Die Bieler Exekutivwahlen verhiessen Spannung, weil die 2010 beschlossenen Änderungen der Organisation des Gemeinderates (Exekutive) auf 2013 in Kraft traten. Das bisherige System mit vier haupt- und vier nebenamtlichen Gemeinderäten wurde durch eine fünfköpfige, ständige Behörde ersetzt. Die vollamtlichen Gemeinderäte wurden neu Vorsteher von fünf Departementen (Präsidium; Finanzen; Soziales und Sicherheit; Bildung, Kultur und Sport; Bau, Energie und Umwelt). Von den acht Bisherigen traten drei wieder an: der amtierende Stadtpräsident Erich Fehr (sp) und die amtierende Sicherheitsdirektorin Barbara Schwickert (gp) – beide hauptamtliche Gemeinderäte – sowie die nebenamtliche Silvia Steidle (fdp). Die bisherigen hauptamtlichen Gemeinderäte Hubert Klopfenstein (fdp) und Pierre-Yves Moeschler (sp) sowie die drei bisherigen nebenamtlichen Exekutivmitglieder François Contini (gp), René Schlauri (fp) und Teres Liechti Gertsch (sp), wollten sich von der Stadtpolitik zurückziehen. Insgesamt traten 17 Kandidierende auf fünf Listen zur im Proporzverfahren durchgeführten Gemeinderatswahl an: auf der gemeinsamen Liste von SP und Grünen (Bienne solidaire) kandidierten neben Fehr und Schwickert auch Cédric Némitz (sp), Salome Strobel (sp) und Niels Arnold (sp). Die bürgerliche Seite stellte zwei Bündnislisten. Die FDP, die CVP, die BDP, die EVP, die EDU und die Bieler Volkspartei (BVP) schickten unter dem Namen „Bürgerliche Motivation“ neben Silvia Steidle Leonhard Cadetg (fdp), Patrick Calegari (BVP) und Christian Löffel (evp) ins Rennen. Die SVP nominierte zusammen mit den Eidgenossen (Eid.), ein Überbleibsel der in Biel starken Auto- bzw. Freiheitspartei, Beat Feurer (svp), der bereits zwei Jahre zuvor bei Ersatzwahlen die traditionelle SP-Präsidentschaft herausgefordert hatte, Hugo Rindlisbacher (eid.), Martin Scherrer (svp) und Adrian Dillier (svp). Die Bürgerbewegung Passarelle kandidierte mit drei Personen (Roland Gurtner, Ruth Tennenbaum und Noël Tshibangu) und auch der bereits mehrmals erfolglos angetretene parteilose Antonio Cataldo meldete eine Einerliste an. Eine Besonderheit stellt in Biel die Wahl des Stadtpräsidiums dar: mit einem separaten Wahlzettel kann eine der 17 Kandidaturen zum Stadtpräsidenten oder zur Stadtpräsidentin gewählt werden. Offiziell kandidierten allerdings lediglich der amtierende Erich Fehr (sp) und Beat Feurer (svp) für das Amt. Bei den Wahlen Ende September zeigte sich, dass der Systemwechsel an den Kräfteverhältnissen nichts zu ändern vermochte: Die links-grüne Mehrheit – im alten System hielten die SP und die GP fünf der acht Sitze – blieb bestehen: gewählt wurden Erich Fehr (5'892 Stimmen), Barbara Schwickert (5'490 Stimmen) und Cédric Némitz (5'031 Stimmen); sie erhielten am meisten Stimmen auf ihrer Liste, die insgesamt von 53% der Bielerinnen und Bieler eingelegt wurde. 23% der Stimmen erhielt die Bürgerliche Motivation: mit 2'968 Stimmen schaffte Silvia Steidle den Einzug in den Gemeinderat. Die 21% für die SVP/Eidgenossen-Liste waren deshalb bemerkenswert, weil sich 2010 die ehemaligen SVP-Mandatsträger vom Kurs ihrer Partei abgewendet und die Bieler Volkspartei gegründet hatten. Ihr Kandidat Patrick Calegari erhielt allerdings weit weniger Stimmen als der neu in den Gemeinderat gewählte SVP-Vertreter Beat Feurer (4'375 Stimmen). Keine Chancen hatte die Passarelle (2% Wählerstimmenanteil) und die Liste Cataldo (1% Wählerstimmenanteil). Die Befürchtung, dass der Systemwechsel zu einer Benachteiligung der französischsprachigen Minderheit führen könnte, bewahrheitete sich nicht. Mit Cédric Némitz und Silvia Steidle waren zwei der fünf Gemeinderatsmitglieder französischer Muttersprache. Die beiden Frauen in der Exekutive sorgten zudem zumindest näherungsweise für ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis. Keine Überraschungen gab es bei der Wahl ins Stadtpräsidium. Erich Fehr wurde mit 65% der Stimmen deutlich bestätigt. Feurer erhielt die Zustimmung von 25% der Bieler Wahlberechtigten. Die Wahlbeteiligung für das Präsidium lag bei 32,9% und damit leicht höher als die Beteiligung für die Gemeinderatswahlen (32,6%). Der Systemwechsel scheint sich damit positiv auf die Partizipation ausgewirkt zu haben, nahmen doch vier Jahre zuvor nur gerade 28,4% der Bielerinnen und Bieler ihr Wahlrecht wahr. Für Freude sorgte das Wahlergebnis auch bei der Schwulenorganisation Pink Cross, leben doch drei der fünf Gemeinderätinnen und –räte in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung: die Gay Community erhoffe sich von der homosexuellen Mehrheit in der Stadtbieler Exekutive mehr Gehör für die eigenen Anliegen.

Kommunale Wahlen Biel 2012
Dossier: Kommunale Wahlen 2012