitsantrag mehr vorgebracht wurde, galt die Vorlage damit diskussionslos als «endgültig erledigt». Ständeratspräsident Hans Stöckli (sp, BE) konnte es sich allerdings nicht verkneifen, darauf hinzuweisen, dass Entscheide umso kurzfristiger seien, je häufiger sie «endgültig» erledigt würden. Zumindest für die nächsten Monate dürfte das Thema aber vom Tisch sein.

Veto gegen bundesrätliche Verordnungen (Pa. Iv. 14.422)
Dossier: Vorstösse für ein Veto des Parlamentes gegen Verordnungen des Bundesrates

Im Vorfeld der Sommersession 2020 befassten sich sowohl die FK-NR wie auch die APK-NR ausführlich mit der Botschaft zur Strategie der IZA 2021-2024. Wie bereits in der Vernehmlassung führte die APD-Quote zu inhaltlichen Differenzen. Die FK-NR lehnte sowohl eine progressive Erhöhung der APD-Quote auf 0.7 Prozent, wie auch eine Senkung der Quote auf 0.45 Prozent ab. Auch ein weiterer Kürzungsantrag, welcher die Rahmenkredite – ausser denjenigen zur humanitären Hilfe – halbieren wollte, wurde abgelehnt. Eine Kommissionsmehrheit beantragte dem Nationalrat, den Vorschlag des Bundesrats anzunehmen. Die APK-NR kam in ihrer Beratung hingegen zum Schluss, dass in Krisenzeiten eine starke internationale Zusammenarbeit und eine effektive humanitäre Hilfe unabdingbar sei. Aus diesem Grund beschloss die Kommission von der bundesrätlichen Vorlage abzuweichen, und die Rahmenkredite um CHF 241 Mio. zu erhöhen. Diese Erhöhung entspräche einer progressiven Erhöhung der APD-Quote auf die vom Parlament 2011 festgesetzten 0.5 Prozent. Zudem reichte die APK-NR zwei Vorstösse ein, eine Motion zur Fortführung der Tätigkeiten in ausgewählten Ländern in Zentralamerika und der Karibik und ein Postulat (20.3469), welches einen Bericht zu Zoonosen und deren Eindämmung forderte.
Der Sprecher der APK-NR, Hans-Peter Portmann (fdp, ZH) empfahl dem grossen Rat in der Sommersession 2020, auf alle vier Bundesbeschlüsse einzutreten und den Gesamtbetrag des Rahmenkredits um den bereits erwähnten Betrag zu erhöhen. Daraufhin entspann sich eine langwierige Debatte entlang der Parteigrenzen für oder gegen eine Erhöhung der Rahmenkredite. Elisabeth Schneider-Schneiter (cvp, BL) brachte die Debatte mit der Feststellung: «Die Linke möchte immer mehr finanzielle Mittel und die Rechte immer weniger» konzise auf den Punkt. CVP und FDP unterstützten die bestehende Vorlage des Bundesrates während die Parteien links und rechts davon abwichen. SP, Grüne und GLP auf der einen und die SVP auf der anderen Seite argumentierten allesamt mit den Konsequenzen der Corona-Krise für ihr jeweiliges Anliegen. Die davon abgeleiteten Folgerungen standen sich aber diametral gegenüber. Sibel Arslan (gp, BS) verwies auf die «verheerende» Wirkung der Corona-Massnahmen für die Wirtschaft in den Entwicklungsländern und forderte, dass sich die Schweiz als – auch nach Corona – stabiles und reiches Land ihrer Verantwortung bewusst werden müsse. Auch Nationalrätin Tiana Angelina Moser (glp, ZH) befand es für notwendig, die Kredite bzw. die ADP-Quote zu erhöhen, da sich die Schweiz als Globalisierungsgewinnerin für die Bewältigung globaler Krisen einsetzen sollte. Die SVP-Fraktion interpretierte die Folgen der Corona-Pandemie gänzlich anders. So verlangte Nationalrat Roland Büchel (svp, SG) im Namen seiner Fraktion die Kürzung des IZA-Budgets und die Aufhebung der ADP-Quote, da qualitative Messgrössen wichtiger seien als quantitative. Auch sein Parteikollege Franz Grüter (svp, LU) stellte die Höhe des Entwicklungshilfe-Budgets angesichts der «grössten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg» in Frage. Ein Rückweisungsantrag von Rino Büchel wurde mit 140 zu 53 Stimmen abgelehnt. Ebenfalls abgelehnt wurden die zahlreichen Minderheitsanträge, darunter auch jene von Roland Büchel und Sibel Arslan, welche die Höhe der Rahmenkredite anpassen wollten und inhaltlich teilweise identisch waren. Der Nationalrat nahm hingegen einen Minderheitsantrag Portmann (fdp, ZH) an. Dieser legte fest, dass die Beträge der Rahmenkredite mit der wirtschaftlichen Entwicklung und dem Abbaupfad der Corona-bedingten Schulden fluktuieren werden. Mit Ausnahme der SVP stimmten alle Fraktionen für die vom Bundesrat vorgebrachten Bundesbeschlüsse.

Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2021-2024 (BRG 20.033)
Dossier: Strategien zur internationalen Zusammenarbeit

Am 12. Juni 2020 verstarb Nationalrat Albert Vitali (fdp, LU) wegen eines Krebsleidens. Der 64-jährige war 2011 in den Nationalrat gewählt worden und hatte 2019 als einziger Luzerner Freisinniger seine dritte Legislatur angetreten. Er sei ein «beharrlicher Schaffer» gewesen würdigte Ständeratspräsident Hans Stöckli (sp, BE) den FDP-Vertreter in seinem Nachruf. Der grösste Erfolg Vitalis sei die Annahme seiner Motion gewesen, die eine umfassendere Auswertung von DNA-Tests ermöglichte. Ein schweres Sexualverbrechen in seiner Heimatregion sei Auslöser gewesen. Der Rat würdigte Vitali mit einer Schweigeminute.
Es kommt gar nicht so selten vor, dass Parlamentsmitglieder im Amt versterben. Vor Vitali war dies in den letzten 10 Jahren vier Mal der Fall gewesen (Alexander Tschäppät, sp, BE 2018; Pankraz Freitag, fdp GL 2014; Otto Ineichen fdp, LU 2012; Ernst Leuenberger sp, SO, 2010). Speziell war, dass der Nachfolger von Vitali, Peter Schilliger (fdp, LU) 2012 schon einmal für einen im Amt Verstorbenen nachrutschte; damals für Otto Ineichen (fdp, LU).

Albert Vitali verstirbt im Amt

Nach dem Scheitern der Lösungsfindung zu den Geschäftsmieten in der ausserordentlichen Session zur Bekämpfung des Coronavirus im Mai 2020 hatte die WAK-SR eine gleichlautende Motion wie diejenige der WAK-NR lanciert, damit sich nicht nur der National-, sondern auch der Ständerat in der Sommersession zum Anliegen äussern und das Parlament somit bereits in der Sommersession einen Beschluss fassen konnte. Wie auch im Nationalrat stellte sich im Ständerat eine bürgerliche Kommissionsminderheit, angeführt durch Hannes Germann (svp, SH), gegen eine Aufteilung der Mietzinskosten von 60 Prozent zu Lasten der Vermietenden und 40 Prozent zu Lasten der Mietparteien für die Zeit der behördlichen Schliessung, sofern der monatliche Mietzins den Betrag von CHF 15'000 nicht übersteigt. Mit einer hauchdünnen Mehrheit von 20 zu 19 Stimmen bei 4 Enthaltungen befürwortete nach längerer Diskussion schliesslich auch die kleine Kammer die zuvor von den Mehrheiten der Wirtschaftskommissionen vorgeschlagene Lösung. Für Diskussionen im Ständerat sorgte nicht zuletzt die Frage, ob die beiden Kommissionsmotionen denn tatsächlich gleichlautend wären und der Bundesrat bei Annahme der beiden Motionen im jeweiligen Erstrat bereits mit der Umsetzung des Anliegens beauftragt wäre. Aufgekommen war die Diskussion aufgrund eines unterschiedlichen Wortlauts in einer Klammerbemerkung. Während im Vorstoss der WAK-NR in einer Klammer auf die Fassung der die Schliessung von Betrieben thematisierenden Covid-19-Verordnung 2 vom 19. März verwiesen wurde, verwies der Vorstoss der WAK-SR in der analogen Klammer auf eine Fassung vom 21. März. Nach Konsultation des Rechtsdienstes und des Sekretariats der WAK bejahte Ständeratspräsident Stöckli (sp, BE) am Folgetag der parlamentarischen Debatte diese Frage, womit der geplanten Umsetzung vorerst nichts mehr im Wege stand.
Am 1. Juli gab der Bundesrat einen entsprechenden Gesetzesentwurf in die Vernehmlassung; aufgrund Dringlichkeit des Geschäfts verkürzte der Bundesrat die Frist zur Stellungnahme auf den 4. August.

Neuer Anlauf betreffend Erlass von Geschäftsmieten
Dossier: Diskussionen um Erlass von Geschäftsmieten während des Lockdown

Bereits am folgenden Tag setzte sich der Ständerat mit dem Nachtrag I zum Voranschlag 2020 und den dazugehörigen Nachmeldungen auseinander und auch in der kleinen Kammer ging die Verwendung der Superlative weiter. Dabei hatte der Ständerat über zwei neue Anträge seiner Finanzkommission zu entscheiden: Die FK-SR schlug einen Kredit über CHF 67 Mio. zur Unterstützung des Tourismus sowie einen Kredit über CHF 50 Mio. zur Übernahme eines Anteils an bestimmten Geschäftsmieten vor, obwohl die entsprechende Gesetzesgrundlage für die Unterstützung im Tourismus wie auch bei den Geschäftsmieten noch geschaffen werden musste. Der Kredit für den Tourismus beruhe auf zwei unterschiedlichen Anträgen, erklärte Kommissionspräsident Hegglin (cvp, ZG). CHF 27 Mio. seien als Ersatz für die wegfallenden Tourismusabgaben vorgesehen, mit CHF 40 Mio. solle in den nächsten drei Jahren eine Werbekampagne für den Schweizer Tourismus geführt werden. Damit wolle man die ausländischen Touristen von Ferien in der Schweiz überzeugen, ergänzte Christian Levrat (sp, FR). Bundesrat Maurer kritisierte, dass das Geld gemäss diesem Vorschlag nicht in der Schweiz bleibe, sondern «irgendwelchen Werbebüros und Plakat- und Werbeagenturen irgendwo in China» zugutekomme. Er bat deshalb den Rat darum, ein entsprechendes Unterstützungsprojekt des Bundesrates für den Tourismus abzuwarten, das dann tatsächlich den Schweizer Unternehmen im Tourismusbereich zugute käme. Hans Wicki (fdp, SR) wehrte sich gegen diese Darstellung des Finanzministers und wies als Mitglied eines Steering Committee von Tourismus Schweiz daraufhin, dass die Werbekampagne für das Jahr 2021 bereits in diesem Sommer geplant und Zahlungsverpflichtungen eingegangen werden müssten. Damit wolle man auch nicht in China, sondern in der Schweiz Werbung machen. Nicht nur der Bundesrat, auch eine Minderheit Knecht (svp, AG) lehnte den entsprechenden Antrag der Kommissionsmehrheit mit Verweis auf die bereits existierenden Fördergelder für den Schweizer Tourismus ab. Dennoch sprach sich der Ständerat mit 33 zu 5 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) für den Mehrheitsantrag aus.
Bei den Geschäftsmieten beantragte die Kommission CHF 50 Mio. Diese Zahl komme zustande, indem man von 15'000 betroffenen Mietverhältnissen, einer durchschnittlichen relevanten Miete von CHF 7'800 und einer durchschnittlichen Einschränkung von 1.5 Monaten ausgehe, erklärte Hegglin für die Kommission. Diese Schätzungen wiederum beruhten auf dem ursprünglichen Vorschlag der WAK-SR, wonach Geschäftsmieten bis zu CHF 5'000 pro Monat erlassen und Geschäftsmieten ab CHF 5'000 von Mietenden, Vermietenden und Bund zu je einem Drittel übernommen werden sollten. Auch dagegen wehrte sich eine Minderheit Knecht, deren Sprecher betonte, dass durch eine entsprechende Regelung Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit nicht mehr gewährleistet seien, die Regelung zu Wettbewerbsverzerrungen führen würde und erhebliches Missbrauchspotenzial bestehe. Christian Levrat kritisierte die Minderheit hingegen dafür, dass sie die Entscheidung des Vorabends angreife, aber im Rahmen der Nachtragsdiskussion keine finanzpolitischen Begründungen dafür liefere. «Wir machen uns lächerlich, wenn wir an einem Montagabend um 22 Uhr eine Regelung verabschieden und am Dienstagmorgen um 11 Uhr die Finanzierung dieser Regelung ablehnen», warb er für Annahme des Mehrheitsantrags. Mit 26 zu 14 Stimmen (bei 1 Enthaltung) sprach sich der Rat für den Kredit zu den Geschäftsmieten aus. Ob dieser überhaupt fällig werden würde, war jedoch unklar: Die WAK-NR hatte die entsprechende Motion zur Grundlage der Übernahme der Geschäftsmieten in der Zwischenzeit verworfen und sich für einen eigenen Vorschlag stark gemacht.
Eine weitere Differenz zum Erstrat schlug die FK-SR beim Kredit für die Institutionen zur Kinderbetreuung vor: Statt der vom Nationalrat vorgesehenen CHF 100 Mio. sollten nur CHF 65 Mio. für die Kinderbetreuung gesprochen werden. Diese Differenz stamme daher, dass der Bund ursprünglich 50 Prozent der entgangenen Elternbeiträge übernehmen sollte, nun seien es aber mindestens ein Drittel, erklärt Eva Herzog (sp, BS). Da der Bund mit der Kultur und dem Sport zwei Bereiche unterstütze, die ebenfalls Sache der Kantone seien, ziehe das Föderalismusargument diesbezüglich nicht, nahm sie die Kritik an der Finanzhilfe für die Kinderbetreuung vorweg. Dem widersprach in der Folge der Finanzminister, der auf das Sportförderungsgesetz und das Kulturförderungsgesetz als Grundlage für die entsprechenden Unterstützungskredite hinwies. Er bat folglich um Zustimmung zur Minderheit Salzmann (svp, BE), die auf diesen Betrag verzichten wollte. Mit 25 zu 15 Stimmen (bei 1 Enthaltung) beharrte der Rat jedoch auf der Unterstützung für die Kinderbetreuung und stimmte dem Vorschlag der FK-SR zu.
Kaum Neuerungen gab es bei den übrigen Kreditposten. Eine weitere Minderheit Knecht beantragte, unter Anführung derselben Argumentation wie tags zuvor die Minderheit Guggisberg (svp, BE) in der grossen Kammer, die Soforthilfe für Kulturschaffende zu streichen und die Ausfallentschädigungen im Kulturbereich zu reduzieren. Beide Anträge lehnte der Rat ab. Dabei wurde auf eine Auszählung der Stimmen verzichtet: Wie Ständeratspräsident Stöckli (sp, BE) zuvor angekündigt hatte, beschränkten sich die Stimmenzählenden aufgrund des klaren Resultats auf das Feststellen eines offensichtlichen Mehrs.
Schliesslich bestätigte der Ständerat auch die Kredite für die Luftverkehrsunternehmen (CHF 1.275 Mrd.) und die flugnahen Betriebe (CHF 600 Mio. Verpflichtungskredit und CHF 600 Mio. Nachtragskredit), Ersteres entgegen einer Minderheit Thorens Goumaz (gp, VD), die aus ökologischen Gründen auf den Luftverkehrskredit verzichten wollte: Man dürfe nun im Flugverkehrsbereich nicht zur alten Normalität zurückkehren, sondern müsse die Fluggesellschaften zum Handeln verpflichten, bevor man die entsprechenden Kredite gewähre. Es seien schliesslich nicht diese zwei Fluggesellschaften systemrelevant, sondern «c'est le climat qui est d'importance systémique». Mit 30 zu 5 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) sprach sich der Rat jedoch deutlich für die zwei Kredite aus. Hingegen nahm der Ständerat bei den Rahmenbedingungen der Kreditverwendung eine Änderung vor, indem er sich sowohl bei den Luftverkehrsunternehmen als auch bei den flugnahen Betrieben gegen die Verpflichtung zur Berücksichtigung der Klimaziele des Bundesrates und zur Rückerstattung der durch Reisebüros bezahlten Flüge aussprach, diesen stattdessen jedoch die Suche nach sozialverträglichen Lösungen mit den Sozialpartnern im Falle eines Personalabbaus vorschreiben wollte.

Nachtrag I zum Voranschlag 2020 (BRG 20.007)
Dossier: Bundeshaushalt 2020: Voranschlag und Staatsrechnung

Am ersten Tag der ausserordentlichen Session im Mai 2020, die der Bewältigung der Corona-Krise gewidmet war, gab Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga eine Erklärung des Bundesrates zur Corona-Pandemie ab. Die Schweiz sei nicht unverwundbar; ein kleines Virus habe die grossen Grundrechte in Gefahr gebracht, die der Bundesrat zur Bewältigung der Krise habe beschneiden müssen, indem er Persönlichkeits- und Wirtschaftsrechte und die kantonale Hoheit eingeschränkt habe – sich dabei stets an der von der Bundesverfassung vorgesehenen Verhältnismässigkeit orientierend. Die ergriffenen Massnahmen hätten zu vielen Härtefällen geführt und die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie seien schmerzhaft. Jetzt gelte es, die Schweiz aus der Krise zu führen, wobei das Parlament wieder in der Verantwortung sei. «Unsere starke Demokratie» habe das Virus nicht beschädigen können. Es sei wichtig, dass das Parlament die Entscheide des Bundesrats hinterfrage, damit man in einem fruchtbaren Dialog gemeinsame Lösungen finde. Sie denke aber auch an die Menschen, die in der Krise Angehörige verloren haben und danke allen, die das Land stützten.
Bei der Fraktionsdebatte (Kategorie IIIa), die auf die Erklärung folgte, nahmen die Fraktionssprecherinnen und -sprecher der Fraktionsgrösse nach Stellung zur Krise. Albert Rösti (svp, BE) und Céline Amaudruz (svp, GE) dankten der Polizei, der Armee und dem Zivilschutz und kritisierten zuerst die mangelnde Vorbereitung auf die Krise. Medizinische Mittel, Medikamente und Geräte hätten nur in ungenügender Menge zur Verfügung gestanden. Mit Besorgnis nehme die SVP zudem die wirtschaftlichen Schäden wahr. Man müsse die Menschen vor Covid-19, aber auch «vor dem wirtschaftlichen Untergang» schützen. Das Notrecht sei aufzuheben und auch im Falle einer zweiten Welle nicht wieder einzusetzen. Ein zweiter Lockdown müsse vermieden werden, der Bundesrat müsse die Krisenvorsorge verbessern und die Grenzkontrollen aufrechterhalten. Die Wirtschaft müsse zudem mit tiefen Steuern, Gebühren und Abgaben in Fahrt gebracht werden.
Roger Nordmann (sp, VD) bedankte sich im Namen der SP-Fraktion beim Gesundheits- und Pflegepersonal, dem Verkaufspersonal, den Erziehungs- und Lehrpersonen, den Chauffeuren und Chauffeusen und der Polizei, die sich der Gefahr einer Covid-Erkrankung ausgesetzt hätten. Es seien die Menschen mit den häufig am schlechtesten bezahlten Berufen, die in phänomenaler Geschwindigkeit Hilfspläne ausgedacht und umgesetzt hätten. Dank ihnen sei eine Katastrophe vermieden worden. Aber auch dem Bundesrat müsse Dank ausgesprochen werden. Die SP wehre sich gegen den Versuch, einen Gegensatz zwischen Gesundheit und Wirtschaft herzustellen. Letzterer könne es nur gut gehen, wenn die Pandemie in den Griff gebracht werden könne. Der wirtschaftliche Aufschwung müsse zudem mit dem Schutz der natürlichen Ressourcen und dem Ziel einer Korrektur von Ungleichheiten verbunden werden. Weil die Pandemie global sei, könne die Schweiz die Krise nur im Verbund mit Europa angehen und müsse sich als reiches Land solidarisch mit ärmeren Staaten zeigen.
Im Namen der Mitte-Fraktion sprach Marco Romano (cvp, TI) den Menschen seinen Dank aus, die geholfen hätten, die Gesellschaft am Laufen zu halten. Auch der Bevölkerung, die sich an die Empfehlungen und die Regeln gehalten habe, gebühre Dank. Der Bundesrat müsse klarer und transparenter informieren und auf die politische und soziale Reife des Schweizer Volkes bauen. In unsicheren Zeiten brauche es eine starke Politik der Mitte und konstruktive Lösungen; es brauche nun ein Projekt für das ganze Land, um der grössten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderung der letzten Jahrzehnte zu begegnen. Marianne Streiff-Feller (evp, BE) und Martin Landolt (bdp, GL) – ebenfalls Angehörige der Mitte-Fraktion – dankten dem Bundesrat für das umsichtige Krisenmanagement. Streiff-Feller bat die Regierung, ihre Besonnenheit beizubehalten, und Landolt betonte, dass es gut sei, dass die Führung in der Situation der Krisenbewältigung beim Bundesrat liege. Es sei wesentlich einfacher, zu kommentieren, kritisieren oder zu loben, als die konkreten Entscheide treffen und Verantwortung übernehmen zu müssen. Das Parlament müsse der Versuchung widerstehen, «sich als Schattenregierung aufzuspielen».
Für die Fraktion der Grünen ergriffen Balthasar Glättli (gp, ZH) und Léonore Porchet (gp, VD) das Wort. Sie betonten die Chancen, die aus einer Krise erwachsen können. Glättli schlug etwa vor, mit den Milliarden an Wirtschaftshilfe nicht «die graue Wirtschaft von gestern» zu unterstützen, sondern in einen Umbau hin zu einer grünen Wirtschaft zu investieren. So könnten etwa die Erfahrungen mit Telearbeit zu einer Reduktion der Mobilität genutzt oder die Quartiersolidarität bewahrt werden. Ausserdem dürfe die Klimakrise, die andere grosse Krise neben der Pandemie, die im Gegensatz zu Covid vorhersehbar sei, nicht in Vergessenheit geraten. Glättli sprach sich zudem für Massnahmen aus, die das Parlament krisenresistenter und die Verhältnismässigkeit von Notverordnungen rasch überprüfbar machen. Porchet hob die Leistungen des Gesundheitspersonals hervor und erklärte, die Grünen forderten mehr Unterstützung – etwa ganz konkret in Form eines vierzehnten Monatslohnes.
Beat Walti (fdp, ZH) und Olivier Feller (fdp, VD) sprachen für die FDP-Fraktion. Walti hob hervor, dass das Gesundheits- sowie das Wirtschaftssystem auch in dieser ausserordentlichen Lage gut funktioniert hätten. Es verdiene Anerkennung, dass viele Menschen innert kürzester Zeit ihr Leben umorganisiert hätten. Bedenklich sei allerdings, wie wenig Reserven in vielen Bereichen vorhanden seien. Viele Unternehmen stünden am wirtschaftlichen Abgrund. Deshalb müsse man jetzt die Rahmenbedingungen so ausgestalten, dass die Innovationskraft der Schweiz gestärkt und ihre globale Vernetzung verbessert würden. Man müsse den Menschen zudem Eigenverantwortung zugestehen. Feller betonte, dass es hierfür eine schnelle Rückkehr zur Normalität brauche.
Für die GLP, die kleinste Fraktion im Parlament, ergriffen Tiana Angelina Moser (glp, ZH), Jürg Grossen (glp, BE) und François Pointet (glp, VD) das Wort. Moser betonte die einmalige Solidarität, die sich in der Krise gezeigt habe. Diesem Zusammenhalt sei – zusammen mit der nicht selbstverständlichen finanziellen Stabilität und tiefen Staatsverschuldung – Sorge zu tragen. Die geplanten Eingriffe zur Bewältigung der Krise dürften nicht zu einem «Providurium» werden. Die Krise sei auch eine Chance, um Digitalisierung zu realisieren und klimaschädliche Mobilität neu auszurichten. Grossen und Pointet dankten dem Gesamtbundesrat, der konsequent aber mit Augenmass agiert habe. Freilich müssten die Entscheide aber auch kritisch diskutiert werden, damit man aus der Krise lernen könne.
Nachdem Simonetta Sommaruga auf die verschiedenen Beiträge kurz einging – sie sprach von der selbstverständlich notwendigen Aufarbeitung der Krise und dem Stresstest, dem der Föderalismus ausgesetzt gewesen sei, aber auch von den funktionierenden Wirtschaftsmassnahmen und der Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten –, wurde sie mit einem bunten Strauss an Fragen von Vertreterinnen und Vertretern der bürgerlichen Parteien, vor allem aber seitens der SVP-Fraktion torpediert. Nicht so sehr die beschwichtigenden Antworten der Bundespräsidentin, sondern vielmehr die Fragen selber warfen dabei ein Licht auf die unterschiedlichen Interessen und Pläne der Fraktionen, wie die Krise bewertet und mit welchen Massnahmen sie überwunden werden sollte. So kritisierte etwa Roger Köppel (svp, ZH), dass die Politik des Bundesrates «zerstörerische Auswirkungen auf Wohlstand und Gesundheit» hätten; Yvette Estermann (svp, LU) fürchtete sich vor einem Impfzwang; Thomas Aeschi (svp, ZG) befürchtete die Verlängerung des Notstands bis September; Erich von Siebenthal (svp, BE) forderte Massnahmen, damit Gottesdienste wieder möglich sind; Mike Egger (svp, SG), Erich Hess (svp, BE) und Thomas Hurter (svp, SH) wollten eine Zusicherung, dass das CO2-Gesetz nicht prioritär behandelt werde; Hans-Ueli Vogt (svp, ZH) fragte, wann der Bundesrat die ausserordentliche Lage beenden werde; und Piero Marchesi (svp, TI) verlangte eine generelle Maskenpflicht. Fragen kamen auch aus der Mitte-Fraktion – Marco Romano sorgte sich um den Grenzschutz mit Italien; Benjamin Roduit (cvp, VS) um den «Corona-Graben», also den Umstand, dass die Romandie und das Tessin stärker unter Covid-19 gelitten hätten als die Deutschschweiz; und Fabio Regazzi (cvp, TI) um die Situation der Restaurants. Für die FDP-Fraktion wollte Hans-Peter Portmann (fdp, ZH) wissen, ob für einen neuerlichen Lockdown andere Massnahmen ergriffen würden; Christian Wasserfallen (fdp, BE) interessierte sich für die Grenzmodalitäten für die Exportwirtschaft; Rocco Cattaneo (fdp, TI) fragte nach konkreten Massnahmen für die Tourismusbranche; und Frédéric Borloz (fdp, VD) wollte eine Zusicherung, dass der Inländervorrang nach wie vor Geltung habe.

Am Nachmittag hielt die Bundespräsidentin ihre Erklärung dann auch im Ständerat ab. Nicht weniger als 20 Rednerinnen und Redner meldeten sich in der kleinen Kammer im Rahmen einer «Diskussion über die Erklärung» zu Wort. Pirmin Bischof (cvp, SO) äusserte seine Dankbarkeit, dass das Parlament nun gemeinsam mit dem Bundesrat, der «sehr gut, schnell und effizient gehandelt» habe, die politische Verantwortung wieder übernehmen könne. Ruedi Noser (fdp, ZH) stellte die These auf, dass die Politik in einen «Selbstschutzmodus» verfallen sei und die Illusion schaffe, dass der Staat für jeden Schaden aufkomme. Die Aufgabe der Politik sei es aber, «den Menschen ein gutes, möglichst selbstbestimmtes Leben in Freiheit, Wohlstand und Würde zu ermöglichen». Das bedeute aber auch, dass die Gesundheit nicht einziges Ziel staatlichen Handelns sein dürfe und dafür Freiheit, Wohlstand und Selbstbestimmung nicht geopfert werden dürfen. Das Prinzip «Politik senkt Todesraten, indem sie das Leben anhält» dürfe nicht weiter gelten. Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) erinnerte daran, dass die ärmsten der Gesellschaft nicht vernachlässigt werden dürften. Zudem habe die Krise gezeigt, dass ganz viel Solidarität herrsche, aber auch, dass das Gesundheitssystem gestärkt werden müsse. Insbesondere die Pflegeberufe müssten mehr Anerkennung erhalten. Hannes Germann (svp, SH) hob das Erfolgsmodell Schweiz hervor. Der Staat habe sich in der Krise als handlungsfähig erwiesen. Es gelte nun aber, den Ausstieg aus der Krise zu finden und dabei dieses Erfolgsmodell nicht zu gefährden. Das «gigantische Hilfspaket» schaffe Vertrauen und mache Mut. Es gelte aber, in dieser «Ausgabeneuphorie» Mass zu halten. Lisa Mazzone (gp, GE) sah im Umstand, dass man über die Begrenzung individueller Freiheiten schockiert gewesen sein, ein Zeichen dafür, wie wichtig diese fundamentalen Rechte für die Gesellschaft seien. Die Begrenzung sei aber gerechtfertigt gewesen, weil ein Gleichgewicht zwischen Freiheit und Sicherheit habe gefunden werden müssen. Dass der Bundesrat dieses gefunden habe, zeige etwa auch der Umstand, dass er nicht wie in anderen Ländern den totalen Lockdown, sondern nur ein «semi-confinement» gewählt habe. Die Genfer Neo-Ständerätin wollte in den kommenden Beratungen vor allem auch an die kranken Personen denken – sie selber kenne etwa 20 Personen, die an Covid-19 erkrankt seien – und an jene Menschen, denen auch aufgrund der Krise extreme Armut drohe. Die Folgerednerinnen und -redner reihten sich in den Dank an den Bundesrat ein und gaben ihrer Freude Ausdruck, wieder tagen zu dürfen. Auch Alex Kuprecht (svp, SZ) attestierte der Regierung «Leadership». Hätte das Parlament in der Krise Entscheidungen treffen müssen, so wären, «da bin ich mir fast sicher, heute noch kein Darlehen durch Banken, kein Erwerbsersatz und keine Kurzarbeitsentschädigung geflossen». In den meisten Ausführungen wurde daran erinnert, dass jetzt grosse Aufgaben auf das Parlament zukämen, sowohl was die Fragen der Hilfsmassnahmen für die Wirtschaft, aber auch was institutionelle Fragen betreffe. So wies etwa Andrea Caroni (fdp, AR) darauf hin, dass die Bundesversammlung auf die Gesundheitskrise unzureichend vorbereitet gewesen sei. Das müsse sich ändern. «Der Hals-über-Kopf-Abbruch der Frühjahrssession» sei «ein Tiefpunkt in der Parlamentsgeschichte des Landes» gewesen, befand gar Paul Rechsteiner (sp, SG). Immerhin hätten 32 Mitglieder des Ständerats diese ausserordentliche Session verlangt, um den verfassungsmässigen Zustand wiederherzustellen. Nicht wenige Rednerinnen und Redner aus dem bürgerlichen Lager forderten den Bundesrat auch auf, die Massnahmen zu lockern und eine Rückkehr zur Normalität anzustreben.
Am Schluss nahm Bundespräsidentin Sommaruga noch einmal Stellung. Sie sei froh, dass die Kommissionen davon abgesehen hätten, selber Notrechtsverordnungen zu erlassen. Der Bundesrat habe von Beginn an einen Mittelweg gewählt, was nun in der Tat erste Lockerungen erlaube. Aber auch hier wolle man nichts überstürzen, um eine zweite Welle zu verhindern. Mit den Öffnungsschritten sollten vor allem auch Perspektiven geschaffen werden. Zudem gehe es darum, die Verantwortlichkeiten zwischen Bund und Kantonen zu klären. Auch eine Neudefinition davon, was kritische Infrastruktur sei und wie diese aufrecht erhalten werden solle, sei nötig. Sommaruga sprach zudem von ihren Erfahrungen, die sie während der Krise «im internationalen Bereich» gemacht habe. In einer Krise schaue jeder für sich selber und auch mit Geld könne man daran nichts ändern. Wichtig seien deshalb gute Beziehungen und gute Kontakte vor allem zu den Nachbarstaaten. Zum Schluss wies die Bundespräsidentin darauf hin, dass alle Departemente und die Bundeskanzlei in der Krise viel Arbeit geleistet und sich dauernd mit grossen und komplexen Fragen beschäftigt hätten. Es sei für den Bundesrat eine enorme Belastung gewesen, die dank der Hilfe der Verwaltung habe getragen werden können. Der Bundesrat begrüsse schliesslich die anstehende und von vielen Rednerinnen und Rednern geforderte baldige Aufarbeitung der Situation.

Erklärung des Bundesrates zur Corona-Pandemie (BRG 20.208)

«Die Schweizer Demokratie machte eine Pause» fasste die WoZ rückblickend die Ereignisse um den 15. März 2020 zusammen, als Covid-19 auch das Parlament erfasste und dieses zu einem Abbruch der Frühlingssession veranlasste. Dabei zeigt die Chronologie der Ereignisse nicht nur exemplarisch, wie unvermittelt die Pandemie auch über die Schweiz hereinbrach, sondern sie regte auch Diskussionen über die Krisenresistenz der Legislative an.
Zwar waren zu Beginn der Frühjahrssession am 2. März schon dunkle Wolken am Horizont zu sehen und entsprechend hatte die Verwaltungsdelegation schon vor der Session beschlossen, keine Besucher zuzulassen. Halten sich an einem Sessionstag normalerweise mehr als tausend Personen im Bundeshaus auf, wurde – neben den mit einem Badge ausgerüsteten Interessenvertreterinnen und -vertretern – nur noch fest akkreditierten Medienschaffenden ein Aufenthalt in den Räumlichkeiten gewährt, was in der WoZ einen geharnischten Kommentar nach sich zog: Das Parlament schliesse lieber die Presse aus statt die Lobbys. Neben dem Besuchsverbot galt – wie überall – auch im Bundeshaus die Empfehlung, keine Hände zu schütteln. Allerdings war die ebenfalls empfohlene Distanz von zwei Metern in den engen Ratssälen nicht einzuhalten.
Für einen medial breit kommentierten «Eklat» (Tages-Anzeiger) sorgte dann am ersten Sessionstag Magdalena Martullo-Blocher (svp, GR), die als Einzige mit einer Schutzmaske den Ratssaal betrat und deshalb von Nationalratspräsidentin Isabelle Moret aus dem Saal gewiesen wurde – das Tragen von Masken ist in den Ratssälen nicht erlaubt. Sie wolle sich vor Ansteckungen schützen und hätte eine Absage der Session begrüsst, gab die SVP-Politikerin zu Protokoll, die dann ihren Platz immerhin für die Abstimmungen wieder einnehmen durfte, die Debatten aber im Fraktionszimmer verfolgen musste. Die «Maskerade» (Blick) wurde als «Kindergarten» (Min Li Marti, sp, ZH) oder als «coup médiatique» (Le Temps) der SVP gewertet, die damit Angst bewirtschafte. Die SVP sei jetzt plötzlich «für Verhüllung und Maulkörbe», kommentierte der Blick lapidar. Einige SVP-Ratsmitglieder verteidigten freilich die Aktion Martullo-Blochers. So berichtete etwa Alfred Heer (svp, ZH), dass er als Europaratsmitglied nicht nach Strassburg dürfte, wenn er sich in den letzten 14 Tagen in Risikogebieten aufgehalten hätte. Hier in Bern sei er freilich nicht nach seinen Auslandreisen gefragt worden.
Zu Beginn der zweiten Woche war es erneut die SVP, die auf die vor allem im Nachbarland Italien stark ansteigenden Corona-Ansteckungen reagieren wollte. Mit einem Ordnungsantrag (20.9004) verlangte SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (svp, ZG) einen Sessionsunterbruch. Das BAG habe neben dem «Social Distancing» auch ein Fernbleiben von öffentlichen Veranstaltungen vor allem für Risikogruppen empfohlen. Nicht nur sei im Parlament das Einhalten des Abstands nicht möglich, es gäbe auch zahlreiche Risikogruppen, so die Begründung für den Ordnungsantrag. «Analog zur Begrenzungsinitiative wäre es richtig gewesen, zu kontrollieren, wer überhaupt ins Land kommt», kritisierte Aeschi in seiner Begründung die vorangegangenen Entscheidungen des Bundesrats. Der Sprecher des Büros, Andreas Aebi (svp, BE), empfahl eine mit 10 zu 1 Stimmen (1 Enthaltung) beschlossene Ablehnung des Antrags. Man müsse sich auf Fakten stützen und solle keine Ängste schüren. Es würde als schlechtes Beispiel gewertet werden, wenn sich das Parlament «aus der Verantwortung stehlen würde». Mit 155 zu 13 Stimmen (8 Enthaltungen) wurde der Antrag deutlich abgelehnt. In der Presse wurden der Antrag der SVP und vor allem das Votum Aeschis zur eigenen Initiative als «taktisches Spielchen» (Blick) kritisiert. Mit Schüren von Angst wolle die Partei Stimmung für ihre Begrenzungsinitiative machen, vermutete etwa Roger Nordmann (sp, VD). Es wäre der SVP wohl auch gelegen gekommen, wenn mit einem Abbruch die Beratungen zu den Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose, welche vielerseits als Massnahme gegen die Begrenzungsinitiative verstanden wird, auf Eis gelegt worden wären, vermutete der Blick weiter.
Freilich wurde für die zweite Woche der Zugang zum Bundeshaus noch einmal eingeschränkt. Mitgliedern des diplomatischen Corps und ehemaligen Parlamentarierinnen und Parlamentariern wurde der Zutritt verwehrt. Darüber hinaus galt die dringende Empfehlung, zu Hause zu bleiben, wenn man sich krank fühlte. Den Fraktionen wurden zudem grössere Räume für ihre Sitzungen zur Verfügung gestellt.
Den am darauffolgenden Freitag vor der dritten Sessionswoche gefällten Entscheid der Verwaltungsdelegation, die Session nicht abzubrechen – schliesslich sei das Parlament Arbeitsort und nicht «Veranstaltung» – machten dann jedoch die sich überstürzenden Ereignisse obsolet. So wurden sich die Fraktionen noch am Sonntag vor der dritten Sessionswoche einig, dass der Abbruch der dritten Sessionswoche in Anbetracht der sich rapide verschlechternden Situation – tags zuvor waren in der Schweiz 1'563 Neuinfektionen verzeichnet worden – für die Gesundheit der Parlamentsmitglieder, die einer Risikogruppe angehörten, das Beste sei. Politische Geschäfte könnten jetzt warten, gab Andrea Gmür (cvp, LU), Präsidentin der Mitte-Fraktion, der Aargauer Zeitung zu Protokoll, «wir Politikerinnen und Politiker werden nun zuerst zu Hause benötigt».
Das Parlament sei nun also doch noch zur «Einsicht» gekommen, urteilte die NZZ. Mit der Fortführung der Session hätte man ein fragwürdiges Signal an die Bevölkerung gesendet. Zwar käme es nun zwar bei einigen Geschäften zu Verzögerungen, aber es sei «nicht anzunehmen, dass Menschenleben gefährdet sind, weil National- und Ständerat ihre Entscheide erst später fällen». Freilich wurde auch Kritik am Sessionsabbruch laut. Gerade in einer Krisensituation müsse das Parlament handlungsfähig sein und entscheiden können, gab etwa Claude Longchamp in der Aargauer Zeitung zu Protokoll. Auch die nun wohl fehlende Meinungsbildung für die geplanten Abstimmungen im Mai (Begrenzungsinitiative, Jagdgesetz und Erhöhung der Kinderabzüge) wurde angemahnt. Das sei einer Musterdemokratie, als die sich die Schweiz verstehe, unwürdig, so ein weiterer Kommentar in der Aargauer Zeitung; man habe fast «den Eindruck, gewisse Nationalräte seien froh, die Verantwortung an den Bundesrat delegieren zu können. Diese Haltung ist inakzeptabel». Als Folge wurden auch die Forderungen nach einer Digitalisierung des Ratsbetriebs oder der direkten Demokratie lauter.
Zudem wurden für die für Anfang Mai anstehende Sondersession alternative Standorte gesucht. Diese solle wenn immer möglich durchgeführt werden, allerdings nicht im Bundeshaus, gaben die Ratsbüros bekannt. Diese – wie auch vor allem die Finanzkommission – tagten dann in der Tat relativ schnell wieder; vor allem virtuell. Der Abbruch der Session sei nötig gewesen, weil die Hygienemassnahmen nicht hatten eingehalten werden können, die Handlungsfähigkeit des Parlaments sei dank der Arbeit der Kommissionen aber immer gewährt gewesen, verteidigte denn auch Ständeratspräsident Hans Stöckli (sp, BE) den Entscheid. Einig waren sich Presse und Politiker immerhin darin, dass man über die Krisenresistenz des Parlaments nachdenken müsse.

Keine dritte Sitzungswoche der Frühlingssession der Bundesversammlung

Bereits am Tag darauf setzte sich der Ständerat wieder mit den Überbrückungsleistungen (ÜL) für ältere Arbeitslose auseinander, konnte dabei aber nicht alle Differenzen bereinigen. Die aktuellsten Empfehlungen der SGK-SR zur Höhe der allgemeinen Obergrenze sowie der Obergrenze der Krankheitskosten liessen die Kritik der Linken an den Änderungen des Ständerats zu den Überbrückungsleistungen, welche bereits seit Beginn der Behandlung vorgebracht worden war, immer lauter werden. Eva Herzog (sp, BS) etwa monierte, dass das Parlament mit seiner aktuellen Version vom ursprünglichen Grundgedanken des Bundesrates, nämlich die Unterstützung von Menschen, die ein Leben lang gearbeitet hätten, und die Verhinderung deren Abrutschens in die Sozialhilfe oder in die Nähe der Sozialhilfe, abgekommen sei. Die Diskussion gehe in eine «völlig falsche Richtung», zumal sie gewisse Bezügerinnen und Bezüger von ÜL in Schwierigkeiten bringe, wie Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) ergänzte. Dem widersprach Erich Ettlin (cvp, OW) heftig. Vielmehr hole man mit den ÜL 3'400 Menschen, die heute gar nichts hätten, aus den Schwierigkeiten heraus; einige würden dabei aber womöglich in einer ungenügenden Situation bleiben. In der Folge zeigte der Ständerat dann auch kein Entgegenkommen bei der Frage nach der Höhe der Obergrenze der ÜL. Er lehnte einen Minderheitsantrag Carobbio Guscetti, mit dem die Obergrenze für Alleinstehende beim doppelten, für Mehrpersonenhaushalte bei 2.25-fachen des allgemeinen Lebensbedarfs gemäss ELG festgelegt und die Krankheits- und Behinderungskosten nicht in den allgemeinen Plafond eingebunden worden wären, ab und beharrte somit auf dem doppelten Lebensbedarf. Die Obergrenze für die gesamten ÜL inklusive dieser Gesundheitskosten erhöhte er im Vergleich zu seinem ersten Vorschlag für Mehrpersonenhaushalte, nicht aber für Alleinstehende, auf das 2.25-fache des allgemeinen Lebensbedarfs. Zudem bestätigte er die vom Nationalrat eingeführte Obergrenze für die Gesundheitskosten. Nachdem Josef Dittli (fdp, SR) für die Kommission zudem den Begriff «Mehrpersonenhaushalte» gemäss ELG als «Ehepaare, eingetragene Partnerschaften und Alleinstehende mit Kindern» definiert hatte, stimmte der Rat der entsprechenden Änderung des Nationalrats zu. Geschlagen gab sich der Ständerat bezüglich des Artikels zur Evaluation: Hier verzichtete er auf die Möglichkeit, die ÜL im Rahmen der Evaluation nach fünf Jahren wieder streichen zu können.
Nachdem der letzte Aspekt der Vorlage diskutiert und diese somit an den Nationalrat zurückgewiesen worden war, verabschiedete Ständeratspräsident Stöckli (sp, BE) den Rat ins Wochenende. Die von ihm angekündigte nächste Sitzung des Ständerates am folgenden Montag fand hingegen nicht mehr statt, die Session war in der Zwischenzeit aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus abgebrochen worden.

Überbrückungsleistung für ältere Arbeitslose (BRG 19.051)
Dossier: Ältere Arbeitnehmende

Im Nachgang an die Behandlung der Überbrückungsleistungen (ÜL) für ältere Arbeitslose im Ständerat waren die ÜL vermehrt Thema in den Medien. Die NZZ vermutete, dass eine Vorlage mit so vielen Änderungen, wie sie der Ständerat vorgenommen habe, unter normalen Umständen an die Kommission zur Beratung zurückgewiesen würde. Dies sei in diesem Fall aber nicht möglich, da der Bundesrat auf eine schnelle Behandlung der Vorlage und ihren Abschluss vor der Abstimmung über die Begrenzungsinitiative poche. Die ÜL sollten als Argument gegen die Notwendigkeit der Begrenzungsinitiative dienen, betonte die Zeitung. Entsprechend waren für die Frühjahrssession 2020 auch vier Termine im Nationalrat und drei Termine im Ständerat zur Behandlung dieses Geschäfts reserviert. Ende Februar schrieben SVP-Parteipräsident Rösti (svp, BE) und Fraktionschef Aeschi (svp, ZG) einen Brief an die Büros von National- und Ständerat mit der Forderung, das Differenzbereinigungsverfahren zu den ÜL vom Sessionsprogramm zu streichen. «Eine seriöse und verantwortungsvolle gesetzgeberische Arbeit in dieser kurzen Frist ist nicht möglich», erklärten sie im Brief. Ständeratspräsident Stöckli (sp, BE) erwiderte, dass das Behandlungstempo lediglich davon abhänge, ob die Vorlage bereit, also von der Kommission vorberaten sei. Die Büros lehnten den Antrag der SVP ab und liessen das Sessionsprogramm unverändert.
Der Nationalrat eröffnete denn auch gleich seine Frühjahrssession mit der Beratung der ÜL und beschäftigte sich zuerst mit zwei Minderheitsanträgen Rösti. Eine Minderheit verlangte, die Beratung des Geschäftes bis nach der Abstimmung über die Begrenzungsinitiative auszusetzen, die zweite beantragte Nichteintreten. Der SVP-Präsident zeigte sich zwar erfreut darüber, dass die Probleme älterer Arbeitnehmender thematisiert würden, kritisierte jedoch die Lösung des Bundesrates, «diese Leute in die Rente zu schicken, statt ihnen Arbeit zu geben». Rösti führte die Probleme der älteren Arbeitnehmenden auf die Einwanderung zurück und betonte, dass die Stimmberechtigten hier mit der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative hätten Gegensteuer geben wollen. Dass ein Zusammenhang mit der Einwanderung bestehe, hätten nun auch die anderen Parteien bestätigt, indem sie die ÜL dringend noch vor der Abstimmung über die Begrenzungsinitiative «durchpeitschen» wollten. Stattdessen müsse man sich für die Differenzbereinigung mehr Zeit nehmen, «wie es sich bei einem so wichtigen Geschäft für ein seriöses Parlament gehört». Ohne auf die Kritik der SVP bezüglich der viel zu knappen Zeit einzugehen, lehnte der Nationalrat beide Minderheitsanträge ab: Mit 143 zu 54 Stimmen sprach sich der Rat gegen eine Verschiebung der Behandlung und mit 140 zu 56 Stimmen (bei 1 Enthaltung) für Eintreten aus. Nichteintreten fand über die SVP-Fraktion hinaus Zustimmung bei drei Mitgliedern der FDP; Lorenzo Quadri (lega, TI) hingegen sprach sich für eine Detailberatung des Geschäfts aus.
In der Detailberatung nahm Kommissionssprecher Philippe Nantermod (fdp, VS) die Verbindung zur Personenfreizügigkeit in seiner Argumentation auf und betonte, dass man das Kind nicht mit dem Bade ausschütten solle («qu'on ne jette pas le bébé avec l'eau du bain»): Statt einer Kündigung der Personenfreizügigkeit solle man besser für die besonders stark betroffenen Personen eine konkrete Lösung finden. Eine solche Lösung sei das von ihm und Kommissionssprecherin Mattea Meyer (sp, ZH) vorgestellte Konzept zur Überbrückungsrente der SGK-NR. Dieses orientiere sich, stärker noch als die Lösung des Ständerats, an den EL, weite aber das Feld der möglichen Bezügerinnen und Bezüger aus. Entsprechend rechnete die Kommission ab 2028 mit 6'200 Beziehenden und Kosten von CHF 270 Mio. pro Jahr, verglichen mit der ständerätlichen Version von 1'700 Beziehenden bei CHF 70 Mio. und des Bundesratsvorschlags mit 4'700 Beziehenden und Kosten von CHF 230 Mio. Die Orientierung an den EL habe den Vorteil, dass die Überbrückungsrente weniger attraktiv sei als in der bundesrätlichen Version und damit Personen mit ÜL gegenüber arbeitenden Personen nicht bessergestellt würden.
In der Detailberatung waren drei Punkte zentral: Anspruchsbeginn und -ende, Anspruchsvoraussetzungen sowie die Höhe der Leistungen. Bezüglich Anspruchsbeginn und -ende wollte die Kommissionsmehrheit, dem Ständerat folgend, die Grenze bei 60 Jahren belassen; die Minderheiten I Sauter (fdp, ZH), II Dobler (fdp, SG) und III Prelicz-Huber (gp, ZH) bevorzugten Grenzen von 62 Jahren, 3 Jahren vor offiziellem Renteneintritt und 57 Jahren. Anders als der Ständerat wollte die Kommissionsmehrheit die Leistungen aber nur für diejenigen Personen, die voraussichtlich sowieso EL beziehen müssten, zeitlich bis zum ersten Bezugstermin der AHV-Altersrente beschränken. Allen anderen wollte sie ÜL bis zum ordentlichen AHV-Rentenalter ermöglichen. Eine Minderheit Rösti sprach sich dafür aus, diesbezüglich dem Ständerat zu folgen. Die verschiedenen Minderheiten kamen jedoch nicht über 71 Stimmen hinaus; die grosse Kammer folgte bezüglich Anspruchsbeginn und -ende überall der Kommissionsmehrheit.
Auch bei den Anspruchsvoraussetzungen lagen verschiedene Minderheiten vor. Die Kommissionsmehrheit schlug vor, die vom Ständerat gutgeheissene Altersbegrenzung zu streichen. Somit könnten ÜL zwar erst ab 60 Jahren bezogen werden, jedoch auch von Personen, die bereits vor Erreichen des 60 Altersjahrs ausgesteuert worden waren. Auch die Notwendigkeit, 10 der 15 Jahre vor der Aussteuerung ein definiertes Mindesteinkommen erhalten zu haben, wollte die Kommission streichen und stattdessen die Voraussetzung einbauen, dass 5 der nötigen 20 Jahre, in denen die Person in der AHV versichert war, nach dem Alter von 50 Jahren stattfanden. Zudem wollte die Kommission bei den Mindestbeträgen Erziehungs- und Betreuungsgutschriften gemäss AHVG berücksichtigen und das für einen ÜL-Bezug notwendige Reinvermögen halbieren. Die Minderheiten I Sauter und II Dobler wollten mehrheitlich dem Ständerat folgen, aber die ÜL nur Personen, die ab einem Alter von 62 Jahren (Sauter) respektive drei Jahre vor dem Rentenalter (Dobler) ausgesteuert wurden, ausbezahlen sowie ebenfalls beim Mindesterwerbseinkommen Erziehungs- und Betreuungsgutschriften anrechnen. Auf Letztere wollte hingegen eine Minderheit Rösti verzichten. Die Kommissionsmehrheit setzte sich jedoch auch in der Frage der Anspruchsvoraussetzungen gegen sämtliche Minderheiten durch und der Nationalrat entschied überdies, dass der Bundesrat Ausnahmebestimmungen für Personen, die diese Ansprüche nicht erfüllen, schaffen können solle.
Eine gewichtige Differenz zum Ständerat schuf der Nationalrat bezüglich der Höhe der Leistungen. Hier mache es keinen Sinn, eine Obergrenze für die ÜL festzulegen, wie es Bundesrat und Ständerat getan hatten, da gemäss dem Modell der EL die anerkannten Ausgaben klar festgelegt seien, betonten Mattea Meyer und Philippe Nantermod für die Kommission. Mit 117 zu 70 Stimmen (bei 8 Enthaltungen) setzte sich die Kommissionsmehrheit diesbezüglich gegen eine Minderheit Rösti, die den Betrag auf den doppelten allgemeinen Lebensunterhalt gemäss EL beschränken wollte, durch. Damit zusammenhängend sprach sich der Rat auch für eine separate Vergütung der Krankheits- und Behinderungskosten sowie für eine Steuerbefreiung der ÜL aus.
Auch in den meisten anderen Punkten zeigte sich die Kommissionsmehrheit erfolgreich. So sollen etwa ÜL auch ins Ausland exportiert werden dürfen und die Sozialhilfe bei den anrechenbaren Einnahmen nicht angerechnet werden. Zudem kann der Bundesrat die Pflicht für ÜL-Beziehende schaffen, jährlich nachzuweisen, dass sie sich um eine Stelle bemühen. Dieser Punkt war zuvor in den Medien diskutiert worden, weil der Ständerat mit der Einführung einer entsprechenden Pflicht die Bemühungen des Bundesrates, die ÜL als Vorruhestandsregelung, nicht als Arbeitslosenentschädigung aufzustellen, torpediert hatte. Wichtig ist die Frage, ob die ÜL eine Arbeitslosenentschädigung darstellen oder nicht, weil bei Arbeitslosenentschädigungen gemäss Personenfreizügigkeit auch die Jahre angerechnet werden müssten, in denen eine Person im EU-Raum Arbeitslosenbeiträge bezahlt habe. Bei einer Vorruhestandsregelung müssten jedoch nur die Arbeitsjahre in der Schweiz angerechnet werden. Die nationalrätliche Version gebe dem Bundesrat nun die Möglichkeit, hier schnell zu reagieren, falls dies nötig sei, betonten die Medien.
Obwohl zudem bei den EL keine Risiko-, Verwaltungs- und Sparbeiträge für die berufliche Vorsorge bezahlt werden, wie Marcel Dobler für die Minderheit Nantermod argumentierte, sprach sich die Mehrheit des Nationalrats dafür aus, diese Beiträge – nicht jedoch die Beiträge der beruflichen BVG-Mindestvorsorge, wie es von der Minderheit Gysi (sp, SG) gefordert worden war – als anerkannte Ausgaben zu akzeptieren. Bei der EL-Revision habe man beschlossen, dass Personen ab 58 Jahren, die arbeitslos werden, weiterhin bei ihrer Pensionskasse versichert bleiben könnten, erklärte Kommissionssprecherin Meyer diesbezüglich. Dazu müssten sie aber Risikobeiträge und Beiträge an die Verwaltungskosten leisten, die entsprechend hier anerkannt werden sollten.
Schliesslich änderte der Nationalrat den vom Ständerat eingefügten Artikel zur Evaluation des Gesetzes: Der Ständerat hatte vorgesehen, dass der Bundesrat nach fünf Jahren nicht nur Bericht erstatten, sondern auch einen Antrag für das weitere Vorgehen stellen solle. Ein Ende der ÜL wäre somit zu diesem Zeitpunkt möglich. Der Nationalrat strich diesen Punkt und ergänzte stattdessen die Anforderungen an den Bericht.
Gegen die Kommissionsmehrheit entschied sich der Nationalrat bezüglich der Frage, ob rückwirkend auch bereits Ausgesteuerte Anrecht auf ÜL erhalten sollen. Mit 102 zu 92 Stimmen sprachen sich die geschlossen stimmende SVP, Mehrheiten der FDP.Liberalen und der Mitte-Fraktion sowie ein Mitglied der GLP-Fraktion für eine Minderheit Aeschi und gegen eine entsprechende Regelung auf Rückwirkung aus. Zudem nahm der Rat einen Antrag Regazzi (cvp, TI) an, wonach Branchen mit sozialpartnerschaftlichen Lösungen von der Finanzierung der ÜL ausgenommen werden sollen, weil sie sich bereits an eigenen Lösungen für ältere Mitarbeitende beteiligen müssten und es sonst zu einer Doppelbesteuerung komme. Unklar blieb, wie diese Ausnahme ausgestaltet werden soll.
Mit 140 zu 54 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) löste der Nationalrat erst die Ausgabenbremse und nahm den Entwurf in der Folge mit 131 zu 57 Stimmen (bei 9 Enthaltungen) an. Abgelehnt hatten ihn die Mitglieder der SVP-Fraktion mit Ausnahme von Lorenzo Quadri sowie eine Minderheit der FDP.Liberalen-Fraktion, von der sich zudem weitere sieben Mitglieder der Stimme enthielten.

Überbrückungsleistung für ältere Arbeitslose (BRG 19.051)
Dossier: Ältere Arbeitnehmende

Die Digitalisierung bringt es mit sich, dass auch der Parlamentsbetrieb mit verschiedenen Ratings und Rankings vermessen werden kann, welche die Arbeit, den Einfluss oder die ideologische Positionierung der Parlamentsmitglieder zu bestimmen versuchen. Der Versuch, anschauliche Ranglisten zu erstellen und so auch durch Personalisierung die Komplexität von Politik zu reduzieren, dient vor allem den Medien, die sich auch 2019 den verschiedenen Analysen widmeten.

Den Beginn machte Anfang Juli eine neue Plattform namens «politik.ch» mit einer Auswertung der Präsenz während der ganzen bisherigen 50. Legislatur. «Präsenz» wurde dabei mit der Teilnahme an den total 4'076 Abstimmungen, die im Nationalrat bis zur vorletzten Session durchgeführt wurden, gemessen. Zum «Absenzenkönig von Bern» – so die Aargauer Zeitung, die über die Studie berichtete – wurde Roger Köppel (svp, ZH) gekürt. Er habe 22.4 Prozent aller Abstimmungen «geschwänzt», gefolgt von Martin Bäumle (glp, ZH; 21.9%) und Hans Grunder (bdp, BE; 21.7%). Frauen stimmten tendenziell disziplinierter ab, schloss die Zeitung, weil sich am anderen Ende der Skala Andrea Geissbühler (svp, BE), Barbara Keller-Inhelder (svp, SG) und Sandra Sollberger (svp, BL) fanden, die alle weniger als sechs der über 4'000 Abstimmungen verpasst hatten. Die Aargauer Zeitung liess die Protagonisten zu Wort kommen. Bei wichtigen Abstimmungen sei er vor Ort, nicht aber, wenn «das ausufernde Berufsparlament mit sich selbst beschäftigt» sei, verteidigte sich Roger Köppel. «Das Volk» habe sie ins Parlament gewählt und erwarte, dass sie an den Abstimmungen teilnehme, befand hingegen Andrea Geissbühler. Im Schnitt hatten die Nationalrätinnen und Nationalräte drei Prozent der Abstimmungen verpasst. Im Tages-Anzeiger wurde daran erinnert, dass «immer brav auf dem ehrwürdigen Nationalratssessel zu sitzen» nicht mit politischem Einfluss gleichzusetzen sei. Die wichtigsten Entscheidungen fielen nicht im Ratssaal, sondern «in den Kommissionen, in den Hinterzimmern des Bundeshauses und den Salons des Bellevue-Hotels».

Einen Versuch, diese Art von Einfluss zu messen, unternahm die Sonntagszeitung mit ihrem alle zwei Jahre publizierten «Parlamentarier-Rating». Hier erhält Punkte, wer viele Reden hält, in wichtigen Kommissionen sitzt und erfolgreich Vorstösse einreicht; wer innerhalb der eigenen Partei wichtige Funktionen innehat, einer starken Fraktion angehört, hohe Medienpräsenz hat und ausserhalb des Parlaments gut vernetzt ist. Wie schon zwei Jahre zuvor wies die Zeitung SP-Parteipräsident Christian Levrat (sp, FR) als «mächtigsten» Parlamentarier aus, gefolgt von Pirmin Bischof (cvp, SO) und Thomas Aeschi (svp, ZG). Levrat sei «immer dabei, wenn es in der Schweizer Politik etwas anzuschieben oder zu blockieren» gelte. Allerdings falle die SP-interne grosse Lücke hinter Levrat auf. In den Top Ten gebe es kein weiteres SP-Mitglied, was darauf hindeute, dass die parteiinterne Erneuerung wohl noch nicht geschafft sei. Ausgerechnet bei den Frauen schneide die SP schlecht ab. Unter den 15 höchst bewerteten Frauen – diese Liste wurde von Tiana Angelina Moser (glp, ZH; total Rang 6) und Lisa Mazzone (gp, GE; Rang 13) angeführt – fänden sich lediglich zwei Genossinen: Maria Carobbio Guscetti (sp, TI; Rang 23) und Barbara Gysi (sp, SG; Rang 34). Für das Rating berücksichtigt wurden nur jene Parlamentsmitglieder, die seit Beginn der Legislatur in den Räten gesessen hatten und bei den eidgenössischen Wahlen 2019 wieder antreten wollten. Entsprechend war der 173. Rang auch der letzte. Dort befand sich Bruno Walliser (svp, ZH). Indem die Sonntagszeitung die Rangierung hinsichtlich Medienpräsenz mit der Gesamtrangierung verglich, machte sie auch «die grössten Blender» aus. Die drei Zürcher Abgeordneten Claudio Zanetti (svp), Roger Köppel (svp) und Regine Sauter (fdp) seien zwar «Lieblinge der Medien», spielten im Parlament aber «eine bescheidene Rolle».

Auf der Basis der Abstimmungen im Nationalrat berechnete die Sonntagszeitung in einer weiteren Analyse, wie häufig alle Volksvertreterinnen und -vertreter bei Gesamtabstimmungen in der 50. Legislatur zur Mehrheit gehört hatten. Wenig überraschend fanden sich auf den vorderen Rängen – die Sonntagszeitung nannte sie «die Erfolgreichsten» – Mitglieder der CVP- und der BDP-Fraktion, die jeweils mit links oder rechts oder innerhalb einer grossen Koalition Mehrheiten schaffen. Angeführt wurde die Liste von Elisabeth Schneider-Schneiter (cvp, BL), die bei 98.5 Prozent aller Gesamtabstimmungen gleich wie die Mehrheit gestimmt hatte, was ihr in der Weltwoche den Titel «[d]ie mit dem Strom schwimmt» einbrachte. Auf Platz zwei und drei folgten Viola Amherd (cvp, VS; 98.3%) und Géraldine Marchand-Balet (cvp, VS; 98.2%). Bei den 68 «Erfolglosesten» handelte es sich durchgängig um SVP-Fraktionsmitglieder, angeführt von Erich Hess (svp, BE; 46.8%), Toni Brunner (svp, SG; 48.8)%) und Pirmin Schwander (svp, SZ; 49.8%).

Mitte Oktober warteten dann schliesslich die NZZ und Le Temps mit ihrem alljährlich erscheinenden «Parlamentarier-Rating» auf. Erneut wiesen die auf der Basis des Abstimmungsverhaltens vorgenommenen Positionierungen der Parlamentsmitglieder auf einer Skala von -10 (ganz links) bis +10 (ganz rechts) auf eine zunehmende Homogenisierung innerhalb der Parteien hin. Insbesondere an den Polen habe die Fraktionsdisziplin ein noch nie gekanntes Ausmass erreicht, so die NZZ. So hätten sich die Mitglieder der SP-Fraktion vor den Wahlen 2015 auf einer Skalen-Spannweite von 3.4 Punkten verteilt, im aktuellen Rating betrage dieser Wert lediglich noch 1.2 Punkte. Die Extrempositionen in der SP besetzten im aktuellen Rating Silvia Schenker (sp, BS; -10.0) und Adrian Wüthrich (sp, BE; -8.8). Eine im Vergleich zu 2015 wesentlich grössere Fraktionsdisziplin wiesen bei dieser Berechnung auch die Grünen auf. Lagen das am meisten linke und am meisten rechte grüne Fraktionsmitglied 2015 noch um 2.7 Skalenpunkte auseinander, trennten Maya Graf (gp, BL; -9.2) und die drei ganz am linken Rand politisierenden Michael Töngi (gp, LU; -10.0), Irène Kälin (gp, AG; -10.0) und Regula Rytz (gp, BE; -10.0) im Jahr 2019 lediglich noch 0.8 Skalenpunkte. Damit waren die Grünen im Durchschnitt erstmals seit 2011 wieder weiter links positioniert als die SP: «Les Verts n'ont jamais été aussi à gauche», war dies Le Temps gar die Überschrift der Analyse wert. Am anderen Ende der Skala, bei der SVP, verringerte sich der Wert der Spannweite von 3.7 auf 1.2 Punkte – ohne Berücksichtigung von Roberta Pantani (lega, TI), die zwar der SVP-Fraktion angehört, aber die Lega vertritt und mit einem Wert von 8.2 die am weitesten «linke» Position in der SVP-Fraktion im Nationalrat vertrat. Gleich drei SVP-Nationalräte politisierten ganz rechts aussen und wiesen einen Skalenwert von 10.0 aus: Toni Brunner, Luzi Stamm (svp, AG) und Adrian Amstutz (svp, BE). Jean-Pierre Grin (svp, VD) fand sich bei Position 8.8 und war damit das am weitesten links positionierte Mitglied der SVP im Nationalrat. Selbst bei der CVP war eine Disziplinierung festzustellen: Es zeigte sich im Vergleich zu 2015 ein Rückgang der Spannweite von 3.6 auf 2.6 Punkte, wobei die Fraktion im Vergleich zum Vorjahr zahlreiche Mitglieder leicht rechts von der Mitte aufwies und sich von -1.0 (Dominique de Buman; cvp, FR) bis 1.6 (Philipp-Matthias Bregy; cvp, VS) erstreckte. Die der CVP-Fraktion angehörenden EVP-Mitglieder waren wesentlich weiter links als ihre Fraktion: Niklaus Gugger (ZH) wurde auf der Skala bei -4.2 und Marianne Streiff-Feller (BE) bei -4.3 eingestuft. Die restlichen drei Fraktionen hingegen waren im Vergleich zu 2015 heterogener geworden. Bei der FDP war die Zunahme von 2.5 auf 2.6 Skalenpunkte freilich minim. Die Fraktionsgrenzen wurden bei den Freisinnigen von Walter Müller (fdp, SG; 4.5) und Christa Markwalder (fdp, BE; 1.9) eingenommen. Grössere Sprünge machten die BDP und die GLP. Während sich bei der BDP die Spannweite im Vergleich zu 2015 von 1.2 auf 2.0 fast verdoppelte – wie schon 2015 deckte Rosmarie Quadranti (bdp, ZH; -1.7) die linke Flanke ab, während sich Hans Grunder (bdp, BE; 0.3) am rechten Rand der BDP positionierte – wuchs die Heterogenität innerhalb der traditionell eigentlich sehr homogenen GLP von 0.5 auf 2.7 Skalenpunkte an. Hauptgrund dafür war Daniel Frei (glp, ZH), der von der SP in die GLP gewechselt hatte und mit seiner Position von -5.7 zwar weit weg vom rechten Rand der SP (-8.8), aber auch weit weg vom linken Rand der bisherigen GLP-Mitglieder war. Dieser wurde von Kathrin Bertschy (glp, BE; -3.5) eingenommen, die in der Tat lediglich 0.5 Skalenpunkte von Martin Bäumle (-3.0), also dem rechten GLP-Rand, positioniert war. Die politische Landschaft verarme, schloss die NZZ aus diesen Zahlen. Vor allem zwischen den Mitte- und den Polparteien klaffe eine Lücke. Dort hätten früher moderate SVP- und SP-Vertreter als Brückenbauer gewirkt. Schuld für die zunehmende Fraktionsdisziplin seien aber nicht nur die Parteizentralen, sondern auch die wachsende Zahl an zu behandelnden Geschäften, bei denen Parlamentsmitglieder keine fundierte eigene Meinung mehr bilden könnten und deshalb gemäss der Empfehlung der Parteileitung stimmten.
Die zahlreichen auf die neue Legislatur 2019 bis 2023 hin angekündigten Rücktritte im Ständerat veranlasste die Verfasser des Ratings zur Spekulation eines Rechtsrutschs der kleinen Kammer nach den Wahlen 2019. Die politische Mitte des Ständerats befinde sich bei Pirmin Bischof, also bei -2.8. Da elf zurücktretende Kantonsvertreterinnen und -vertreter links und lediglich sieben rechts von Bischof seien und alle zurücktretenden im Schnitt deutlich linker (-5.3) positioniert seien als die wieder antretenden (-2.3), stellten die Ständeratswahlen vor allem für Mitte-Links eine Herausforderung dar, so die NZZ. Eindrücklich liess sich dies anhand von Raphaël Comte (fdp, NE) nachzeichnen. Der Neuenburger Freisinnige positionierte sich mit -5.7 näher bei Daniel Jositsch (sp, ZH), der mit -6.8 den rechten Rand der SP in der kleinen Kammer besetzte, als bei seinem am weitesten rechts positionierten Fraktionskollegen Philipp Müller (fdp, AG; 4.5) und dem Schnitt der FDP (2.3). Da Comte nicht mehr antrete, sei wohl auch in der FDP mit einem Rechtsrutsch in der kleinen Kammer zu rechnen.

Nationalratsrating

In der Wintersession 2019 beriet der Ständerat den indirekten Gegenvorschlag seiner SPK-SR für mehr Transparenz bei der Politikfinanzierung, der in Folge der erfolgreich zustande gekommenen Transparenz-Initiative als parlamentarische Initiative ausgearbeitet worden und sowohl in der Vernehmlassung wie auch im Bundesrat auf mehrheitliche Zustimmung gestossen war.
Andrea Caroni (fdp, AR) beantragte Nichteintreten. Er sei zwar ein «grosser Freund der Transparenz in der Politik», hier handle es sich aber um eine schlecht ausbalancierte Vorlage, die zudem eher zu «Scheintransparenz» führe. Die Forderungen seien erstens ein Eingriff in die Privatsphäre, weil sie politische Präferenzen und finanzielle Möglichkeiten von Spenderinnen und Spendern offenlegten. Zweitens würden die Regelungen mit viel Bürokratie einhergehen und könnten wohl, drittens, sehr einfach umgangen werden, da zwangsläufig grosse Lücken bestehen blieben. In Ländern, die scharfe Regeln kennen, sei das Vertrauen in die Politik nicht grösser als in der Schweiz, betonte er. Viel Geld und Demokratie stünden in einem heiklen Verhältnis, zitierte in der Folge Paul Rechsteiner (sp, SG) Gottfried Keller. Demokratische Entscheide dürfe man nicht kaufen können. Die Transparenz-Initiative verbiete zwar den Einsatz grosser Geldmittel nicht, sie verlange aber Transparenz. Wer viel investiere, der solle auch dazu stehen. Dass die Sensibilität in der Bevölkerung wachse, zeigten die Volksabstimmungen in den Kantonen Schwyz und Freiburg, wo die Forderung nach Transparenzregeln an der Urne Erfolg hatte. Das Argument, dass Regeln umgangen werden könnten, dürfe nicht gelten, weil man ansonsten überhaupt keine Regeln mehr aufstellen dürfe; man denke dabei etwa an den Strassenverkehr. Christian Levrat (sp, FR) schliesslich erörterte den in seinen Augen erfolgreichen Fall Freiburg und zitierte den aktuellen Sorgenbarometer, der einen Rückgang des politischen Vertrauens zeige. Dem könne vor allem mit vermehrter Transparenz begegnet werden. Beide SP-Vertreter forderten nicht nur Eintreten, sondern auch ein Ja zur Volksinitiative. Justizministerin Karin Keller-Sutter erörterte die Position der Regierung. Der Bundesrat habe in der ursprünglichen Botschaft für die zur Ablehnung empfohlene Initiative keinen Gegenentwurf vorgesehen, weil er Regelungen der Politikfinanzierung kritisch gegenüberstehe, da sie administrativ aufwändig und schwierig umsetzbar seien. Zudem sei der Bundesrat der Meinung, dass sich das Volk nicht kaufen lasse. Es gebe mehrere Beispiele von Abstimmungskampagnen, bei denen grosse Geldmittel eingesetzt worden seien, bei denen sich die Stimmbevölkerung aber auf die finanziell weniger gut bemittelte Seite geschlagen habe. Der jetzt durch die SPK-SR vorgelegte indirekte Gegenvorschlag habe gegenüber der Initiative Vorzüge und es sei sicherlich besser, Finanzierungsregeln auf Gesetzesstufe und nicht auf Verfassungsstufe einzuführen. Aus diesem Grund unterstütze der Bundesrat – nach wie vor mit einer gehörigen Portion Skepsis – den Gegenvorschlag, bei dem er allerdings einige Änderungswünsche anbringe.
Bevor über diese Änderungen debattiert wurde, wurde der Minderheitsantrag Caroni auf Nichteintreten mit 29 zu 14 Stimmen bei einer Enthaltung abgelehnt. Eine Minderheit Stöckli (sp, BE), die von Christian Levrat übernommen worden war, weil Hans Stöckli als Präsident amtete, wollte den Katalog der Offenlegungspflichten für politische Parteien erweitern. Neben den Einnahmen hätten auch Ausgaben und Vermögenslage ausgewiesen werden sollen. Dieser Antrag scheiterte aber genauso wie ein Antrag, die Obergrenze für Zuwendungen nicht bei CHF 25'000, sondern schon bei CHF 10'000 festzulegen. Angenommen wurde ein Antrag des Bundesrats, auf eine Offenlegungspflicht bei Unterschriftensammlungen zu verzichten. Die SPK-SR war hier auf die Linie des Bundesrats umgeschwenkt, weil das öffentliche Interesse an Transparenz in diesem frühen Stadium weniger gross sei, wie Daniel Fässler (cvp, AI) für die Kommission ausführte. Zu diskutieren gab die Frage nach einem Verbot von Zuwendungen aus dem Ausland. Der Bundesrat hatte beantragt, dieses Verbot zu streichen und lediglich den Passus für ein Verbot von anonymen Zuwendungen zu belassen. Die SPK-SR hatte nach längerer Diskussion mit 7 zu 5 Stimmen entschieden, dem Antrag des Bundesrats zu folgen. Eine Minderheit Bischof (svp, SZ) wollte allerdings – auch gestützt auf eine parlamentarische Initiative Fournier (cvp, VS;Pa.Iv. 18.423) – am ursprünglichen Verbot festhalten. Pirmin Bischof warnte davor, dass Wahlen und Abstimmungen in verschiedenen Ländern durch ausländische Geldgeberinnen und Geldgeber finanziert worden seien. Dies sei beim Geldspielgesetz nachweislich auch in der Schweiz der Fall gewesen. Es stehe wohl nächstens eine Abstimmung über den Kauf von Kampfflugzeugen an, wo es um Milliardenbeträge gehe, an denen auch ausländische Player ein Interesse hätten. Im Inland müsse man für Transparenz sorgen, aber die direkte Demokratie werde gegen ausländische Gelder nur durch ein Verbot geschützt. Karin Keller-Sutter entgegnete, dass nicht auszuschliessen sei, dass ausländisches Geld in Abstimmungskampagnen fliesse. Dies werde aber in der Regel bekannt und es werde darüber diskutiert. Ein Verbot sei hingegen mittels Geldkurieren sehr leicht zu umgehen. Das magistrale Votum verhallte jedoch ungehört; der Antrag der Minderheit wurde mit 25 zu 18 Stimmen gutgeheissen.
In der Gesamtabstimmung wurde der Entwurf mit 29 zu 13 Stimmen (2 Enthaltungen) angenommen.

Transparenz in der Politikfinanzierung (Pa. Iv. 19.400)
Dossier: Finanzierung der Politik
Dossier: Transparenzinitiative und Gegenvorschlag - Änderung des Bundesgesetzes über die politischen Rechte