Suche zurücksetzen

Inhalte

Akteure

  • Matter, Thomas (svp/udc, ZH) NR/CN
  • Miesch, Christian (svp/udc, BL) NR/CN

Prozesse

35 Resultate
Als PDF speichern Weitere Informationen zur Suche finden Sie hier

Bereits im Vorjahr waren die Meinungen über die Leistungen der Landesregierung während der Covid-19-Pandemie auseinandergegangen. Die Kritik am Bundesrat nahm im Covid-19-Jahr 2021 aber noch einmal merklich zu. Besondere Aufmerksamkeit erhielt dabei Alain Berset. Insbesondere die SVP übte via Medien Kritik am Gesundheitsminister und forderte Mitte Januar 2021, dem SP-Magistraten solle das Gesundheitsdossier entzogen werden, weil er versagt habe. Christoph Blocher bezeichnete Berset gar als «Diktator». Obwohl der amtierende Bundespräsident und SVP-Bundesrat Guy Parmelin daran erinnerte, dass es sich bei der Regierung um «ein Team» handle, und die Kollegialität betonte und der zweite SVP-Bundesrat Ueli Maurer darauf hinwies, dass es niemandem diene, wenn die Bunderatsmitglieder gegeneinander ausgespielt würden – Aussagen, die etwa vom Tages-Anzeiger als Zeichen eines Zusammenschweissens der Landesregierung und von La Liberté als «grand moment d'unité» bezeichnet wurden –, gingen die Angriffe auf einzelne Regierungsmitglieder weiter. So urteilte etwa die Weltwoche, dass Alain Berset «beide Pandemiewellen verschlampt und wirtschaftlich einen Schlamassel angerichtet» habe, von den Medien aber als Held gefeiert werde. Die SVP forderte derweil die Einführung eines Impeachmentverfahrens in der Schweiz, mit dem Regierungsmitglieder abgewählt werden könnten. Die Macht des Bundesrats, der die Diktatur eingeführt habe, müsse gebrochen werden, gab auch SVP-Präsident Marco Chiesa (svp, TI) in Interviews zu Protokoll. Und wiederum die Weltwoche wähnte sich ob des von ihr festgestellten gegenseitigen Misstrauens in der Regierung, in der Anträge von rechts auf eine links-bürgerliche Blockade stossen würden, «wie in einem kalten Krieg». Es brauche deshalb «sieben neue Bundesräte».

Aber auch der Gesamtbundesrat wurde kritisiert. Es brauche ein «deutlich rascheres und entschlosseneres Vorgehen» gegen die Pandemie, forderte etwa die NZZ Mitte Januar 2021. Der Bundesrat müsse seinen Verfassungsspielraum konsequenter ausnutzen und dürfe «entgegen den helvetischen Gepflogenheiten» nicht den langwierigen Mittelweg gehen, bei dem alle Kritikerinnen und Kritiker angehört und integriert würden. Ende Februar ärgerte sich die gleiche Zeitung dann allerdings über die «magistrale Sturheit», die Restaurant-Terrassen noch nicht wieder öffnen zu wollen. Dass die Regierung dem «Druck zur schnelleren Öffnung nicht nachgegeben» habe, sei zwar «hart für die Betroffenen – aber leider richtig», beurteilte denselben Umstand freilich der Tages-Anzeiger und attestierte dem Bundesrat «Rückgrat».

Schriller war die Kritik von Covid-19-Massnahmengegnerinnen und -gegnern an der Regierung. So wusste etwa der Tages-Anzeiger zu berichten, dass der stellvertretenden Armeechef Aldo C. Schellenberg Briefe erhalten habe, die ihn aufforderten, für den Bundesrat ein Kriegsgericht einzurichten. Ende Februar leitete die Bundesanwaltschaft gleich fünf Verfahren wegen Bedrohungen einzelner Magistratspersonen via soziale Medien ein. Bei einem Auftritt in der politischen Diskussionssendung «Arena» im Sommer 2021 erhielt Alain Berset Polizeischutz und auch das Fedpol ergriff zunehmend Schutzmassnahmen wegen massiver Drohungen gegen Bundesrätinnen und Bundesräte.

Immer wieder kritisierten die Medien zudem die Informationspolitik der Regierung. Auf der einen Seite wurden die Indiskretionen gerügt, die verhindert hätten, dass der Bundesrat Entscheidungen über Covid-19-Massnahmen wenigstens so lange habe geheimhalten können, bis sie mit den Kantonen abgesprochen worden seien. Auf der anderen Seite wurde vermutet, dass jene Medien beneidet werden, die mit ebendiesen Indiskretionen versorgt wurden und diese medial ausschlachteten. Die Weltwoche sprach etwa von der «Berset-Verschwörung». Dank «Schützenhilfe von den Medien» könne er die von ihm vorgesehenen Covid-19-Massnahmen stets durchsetzen.

Für einige Diskussionen sorgte auch die Zusammenarbeit zwischen Bundesrat und Wissenschaft. Noch im Januar warfen die Medien der aus Wissenschafterinnen und Wissenschaftern unterschiedlicher Disziplinen zusammengesetzten Task Force vor, selber Politik machen zu wollen. Im Februar wendete sich das Blatt, nachdem bekannt geworden war, dass ebendiese Task Force im Sommer 2020 vor einer zweiten Welle gewarnt hatte, die Behörden diese Warnung allerdings in den Wind geschlagen und wichtige Massnahmen zu früh aufgehoben hätten. Die NZZ kam dabei etwa zum Schluss, dass die Wissenschaft «zu lange ignoriert» worden sei.

Die Kritik flaute parallel mit den abnehmenden Fallzahlen ab dem Frühjahr 2021 dann merklich ab. Zwar wiederholte die Weltwoche noch lange Zeit ihre Kritik an Alain Berset («Captain Long Covid», «Impfdebakel heisst Alain Berset», «Stricken an der eigenen Legende»), bei den restlichen Medien geriet die Regierung allerdings bald aus der Schusslinie.

In die Schlagzeilen geriet Mitte September freilich Ueli Maurer, weil er als «Freiheitstrychler» posierte. An einem SVP-Lokalanlass hatte sich der Finanzminister ein T-Shirt der Covid-19-Massnahmengegnerinnen und -gegner übergestreift und sich fotografieren lassen. Das Bild verbreitete sich via soziale Medien und wurde auf der einen Seite als «Bruch der Kollegialität» (Tages-Anzeiger), ja gar als Versuch, das Land zu spalten (Balthasar Glättli, gp, ZH im Blick) kritisiert, auf der anderen Seite als freie Meinungsäusserung (Thomas Matter, svp, ZH im Tages-Anzeiger) oder auch als Zeichen, dass «vielen Unzufriedenen im Land zumindest inoffiziell magistrales Verständnis» entgegengebracht werde (NZZ), verteidigt. Maurer selber gab in der Aargauer Zeitung zu Protokoll, dass er gar nicht gewusst habe, in «welchen Zusammenhang dieses Leibchen offenbar gebracht wird». Ähnlich wie die SVP im Frühjahr Alain Berset angegriffen hatte, nutzte die SP die T-Shirt-Affäre für Kritik an Ueli Maurer und stellte in der parlamentarischen Fragestunde nicht weniger als neun Fragen zu Maurers von der SP als «Bedrohung der Regierungskollegialität» bezeichneten Aktion. Bundespräsident Guy Parmelin beantwortete alle neun Fragen gleichzeitig, indem er auch bei den Angriffen von links auf das Kollegialitätsprinzip verwies: «Le Conseil fédéral ne commente pas les propos que l'un de ses membres a ou aurait prononcés en public».

Kritik am Bundesrat wegen Covid-Politik 2021

En décembre 2020, le Conseil national a refusé de donner suite à une initiative parlementaire du député Thomas Matter, qui visait à exclure les réfugiés dits écologiques ou climatiques de la notion de réfugié figurant dans la loi sur l'asile. Le texte proposait d'ajouter la mention suivante à l'Art. 3 de la LAsi: «Ne sont pas des réfugiés les personnes qui sont exposées à de sérieux préjudices ou craignent à juste titre de l'être en raison de changements affectant leurs ressources naturelles ou le climat.». Il devait en être de même pour l'attribution du statut d'admission provisoire. La crainte de l'UDC, qui a d'ailleurs formé la minorité de commission souhaitant entrer en matière, était que les milieux de gauche et écologiste se servent des débats actuels sur le climat pour «élargir de façon irresponsable la notion de réfugié». La majorité de la CIP-CN a en revanche estimé que la définition de la notion de réfugié doit rester positive et ne pas reposer sur un catalogue de critères négatifs. Elle a en outre ajouté que chaque personne en procédure d'asile a le droit à un examen de sa situation, afin de déterminer si sa vie et son intégrité corporelle sont menacées dans son pays d'origine.
Un avis que l'ensemble du Conseil national a suivi, rejetant l'initiative par 132 voix contre 51 et une abstention.

Exclure les réfugiés dits écologiques ou climatiques de la notion de réfugié figurant dans la loi sur l'asile (Iv.pa. 19.434)

La majorité de la Commission de l'économie et des redevances du Conseil national (CER-CN) a déposé un postulat qui charge le Conseil fédéral d'établir un rapport sur le rôle de la Banque nationale suisse (BNS) pour atteindre les objectifs de développement durable de la Confédération. Une minorité Matter (udc, ZH), emmenée essentiellement par des député.e.s UDC et PLR, s'est opposée au postulat. L'objectif du postulat est de déterminer comment la BNS peut contribuer à la coordination des mesures climatiques dans la finance, et quels sont les effets des risques climatiques et environnementaux sur la stabilité financière.
Le Conseil fédéral s'est montré favorable au postulat. Il a indiqué qu'un tel rapport compléterait les récents développements législatifs en finance durable.
En chambre, l'objet a été adopté par 100 voix contre 83 et 1 abstention. L'UDC et le PLR n'ont réussi à convaincre que 3 député.e.s du groupe du Centre. Les voix du camp rose-vert, rejointes par les Vert'libéraux et la majorité du groupe du Centre, ont fait pencher la balance.

Objectifs de développement durable pour la Banque nationale suisse (Po. 20.3012)
Dossier: Sustainable Finance

In der Herbstsession 2020 wurde das revidierte CO2-Gesetz von den Räten verabschiedet. Es brachte diverse klimapolitische Verschärfungen mit sich, wie beispielsweise ein Emissionsreduktionsziel von minus 50 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 1990, die Ergänzung der CO2-Abgabe um eine Flugticketabgabe, die Schaffung eines Klimafonds oder verschärfte CO2-Zielwerte für Personenwagen und Lastwagen ab dem Jahr 2025. Die Reaktionen auf das neue CO2-Gesetz fielen naturgemäss sehr unterschiedlich aus. Es sei das erreicht worden, was politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich möglich sei, resümierte Nationalrat Stefan Müller-Altermatt (cvp, SO). Für Vertreterinnen und Vertreter der Grünen und der Grünliberalen ging das Gesetz nicht weit genug, es sei aber ein veritabler Fortschritt im Vergleich zum Status quo, zudem müsse das Gesetz vor dem Stimmvolk bestehen können. Dieser Einschätzung stimmte auch Greenpeace zu. Gemäss Thomas Matter (svp, ZH) hingegen werde das neue CO2-Gesetz das Klima nicht beeinflussen, jedoch den Mittelstand und die Wirtschaft stark belasten. Die Weltwoche sah dies ähnlich und kritisierte das neue Gesetz scharf. Es sei unter anderem unsozial, unbezahlbar und unnütz – unsozial, weil sich nur noch reiche Personen den hohen Benzinpreis oder eine Flugreise leisten könnten; unbezahlbar, weil es den Mittelstand CHF 40 Mrd. bis CHF 50 Mrd. kosten werde; und unnütz, weil die Schweiz ohnehin nur einen Bruchteil der weltweiten Emissionen verursache.
Mehr zu reden gab jedoch die Ankündigung der SVP und einiger Wirtschaftsverbände (beispielsweise ACS, ASTAG und Swissoil) auf der einen Seite sowie vieler Westschweizer Sektionen der Bewegung «Klimastreik» auf der anderen Seite, das Referendum gegen das CO2-Gesetz ergreifen zu wollen. Während der SVP das CO2-Gesetz zu weit ging, erachtete es die Klimastreikbewegung insgesamt als zu wenig ambitioniert. Die Bewegung überliess es jedoch den einzelnen regionalen Sektionen, wie sie zur Ergreifung des Referendums stehen. Diese sogenannte unheilige Allianz wurde in der Klimastreikbewegung selber unterschiedlich aufgenommen. Während Mediensprecherin Lena Bühler nichts von einer Zerreissprobe wissen wollte, hielt Maya Tharian von der jungen GLP den Entscheid der Westschweizer Sektionen für einen fatalen Fehler. Auch die externen Reaktionen fielen kritisch aus. Die WOZ argumentierte, man solle doch besser das nun vorliegende Gesetz umsetzen, als für ein neues Gesetz kämpfen, das eventuell erst dann in Kraft trete, wenn es schon zu spät sei. Auch der Klimawissenschaftler Reto Knutti von der ETH Zürich bedauerte den Entscheid der Westschweizer Klimastreik-Sektionen. Er vertrat die Ansicht, dass die Klimaaktivistinnen und -aktivisten als Alliierte der SVP nur verlieren könnten.

Révision totale de la loi sur le CO2 pour la période postérieure à 2020 (MCF 17.071)
Dossier: Die Kyoto-Protokolle
Dossier: Totalrevision des CO2-Gesetzes
Dossier: Flugticketabgabe
Dossier: Klimawandel in der Schweiz

Die in der Regel als relativ unbestritten geltenden Gesamterneuerungswahlen des Bundesgerichts wurden 2020 zur Vorlage für eine fast epische Diskussion um die Gewaltenteilung. Den Wahlen für die Amtsperiode 2021-2026 war nämlich die medial virulent diskutierte Ankündigung der SVP vorausgegangen, Yves Donzallaz, einen der SVP angehörenden Bundesrichter, nicht wiederzuwählen.
Ursprung der Weigerung der SVP war unter anderem ein Entscheid des Bundesgerichtes im Sommer 2019, einem Amtshilfegesuch Frankreichs zuzustimmen, das die Auslieferung von Bankkundendaten verlangte. In diesem Urteil hatte besagter Donzallaz laut Blick «das Zünglein an der Waage» gespielt, zum Unverständnis seiner Partei. In der Folge stellten SVP-Politiker in den Medien offen die Frage, «ob wir Bundesrichter unserer Partei wiederwählen wollen, wenn sie in keiner Weise unser Gedankengut vertreten» – so etwa Fraktionschef Thomas Aeschi (svp, ZG) in der Sonntagszeitung. Pirmin Schwander (svp, SZ) forderte in der gleichen Zeitung gar ein Amtsenthebungsverfahren gegen den eigenen Bundesrichter. Thomas Matter (svp, ZH) wiederum kündigte in der Liberté an, dass er den Namen dieses Richters bei dessen Wiederwahl sicher nicht vergessen werde. Donzallaz war laut der Basler Zeitung bereits 2015 von der Weltwoche als «Abweichler» bezeichnet worden, weil er mitentschieden hatte, dass das Freizügigkeitsabkommen mit der EU Vorrang vor der Masseneinwanderungsinitiative der SVP habe.
Gegen die Reaktion der SVP wurde in den Medien rasch Kritik laut. Sie wurde von vielen Kommentatorinnen und Kommentatoren als Angriff auf die Unabhängigkeit der Judikative oder als Respektlosigkeit gegenüber der Gewaltenteilung verurteilt. Diskutiert wurde in der Folge auch, ob Parteipolitik überhaupt einen Einfluss auf die Rechtsprechung haben dürfe – eine Frage, die auch mit der Justizinitiative einer Antwort harrt, die im Tages-Anzeiger als «grösste Profiteurin der Querelen» bezeichnet wurde. Auch die Weltwoche kritisierte einen Angriff auf die Gewaltenteilung, allerdings aus alternativer Perspektive: Die Judikative setze sich beim Urteil über die Herausgabe der Bankkundendaten im Verbund mit der Exekutive über die Legislative und den Souverän hinweg. Zu reden gab schliesslich auch der unmittelbar nach der SVP-Kritik gefällte Entscheid des SVP-Fraktionschefs Thomas Aeschi, in der Gerichtskommission Einsitz zu nehmen. Die SVP mache «die Richterwahlen zur Chefsache», urteilte die Aargauer Zeitung.

Kurz nach der Entscheidung des Bundesgerichtes im Herbst 2019 ebbte die entsprechende Diksussion zwar wieder ab, allerdings nur um rund ein Jahr später bei der Vorbereitung der Wiederwahl der Richterinnen und Richter des Bundesgerichts wieder sehr laut zu werden. Der Sonntagsblick berichtete rund drei Wochen vor der für die Herbstsession 2020 angesetzten Wahl von mehreren Quellen, die bestätigten, dass die SVP in der vorberatenden GK beantragt habe, Yves Donzallaz nicht mehr als Vertreter der SVP zu behandeln und ihn nicht mehr zur Wiederwahl zu empfehlen. Die Kommissionsmehrheit habe jedoch nicht auf die Forderungen eingehen wollen. In der NZZ gab Donzallaz zu Protokoll, dass die SVP seit Jahren versuche, die Justiz zu instrumentalisieren. Den Versuchen, das Recht einer politischen Ideologie zu unterwerfen, müsse aber entschieden entgegengetreten werden. Er sei nicht verpflichtet, gegenüber einer Partei Entscheidungen zu rechtfertigen. Zwar sei es legitim, die Rechtsprechung zu kritisieren, nicht aber Richterinnen und Richter persönlich anzugreifen. Donzallaz berichtete auch, dass er von keinen Druckversuchen durch andere Parteien wisse. «Ganz ehrlich glaube ich, es handelt sich dabei um ein spezifisches Problem der SVP», betonte er. In der Aargauer Zeitung bestätigte ein ehemaliger SVP-Bundesrichter, der jedoch nicht namentlich genannt werden wollte, dass Druckversuche der Volkspartei schon in den 1990er Jahren vorgekommen seien. Man habe sich aber stets auf den Standpunkt gestellt, dass man nicht auf das Parteibuch vereidigt worden sei.

Einige Wellen warf auch, dass Donzallaz von seiner eigenen Partei vor dem Wahlgeschäft zu einem Hearing eingeladen wurde. Der Bundesrichter selber sprach von einer «Gewissensprüfung». Er habe während der Diskussion vor der Fraktion ausgeschlossen, dass er beim Urteilen ein Parteiprogramm anwenden könne, da er nur Verfassung und Gesetz verpflichtet sei. Für die SVP-Fraktion argumentierte hingegen Gregor Rutz (svp, ZH), dass jede Richterin und jeder Richter eine politische Grundhaltung habe, die das eigene Urteil beeinflussen würde. Der Parteienproporz sei dazu da, dies zu berücksichtigen und auszugleichen. Wenn nun aber ein Richter die Grundhaltung «seiner Partei» nicht mehr teile, dann müsse Letztere korrigierend eingreifen. Laut Tages-Anzeiger machte die SVP ihrem Richter das Angebot, aus der Partei auszutreten. Als Parteiloser würde er auch von der SVP wiedergewählt, sei ihm beschieden worden.

Die politische Kritik am Verhalten der SVP wurde in der Folge lauter. Dass die Volkspartei die Institutionen nicht mehr respektiere, müsse Konsequenzen haben, forderte CVP-Präsident Gerhard Pfister (cvp, ZG) im Tages-Anzeiger. SP-Präsident Christian Levrat (sp, FR) forderte ein Nachdenken über ein neues Wahlsystem, wenn sich die SVP aus dem Konsens über einen freiwilligen Parteienproporz und die Unabhängigkeit der eigenen Richterinnen und Richter verabschiede. Diskutiert wurde etwa eine Wahl auf Lebenszeit, um Unabhängigkeit nach einer gewissen pluralistisch garantierten Wahl zu garantieren. Kritisiert wurden auch die Mandatssteuern, mit denen Richter zu stark an die eigene Partei gebunden würden. Zudem müsste auch eine Anzahl parteiloser Richter gewählt werden, vorgeschlagen etwa von einer unabhängigen Fachkommission. Freilich gab CVP-Bundesrichterin Julia Hänni im Blick zu bedenken, dass die Unabhängigkeit der Judikative in jedem System vor allem auch vom Respekt der Politik vor dieser Unabhängigkeit abhänge.

Am 9. September 2020 entschied die GK, alle wieder antretenden Bundesrichterinnen und Bundesrichter zur Wiederwahl zu empfehlen. Tags darauf gaben die Parteispitzen der CVP, FDP und SP bekannt, den eigentlich für die anstehende Herbstsession geplanten «Konkordanzgipfel», bei dem das Verfahren für die Besetzung des Bundesrats beziehungsweise die Suche nach einer neuen Zauberformel hätten diskutiert werden sollen, nicht durchführen zu wollen. Man könne mit einer Partei, welche die Institutionen geringschätze, nicht über Konkordanz diskutieren – so die Begründung. Die NZZ schlussfolgerte daraus, dass die SVP nicht nur die Unabhängigkeit der Justiz gefährde, sondern auch ihre eigene Position – auf dem Spiel stünden gar die eigenen Bundesratssitze. SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi wehrte sich gegen den Vorwurf, die Partei halte nichts von der Gewaltentrennung. Bei den Gesprächen mit Donzallaz habe sich gezeigt, dass dieser die Werte der SVP nicht mehr vertrete. Die Partei könne deshalb die Verantwortung für dessen Wahl nicht mittragen. Seine Weigerung, aus der Partei auszutreten, zeuge zudem von «Charakterschwäche». Über Konkordanz werde man so oder so wieder reden; die Absage des Gipfels sei wohl eher dem Umstand geschuldet, dass man dafür keinen geeigneten Termin gefunden habe.

Noch mehr Öl ins Feuer goss dann die SP mit der Forderung, die Richterwahlen zu verschieben. Fraktionschef Roger Nordmann (sp, VD) wollte einen entsprechenden Ordnungsantrag einreichen. Es sei vor der Wahl abzuklären, wie unabhängig die Richterinnen und Richter der SVP seien. Sollte dieser Antrag nicht durchkommen, drohte Christian Levrat im Sonntagsblick, würde er gegen die Wiederwahl aller SVP-Richterinnen und -Richter stimmen. Auch dies provozierte Kritik: So äusserte sich etwa der Grüne Ständerat Matthias Zopfi (gp, GL) im Tages-Anzeiger, dass die anderen Parteien die Richterwahlen nicht noch mehr «verpolitisieren» sollten. Für GLP-Präsident Jürg Grossen (glp, BE) wäre eine kollektive Nichtwahl eine weitere Schwächung der Institution. Man habe ja kein Problem mit dem Gericht, sondern mit der SVP.

Wie so vieles in der Schweizer Politik wurde dann auch die Wahl der Bundesrichterinnen und Bundesrichter parlamentarisch wesentlich weniger heiss gegessen als es im Vorfeld medial aufgekocht wurde. Freilich wurden am 23. September 2020 in der Vereinigten Bundesversammlung im Rahmen des Ordnungsantrags der SP-Fraktion nochmals die parteipolitischen Klingen gekreuzt. Daniel Jositsch (sp, ZH) führte für seine Partei aus, dass die SVP «den politischen Kampf aus dem Parlament hinaus ins Bundesgericht tragen» wolle. Die Abwahlempfehlung eines eigenen Bundesrichters werfe die Frage auf, ob andere SVP-Richterinnen und -Richter noch unabhängig urteilen würden, wenn sie eine Abwahl befürchten müssten. Die Frage nach der Unabhängigkeit der SVP-Richterinnen und -Richter müsse die GK ab sofort vor jeder Wiederwahl prüfen, weshalb die Wahlen auf die Wintersession verschoben werden sollten. Andrea Caroni (fdp, AR) fasste als Sprecher der GK das Prozedere zusammen: Weil bei keiner der 37 wieder kandidierenden Personen Hinweise auf Amtspflichtverletzung gefunden worden seien, würden auch alle zur Wiederwahl empfohlen – diese Überprüfung sei nota bene die einzige Aufgabe der GK. Alle Fraktionen hätten den Entscheid, alle Richterinnen und Richter zur Wiederwahl zu empfehlen, unterstützt – mit Ausnahme der SVP, die die Wiederwahl von Bundesrichter Yves Donzallaz nicht unterstütze. Man habe in der GK auch über eine Verschiebung der Wahl und eine Art Gewissensprüfung diskutiert, dies aber verworfen, eben gerade weil die Unabhängigkeit der Judikative geschützt werden müsse. Mit einer Verschiebung würden alle 37 Kandidierenden dem Generalverdacht ausgesetzt, «Parteisoldaten» zu sein. Andererseits sei kaum zu erwarten, dass sich aufgrund einer Gewissensprüfung jemand als «fremdgesteuerten Parteisoldat» bezeichnen werde.
In der Folge legte Thomas Aeschi für die SVP auch im Parlament noch einmal dar, weshalb sie ihren Bundesrichter nicht zur Wiederwahl empfehlen könne. «Nicht die SVP politisiert die Justiz; die Justiz hat begonnen zu politisieren», führte der Fraktionschef aus. Da dürfe es nicht verwundern, dass die Zusammensetzung des Bundesgerichtes zum Thema werde. Man befürchte insbesondere, dass EU-Recht über Schweizer Recht gestellt werde, wogegen sich die SVP vehement wehre. Wenn nun aber ein eigener Richter die Werthaltungen seiner Partei nicht mehr teile, dann könne die SVP die Verantwortung für ihn nicht mehr tragen. «Wenn Sie, die anderen Fraktionen, Yves Donzallaz wiederwählen, sind Sie verantwortlich für sein künftiges richterliches Wirken: Dann ist er Ihr Richter, dann ist es Ihre Verantwortung», so Aeschi zum Schluss.

In der Folge wurde der Ordnungsantrag der SP-Fraktion mit 42 zu 190 Stimmen (6 Enthaltungen) abgelehnt – Zustimmung fand er ausschliesslich bei den Mitgliedern der SP-Fraktion. Anschliessend wurden alle 37 Kandidierenden wiedergewählt. Da auf den Wahlzetteln alle 37 Namen standen und lediglich gestrichen werden konnten, interessierten natürlich die individuellen Resultate. Am wenigsten von den 239 möglichen Stimmen erhielt wie erwartet Yves Donzallaz. Seine 177 Stimmen lagen aber klar über den nötigen 120 (absolutes Mehr). Die restlichen Kandidierenden erhielten zwischen 197 (Andreas Zünd, SP) und 236 Stimmen (Luca Marazzi, FDP; Thomas Stadelmann, CVP).
Auch die zur Wiederwahl stehenden 12 nebenamtlichen Bundesrichterinnen und -richter schafften die erneute Wahl problemlos (mit zwischen 220 und 236 von 240 möglichen Stimmen). Für den zurücktretenden Ulrich Meyer (SP) wurde Christoph Hurni (GLP) zum ordentlichen Richter gewählt (mit 232 von 241 Stimmen; 9 Wahlzettel blieben leer). Und schliesslich barg auch die Ergänzungswahl von sechs nebenamtlichen Richterinnen und Richtern keine Überraschungen mehr. Auch hier erhielten alle mehr als 200 von 239 möglichen Stimmen.

Freilich – so schloss die NZZ bereits am Tag vor der Wahl – stand das Schweizer Justizsystem bei diesen Wiederwahlen auf dem Prüfstand, auch wenn der Wahltag selbst ohne Überraschung endete. Eine Justizreform sei unumgänglich, folgerte auch der Tages-Anzeiger. Der Angriff der SVP sei zwar gescheitert und ein «Psychodrama» sei verhindert worden – so auch Le Temps, Tribune de Genève und Liberté –, die Justiz stehe nun aber unter Spannung. Dafür, dass die Diskussionen um die Wahl von Richterinnen und Richtern nicht versandet, wird auf jeden Fall die Justiz-Initiative sorgen.

Bundesgericht. Gesamterneuerungswahlen für die Amtsperiode 2021-2026
Dossier: Unabhängigkeit der Judikative

Im September 2019 reichte Maximilian Reimann (svp, AG) eine parlamentarische Initiative ein, mit der er Erträge aus Negativzinsen der Schweizerischen Nationalbank der Altersvorsorge zugutekommen lassen wollte, statt diese wie bis anhin dem Reingewinn der SNB zuzuschlagen. Ob die gesamten Erträge in die AHV geleitet oder Teile davon auch für die zweite oder dritte Säule verwendet werden sollten, liess er ausdrücklich offen. Zwar bezeichnete Reimann die Erhebung der Negativzinsen als «sinnvolle und zweckmässige währungspolitische Massnahme», kritisierte aber deren Folgen für die Altersvorsorgeeinrichtungen. Nachdem Reimann, der aufgrund der parteiinternen Alters- und Amtszeitregelung nicht mehr auf der SVP-Liste angetreten war, bei den eidgenössischen Wahlen 2019 seinen Nationalratssitz verloren hatte, übernahm Thomas Matter (svp, ZH) die Initiative.
Im Mai 2020 entschied sich die WAK-NR aufgrund der finanziellen Folgen der Corona-Krise für die AHV mit 14 zu 10 Stimmen, eine eigene, weitgehend mit der Initiative Reimann übereinstimmende parlamentarische Initiative (Pa.Iv. 20.432) einzureichen. Der zentrale Unterschied bestand darin, dass sich die Kommissionsinitiative ausdrücklich auf die Finanzierung der AHV konzentrierte und die berufliche und private Vorsorge von der Regelung ausnahm. In der Folge zog Matter die Initiative Reimann zurück.

Erträge aus Negativzinsen der SNB sollen der Altersvorsorge zugutekommen (Pa.Iv. 19.481)
Dossier: Was tun mit den Erträgen der Schweizerischen Nationalbank?

Nachdem die Sistierung des Doppelbesteuerungsabkommens mit Saudi-Arabien Ende 2019 aufgehoben worden war, hatte die WAK-NR das inhaltlich unbestrittene Abkommen dem Nationalrat zur Annahme empfohlen.
Kommissionssprecher Lüscher (fdp, GE) betonte die wichtige diplomatische Rolle der Schweiz in der Vermittlung zwischen Saudi-Arabien, Iran und den USA und plädierte für die Stärkung dieser Bindung. Auch wenn der Mord an Kashoggi «abstossend» sei, so könne die Schweiz derartige Staaten nur durch die Fortsetzung bilateraler Beziehungen für Themen wie Menschenrechte sensibilisieren, nicht durch das «Abbrechen von Brücken». Nach dem Abschluss eines Freihandelsabkommens und der Einführung des AIA zwischen den beiden Ländern, sei es zudem naheliegend gewesen, ein DBA auszuhandeln. Eine Minderheit Pardini (sp, BE) beantragte das Eintreten und die sofortige Rückweisung an den Bundesrat mit dem Auftrag, eine Strategie für den Umgang mit Saudi-Arabien vorzulegen. Jacqueline Badran (sp, ZH) stellte gar die Neutralität der Schweiz in Frage, wenn diese mit Ländern, welche «systematisch Menschenrechte mit Füssen treten», wirtschaftliche Kooperationen eingehe. Auch Céline Amaudruz (svp, GE) sprach sich im Namen ihrer Fraktion gegen das Abkommen aus, da die Schweiz in der Regel mehr Informationen ans Ausland liefere als umgekehrt und der Informationsaustausch eine Verletzung der finanziellen Privatsphäre der betroffenen Institutionen darstelle.
Die meisten Ratsmitglieder gaben sich jedoch mit dem bundesrätlichen Bericht zur Beziehung mit Saudi-Arabien zufrieden und legten dem Abkommen keine Steine in den Weg. Mit 120 zu 66 Stimmen (bei 0 Enthaltungen) beschloss der Nationalrat, auf die Vorlage einzutreten, und verzichtete auf die geforderte Rückweisung. Nicht ganz so eindeutig präsentierte sich die Situation bei der Schlussabstimmung, bei der das DBA mit einer deutlichen Mehrheit von 119 zu 71 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) abgelehnt wurde. Grund für das überraschende Resultat sei ein Fauxpas der SVP-Fraktion gewesen, bei der eine Mehrheit «den falschen Knopf gedrückt» habe, wie Thomas Matter (svp, ZH) in seinem Ordnungsantrag zur Abstimmungswiederholung erklärte. Dieser Sinneswandel stand im Widerspruch zur Stellungnahme von Nationalrätin Amaudruz während der Debatte. Dem Ordnungsantrag wurde stattgegeben, was die SVP nutzte, um dem Abkommen bei 111 zu 78 Stimmen (bei 5 Enthaltungen) zur Annahme zu verhelfen.

Doppelbesteuerungsabkommen mit Saudi-Arabien
Dossier: Doppelbesteuerungsabkommen

Selon Leo Müller (pdc, LU), la conversion vers une économie durable passe principalement vers des investissements durables qui se profilent comme l'un des principaux leviers de cette transformation. Alors que la Suisse se positionne déjà sur le marché prometteur de la finance durable, le parlementaire lucernois a déposé une motion pour faciliter les investissements durables. Il a notamment demandé au Conseil fédéral de simplifier l'information et de renforcer la transparence en améliorant la base de données disponible en terme de finance durable.
Le Conseil fédéral, qui a précisé qu'un rapport sur la finance durable était en cours d'élaboration, s'est montré favorable à la motion. Bien que combattue par Thomas Matter (udc, ZH), la motion a été adoptée à la chambre du peuple par 134 voix contre 52. Seul l'UDC et 1 voix PLR se sont opposées à la motion.

Fixer des flux financiers durables (Mo. 19.4313)
Dossier: Sustainable Finance

En considérant le rôle prépondérant de la finance dans le développement durable, Adèle Thorens Goumaz (verts, VD) a déposé un postulat qui charge le Conseil fédéral d'évaluer la compétitivité de la place financière helvétique en terme de durabilité. Le postulat a été repris par Bastien Girod (verts, ZH). Bien que combattu par Thomas Matter (udc, ZH), il a été adopté par la chambre du peuple par 132 voix contre 49 et 3 abstentions. Seule l'UDC s'est opposée au postulat. Le Parlement a donc suivi le Conseil fédéral qui préconisait l'adoption du postulat. En effet, il s'inscrit dans la dynamique induite par la création d'un groupe de travail, chapeauté par le Secrétariat d'Etat aux questions financières internationales (SFI), sur la finance durable.

Comment maintenir la compétitivité de la secteur financier? (Po. 19.3127)
Dossier: Sustainable Finance

In der Herbstsession 2019 beriet der Nationalrat die parlamentarische Initiative Matter (svp, ZH) für eine AHV-Finanzierung durch die SNB. Nachdem beide Seiten ihre Argumente noch einmal ausführlich dargelegt hatten, schritt der Rat zur Abstimmung und entschied sich – überaus knapp – gegen die Vorlage: Mit 71 zu 70 Stimmen verwarf der Nationalrat die Initiative. Die fast geschlossen stimmende SVP-Fraktion sowie eine Mehrheit der stimmenden SP-Fraktion – der grösste Teil der SP-Fraktion sowie die ganze Grünen-Fraktion enthielten sich in dieser Frage der Stimme – reichten nicht aus, um die übrigen bürgerlichen Parteien zu überstimmen.

AHV-Finanzierung durch die Schweizerische Nationalbank (Pa.Iv. 18.465)
Dossier: Was tun mit den Erträgen der Schweizerischen Nationalbank?

Vom Verdacht, dass alt-Nationalrat Christian Miesch (svp, BL) gegen Bezahlung eines SBB-Jahresabonnements durch Thomas Borer eine Interpellation zugunsten kasachischer Interessen eingereicht haben soll, «ist offenbar nichts übrig geblieben», berichtete die NZZ Ende Juli 2019 mit einer kritischen Spitze gegen den Tages-Anzeiger, der die Geschichte, aufgrund derer auch die Immunität von Christian Miesch aufgehoben worden war, ins Rollen gebracht hatte. In der Tat habe die Bundesanwaltschaft das Strafverfahren eingestellt. Der Tatbestand der Bestechung habe sich nicht erhärtet und sei weder in objektiver noch subjektiver Hinsicht erfüllt. Die Entgegennahme des Abonnements als generelles Entgelt stelle keinen ungebührenden Vorteil dar, so die Bundesanwaltschaft in ihrer Begründung, die der Zeitung vorliege. In der NZZ zeigte sich Thomas Borer erleichtert über das Urteil: Man habe eine mediale Hetzkampagne gegen ihn geführt; er sei froh, «dass Gerechtigkeit über Fake-News gesiegt hat».
Der Tages-Anzeiger konterte die Spitze der NZZ und betonte, es gehe aus dem NZZ-Beitrag nicht hervor, was denn genau die «Fake-News» des Tages-Anzeigers gewesen sein sollen.

Aufhebung der Immunität von Miesch

Les récentes évolutions en matière de développement durable, avec notamment les Accords de Paris, ont placé au coeur du débat la finance durable. Ainsi, plusieurs pays, comme l'Allemagne, la France ou le Royaume-Uni, et des organisations internationales, comme l'ONU ou l'OCDE, ont inscrit la finance durable dans leurs agendas. Dans cette optique, Adèle Thorens Goumaz (verts, VD) demande un rapport du Conseil fédéral sur les évolutions des conditions-cadres des marchés financiers afin de maintenir la compétitivité et d'intégrer les évolutions internationales en matière de durabilité.
Le Conseil fédéral a proposé d'accepter le postulat. Il estime qu'il s'inscrit dans sa politique en matière de marchés financiers. Le débat en chambre a été reporté car le postulat est combattu par Thomas Matter (udc, ZH).

Comment maintenir la compétitivité de la secteur financier? (Po. 19.3127)
Dossier: Sustainable Finance

Thomas Matter (svp, ZH) wollte der AHV mit einer parlamentarischen Initiative eine einmalige Finanzspritze durch die Schweizerische Nationalbank zukommen lassen. Demnach sollte die SNB die Hälfte des Eigenkapitalzuwachses seit Ende 2007 an die AHV überweisen, sobald sich das internationale Finanzsystem und die Bilanzsumme der SNB normalisiert haben. Dadurch sollten die Eigentümerinnen und Eigentümer der Nationalbank, also die Bürgerinnen und Bürger der Schweiz, einen Teil des Volksvermögens zurückerstattet bekommen, nachdem sie zuvor unter den Negativzinsen der SNB gelitten hätten, erklärte Matter. Zwischen Ende 2007 und Mitte 2018 war das Eigenkapital der Nationalbank von CHF 66 Mrd. auf CHF 140 Mrd. angestiegen.
Im Mai 2019 beriet die WAK-NR die Initiative Matters und beantragte knapp mit 10 zu 9 Stimmen bei 5 Enthaltungen, ihr keine Folge zu geben. Selbst eine einmalige Änderung der Gewinnausschüttung bedürfe einer Verfassungsänderung sowie eines Verzichts der Kantone, erklärte die Kommission. Zudem solle ein allfälliger Abbau des Eigenkapitals besser schrittweise über längere Zeit erfolgen anstatt einmalig. Eine Minderheit Aeschi (svp, ZG) beantragte hingegen, der Initiative Folge zu geben. Dadurch komme der Eigenkapitalzuwachs der Schweizer Bevölkerung zugute und man gewinne Zeit für eine Reform der AHV, erklärte Aeschi.

AHV-Finanzierung durch die Schweizerische Nationalbank (Pa.Iv. 18.465)
Dossier: Was tun mit den Erträgen der Schweizerischen Nationalbank?

Die Kampagne rund um die Selbstbestimmungsinitiative lief eigentlich schon seit der Lancierung des Begehrens Anfang 2015. Diverse Parteien und verschiedene Organisationen hatten sehr früh ihren Widerstand angekündigt. Schon im März 2015 hatte der Tages-Anzeiger getitelt «Alle gegen die Volkspartei»: Wirtschaftsverbände hatten Sorgen um Handelsverträge geäussert, Staatsrechtlerinnen und Staatsrechtler hatten einen Angriff auf die Menschenrechte befürchtet, Rechtshistorikerinnen und Rechtshistoriker hatten die Idee der «fremden Richter» bemüht, verschiedentlich war eine Instrumentalisierung des Initiativrechts moniert worden und vor den eidgenössischen Wahlen im Herbst 2015 hatte die Frage zur Beziehung von Völkerrecht und Landesrecht «unter Politikern für Polemiken und rote Köpfe» gesorgt (NZZ) – und das alles noch bevor die Initiative überhaupt zustande gekommen war. Die SVP wollte nach eigenem Ermessen Klarheit und Sicherheit hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Völkerrecht und Landesrecht herstellen, was freilich von den Gegnerinnen und Gegnern als «falsches Versprechen» (NZZ) oder «initiative simpliste» (Le Temps) bezeichnet und bestritten wurde. Rückenwind brachte die Initiative wohl auch ihrem Erfinder Hans-Ueli Vogt (svp, ZH), der während seines Ständeratswahlkampfes im Kanton Zürich für das Begehren geworben hatte.

Die Medienberichterstattung über die Selbstbestimmungsinitiative riss natürlich auch während ihrer parlamentarischen Behandlung 2017 und 2018 nicht ab. Diskutiert wurde dabei unter anderem auch schon früh über den Abstimmungstermin. Ob die SVP im Wahljahr 2019 von der Initiative profitieren könne oder nicht, hänge vor allem vom Arbeitstempo des Parlaments und davon ab, ob ein Gegenvorschlag ausgearbeitet würde oder nicht, berichtete die Presse. In den Medien wurden derweil auch verschiedentlich Fälle beschrieben, bei denen Gerichte internationalen Verträgen den Vorrang vor Verfassungsbeschlüssen gegeben hatten. Insbesondere die Ausnahmen, die in Einzelfällen bei der Anwendung des Ausführungsgesetzes zur Ausschaffungsinitiative gemacht wurden, waren ja auch Stein des Anstosses für die Selbstbestimmungsinitiative gewesen. Ob die Schweiz nun «Musterschülerin» sei (Tages-Anzeiger), die in vorauseilendem Gehorsam handle, oder sich als Vertragspartnerin an internationale Abkommen halten müsse, wie in der Presse ebenfalls argumentiert wurde, – die Diskussionen hielten die Selbstbestimmungsinitiative im Gespräch.

Bereits vor Abschluss der parlamentarischen Verhandlungen lancierten die Gegnerinnen und Gegner der Initiative Ende Mai 2018 mittels einer Medienkonferenz offiziell den Abstimmungskampf – obwohl dann noch nicht entschieden war, wann das Anliegen an die Urne kommen sollte. Unter dem Namen «Schutzfaktor M» – M stand bei der bereits 2013 ins Leben gerufenen Organisation für Menschenrechte – und der Bezeichnung «Allianz der Zivilgesellschaft» hatten sich laut Basler Zeitung über hundert Organisationen – darunter etwa der katholische Frauenbund, Pink Cross, Behinderten- und Jugendverbände oder Helvetas – und Tausende Einzelpersonen zusammengeschlossen. Vor der Presse bezeichneten verschiedene Vertreterinnen und Vertreter dieser Organisationen das SVP-Anliegen als «Selbstbeschneidungs-Initiative» oder «Anti-Menschenrechts-Initiative». Die ungewohnt frühe Organisation der Gegnerschaft sei mit der Bedeutung der Initiative zu erklären, aber auch damit, dass der «Abstimmungskampf kein Spaziergang» werde, so der Tages-Anzeiger. Darauf weise auch eine im März 2018 durchgeführte Umfrage hin, die zeige, dass 43 Prozent der Befragten die Initiative sicher oder eher annehmen würden und 48 Prozent dagegen oder eher dagegen seien.

Anfang Juli entschied der Bundesrat dann, die Abstimmung auf den frühest möglichen Zeitpunkt, den 25. November 2018, festzulegen. Anfang Oktober startete die SVP mit ihrem Abstimmungskampf, der zumindest hinsichtlich der verwendeten Bilder und verglichen mit früheren Kampagnen zur Minarett-, Ausschaffungs- oder Masseneinwanderungsinitiative etwa vom Sonntags-Blick als «völlig harmlos» bezeichnet wurden. Auf einem in orange gehaltenen Hintergrund hielten Personen ein Schild mit einem Ja «zur direkten Demokratie» und «zur Selbstbestimmung» in die Kamera. Das Logo der Partei war nicht sichtbar. Man habe die Botschaft bewusst simpel halten wollen. Eine aggressive Kampagne sei nicht nötig, weil die Botschaft klar sei, zudem wolle man einen sachlichen Abstimmungskampf führen, gab Kampagnenchef Thomas Matter (svp, ZH) zu Protokoll.

Die Gegnerschaft fuhr für ihre Kampagne schwereres Geschütz auf: So liess Economiesuisse 18 Frachtcontainer auf den Bundesplatz stellen mit dem Hinweis, dass darin 387 Tonnen Exportgüter Platz hätten, was der Menge entspreche, die von der Schweiz aus alle 10 Minuten in die Welt verkauft werde. Diese Ausfuhren seien aber bei einem Ja zur Selbstbestimmungsinitiative gefährdet. Nur dank zahlreicher internationaler Abkommen, die bei einem Ja alle auf der Kippe stünden, gehöre die Schweiz zu den 20 grössten Volkswirtschaften weltweit. Das «Gesicht der Operation Libero» (Blick), Flavia Kleiner, sprach von der «krassesten Initiative, über die wir je abgestimmt haben», mit ihr werde der Rechtsstaat fundamental angegriffen. Eine in den Medien häufig zu vernehmende Stimme gehörte Helen Keller, der Vertreterin der Schweiz am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Auch für sie entsprach die Initiative einem Angriff auf den Rechtsstaat und die Menschenrechte. Sie argumentierte, dass das Volksbegehren nicht hätte für gültig erklärt werden dürfen und fürchtete sich bei einer Annahme vor einer «Katastrophe», wie die Weltwoche ausführte. Plakate der Gegnerinnen und Gegner zeigten eine Kreissäge, die verschiedene Begriffe (z.B. Frauenrechte, Kinderrechte, Behindertenrechte) durchtrennte, verbunden mit dem Slogan «Nein zur Selbstbeschneidungsinitiative der SVP». In der Weltwoche wurden die Plakate als «krasser Ausdruck» von «Volksverachtung» bezeichnet, mit der die «antidemokratische Gesinnung der Selbstbestimmungsgegner» sichtbar werde. Volksentscheide würden mit «Kettensägenmassaker[n]» gleichgesetzt.
Auch auf Social Media hatten die Gegnerinnen und Gegner der Initiative «die Nase vorn» (Weltwoche). Mit einem Film zeigten sie als antike Soldaten verkleidete Mitglieder der SVP (Roger Köppel [ZH], Andreas Glarner [AG] und Magdalena Martullo-Blocher [GR]), die in einem Trojanischen Pferd versteckt das Bundesgericht entmachten wollten. Ein grosses Holzpferd wurde dann auch kurz vor dem Abstimmungstermin auf dem Berner Bahnhofsplatz präsentiert.

Die SVP – allen voran Christoph Blocher – verteidigte die Initiative mit dem Argument, dass die direkte Demokratie schleichend ausgehebelt werde. Bei der Abstimmung stünden nichts weniger als die Volksrechte auf dem Spiel. «Damit die Leute noch etwas zu sagen haben», müssten sie Ja stimmen, so der vom Blick als «SVP-Übervater» bezeichnete Blocher. Der alt-Bundesrat betrachtete die Selbstbestimmungsinitiative zudem als Vehikel, mit dem der EU-Rahmenvertrag verhindert werden könne. Sehr häufig trat auch Hans-Ueli Vogt vor die Medien, um «seine» Initiative zu verteidigen. Auch der «Architekt» des Begehrens, so die Aargauer Zeitung, argumentierte mit der Verteidigung der direkten Demokratie. Das Parlament setze angenommene Initiativen mit Verweis auf internationale Verpflichtungen nicht so um, wie dies von der Stimmbevölkerung verlangt werde. Mit der Initiative werde der Stellenwert der direkten Demokratie hingegen wieder gestärkt.

Für Wirbel sorgte ein Flyer, der von der SVP Mitte August 2018 an alle Schweizer Haushalte verteilt wurde. Darin trat alt-Bundesrätin Micheline Calmy-Rey als Kronzeugin für die Selbstbestimmungsinitiative auf: «Das Schweizer Recht schützt besser als das europäische. Ich bin entschieden dagegen, dass europäisches Recht sämtliche Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU regeln soll», wurde die ehemalige Magistratin zitiert. Diese Aussage hatte Calmy-Rey im Rahmen einer Diskussion um das EU-Rahmenabkommen gemacht. Von der SVP sei sie aber nicht angefragt worden, sie sei schockiert über dieses Vorgehen. SP-Parteipräsident Christian Levrat (sp, FR) sprach in diesem Zusammenhang von «Lügenpropaganda». Auch die «Buh-Rufe» und die «Schimpftiraden» (Aargauer Zeitung), die Bundesrätin Simonetta Sommaruga bei einem Podium in Suhr (AG) über sich ergehen lassen musste, zeugten von der immer aufgeheizteren Stimmung. Nicht nur die von der SVP immer wieder heftig attackierte Justizministerin, sondern auch die Bundesratsmitglieder Doris Leuthard, Alain Berset, Ignazio Cassis und Johann Schneider-Ammann engagierten sich mit verschiedenen Auftritten für die ablehnende Haltung des Bundesrates. Man habe Lehren aus dem Ja zur Masseneinwanderungsinitiative gezogen, bestätigte Simonetta Sommaruga der Aargauer Zeitung, und trete darum als Regierung stärker in Erscheinung.

Ende August zeigte eine Umfrage, dass zu diesem Zeitpunkt 53 Prozent der Befragten Nein zur Initiative gesagt hätten und 45 Prozent Ja. Als aussergewöhnlich wurde von den Befragenden der Umstand gewertet, dass das Ja-Lager über die Zeit nicht kleiner geworden sei; ein Muster, das sonst bei Initiativen im Verlauf einer Kampagne zu beobachten sei. Thomas Matter sprach bei seinem Kommentar zu diesen Zahlen in der Aargauer Zeitung von einem Kampf «David gegen Goliath». Er schätzte den finanziellen Aufwand der Gegnerschaft auf einen «zweistelligen Millionenbetrag». Die Gegnerinnen und Gegner führten eine «Märchenstundenkampagne mit unlimitierten Budgets», urteilte Matter. Die SVP selber habe weniger als CHF 3 Mio. ausgegeben. Eine Analyse von Media Focus ging hingegen aufgrund der gekauften Werbeflächen (Plakate, Inserate, Werbung auf Youtube) davon aus, dass das Befürworterlager mehr ausgegeben hatte als das Gegnerlager. Auch die APS-Inserateanalyse, mit der die Anzahl der in Printmedien geschalteten Inserate betrachtet wird, stellte ein grösseres Engagement der Befürwortenden- als der Gegnerseite fest. Zudem schalteten die Befürworterinnen und Befürworter deutlich mehr Inserate als noch bei der Masseneinwanderungs- oder der Durchsetzungsinitiative. Wer wie viel für den Abstimmungskampf ausgab, blieb zwar ein Geheimnis, die Kosten waren aber sicherlich überdurchschnittlich hoch.
Die Gegnerinnen und Gegner warnten aufgrund der Umfrageresultate davor, zu meinen, dass das Rennen bereits gelaufen sei. Demoskopen würden sich oft irren, so etwa der Blick. Als für das Nein-Lager nicht förderlich, wurde zudem die Absicht des Bundesrates bezeichnet, ausgerechnet kurz vor der Abstimmung eine Unterzeichnung des umstrittenen UNO-Migrationspaktes zu prüfen. Die Umfragen hatten zudem gezeigt, dass rund ein Drittel der FDP-Sympathisierenden die Initiative unterstützen würde. Auch die Ja-Parole der Jungfreisinnigen des Kantons Zürich zeige, dass durch den Freisinn ein Riss verlaufe, urteilte der Sonntags-Blick. Diesem wollte Parteipräsidentin Petra Gössi (fdp, SZ) auf Anfrage mit Aufklärung und Mobilisierung der eigenen Basis begegnen – so das Sonntagsblatt weiter.

Den «Rückenwind», den die Befürworterinnen und Befürworter durch die Debatte um den Migrationspakt noch einmal erhalten hatten, wie der Blick urteilte, versuchten sie kurz vor der Abstimmung dann noch mit «Brachial-Werbung» (Blick) zu verstärken. Auf der Titelseite der Pendlerzeitung «20 Minuten» warb das «Egerkinger Komitee» um Walter Wobmann (svp, AG) und Andreas Glarner (svp, AG) damit, dass mit der Annahme der Selbstbestimmungsinitiative der UNO-Migrationspakt verhindert werden könnte, dass hingegen bei einer Ablehnung die Minarett-Initiative wieder für ungültig erklärt werden würde. Eine Karikatur zeigte zudem Justizministerin Simonetta Sommaruga, die mit der Aussage «Hereinspaziert» an der Grenze Flüchtlinge in die Schweiz bittet.
Die heftige und ungewöhnliche lange Kampagne liess für den Abstimmungssonntag eine hohe Beteiligung erwarten.

Volksinitiative «Schweizer Recht statt fremde Richter (Selbstbestimmungsinitiative)» (BRG 17.046)

Viele Gewerbe- und Unternehmerverbände, darunter auch Economiesuisse, lehnten die Selbstbestimmungsinitiative ab. Economiesuisse argumentierte etwa, dass rund 600 Wirtschaftsabkommen der Schweiz – darunter beispielsweise bilaterale Verträge mit der EU oder Freihandelsabkommen – bei einer Annahme der Initiative gefährdet seien. Gestört fühlte man sich ob diesem Argumentarium in der Weltwoche: Glaube man den Aussagen des Verbandes, so steuere die Schweiz bei einer Annahme der Initiative auf eine «wirtschaftliche Apokalypse» zu. Auch die SVP kritisierte den Wirtschaftsverband scharf: Thomas Matter (svp, ZH) warf der Economiesuisse gar vor, sie wolle die direkte Demokratie abschaffen, wie das St. Galler Tagblatt berichtete. Heinz Karrer, Präsident der Organisation, tat daraufhin die Kritik Matters als Polemik ab. Die einzige Gefahr für «unser funktionierendes System», so Karrer ebenfalls im St. Galler Tagblatt, sei die Initiative selbst.
Dass die Argumente von Economiesuisse «Quatsch» seien, fand aber auch FDP-Nationalrat Thierry Burkhart (fdp, AG), wie der Sonntags-Blick berichtete. Economiesuisse verwende stets die gleichen Argumente, wonach die Schweiz auf eine wirtschaftliche Katastrophe zusteuere, würde nicht entsprechend abgestimmt. Diese Rhetorik sei nicht glaubwürdig und verfehle die Wirkung. Dennoch, so Burkhart weiter, sei es wichtig, dass die Initiative auch von der Wirtschaft bekämpft werde.
Kaum Unterstützung erhielt die Initiative ferner vom SGV, dessen Delegierte die Nein-Parole beschlossen. Der Gewerbeverband des Kantons St. Gallen wich freilich ab und gab die Ja-Parole heraus.

Economiesuisse/SGV zur Selbstbestimmungsinitiative

Die in den Medien sogenannte «Kasachstan-Affäre» zeitigte auch nach ihrer vermeintlichen Erledigung noch Auswirkungen. Zwar waren in die Affäre involvierte Parlamentsmitglieder als «blauäugige Erfüllungsgehilfen» (Tages-Anzeiger) betitelt worden, weil sie unbedarft von Lobbyisten verfasste Vorstösse eingereicht hätten, es konnte aber nicht nachgewiesen werden, dass jemand für die Gefälligkeit des Einreichens eines Vorstosses auch Geld entgegengenommen hätte. Markus Häfliger, der die Affäre ins Rollen gebracht hatte und in der Zwischenzeit von der NZZ zum Tages-Anzeiger gewechselt war, machte allerdings Anfang März 2018 publik, dass dies wohl nicht ganz der Wahrheit entspreche. Ins Schussfeld geriet vor allem alt-Nationalrat Christian Miesch (svp, BL), der 2014 für das Einreichen einer Interpellation (Ip. 14.3957), im Sinne Kasachstans verfasst von der Lobbyfirma Dr. Borer Consulting, bezahlt worden sein soll. Es soll sich um eine Rechnung für ein 1. Klasse Generalabonnement über CHF 4'635 gehandelt haben. Miesch nahm Stellung und erklärte, dass es sich um ein Missverständnis gehandelt und er das Geld im Jahr 2017 wieder zurückgezahlt habe.
Ende März 2018 gab die Bundesanwaltschaft allerdings bekannt, aufgrund eines anonymen Schreibens mit Informationen zu Geldflüssen zwischen Borer und Miesch Ermittlungen aufzunehmen. Diese führten ein paar Wochen später zur Anstrengung eines Strafverfahrens. Allerdings war ein solches nur möglich, wenn die Immunität von Miesch aufgehoben würde, weil dieser bis Ende 2015 im Nationalrat gesessen hatte.

Mitte Juni beschloss die Immunitätskommission des Nationalrats (IK-NR) auf das Gesuch der Bundesanwaltschaft einzutreten. Damit bejahte sie gleichzeitig die Frage, ob die Tat in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Stellung als Parlamentarier stehe und ob Immunität auch nach dem Ausscheiden aus dem Rat noch Gültigkeit haben könne. Allerdings beschloss die Kommission mit 5 zu 3 Stimmen die Immunität von Miesch nicht aufzuheben. Da es sich lediglich um eine folgenlose Interpellation und einen geringen Betrag gehandelt habe, der auch wieder zurückbezahlt worden sei, müsse bei Miesch von einem «tiefen Unrechtsgehalt des Verhaltens» ausgegangen werden. Die Kommissionsminderheit wies allerdings darauf hin, dass es sich hier um einen Verdacht auf Bestechung handle und dass für ein Ratsmitglied eine Interpellation zwar unbedeutend sein könne, für einen Staat aber eine wertvolle Möglichkeit darstelle, eine direkte Frage beim Bundesrat zu platzieren – ein Recht, das eigentlich Parlamentsmitgliedern vorbehalten sei.
In den Medien wurde der Entscheid der IK-NR kritisiert. Die NZZ sprach von einem «schlechten Witz» und einer «bemerkenswerten Anmassung» einer Legislativkommission. Der Tages-Anzeiger sah im Entscheid ein «verheerendes Signal» und warf der Kommission vor, die Demokratie zu «beschädigen». Zudem zitierte er Juristen, die den Entscheid der Kommission «nicht nachvollziehen» konnten.

Auch die ständerätliche Kommission für Rechtsfragen (RK-SR), die in der kleinen Kammer für die Frage der Aufhebung der Immunität zuständig war, kam im August 2018 zum Schluss, dass die Immunität für während der Amtszeit begangene Handlungen auch nach Ausscheiden aus dem Rat noch gelte und trat entsprechend auf das Gesuch ein. Im Gegensatz zur IK-NR entschied die RK-SR aber, dass im vorliegenden Fall der strafrechtlich relevante Verdacht auf Korruption höher zu gewichten sei als die institutionellen Interessen des Parlaments – die Kommissionen haben bei ihrem Entscheid eine Interessenabwägung vorzunehmen, ob der reibungslose Ratsbetrieb durch die Immunität sichergestellt oder aber das öffentliche Interesse an einem Strafverfahren durch Aufhebung der Immunität höher gewichtet werden soll – und beschloss mit 11 zu 1 Stimmen die Aufhebung der Immunität von Christian Miesch.
Die Medien kommentierten auch den ständerätlichen Entscheid, der nur schon deshalb «historisch» sei – so der Tages-Anzeiger –, weil damit zum ersten Mal in der Geschichte der Schweiz die Immunität eines Parlamentsmitglieds aufgehoben werde. Die IK-NR, an die das Geschäft zurückging, habe nun die Möglichkeit, einen «staatspolitisch desaströsen Beschluss zu korrigieren», so der Tages-Anzeiger weiter. Auch die NZZ argumentierte, dass die Immunität «kein Freipass» sein dürfe. Alleine der Verdacht auf Bestechlichkeit könne politisches Vertrauen beschädigen. Die Basler Zeitung verwies darauf, dass die FDP-SVP-Mehrheit in der IK-NR parteipolitisch entschieden habe und dies nun korrigieren müsse. Auch die Aargauer Zeitung empfahl eine Korrektur durch die IK-NR, die nicht nur «nonchalant» mit dem Vorwurf der Korruption umgegangen sei, sondern auch die Idee der Immunität ad absurdum geführt habe. Kaum kommentiert wurde hingegen eine weitere Begründung der RK-SR, dass Miesch nämlich seinen Ruf im Rahmen eines Strafverfahrens verteidigen könne, was in seinem Interesse sein müsste und die Aufhebung der Immunität ebenfalls nahe lege. Ohne Aufhebung könnte ja eben nie klar werden, ob eine strafbare Handlung vorliege oder nicht.
Mitte September 2018 revidierte die IK-NR in der Tat ihren ursprünglichen Entscheid: Mit 5 zu 3 Stimmen beschloss sie, die Immunität von Miesch aufzuheben. Dieser habe nicht ganz klar darlegen können, wofür er damals eine Rechnung gestellt habe. Es sei nicht Sache der Kommission, eine strafrechtliche Untersuchung zu führen. Die Beurteilung der Bundesanwaltschaft, dass hier Verdacht auf Bestechung bestehe, werde von der Mehrheit der IK-NR gestützt und man teile die Meinung der RK-SR, dass es wichtig sei, ein ordentliches Strafverfahren nicht zu verhindern, um sich allenfalls von einem Korruptionsverdacht auch befreien zu können. Es sei also – nach nochmaliger Erwägung – durchaus auch im Interesse des Parlaments, wenn der Sachverhalt aufgeklärt werden könne.
In den Medien wurde gemutmasst, dass die beiden FDP-Kommissionsmitglieder für den Positionswechsel in der IK-NR verantwortlich seien. Roland Rino Büchel (svp, SG) sprach von einem politischen Entscheid und forderte eine Rückkehr zum alten System der Entscheidung über die Immunität, als noch beide Räte offen abstimmen mussten und den Entscheid nicht den Kommissionen überlassen hatten. Ebenfalls Gegenstand in der Presse war der Umstand, dass Miesch der erste von insgesamt 37 Fällen seit 1980 sei, bei dem die Immunität aufgehoben worden sei. Die Weltwoche fragte sich freilich, ob mit der Aufhebung der Immunität nicht ein «gefährlicher Präzedenzfall» geschaffen und ein «Schlag gegen das Milizsystem» geführt worden sei. Es sei nicht unmittelbar einsehbar, weshalb Parlamentsmitglieder im Sold einer Interessengruppe stehen dürften und dabei wohl auch in deren Sinne abstimmen würden, aber keine Geschenke von solchen annehmen dürften. Eine Strafuntersuchung wurde in der Folge auch gegen Thomas Borer angestrengt, der in der Presse von «unhaltbaren Vorwürfen» sprach.

Aufhebung der Immunität von Miesch

In der Herbstsession 2018 behandelte der Nationalrat den AHV-Steuer-Deal. Die Eintretensdebatte drehte sich vor allem um die Frage, welche Gruppen von der Vorlage respektive ihrer Ablehnung profitieren würden: Sind es die Reichen, der Mittelstand, die «Büezer», Alte oder Junge? Eingangs wurden ein Minderheitsantrag Bertschy (glp, BE) auf Nichteintreten sowie ein Antrag Matter (svp, ZH) auf Rückweisung an die Kommission behandelt. Kathrin Bertschy begründete ihren Antrag damit, dass die Grünliberale Fraktion zwar für die Beratung der Steuervorlage 17 sei – diese sei ausgewogener als frühere Vorlagen und müsse der Bevölkerung entsprechend erklärt werden –, aber die Finanzspritze an die AHV ablehne. Damit werde die Steuervorlage schlechtgemacht und eine Reform der AHV aufgeschoben. Thomas Matter erklärte, dass die SVP-Fraktion die Vorlage mit dem Auftrag, eine schlankere Version ohne AHV-Zustupf auszuarbeiten, an die Kommission zurückweisen wolle. Die Verknüpfung sei ein «Affront gegenüber dem Souverän», da dieser durch die Verknüpfung der Vorlagen seinen Willen nicht klar äussern könne. Nicht begeistert zeigte sich Finanzminister Maurer vom Antrag Matter. Die Idee einer «schlanken» Vorlage sei bereits mehrfach eingebracht und abgelehnt worden, unter anderem 2014 von den Kantonen sowie im Rahmen der USR III von den Kommissionen. Da die nächste Vorlage nicht besser werde, solle man dem Kompromiss, der einen sozialen Ausgleich als Lehre aus der Ablehnung der USR III beinhalte, zustimmen. Eintreten wurde klar mit 188 zu 8 Stimmen (bei 1 Enthaltung) gutgeheissen; der Antrag Matter stiess mit 119 Stimmen zu 63 Stimmen (bei 15 Enthaltungen) ausserhalb der SVP kaum auf Zustimmung.
Der Nationalrat beriet den AHV-Steuer-Deal aufgeteilt in vier Blöcke, schuf dabei aber bei 37 Minderheitsanträgen nur gerade zwei Differenzen zum Ständerat. Einerseits entschied er sich mit 110 zu 83 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) für den Minderheitsantrag Leutenegger Oberholzer (sp, BL). Demnach sollen die Kantone neu die Auswirkungen der Vorlage auf die Gemeinden nicht nur berücksichtigen müssen, wie es der Ständerat beschlossen hatte, sondern «angemessen abgelten». Gemäss der Minderheitensprecherin sei dies keine «semantische Variation der Formulierung, sondern [...] ein verbindlicher Auftrag», der nötig sei, da die Gemeinden die Revision mittragen müssten. Andererseits beschloss die grosse Kammer bezüglich des Kapitaleinlageprinzips (KEP), die Ausnahme für Zuzüge zeitlich zu verlängern. Der Ständerat hatte entschieden, dass die neuen Regelungen für Zuzüge seit dem Inkrafttreten der USTR II keine Geltung haben sollten, der Nationalrat nahm nun auch die Zuzüge ab dem Abstimmungsdatum zur USTR II von den Regelungen aus. Zudem beschloss er, dass sich die Ausnahme für Zuzüge nicht auf Teilliquidationen erstrecken soll.
Ansonsten stimmte der Nationalrat dem Erstrat in allen Belangen zu, wobei die meisten Minderheitsanträge deutlich scheiterten. Bezüglich der Zusatzfinanzierung der AHV wurden etwa Anträge zur Höhe des Bundesbeitrags an die AHV sowie zur Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 gestellt. Im Rahmen der Gegenfinanzierung der Unternehmenssteuerreform wurden alternative Mindestwerte für die Dividendenbesteuerung beim Bund (zwischen 50 und 90 Prozent) sowie in den Kantonen (zwischen 0 und 90 Prozent) diskutiert, die jedoch im Rat keine Mehrheit fanden. Zu den eigentlichen Massnahmen der Unternehmenssteuerreform lehnte der Rat verschiedene Minderheitsanträge für eine Verschärfung der Abzugsmöglichkeiten respektive für eine Verlängerung der Übergangsfristen ab.
Knapp wurde es einzig bei der Forderung einer Minderheit Rytz (gp, BE) nach einer formellen Trennung des AHV- und Unternehmenssteuerteils der Vorlage unter Beibehaltung der inhaltlichen Verknüpfung. Dadurch sollten zu beiden Teilen getrennte Referenden stattfinden können, die Inkraftsetzung der beiden Vorlagen sollte jedoch weiterhin verknüpft bleiben – sie sollten also weiterhin gemeinsam oder gar nicht in Kraft treten können. Dies lehnte der Nationalrat mit 101 zu 93 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) ab. Für eine formelle Trennung sprachen sich die SVP, GLP und BDP einstimmig, sowie die Grünen teilweise aus. Dadurch wurden auch zwei Anträge Grossen (glp, BE) und Moser (glp, ZH) auf Nichteintreten auf die AHV-Vorlage sowie auf vollständige rechtliche Trennung der beiden Vorlagen obsolet.
Mit 114 zu 68 Stimmen (bei 13 Enthaltungen) sprach sich der Nationalrat schliesslich deutlich für den AHV-Steuer-Deal aus. Dagegen stimmten die GLP-Fraktion, Mehrheiten der SVP- und der Grünen-Fraktion sowie einzelne Mitglieder der FDP-Fraktion.

Steuervorlage 17 (SV17) und Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung (STAF; BRG 18.031)
Dossier: Unternehmenssteuerreform III, Steuervorlage 17 und AHV-Steuer-Deal (STAF)

Im Mai 2018 schlug die WAK-SR vor, als Gegenstück zur Unternehmenssteuerreform der AHV aus dem vollständigen Demografieprozent der Mehrwertsteuer, einer Erhöhung des Bundesbeitrags sowie der Lohnbeiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern neu zusätzlich ungefähr CHF 2 Mrd. jährlich zukommen zu lassen – was von den Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern im Mai 2019 angenommen wurde. Diese Idee einer Zusatzfinanzierung für die AHV kam jedoch nicht von ungefähr, hatten doch seit 2017 zahlreiche Mitglieder der eidgenössischen Räte Vorstösse für eine einmalige oder regelmässige Zusatzfinanzierung für die AHV eingereicht.
Den Anfang machte die FK-NR im Oktober 2017. Nachdem die Schweizer Stimmbevölkerung die Altersvorsorge 2020 kurz zuvor an der Urne abgelehnt hatte, beantragte die Kommission in einer parlamentarischen Initiative (Pa.Iv. 17.496), der AHV im Jahr 2018 den im Budget 2018 frei gewordenen Betrag von CHF 441.8 Mio., der zuvor für die AHV geplant gewesen war, ihr nun aufgrund der abgelehnten Altersvorsorge aber verwehrt werden sollte, zukommen zu lassen. Dieser Vorschlag fand jedoch in der FK-SR keine Mehrheit.
In der Folge waren insbesondere Forderungen, wonach die SNB eine Finanzzulage an die AHV leisten solle, prominent. Den ersten Schritt machte diesbezüglich Peter Keller (svp, NW; Ip. 18.3124) mit einer Interpellation. Da die SNB seit Januar 2015 einen Negativzins von 0.75 Prozent auf die Gelder, die bei ihr lagerten, kassiere und dadurch auf Kosten der Schweizer Sparenden sowie Rentnerinnen und Rentner 2015 bis 2017 fast CHF 5 Mrd. eingenommen habe, wollte er vom Bundesrat wissen, ob dieser ebenfalls der Meinung sei, dass die entsprechenden Gelder nach Beendigung der ausserordentlichen Massnahmen durch die SNB wieder der Schweizer Bevölkerung zurückgegeben werden sollten – etwa über die AHV. Der Bundesrat erklärte sich dabei mit der aktuellen Regelung, die eine Ausschüttung der Gewinne an die Bevölkerung ermögliche, aber auch die Unabhängigkeit der SNB gewährleiste, zufrieden. Ende 2018 folgte Alfred Heer (svp, ZH; Mo. 18.4327) mit einer Motion, die den Bundesrat beauftragen sollte, die Gewinnaufteilung der SNB so zu ändern, dass die von der Nationalbank erhobenen Negativzinsen vollständig auf Kosten des Bundes, dessen Auszahlungen entsprechend gekürzt werden sollten, an die AHV fliessen sollten. Da der Bund faktisch keine Schuldzinsen bezahle und stattdessen sogar ein Zinsüberschuss auf neuen Bundesobligationen erwirkt werde, sei er einer der Profiteure der Negativzinsen, argumentierte der Motionär. Thomas Matter (svp, ZH; Pa.Iv. 18.465) forderte in einer parlamentarischen Initiative – erfolglos –, dass die Nationalbank die Hälfte ihres Eigenkapitalzuwachses seit dem 31. Dezember 2007 einmalig an die AHV überweisen solle, sobald sich das internationale Finanzsystem und die Bilanzsumme der SNB normalisiert haben. Noch bevor sich der Nationalrat entschieden hatte, dem Vorstoss Matters keine Folge zu geben, wollte Maximilian Reimann (svp, AG; Pa.Iv. 19.481) ebenfalls mit einer parlamentarischen Initiative dafür sorgen, dass die Erträge aus Negativzinsen nicht als Reingewinn der SNB verbucht werden, sondern der AHV – sowie allenfalls den Pensionskassen und der dritten Säule – zugute kommen.
Doch nicht nur im Bereich der Nationalbank, auch in weiteren Bereichen sah die SVP Potenzial für eine Unterstützung der AHV. So reichte die SVP-Fraktion im September 2018 drei Motionen ein, mit denen die Rahmenkredite für die Entwicklungshilfe um CHF 1 Mrd. pro Jahr (Mo. 18.3755) respektive für den Asyl- und Flüchtlingsbereich vorgesehene Gelder um CHF 500 Mio. jährlich gekürzt (Mo. 18.3757) sowie die sogenannte Kohäsionsmilliarde für die EU gestrichen werden (Mo. 18.3756) und die frei werdenden Gelder der AHV zugeführt werden sollten. Mit entsprechenden Anträgen war sie zuvor im Nationalrat bei der Besprechung der STAF gescheitert. Die Motionen 18.3755 sowie 18.3756 fanden jedoch in der Herbstsession 2019 ausserhalb der SVP keinen Anklang und wurden entsprechend deutlich abgelehnt. Die Motion 18.3757 wurde bis zum Ende der Herbstsession 2019 noch nicht behandelt.
Einen weiteren Vorschlag für eine Zusatzfinanzierung für die AHV machte Luzi Stamm (svp, AG; Pa.Iv. 19.435) – und somit wiederum ein Mitglied der SVP-Fraktion – im Mai 2019 in einer parlamentarischen Initiative. Demnach sollen zukünftig aufgrund von fix installierten Überwachungsgeräten ausgestellte Bussen und Geldstrafen im Strassenverkehr in den AHV-Fonds fliessen. Dabei ging es ihm jedoch nicht in erster Linie um die Finanzierung der AHV, sondern vor allem um die Überwachungsgeräte. Durch eine solche Änderung würden diejenigen Stellen, die Überwachungsgeräte aufstellen, nicht direkt von diesen profitieren, wodurch sichergestellt werden könne, dass diese tatsächlich zur Sicherheit, nicht nur für den Profit installiert würden.
Im September 2018 reichte schliesslich mit Beat Flach (glp, AG; Po. 18.4009) auch ein Mitglied der Grünliberalen Fraktion ein Postulat ein, gemäss dem der Bundesrat die Höhe der Zusatzfinanzierung für die AHV und IV durch eine Legalisierung von Cannabis und eine Besteuerung analog zu Tabak berechnen sollte. Dieselbe Problematik nahm auch Fabian Molina (sp, ZH; Anfrage 19.1039) im Juni 2019 in seiner Anfrage an den Bundesrat auf.
Eine Unterstellung von Gütern und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs unter den reduzierten Mehrwertsteuersatz sowie eine Erhöhung des Normalsatzes zugunsten der AHV forderte die Jugendsession 2017 in einer Petition (Pet. 18.2006).

Zusatzfinanzierung für die AHV

Mit äusserst knappen 12 zu 11 Stimmen sprach sich die KVF-NR im Februar 2016 gegen eine parlamentarische Initiative Matter (svp, ZH) aus, die eine Lockerung des Werbeverbots für Privatradio und -fernsehen forderte. Das Erlauben der Schaltung von politischer und religiöser Werbung nach Art. 4 und 5 des RTVG würde den privaten Rundfunkanbietern erhebliche Zusatzeinnahmen generieren. Ferner würde sie dies mit den privaten Online-Anbietern rechtlich gleichstellen und so in ihrer Wettbewerbsfähigkeit stärken, so der Initiant. Die Mehrheit der Kommission sah mit einer Lockerung des Werbeverbots hingegen die politische Unabhängigkeit der Privatsender beeinträchtigt und warnte vor «amerikanischen Verhältnissen» im Vorfeld von Abstimmungen und Wahlen. Konkret fürchtete die Kommissionsmehrheit eine Beeinflussung der politischen Willensbildung durch wirtschaftlich einflussreiche Akteure – gerade im Privatfernsehen fliesse hier sehr viel Geld, führte Mehrheitssprecher Candinas (cvp, GR) dann auch in der darauffolgenden Plenumsdebatte aus. Nach einer kurzen Debatte im Nationalrat – unter anderem zur Qualität der Demokratie in den USA und in Nachbarländern der Schweiz, die kein solches Werbeverbot kennen – folgte der Rat in der Sommersession 2017 mit 94 zu 83 Stimmen bei 3 Enthaltungen dem Antrag der Kommissionsmehrheit und beschloss dem Anliegen nicht Folge zu geben. Die unterlegene Kommissionsminderheit erhielt im Rat Unterstützung von der SVP-Fraktion sowie einer beinahe geschlossenen Fraktion der FDP.Liberalen.

Werbeverbot für Privatradio und -fernsehen wird nicht gelockert (Pa.Iv. 15.482)

Im Januar 2016 hatte Toni Brunner (svp, SG), der amtierende Parteipräsident der SVP, angekündigt, sein Amt niederzulegen. Der Toggenburger hatte der Partei acht Jahre lang vorgestanden und machte sie in seinem letzten Präsidialjahr bei den eidgenössischen Wahlen 2015 mit einem Wählendenanteil von 29.4 Prozent zur stärksten Partei seit Einführung der Proporzwahlen. Brunner hatte das Amt angetreten, als Christoph Blocher (svp, ZH) im Bundesrat nicht mehr bestätigt worden war und die SVP kurze Zeit als reine Oppositionspartei angeführt. Bei seinem Abtritt verfügte die SVP wieder über zwei Bundesräte. Neben Toni Brunner gab auch Christoph Blocher bekannt, sein Amt als Vizepräsident abzugeben, und auch der langjährige Generalsekretär der Partei, Martin Baltisser, der bereits in den 1990er Jahren und dann ein zweites Mal seit 2009 das Generalsekretariat geführt hatte, gab seinen Rücktritt bekannt. Dies wurde in der Presse als «Ende einer Ära» (Liberté) oder gar als «Zeitenwende» (NZZ) beschrieben.

Gleichzeitig mit der Bekanntgabe des Rücktritts von Brunner schlug die SVP-Leitung als Nachfolger den Berner Nationalrat Albert Rösti (svp, BE) vor. In der Presse wurde der «Null-Charisma-Mann» als «brav» (BaZ) bezeichnet. Er sei zwar «sanft im Auftritt, aber absolut linientreu» wusste der Tages-Anzeiger. Es könne deshalb von Kontinuität ausgegangen werden. Auch die Zeitung «Der Bund» rechnete nicht damit, dass sich mit einem Berner Präsidenten an der Ausrichtung der Partei etwas ändern werde. Die Zeit in der «eine gemässigte Berner SVP gegen den neoliberalen Zürcher Flügel kämpfte» sei vorbei. Immerhin habe der «Hardliner [...] Berner Rundungen» meinte die BZ. Da er im Gegensatz zu Toni Brunner gut französisch spreche, wurden der SVP mit Rösti grössere Chancen in der Romandie prophezeit. Rösti selber sprach sich in Interviews für Kontinuität aus. Er sehe es als Herausforderung, die Stärke der Partei zu halten, und es sei nicht ohne Risiko, eine Partei auf ihrem Höhepunkt zu übernehmen. An der Delegiertenversammlung Ende April 2016 wählte die Delegiertenversammlung dann ein neues SVP-Präsidium. Einstimmig wurde Albert Rösti mit 511 Stimmen (ohne Enthaltungen) zum neuen Präsidenten gewählt. Gegenkandidierende hatten sich keine gemeldet.

Die grösseren personellen Veränderungen an der Parteispitze betrachtete die Partei auch als guten Zeitpunkt, die seit den 1990er Jahren und dem Aufstieg der Partei kaum veränderten Organisationsstrukturen anzupassen. Von den Delegierten wurde zudem eine Statutenänderung gutgeheissen, die drei (statt bisher sieben) Vizepräsidien vorsah, die gemeinsam mit dem Präsidenten den Parteileitungsausschuss bilden, der das Tagesgeschäft der Partei führen soll. Ins Vizepräsidium wurden Céline Amaudruz (svp, GE), Thomas Aeschi (svp, ZG) und Oskar Freysinger (VS, svp) gewählt. Diesem Ausschuss gehörten zudem neben Christoph Blocher als Strategieverantwortlichen auch Walter Frey als Kommunikationsverantwortlicher, Thomas Matter (svp, ZH) als Finanzchef sowie Fraktionspräsident Adrian Amstutz (svp, BE) an. Damit werde die strategische Führung gestärkt und die Fachkompetenz in den Gremien erweitert, so die Partei in ihrem Jahresbericht. Zum neuen Generalsekretär hatte der Zentralvorstand bereits einen Tag vor der Delegiertenversammlung Gabriel Lüchinger gewählt.

Neues SVP-Präsidium
Dossier: SVP-Präsidenten seit 2000

Im Jahr 2013 hatte der Bundesrat die Europaratskonvention zur Steueramtshilfe unterzeichnet. Die Konvention definierte drei Arten des steuerlichen Informationsaustausches: Beim Austausch um Ersuchen handelte es sich um den seit 2009 gültigen OECD-Standard. Der spontane Austausch wurde neu geschaffen und zeichnete sich dadurch aus, dass ein Vertragsstaat einem anderen Steuerinformationen zukommen lässt, sobald er davon ausgehen kann, damit im Interesse des Staates, an den die Informationen übermittelt werden, zu handeln. Drittens war auch der automatische Informationsaustausch (AIA) vorgesehen, wobei für die Einführung desselben eine über die Konvention herausgehende Vereinbarung notwendig war. Eine solche Vereinbarung war von den Vertragsstaaten in Form des Multilateral Competent Authority Agreement (MCAA) auch getroffen worden.
Damit die Vereinbarung auch ratifiziert werden konnte, war eine Änderung des Steueramtshilfegesetzes notwendig. Dabei lag der Schwerpunkt auf der rechtlichen Einbettung des spontanen Informationsaustausches. Da der Vertrag das Prinzip der Reziprozität vorsah, würde die Schweiz sowohl Daten ausliefern als auch vom Ausland erhalten.
Die Debatte im als Erstrat fungierenden Nationalrat machte deutlich, dass sich die SVP am Sachverhalt der Reziprozität störte: Ein Minderheitsantrag Matter verlangte, dass vom Ausland an die Schweiz gelieferte Daten nur im Verdachtsfall genutzt und darauf basierende weitergehende Abklärungen vorgenommen werden durften. Damit sollte, wie Nationalrat Aeschi (svp, ZG) ausführte, der "unbescholtene Bürger" vor dem "Überwachungsstaat" geschützt werden. Die Gegner dieses Antrags argumentierten, dass es jeglicher Logik widerspreche, automatisch erhaltenen Informationen nicht durch ein Gesuch weiter nachgehen zu dürfen. Obwohl die Volkspartei geschlossen, die FDP mehrheitlich und auch eine Minderheit der CVP das Begehren unterstützten, wurde es mit 92 zu 80 Stimmen abgewiesen. Auch in der Gesamtabstimmung unterlag die SVP: Der Nationalrat stimmte der Änderung des Steueramtshilfegesetzes mit 119 zu 51 Stimmen zu.
Im Ständerat war das Geschäft deutlich weniger umstritten als im Nationalrat. Die kleine Kammer nahm jedoch gegenüber der nationalrätlichen Fassung eine kleine Präzisierung vor, mit der "der Schutz nicht betroffener Personen konkretisiert und ausgeweitet" werden sollte, wie Kommissionssprecher Zanetti (sp, SO) erläuterte. Aufgrund dieses Abänderungsvorschlags gelangte das Geschäft ein weiteres Mal in den Nationalrat, der die ständerätliche Version mit 125 zu 53 Stimmen guthiess. In der Schlussabstimmung fand die Vorlage in beiden Ratskammern schliesslich eine komfortable Mehrheit: Der Nationalrat stimmte mit 122 zu 68, der Ständerat mit 38 zu 5 Stimmen zu.

Unterzeichnung der Europaratskonvention zur Steueramtshilfe
Dossier: Informationsaustausch - Steueramtshilfeverordnung (AIA)

Der Trend hin zu immer mehr Kandidierenden auf immer mehr Listen bei den Nationalratswahlen war auch im Kanton Basel-Landschaft zu beobachten. Insgesamt waren es 112 Anwärterinnen und Anwärter, die auf einer der 16 Listen ihr Glück versuchten. Mit einem Frauenanteil von 38.4% konnte sich der Basler Halbkanton im nationalen Vergleich sehen lassen. Die Monate vor der Wahl waren stark vom Thema Listenverbindungen geprägt. Die Diskussion drehte sich dabei hauptsächlich um eine allfällige Allianz der Mitteparteien. Ausserdem prägend waren die Ergebnisse der Land- und Regierungsratswahlen, die im Februar gleichen Jahres stattgefunden hatten. Diese waren in erster Linie für die Grünen verheerend, welche ein Drittel ihrer Sitze einbüssten. Aber auch die Sozialdemokraten mussten den Verlust ihres Regierungsratssitzes hinnehmen. Auf der anderen Seite konnten die grossen bürgerlichen Parteien gemeinsam zulegen. Einer Wiederholung dieses bürgerlichen Triumphs in den nationalen Wahlen wurde gute Chancen eingeräumt.

Obwohl sich CVP, FDP und SVP bei den kantonalen Wahlen noch erfolgreich verbündet hatten, ergab sich für die Nationalratswahlen eine etwas andere Ausgangslage. Die FDP und die SVP gaben zunächst wie erwartet ihre Listenverbindung bekannt. Für die CVP bot sich die Möglichkeit zum Anschluss, hätte rechnerisch für die Christdemokraten aber wohl kaum Sinn gemacht. Endgültig in weite Ferne rückte der bürgerliche Schulterschluss, als SVP-Kantonalpräsident Oskar Kämpfer für eine Listenverbindung mit der CVP den Rücktritt der christlichdemokratischen Spitzenkandidatin Elisabeth Schneider-Schneiter zur Bedingung machte. Verständlicherweise wurde dies in CVP-Kreisen mit wenig Begeisterung aufgenommen, ja gar als Affront bezeichnet. Auch die Idee einer Koalition der Mitteparteien erhielt früh einen Dämpfer, als die EVP mit der Begründung absagte, sie politisiere in sozialen Fragen näher bei der Linken. Schliesslich kehrte der CVP auch die GLP in letzter Sekunde den Rücken, worauf erstere einzig mit der BDP die Verteidigung von Schneider-Schneiters Sitz in Angriff nahm.
Die Grünen hatten neben ihren schlechten Wahlergebnissen zusätzlich mit einer Parteiabspaltung zu kämpfen. Unter der Führung von Landrat Jürg Wiedemann wurde nämlich die Partei der Grün-Unabhängigen gegründet, welche in einer Listenverbindung mit der GLP das schwierige Vorhaben einer Verteidigung des Sitzes der amtierenden Nationalrätin und ehemaligen Ratspräsidentin Maya Graf noch zusätzlich erschwerte. Die EVP, welche bereits die CVP verschmäht hatte, entschied sich alleine und nicht in einer linken Koalition anzutreten. So beruhten die Hoffnungen der Grünen einzig auf der traditionellen Listenverbindung mit der SP. Die beiden sozialdemokratischen Sitze von Eric Nussbaumer und Susanne Leutenegger Oberholzer galten gemeinhin als eher ungefährdet. Für Spekulationen sorgten die gleichzeitigen National- und Ständeratskandidaturen von FDP-Landrat Christoph Buser. Diese schienen die Wiederwahl der bisherigen FDP-Nationalrätin Daniela Schneeberger zu gefährden. Auf Seiten der SVP ging man aufgrund der guten Prognosen zuversichtlich in den Wahlkampf und schielte auf einen Sitzgewinn.

Der auf bürgerlicher Seite erhoffte „Durchmarsch“ wurde am Wahltag nicht zur Realität. Entgegen vieler Erwartungen blieb die Sitzverteilung beim Alten: 2 SVP, 2 SP, 1 FDP, 1 CVP und 1 GPS. Mit dem kantonalen Spitzenresultat von 36‘043 Stimmen konnte Maya Graf ihren Sitz verteidigen. Ihre Partei – die Grünen – konnte auf 14.2% Wähleranteil zulegen (+0.6 Prozentpunkte). Die Listenpartnerin SP verlor 2.2 Prozentpunkte und landete bei 22.2%. Am stärksten zulegen konnten wie erwartet die SVP und die FDP. Während die Volkspartei ihren Wähleranteil auf 29.8% (+2.9 Prozentpunkte) steigerte, konnte die FDP gar um 4.3 Prozentpunkte zulegen (neu: 15.8%). Der grosse Zuwachs bei den Freisinnigen relativiert sich jedoch, wenn man den massiven Verlust bei den letzten Wahlen (-5.5 Prozentpunkte) in Betracht zieht. Verlierer waren die kleinen und ohnehin mandatslosen Mitteparteien, notabene die BDP, welche von 6.4% auf gerade mal 2.8% Wähleranteil abrutschte. Die GLP kam noch auf 2.7% (-2.3 Prozentpunkte) und die EVP auf 2.2% (-1.1 Prozentpunkte). Neu gewählt wurde SVP-Kandidatin Sandra Sollberger, welche den zurückgetretenen Christian Miesch ersetzt. Somit werden neu fünf der sieben Nationalratsmandate von Frauen besetzt (71%). Die Stimmbeteiligung hingegen stellte sich mit 46.8% als weniger aussergewöhnlich dar.

Kanton Basel-Landschaft -Nationalratswahlen 2015
Dossier: Resultate Nationalratswahlen 2015 (nach Kantonen)

Nachdem sich der Bundesrat im November 2014 im Rahmen des MCAA zur Einführung des automatischen Informationsaustausches in Steuersachen (AIA) verpflichtet hatte, gelangte das entsprechende AIA-Gesetz in der Herbstsession in den Nationalrat. Dieses war nötig, damit die international eingegangenen Verpflichtungen auch umgesetzt werden konnten.
Die Ratsdebatte in der grossen Kammer wurde stark von Vertretern der SVP geprägt. Nachdem Anträge aus SVP-Reihen auf Nichteintreten und Rückweisung an den Bundesrat zu Beginn der Beratung gescheitert waren, brachten Parlamentarier der Volkspartei zahlreiche verschiedene Anträge ein. Der Versuch, eine unabhängige Stelle zu schaffen, an welche im Rahmen des spontanen Informationsaustausches vom Ausland erhaltene Informationen hätten weitergeleitet werden sollen und dass diese nur im Verdachtsfall von den Steuerbehörden hätten verwendet werden dürfen, fand ebenso keine Mehrheit wie das Ansinnen, die geltende Rechtslage insofern zu erhalten, als dass jedes einzelne neu verhandelte AIA-Abkommen dem fakultativen Referendum zu unterstellen war. Eine Mehrheit, bestehend aus SVP, FDP und Teilen der CVP, fand sich hingegen für einen Minderheitsantrag Matter (svp, ZH), der aus Fahrlässigkeit verursachte inkorrekte Selbstauskünfte nicht unter Busse stellen wollte.
Ebenfalls erfolgreich war ein spontan eingebrachter Antrag Regazzi (cvp, TI), der die Einführung einer neuen Steueramnestie forderte. Eine im Jahre 2010 geschaffene Möglichkeit der Selbstanzeige, bei der neben den Nachsteuern der vergangenen zehn Jahre eine Busse anfiel, sei ein zu kleiner Anreiz, falsch deklarierte Gelder zu melden. Dies könne korrigiert werden, indem die Frist auf fünf Jahre halbiert werde. Eine bürgerliche Ratsmehrheit folgte dieser Argumentation entgegen dem Willen des Bundesrats und nahm den Antrag mit 85 zu 80 Stimmen an.
Der Ständerat, der die Vorlage in der Wintersession behandelte, konnte dem Antrag Regazzi nichts abgewinnen, er sprach sich für die vom Bundesrat vorgeschlagene Variante aus. Für Diskussionen sorgte in der kleinen Kammer auch die Frage, ob es notwendig sei, eine neue Steuererkennungsnummer zu schaffen oder aber die bereits bestehende AHV-Nummer zu verwenden. Für eine neu geschaffene Erkennungszahl sprach das Argument des besseren Datenschutzes, die Kantone befürchteten aber dadurch erhebliche Mehrkosten. Der Ständerat sprach sich klar im Sinne der Kantone dafür aus, die bestehende AHV-Nummer zu verwenden.
Aufgrund der bestehenden Differenzen zwischen National- und Ständerat gelangte das Geschäft wieder zurück in die grosse Kammer. Diese erklärte sich mit den vom Ständerat abgeänderten Punkten einverstanden, womit die Vorlage angenommen wurde.

Automatischen Informationsaustausch (AIA)
Dossier: Informationsaustausch - Steueramtshilfeverordnung (AIA)

Am 6. Mai 2015 leitete ein NZZ-Artikel eine eigentliche Kaskade ein, die später als „Kasachstan-Affäre” nicht nur zahlreiche Diskussionen und Vorstösse zu Lobbyismus- und Kommissionsgeheimnisregelungen im Bundeshaus auslöste, sondern auch Gesuche der Bundesanwaltschaft, zwei Parlamentsmitgliedern die Immunität zu entziehen, provozierte.

Der NZZ-Journalist Markus Häfliger hatte gestützt auf E-Mails, die Unbekannte ins Internet gestellt hatten, recherchiert, dass eine von Christa Markwalder (fdp, BE) eingereichte Interpellation formale Ungereimtheiten aufweist. Der Vorstoss war von Marie-Louise Baumann, Senior Advisor bei der PR-Firma Burson-Marsteller, ausformuliert worden, die wiederum von einem kasachischen Politiker hierfür finanziell honoriert worden war. Entsprechend konnten im Vorstoss starke Überarbeitungen aus Kasachstan selbst ausgewiesen werden. Dass Vorstösse von Parlamentarierinnen und Parlamentariern von Dritten formuliert werden, ist nicht selten. Dass allerdings ein autokratisches Land indirekt Einfluss nimmt und dafür bezahlt, sei weniger alltäglich – so Häfliger in der NZZ. In der Interpellation war der Bundesrat angefragt worden, wie er die Demokratisierungsprozesse in Kasachstan und die Partei Ak Schol – die indirekte Auftraggeberin der Interpellation – unterstütze. Markwalder habe zudem drei von Baumann formulierte und von den kasachischen Auftraggebern überarbeitete Fragen zu Kasachstan in der APK-NR eingereicht. In einer ersten Reaktion im NZZ-Artikel selber gab Markwalder zu Protokoll, nicht gewusst zu haben, dass Baumann sich derart eng mit Kasachstan abgesprochen habe. Sie habe in guter Absicht gehandelt und es handle sich letztlich um eine harmlose Interpellation, von der andere finanziell profitiert hätten, was sie ärgere. Sie sei wohl zu gutgläubig gewesen.

Die Reaktionen am nächsten Tag in der Presse waren zuerst noch zurückhaltend. Von „käuflicher” (AZ) oder „ferngesteuerter” Politik (Blick) war die Rede und davon, dass man es mit CHF 7'000 – die Summe die Burson-Marsteller für das Verfassen und Überarbeiten der Interpellation verlangt hatte – ins Bundeshaus schaffe (Le Matin). Hinterfragt wurden zunächst die „kasachischen Verflechtungen” (NLZ) der Berner FDP-Politikerin.
In der Folge nahm die mediale Debatte dann aber Fahrt in zweifache Richtung auf. Auf der einen Seite wurde der Lobbyismus diskutiert. „Politik-Einflüsterer” hätten Konjunktur und Lobbying sei ein lukratives Business (AZ). Die „Käuflichkeit von Politikern” sei „pikant” (WW). Allerdings – so die Meinung in den meisten Medien – sei das Milizsystem bei der Formulierung von Vorstössen auf ausserparlamentarische Expertise angewiesen. Weil ein breiter Mitarbeiterstab fehle, würden sich die meisten Parlamentarierinnen und Parlamentarier etwa von Mitgliedern der Bundesverwaltung oder Vertreterinnen und Vertretern von Verbänden und NGO's Vorstösse zumindest vorformulieren lassen. Zahlreiche Parlamentsmitglieder nahmen Christa Markwalder entsprechend in Schutz. Gefordert wurde aber mehr Transparenz und eine Reform des Badge-Systems, also der Zulassungsregeln von Lobbyisten ins Bundeshaus. Weil zahlreiche entsprechende parlamentarische Vorstösse allerdings bisher chancenlos geblieben waren, spielte Thomas Minder (parteilos, SH) mit dem Gedanken, eine Volksinitiative zu lancieren, und zahlreiche Parlamentarier kündigten an, neuerliche Vorstösse für mehr Transparenz zum „krass unterreglementierten Lobbying” (AZ) zu lancieren.

Auf der anderen Seite geriet die Person Christa Markwalder immer stärker ins Zwielicht. Die Bernerin sei selber eine „knallharte Lobbyistin” – vor allem für die Krankenkassen – und so stark verbandelt, dass sie den Überblick verliere (Blick). Ein gefundenes Fressen war die Geschichte für die Sonntags-Medien. Die Sonntagszeitung fand heraus, dass die Antworten, die Markwalder auf ihre Fragen an die APK-NR erhalten hatte, an Kasachstan weitergeleitet worden waren, obwohl es sich dabei vermutlich um Dokumente gehandelt habe, die dem Kommissionsgeheimnis unterstellt seien. Markwalder dementierte, Dokumente weitergegeben zu haben; sie habe sie lediglich mit Baumann geteilt. Die FDP stellte allerdings in einer Medienmitteilung klar, dass Markwalder von der Zusammenarbeit zwischen Kasachstan und Baumann gewusst habe, aber nicht genügend transparent informiert worden sei. Die Partei verlangte von Markwalder und Baumann vollständige Transparenz und eine Offenlegung aller Dokumente. In der Presse wurden erste Forderungen der Ratsrechten laut, dass die designierte Nationalratspräsidentin ihr Amt im kommenden Jahr nicht antreten dürfe. Markwalder bezeichnet das Ganze als „Rufmordkampagne”; sie sehe sich als Medienopfer (TA) und die letzten Tage seien für sie „die Hölle” gewesen (Blick).
Ende Mai gab die Bundesanwaltschaft bekannt, dass gegen Markwalder zwei Strafanzeigen von Privatpersonen eingegangen seien und sie Ermittlungen aufnehmen wolle, wenn die Immunität der Bernerin aufgehoben werde, wonach sie ersuche. Die APK-NR entschied sich ihrerseits mit 18 zu 0 Stimmen bei 5 Enthaltungen, keine Strafanzeige wegen Amtsgeheimnisverletzung einzureichen. Die Kommission entschied sich gar mit 14 zu 9 Stimmen (1 Enthaltung) dafür, die besagten Dokumente (die Fragen von Markwalder und die Antworten des Bundesrates) zu veröffentlichen. Auch das Büro-NR beschloss Anfang Juni, auf disziplinarische Massnahmen gegen Markwalder zu verzichten, da diese das Amtsgeheimnis zwar verletzt habe, aber nur geringfügig. Ein Teil des Parlaments applaudierte nach der Bekanntgabe des Büros, um Solidarität zu signalisieren. Zwar stand eine Entscheidung über die Forderung der Bundesanwaltschaft zur Aufhebung der Immunität noch aus, die Presse zeigte sich ob der starken Rückendeckung für Markwalder aber doch einigermassen erstaunt. „Même pas une tape sur les doigts”, wunderte sich etwa Le Temps. Die Classe Politique beschütze sich wieder einmal gegenseitig, liess sich Christoph Mörgeli (svp, ZH) im Blick zitieren. Die Parlamentsmitglieder hätten „nicht begriffen, dass ihre Glaubwürdigkeit auf dem Spiel” stehe. Die Angelegenheit dürfe nicht als erledigt betrachtet werden (TA).
Noch einmal aufgekocht wurde die Affäre, weil im Nachgang des Entscheids des Büros bekannt wurde, dass weitere Dokumente an Kasachstan weitergegeben worden waren, die aber nicht in die Beurteilung der APK-NR eingeflossen zu sein schienen. In der Tat hatte Markwalder auch Antworten des Bundesrates zu Tschechien und Bosnien weitergegeben. Die SVP forderte, den Fall nicht einfach ad acta zu legen oder aber über eine generelle Aufhebung des Kommissionsgeheimnisses nachzudenken.
Die Immunitätskommission des Nationalrats (IK-NR) nahm dann den Ball Anfang Juli wieder auf. Zwar entschied sich die IK-NR, nachdem sie festgestellt hatte, dass die strafrechtlich relevanten Tätigkeiten mit dem Parlamentsmandat zusammenhängen, und auf das Gesuch der Bundesanwaltschaft eingetreten war, die Immunität der Bernerin nicht aufzuheben. Sie forderte das Büro-NR aber mit 4 zu 4 Stimmen und einer Enthaltung bei Stichentscheid des Vizepräsidenten (Gerhard Pfister; cvp, ZG) auf, nochmals auf den Entscheid zurückzukommen und Disziplinarmassnahmen zu ergreifen. Das Kommissionsgeheimnis dürfe nicht ausgehöhlt werden, begründete Pfister den Entscheid. Mitte August bestätigte die Rechtskommission des Ständerats (RK-SR) den Entscheid der IK-NR: Einstimmig trat sie auf das Gesuch ein und mit 10 zu 0 Stimmen bei einer Enthaltung entschied sie, die Immunität nicht aufzuheben. Das Verhalten der Berner Freisinnigen sei zwar wenig besonnen und unvorsichtig gewesen und die Weitergabe der Dokumente zu Tschechien und Bosnien sei kritisch zu beurteilen, eine Aufhebung der Immunität sei aber nicht zu rechtfertigen.
Mitte August entschied das Büro-NR schliesslich, nicht auf die Forderung der IK-NR einzutreten. Es gebe keine neuen Fakten, die ein Rückkommen auf den ursprünglichen Entscheid rechtfertigten. Allerdings fordert das Büro eine umfassende Auseinandersetzung über Lobbyismus. Die zur Zeit dieser Forderung hängigen 13 Vorstösse zum Thema zeigten deutlich, dass eine vertiefte Diskussion angezeigt sei. Damit war Markwalder definitiv aus dem Schneider.

Die „Affäre Markwalder” (AZ) war vollends zur Kasachstan-Affäre geworden, als bekannt wurde, dass Walter Müller (fdp, SG) und Christian Miesch (svp, BL) eine von Burson-Marsteller organisierte Reise ins autokratische Land unternahmen, ohne selber für die Reisekosten aufgekommen zu sein. Das Geld sei von Kasachstan aus geflossen. Müller, welcher der Freundschaftsgruppe Schweiz-Kasachstan angehört, gab zu Protokoll, weder gewusst zu haben, dass die Reise von Kasachstan bezahlt worden war, noch dass die organisierende PR-Agentur mit Kasachstan verbandelt sei. Die Juso reichte bei der Bundesanwaltschaft Klage wegen Verdachts auf Vorteilnahme gegen Müller ein. Weil Miesch zum Zeitpunkt der Reise noch nicht im Nationalrat sass, wurde gegen ihn keine Anzeige eingereicht. Müller, der von seiner eigenen Partei gerügt wurde, wollte das Geld für die Reise zurückzahlen.
Die IK-NR beriet das Gesuch der Bundesanwaltschaft um Aufhebung der Immunität von Müller (15.191) an der gleichen Sitzung, an der sie auch den Entscheid zu Christa Markwalder gefällt hatte. Müllers Immunität wurde einstimmig nicht aufgehoben. Die Reise stehe im Zusammenhang mit seinem Mandat, weshalb auf das Gesuch einzutreten sei. Müller habe sich zwar nicht an die Empfehlungen zum Korruptionsstrafrecht gehalten, die institutionellen Interessen würden jedoch die rechtsstaatlichen überwiegen. Zum gleichen Schluss kam die RK-SR, die einstimmig Eintreten beschloss und mit 10 zu 2 Stimmen entschied, Müllers Immunität nicht aufzuheben. Allerdings wünschte sich die ständerätliche Kommission, dass die Empfehlungen für Reisen von Parlamentsmitgliedern durch das Büro verbindlicher formuliert werden.

Ein Nachspiel hatte die Affäre auch für die Lobbyistin Marie-Louise Baumann. Sie wurde aus dem Bundeshaus verbannt, musste also den Badge, den sie von Corina Eichenberger (fdp, AG) erhalten hatte, zurückgeben. Sie entschuldigte sich öffentlich bei Markwalder und zeigte sich über den Verlauf der Affäre erschüttert. Die Standesskommission der Schweizerischen Public Affairs Gesellschaft (SPAG) kam zudem zum Schluss, dass Baumann die Standesregeln nicht vollständig beachtet habe, und sprach eine Rüge aus. Es liege zwar keine Täuschung vor, aber sie hätte mehr Transparenz schaffen müssen; die Kommunikation sei nicht optimal gewesen. Die 69-Jährige kündigte an, ihre Tätigkeit als Lobbyistin im Parlament per Ende der Legislatur zu beenden. Zudem wurde die Zusammenarbeit zwischen Burson-Marsteller und Baumann beendet.

Das Thema Lobbying, aber auch die Diskussion um den Rahmen des Kommissionsgeheimnisses, liessen in der Folge das Parlament eine Weile nicht mehr los.

"Kasachstan-Affäre"
Dossier: Lobbyismus im Bundeshaus

Das geldpolitische Jahr 2015 begann mit einem regelrechten Paukenschlag. Am 15. Januar gab der Präsident der Schweizerischen Nationalbank, Thomas Jordan, die sofortige Aufhebung des seit 2011 bestehenden Euro-Mindestkurses von CHF 1.20 bekannt. Begründet wurde dieser Schritt vor allem mit der divergierenden wirtschaftlichen und geldpolitischen Entwicklung in den beiden grossen Währungsräumen, der EU und den USA. Während sich in den Vereinigten Staaten eine allmähliche Erholung und eine Straffung der Geldpolitik abzeichnete, wurde von der Europäischen Zentralbank (EZB) eine weitere Lockerung ihrer Geldpolitik durch ein Ankaufsprogramm von Staatsanleihen erwartet. Diese Massnahme der EZB hätte den Euro gegenüber dem Franken weiter abgeschwächt und die SNB gezwungen, zusätzlich erhebliche Interventionen am Devisenmarkt zu tätigen. Einige Experten interpretierten den Entscheid der SNB-Spitze deshalb auch dahingehend, dass die SNB nicht mehr bereit gewesen sei, eine neuerliche Ausweitung der Bilanz und damit grössere Risiken in Kauf zu nehmen. Parallel zur Aufhebung des Euro-Mindestkurses gab die Nationalbank bekannt, die im Dezember 2014 eingeführten Negativzinsen auf den Giroguthaben der Banken per 22. Januar um 0,5% auf -0,75% zu senken. Sie wollte damit Anlagen in Schweizer Franken unattraktiver gestalten, um eine übermässige Aufwertung des Frankens zu verhindern. Zudem behielt sich die SNB ausdrücklich die Möglichkeit vor, weiterhin am Devisenmarkt einzugreifen, sollte dies aus ihrer Sicht notwendig sein.
Die Reaktionen auf den Entscheid der SNB fielen heftig aus, sowohl von Seiten der Finanzmärke als auch von Seiten der Politik. Während die Linke die Nationalbank vornehmlich kritisierte, zeigten die Bürgerlichen mehr Verständnis für die SNB und zollten ihr teilweise, zum Beispiel in der Person von Nationalrat Matter (svp, ZH), gar Respekt für ihren "mutigen Entscheid". Auch der Bundesrat zeigte sich überrascht von der Entscheidung der SNB. Wirtschaftsminister Schneider-Ammann anerkannte die zusätzlichen Schwierigkeiten, die den Unternehmen durch den Wegfall der Kursuntergrenze erwachsen würden, warnte aber gleichzeitig davor, in Alarmismus zu verfallen. Umso wichtiger sei es nun, den Unternehmen mit guten Rahmenbedingungen in anderen Bereichen (Beziehung zu Europa, Steuern, flexibler Arbeitsmarkt) Unterstützung und Planungssicherheit zu bieten.
Mit seinem Appell stiess der Bundesrat bei den Parteien jedoch auf taube Ohren. Sowohl das linke wie auch das rechte Lager wartete mit eigenen Rezepten auf, wie der Situation nach Aufhebung des Euromindestkurses zu begegnen sei. Nationalrätin Rytz (gp, BE) äusserste sich dahingehend, dass ein Eingriff des Staates in Form von vermehrten Investitionen in die Infrastruktur, von der konsequenten Umsetzung der Energiewende und von neuen Regeln im Finanzmarktbereich angezeigt sei; ihre Ratskollegin Leutenegger Oberholzer verlangte, mit einer dringlichen Revision des Kartellrechts einem übermässigen Einkaufstourismus entgegenzuwirken und einen Staatsfonds zu äufnen. Die bürgerliche Seite vermochte diesen Vorschlägen nichts abzugewinnen. Sie negierte die Notwendigkeit eines staatlichen Eingriffs deutlich und verwies, ähnlich wie der Bundesrat, auf die Wichtigkeit von wirtschaftlich guten Rahmenbedingungen, gewährleistet durch Ausbau des Freihandels, durch Bewahrung der bilateralen Beziehungen zur EU und durch steuerliche Entlastungen. Der Versuch, aus den Folgen der Aufgabe der Kursuntergrenze durch die SNB Profit zu schlagen und die Politik im eigenen Sinne zu beeinflussen, manifestierte sich auch in der grossen Anzahl im Laufe des Jahres eingereichter parlamentarischer Vorstösse, die die Problematik der Frankenstärke in der einen oder anderen Weise aufgriffen.

Aufhebung des seit 2011 bestehenden Euro-Mindestkurses
Dossier: Kurs des Schweizer Franken seit 2011