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  • Moser, Tiana Angelina (glp/pvl, ZH) NR/CN
  • Bischof, Pirmin (cvp/pdc, SO) SR/CE

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Nach seiner Kommission stellte sich in der Wintersession 2022 auch der Nationalrat gegen die Forderung einer parlamentarischen Initiative der SVP-Fraktion, die verlangte, dass wesentliche Vertragsabschlüsse nur noch bei Vorliegen einer Wohnsitzbestätigung möglich sein sollen. Der Nationalrat gab der parlamentarischen Initiative mit 133 zu 57 Stimmen keine Folge. Die SVP hatte auf diese Weise versucht, die Schweiz für illegal anwesende Personen weniger attraktiv zu machen. Im Namen der Kommissionsmehrheit bezeichnete Tiana Angelina Moser (glp, ZH) «die Situation mit den Sans-Papiers [als] rechtsstaatlich unbefriedigend». Gleichzeitig erachtete die Kommissionsmehrheit die Initiative aber nicht als angemessen oder zielführend; weder für die betroffenen Personen noch für die Gesamtgesellschaft könne diese Verbesserungen bringen, so Moser. Neben der geschlossen befürwortenden SVP-Fraktion wurde die Initiative von sechs Mitgliedern der FDP.Liberalen-Fraktion unterstützt. Zeitgleich erledigte der Nationalrat eine weitere parlamentarische Initiative der SVP-Fraktion mit ähnlicher Stossrichtung (Pa.Iv. 21.445). Beide Initiativen gehörten zu einer 9-teiligen Geschäftsserie, mit der die SVP-Fraktion zusätzliche Massnahmen gegen die irreguläre Migration forderte (siehe auch Mo. 21.3487-Mo. 21.3493).

Massnahmen gegen Sans-Papiers: Wesentliche Vertragsabschlüsse nur mit Wohnsitzbestätigung (Pa.Iv. 21.446)

Nachdem der Nationalrat den Abkommen mit 12 neuen Partnerstaaten für den automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten (AIA) zugestimmt hatte, behandelte der Ständerat das Geschäft in der Wintersession 2022. Gegenwärtig bekennten sich 120 Staaten und Territorien zum Standard des AIA, wobei das Netzwerk nun um die 12 Staaten und Territorien Ecuador, Georgien, Jamaika, Jordanien, Kenia, Marokko, Moldawien, Montenegro, Neukaledonien, Thailand, Uganda und Ukraine erweitert werden solle, eröffnete Kommissionssprecher Pirmin Bischof (mitte, SO) die Debatte. Der Informationsaustausch, welcher es zum Ziel habe, weltweit gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen sowie illegale Finanzflüsse zu bekämpfen, habe sich in den vergangenen Jahren mit einer Reihe von Ländern als wirksam entpuppt. Die Notwendigkeit der Erweiterung dieses Netzwerks war im Ständerat unbestritten, so trat die kleine Kammer stillschweigend auf das Geschäft ein und stimmte den zwölf Abkommen jeweils ohne Änderungsantrag einstimmig zu. Vor dem ersten Datenaustausch mit den neuen Partnern sei es nun am Bundesrat, diese noch einmal auf die Erfüllung der AIA-Standards zu prüfen.

Echange automatique de renseignements relatifs aux comptes financiers avec d’autres États partenaires à partir de 2023/2024 (MCF 22.048)
Dossier: Informationsaustausch - Steueramtshilfeverordnung (AIA)

Die Fraktionshearings

In der Woche vor den Ersatzwahlen hatten die zwei verbliebenen SP-Kandidatinnen – Eva Herzog (sp, BS) und Elisabeth Baume-Schneider (sp, JU) – und SVP-Kandidaten – Albert Rösti (svp, BE) und Hans-Ueli Vogt (svp, ZH) – den einzelnen Fraktionen Red und Antwort zu stehen. Vor diesen Fraktionshearings wurden die vier Kandidierenden allerdings von der rund 30-köpfigen, starken Bauernlobby im Parlament angehört, was einiges Medienecho auslöste. Man habe sofort Unterschiede hinsichtlich Herkunft von Stadt und Land gespürt, gab Pierre-André Page (svp, FR) im Anschluss an diese Sitzung 24Heures zu Protokoll. Für Albert Rösti und Elisabeth Baume-Schneider sei die Landwirtschaft nicht einfach bloss Politik, sondern man merke, dass sie aus eigener Erfahrung wüssten, wie die Realität als Landwirtin und Landwirt aussehe, liess sich auch Simone de Montmollin (fdp, GE) zitieren. Man gebe aber keine Wahlempfehlung ab, so der Präsident der Gruppe, Markus Ritter (mitte, SG). Der Blick verwies darauf, dass es bei der Erneuerungswahl zweimal um «Stadt gegen Land» gehe, sah allerdings wie die meisten anderen Deutschschweizer Medien diesbezüglich ein Unentschieden – weiterhin gehörte die Favoritenrolle Albert Rösti und Eva Herzog.

Die Aargauer Zeitung hingegen berichtete nach den ersten Fraktionsanhörungen der SP-Kandidatinnen von einer «rasanten Aufholjagd» der Jurassierin. Ebendiese Nähe zur Landwirtschaft – unterstrichen durch ein Foto, welches sie mit Schwarznasenschafen auf einer Wiese zeigte und das von allen Medien verbreitet wurde – sei nach der Anhörung der SP-Kandidatinnen auch in der SVP-Fraktion als «riesiger Vorteil» bezeichnet worden. Sie sei zwar inhaltlich nicht auf der Linie der Partei, verströme allerdings laut Aussagen verschiedener Fraktionsmitglieder «Wärme, Fröhlichkeit und Zugänglichkeit», vor allem auch, wenn sie Schweizerdeutsch spreche. Bei Eva Herzog sei «die Temperatur im Sitzungszimmer [...] deutlich [gesunken], als sie den Raum betrat», zitierte die Aargauer Zeitung ein weiteres SVP-Fraktionsmitglied. Anders interpretierte die NZZ das Hearing der SVP. Eva Herzog sei bei der SVP gut angekommen, weil sie besser vorbereitet gewesen sei als Elisabeth Baume-Schneider. SVP-Fraktionsmitglieder hätten betont, dass Eva Herzog «das Format für den Bundesrat» habe. Der Tages-Anzeiger schätzte die Stimmung in der SVP auf «zwei Drittel für Herzog, ein Drittel für Baume-Schneider». Die SVP-Fraktion gab in der Folge keine Empfehlung ab, erklärte aber, dass man sich an das SP-Ticket halten werde.
Auch die Fraktion der Grünen gab keine Wahlempfehlung ab, bezeichnete aber beide Kandidatinnen als «ausgezeichnet», so Fraktionschefin Aline Trede (gp, BE) in der Aargauer Zeitung. Da die Mauern der Fraktionszimmer Ohren hätten, wusste die Liberté, dass die Grünen in einer Probeabstimmung mit drei Viertel der Stimmen Elisabeth Baume-Schneider den Vorzug gegeben hätten.
Schon vor der Bekanntgabe der Kandidatur von Elisabeth Baume-Schneider hatte die FDP verlauten lassen, dass sie sich gegen eine Mehrheit von lateinischsprachigen Mitgliedern im Bundesrat stellen werde. Vor den Hearings wurde im Freisinn gar diskutiert, die Jurassierin nicht einzuladen und sich stattdessen mit Evi Allemann zu unterhalten. Diesen Plan liess man dann allerdings fallen. Zwar sprach die Fraktion nach dem Hearing ebenfalls keine Empfehlung aus, erinnerte aber in ihrer Stellungnahme an die Bedeutung der ausgewogenen sprachlichen und regionalen Vertretung im Bundesrat. Die dann doch eher zurückhaltende Position wurde in den Medien dadurch erklärt, dass die starke französischsprachige Minderheit innerhalb der FDP-Fraktion wohl Sympathien für Baume-Schneider gezeigt habe.
In der Mitte-Fraktion sei das Rennen offen, urteilte Le Temps, auch wenn einzelne Fraktionsmitglieder Eva Herzog im Vorteil sähen. Die Sprachenfrage sei für die Mitte eher unwichtig, wenn die Übervertretung der Personen aus der lateinischsprachigen Schweiz nicht zu lange andauere. Der entsprechende Artikel der Bundesverfassung sei keine mathematische Regel, sondern vor allem ein Minderheitenschutz, erinnerte Pirmin Bischof (mitte, SO).
Einzig die GLP-Fraktion sprach sich nach der Anhörung für Eva Herzog aus, weil man sie als fähiger erachte, die EU-Beziehungen zu normalisieren, wie Tiana Moser (glp, ZH) gegenüber Le Temps erklärte.

Die beiden SVP-Kandidaten wurden zuerst von der FDP- und der GLP-Fraktion angehört. Albert Rösti habe dabei wesentlich nervöser gewirkt als Hans-Ueli Vogt, wusste die Aargauer Zeitung zu berichten. Albert Rösti bleibe Kronfavorit, urteilte hingegen die NZZ, auch wenn beide Fraktionen sowohl den Berner als auch den Zürcher als wählbar erachteten und deshalb Stimmfreigabe beschlossen. Einzelne Fraktionsmitglieder befanden, dass Hans-Ueli Vogt einen fragileren Eindruck hinterlassen habe als Albert Rösti. Bei der GLP sei es vor allem darum gegangen, zu entscheiden, welchem der beiden Kandidaten eher zuzutrauen sei, zugunsten der Konkordanz von der Parteilinie abzuweichen.
Zu einem Novum kam es bei der Grünen Fraktion, die zum ersten Mal ein Hearing für die SVP-Kandidaten durchführte. Darauf hatte die Fraktion in den vergangenen Jahren jeweils verzichtet, weil sie mit einer eigenen Kampfkandidatur gegen die SVP angetreten war. Die GP-Fraktion empfehle keinen der beiden SVP-Kandidaten zur Wahl, weil beide ein Risiko für das Klima, die Biodiversität und die Menschenrechte darstellten, liess die grüne Fraktion nach den Anhörungen durch Fraktionsvizepräsidentin Lisa Mazzone (gp, GE) verlauten. Die Fraktionsmitglieder seien frei, bei der Wahl um die Nachfolge von Ueli Maurer keinen oder einen anderen Namen auf den Wahlzettel zu schreiben.
Davon sah die SP-Fraktion ab. Auch wenn die SVP-Kandidierenden weit von der Politik der SP entfernt seien, würden die Fraktionsmitglieder einem offiziellen Kandidierenden die Stimme geben – welchem sei ihnen freigestellt, wurde erklärt.
Auch für die Mitte-Fraktion waren beide SVP-Kandidierenden wählbar und auch sie gab entsprechend keine Wahlempfehlung ab.

Auch nach diesen Hearings blieben die Favoritenrollen in den Medien klar verteilt: Die meisten von den Medien präsentierten Expertinnen und Experten gingen von einer Wahl Albert Röstis und Eva Herzogs aus. Stellvertretend dafür wurde etwa in der Aargauer Zeitung am Tag vor den Wahlen das «Orakel» bzw. der Prognosemarkt «50 plus 1» zitiert, auf dem 149 Politikwissenschafterinnen und Politikwissenschafter mit jeweils 87 Prozent auf eine Wahl Röstis und Herzogs wetteten. Die Wahl von Rösti – aufgrund der Amtsdauer wurde die Nachfolge von Ueli Maurer (14 Jahre im Amt) vor jener von Simonetta Sommaruga (12 Jahre im Amt) durchgeführt – werde zudem Eva Herzog dienen, weil sie als einzige Vertreterin der urbanen Schweiz gelte, prognostizierte der Tages-Anzeiger in seiner Ausgabe am Tag der Wahl. Die NZZ sah allerdings nach den Hearings nur noch «leichte Vorteile» für Eva Herzog. Es gebe nichts mehr, dass «klar gegen Baume-Schneider» spreche, eine Überraschung sei deshalb nicht auszuschliessen. Für Schlagzeilen nach der ominösen «Nacht der langen Messer» sorgten Aussagen mehrerer Parlamentsmitglieder, dass Daniel Jositsch (sp, ZH) – obwohl nicht offizieller Kandidat – wohl einige Stimmen machen werde und – falls er gewählt würde – nicht auf die Wahl verzichten würde. Man werde staunen, wie viele Stimmen Jositsch machen werde, wurde etwa Nik Gugger (evp, ZH) in der Aargauer Zeitung zitiert.

Bundesratsersatzwahlen 2022 – Nachfolge von Ueli Maurer und Simonetta Sommaruga
Dossier: Bundesratswahlen seit 2008

Lors de la session d'automne 2022, la conseillère nationale Tiana Angelina Moser (glp/pvl, ZH) a déposé une motion intitulée « Contrôles officiels visant à protéger les animaux. Mettre à contribution le budget pour l’agriculture et assurer la transparence ». Celle-ci devait charger le Conseil fédéral à mettre en place un système de financement pour les contrôles officiels visant à protéger les animaux de rente dans les exploitations agricoles. L'objectif de la motion était d'assurer un nombre suffisant de contrôles à long terme dans toute la Suisse, avec la participation de la Confédération et des cantons. À cette fin, le Conseil fédéral devrait s'assurer de la collaboration des autorités cantonales responsables de l'exécution des contrôles. En cas de réduction des paiements directs suite à des violations de la protection des animaux dans les exploitations bénéficiaires d'aides, les montants économisés seraient entièrement ou partiellement utilisés pour financer les contrôles officiels de protection animale. Chaque année, les autorités auraient pour tâche de publier les chiffres relatifs aux animaux de rente, aux exploitations agricoles, aux contrôles effectués avec ou sans préavis pour garantir la protection des animaux de rente, ainsi que les dépenses encourues par les cantons pour ces contrôles.
Le Conseil fédéral, représenté par Alain Berset, a estimé de son côté que la répartition actuelle des tâches entre la Confédération et les cantons a fait ses preuves et ne nécessite pas de modification. L'exécutif s'est opposé à l'idée de financer les tâches d'exécution cantonales en réduisant les paiements directs aux détenteurs d'animaux en infraction. Selon le gouvernement, une telle redistribution des fonds serait une ingérence indésirable dans la répartition des tâches et l'équivalence fiscale entre la Confédération et les cantons. De plus, le Conseil fédéral a considéré que l'affectation et la répartition des ressources fédérales entre les cantons seraient complexes et difficiles à réaliser. Enfin, ce dernier a estimé que les rapports annuels des services vétérinaires cantonaux fournissent déjà une quantité importante d'informations sur les contrôles effectués dans les exploitations agricoles détenant des animaux de rente, ce qui répond en grande partie à l'objectif de la motion. Pour toutes ces raisons, le Conseil fédéral a recommandé le rejet de la motion.
Suivant l'avis des Sept sages, la motion a été rejetée par la chambre basse par 114 voix défavorables (l'ensemble des élu.e.s UDC, 26 du Centre, 24 PLR, et 12 Vert-e-s) contre 62 voix favorables (l'ensemble des élu.e.s Vert'libéraux, 34 du PS, 8 Vert-e-s, 3 du Centre et 1 PLR) et 9 abstentions (4 PLR, 3 Vert-e-s et 2 élu.e.s du PS).

Contrôles officiels visant à protéger les animaux. Mettre à contribution le budget pour l’agriculture et assurer la transparence (Mo. 20.4214)

Der Bundesrat publizierte im Mai 2022 die Botschaft zur Übernahme zweier EU-Verordnungen zur Festlegung der Bedingungen für den Zugang zu anderen EU-Informationssystemen für die Zwecke des ETIAS sowie zur Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes.
Wie der Bundesrat in seiner Botschaft vermerkte, hatte das Parlament der Übernahme der EU-Verordnung, die ETIAS etablierte, bereits im September 2020 zugestimmt (BRG 20.027). Bei der vorliegenden Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstandes ging es nun darum, die Interoperabilität des ETIAS-Systems mit anderen EU-Informationssystemen (wie etwa SIS) zu gewährleisten. Mit der Interoperabilität solle der Datenaustausch unter diesen Systemen ermöglicht werden und vorhandene Informationen effizienter und gezielter genutzt werden. Der Bundesrat beantragte auch eine Änderung des AIG: Der Abteilung «Biometrische Identifikation» des Fedpol soll es erlaubt werden, die Ergebnisse von Suchanfragen manuell nachzuprüfen, wenn diese einen Treffer in den Schengen/Dublin-Informationssystemen ergeben haben.

Der Nationalrat befasste sich in der Herbstsession 2022 mit dem Geschäft. Die Sprechenden der SPK-NR, Tiana Moser (glp, ZH) und Damien Cottier (fdp, NE), stellten den Entwurf vor. Demnach handelt es sich bei ETIAS um ein System zur Ausstellung von Reisegenehmigungen für Drittstaatenangehörige ohne Visumspflicht, wobei die Prüfung, ob eine Person eine Einreisebewilligung erhält, weitgehend automatisch abläuft. Komme es zu einer Unregelmässigkeit, dann erfolge in den entsprechenden Schengen-Mitgliedstaaten eine manuelle Prüfung der Einreisebewilligung. Das Bundesverwaltungsgericht werde eine Plattform zur Verfügung stellen, über die Beschwerden bei einer mutmasslichen Fehlbeurteilung der Reisegenehmigung eingereicht werden können. Das Ziel dieser Weiterentwicklung des ETIAS-Systems bestehe darin, die Sicherheit, insbesondere in den Bereichen Bekämpfung des Terrorismus und Verhinderung schwerer Straftaten, zu stärken. Minderheitsanträge wurden keine gestellt und die meisten Fraktionen äusserten sich überwiegend positiv. Jedoch meldete Natalie Imboden (gp, BE) seitens der Grünen-Fraktion gewisse datenschützerische Bedenken an und bat Justizministerin Karin Keller-Sutter, den «datenschützerischen Aspekten in den weiteren Umsetzungsarbeiten genügend Beachtung zu schenken». Der Nationalrat nahm die Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstandes mit 134 Stimmen zu 10 Stimmen (33 Enthaltungen) an. Die ablehnenden Stimmen stammten von Mitgliedern der SVP-Fraktion, die Enthaltungen von der Grünen-Fraktion. Die zweite Vorlage, die Änderung des AIG, nahm der Nationalrat mit 145 zu 3 Stimmen bei 33 Enthaltungen an.

Die kleine Kammer behandelte die Vorlage in der Wintersession 2022. Dort stellten Kommissionssprecher Mathias Zopfi (gp, GL) und Justizministerin Keller-Sutter das Geschäft vor, wobei eine eigentliche Debatte ausblieb: Eintreten wurde ohne Gegenantrag beschlossen und beide Vorlagen wurden einstimmig angenommen.

In den Schlussabstimmungen am Ende der Wintersession 2022 zeigte sich wiederum ein ähnliches Stimmverhalten: Während sich die Grünen der Stimmen enthielten, votierte eine grosse Mehrheit des Nationalrates klar für die beiden Vorlagen (155 zu 9 Stimmen bei 32 Enthaltungen / 164 zu 0 Stimmen bei 32 Enthaltungen). Im Ständerat wurden die beiden Vorlagen jeweils einstimmig angenommen (44 zu 0 Stimmen für die beiden Vorlagen).

Festlegung der Bedingungen für den Zugang zu anderen EU-Informationssystemen (ETIAS; BRG. 22.019)
Dossier: Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands, Errichtung von IT-Grosssystemen

Wie kann die institutionelle Krisenresistenz des Bundesrates verbessert werden? Diese Frage stellt die GLP-Fraktion dem Bundesrat, indem sie ihn mittels Postulat beauftragte, einen entsprechenden Bericht zu verfassen. Tiana Angelina Moser (glp, ZH) führte in der Herbstsession 2022 im Nationalrat aus, dass der Bundesrat nicht nur auf die Covid-19-Pandemie, sondern auch auf den Ausbruch des Ukraine-Krieges unvorbereitet gewesen sei. Es habe an Szenarien und vorbereiteten Massnahmen gefehlt, die man in Krisen rasch herbeiziehen könnte. Im Gegenteil habe der Bundesrat «orientierungslos» gewirkt und habe «erst auf Druck von aussen wieder Tritt» gefasst. Es brauche deshalb dringend eine «Gesamtstrategie des Führungsgremiums Bundesrat», so Moser. Die Ratsdebatte war nötig geworden, weil das vom Bundesrat eigentlich zur Annahme empfohlene Postulat von Gregor Rutz (svp, ZH) bekämpft worden war. Er teile zwar die Ansicht, dass der Bundesrat nicht vorbereitet gewesen sei, aber vorausschauendes Regieren könne nicht gesetzlich verordnet werden, sondern funktioniere nur, wenn «man die richtigen Leute in die Gremien» wähle. Das System funktioniere im Gegenteil selbst in einer Krise trotz eines schwachen Bundesrats sehr gut. Wenn man die Führung verbessern wolle, müsse man neue Leute wählen und nicht teure Berichte verfassen, schloss Rutz. Bundeskanzler Walter Thurnherr schliesslich wies darauf hin, dass der Bundesrat bereits daran sei, einen Bericht der Bundeskanzlei zum Krisenmanagement in der Covid-19-Pandemie umzusetzen, weshalb er das Postulat als ergänzenden Auftrag zur Annahme empfehle. Dieser Empfehlung kam eine 115 zu 47 Stimmen-Mehrheit (3 Enthaltungen) der Volksvertreterinnen und Volksvertreter nach. Einzig die geschlossen stimmende SVP-Fraktion (42 Stimmen), vier Mitglieder der Mitte-Fraktion sowie ein Mitglied der FDP-Fraktion lehnten das Postulat ab.

Institutionelle Krisenresistenz des Bundesrates (Po. 22.3343)
Dossier: Institutionelle Krisenresistenz des Bundesrats

Die APK-NR begann im Juni 2021 mit der Vorberatung der Änderung des Embargogesetzes. Der Bundesrat beantragte mit der Gesetzesänderung, das Verbot der Einfuhr von Feuerwaffen, Waffenbestandteilen und Munition sowie weiterer Güter für militärische Zwecke aus Russland und der Ukraine aufrechtzuerhalten. Darüber hinaus schlug er eine gesetzliche Grundlage vor, um in vergleichbaren Fällen nicht auf Basis der Bundesverfassung Entscheide fällen zu müssen. Die Kommission beschloss, sich mittels Anhörungen vertieft mit der Sanktionspolitik der Schweiz auseinanderzusetzen und die Beratung des Entwurfs auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. In einer weiteren Sitzung im August 2021 entschied sie sich, die neusten Erwägungen der bundesrätlichen Koordinationsgruppe Sanktionspolitik abzuwarten, um den bundesrätlichen Entwurf dann gemeinsam mit der themenverwandten parlamentarischen Initiative Molina (sp, ZH; Pa.Iv. 19.501) zu behandeln. Erst im Mai 2022 stimmte die APK-NR der Revision des Embargogesetzes mit 19 zu 6 Stimmen zu. Eine Mehrheit sah darin die Möglichkeit einer kohärenten und ganzheitlichen Schweizer Sanktionspolitik, während eine Minderheit eine Verletzung des Neutralitätsgebots und eine Bedrohung für die Glaubwürdigkeit der Schweiz befürchtete.

In der Sommersession 2022 befasste sich der Nationalrat mit dem Geschäft, das für allerlei Diskussionen sorgte. APK-NR-Sprecher Gerhard Pfister (mitte, ZG) verwies auf die lange Vorberatung in der Kommission, die dem sich wandelnden Kontext geschuldet gewesen sei. Der Kriegsausbruch im Februar 2022 habe die Beratungsweise des Geschäfts verändert und neue Fragen hinsichtlich der Kompatibilität mit der Neutralität und einer eigenständigen Sicherheitspolitik aufgeworfen. In Abweichung zur Vorlage des Bundesrats und der Erweiterung, die der Ständerat geschaffen hatte, schlug die Kommission ihrem Rat daher einen weiteren Absatz vor. Durch diesen sollte der Bundesrat ermächtigt werden, eigenständig Sanktionen gegen Personen oder Entitäten erlassen zu können, die schwere Verletzungen des humanitären Völkerrechts, der Menschenrechte oder ähnliche Verbrechen angeordnet oder begangen haben. Der Bundesrat hatte ursprünglich nur vorgeschlagen, Sanktionen auch auf Staaten ausweiten zu können, die bisher nicht von den Zwangsmassnahmen betroffen gewesen sind, sofern die Interessen der Schweiz dies erforderten. Der Ständerat hatte diesen Geltungsradius in der Folge auf «Personen oder Entitäten» ausgeweitet, wovon die APK-NR mit ihrem neuen Absatz zum autonomen Sanktionserlass deutlich abwich und stattdessen das Anliegen der oben erwähnten parlamentarischen Initiative Molina (Pa.Iv. 19.501) aufnahm.
Zahlreiche Ratsmitglieder nutzten die Eintretensdebatte, um allgemeine Überlegungen zur Schweizer Neutralität anzustellen. Elisabeth Schneider-Schneiter (mitte, BL) meinte, dass die Möglichkeit zu eigenständigen Sanktionen die Handlungsfähigkeit des Landes erhöhe, und sah darin keinen Widerspruch zur Neutralität. Die Schweiz könne als vernetztes Land nicht zuschauen, denn auch ein neutraler Staat müsse Partei ergreifen, wenn die Demokratie und ihre Grundwerte bedroht würden. Diesen Standpunkt vertrat auch Sibel Arslan (basta, BS) im Namen der Grünen. Die grüne Fraktion sähe «keine Missachtung des Neutralitätsgebotes», wenn es dem Bundesrat frei stehe, Sanktionen Dritter auf Akteure seiner Wahl auszuweiten. Stattdessen erlaube die Vorlage eine kohärente und ganzheitliche Sanktionspolitik unter «Wahrung einer Neutralität, die Unrechtmässigkeit nicht duldet». Und auch FDP-Fraktionssprecherin Petra Gössi (fdp, LU) plädierte für Eintreten, da das Neutralitätskonzept des Bundes von 1993 eine Sanktionsteilnahme erlaube. Sie forderte, dass die Schweiz als neutrales Land eine Interessenabwägung machen müsse, statt eine Maximepolitik zu betreiben. Kritisch gegenüber dem Bundesrat zeigte sich Nationalrat Molina, der den ursprünglichen Entwurf der Revision als «Minireförmli» bezeichnete, die der gegenwärtigen Lage nicht gerecht werde. Tiana Angelina Moser (glp, ZH) vertrat die Meinung, dass die Revision eigentlich der Einhaltung und Sicherstellung der Neutralität diene, denn die eigenständige Anpassung eines Sanktionsregimes sei unter Umständen im Landesinteresse, insbesondere in Fällen, in denen die Neutralität ansonsten verletzt würde. Die SVP-Fraktion, allen voran Roger Köppel (svp, ZH), forderte hingegen eine Rückbesinnung auf die bewaffnete und umfassende Neutralität der Schweiz. Wirtschaftssanktionen seien mit dieser Neutralität nicht vereinbar, stattdessen schade man im Endeffekt allen Parteien, da Russland die Schweiz auch nicht mehr als Vermittlerin akzeptiere.
Eine Minderheit Nidegger (svp, GE) verlangte, überhaupt nicht auf die Änderung des Embargogesetzes einzutreten. Laut Nidegger sind Sanktionen nur dann zu rechtfertigen, wenn sie zur Einhaltung des Völkerrechts beitragen, so wie in Artikel 1 des Embargogesetzes festgehalten. Er argumentierte, dass die vorgeschlagenen Änderungen der Kommission zur Folge hätten, dass Sanktionen auf Staaten ausgeweitet werden könnten, die das Völkerrecht gar nicht verletzt hätten. Denn da die Schweiz sowieso die Sanktionen der UNO und ihrer wichtigsten Handelspartner (also der EU) übernehme, sei es aus seiner Sicht unmöglich, dass zusätzliche von der Schweiz sanktionierte Staaten überhaupt gegen das Völkerrecht verstossen würden. Dadurch würde man also unschuldige Staaten bestrafen, weshalb die Vorschläge der APK-NR gegen Artikel 1 des Embargogesetzes verstiessen. Die grosse Kammer beschloss jedoch mit 131 zu 51 Stimmen, gegen den Widerstand der SVP, auf das Geschäft einzutreten.

In der Detailberatung musste sich der Nationalrat mit mehreren Minderheitsanträgen auseinandersetzen. Zwei davon stammten von Yves Nidegger, der die Bewahrung der Neutralität als gewichtigsten Faktor beim Erlass von Sanktionen festlegen lassen wollte. Darüber hinaus beantragte er auch die Streichung des von der APK-NR vorgeschlagenen Absatzes, mit dem der Bundesrat die Kompetenz zum eigenständigen Sanktionserlass erhalten hätte, sowie in einem Einzelantrag die Streichung des vom Bundesrat eingebrachten Artikels zur Ausweitung von Sanktionen. Zwei weitere Minderheiten Portmann (fdp, ZH) richteten sich ebenfalls gegen den neu vorgeschlagenen Artikel der APK-NR. Portmann wollte den Erlasstext insofern präzisieren, dass eine Ausweitung von Sanktionen nur möglich sein sollte, wenn die Schweiz unmittelbar bedroht ist oder mutmassliche Völkerrechtsvergehen vorliegen. Des Weiteren verlangte er, dass der Bundesrat den zuständigen Parlamentskommissionen im Falle einer Sanktionsausweitung einen Analysebericht zur Kompatibilität seiner Entscheidungen mit der schweizerischen Neutralität vorlegen müsse. Nationalrat Portmann warnte davor, das Embargogesetz drastisch zu ändern, bevor nicht eine ausführliche Debatte über die Neutralitätsfrage geführt worden ist. Schliesslich sei die Neutralität für die Schweizer Bevölkerung ein parteiübergreifender Grundwert, den man nicht ohne darüber zu sprechen «in den Kübel werfen» sollte. Eine letzte Minderheit Fischer (glp, LU) forderte schliesslich die Streichung eines vom Ständerat eingefügten Artikels, wonach Schweizer Unternehmen bei der Umsetzung von Sanktionen im internationalen Vergleich nicht benachteiligt werden dürfen. Diese Minderheit Fischer deckte sich mit der Forderung von Bundesrat Parmelin, der bereits im Ständerat vergeblich gegen diesen Artikel angekämpft hatte. Der WBF-Vorsteher sprach sich zudem gegen den Vorschlag der Kommission aus, dem Bundesrat die Kompetenz eigenständiger Sanktionserlasse zu verleihen, da dies eine radikale Änderung der Schweizer Sanktionspolitik bedeuten würde. Er lehnte sämtliche Minderheiten ab und empfahl die Annahme des bundesrätlichen Originalentwurfs.
In der Folge lehnte der Nationalrat sämtliche Minderheitsanträge ab. Den Minderheitsanträgen von Yves Nidegger stimmte jeweils nur die SVP-Fraktion zu, einzig beim Antrag zur Streichung der eigenständigen Sanktionserlasse erhielt die SVP Unterstützung durch die FDP, blieb mit 107 zu 82 Stimmen aber dennoch erfolglos. Auch der Minderheitsantrag Fischer wurde abgelehnt – jedoch mit umgekehrter Rollenverteilung – entgegen dem Willen der SP, der Grünliberalen und der Grünen. Die zwei Minderheiten Portmann wurden zwar von der SVP unterstützt, dies reichte jedoch gegen die geschlossene Ablehnung der Ratslinken und der Mitte nicht aus.
In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat den Vorschlag seiner aussenpolitischen Kommission mit 136 zu 53 Stimmen an und schuf damit eine Differenz zum Ständerat, der sich somit ein zweites Mal mit dem Entwurf befassen musste.

Änderung des Embargogesetzes (BRG 19.085)
Dossier: Von der Schweiz ergriffene Sanktionen gegen andere Staaten
Dossier: Schweizer Reaktion auf die russischen Aggressionen in der Ukraine (ab 2014)

Am 13. Juni 2021 stimmte die Schweizer Stimmbevölkerung über insgesamt fünf Vorlagen ab. Neben den drei Referenden über das Covid-19-Gesetz, das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) sowie das CO2-Gesetz standen auch die beiden Agrarinitiativen – namentlich die Pestizid-Initiative sowie die Trinkwasser-Initiative – auf der Agenda. Letztere verlangte, dass nur noch diejenigen landwirtschaftlichen Betriebe Subventionen erhalten, welche keine Pestizide verwenden und in der Tierhaltung auf einen prophylaktischen Einsatz von Antibiotika verzichten. Ausserdem sollen die Betriebe nur noch so viele Tiere halten, dass diese mit dem Futter vom eigenen Hof ernährt werden können.
Der Verein «Sauberes Wasser für alle» um Franziska Herren, welche die Initiative lanciert hatte, wurde in seiner Kampagne von zahlreichen Umwelt- und Tierschutzorganisationen sowie von der GP, der GLP und der SP unterstützt. Dazu gesellte sich auch ein liberales Unterstützungskomitee um den Berner Nationalrat Christian Wasserfallen (fdp, BE). Daneben genoss die Initiative auch eine gewisse Unterstützung durch einige bäuerliche Kreise. Die GLP-Politikerin Tiana Angelina Moser (glp, ZH) begründete ihre Zustimmung zur Initiative mit dem Umstand, dass die Schweizer Bevölkerung durch die Steuergelder, die in die Landwirtschaft fliessen, die Zerstörung der Umwelt und damit der eigenen Lebensgrundlage mitfinanziere. Kilian Baumann (gp, BE) ergänzte, dass der hohe Pestizideinsatz zum Artensterben beitrage. Auch würden Landwirtinnen und Landwirte mit dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln nicht nur die Qualität des Trinkwassers, sondern auch ihre eigene Gesundheit gefährden.
Das nationale Komitee «2 mal Nein zu den extremen Agrar-Initiativen», welches sich auch gegen die Pestizid-Initiative stark machte, führte die Kampagne gegen die Trinkwasser-Initiative an. Dem Komitee gehörten unter anderem Politikerinnen und Politiker des rechts-bürgerlichen Lagers an und auch zahlreiche Personen, die im landwirtschaftlichen Bereich arbeiteten (bspw. Landwirte und Landwirtinnen sowie Agronomen). Überraschenderweise gab auch der Verband BioSuisse die Nein-Parole zur Trinkwasser-Initiative heraus. Er vertrat dabei die Ansicht, dass die Trinkwasser-Initiative zu fest auf die Produktion im Inland fokussiere. Bei einer Annahme müssten allenfalls gar mehr Lebensmittel aus dem Ausland importiert werden, falls die Konsumentinnen und Konsumenten nicht auf einheimische Bio-Produkte setzen möchten. Die Gegnerinnen und Gegner der Vorlage argumentierten des Weiteren, dass mit einer Landwirtschaft, in der keine Pestizide mehr erlaubt seien, grosse Ernteausfälle zu erwarten seien. Zudem liege die Verantwortung auch bei den Konsumentinnen und Konsumenten, die perfekte Nahrungsmittel einkaufen möchten, welche ohne den Einsatz von Pestiziden gar nicht zu produzieren seien. Hier müsste zuerst ein Umdenken stattfinden. Auch würden einige Betriebe eingehen, weil sie ihren Tierbestand massiv reduzieren müssten, um die Tiere mit dem Futter vom eigenen Betrieb ernähren zu können, erläuterte beispielsweise der Präsident des SBV, Markus Ritter (mitte, SG). Werner Salzmann (svp, BE) ergänzte, dass die Bauern schon jetzt sehr ökologisch produzierten und die Trinkwasserqualität in der Schweiz dementsprechend hervorragend sei. Schliesslich würde die Trinkwasserinitiative die Lebensmittel generell verteuern und sei daher asozial.

Die Medien berichteten im Vorfeld der Abstimmungen meistens gemeinsam über die beiden Agrarinitiativen und differenzierten nicht allzu stark zwischen den beiden Vorlagen. Die Westschweizer Zeitungen Le Quotidien Jurassien und Le Temps befanden, dass die Initiativen zwar hehre Ziele verfolgen, jedoch über das Ziel hinausschiessen würden. Insbesondere bei der Trinkwasserinitiative sei nicht bedacht worden, dass mit den geforderten strengeren Regeln für die einheimische Produktion viel mehr landwirtschaftliche Güter importiert würden. Die Zeitungen waren sich darüber hinaus einig, dass die beiden Agrarinitiativen stark polarisierten – vor allem zwischen der ländlichen und der städtischen Bevölkerung. Diese Polarisierung kennzeichnete auch die teils emotional intensiv geführten Abstimmungskampagnen der Pro- und Contra-Seite. Wie die Medien berichteten, seien auch viele Plakate zerstört worden und die beiden Seiten seien des Öfteren verbal aneinander geraten. Es kam sogar soweit, dass die «Mutter der Trinkwasser-Initiative», Franziska Herren, gegen Ende der Kampagne nicht mehr öffentlich auftreten wollte, weil sie und ihre Familie bedroht worden seien. Die Inserateanalyse von Année Politique Suisse, welche einige Tage vor der Abstimmung publiziert wurde, deutete darauf hin, dass die Abstimmungskampagnen auch in den Printmedien intensiv geführt wurden. Für die Trinkwasser-Initiative wurden überdurchschnittlich viele Inserate publiziert, wobei die Gegnerschaft mehr als doppelt so viele Inserate schaltete wie die Befürworterseite.
Wie die Tamedia- und SRG-Umfragen im Vorfeld des Abstimmungstermins zeigten, hatte sich im Frühling 2021 noch eine Mehrheit der Befragten für die Trinkwasser-Initiative ausgesprochen. Diese Zustimmung nahm jedoch im Verlaufe der Abstimmungskampagnen ab; ein Muster, das bei vielen Volksinitiativen zu beobachten ist. In der dritten Umfrage, einige Tage vor dem Urnengang, zeichnete sich dann eine Ablehnung der Initiative ab.
Am Abstimmungssonntag war tatsächlich schnell klar, dass die Trinkwasser-Initiative keine Mehrheit finden würde. Sie wurde – wie auch die Pestizid-Initiative – deutlich abgelehnt. Vor allem in ländlichen Regionen fanden die beiden Vorlagen nur wenig Zustimmung.


Abstimmung vom 13. Juni 2021

Beteiligung: 59.7%
Ja: 1'276'117 Stimmen (39.3%) / Stände: 1/2
Nein: 1'970'332 Stimmen (60.7%) / Stände: 20 5/2

Parolen:
-Ja: EVP, GLP, GPS, KVP, SD, SPS (1*), VPOD, Pro Natura, Greenpeace, WWF, Fischereiverband, BirdLife, Schweizer Tierschutz, Swisscleantech, CSP OW
-Nein: EDU, FDP, Lega, MCG, Mitte, PdA, SVP, Jungfreisinnige (1*), Schweizer Forum für nachhaltige Entwicklung eco, Groupement des Entreprises Multinationales Gem, SBV, SGV, Schweizerischer Bäuerinnen- und Landfrauenverband, BioSuisse, Fleischfachverband, Obstverband, Getreideproduzentenverband, Milchproduzenten, GastroSuisse
-Stimmfreigabe: SSV
* in Klammern die Anzahl abweichender Kantonalsektionen


In den Tagen nach der Abstimmung wurde nur am Rande über die Gründe für das Scheitern der beiden Initiativen diskutiert. Die NZZ und der Blick verorteten diese vor allem in einer klugen Strategie der Bürgerlichen und des Bauernverbandes. Vielmehr wurde jedoch auf das «Wie weiter?» fokussiert. Die Medien waren sich einig, dass nun alle Akteurinnen und Akteure aufeinander zugehen müssten und am selben Strang ziehen sollten, um die Landwirtschaft nachhaltiger zu gestalten. In diesem Kontext wurde auch auf die Umsetzung der parlamentarischen Initiative 19.475 der WAK-SR hingewiesen, mit welcher die mit dem Einsatz von Pestiziden verbundenen Risiken für die Gewässer bis 2027 (gegenüber dem Mittel des Zeitraums 2012-2015) um 50 Prozent reduziert werden sollen. Während die Aargauer Zeitung die Umsetzung dieser Initiative als Erfolg für die Initiantinnen und Initianten der beiden Agrarinitiativen wertete, konnte die Grüne Ständerätin Céline Vara (gp, NE) dieser parlamentarischen Initiative nicht allzu viel abgewinnen.
Die im Juli 2021 publizierte Nachbefragung durch gfs.bern zeigte, dass die Stimmbevölkerung die Initiative vor allem aufgrund ihres grossen Vertrauens in die Schweizer Landwirtschaft verworfen hatte. Zudem erachteten die Gegnerinnen und Gegner die Initiative als zu extrem. Die Befürwortenden hingegen sahen in der Initiative ein Instrument, um Umwelt und Gesundheit zu schützen. Schliesslich wurde auch ein Graben zwischen der städtischen und der ländlichen Bevölkerung ausgemacht, wobei Letztere die Initiativen deutlich stärker ablehnte.

Initiative pour une eau potable propre et une alimentation saine (MCF 18.096)
Dossier: Pestizidbelastung in Fliessgewässern
Dossier: Reduktion der Verwendung von Antibiotika
Dossier: Reduzierung und Verbot des Pestizideinsatzes

Im Mai 2021 reichte die WAK-NR eine Motion ein, welche die Schweizer Beteiligung am Grenzausgleichssystem der EU thematisierte. Darin fordete sie vom Bundesrat, dass sich die Schweiz am neuen CO2-Grenzausgleichssystem der EU beteiligen und zugleich dafür sorgen soll, dass damit ein «wesentlicher Beitrag zur Erreichung der Klimaziele» geleistet werde. Darüber hinaus dürften Unternehmen in der Schweiz durch ein solches System im internationalen Wettbewerb nicht benachteiligt werden. Eine Minderheit Martullo-Blocher (svp, GR) beantragte die Ablehnung der Motion.
In der Sommersession 2021 reichte Nationalrat Aeschi (svp, ZG) – ebenfalls Mitglied der Kommissionsminderheit – einen Ordnunganstrag ein, um die Motion noch in der gleichen Session in den Rat zu bringen. Gegen dieses Vorhaben setzte sich Tiana Angelina Moser (glp, ZH) ein, da die WAK-NR die Motion bis anhin stets parallel zum Bundesratsgeschäft über die Abschaffung der Industriezölle (BRG 19.076) behandelt habe und dieses erst für die Herbstsession 2021 traktandiert worden sei. Der Nationalrat lehnte den Ordnungsantrag daraufhin mit 108 zu 75 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) ab, womit das Geschäft voraussichtlich in der Herbstsession 2021 vor den Nationalrat gelangt.

Schweizer Beteiligung am Grenzausgleichssystem der EU

In der Frühjahrssession 2021 nahm der Nationalrat Kenntnis vom Aussenpolitischen Bericht 2020. Der Bericht gab einen Überblick über die Aussenpolitik der Schweiz im Berichtsjahr, wobei er sich strukturell an der Aussenpolitischen Strategie 2020-2023 und deren vier Schwerpunkten ausrichtete. Einen besonderen Fokus legte er aus Aktualitätsgründen auf die Corona-Pandemie. Diese führte im Jahr 2020 zur grössten Rückholaktion der Schweizer Geschichte und zu einem ausgeweiteten Einsatz der IZA. Darüber hinaus stärkten der Einbezug der Schweiz in das europäische Krisendispositiv, der funktionierende EU-Binnenmarkt und der grosse Nutzen zahlreicher bilateraler Abkommen während der Pandemie das europapolitische Ziel des Bundesrats, den bilateralen Weg mithilfe eines institutionellen Rahmenabkommens zu vertiefen. Ein weiterer zentraler Aspekt der Aussenpolitik im Berichtsjahr war die Schweizer Kandidatur für den UNO-Sicherheitsrat, welche durch den angekündigten Einbezug des Parlaments im Inland vorangetrieben wurde. Ebenfalls hervorgehoben wurden die geografischen und thematischen Teilstrategien, mit denen der Bundesrat die Kohärenz der Aussenpolitik verstärken will. Dazu gehören die MENA-Strategie, die China-Strategie und die Subsahara-Afrika-Strategie, sowie die IZA-Strategie, die Strategie zur Digitalaussenpolitik und die Strategie Landeskommunikation.
Claudia Friedl (sp, SG) kritisierte im Namen der APK-NR das Fehlen einer «Teilstrategie Europa» in diesem Bericht. Zudem unterstütze die Kommission zwar grundsätzlich das Bestreben des Bundesrats, die Politikkohärenz zu erhöhen, sie verlange aber, dass die Agenda 2030 den übergeordneten Rahmen für die Aussenpolitik bilden solle. Die Kommission bemängelte laut Friedl auch das zu kurze Kapitel zum Thema «Migration und Flucht», merkte aber selbst an, dass der Bundesrat im Migrationsbericht vertieft darauf eingehen wolle. Kommissionssprecher Denis de la Reussille (pda, NE) fügte dem Votum seiner Kollegin hinzu, dass die Frage des Zugangs zu Wasser weiterhin eine wichtige Rolle in der Schweizer Aussenpolitik spielen werde. Bei dieser Thematik könne sich die Schweiz mit ihrem Fachwissen einbringen. Noch kritischer als die Kommission war Nationalrat Roland Büchel (svp, SG), der sich entrüstet darüber zeigte, dass das Rahmenabkommen und die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU im Bericht erst an achter Stelle aufgeführt wurden. Er verlangte die Überweisung dieses Dossiers an das Parlament. Nationalrätin Tiana Angelina Moser (glp, ZH) bezeichnete die fehlende Führungsverantwortung des Gesamtbundesrats, dessen verwirrende Kommunikation und den mangelnden Einbezug des Parlaments diesbezüglich als «Trauerspiel» und forderte ebenfalls die Überweisung des Rahmenabkommens an das Parlament. Christine Bulliard-Marbach (mitte, FR) sprach die bevorstehende Publikation der China-Strategie an und verlangte, dass die Schweiz von China die Respektierung der Menschenrechte, mehr Transparenz und die Einhaltung international anerkannter Handelsregeln einfordern müsse. Zum Abschluss der Debatte erklärte Bundesrat Ignazio Cassis, dass sich die globalen Kräfteverhältnisse nicht zuletzt aufgrund der wachsenden Konkurrenz der Grossmächte veränderten. Die Schweiz müsse in internationalen Auseinandersetzungen als Brückenbauerin fungieren, an ihren Trümpfen wie den guten Diensten festhalten und zugleich ihre Aussenpolitik agiler gestalten, beispielsweise durch Wissenschaftsdiplomatie oder die digitale Aussenpolitik. Cassis betonte zudem, dass die Europafrage auch bei einem gescheiterten Rahmenabkommen zentral bleiben werde und dass die Schweiz sich auch in den bilateralen Beziehungen mit europäischen Staaten engagiere, unter anderem durch die Mind the Gap-Strategie mit dem Vereinigten Königreich.

Aussenpolitischer Bericht 2020 (BRG 21.009)
Dossier: Aussenpolitische Berichte (ab 2009)

In der Frühjahrssession 2021 fanden zwei Runden des Differenzbereinigungsverfahrens zum Paket 1a des ersten Massnahmenpakets zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen statt. Der Ständerat hatte sich zuerst mit neun verbliebenen Differenzen zu zwei Themenkreisen zu befassen. Dabei konnte er die Frage bereinigen, ob Pauschalen bei ambulanten Behandlungen auf national einheitlichen Tarifstrukturen beruhen sollen. Nachdem der Nationalrat zuvor an dieser Forderung festgehalten hatte, pflichtete ihm der Ständerat nun bei. Damit soll unter anderem die Rechnungsüberprüfung für die Versicherten einfacher werden. Zudem sollen entsprechende Pauschaltarife von allen Leistungserbringenden verwendet werden – auch hier stimmte der Ständerat stillschweigend dem Vorschlag des Nationalrats zu. Bezüglich der Einheitlichkeit der Tarifstruktur hatte der Bundesrat ursprünglich Ausnahmen vorgesehen, der Ständerat und in der Folge auch der Nationalrat hatten diese Ausnahmeregelung jedoch aus dem Gesetz gestrichen. Nun beabsichtigte die SGK-SR hier doch wieder dem Bundesrat zu folgen und die entsprechende Regelung wieder aufzunehmen. Stillschweigend hiess der Ständerat auch diesen Vorschlag seiner Kommission gut. Zusätzlich schuf die kleine Kammer auf Antrag ihrer Kommission jedoch auch eine neue Bestimmung, wonach die Tarifpartner auch weiterhin zusätzliche ambulante Pauschaltarife vereinbaren können.
Der Nationalrat störte sich zwei Tage später jedoch daran, dass der Ständerat hier zwei Regelungen zur Frage der Ausnahmen bei ambulanten Pauschaltarifen geschaffen habe. Für den Nationalrat war klar, dass nur eine der beiden Regelungen nötig sei – uneinig war man sich jedoch, welche. Die Minderheiten Prelicz-Huber (gp, ZH) und Gysi (sp, SG) bevorzugten die bundesrätliche Formulierung, da diese eine Anhörung der interessierten Kreise ermögliche, und beantragten die ständerätliche Ergänzung zur Ablehnung. Die Kommissionsmehrheit sprach sich allerdings für die kürzere Variante des Ständerats aus und konnte damit die Mehrheit der grossen Kammer überzeugen.

Bezüglich des zweiten noch offenen Themas der Revision, dem Experimentierartikel zu den Pilotprojekten, hatte gemäss dem ständerätlichen Kommissionssprecher Pirmin Bischof (mitte, SO) lange Zeit vor allem die Frage nach der Einhaltung der Rechte der Versicherten im Mittelpunkt gestanden. Ständerat und Nationalrat seien sich aber einig geworden, dass in solchen Pilotprojekten die Rechte der Versicherten, auch deren Grundrechte, nicht verletzt werden dürfen und dass die Teilnahme der Betroffenen freiwillig sein müsse. Bezüglich der Rechte der Teilnehmenden stimmte der Ständerat dem Vorschlag der grossen Kammer stillschweigend zu. Die Mehrheit der SGK-SR wollte die entsprechenden Pilotprojekte auf die Eindämmung der Kostenentwicklung beschränken, während eine Minderheit Ettlin (mitte, OW) die möglichen Themen breiter halten und konkret auch Projekte zur Stärkung der Qualität und der Förderung der Digitalisierung zulassen wollte. Eine weitere Minderheit Carobbio Guscetti (sp, TI) forderte erneut die Auflistung der möglichen konkreten Bereiche, in denen entsprechende Pilotprojekte möglich sein sollen. Wie bereits in der Debatte im Nationalrat in der Wintersession 2020 wurde auch hier auf den entsprechenden Bericht des BJ verwiesen, wonach eine offene, nicht abschliessende Formulierung mit der Verfassung in Konflikt stehen könnte. Dieses Problem anerkannte die Kommissionsmehrheit jedoch nicht und lehnte eine Spezifikation der Bereiche weiterhin ab, zumal sie eine entsprechende Liste als innovationshemmend erachtete. Die Mehrheit beantragte zudem, sämtlichen beteiligten Akteuren die Möglichkeit, zuzusprechen, solche Projekte zu lancieren, während die Minderheit Ettlin dafür vorgängige Vereinbarungen zwischen Versicherungen und Leistungserbringenden vorsehen und Patientenorganisationen sowie Kantone von dieser Möglichkeit ausnehmen wollte. Die Kommissionsmehrheit setzte sich in sämtlichen Punkten durch und hielt damit drei Differenzen in diesem Themenbereich aufrecht.
Der Nationalrat zeigte sich in dieser Frage jedoch nicht gesprächsbereit und lehnte einen Minderheitsantrag de Courten (svp, BL), der ebenfalls auf die Auflistung verzichten wollte, da Innovation «kein Top-down-Verfahren» sei, ab.

Offen blieben damit auch nach diesen Behandlungen in beiden Räten insbesondere die Fragen, in welcher Form Ausnahmen bei den ambulanten Pauschalen ausgestaltet und ob die möglichen Bereiche für Pilotprojekte aufgelistet werden sollen.

Erstes Massnahmenpaket zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen (BRG 19.046)
Dossier: Anstieg der Krankenkassenprämien dämpfen (seit 2020)

In der Wintersession 2020 bereinigte das Parlament die Änderung des KVG bezüglich der Vergütung des Pflegematerials. Einstimmig bestätigte der Ständerat die vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderungen und löste die Ausgabenbremse, nachdem Kommissionssprecher Bischof (cvp, SO) im Namen der Kommission die Annahme der Vorlage empfohlen hatte. Auf Einzelantrag von Peter Hegglin (cvp, ZG) und Bitte von Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) schloss der Rat – ebenfalls einstimmig – zudem eine Lücke, welche der Gesetzestext bis dahin noch aufgewiesen hatte: So war man davon ausgegangen, dass alle Beträge, die bisher vergütet worden waren, auch zukünftig vergütet würden. Tatsächlich wären durch die geplante Änderung aber Materialien, die ausschliesslich vom Pflegefachpersonal angewendet werden, sich aber nicht auf der MiGeL befinden, weder von der OKP noch von den Kantonen vergütet worden. Um dies zu verhindern, stimmte der Rat dem Antrag Hegglin zu, wonach die entsprechenden Mittel und Gegenstände während eines Jahres ab Inkrafttreten der Änderung weiterhin nach dem bisherigen Recht vergütet werden sollten. Damit habe man Zeit, die entsprechenden Güter auf die MiGeL zu setzen. Diese Lösung hatte auch Bundesrat Berset zuvor im Rahmen der Debatte unterstützt. Einstimmig (41 zu 0 Stimmen) verabschiedete der Ständerat das Gesetz in der Gesamtabstimmung.
Gegen diese Änderung hatte auch der Nationalrat nichts einzuwenden, stillschweigend nahm er die Differenz an und stimmte dem Gesetz in den Schlussabstimmungen (195 zu 0 Stimmen) genauso einstimmig zu wie der Ständerat (41 zu 0 Stimmen).

Änderung des KVG bezüglich Vergütung des Pflegematerials (BRG 20.046)
Dossier: Änderungsvorschläge zur Mittel- und Gegenständeliste (MiGeL)

Nach den ersten Behandlungen der Revision des Covid-19-Gesetzes im National- und Ständerat mussten acht Differenzen ausgeräumt werden. Die ersten drei bereinigte der Nationalrat in der ersten Runde des Differenzbereinigungsverfahrens. So verzichtete die grosse Kammer auf ihre anfängliche Forderung, dass der Bundesrat für die Kosten, die den Leistungserbringenden (beispielsweise den Spitälern) durch Einschränkungen der Behandlungsmöglichkeiten zukünftig entstehen, eine Lösung suchen soll. Die Gesundheitsversorgung liege in der Verantwortung der Kantone, bekräftigte Kommissionssprecherin Esther Friedli (svp, SG) das Argument des Ständerates. Auch bei der Frage, welche Saison oder Saisons bei der Festlegung der Mindestausgaben für den Nachwuchs- oder den Frauenbereich im Sport massgeblich sein sollen, folgte der Nationalrat seinem Schwesterrat. Es habe sich gezeigt, dass gerade für die Frauenförderung ein Vergleich mit der letzten Saison am vorteilhaftesten sei, wurde argumentiert. Schliesslich pflichtete die grosse Kammer dem Ständerat auch bei den Überbrückungsleistungen bei: Zwar hatte die WAK-NR dem Nationalrat die Streichung des Anspruchs von älteren Personen, die zwischen dem 1. Januar 2021 und dem Inkrafttreten der ÜL ausgesteuert werden, empfohlen. Der Antrag hänge gemäss Kommissionssprecher Regazzi (cvp, TI) nicht direkt mit der Corona-Pandemie zusammen, da die Betroffenen bereits vor zwei Jahren entlassen worden seien. Zudem würde diese Regelung CHF 80 Mio. in fünf Jahren kosten, ergänzte Finanzminister Maurer. Samuel Bendahan (sp, VD) verwies jedoch für die Minderheit Wermuth (sp, AG) auf die Folgekosten beispielsweise für die Sozialhilfe, wenn hier keine Regelung gefunden würde, und betonte noch einmal die Wichtigkeit der Massnahme für die Betroffenen – diese hätten keine anderen Möglichkeiten als die ÜL. Mit 106 zu 88 Stimmen folgte der Nationalrat der Minderheit Wermuth und damit dem Ständerat.

Bevor sich der Ständerat der Bereinigung der fünf verbliebenen Differenzen annehmen konnte, wurde die Gesetzgebung von der immer grösser werdenden zweiten Welle der Corona-Pandemie eingeholt: Der Bundesrat hatte in der Zwischenzeit entschieden, die Massnahmen zur Bekämpfung der Pandemie zu verstärken; betroffen waren insbesondere das Gastgewerbe und die Kulturbranche, die erneut schweizweit ihren Betrieb einstellen mussten. Dies machte eine Verstärkung der Hilfsmassnahmen für die Wirtschaft notwendig, die der Bundesrat kurzfristig ins Covid-19-Gesetz aufnehmen wollte. «Wenn zusätzliche Einschränkungen kommen, braucht es dazu ein Begleitprogramm, um die finanziellen Ausfälle entsprechend abzufedern», argumentierte Bundesrat Maurer. Entsprechend schlug der Bundesrat Änderungen an bereits beratenen Gesetzesartikeln vor und stellte dazu einen Rückkommensantrag. Die Kommissionen der beiden Räte hiessen den Antrag mit Verweis auf die aussergewöhnliche Situation, welche entsprechend auch eine aussergewöhnliche Gesetzgebung notwendig mache, gut und nahmen die bundesrätlichen Anträge in die Differenzbereinigung auf. Entsprechend verwies Ständeratspräsident Kuprecht (svp, SZ) darauf, dass der Rat eine «etwas schwierige Differenzbereinigung» vor sich habe, und Kommissionssprecher Bischof (cvp, SO) verteidigte die «etwas speziell beanspruchte Gesetzgebung», «eine Gesetzgebung, wie wir sie sonst namentlich in diesem Rat nicht machen würden».
Zentral war bei dieser aussergewöhnlichen Gesetzgebung der Antrag des Bundesrates, die Mittel für die Härtefallmassnahmen aufzustocken: Neben den ersten zwei, bereits gesprochenen Tranchen über CHF 400 Mio. und CHF 600 Mio. sollte eine dritte Tranche über CHF 750 Mio. bereitgestellt werden. An den Massnahmen dieser dritten Tranche sollten sich die Kantone zu 33 Prozent beteiligen (erste Tranche: 50%, zweite Tranche: 20%). Für besonders betroffene Kantone sowie als Reserve schlug der Bundesrat zudem eine vierte Tranche ebenfalls über CHF 750 Mio. für Härtefallhilfen vor, an denen sich die Kantone nicht beteiligen müssten. Mit diesen zusätzlichen insgesamt CHF 1.5 Mrd. solle die Zeit bis zur Frühjahressession 2021 abgedeckt werden, betonte Pirmin Bischof. Unbestritten war in der WAK-SR die Erhöhung der Härtefallhilfen um CHF 1.5 Mrd. gewesen, jedoch beantragte eine Kommissionsmehrheit, diese nicht nur für besonders betroffene Kantone, sondern auch für besonders betroffene Branchen zu öffnen. Mit 27 zu 17 Stimmen lehnte der Ständerat diese Ausdehnung jedoch ab.
Auch die Anforderungen für die Härtefallhilfe wollte der Bundesrat kurzfristig anpassen. Ständerat und Nationalrat hatten in den Beratungen zuvor die für den Zugang zu Härtefallhilfen nötigen Umsatzeinbussen von mindestens 40 Prozent bestätigt. Nun bat der Bundesrat jedoch um die Möglichkeit, für die vom aktuellen Tätigkeitsverbot oder einer Tätigkeitseinschränkung betroffenen Unternehmen tiefere Hürden festlegen zu können. Stillschweigend nahm der Ständerat auch diese Änderung an.

Auch für die Kulturschaffenden forderte der Bundesrat Unterstützung, konkret nahm er weitgehend den Einzelantrag Aebischer (sp, BE) aus der ersten Behandlungsrunde des Nationalrats wieder auf. Waren die Kulturschaffenden im Rahmen der Covid-19-Verordnung noch unterstützt worden, hatte sich das Covid-19-Gesetz bisher auf Beiträge an die Kulturunternehmen beschränkt. Da aber der Kulturbereich durch den zweiten Lockdown erneut mit einem Tätigkeitsverbot belegt worden war, sollten nun auch die selbständig erwerbenden Kulturschaffenden Ausfallentschädigungen beantragen können. Den Betrag für die Leistungsvereinbarungen mit den Kantonen wollte der Bundesrat jedoch bei CHF 100 Mio. belassen, wie Finanzminister Maurer erklärte. Stillschweigend hiess der Ständerat auch diesen neusten bundesrätlichen Antrag gut.

Weiter verkompliziert wurde die aussergewöhnliche Gesetzgebung nun dadurch, dass nicht nur der Bundesrat, sondern auch die WAK-NR ob der sich veränderten Situation neue Anträge stellte, die ebenfalls einen Rückkommensantrag bedingten. Zwar nahm die WAK-SR den Rückkommensantrag ihrer Schwesterkommission an, entschied jedoch, die Erstbehandlung der Anträge dem Nationalrat zu überlassen.
In der Folge machte sich die kleine Kammer an die Bereinigung der verbliebenen «ordentlichen» Differenzen. Einig wurde man sich mit dem Nationalrat beim Dividendenverbot bei Härtefallhilfen. Hier hatte der Nationalrat dieselbe Regelung vorgeschlagen, welche bereits ins Covid-19-Solidarbürgschaftsgesetz aufgenommen worden war. Demnach dürfen Unternehmen, um Härtefallunterstützung zu erhalten, im entsprechenden Geschäftsjahr keine Dividenden und Tantiemen ausschütten oder beschliessen sowie keine Kapitaleinlagen zurückerstatten oder deren Rückerstattung beschliessen. Stillschweigend stimmte der Ständerat dieser Regelung zu.
Einig wurde man sich in derselben Behandlungsrunde auch bezüglich der Frage, ob Unternehmen Sport- und Kulturhilfen sowie Härtefallhilfen beantragen können sollten. Obwohl sich der Ständerat in seiner ersten Behandlung der Covid-19-Gesetzesrevision gegen einen solchen doppelten Anspruch auf Hilfe ausgesprochen hatte, pflichtete er ihm nun stillschweigend bei.

Für die dritte Beratung der Revision des Covid-19-Gesetzes brachte die WAK-NR im Nationalrat, wie im Ständerat bereits angekündigt worden war, durch einen Rückkommensantrag neue Differenzen auf den Tisch.
Die erste davon betraf die Erwerbsersatzordnung: Die Kommissionsmehrheit schlug nachträglich vor, Entschädigungen des Erwerbsausfalls nicht ab einer Umsatzeinbusse von 55 Prozent, sondern bereits ab 40 Prozent zu ermöglichen und sich damit an den Bedingungen für die Härtefallmassnahmen zu orientieren. Damit nahm die Kommission ein Anliegen aus den ersten Behandlungsrunden wieder auf, schwächte dieses jedoch ab. Eine Minderheit Aeschi (svp, ZG) lehnte diesen Antrag ab, zumal eine solche Regelung gemäss Bundesrat Maurer insgesamt CHF 1.5 Mrd. bis CHF 2 Mrd. kosten würde. Stattdessen schlug Aeschi vor, dem zweiten neuen Antrag der WAK-NR zu folgen, nämlich der Erhöhung der KAE auf 100 Prozent für Personen mit niedrigen Einkommen. Für die Definition von «niedrigen Einkommen» wollte sich die Kommission am Mindestlohn gemäss GAV in der Gastronomie orientieren, der bei CHF 3'470 pro Monat lag. Niemand solle demnach mit KAE weniger als diesen Lohn verdienen. KAE für Löhne zwischen CHF 3'470 und CHF 4'340 sollten überdies anteilsmässig angehoben werden, um Schwelleneffekte zu vermeiden. Mit dieser Regelung würde «Personen mit einem tiefen Monatslohn gezielt unter die Arme» gegriffen, während die Reduktion der nötigen Umsatzeinbusse beim Erwerbsausfall eine «Giesskannenlösung» darstelle, argumentierte Aeschi. Die Erhöhung der KAE bei niedrigen Einkommen wurde in der Folge ohne Minderheitsantrag stillschweigend angenommen, gleichzeitig unterstützte der Nationalrat mit 101 zu 83 Stimmen (bei 8 Enthaltungen) aber auch die Senkung der Schwelle für Erwerbsausfallentschädigungen auf 40 Prozent.
Neben diesen beiden neuen Anträgen der Kommissionsmehrheit reichte auch Jaqueline Badran (sp, ZH) einen neuen Vorschlag zu einem bereits abgeschlossenen Artikel ein, nämlich zu den A-Fonds-perdu-Beiträgen bei den Härtefallhilfen. Dabei wollte sie den Kantonen die Möglichkeit geben, diese Beiträge auf 20 Prozent zu erhöhen (bisher 10 Prozent) oder alternativ 50 Prozent der ungedeckten Fixkosten eines Unternehmens zu übernehmen. Dies gebe den Kantonen den Spielraum, den sie benötigten, argumentierte Badran. Finanzminister Maurer wehrte sich dagegen, hier weitergehende Kriterien zu schaffen, zumal sich der Bundesrat für seine vierte Tranche an Härtefallhilfen mehr Freiheiten bei der Vergabe erhoffte. Der Nationalrat lehnte den Antrag Badran ab.
Die Anspruchsvoraussetzungen dieser vierten Tranche für Unternehmen, welche von den neusten Einschränkungen seit dem 1. November 2020 betroffen waren, wollte der Bundesrat zusammen mit den Kantonen aushandeln und in einer Verordnung regeln. «Wir werden in den nächsten Wochen Flexibilität brauchen, um auf all die Besonderheiten, die in den Kantonen existieren, Rücksicht nehmen zu können», argumentierte der Bundesrat. Eine Minderheit Aeschi lehnte eine solche Lockerung ab, um eine Ungleichbehandlung der Betroffenen aufgrund unterschiedlicher Regelungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten zu verhindern, blieb damit aber erfolglos.
Eine Minderheit Ryser (gp, SG) wollte überdies die zweite der beiden neuen Tranchen von CHF 750 Mio. auf CHF 2 Mrd. aufstocken. Die Minderheit bezweifelte, dass die vorgesehenen Reserven bis zur Frühjahrssession 2021 reichen würden, falls es zu einem erneuten Lockdown kommen würde. Diese Erhöhung der vierten Tranche fand jedoch nur bei SP, Grünen und GLP Anklang, folglich blieb der Nationalrat, wie von einer Minderheit Aeschi gefordert, bei der Version des Bundesrates.

Auch bezüglich des dritten Antrags des Bundesrates, im Kulturbereich nicht mehr nur die Kulturunternehmen, sondern wie bereits in der entsprechenden Verordnung auch die Kulturschaffenden zu unterstützen, folgte der Nationalrat dem Bundesrat. Er lehnte damit zwei Minderheitsanträge ab: Eine Minderheit Fivaz (gp, NE) verlangte eine Verdoppelung des bereitgestellten Betrags auf CHF 200 Mio., da die Situation der Kulturschaffenden heute deutlich schlechter sei als beim ersten Lockdown und somit vermutlich mehr Gelder beantragt würden. Eine Minderheit Aeschi lehnte hingegen die Ausweitung der Hilfe auf Kulturschaffende ab, da der zweite Zwischenbericht der EFK zu den Ausschüttungen während des ersten Lockdowns gezeigt habe, dass «viele Kulturschaffende mehr Geld erhalten haben, als der effektive Schaden war». Mit der Zustimmung des Nationalrats konnte das Parlament somit die neuen bundesrätlichen Regelungen bereits verabschieden.

Auch einen der ursprünglichen Anträge bereinigte der Nationalrat in dieser Runde, nämlich die Frage, ob der neu geschaffene Anspruch von Mitarbeitenden mit Temporär- oder befristeten Verträgen auf KAE rückwirkend auf den 1. September 2020 in Kraft gesetzt werden soll. Diese Frage hatte der Nationalrat bereits zweimal bejaht, wenn zuletzt auch sehr knapp mit 97 zu 97 Stimmen und Stichentscheid des Präsidenten. Die Kommissionsmehrheit beantragte jedoch, dem Ständerat und dem Bundesrat zu folgen und auf die Rückwirkung zu verzichten. Mit Verweis auf ein föderalistisches Problem – eine Regelung ab dem 1. Januar 2021 würde zwar die Verluste der Betroffenen durch die bundesrätlichen Massnahmen abdecken, nicht aber diejenigen der Unternehmen in den französischsprachigen Kantonen, die bereits seit Mitte Oktober 2020 entsprechende Verschärfungen erlassen hatten – beantragte eine Minderheit Fivaz Festhalten. Finanzminister Maurer verwies einmal mehr auf den grossen Aufwand und die Verzögerungen, die durch die neue Erstellung und Prüfung der entsprechenden Anträge entstehen würden. Dieses Mal liess sich der Nationalrat vom bundesrätlichen Argument überzeugen, entschied sich gegen eine Rückwirkung und bereinigte diese Differenz im Sinne des Ständerats.

In der letzten Runde des Differenzbereinigungsverfahrens löste der Ständerat einige verbliebene Differenzen auf, jedoch nicht alle. Eine Einigung fand sich zur Berücksichtigung der Fixkosten bei der Bestimmung der Härtefälle. Diesbezüglich hatte der Nationalrat dreimal entschieden, nicht gedeckte Fixkosten als Kriterium für Härtefälle anzuerkennen, woraufhin die WAK-SR einstimmig beantragte, der Formulierung des Nationalrats zuzustimmen. Diese lasse es zu, dass Kantone nicht in allen Gesuchen die Fixkosten überprüfen müssten, sondern nur dort, wo es Sinn mache. Auch Finanzminister Maurer zeigte sich mit der Formulierung einverstanden, solange diese «so zu verstehen [sei], dass die Situation mittels einer summarischen Prüfung und einer pauschalen Beurteilung angeschaut wird». Stillschweigend folgte der Ständerat dem Antrag der Kommission und bereinigte diese Differenz.
Bei der EO nahm der Ständerat stillschweigend die neue Änderung der WAK-NR an, wonach statt einer 55-prozentigen Umsatzeinbusse eine Einbusse von 40 Prozent nötig ist, um EO beantragen zu können. Damit wurde ein «mit der Härtefallregelung einheitlicher Satz eingeführt», wie Kommissionssprecher Bischof betonte. Die Kosten von CHF 1.5 Mrd. bis CHF 2 Mrd. sei man bereit zu sprechen, zumal die Ausweitung der EO auf Selbständige bisher statt den vermuteten CHF 5.3 Mrd. «nur» CHF 2 Mrd. gekostet habe. Gemäss einem Schreiben, welches die Kommission vor der Debatte im Rat erhalten habe, befürchteten die SKOS und die Sozialdirektorenkonferenz überdies, dass es ansonsten insbesondere bei den Selbständigerwerbenden zu einem starken Anstieg der Sozialhilfefälle kommen werde.
Auch der vom Nationalrat neu geschaffenen Erhöhung der KAE auf 100 Prozent für Personen mit Löhnen bis CHF 3'470 und einer anteilsmässigen Aufstockung der ausbezahlten Löhne bis CHF 4'340 stimmte der Ständerat stillschweigen zu – übernahm jedoch eine etwas einfachere Formulierung der Bundesverwaltung. Er legte die Geltungsdauer für diese Regelung rückwirkend auf den 1. Dezember 2020 fest, sie sollte bis zum 31. März 2021 in Kraft bleiben. Vergeblich wies Ruedi Noser (fdp, ZH) darauf hin, dass damit eben auch Personen stärker unterstützt würden, die in einem Haushalt mit einer Person mit einem zweiten, möglicherweise viel höheren Einkommen lebten, dass Nichtarbeiten damit erstmals «gleich interessant [sei] wie das Arbeiten» und dass die Betroffenen auch die Möglichkeit hätten, einer Zusatzbeschäftigung nachzugehen. Er zeigte sich aber durch die zeitliche Begrenzung der Regelung beruhigt.

Damit verblieb noch eine Differenz, zu der eine Einigungskonferenz abgehalten werden musste. Offen geblieben war die Frage zur Einkommensbeschränkung für die Sportvereine. Anfänglich hatte sich hier die Frage gestellt, ob die Löhne aller oder nur der am sportlichen Betrieb beteiligten Mitarbeitenden berücksichtigt werden sollen und ob alle Löhne über einer gewissen Grenze einzeln gekürzt werden müssten oder nur der Durchschnittslohn. Bei diesen zwei Fragen konnten sich die beiden Ratskammern auf eine Reduktion der Durchschnittslöhne aller Mitarbeitenden über einer bestimmten Grenze einigen, wobei der Nationalrat als Referenz die Einkommen der Saison 2018/2019 berücksichtigen wollte, der Ständerat diejenigen vom Stichtag 13. März 2020, also dem Tag des Lockdowns. Hier hatte sich der Ständerat zuvor erneut für Festhalten entschieden, gemäss Hannes Germann (svp, SH) aufgrund von Partikularinteressen einzelner Vereine. Eine ganze Saison inklusive Playoffs im Eishockey oder Cup-Erfolgen oder internationalen Einsätzen im Fussball bilde die Situation besser ab als die Löhne an einem einzigen Stichtag. Die Einigungskonferenz löste die Meinungsverschiedenheit, indem sie beide Versionen aufnahm: Als Referenz sollte die Saison 2018/2019 gelten, auf Antrag könnte aber auch der Stichtag 13. März 2020 herangezogen werden. Bei den KAE für tiefere Einkommen sowie bei deren Geltungsdauer folgte die Einigungskonferenz dem Vorschlag des Ständerats. Die Anträge der Einigungskonferenz waren schliesslich weder im Nationalrat noch im Ständerat umstritten: Während die grosse Kammer den Antrag der Einigungskonferenz, die Dringlichkeitsklausel sowie die Revision in der Schlussabstimmung mit einzelnen ablehnenden Stimmen von Mitgliedern der SVP-Fraktion deutlich annahm, stimmte ihnen der Ständerat jeweils geschlossen zu.

Während der ganzen Beratung der Revision des Covid-19-Gesetzes betonten zahlreiche Sprechende die aussergewöhnliche Situation, in der sich das Parlament befand: Neben dem dicht gedrängten Programm, das die jeweiligen Beratungen der Revision auf einen Tag beschränkte, und Kommissionssitzungen, die bereits um sechs Uhr morgens vor den Ratssitzungen stattfanden, wurden vor allem die direkten Auswirkungen der sich laufend ändernden Corona-Massnahmen auf die Beratung der Revision als aussergewöhnlich hervorgehoben.

Erste Revision des Covid-19-Gesetzes (BRG 20.084)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

La motion Moser (pvl, ZH) sur la suppression de certaines subventions agricoles nuisibles à la sécurité alimentaire a été classée car non traitée dans les deux ans après son dépôt. La députée zurichoise demandait que soient abolies certaines contributions incitant à la production de produits agricoles ne contribuant pas à la sécurité alimentaire suisse et étant contraire au nouvel article constitutionnel en la matière. Elle s'appuyait, pour cela, sur les conclusions d'un rapport délivré par le Contrôle fédéral des finances (CDF) qui estime que certaines contributions pour la production de viande, d'œufs et de laine ne sont pas conforme à la nouvelle disposition constitutionnelle sur la sécurité alimentaire.
Le Conseil fédéral s'est exprimé contre la motion, précisant que ces contributions avaient été plusieurs fois explicitement soutenues par les parlementaires et qu'elles étaient à nouveau questionnées dans le cadre de la PA 22+.

Suppression de certaines subvensions agricoles nuisibles à la sécurité alimentaire (Mo. 18.4408)

Der Ständerat behandelte die erste Revision des Covid-19-Gesetzes bereits einen Tag nach dem Erstrat. Dabei hatte die kleine Kammer über sechs Differenzen, die der Vorschlag der WAK-SR gegenüber den nationalrätlichen Beschlüssen aufwies, über sieben Minderheitsanträge sowie über drei Einzelanträge zu debattieren. Aufgrund des gedrängten Zeitplans hatte die Kommission die Revision bereits eine Woche zuvor beraten, ohne also die Entscheide des Nationalrats gekannt zu haben. Dabei hatte sie auch Mitberichte der FK-SR, der SGK-SR sowie der WBK-SR zur Kenntnis genommen.

In den zentralen Bereichen unterstützte der Ständerat die vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderungen des Covid-19-Gesetzes. Meinungsverschiedenheiten mit dem Nationalrat gab es grösstenteils bezüglich der von der grossen Kammer neu eingefügten Änderungen, welche die WAK-SR in der Mehrzahl zur Ablehnung empfahl. Dies war etwa bei den Massnahmen im Bereich der Gesundheitsversorgung der Fall; konkret bei der Frage, ob der Bund die Abgeltung der den Leistungserbringenden durch verbotene und eingeschränkte Behandlungen – etwa zur Sicherung der Kapazität des Gesundheitswesens – entstehenden Kosten regeln soll. Die Bestimmung sei sehr vage formuliert, es gehe hier aber eben noch nicht darum, wer die Kosten übernehmen soll, sondern lediglich um einen Auftrag an den Bundesrat, eine Regelung zu suchen, verteidigte Maya Graf (gp, BL) die nationalrätliche Position sowie ihren entsprechenden Einzelantrag. Kommissionssprecher Bischof (cvp, SO) verwies jedoch auf die Zuständigkeit der Kantone bei Gesundheitsfragen und Finanzminister Maurer betonte, dass der Bundesrat mit den Kantonen für die bisherigen entsprechenden Kosten eine Lösung gefunden habe: Diese werden von den Kantonen übernommen, während der Bund im Gegenzug alleine für die Kosten der Impfstoffe und Covid-Tests aufkommt. Ähnliche Lösungen könnten auch in zukünftigen Fällen gefunden werden, betonte der Finanzminister. Der Ständerat folgte seiner Kommission, strich die vom Nationalrat eingeführte und von Maya Graf vergeblich unterstützte Regelung und schuf damit eine erste Differenz zum Erstrat.

Auch bei den Härtefallhilfen war die WAK-SR mit den Vorschlägen der grossen Kammer nicht einverstanden. So wollte die ständerätliche Kommission die Fixkosten der Unternehmen bei der Vergabe der Härtefallhilfen nicht standardmässig berücksichtigen – hingegen könnten die Kantone dieses Kriterium freiwillig anwenden, wie Pirmin Bischof für die Kommission ein Argument anführte, das auch schon im Nationalrat aufgeworfen worden war. Hier folgte der Ständerat stillschweigend seiner Kommission und schuf eine weitere Differenz zum Erstrat.
Hingegen unterstützte die Kommissionsmehrheit den nationalrätlichen Änderungsvorschlag, wonach Unternehmen sowohl aus dem Topf für Kultur oder Sport als auch aus demjenigen für Härtefälle Unterstützung erhalten können, wenn sich ihre Tätigkeitsfelder entsprechend unterscheiden lassen. Allerdings verlangte eine Minderheit Noser (fdp, ZH), diesbezüglich dem Bundesrat zu folgen, da es unklar sei, was «klar abgegrenzt» bedeute. Von einer solchen Regelung, die ein «Papiertiger für Rekurse» sei, würden nur grosse Unternehmen profitieren, da nur diese klar abgegrenzte Bereiche aufwiesen. Davon schien sich der Ständerat überzeugen zu lassen, er präferierte den Minderheitsantrag Noser, strich diese vom Nationalrat eingefügte Bestimmung und schuf damit eine weitere Differenz.
Einen Kompromissvorschlag machte die WAK-SR bezüglich der Frage, ab welchem Umsatz Unternehmen zu den Härtefallhilfen zugelassen werden sollen. Der Nationalrat hatte diese Grenze von CHF 100'000 auf CHF 50'000 gesenkt, die WAK-SR wollte hingegen eine generelle Zulassung ab CHF 100'000, aber Ausnahmen «in begründeten Fällen» ermöglichen. Eine Minderheit Ettlin (cvp, OW) unterstützte die nationalrätliche Position, da auch Kleinbetriebe «richtige Unternehmen» seien und man hier mit wenig Geld viel erreichen könne. Schliesslich setzte sich diese Minderheit und entsprechend der nationalrätliche Vorschlag durch, womit dieser Aspekt zugunsten der kleineren Unternehmen bereinigt werden konnte.
Jakob Stark (svp, TG) reichte zudem einen Einzelantrag für ein Dividendenauszahlungsverbot im Covid-19-Gesetz ein, wie es zuvor schon im Nationalrat verlangt, jedoch abgelehnt worden war. Deutlich stimmte der Ständerat dem Antrag zu und nahm das Verbot ins Gesetz auf, nachdem Stark betont hatte, dass eine ausschliessliche Regelung in der Verordnung, wie es bisher der Fall gewesen war, in Beschwerdeverfahren zu Rechtsproblemen führen könne. Damit wurde eine zusätzliche Differenz zur grossen Kammer geschaffen.

Im Sportbereich zeigte sich die Kommissionsmehrheit zwar mit der Umwandlung eines Teils der Darlehen in A-Fonds-perdu-Beiträge, wie sie der Bundesrat vorgeschlagen hatte, nicht aber mit den Änderungen des Nationalrats einverstanden. Die Kommission wollte nicht nur die direkt am Spielbetrieb beteiligten Angestellten, sondern alle Angestellten der Sportklubs Einkommensbeschränkungen unterstellen. Ein Minderheitsantrag Germann (svp, SH) sah jedoch vor, dass die Vereine nicht die einzelnen Löhne, sondern die durchschnittlichen Löhne, die über einem Grenzbetrag liegen, reduzieren müssen. Dadurch seien die Klubs bezüglich ihrer Lohnplanung und ihren Verträgen flexibler, argumentierte Hannes Germann. Diese Meinung teilte auch der Finanzminister, woraufhin der Ständerat den Minderheitsantrag deutlich annahm. Umstritten war überdies die Frage, ob bei den zukünftigen Mindestausgaben für Nachwuchs- und Frauenförderung die Saison 2018/2019 oder die letzten drei Saisons als Vergleichsgrösse herangezogen werden sollen. Da die Frauenförderung bei einer Konzentration auf die vorletzte Saison deutlich besser fahren würde als bei einem Vergleich mit mehreren Saisons, entschied sich der Ständerat für erstere Variante und folgte damit dem Bundesrat.

In der Folge forderten mehrere Anträge von Mitgliedern der SP oder der Grünen eine Besserstellung von Personen mit niedrigen Einkommen oder von älteren Arbeitnehmenden.
Mit einem Einzelantrag beabsichtigte Eva Herzog (sp, BS), Personen mit Nettoeinkommen unter CHF 4'000 pro Monat bereits ab einer Umsatzeinbusse von 25 Prozent – statt erst bei 55 Prozent – Erwerbsersatz auszubezahlen. Dies stelle quasi einen Kompromiss zum Antrag im Nationalrat dar, wo die Bedingung einer Umsatzeinbusse gemäss einem Minderheitsantrag gänzlich hätte abgeschafft werden sollen. Auch dieser Antrag war jedoch erfolglos. Bei der Arbeitslosenversicherung stimmte der Ständerat der Ausweitung der Kurzarbeit auf Personen in temporären und befristeten Stellen zu, lehnte aber entgegen einer Minderheit Thorens Goumaz (gp, VD) die vom Nationalrat geschaffene Rückwirkung auf Anfang September 2020 ab. Diese rückwirkende Berechnung hätte gemäss dem Finanzminister 5'000 zusätzliche Arbeitstage für die Verwaltung mit sich gebracht und dadurch zu Verzögerungen von 3 Monaten geführt. Auch eine befristete Verlängerung der Rahmenfrist für den Leistungsbezug von älteren Arbeitslosen fand trotz der mahnenden Worte von Minderheitensprecher Rechsteiner (sp, SG), wonach ausgesteuerten Personen «der Absturz in die Sozialhilfe» drohe, keine Mehrheit. Stattdessen wollte der Ständerat die Situation der älteren Arbeitslosen dadurch verbessern, dass älteren Personen, die zwischen Januar und Juli 2021 ausgesteuert werden, ebenfalls bereits Zugang zu Überbrückungsleistungen gewährt wird –, wie die Minderheit Wermuth im Nationalrat zuvor noch erfolglos gefordert hatte.

Stillschweigend verabschiedete die kleine Kammer schliesslich die Änderung am Ordnungsbussengesetz, wonach zwar Ordnungsbussen für das Verweigern des Tragens von Masken in klar abgrenzbaren Bereichen wie dem öffentlichen Verkehr, nicht aber in schlechter abgrenzbaren Bereichen wie belebten Fussgängerzonen erteilt werden können. «Für die Strafbarkeit muss klar sein, was strafbar ist und was nicht», hatte Kommissionssprecher Pirmin Bischof diese bereits vom Nationalrat eingenommene Position verteidigt.
Einstimmig verabschiedete der Ständerat in der Folge den Revisionsentwurf zum Covid-19-Gesetz zuhanden des Nationalrats.

Erste Revision des Covid-19-Gesetzes (BRG 20.084)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

Im August 2020 machte die NZZ am Sonntag ein bisher geheimes Abkommen mit China publik, gegen das sich in der Folge Widerstand in der Schweizer Politik regte. Aufgrund des Abkommens wurde die Anwesenheit chinesischer Sicherheitsbeamtinnen und -beamter in der Schweiz durch den Bundesrat geduldet; und dies ohne dass das Abkommen vorgängig dem Parlament zur Konsultation vorgelegen hatte. Gemäss Tages-Anzeiger erlaube das Abkommen die Ermittlung der Nationalität und Identität chinesischer Staatsbürgerinnen und Staatsbürger durch die chinesischen Sicherheitsbehörden in der Schweiz, sofern sich Erstere illegal im Land aufhielten. Das 2015 abgeschlossene Abkommen sei gemäss NZZ am Sonntag derart geheim gewesen, dass selbst Mitglieder der aussenpolitischen Kommissionen keine Kenntnisse davon gehabt hätten. Mitglieder des Nationalrats von links bis rechts empörten sich nach Bekanntwerden über diese Praxis und verlangten teilweise die Kündigung des Abkommens. Staatssekretär Gattiker verteidigte das Vorgehen des SEM, da solche Abkommen Standard und für die Schweiz unverzichtbar seien. Die chinesischen Beamtinnen und Beamten kämen nur auf Einladung in die Schweiz, zudem habe man seit Inkrafttreten des Abkommens nur 43 Personen nach China zurückgeschafft. Nachdem Gattiker im August 2020 der APK-NR Rede und Antwort gestanden hatte, erklärte Tiana Moser (glp, ZH), dass zwar gewisse Vorbehalte ausgeräumt worden seien, die Debatte über die Verlängerung des Abkommens aber noch nicht abgeschlossen sei.

Im November 2020 reichte dann der Kanton Genf eine Standesinitiative ein, die sich gegen das «demokratieunwürdige Abkommen mit China» richtete. Gestützt auf die Verfassung, die EMRK und den UNO-Pakt II zu den bürgerlichen und politischen Rechten forderte der Kanton von der Bundesversammlung Massnahmen, um Minderheiten wie die uigurische Gemeinschaft in der Schweiz vor Überwachung und Einschüchterung durch den chinesischen Staat zu schützen. Zudem müsse in der Schweiz auch die freie Meinungsäusserung in Bezug auf die Lage in Xinjiang und Ost-Turkestan sowie die Menschenrechtslage in China garantiert werden. Die chinesischen Beamtinnen und Beamten hätten durch das Abkommen – ohne einen offiziellen Status zu besitzen – während zwei Wochen die Möglichkeit gehabt, Nachforschungen und Befragungen über chinesische Staatsangehörige anzustellen, so der in der Initiative formulierte Vorwurf. Zudem hätten diese Beamtinnen und Beamten oft chinesische Bürgerinnen und Bürger identifiziert, worauf deren Rückschaffung nach China veranlasst worden sei. Diese Praxis käme laut Initiativtext einer «Verletzung der Schweizer Verpflichtungen gegenüber der internationalen Gemeinschaft» gleich, da dadurch bestimmte Minderheiten ungestraft unterdrückt und überwacht würden. Der Kanton Genf forderte, dass die Verlängerung dieses Abkommens an konkrete Bedingungen geknüpft werden müsse, um die humanistische Tradition der Schweiz zu schützen.

Schweizerisch-chinesische Beziehungen: demokratieunwürdige Abkommen
Dossier: Menschenrechtspolitik Schweiz-China

Bereits Tage bevor der Bundesrat Livia Leu Mitte Oktober 2020 als neue Chefunterhändlerin für die Verhandlungen mit der EU und damit als Ablösung von Roberto Balzaretti bestätigte, hatte der Tagesanzeiger von Gerüchten berichtet, wonach ein personeller Umbruch bevorstehe. Auch Le Temps hatte Balzaretti bereits vor der Ankündigung als vierten Diplomaten bezeichnet, der in seiner Tätigkeit als Staatssekretär über das Rahmenabkommen mit der EU «gestolpert» sei (nach Yves Rossier, Pascale Baeriswyl und Jacques de Watteville). In den Medien wurde die Verabschiedung Balzarettis mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Für die NZZ deutete der hohe Personalverschleiss auf diesem Posten darauf hin, dass das eigentliche Problem beim Bundesrat liege, welcher den ehemaligen Aussenminister Didier Burkhalter zu lange habe gewähren lassen, ohne kritisch nachzufragen. Erst mit Cassis und Balzaretti war das Institutionelle Abkommen 2018 zu Ende verhandelt worden, doch der Bundesrat habe damals weder Ja noch Nein dazu gesagt und den Vertrag stattdessen in eine «improvisierte Konsultation» geschickt. Staatssekretär Balzaretti habe schliesslich die Debatte versachlicht, indem er sich selbst exponiert und den Vertrag in der Öffentlichkeit verteidigt habe, würdigte die NZZ den abtretenden Chefunterhändler. Durch dieses klare Bekenntnis sei Balzaretti jedoch für die notwendigen Nachverhandlungen vor allem für die Gewerkschaften nicht mehr glaubwürdig genug gewesen. Nichtsdestotrotz vermochte Bundesrat Cassis gegenüber den Medien nicht überzeugend zu begründen, weshalb dieser personelle Wechsel nun derart unmittelbar vollzogen werden musste. Hinter der Entlassung vermutete die NZZ Alt-Bundesrat Johann Schneider-Ammann, der sich im September 2019 in einem NZZ-Gastbeitrag öffentlich von der 2018 ausgehandelten Version des Rahmenabkommens distanziert und die Verantwortlichen damit stark unter Druck gesetzt hatte.
Zahlreiche Parlamentsmitglieder äusserten sich in der Folge äusserst positiv über Balzaretti und zweifelten am vom Bundesrat erhofften positiven Effekt eines neuen Chefunterhändlers. So eruierte Tiana Moser (glp, ZH) gegenüber der AZ das eigentliche Problem nicht im «guten Unterhändler» Balzaretti, sondern vielmehr in der mangelnden Führung des Bundesrats. Auch BDP-Präsident Martin Landolt (bdp, GL) glaubte nicht an die Lösung inhaltlicher Fragen durch personelle Wechsel. Obwohl Livia Leu von allen Seiten her sehr viel Pragmatismus attestiert wurde, schien die Erwartungshaltung angesichts der verhärteten Fronten zwischen der EU und den inländischen Gegnern des Abkommens gering zu sein. Die AZ zitierte tags darauf auch noch Andreas Schwab, der die Schweiz-Delegation im EU-Parlament leitet, der dazu lapidar meinte, dass so viele Auswechslungen im Fussball nicht erlaubt wären. Auch die EU-Kommission nahm die Ernennung zur Kenntnis. Ihr Sprecher forderte von der Schweiz aber «konkrete Schritte Richtung Unterzeichnung und Ratifizierung des Rahmenabkommens ohne Verzögerung», wie die AZ berichtete.

Vorstellung der neuen Chefunterhändlerin für die Verhandlungen mit der EU
Dossier: Institutionelles Rahmenabkommen

Am 25. September 2020, und damit nur wenige Tage vor der Abstimmung über die Begrenzungsinitiative, veröffentlichte das SRF einen Brief der Sozialpartner an den Bundesrat aus dem August 2020 und bezeichnete das Rahmenabkommen als «klinisch tot». In besagtem Brief hielten der SAV, der SGV, der SGB und TravailSuisse die Ergebnisse ihrer Aussprache zum Rahmenabkommen fest. Die Sozialpartner machten deutlich, dass das Rahmenabkommen in der gegenwärtigen Form nicht unterzeichnet werden solle und brachten zahlreiche Änderungsforderungen zum Ausdruck. Unter anderem verlangten sie die Gewährleistung des autonomen Lohnschutzes (inkl. Kautionen) und einen Teilausschluss der Unionsbürgerrichtlinie, um den Bezug von Sozialleistungen durch arbeitslose EU-Bürger und -Bürgerinnen zu verhindern. SGV, SGB und TravailSuisse riefen den Bundesrat dazu auf, ein Rahmenabkommen mit einem bilateralen Streitschlichtungsmechanismus und dem Ausschluss der vitalen Interessen – also Lohnschutz, Teile der Unionsbürgerrichtlinie und Staatsbeihilfen – zu entwickeln. Nur der SAV zeigte sich mit der Logik des vorliegenden Entwurfs einverstanden und forderte einzig eine weitergehende völkerrechtliche Absicherung im Bereich der flankierenden Massnahmen. Gemäss Angaben aller Beteiligten hätte die Stellungnahme der Sozialpartner erst nach erfolgter Volksabstimmung bekannt gegeben werden sollen, berichtete der Tages-Anzeiger. Wenige Stunden nach Veröffentlichung des Briefs kündigte EU-Ratspräsident Charles Michel auf Twitter an, dass man die Wettbewerbsbedingungen im EU-Markt von nun an besser durchsetzen werde, auch für jene die sich der Union annähern möchten. Die Sonntagszeitung sah in dieser Formulierung eine klare Drohung an die Schweiz und befürchtete, dass die EU die bestehenden Verträge nicht mehr aktualisieren würde, sofern die Schweiz das Rahmenabkommen nicht endlich abschliesse. SGB-Chef Maillard, der den Brief mitunterzeichnet hatte, betonte in einem Interview mit der WOZ, dass der vorliegende Vertragstext bei der Bevölkerung gegen die Gewerkschaften, das Gewerbe, grosse Teile der CVP, viele Kantone und ehemalige Bundesräte kaum eine Chance hätte. Bei einer Abstimmung würde sich nur die SVP profilieren, der man damit ein Geschenk machen würde. Maillard zeigte sich einer Alternativlösung gegenüber offen, bei der sich die Schweiz mittels einer erhöhten finanziellen Beteiligung am EU-Haushalt mehr Zeit für die Verhandlungen erkaufen würde. Ähnliche Vorschläge hatten zuvor auch Alt-Bundesrat Johann Schneider-Ammann, Ständerat Andrea Caroni (fdp, AR) und SP-Präsident Cédric Wermuth (sp, AG) gemacht.
Hans Hess, Präsident von Swissmem, äusserte in einem NZZ-Interview die Meinung, dass der Bundesrat das Rahmenabkommen ohne Zustimmung der Gewerkschaften verabschieden solle, da nur das Volk ein Vetorecht habe und alle Interessengruppen angehört worden seien. Für Hess wäre es undemokratisch, wenn man dem Volk keine Chance gäbe, über das Abkommen abzustimmen, nur weil die Gewerkschaften an ihren «harten Positionen» festhielten. Der Widerstand der Sozialpartner führte in den Tagen danach auch zu neu entfachter Kritik vonseiten der Parteien. So betonten Petra Gössi (fdp, SZ), Cédric Wermuth und Pirmin Bischof (cvp, SO) gegenüber der NZZ allesamt, dass der Ball nun beim Bundesrat liege. Alle drei erwarteten jedoch «substanzielle inhaltliche Verbesserungen», die über Präzisierungen und unverbindliche Absichtserklärungen hinausgingen. CVP-Ständerat Bischof forderte Verbesserungen in den souveränitätspolitischen Fragen wie der dynamischen Rechtsübernahme und der Rolle des EuGH bei der Streitbeilegung, da diese mit dem direktdemokratischen und föderalistischen System der Schweiz schwer zu vereinbaren seien. Damit stünden die Chancen auf einen erfolgreichen Vertragsabschluss schlecht, so die NZZ, denn der Bundesrat habe die Teile des Abkommens, die sich auf Souveränitätsfragen bezogen, bereits akzeptiert. Wenn die Schweiz auch diesbezüglich Nachverhandlungen fordern würde, stiesse das bei der EU kaum auf Verständnis.

Aussprache der Sozialpartner zum Rahmenabkommen
Dossier: Institutionelles Rahmenabkommen

In der Herbstsession 2020 beschäftigte sich erneut der Ständerat mit der Standesinitiative des Kantons Aargau für die «Abschaffung der Heiratsstrafe». Vor seiner ersten Behandlung im Februar 2018 hatte die WAK-SR noch argumentiert, dass die Botschaft des Bundesrates für eine ausgewogenen Paar- und Familienbesteuerung abgewartet werden solle. Erneut sprach sich die Kommissionsmehrheit im August 2020 dafür aus, der Standesinitiative keine Folge zu geben. Der bundesrätliche Vorschlag sei in der Zwischenzeit an die Regierung zurückgewiesen worden, damit sie Alternativen erarbeite. Offen sei auch eine Motion Markwalder (fdp, BE: Mo. 19.3630). Es solle daher nicht parallel auch noch an der Initiative gearbeitet werden, betonte die Mehrheit. Eine Minderheit Bischof (cvp, SO) wollte hingegen das langjährige Problem unverzüglich angehen. Ansonsten bleibe man noch länger als die bisherigen 36 Jahre – seit dem entsprechenden Bundesgerichtsurteil – bei einem verfassungswidrigen System, erläuterte der Minderheitensprecher in der Ratsdebatte. Das System, welches die Standesinitiative vorschlage, sei dasselbe, welches bereits alle Kantone anwendeten und das auch die Volksinitiative vorgeschlagen habe. Mit 22 zu 18 Stimmen (bei 1 Enthaltung) blieb der Ständerat bei seiner Meinung und gab der Standesinitiative erneut keine Folge. Damit ist sie vom Tisch.

Verschiedene Vorstösse zur Ehepaar- oder Individualbesteuerung (Mo. 05.3299, Kt.Iv. 06.302 / 07.305 / 08.318, Pa. Iv. 05.468, Mo. 16.3006, Kt.Iv. 16.318)
Dossier: Abschaffung der Heiratsstrafe
Dossier: Reform der Ehe- und Familienbesteuerung seit 2000 – Gemeinschaftsbesteuerung oder Individualbesteuerung?
Dossier: Bestrebungen zur Einführung der Individualbesteuerung

Der Ständerat behandelte das Covid-19-Gesetz gleich am Folgetag der entsprechenden nationalrätlichen Debatte, was dazu führte, dass der Kommission und den einzelnen Ratsmitgliedern nur sehr wenig Zeit für die Vorbereitung blieb. Probleme bereiteten der Kommission insbesondere die vom Nationalrat gutgeheissenen Einzelanträge, da sie diese erst am Morgen vor der Ratsdebatte behandeln konnten. Kommissionssprecher Rechsteiner (sp, SG) nannte die Situation entsprechend «herausfordernd, aber auch nicht völlig ungewöhnlich», zumal die Themen «überblickbar» seien. Anders sah dies Thomas Minder (parteilos, SH), der das Geschäft zu einem «Fauxpas der gröberen Sorte» erklärte, was er unter anderem auf die gedrängte Behandlung bezog. Eintreten war jedoch unbestritten.

Zuerst setzte sich der Ständerat in der Detailberatung mit einem Ordnungsantrag Minder auseinander, der auf dem zweiten Teil seiner Kritik beruhte: Der Schaffhauser Ständerat befürchtete, dass die Breite des Gesetzes die Einheit der Materie verletze. Er zeigte sich besorgt, dass die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger bei einer so breiten Vorlage in einem drohenden Referendum ihrer freien Willensäusserung nicht nachkommen könnten. Entsprechend reichte er einen Splittingantrag ein, bei dem er die Primärmassnahmen, also die Massnahmen zur Bekämpfung der Epidemie, von den Sekundärmassnahmen, also den Massnahmen zur Bewältigung der Folgeprobleme, trennen wollte. Mit der Ansicht, dass die Zusammenfassung solch unterschiedlicher Aspekte in einem Gesetz problematisch sei, war Minder nicht alleine. Zahlreiche Sprechende pflichteten ihm diesbezüglich bei, selbst Kommissionssprecher Rechsteiner sprach von einem «gesetzgeberischen Birchermüesli». Dennoch fand die vorgeschlagene Lösung des Splittings bei der Ratsmehrheit wenig Anklang: Damit vereinfache man die Wahrnehmung der politischen Rechte nicht, sondern erschwere sie zusätzlich, argumentierte etwa Carlo Sommaruga (sp, GE). Zudem gebe man der Stimmbevölkerung erst recht das Gefühl, dass man sie an ihrer Mitsprache hindern wolle, weil sie dadurch zwei Referenden ergreifen müsste, ergänzte Paul Rechsteiner für die Kommission. Bundeskanzler Thurnherr erklärte, dass sich der Bundesrat durchaus überlegt habe, die Vorlage in viele einzelne dringliche Bundesbeschlüsse aufzuspalten, sich aber dagegen entschieden habe, weil das zu wenig übersichtlich gewesen wäre. Mit 30 zu 7 Stimmen lehnte der Ständerat in der Folge den Antrag Minder ab.

Bei der Detailberatung lag auch dem Ständerat eine Vielzahl an Anträgen vor (20 Mehrheits-, 13 Minderheits- und 10 Einzelanträge) und wiederum war bereits der Artikel zum Gegenstand des Gesetzes umstritten. Hier behandelte der Ständerat einen neuen Einzelantrag Caroni (fdp, AR), der explizit festhalten wollte, dass der Bundesrat die entsprechenden Befugnisse nur soweit wahrnehmen dürfe, wie eine Problematik wirklich dringlich sei. Wann immer möglich, solle er jedoch den ordentlichen oder dringlichen Gesetzgebungsprozess einhalten. Kommissionssprecher Rechsteiner erachtete die Bestimmung als überflüssig und befürchtete überdies, dass sie zu Missverständnissen führen könnte. So gebe es durchaus Massnahmen, von denen man wolle, dass sie der Bundesrat selbständig umsetze, zum Beispiel die Beschaffung von Gesundheitsmaterial. Bundeskanzler Walter Thurnherr erachtete den Zusatz zwar ebenfalls als unnötig, er sei aber auch nicht schädlich, «weil wir nichts anderes vorhaben als das». Mit 24 zu 15 Stimmen nahm die kleine Kammer den Antrag Caroni an und schuf damit eine erste Differenz zum Nationalrat.
Darüber hinaus diskutierte nach dem Nationalrat auch der Ständerat über die Frage, ob die Dachverbände der Sozialpartner und die Verbände der Gemeinden und Städte ausdrücklich ins Gesetz aufgenommen werden sollten. Die Kommissionsmehrheit lehnte diese Änderung durch den Nationalrat ab, eine Minderheit Germann (svp, SH) befürwortete sie. So betonte Germann unter Nennung seiner Interessenbindung als Präsident des Gemeindeverbandes, dass die Massnahmen gerade in den Bereichen der Kinderkrippen, der Unterstützung des öffentlichen Verkehrs oder der Kulturhilfen die Gemeinden durchaus betreffe und dass diese entsprechend auch angehört werden sollten. Mit 23 zu 16 Stimmen folgte der Ständerat jedoch der Kommissionsmehrheit und schuf damit eine weitere Differenz zum Erstrat. Die übrigen Änderungen des Nationalrats, wie die Information der Parlamentsorgane und die Orientierung der Entscheidungen an den vorhandenen Daten, hiess der Ständerat stillschweigend gut. Umstritten war hingegen die Frage, ob temporär die Bundeskanzlei einen Teil der Stimmrechtsbescheinigungen bei den Gemeinden einholen solle, wie der Nationalrat entschieden hatte. Die Kommissionsmehrheit lehnte dies ab. Der Bundeskanzler betonte, dass Initiativen und Referenden nicht nur aufgrund erschwerter Bedingungen nicht zustandekämen, in den letzten zehn Jahren seien 40 Prozent der Initiativen an der Unterschriftensammlung gescheitert. Ziel des bestehenden Gesetzes sei, dass die Referendumskomitees «selber die Verantwortung dafür übernehmen, wie viele Unterschriften sie haben». Ein Einzelantrag Vara (gp, NE) wollte diesbezüglich hingegen dem Nationalrat folgen: Damit könne man der Zivilgesellschaft zeigen, dass man ihre Anliegen anerkenne, zudem sei es die Pflicht der Politikerinnen und Politiker, die demokratischen Rechte auch unter schwierigen Bedingungen zu gewährleisten, betonte die Minderheitensprecherin. Mit 18 zu 17 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) teilte der Rat diese Meinung mehrheitlich und folgte diesbezüglich dem Nationalrat.

Besonders umstritten waren im Ständerat, wie bereits im Nationalrat, die Massnahmen im Kulturbereich. Hier entschied sich der Ständerat mit 26 zu 14 Stimmen für den Vorschlag der Kommission, insgesamt nur CHF 80 Mio. anstelle der vom Nationalrat festgesetzten und von einer Minderheit Graf (gp, BL) vorgeschlagenen CHF 100 Mio. für Leistungsvereinbarungen der Kantone bereitzustellen.
Bei den Sportvereinen schlug die Kommission vor, die vom Nationalrat angenommenen Darlehen ebenfalls zu ermöglichen, jedoch von den Vereinen Sicherheiten im Umfang von 35 Prozent statt 25 Prozent zu verlangen und keine Möglichkeit für Rangrücktritte durch den Bund – also für eine Einwilligung des Bundes, dass seine Forderungen im Falle einer Insolvenz letzte Priorität hätten – vorzusehen. Eine Minderheit Germann wollte in beiden Punkten dem Nationalrat folgen. Für die Klubs seien diese Fragen entscheidend, da eigentlich bereits Sicherheiten von 25 Prozent über ihrer Schmerzgrenze lägen. Wenn der Betrag zudem ohne Rangrücktritte gewährt würde, müsste er als Fremdkapital angerechnet werden, wodurch sich die Klubs womöglich bereits zur Überschuldung anmelden müssten. Stattdessen solle eine Kann-Formulierung geschaffen werden, so dass der Bund immer noch entscheiden könne, ob ein Verein bereits hoffnungslos verloren sei oder nicht. Mit letzterem Kommentar nahm er eine Kritik des Bundeskanzlers auf, der mit Bezug auf die Position des VBS und des BASPO erklärt hatte, dass ein Verein, der keine Sicherheiten im Umfang von 35 Prozent aufbringen könne, auch kein Darlehen erhalten solle. Mit 25 zu 13 Stimmen sprach sich der Ständerat für die tieferen, vom Nationalrat vorgeschlagenen Sicherheiten von 25 Prozent aus, lehnte hingegen die Rangrücktritte mit 19 zu 19 Stimmen bei Stichentscheid durch Präsident Stöckli ab.

Besonders umstritten waren die Härtefallmassnahmen für Unternehmen. Kommissionssprecher Rechsteiner betonte, dass der Bundesrat dabei sei, mit dem SECO, der EFV und den Kantonen abzuklären, wie dieser Härtefallfonds aussehen soll. Anstatt jedoch die Ergebnisse dieses Prozesses und den entsprechenden Gesetzesvorschlag in der Wintersession 2020 abzuwarten, habe der Nationalrat die Rechtsgrundlage geschaffen, «bevor das Projekt reif ist». Nun wisse man daher nicht, was die vorgeschlagenen Regelungen kosten würden. Da die Regelung nun aber bereits auf dem Tisch lag, versuchte der Ständerat das Beste daraus zu machen und ergänzte weitere Bestimmungen. So verlangte die Kommissionsmehrheit eine «entsprechende» finanzielle Beteiligung der Kantone, während eine Minderheit I Bischof (cvp, SO) diese Beteiligung auf den Wohnsitzkanton beschränken wollte. Eine Minderheit II Germann wollte eine ähnliche Bestimmung schaffen, wie sie der Nationalrat am Vortrag aufgrund des Einzelantrags Paganini (cvp, SG) angenommen hatte. Entsprechend sei der jetzige Antrag eher eine Ergänzung der nationalrätlichen Bestimmung, quasi ein Absatz 1bis, betonte Carlo Sommaruga, worauf Germann seine Minderheit auf die Streichung der Kann-Bestimmung für die Unterstützung verkürzte. Zusätzlich wollte die Minderheit II Germann ausdrücklich auch A-fonds-perdu-Beiträge ermöglichen. Ein Einzelantrag Ettlin (cvp, OW) wollte schliesslich sicherstellen, dass nur Unternehmen unterstützt würden, die vor Ausbruch der Krise wirtschaftlich gesund waren, und dass es keine doppelte Unterstützung für die Unternehmen durch verschiedene Massnahmen geben würde. Der Ständerat entschied sich hier für eine ausführlichere Regelung zu den Härtefallmassnahmen, nahm alle drei Minderheits- und Einzelanträge an (Antrag Bischof: 31 zu 8 Stimmen bei 1 Enthaltung; Antrag Germann: 23 zu 17 Stimmen; Antrag Ettlin: 38 zu 0 Stimmen bei 1 Enthaltung) und löste die dafür nötige Ausgabenbremse ohne Gegenstimmen. Damit war er auch einem Vorschlag von Ratspräsident Stöckli (sp, BE) gefolgt, dem Antrag Ettlin zuzustimmen, damit man diese Frage im Differenzbereinigungsverfahren noch genauer diskutieren könne.

Ähnlich umstritten waren die Regelungen zum Erwerbsersatz. Bezüglich der Möglichkeiten auf EO wollte der Ständerat noch einen Schritt weitergehen als der Nationalrat, der diese bereits auf massgebliche Einschränkung der Erwerbstätigkeit ausgedehnt hatte. Der Ständerat wollte aber zusätzlich auch die Kann-Formulierung der entsprechenden Regelung streichen, während eine Minderheit Hegglin (cvp, ZG) den engeren bundesrätlichen Vorschlag befürwortete. Es sei bereits mit der jetzigen Lösung für die Vollzugsstellen schwierig, die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzung zu prüfen, betonte er. Bundekanzler Thurnherr kritisierte einerseits die unklaren, aber vermutlich sehr hohen Ausgaben, die für die EO durch die Ausdehnung auf «Hunderttausende mehr» entstünden, und andererseits die unklare Formulierung der Regelung. Äusserst knapp folgte der Ständerat diesbezüglich der Minderheit Hegglin und dem Bundeskanzler und übernahm die Formulierung des Bundesrates mit 20 zu 19 Stimmen. Sehr kritisch zeigte sich der Bundeskanzler auch gegenüber der Idee, die EO auch für Selbständigerwerbende zu öffnen, da es «einfach nicht möglich [sei] zu überprüfen, ob eine selbständigerwerbende Person einen teilweisen Erwerbsausfall erleidet oder nicht». Damit öffne man Missbrauch «Tür und Tor». Die Kommissionsmehrheit wollte den entsprechenden, vom Nationalrat ergänzten Passus streichen, während eine Minderheit Graf diesbezüglich dem Nationalrat folgen wollte. Mit 21 zu 18 Stimmen sprach sich der Rat gegen den Einbezug der Selbständigerwerbenden aus. Stillschweigend lehnte er überdies eine Obergrenze des anzurechnenden Betrags von CHF 90'000, die Möglichkeit für den Bundesrat, Bestimmungen zu den anspruchsberechtigten Personen erlassen zu können, die Pflicht, den Erwerbsausfall nachzuweisen, und die Festlegung der Auszahlung durch Selbstdeklaration ab. Stattdessen nahm er einen Verweis auf die Regelung zur Erlöschung der Ansprüche und zur Verfügung im ATSG vor. Äusserst knapp lehnte die kleine Kammer mit 19 zu 19 Stimmen und Stichentscheid des Präsidenten auch die Verlängerung der Nutzung der Arbeitgeberreserven durch die Arbeitgeber ab, nachdem ein Einzelantrag Gmür-Schönenberger (cvp, LU) diese entgegen dem Antrag der Kommissionsmehrheit aufrechterhalten wollte. Andrea Gmür-Schönenberger hatte argumentiert, dass dadurch den Arbeitgebenden geholfen werden könne, ohne dass jemand belastet würde.

In Zusammenhang mit der Regelung zur EO standen gemäss dem Kommissionssprecher die Entschädigungen für Lohnzahlungen von Unternehmen an ihre Mitarbeitenden im Zuge von Covid-19-Massnahmen des Bundes. Der Nationalrat hatte sich für eine solche Entschädigung entschieden und eine Minderheit Carobbio Guscetti (sp, TI) wollte diesem Beispiel folgen, die SGK-SR-Mehrheit empfahl hingegen deren Ablehnung. Da es sich bei einer vom Bund verhängten Quarantäne in der Praxis um ein Arbeitsverbot handle, müsse der Bund die Unternehmen für die anfallenden Lohnkosten entschädigen, betonte Marina Carobbio Guscetti. Kommissionssprecher Rechsteiner entgegnete, dass für gefährdete Personen nicht in erster Linie eine Quarantäne, sondern Massnahmen, welche eine Weiterarbeit der Betroffenen erlaube (wie zum Beispiel Homeoffice), angeordnet würden. Durch die vorgeschlagene Regelung hätten die Arbeitgebenden jedoch einen Anreiz, die Mitarbeitenden an der Arbeit zu hindern, anstatt sie dabei zu schützen. Mit 24 zu 13 Stimmen lehnte der Rat den Minderheitsantrag ab.

Bei den Massnahmen zur ALV lehnte die Kommission die Ausdehnung der EO auf Personen auf Abruf, in Arbeitsverhältnissen auf Dauer, in Lehrverhältnissen sowie im Dienste von Temporärfirmen ab, wie sie der Nationalrat zuvor hinzugefügt hatte. In einem Einzelantrag machte sich Marina Carobbio Guscetti dafür stark, diese Ausdehnung beizubehalten, um diese Personen, in «prekären Arbeitsverhältnissen» zu unterstützen. Bundeskanzler Thurnherr argumentierte einerseits, dass Temporärarbeit sehr missbrauchsanfällig sei, und befürchtete andererseits, dass diese Arbeitsverhältnisse durch eine solche Besserstellung noch gefördert würden. Mit 26 zu 13 Stimmen folgte der Rat den Ausführungen des Bundeskanzlers und dem Antrag der Kommission. Auch zwei Minderheitsanträge Graf, die Vorschläge aus dem Erstrat aufnahmen, waren nicht erfolgreich: Mit 25 zu 14 Stimmen lehnte der Ständerat einen höheren Lohnersatz bei tiefen Löhnen (entsprechend dem Minderheitsantrag Maillard (sp, VD) im Nationalrat) ab, mit 25 zu 14 Stimmen (bei 1 Enthaltung) sprach er sich gegen die finanzielle Unterstützung von familienergänzenden Institutionen (gemäss den Anträgen Feri (sp, AG) und Weichelt-Picard (al, ZG) im Nationalrat) aus.

Die übrigen Massnahmen waren deutlich weniger umstritten. Bei den Massnahmen im Bereich der Gesundheitsversorgung schlug Jakob Stark (svp, TG) in einem Einzelantrag vor, den Personen, die sich vor einem durch diesen Artikel ausgelösten Impfobligatorium und der Zulassung von ausserordentlich zugelassenen Impfungen fürchteten, entgegenzukommen und ihren Bedenken Rechnung zu tragen, indem man ausdrücklich festhalten sollte, dass im Ausnahmeverfahren zugelassene Impfstoffe nicht dem Impfobligatorium gemäss Epidemiengesetz (Art. 6, Absatz 2 Buchstabe d) unterliegen sollen. Damit könnte die Akzeptanz des Gesetzes erhöht werden, betonte er. Von diesem Vorschlag zeigte sich Kommissionssprecher Rechsteiner gar nicht überzeugt. Die Annahme dieses Antrags wäre ein «Eigengoal erster Güte», betonte er. Das Covid-19-Gesetz habe «null und nichts» mit Impfen zu tun, es gehe lediglich um die vereinfachte Zulassung von Arzneimitteln, nicht von Impfstoffen. Bundeskanzler Thurnherr betonte zudem, dass es beim Impfobligatorium gemäss Epidemiengesetz ausschliesslich um Personen mit Betreuungsfunktionen gehe. Zudem sei eine vereinfachte Zulassung von Impfstoffen aufgrund der Konzeption des Heilmittelgesetzes nicht möglich, wie ihm das BAG versichert habe. Mit 33 zu 6 Stimmen lehnte der Ständerat den Antrag Stark in der Folge ab.
Ständerat Minder beantragte überdies, die Möglichkeit des Bundesrates zur Direktvermarktung von wichtigen medizinischen Gütern aus dem Gesetz zu streichen. Dass während der Corona-Krise zu wenig medizinische Güter wie Desinfektionsmittel vorhanden gewesen seien, heisse nicht, dass der Staat für deren Vermarktung zuständig sein und damit die freie Privatwirtschaft konkurrenzieren solle, kritisierte er. Der Bundeskanzler betonte jedoch, dass es hier lediglich darum gehe, dass der Bund, wenn er wie im Frühling Güter beschaffen müsse, diese bei der Rückkehr zur normalen Lage auch dann an die Verbraucher im Gesundheitswesen oder die Kantone abgeben könne, wenn er dafür Marktpreise gezahlt hatte. Es würden aber keine medizinischen Güter direkt an die Endkunden verkauft. Mit 33 zu 6 Stimmen lehnte der Ständerat den Antrag Minder ab.
Dann wollte die SGK-SR die Möglichkeit des Bundesrates, medizinische Tätigkeiten einzuschränken oder zu verbieten, nur auf Fälle beschränken, die nicht dringend sind und deren Aufschub keine Konsequenzen für die Gesundheit der Patientinnen und Patienten mit sich bringen. Diesen Punkt wolle man einfach explizit im Gesetz ausführen, betonte Kommissionssprecher Rechsteiner. Der Bundeskanzler zeigte sich von der Formulierung nicht begeistert: Entweder gebe es «keine nicht dringlichen Eingriffe, deren Nichtausführung schädliche Konsequenzen beim Patienten nach sich» zögen, weil sie sonst ja dringlich wären, oder alle möglichen Konsequenzen einer Nichtbehandlung würden einen sofortigen Eingriff nötig machen. Mit 31 zu 1 Stimme (bei 1 Enthaltung) sprach sich der Ständerat dennoch für die Präzisierung aus. Alle übrigen Änderungen des Nationalrats hiess der Ständerat stillschweigend gut.

In der Ausländer- und Asylpolitik wurden einige im Nationalrat abgelehnte Forderungen wieder aufs Tapet gebracht. So schlug die Kommission entsprechend dem Minderheitsantrag Crottaz (sp, VD) im Nationalrat vor, die Fristerstreckung auf weitere Bereiche auszudehnen, was der Rat stillschweigend annahm. Ohne Diskussion sprach sich der Rat auch für die vom Nationalrat geschaffene Ausnahme für Familiennachzug und Konkubinate aus. Eine Minderheit Sommaruga wollte zudem mit einer sehr offenen Formulierung festhalten, dass der Bundesrat bei Grenzschliessung die Reisefreiheit der Grenzgängerinnen und Grenzgänger sowie der Einwohnerinnen und Einwohner des Grenzgebiets «bestmöglich» gewährleistet. Damit wolle er der im Frühjahr aufgetretenen Problematik Rechnung tragen, als viele Personen Probleme bekamen, zum Beispiel weil sie auf der anderen Seite der Grenze arbeiteten, zur Schule gingen oder Familienmitglieder besuchen wollten. Dem pflichteten Maya Graf und Charles Juillard (cvp, JU) als weitere Vertretende von Grenzregionen bei, während Marco Chiesa aus gegenteiliger Perspektive des Tessins vertrat: Im Tessin sei man vielmehr hilflos gewesen, weil die Grenzen nicht hatten geschlossen werden können. Mit 28 zu 10 Stimmen (bei 1 Enthaltung) stimmte der Rat dem Antrag Sommaruga zu.

Bei den insolvenzrechtlichen Massnahmen schlug die Kommission vor, dass der Bundesrat neben dem Nachlassvertrag und der Stundung auch bei der Anzeigepflicht bei Kapitalverlust und Überschuldung vom Gesetz abweichende Regeln erlassen können soll. Der Bundeskanzler sprach sich im Namen des Bundesrates aufgrund des Gläubigerschutzes gegen diesen Antrag, der mit einer Motion Ettlin (Mo. 20.3418) übereinstimme, aus. Der Gläubigerschutz sei mit der entsprechenden Sofortmassnahme eingeschränkt worden, nun könne man diese Massnahme aber nicht beliebig lange fortsetzen. Auch in der Vernehmlassung seien entsprechende Bedenken geäussert worden. Mit 31 zu 5 Stimmen nahm der Ständerat den Vorschlag dennoch an. Stattdessen strich der Ständerat auf Antrag der Kommission stillschweigend die vom Nationalrat geschaffene Möglichkeit, die Haftung von Transporteuren für die Zollschuld bei Konkursen der Empfänger oder Importeure wegen Covid-19 zu streichen.

Zum Abschluss der Debatte behandelte der Rat noch einen Einzelantrag Stark, der das Covid-19-Gesetz nur bis Ende September 2021, statt wie vom Bundesrat vorgeschlagen bis Ende Dezember 2021 laufen lassen wollte. Da die Covid-19-Krise im Sommer 2021 mit grosser Wahrscheinlichkeit vorbei sein werde, solle das Gesetz nicht noch bis Ende Jahr gültig bleiben, argumentierte Jakob Stark. Durch die verkürzte Gültigkeit sende man der Schweizer Bevölkerung ein positives Signal, dass man das Notrecht zeitlich möglichst begrenzt halten wolle. Mit 30 zu 8 Stimmen folgte der Ständerat jedoch der Kommissionsmehrheit und beliess die Frist bei Ende 2021.
Mit 33 zu 1 Stimme (bei 4 Enthaltungen) sprach sich schliesslich die überwiegende Mehrheit des Ständerats für das Covid-19-Gesetz aus. Die ablehnende Stimme stammte von Thomas Minder (parteilos, SH) und die Enthaltungen von Mitgliedern SVP und einem Mitglied der CVP.

Bundesgesetz über die gesetzlichen Grundlagen für Verordnungen des Bundesrates zur Bewältigung der Covid 19-Epidemie (Covid-19-Gesetz; BRG 20.058)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

In der Herbstsession 2020 behandelte der Ständerat das von der SGK-NR geschaffene Paket 1a des Massnahmenpakets zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen, das die weniger umstrittenen Teile des ersten Massnahmenpakets des Bundesrats beinhaltete. Nachdem er ohne Gegenantrag auf die Vorlage eingetreten war, schuf er einige Differenzen zum Erstrat.
Nur eine kleine Änderung gegenüber der nationalrätlichen Version nahm der Ständerat, in Übereinstimmung mit seiner Kommission, bei der Frage der Rechnungsstellung im Tiers payant-System vor. Hier ergänzte er stillschweigend einen Passus, wonach die Versicherungen und die Leistungserbringenden abmachen können, dass die Versicherung für die Übermittlung der Rechnungen zuständig sein soll. Mit der Änderung des Nationalrats, wonach die Rechnungen auch elektronisch verschickt oder auf einem Webportal hinterlegt werden können, zeigten sich die Ständerätinnen und Ständeräte hingegen einverstanden.
Für deutlich mehr Diskussionen sorgte die Frage der Behandlungstarife, insbesondere die Patientenpauschaltarife bei ambulanten Behandlungen, gemäss Kommissionssprecher Pirmin Bischof (cvp, SO) «ein Herzstück der Vorlage». Neu sollen gemäss Bundesrat vereinbarte Patientenpauschaltarife auf einer gesamtschweizerisch vereinbarten einheitlichen Tarifstruktur beruhen müssen, erklärte Bischof. Die Tarife müssten zwar nicht schweizweit identisch sein, wohl aber die in der Rechnung aufgeführten Teile einer Behandlung. Dies habe den Vorteil, dass die Rechnungen gesamtschweizerisch vergleichbar seien. Nachteilig sei hingegen, dass kantonale Differenzen in der Struktur nicht mehr möglich seien. Der Vorteil dieser Änderung liege gemäss Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) auch darin, dass man damit das Risiko einer Mengenausweitung reduzieren könne. «Je mehr man verrechnet, desto mehr verdient man.» Eine Minderheit Müller (fdp, LU) beantragte, auf die Schaffung dieser Patientenpauschalen zu verzichten. Bereits heute gebe es solche Pauschalen und sie würden auch bei ambulanten Behandlungen angewendet. Da sich die Behandlung aber zwischen den verschiedenen Patientinnen und Patienten stark unterscheide, würde eine Vereinheitlichung zu einer Übervergütung von einfachen und zu einer Untervergütung von komplizierten Fällen, welche häufig bei kränkeren und sozial schwächeren Patientinnen und Patienten auftreten, führen. Obwohl die Minderheit Müller in der Kommission mit 8 zu 3 Stimmen (bei 1 Enthaltung) unterlegen war, meldeten sich mit Brigitte Häberli-Koller (cvp, TG), Erich Ettlin (cvp, OW), Hannes Germann (svp, SH) und Josef Dittli (fdp, UR) deutlich mehr Kommissionsmitglieder im Namen der Minderheit zu Wort. Einen ganz anderen Aspekt der Regelung stellte Gesundheitsminister Berset in den Mittelpunkt: Für ihn liege der zentrale Unterschied zur heutigen Regelung darin, dass der Bundesrat neu subsidiär eingreifen könne, wenn sich die Tarifpartner nicht auf eine Tarifanpassung einigen könnten. Mit 22 zu 21 Stimmen setzte sich die Minderheit in dieser Frage jedoch knapp durch, der Ständerat lehnte damit die Schaffung einer Patientenpauschale ab.
Eine weitere offene Frage bezüglich der Behandlungstarife betraf die Schaffung einer nationalen Tariforganisation im ambulanten Bereich, entsprechend der Swiss DRG im stationären Bereich, die für die Erarbeitung und Weiterentwicklung der Tarifstrukturen zuständig sein sollte. Hier sei man sich mehrheitlich einig, betonte Bischof, offen sei lediglich noch die Frage der Organisationshoheit. Solle der Bundesrat über die Organisationsform entscheiden, dabei erst eine Konsultation durchführen oder gar nur subsidiär zuständig sein, wenn sich die Leistungserbringenden und Versicherungen nicht einigen können? Letzteres schlug die SGK-SR vor. Bundesrat Berset stellte zudem in seiner Antwort auf eine Frage von Charles Juillard (cvp, JU) fest, dass ausschliesslich Tarifpartner in der Organisation vertreten sein würden und die Kantone somit darin erst mitwirken könnten, wenn EFAS angenommen worden sei und die Kantone somit ebenfalls für die ambulante Behandlung zuständig wären. Stillschweigend folgte der Ständerat in diesem Punkt dem Vorschlag seiner Kommission.
Ein weiterer umstrittener Aspekt der Tariffrage betraf die Finanzierung von Rechnungsprüfungen, welche die Patientenorganisationen durchführen sollten, durch das EDI. Die Kommissionsmehrheit wollte diesen vom Nationalrat eingefügten Punkt aus der Vorlage streichen, eine Minderheit Carobbio Guscetti wollte ihn beibehalten. Natürlich sollten sich Patientinnen und Patienten von externen Organisationen beraten lassen können, der Bund solle sich dabei aber nicht an der Finanzierung dieser Dienstleistung beteiligen, zumal eine solche Finanzhilfe nur eine zusätzliche Kontrolleinheit bedeuten würden, erklärte Kommissionssprecher Bischof. Minderheitensprecherin Carobbio Guscetti betonte hingegen, dass die anfangs eingesetzte Expertengruppe einen ähnlichen Vorschlag gemacht habe und die GDK das Anliegen unterstütze. Nicht abgeneigt gegenüber der Finanzierung zeigte sich auch Bundesrat Berset, für den die Massnahme nicht im Widerspruch zur Strategie des Bundesrates stand. Mit 28 zu 13 Stimmen (bei 1 Enthaltung) sprach sich der Ständerat aber gegen die Finanzierung aus und schuf damit eine weitere Differenz zum Nationalrat.
Schliesslich stand noch der Experimentierartikel im Raum, gemäss Bischof der «zweite Kernartikel dieser Vorlage». Die SGK-SR wollte den nationalrätlichen Vorschlag um die Möglichkeit, experimentelle Projekte zur Förderung der Digitalisierung durchführen zu können, ergänzen. Streichen wollte sie hingegen Projekte zur Einschränkung der freien Arztwahl. Eine weitere Minderheit Müller schlug indes vor, vollständig auf den Katalog mit möglichen Bereichen, in denen Projekte durchgeführt werden können, zu verzichten. Ohne Katalog könnten auch Projekte durchgeführt werden, welche Grundrechtseingriffe enthielten, erklärte Bischof den Widerstand der Kommissionsmehrheit gegen diesen Vorschlag. Die betroffenen Patientinnen und Patienten hätten keine Möglichkeit, sich gegen die Projekte zu wehren. Gesundheitsminister Berset sprach sich vehement gegen den Minderheitsantrag und die Streichung des Katalogs aus. Der Bundesrat und die Verfassungsrechtsexperten des Bundes seien sich einig, dass dies gegen Artikel 5 Absatz 1 der Bundesverfassung verstosse, wonach das Recht Grundlage und Schranke staatlichen Handelns darstelle. Damit würden die möglichen Experimente keine Grenzen kennen. So könnten zum Beispiel für die Bevölkerung eines Kantons die Hälfte des Leistungskatalogs gestrichen, die Franchise auf CHF 10'000 erhöht oder risikobezogene Prämien eingeführt werden. Paul Rechsteiner (sp, SG) kritisierte des Weiteren, dass die freie Arztwahl auf der Liste möglicher Projekte aufgeführt sei: Die Einschränkung der freien Arztwahl sei ein fundamentaler Systemeingriff, der Grundrechtsdimensionen betreffe und entsprechend per Gesetz zu entscheiden sei. Man solle den «Akteuren im Gesundheitswesen [nicht] per Gesetz abschliessend vorschreiben, wo sie experimentieren können», betonte hingegen Minderheitensprecher Müller. Innovation entstehe «relativ chaotisch», ergänzte Erich Ettlin (cvp, OW). Zudem könne ja das EDI die Pilotprojekte bewilligen, müsse es aber nicht. Mit diesen Argumenten setzte sich die Kommissionsminderheit durch: Mit 23 zu 19 Stimmen sprach sich der Ständerat gegen die Einschränkung der Experimente auf einen Katalog aus. Im Anschluss bat Bischof den Nationalrat, in seiner nächsten Sitzung diese vom Ständerat geänderte Bestimmung etwas abzuschwächen und ihr eine Ausnahme für Grundrechtsverletzungen anzufügen.
Mit 31 zu 0 Stimmen (bei 12 Enthaltungen) nahm der Ständerat das Gesetz in der Gesamtabstimmung ohne Gegenstimme an. Die Enthaltungen stammten von sechs Mitgliedern der SP- sowie von je drei Mitgliedern der SVP- und der Grünen-Fraktion.

Erstes Massnahmenpaket zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen (BRG 19.046)
Dossier: Anstieg der Krankenkassenprämien dämpfen (seit 2020)

Nachdem der Bundesrat dem Parlament die Botschaft zur AHV 21 vorgelegt hatte, diskutierten die Medien die Vorlage in unregelmässigen Zeitabständen. Im Zentrum der Diskussion stand insbesondere die vorgeschlagene Rentenaltererhöhung der Frauen, welche für Frauenorganisationen und linke Parteien eine «unglaubliche Frechheit», wie es das Streikkollektiv des Frauenstreiks ausdrückte, und einen Referendumsgrund, für viele Bürgerliche jedoch eine notwendige Massnahme zur Sanierung der AHV darstellte. Mehrfach wurde zu diesem Zeitpunkt auch bereits eine weitergehende Rentenaltererhöhung für Frauen und Männer auf 66 oder gar 67 Jahre gefordert. So schlug zum Beispiel Ständerat Ruedi Noser (fdp, ZH; Mo. 20.3225) in einer Motion vor, eine automatische schrittweise Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre mit einer Erhöhung des gesetzlichen Ferienanspruchs um zwei Wochen zu verknüpfen. Demgegenüber wurde auch darüber diskutiert, ob das Konzept der Pensionierung und des fixen Rentenalters überhaupt noch zeitgemäss sei oder ob es nicht besser abgeschafft werden sollte. Immer wieder beriefen sich die Medien zudem auf Umfragen, um die Zukunftssorgen der Bevölkerung bezüglich ihrer Altersvorsorge zu unterstreichen. Gleichzeitig ergaben aber auch mehrere solche Umfragen, dass eine Mehrheit der Befragten, insbesondere der befragten Frauen, eine Erhöhung des Frauenrentenalters ablehnte (z.B. Umfrage Deloitte: Männer: 60% für Erhöhung des Frauenrentenalters, 32% der Frauen dafür). Ende November 2019 forderte schliesslich auch die OECD in ihrem alle zwei Jahre erscheinenden Länderbericht zur Schweiz eine Rentenaltererhöhung.

Die Ausgangslage der Vorlage AHV 21 änderte sich – wie so vieles – im Frühjahr 2020 mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Diese habe aufgezeigt, «wie wertvoll funktionierende Sozialversicherungen sind», betonte der Tages-Anzeiger, aber habe auch grosse Kosten für die Altersvorsorge mit sich gebracht (NZZ). Gerade für die AHV sei die Situation aufgrund des Umlageverfahrens schwierig: Erste Schätzungen wiesen aufgrund des Rückgangs der Löhne und somit auch der Lohnbeiträge auf einen Corona-bedingten Schaden für die AHV und IV von CHF 4 bis 5 Mrd. hin. Vor der Pandemie sei mit einem Umlageergebnis von CHF 800 Mio. gerechnet worden, wobei die CHF 2 Mrd., welche die AHV aufgrund der STAF jährlich zusätzlich erhält, bereits inbegriffen waren. Nun müsse trotz dem Zuschuss mit einem deutlich negativen Umlageergebnis gerechnet werden, das vermutlich auch nicht durch ein positives Anlageergebnis des AHV-Ausgleichsfonds kompensiert werden könne. Bereits vor der Corona-Krise rechnete das BSV überdies ohne AHV-Reform für das Jahr 2035 mit einem Umlagedefizit von CHF 10 Mrd.
Nicht nur bezüglich des Ablaufs der Behandlung der Vorlage, auch bezüglich des Inhalts erwarteten die Medien einen Einfluss der Corona-Pandemie auf die AHV 21: So werde es jetzt noch schwieriger, Steuergelder für die AHV zu beschaffen, mutmasste etwa der Tages-Anzeiger. FDP-Ständerat Dittli (fdp, UR) betonte denn auch, dass eine Mehrwertsteuererhöhung um 0.7 Prozentpunkte wegen Corona inakzeptabel sei.

Im August 2020 begann die SGK-SR die Vorberatung der Vorlage zur Stabilisierung der AHV («AHV 21»). Dabei hörte sie sich verschiedene Vertreterinnen und Vertreter von Kantonen, Sozialpartnern und Frauenorganisationen an und erteilte der Verwaltung verschiedene Abklärungsaufträge. Bereits vor dieser ersten Sitzung hatten die Medien aber über einen von Ständerat Kuprecht (svp, SZ) initiierten bürgerlichen AHV-Pakt zur Vorlage berichtet. So hätten «sozialpolitische Wortführer» der SVP, FDP, CVP und später auch der GLP aus beiden Räten bereits im März eine parteiübergreifende Arbeitsgruppe gebildet, wie die NZZ schilderte und Alex Kuprecht (svp, SZ) und Ruth Humbel (cvp, AG) bestätigten. Ziel der Gruppe sei es gemäss Medien, eine Mitte-links Allianz, wie sie bei der Altersvorsorge 2020 zwischen der CVP und den linken Parteien entstanden war, zu verhindern. Die Gruppe habe sich auf folgende Eckwerte für die AHV 21-Vorlage geeinigt: eine Rentenaltererhöhung für Frauen auf 65 Jahre und eine Rentenverbesserung in der Höhe von CHF 400 Mio. bis CHF 550 Mio. für vier betroffene Frauenjahrgänge; eine flexible Ausgestaltung des Rentenübergangs mit Teilrenten ab 63 Jahren; eine Erhöhung der Freibeträge für Erwerbstätige über 65 Jahren; eine maximale Mehrwertsteuererhöhung um 0.3 Prozentpunkte. Zum Vergleich: Die vom Bundesrat vorgelegte Botschaft enthielt unter anderem Ausgleichszahlungen an Frauen in der Höhe von CHF 700 Mio. für neun Jahrgänge und eine Mehrwertsteuererhöhung um 0.7 Prozentpunkte. Weitere zentrale Punkte seien gemäss Presse bei den Eckwerten bisher aber ausgeklammert worden, etwa die Plafonierung der AHV-Rente für Ehepaare. Die SP reagierte mit einem Communiqué auf den Zeitungsartikel und bezeichnete die Absicht der Gruppe als «Betrug an den Frauen», da diese die «Kosten der AHV-Reform nahezu alleine tragen» sollten, obwohl sie bei den Renten bereits jetzt benachteiligt seien. Gerade bezüglich der Kompensation für die Frauen zeigte sich jedoch auch die GLP in den Medien kritisch gegenüber den Eckwerten: Eine Rentenaltererhöhung sei nur möglich, wenn gleichzeitig die diskriminierenden Aspekte der zweiten Säule angegangen würden, erklärte etwa Tiana Angelina Moser (glp, ZH).
Anfang September traf die Kommission in ihrer Vorberatung erste Vorentscheidungen: Sie sprach sich mit 9 zu 3 Stimmen (bei 1 Enthaltung) für die Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre aus. Während vier Jahren solle das Referenzalter – wie das Rentenalter neu heissen soll – um je drei Monate pro Jahr erhöht werden. Über die Ausgleichsmassnahmen für die ersten Jahrgänge von Frauen, die länger arbeiten müssen, diskutierte die Kommission erst im Oktober. Dabei beauftragte sie die Verwaltung mit der Berechnung von verschiedenen Ausgleichsvarianten, die gemäss Medien jedoch allesamt von einem Ausgleich für lediglich vier Jahrgänge ausgingen.

Die Medien verwiesen in der Folge auf den Zeitdruck, unter dem das Projekt stehe, zumal eine allfällige zusätzliche Rentenaltererhöhung erst möglich sei, nachdem das Rentenalter der Frauen angeglichen worden sei. Dies sei aber frühestens im Jahr 2026, später war gar von 2027 die Rede, möglich. Folglich erntete die SGK-SR für die Dauer ihrer Vorberatung einige Kritik: «Im parlamentarischen Alltag scheint der Reformdruck noch nicht angekommen zu sein», kritisierte etwa der Tages-Anzeiger.

Reform «Stabilisierung der AHV (AHV 21)» (BRG 19.050)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter
Dossier: Erhöhung des Rentenalters

Im Vorfeld der Sommersession 2020 befassten sich sowohl die FK-NR wie auch die APK-NR ausführlich mit der Botschaft zur Strategie der IZA 2021-2024. Wie bereits in der Vernehmlassung führte die APD-Quote zu inhaltlichen Differenzen. Die FK-NR lehnte sowohl eine progressive Erhöhung der APD-Quote auf 0.7 Prozent, wie auch eine Senkung der Quote auf 0.45 Prozent ab. Auch ein weiterer Kürzungsantrag, welcher die Rahmenkredite – ausser denjenigen zur humanitären Hilfe – halbieren wollte, wurde abgelehnt. Eine Kommissionsmehrheit beantragte dem Nationalrat, den Vorschlag des Bundesrats anzunehmen. Die APK-NR kam in ihrer Beratung hingegen zum Schluss, dass in Krisenzeiten eine starke internationale Zusammenarbeit und eine effektive humanitäre Hilfe unabdingbar sei. Aus diesem Grund beschloss die Kommission von der bundesrätlichen Vorlage abzuweichen, und die Rahmenkredite um CHF 241 Mio. zu erhöhen. Diese Erhöhung entspräche einer progressiven Erhöhung der APD-Quote auf die vom Parlament 2011 festgesetzten 0.5 Prozent. Zudem reichte die APK-NR zwei Vorstösse ein, eine Motion zur Fortführung der Tätigkeiten in ausgewählten Ländern in Zentralamerika und der Karibik und ein Postulat (20.3469), welches einen Bericht zu Zoonosen und deren Eindämmung forderte.
Der Sprecher der APK-NR, Hans-Peter Portmann (fdp, ZH) empfahl dem grossen Rat in der Sommersession 2020, auf alle vier Bundesbeschlüsse einzutreten und den Gesamtbetrag des Rahmenkredits um den bereits erwähnten Betrag zu erhöhen. Daraufhin entspann sich eine langwierige Debatte entlang der Parteigrenzen für oder gegen eine Erhöhung der Rahmenkredite. Elisabeth Schneider-Schneiter (cvp, BL) brachte die Debatte mit der Feststellung: «Die Linke möchte immer mehr finanzielle Mittel und die Rechte immer weniger» konzise auf den Punkt. CVP und FDP unterstützten die bestehende Vorlage des Bundesrates während die Parteien links und rechts davon abwichen. SP, Grüne und GLP auf der einen und die SVP auf der anderen Seite argumentierten allesamt mit den Konsequenzen der Corona-Krise für ihr jeweiliges Anliegen. Die davon abgeleiteten Folgerungen standen sich aber diametral gegenüber. Sibel Arslan (gp, BS) verwies auf die «verheerende» Wirkung der Corona-Massnahmen für die Wirtschaft in den Entwicklungsländern und forderte, dass sich die Schweiz als – auch nach Corona – stabiles und reiches Land ihrer Verantwortung bewusst werden müsse. Auch Nationalrätin Tiana Angelina Moser (glp, ZH) befand es für notwendig, die Kredite bzw. die ADP-Quote zu erhöhen, da sich die Schweiz als Globalisierungsgewinnerin für die Bewältigung globaler Krisen einsetzen sollte. Die SVP-Fraktion interpretierte die Folgen der Corona-Pandemie gänzlich anders. So verlangte Nationalrat Roland Büchel (svp, SG) im Namen seiner Fraktion die Kürzung des IZA-Budgets und die Aufhebung der ADP-Quote, da qualitative Messgrössen wichtiger seien als quantitative. Auch sein Parteikollege Franz Grüter (svp, LU) stellte die Höhe des Entwicklungshilfe-Budgets angesichts der «grössten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg» in Frage. Ein Rückweisungsantrag von Rino Büchel wurde mit 140 zu 53 Stimmen abgelehnt. Ebenfalls abgelehnt wurden die zahlreichen Minderheitsanträge, darunter auch jene von Roland Büchel und Sibel Arslan, welche die Höhe der Rahmenkredite anpassen wollten und inhaltlich teilweise identisch waren. Der Nationalrat nahm hingegen einen Minderheitsantrag Portmann (fdp, ZH) an. Dieser legte fest, dass die Beträge der Rahmenkredite mit der wirtschaftlichen Entwicklung und dem Abbaupfad der Corona-bedingten Schulden fluktuieren werden. Mit Ausnahme der SVP stimmten alle Fraktionen für die vom Bundesrat vorgebrachten Bundesbeschlüsse.

Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2021-2024 (BRG 20.033)
Dossier: Strategien zur internationalen Zusammenarbeit

In der Sommersession 2020 befasste sich der Ständerat mit dem indirekten Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative. Bevor das Stöckli ohne Gegenantrag auf die Vorlage eintrat, bedankten sich zahlreiche Rednerinnen und Redner beim Pflegepersonal und würdigten dieses für den geleisteten Einsatz während der Covid-19-Pandemie. Doch Applaus alleine reiche nicht; diesbezüglich waren sich viele Standesvertreterinnen und -vertreter einig. Es seien Massnahmen gefordert, um die Attraktivität des Pflegeberufes zu steigern und somit dem Pflegemangel entgegenzuwirken. Die Schweiz sei heute nicht in der Lage, auch nur die Hälfte der benötigen Pflegefachpersonen auszubilden, so Maya Graf (gp, BL). Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) fügte an, es müsse mittels Bezahlung, Wertschätzung und zugestandenen Kompetenzen dafür gesorgt werden, dass die ausgebildeten Fachkräfte ihrem Beruf nicht vorzeitig den Rücken zukehren würden. Erreichen wolle dies der indirekte Gegenvorschlag einerseits mit einer Ausbildungsoffensive und andererseits mit mehr Verantwortung für das Pflegepersonal.
Für ersteres müssten die entsprechenden Mittel bereitgestellt werden, wolle man nicht vom Ausland abhängig werden, hob Pirmin Bischof (cvp, SO) hervor. Dazu gehörten die finanzielle Unterstützung der Kantone durch den Bund, wenn sie Pflegefachkräften in Ausbildung bezüglich Lebenshaltungskosten unter die Arme greifen. Dieser Entscheid konnte mit 23 zu 22 Stimmen knapp gegenüber einer Minderheit Dittli (fdp, UR) durchgesetzt werden, der die Finanzierung als Sache der Kantone betrachtete. Anders als der Nationalrat und linke Ratsmitglieder rund um eine Minderheit Carobbio Guscetti, welche die Kantone zu entsprechenden Beiträgen verpflichten wollten, setzte die Mehrheit des Ständerates diesbezüglich jedoch mit 32 zu 13 Stimmen auf Freiwilligkeit. Allgemein gutgeheissen wurde die Ausbildungsverpflichtung von Krankenhäusern, Pflegeheimen und Spitexorganisationen und die damit zusammenhängende Pflicht der Kantone mindestens einen Teil der ungedeckten Kosten der praktischen Ausbildungsleistungen, die bei den Leistungserbringern anfallen, zu übernehmen. Dabei soll ihnen während acht Jahren die Unterstützung des Bundes zukommen. Der Ständerat kalkulierte für die beiden Punkte der Ausbildungsoffensive CHF 369 Mio. seitens des Bundes ein, also gut CHF 100 Mio. weniger als der Nationalrat.
Bezüglich des zweiten Instruments zur Aufwertung der Pflege – die Ausweitung der Kompetenzen –, stimmte das Stöckli mit 32 zu 10 Stimmen dafür, dass Pflegefachpersonen gewisse vom Bundesrat festgelegte Leistungen selbständig ohne ärztliche Anordnung durchführen und zu Lasten der Krankenkassen abrechnen sollen dürfen, womit der Rat der Kommissionsmehrheit statt einer Minderheit Hegglin (cvp, ZG) folgte. Im Unterschied zum Nationalrat beabsichtigte der Ständerat mit 28 zu 16 Stimmen allerdings, dass dazu im Vorfeld Vereinbarungen zwischen Pflegenden, Spitexorganisationen und Pflegeheimen auf der einen Seite und den Versicherern auf der anderen Seite getroffen werden müssten. Während diese Kompetenzerweiterung einer Minderheit Carobbio Guscetti zu wenig weit ging und sie erklärte, dass damit die Initianten und Initiantinnen kaum überzeugt werden könnten, ihr Volksbegehren zurückzuziehen, zeigte sich neben gewissen Ratsmitgliedern auch Gesundheitsminister Berset grundsätzlich nicht einverstanden mit der Möglichkeit zur direkten Abrechnung. So befürchtete der Bundesrat Mehrkosten und warnte davor, die Liste der Leistungserbringenden zu verlängern.
In der Gesamtabstimmung stimmte der Ständerat dem indirekten Gegenvorschlag mit 36 zu 4 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) zu.

Für eine starke Pflege (Pflegeinitiative). Volksinitiative und indirekter Gegenvorschlag (BRG 18.079 & Pa.Iv. 19.401)
Dossier: Die Pflegeinitiative und ihre Umsetzung

In zwei Motionen nahm sich Marco Chiesa (svp, TI) der Besteuerung nach dem Aufwand, also der Pauschalbesteuerung an, die erst 2012 revidiert worden war. Diese erlaubt es ausländischen Staatsangehörigen mit Wohnsitz in der Schweiz, anstelle der ordentlichen Steuer eine Besteuerung nach dem Aufwand zu wählen, wenn sie in der Schweiz nicht erwerbstätig sind. Chiesa erachtete jedoch zwei diesbezügliche Formulierungen im StHG respektive im DBG als ungenau oder gar falsch und beantragte deshalb, diese Formulierungen denjenigen des Tessiner Steuergesetzes anzupassen.
In seiner ersten Motion (Mo. 19.4557) verlangte Chiesa, dass die Formulierung im StHG bezüglich der Kontrollrechnung so geändert wird, dass das in anderen Kantonen gelegene unbewegliche Vermögen und dessen Einkünfte für die Bestimmung des Steuersatzes der Staatssteuer nicht relevant sind. Würden diese berücksichtigt, wie es gemäss der Formulierung im StHG vorgesehen wäre, käme es zu einer interkantonalen Doppelbesteuerung, argumentierte er.
Mit seiner zweiten Motion (Mo. 19.4558) sollte die Formulierung «die in der Schweiz angelegten beweglichen Kapitalvermögen» durch «Kapitalvermögen aus schweizerischer Quelle» ersetzt werden, wie es auch das Kreisschreiben Nr. 44 der ESTV präzisiere. Ansonsten könnten die Pauschalbesteuerten «das in der Schweiz angelegte Kapitalvermögen ins Ausland transferieren» und müssten es in der Folge in der Kontrollrechnung nicht aufführen.
Der Bundesrat teilte die Ansicht des Motionärs zu beiden Vorstössen nicht. Da die Veranlagungspraxis bereits dem Anliegen des Motionärs entspreche, sei eine Teilrevision der entsprechenden Artikel nicht nötig, begründete er seine ablehnende Haltung.
In der Sommersession 2020 behandelte der Ständerat die beiden Motionen und gab dabei einem Ordnungsantrag Bischof (cvp, SO) Folge: Er wies die beiden Motionen der WAK-SR zur Vorprüfung zu. Da die beiden Fragen sehr technisch seien, solle man der Kommission die Möglichkeit geben, diese ernsthaft zu prüfen, hatte Bischof seinen Antrag begründet.

Besteuerung nach dem Aufwand (Mo. 19.4557 und Mo. 19.4558)