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  • Nussbaumer, Eric (sp/ps, BL) NR/CN
  • Köppel, Roger (svp/udc, ZH) NR/CN

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Am 25. November 2018 kam die Selbstbestimmungsinitiative zur Abstimmung. Die lediglich 33.7 Prozent Ja-Stimmen – in keinem einzigen Kanton fand die Initiative eine Mehrheit – waren für die meisten Beobachterinnen und Beobachter überraschend wenig. Die grösste Unterstützung erhielt das SVP-Begehren in den Kantonen Schwyz (47.1%) und Appenzell Innerrhoden (47.0%) sowie im Tessin (46.1%). In der Romandie beziehungsweise in den Kantonen Waadt (23.4%), Neuenburg (22.6%), Genf (24.7%) und Jura (24.5%) votierten hingegen mehr als drei Viertel der Teilnehmenden gegen die Initiative. Die Stimmbeteiligung lag bei 48.41 Prozent und damit leicht höher als bei der gleichzeitig zur Abstimmung stehenden Hornkuh-Initiative (48.30%) und bei der gesetzlichen Grundlage für die Überwachung von Versicherten (48.38%).
Am Tag nach der Abstimmung waren sich die Medien einig und sprachen von einer «Klatsche» (Blick), von einem «échech historique» (Le Temps) oder einer «schweren Schlappe» für die SVP. Die Ablehnung des Begehrens der Volkspartei sei überraschend deutlich ausgefallen. Allerdings sei die Frage der Hierarchie zwischen Völker- und Landesrecht nach wie vor nicht geklärt. Von einem «Pyrrhussieg» sprach gar die Basler Zeitung, weil sich künftig wohl die Konflikte zwischen den beiden Normstufen häufen würden. Zudem waren sich die Protagonisten uneinig darüber, was das Resultat für die künftige Aussenpolitik bedeute. Zur Diskussion standen dabei der Rahmenvertrag mit der EU und der UNO-Migrationspakt. Während für die Aargauer Zeitung das Nein «kein Freipass für das Rahmenabkommen mit der EU» darstelle, sprach die Wochenzeitung von einem Signal für die internationale Zusammenarbeit.
Hans-Ueli Vogt (svp, ZH) sah einen Grund für die Niederlage in den Argumenten der Gegnerschaft, gegen die die SVP nicht angekommen sei. Die Vorlage sei zu abstrakt gewesen, urteilte dabei Roger Köppel (svp, ZH) in der Weltwoche. Ein Urteil, das auch die NZZ teilte: Für einmal habe die SVP «das Bauchgefühl» nicht ansprechen können. SVP-Präsident Albert Rösti (svp, BE) habe sich mehr erhofft, wie er der Aargauer Zeitung zu Protokoll gab. Man habe eine Schlacht verloren, nicht aber den Kampf für die Unabhängigkeit. Zudem erachte er es als Erfolg, dass man dank der SVP intensiv über die direkte Demokratie diskutiert habe – trotz massiver «Verunsicherungs-Kampagne» der Gegner, so der Berner Nationalrat im Blick. Das Nein bedeute, so der Parteipräsident weiter, dass die Bevölkerung zur Klärung des Verhältnisses zwischen Landes- und Völkerrecht keine Verfassungsänderung wolle. Es sei aber kein Plebiszit für Verhandlungen mit der EU, sondern ein Ja für die direkte Demokratie und ein Auftrag, den UNO-Migrationspakt oder den Rahmenvertrag mit der EU zu bekämpfen. Die SVP werde dies weiterhin tun und als Druckmittel auch die Begrenzungsinitiative weiter verfolgen, die im Sommer zustande gekommen war.
Während im Siegerlager die GLP das Resultat als «Ja zu einer offenen und vernetzten Schweiz» interpretierte (Beat Flach [glp, AG] in der Aargauer Zeitung), sah es die SP zwar als Stärkung der Bilateralen, nicht aber als Steilpass für ein Rahmenabkommen an. Regula Rytz (gp, BE) war stolz, dass die Bevölkerung die Sprengkraft der Initiative gegen die Institutionen erkannt habe. Das System zwinge zum Ausgleich und in der Schweiz könne niemand alleine entscheiden, kommentierte Justizministerin Simonetta Sommaruga das Verdikt. Die Bevölkerung wisse diesen Ausgleich zu schätzen. Der Gewerbeverband und Economiesuisse interpretierten das Nein als Bestätigung einer weltoffenen Wirtschaftsschweiz. Die Gewerkschaften sahen darin eine Ansage gegen die Abschottungspolitik und von einem klaren Bekenntnis zum Völkerrecht sprach Amnesty International.


Abstimmung vom 25. November 2018

Beteiligung: 48.4%
Ja: 872'288 (33.7%) / Stände: 0
Nein: 1'713'501 (66.3%) / Stände: 20 6/2

Parolen:
– Ja: EDU, FPS, SD, SVP
– Nein: BDP, CVP, EVP, FDP, GLP, GPS, KVP, PdA, SP; Economiesuisse, SGB, SGV, Travail.Suisse

Volksinitiative «Schweizer Recht statt fremde Richter (Selbstbestimmungsinitiative)» (BRG 17.046)

Die Kampagne rund um die Selbstbestimmungsinitiative lief eigentlich schon seit der Lancierung des Begehrens Anfang 2015. Diverse Parteien und verschiedene Organisationen hatten sehr früh ihren Widerstand angekündigt. Schon im März 2015 hatte der Tages-Anzeiger getitelt «Alle gegen die Volkspartei»: Wirtschaftsverbände hatten Sorgen um Handelsverträge geäussert, Staatsrechtlerinnen und Staatsrechtler hatten einen Angriff auf die Menschenrechte befürchtet, Rechtshistorikerinnen und Rechtshistoriker hatten die Idee der «fremden Richter» bemüht, verschiedentlich war eine Instrumentalisierung des Initiativrechts moniert worden und vor den eidgenössischen Wahlen im Herbst 2015 hatte die Frage zur Beziehung von Völkerrecht und Landesrecht «unter Politikern für Polemiken und rote Köpfe» gesorgt (NZZ) – und das alles noch bevor die Initiative überhaupt zustande gekommen war. Die SVP wollte nach eigenem Ermessen Klarheit und Sicherheit hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Völkerrecht und Landesrecht herstellen, was freilich von den Gegnerinnen und Gegnern als «falsches Versprechen» (NZZ) oder «initiative simpliste» (Le Temps) bezeichnet und bestritten wurde. Rückenwind brachte die Initiative wohl auch ihrem Erfinder Hans-Ueli Vogt (svp, ZH), der während seines Ständeratswahlkampfes im Kanton Zürich für das Begehren geworben hatte.

Die Medienberichterstattung über die Selbstbestimmungsinitiative riss natürlich auch während ihrer parlamentarischen Behandlung 2017 und 2018 nicht ab. Diskutiert wurde dabei unter anderem auch schon früh über den Abstimmungstermin. Ob die SVP im Wahljahr 2019 von der Initiative profitieren könne oder nicht, hänge vor allem vom Arbeitstempo des Parlaments und davon ab, ob ein Gegenvorschlag ausgearbeitet würde oder nicht, berichtete die Presse. In den Medien wurden derweil auch verschiedentlich Fälle beschrieben, bei denen Gerichte internationalen Verträgen den Vorrang vor Verfassungsbeschlüssen gegeben hatten. Insbesondere die Ausnahmen, die in Einzelfällen bei der Anwendung des Ausführungsgesetzes zur Ausschaffungsinitiative gemacht wurden, waren ja auch Stein des Anstosses für die Selbstbestimmungsinitiative gewesen. Ob die Schweiz nun «Musterschülerin» sei (Tages-Anzeiger), die in vorauseilendem Gehorsam handle, oder sich als Vertragspartnerin an internationale Abkommen halten müsse, wie in der Presse ebenfalls argumentiert wurde, – die Diskussionen hielten die Selbstbestimmungsinitiative im Gespräch.

Bereits vor Abschluss der parlamentarischen Verhandlungen lancierten die Gegnerinnen und Gegner der Initiative Ende Mai 2018 mittels einer Medienkonferenz offiziell den Abstimmungskampf – obwohl dann noch nicht entschieden war, wann das Anliegen an die Urne kommen sollte. Unter dem Namen «Schutzfaktor M» – M stand bei der bereits 2013 ins Leben gerufenen Organisation für Menschenrechte – und der Bezeichnung «Allianz der Zivilgesellschaft» hatten sich laut Basler Zeitung über hundert Organisationen – darunter etwa der katholische Frauenbund, Pink Cross, Behinderten- und Jugendverbände oder Helvetas – und Tausende Einzelpersonen zusammengeschlossen. Vor der Presse bezeichneten verschiedene Vertreterinnen und Vertreter dieser Organisationen das SVP-Anliegen als «Selbstbeschneidungs-Initiative» oder «Anti-Menschenrechts-Initiative». Die ungewohnt frühe Organisation der Gegnerschaft sei mit der Bedeutung der Initiative zu erklären, aber auch damit, dass der «Abstimmungskampf kein Spaziergang» werde, so der Tages-Anzeiger. Darauf weise auch eine im März 2018 durchgeführte Umfrage hin, die zeige, dass 43 Prozent der Befragten die Initiative sicher oder eher annehmen würden und 48 Prozent dagegen oder eher dagegen seien.

Anfang Juli entschied der Bundesrat dann, die Abstimmung auf den frühest möglichen Zeitpunkt, den 25. November 2018, festzulegen. Anfang Oktober startete die SVP mit ihrem Abstimmungskampf, der zumindest hinsichtlich der verwendeten Bilder und verglichen mit früheren Kampagnen zur Minarett-, Ausschaffungs- oder Masseneinwanderungsinitiative etwa vom Sonntags-Blick als «völlig harmlos» bezeichnet wurden. Auf einem in orange gehaltenen Hintergrund hielten Personen ein Schild mit einem Ja «zur direkten Demokratie» und «zur Selbstbestimmung» in die Kamera. Das Logo der Partei war nicht sichtbar. Man habe die Botschaft bewusst simpel halten wollen. Eine aggressive Kampagne sei nicht nötig, weil die Botschaft klar sei, zudem wolle man einen sachlichen Abstimmungskampf führen, gab Kampagnenchef Thomas Matter (svp, ZH) zu Protokoll.

Die Gegnerschaft fuhr für ihre Kampagne schwereres Geschütz auf: So liess Economiesuisse 18 Frachtcontainer auf den Bundesplatz stellen mit dem Hinweis, dass darin 387 Tonnen Exportgüter Platz hätten, was der Menge entspreche, die von der Schweiz aus alle 10 Minuten in die Welt verkauft werde. Diese Ausfuhren seien aber bei einem Ja zur Selbstbestimmungsinitiative gefährdet. Nur dank zahlreicher internationaler Abkommen, die bei einem Ja alle auf der Kippe stünden, gehöre die Schweiz zu den 20 grössten Volkswirtschaften weltweit. Das «Gesicht der Operation Libero» (Blick), Flavia Kleiner, sprach von der «krassesten Initiative, über die wir je abgestimmt haben», mit ihr werde der Rechtsstaat fundamental angegriffen. Eine in den Medien häufig zu vernehmende Stimme gehörte Helen Keller, der Vertreterin der Schweiz am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Auch für sie entsprach die Initiative einem Angriff auf den Rechtsstaat und die Menschenrechte. Sie argumentierte, dass das Volksbegehren nicht hätte für gültig erklärt werden dürfen und fürchtete sich bei einer Annahme vor einer «Katastrophe», wie die Weltwoche ausführte. Plakate der Gegnerinnen und Gegner zeigten eine Kreissäge, die verschiedene Begriffe (z.B. Frauenrechte, Kinderrechte, Behindertenrechte) durchtrennte, verbunden mit dem Slogan «Nein zur Selbstbeschneidungsinitiative der SVP». In der Weltwoche wurden die Plakate als «krasser Ausdruck» von «Volksverachtung» bezeichnet, mit der die «antidemokratische Gesinnung der Selbstbestimmungsgegner» sichtbar werde. Volksentscheide würden mit «Kettensägenmassaker[n]» gleichgesetzt.
Auch auf Social Media hatten die Gegnerinnen und Gegner der Initiative «die Nase vorn» (Weltwoche). Mit einem Film zeigten sie als antike Soldaten verkleidete Mitglieder der SVP (Roger Köppel [ZH], Andreas Glarner [AG] und Magdalena Martullo-Blocher [GR]), die in einem Trojanischen Pferd versteckt das Bundesgericht entmachten wollten. Ein grosses Holzpferd wurde dann auch kurz vor dem Abstimmungstermin auf dem Berner Bahnhofsplatz präsentiert.

Die SVP – allen voran Christoph Blocher – verteidigte die Initiative mit dem Argument, dass die direkte Demokratie schleichend ausgehebelt werde. Bei der Abstimmung stünden nichts weniger als die Volksrechte auf dem Spiel. «Damit die Leute noch etwas zu sagen haben», müssten sie Ja stimmen, so der vom Blick als «SVP-Übervater» bezeichnete Blocher. Der alt-Bundesrat betrachtete die Selbstbestimmungsinitiative zudem als Vehikel, mit dem der EU-Rahmenvertrag verhindert werden könne. Sehr häufig trat auch Hans-Ueli Vogt vor die Medien, um «seine» Initiative zu verteidigen. Auch der «Architekt» des Begehrens, so die Aargauer Zeitung, argumentierte mit der Verteidigung der direkten Demokratie. Das Parlament setze angenommene Initiativen mit Verweis auf internationale Verpflichtungen nicht so um, wie dies von der Stimmbevölkerung verlangt werde. Mit der Initiative werde der Stellenwert der direkten Demokratie hingegen wieder gestärkt.

Für Wirbel sorgte ein Flyer, der von der SVP Mitte August 2018 an alle Schweizer Haushalte verteilt wurde. Darin trat alt-Bundesrätin Micheline Calmy-Rey als Kronzeugin für die Selbstbestimmungsinitiative auf: «Das Schweizer Recht schützt besser als das europäische. Ich bin entschieden dagegen, dass europäisches Recht sämtliche Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU regeln soll», wurde die ehemalige Magistratin zitiert. Diese Aussage hatte Calmy-Rey im Rahmen einer Diskussion um das EU-Rahmenabkommen gemacht. Von der SVP sei sie aber nicht angefragt worden, sie sei schockiert über dieses Vorgehen. SP-Parteipräsident Christian Levrat (sp, FR) sprach in diesem Zusammenhang von «Lügenpropaganda». Auch die «Buh-Rufe» und die «Schimpftiraden» (Aargauer Zeitung), die Bundesrätin Simonetta Sommaruga bei einem Podium in Suhr (AG) über sich ergehen lassen musste, zeugten von der immer aufgeheizteren Stimmung. Nicht nur die von der SVP immer wieder heftig attackierte Justizministerin, sondern auch die Bundesratsmitglieder Doris Leuthard, Alain Berset, Ignazio Cassis und Johann Schneider-Ammann engagierten sich mit verschiedenen Auftritten für die ablehnende Haltung des Bundesrates. Man habe Lehren aus dem Ja zur Masseneinwanderungsinitiative gezogen, bestätigte Simonetta Sommaruga der Aargauer Zeitung, und trete darum als Regierung stärker in Erscheinung.

Ende August zeigte eine Umfrage, dass zu diesem Zeitpunkt 53 Prozent der Befragten Nein zur Initiative gesagt hätten und 45 Prozent Ja. Als aussergewöhnlich wurde von den Befragenden der Umstand gewertet, dass das Ja-Lager über die Zeit nicht kleiner geworden sei; ein Muster, das sonst bei Initiativen im Verlauf einer Kampagne zu beobachten sei. Thomas Matter sprach bei seinem Kommentar zu diesen Zahlen in der Aargauer Zeitung von einem Kampf «David gegen Goliath». Er schätzte den finanziellen Aufwand der Gegnerschaft auf einen «zweistelligen Millionenbetrag». Die Gegnerinnen und Gegner führten eine «Märchenstundenkampagne mit unlimitierten Budgets», urteilte Matter. Die SVP selber habe weniger als CHF 3 Mio. ausgegeben. Eine Analyse von Media Focus ging hingegen aufgrund der gekauften Werbeflächen (Plakate, Inserate, Werbung auf Youtube) davon aus, dass das Befürworterlager mehr ausgegeben hatte als das Gegnerlager. Auch die APS-Inserateanalyse, mit der die Anzahl der in Printmedien geschalteten Inserate betrachtet wird, stellte ein grösseres Engagement der Befürwortenden- als der Gegnerseite fest. Zudem schalteten die Befürworterinnen und Befürworter deutlich mehr Inserate als noch bei der Masseneinwanderungs- oder der Durchsetzungsinitiative. Wer wie viel für den Abstimmungskampf ausgab, blieb zwar ein Geheimnis, die Kosten waren aber sicherlich überdurchschnittlich hoch.
Die Gegnerinnen und Gegner warnten aufgrund der Umfrageresultate davor, zu meinen, dass das Rennen bereits gelaufen sei. Demoskopen würden sich oft irren, so etwa der Blick. Als für das Nein-Lager nicht förderlich, wurde zudem die Absicht des Bundesrates bezeichnet, ausgerechnet kurz vor der Abstimmung eine Unterzeichnung des umstrittenen UNO-Migrationspaktes zu prüfen. Die Umfragen hatten zudem gezeigt, dass rund ein Drittel der FDP-Sympathisierenden die Initiative unterstützen würde. Auch die Ja-Parole der Jungfreisinnigen des Kantons Zürich zeige, dass durch den Freisinn ein Riss verlaufe, urteilte der Sonntags-Blick. Diesem wollte Parteipräsidentin Petra Gössi (fdp, SZ) auf Anfrage mit Aufklärung und Mobilisierung der eigenen Basis begegnen – so das Sonntagsblatt weiter.

Den «Rückenwind», den die Befürworterinnen und Befürworter durch die Debatte um den Migrationspakt noch einmal erhalten hatten, wie der Blick urteilte, versuchten sie kurz vor der Abstimmung dann noch mit «Brachial-Werbung» (Blick) zu verstärken. Auf der Titelseite der Pendlerzeitung «20 Minuten» warb das «Egerkinger Komitee» um Walter Wobmann (svp, AG) und Andreas Glarner (svp, AG) damit, dass mit der Annahme der Selbstbestimmungsinitiative der UNO-Migrationspakt verhindert werden könnte, dass hingegen bei einer Ablehnung die Minarett-Initiative wieder für ungültig erklärt werden würde. Eine Karikatur zeigte zudem Justizministerin Simonetta Sommaruga, die mit der Aussage «Hereinspaziert» an der Grenze Flüchtlinge in die Schweiz bittet.
Die heftige und ungewöhnliche lange Kampagne liess für den Abstimmungssonntag eine hohe Beteiligung erwarten.

Volksinitiative «Schweizer Recht statt fremde Richter (Selbstbestimmungsinitiative)» (BRG 17.046)

Als «kontraproduktiv» bezeichnete das Büro-NR in seinem Bericht die parlamentarische Initiative Köppel (svp, ZH), mit der die Halbierung der Bezüge von Parlamentsmitgliedern gefordert wurde. Das bestehende Entschädigungssystem wahre nicht nur den Milizgedanken, sondern erlaube auch eine effiziente und sachliche Behandlung der Ratsgeschäfte. Beides sei mit einer Halbierung der Bezüge nicht mehr gewährleistet, da die Gefahr bestehe, dass nur noch Personen ein Parlamentsmandat übernehmen würden, die nicht auf Einkommen angewiesen seien – im Bericht des Büros wurde vor einem «Mandat als Hobby» gewarnt – oder mit ihrem Beruf bereits eine starke Politikorientierung hätten, wie es beispielsweise bei Verbands- oder Gewerkschaftsvertretenden der Fall sei. Das Büro verwies zudem auf seine Idee einer Pauschalregelung, die freilich in der Zwischenzeit zurückgezogen worden sei.
Eine aus den drei SVP-Mitgliedern bestehende Büro-Minderheit monierte hingegen, dass die heutige Entschädigung einer gut bezahlten Vollzeitstelle im Berufsleben entspreche und damit der Entwicklung hin zu einem Berufsparlament Vorschub geleistet werde. Nur eine Halbierung würde Anreize setzen, dass Parlamentarierinnen und Parlamentarier wieder vermehrt einem Beruf ausserhalb des Parlaments nachgehen würden.

Halbierung der Bezüge (Pa.Iv. 17.505)
Dossier: Entschädigung von Parlamentsmitgliedern

Im März 2018 reichte Eric Nussbaumer (sp, BL) ein Postulat mit Bezug auf die parlamentarische Mitwirkung in Angelegenheiten Schweiz/EU ein. Im Rahmen der Botschaft zum institutionellen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU soll der Bundesrat auch Varianten der zukünftigen Beteiligung des Parlaments in der Europapolitik aufzeigen.
In der jüngeren Vergangenheit wurden bereits mehrfach ähnliche Anliegen, die mehr parlamentarische Partizipation in Sachen Schweiz-EU verlangten, an den Bundesrat herangetragen. Ein Beispiel dafür ist die Motion «Massnahmen zur frühzeitigen Information des Parlaments über relevante europäische Gesetzgebungsentwürfe» (Mo. 10.3005) sowie ein – ebenfalls von Eric Nussbaumer– angedachtes parlamentarisches Verbindungsbüro bei der EU (Mo. 14.3646). Diese Motion scheiterte jedoch 2014, weil sie nicht innerhalb von zwei Jahren im Rat behandelt wurde. Laut Nussbaumer seien die potentiellen Möglichkeit einer stärkeren Einbindung des Parlaments somit auch heute noch nicht eindeutig geklärt. Er verlangte folglich insbesondere die Prüfung fünf spezifischer Massnahmen: Schaffung einer ständigen Kommission für Angelegenheiten Schweiz-EU; Schaffung des bereits erwähnten Verbindungsbüros; Schaffung einer ständigen gemeinsamen Delegation der APK-NR und der APK-SR; Monitoring der Bundesversammlung über für die Schweiz relevante EU-Rechtssetzungsprozesse; volles Stimmrecht der Schweizer Parlamentsdelegation im EWR- und EU-Parlamentarierkommitee.
In seiner Stellungnahme vom Mai 2018 äusserte sich der Bundesrat positiv hinsichtlich einer engen Einbindung der Bundesversammlung in die Schweizer Europapolitik. Das noch ausstehende institutionelle Abkommen zwischen der Schweiz und der EU soll primär die effizientere Anwendung der bilaterale Marktzugangsabkommen ermöglichen. Im Kontext dieser Zusammenarbeit könne das Abkommen auch als Rahmen für eine verstärkte Kooperation der Bundesversammlung und des Europäischen Parlaments fungieren. Massnahmen zur Stärkung der Rolle des Parlaments in der Schweizer Europapolitik könnten jedoch erst nach Abschluss der Verhandlungen vorgelegt werden. Trotzdem beantragte der Bundesrat die Annahme des Postulats.
In der Folge wurde das Postulat in der Sommersession 2018 von Nationalrat Roger Köppel (svp, ZH) bekämpft. Dieser zog seinen Antrag auf Ablehnung in der Herbstsession 2019 zurück, kurz darauf folgte jedoch eine erneute Bekämpfung, dieses Mal durch Pirmin Schwander (svp, SZ). Die Behandlung durch den Nationalrat wurde durch das Vorgehen der SVP-Nationalräte somit zweimalig verschoben, womit auch diesem Postulat die Abschreibung aufgrund von Nichtbehandlung drohte.

Postulat zur parlamentarischen Mitwirkung in Angelegenheiten Schweiz/EU (18.3059)

Weil die Fussballer Xherdan Shaqiri und Granit Xhaka ihre Tore während dem Spiel Schweiz-Serbien in Kaliningrad (RUS) mit der Doppeladler-Geste bejubelten, kam es im Juni im Rahmen der Fussball-Weltmeisterschaft der Männer zu einem Eklat.
Nicht wenige Spieler der Schweizer Nationalmannschaft verfügen über kosovarische oder albanische Wurzeln und Spieler und Fans beider Seiten der Partie haben den Kosovokrieg Ende der 1990er-Jahre direkt oder indirekt miterlebt. Noch heute existieren Spannungen zwischen den ehemaligen Kriegsparteien, so anerkennt Serbien beispielsweise den Kosovo nicht als unabhängigen Staat. Die Stimmung im Stadion war also im Hinblick auf vergangene Konflikte aufgeheizt – serbische Fans pfiffen die Schweizer Spieler aus, Shaqiri und Xhaka machten den Doppeladler.
Bei der Doppeladler-Geste wird, indem man die Hände über die Daumen kreuzt und mit den Fingern flattert, das Wappentier Albaniens – ein Adler – imitiert. Obwohl der Adler das Wappentier vieler Nationen ist, auch dasjenige Serbiens, sei die albanische Doppeladler-Flagge auf rotem Grund als «Flagge aller ethnischen Albaner» zu deuten, wie die Aargauer Zeitung erklärte. Weltweit würden daher albanische Spieler von ihren Fans gefeiert, wenn sie «den Adler machen». In den albanisch besiedelten Teilen Jugoslawiens hingegen sei früher öfters die Polizei eingeschritten, wenn die Doppeladler-Flagge öffentlich gezeigt wurde.
Die Geste im Spiel habe laut Xhaka folglich auch den albanischen und nicht den serbischen Fans gegolten, dennoch stufte die Fifa die Handlung als Provokation gegenüber dem serbischen Publikum ein. Es folgten Bussen in Höhe von CHF 10'000 für die beiden Spieler und eine weitere Busse von CHF 5'000 für Teamcaptain Lichtsteiner, der den Doppeladler aus Solidarität mit seinen Teamkollegen ebenfalls zeigte. Die Schweiz gewann die Partie 2:1.

Damit war aber die Diskussion nicht abgepfiffen: Die Frage, ob ein Schweizer Nationalspieler eine ausländische Jubelgeste machen dürfe, beschäftigte die Schweiz noch über einen Monat und war während Wochen ein dominierendes Thema in der Tagespresse. Der Direktor des SFV, Alex Miescher, fragte im Juli in einem Interview mit dem Tages-Anzeiger gar, ob Doppelbürger überhaupt für eine Nationalmannschaft geeignet seien. Xhaka selbst bezeichnete diese Aussage gemäss Tages-Anzeiger als «Unsinn» und «Steinzeitkommentar», laut Jacqueline Fehr (sp, ZH) sei sie «eine Ohrfeige für alle Doppelbürger», wie der Blick titelte. Dieser veröffentlichte daraufhin in der Sonntagsausgabe auf über elf Seiten unterschiedliche Stellungnahmen zur Doppeladler- und Doppelbürger-Diskussion.
Für die Aussage Mieschers entschuldigte sich der Präsident des SFV, Peter Gilliéron, später, Jürg Stahl (svp, ZH), Präsident des Dachverbandes von Swiss Olympics, unterstützte hingegen die Aussage Mieschers gegenüber dem Blick: Schweizer Sportlerinnen und Sportler, welche die Schweiz an olympischen Spielen und Weltmeisterschaften vertreten, sollen «durch und durch und nur unsere Nation vertreten», was im Falle von Doppelbürgern aber oft schwierig sei. Mit einer Abschaffung von Doppelbürgerschaften könne man hier Abhilfe schaffen, so Stahl weiter.
Auch die Weltwoche griff die Thematik auf: Dort zitierte Roger Köppel (svp, ZH) den Schriftsteller Gottfried Keller, indem er definierte, was Schweizer Staatsangehörige ausmache: Es sei das Bürgerrecht und die Identifikation mit dem Land und seiner Staatsform. Dass nun die Doppeladler-Geste für Irritierung darüber sorge, ob die Spieler der Schweizer Nati denn überhaupt für die Schweiz oder für Albanien spielten, sei nur naheliegend, meinte Köppel weiter, denn der Doppeladler sei eben nicht ein Schweizer Symbol.

Schliesslich gab es aber auch humorvolle Beiträge zur Diskussion: Vielleicht sei der Doppeladler ja nur Werbung für die Vogelwarte Sempach gewesen, witzelte man im Tages-Anzeiger. Insgesamt erregte der Zwischenfall aber derart viel Aufmerksamkeit, dass die ZHAW den Begriff «Doppeladler» im Dezember zum Wort des Jahres 2018 kürte.

Doppeladler-Affäre
Dossier: Nationale Identität: Debatte über die Fussballnationalmannschaft

Da Initiativen der Beratungskategorie der sogenannten «freien Debatte» zugeordnet werden, haben grundsätzlich alle Parlamentsmitglieder das Recht auf Wortmeldung. In den anderen, seit 1990 geltenden Beratungskategorien äussern sich in der Regel – neben den Vertreterinnen und Vertretern des Bundesrates – lediglich Kommissionssprecherinnen und -sprecher, Antragstellerinnen und Antragsteller von Vorstössen oder Minderheitsanträgen und allenfalls Fraktionssprecherinnen und -sprecher. Schon früher uferte die freie Debatte bei Volksinitiativen gerne auch in einem ziemlichen Redemarathon aus, so etwa bei der «No-Billag»-Initiative. Immer häufiger wird in solchen Debatten zudem auch das Recht genutzt, Zwischenfragen zu stellen. So war es auch wenig verwunderlich, dass im Nationalrat nicht weniger als 83 Ratsmitglieder einen Antrag gestellt hatten, um in einem Votum die eigene Position zur Volksinitiative «Schweizer Recht statt fremde Richter (Selbstbestimmungsinitiative)» verdeutlichen zu können. Aufgrund der grossen Zahl an Rednerinnen und Rednern, aber eben auch aufgrund der zahlreichen vor allem von SVP-Vertreterinnen und -vertretern gestellten Zwischenfragen dauerte die Debatte schliesslich insgesamt über neun Stunden – auf drei verschiedenen Sessionstage verteilt.

In der Tat stellten die Fraktionsmitglieder der SVP den Hauptharst der Rednerinnen und Redner, nämlich deren 42; von der SP-Fraktion meldeten sich 17 Mitglieder zu Wort, von der FDP deren acht, von der CVP sieben, von den Grünen vier und von GLP und BDP je zwei. Nicht weniger als 82 der 102 Zwischenfragen stammten zudem von der Volkspartei (FDP: 9; SP: 7; BDP: 2; CVP: 1; GP: 1), wobei die SVP-Fraktionsvertreterinnen und -vertreter sich häufig auch innerhalb der Fraktion selber befragten, was Roger Nordmann (sp, VD) zur Zwischenfrage veranlasste, ob es sich hier nicht eher um die «Selbstbefragungs-Initiative» handle. Den von verschiedenen Ratsmitgliedern geäusserte Verdacht, dass die Volkspartei versuche, die Ratsabstimmung über die Initiative so zu verzögern, dass das Begehren nicht bereits im November 2018, sondern im Wahljahr 2019 an die Urne gelangt – Beat Jans (sp, BS) sprach von «Filibustern» und Nadine Masshardt (sp, BE) staunte darüber, dass die SVP so viele Fragen zur eigenen Initiative habe – konnte die SVP nicht ganz ausräumen. Freilich können Zwischenfragen nur gestellt werden, wenn der Ratspräsident oder die Ratspräsidentin – aktuell Dominique de Buman (cvp, FR) – unmittelbar nach einem Votum die Rednerin oder den Redner fragt, ob diese oder dieser die Zwischenfrage zulasse. Wird diese Frage verneint, darf die Zwischenfrage nicht gestellt werden. Die meisten Votantinnen und Votanten – mit Ausnahme der SVP-Abgeordneten – liessen denn die Zwischenfragen gar nicht zu. Weil einige darob erzürnte SVP-Zwischenfragerinnen und -frager ihre Frage trotzdem in den Saal riefen, musste de Buman einige Ermahnungen aussprechen.

Der Verdacht, dass es der SVP mit ihrer Redner- und Zwischenfragestrategie in der Tat nicht nur um einen Kampf gegen die «Diskussionsverweigerung [...] der Demokratieabschaffer in diesem Saal» ging, wie sich etwa Roger Köppel (svp, ZH) echauffierte, sondern um eine Verschleppungstaktik, «damit das Geschäft erst im Wahljahr vors Volk kommt», wie Roger Nordmann vermutete, wurde durch einen von Fraktionssprecher Thomas Aeschi (svp, ZG) vorgebrachten Ordnungsantrag weiter erhärtet. Die SVP wehrte sich nämlich dagegen, dass für den dritten Debattenteil eine Nachtsitzung anberaumt wurde, was in der Regel nur bei hoher Geschäftslast oder dringlichen Geschäften erfolge. Mit ihrem Ordnungsantrag wollte die SVP ihr Begehren zu den normalen Sitzungszeiten weiter beraten, was wohl eine Verschiebung in die Herbstsession bedeutet hätte. Die Sprecherin des Büros, Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) wies darauf hin, dass mit der überdurchschnittlichen Zahl an Rednerinnen und Rednern das Kriterium der hohen Geschäftslast sehr wohl erfüllt sei. Der Ordnungsantrag wurde dann mit 121 zu 67 Stimmen abgelehnt. Die 67 Stimmen stammten allesamt aus den Reihen der Volkspartei.
Auch der am dritten Verhandlungstag gestellte Antrag der SVP, die Anwesenden zu zählen, um das nötige Quorum nachzuprüfen, verhalf nicht wirklich zu einer Beschleunigung der Debatte. Freilich verliessen zahlreiche Parlamentarierinnen und Parlamentarier nach dem Drücken des blauen Knopfes – der der Anwesenheitskontrolle dient – den Nationalratssaal wieder, was Toni Brunner (svp, SG) derart erzürnte, dass er als Antwort auf eine entsprechende Zwischenfrage von Thomas Aeschi von einem «Kindergarten» sprach und seine Tirade gegen die nicht anwesenden Ratskolleginnen und -kollegen vom Nationalratspräsidenten erst durch Abschalten des Mikrofons unterbrochen wurde.

Nebst all diesem Geplänkel wurden freilich auch Argumente ausgetauscht. In der Tat dienen die freie Debatte wie auch die Zwischenfragen ja durchaus auch dazu, den Bürgerinnen und Bürgern zu zeigen, welche Begründungen für den Bezug der verschiedenen Fronten geltend gemacht werden. Die ab und zu ziemlich emotional, ja gar gehässig geführte Debatte – der Sonntags-Blick sprach von einer von der SVP geplanten und zelebrierten Entgleisung, der Tages-Anzeiger von einem eigentlichen Politikspektakel und die Aargauer Zeitung warf der SVP vor, statt einer inhaltlichen Debatte auf Klamauk zu setzen – liess in der Tat deutliche Positionsbezüge erkennen. Während alle Mitglieder der SVP-Fraktion das Begehren vehement verteidigten, lehnten alle anderen Fraktionen die Initiative einhellig ab.

Die Kommissionssprecherin Valérie Piller Carrard (sp, FR) und der Kommissionssprecher Kurt Fluri (fdp, SO) berichteten, dass alle von der SPK-NR angehörten Wirtschaftsvertreterinnen und -vertreter sowie sämtliche Rechtsexperten die Initiative ablehnten. Es werde befürchtet, dass das Begehren dem Wirtschaftsstandort Schweiz schade und in juristischer Hinsicht mehr Probleme schaffe als löse. In der Kommission sei zudem die Gefahr einer Kündigung wichtiger Menschenrechtsabkommen, ja gar der Europäischen Menschenrechtskonvention, diskutiert worden. Klar sei einzig, dass bei einem Konflikt zwischen Völker- und Landesrecht bestehende Verträge neu verhandelt oder gekündigt werden müssten. Wer allerdings in welchem Verfahren feststelle oder entscheide, wann ein Normenkonflikt bestehe und wann nicht bzw. wann dieser Konflikt genügend gravierend sei, bleibe völlig unklar. Dies würde bei Annahme des Volksbegehrens eine grosse Rechtsunsicherheit schaffen. Die Kommission empfehle deshalb mit 16 zu 9 respektive 14 zu 11 Stimmen, die Initiative abzulehnen und nicht auf den Gegenvorschlag einzutreten. Letzterer war von Gerhard Pfister (cvp, ZG) eingebracht worden und entsprach im Grossen und Ganzen dem schon im Ständerat gescheiterten Vorschlag von Andrea Caroni (fdp, AR). Pfister zog seinen Antrag gleich zu Beginn der nationalrätlichen Debatte zurück, weil die Initianten keinerlei Bereitschaft zeigen würden, auf seinen Vorschlag für eine alternative Lösung überhaupt einsteigen zu wollen.

Die Befürworterinnen und Befürworter der Initiative begründeten ihr Anliegen mit vier Hauptargumenten: (I) Die Initiative wolle Rechtssicherheit schaffen, indem die Hierarchie von Völker- und Landesrecht geklärt werde. Dies sei auch angesichts einer immer stärkeren Einmischung rechtlicher Normen in die Politik (sogenannte Justizialisierung) von Nöten. (II) Damit werde zudem die (direkte) Demokratie gestärkt und die Abhängigkeit vom Ausland gemindert. (III) Häufig wurde argumentiert, dass mit der Initiative nur ein Zustand wiederhergestellt werde, wie er fünf Jahre zuvor schon geherrscht habe. Damit wurde auf ein Bundesgerichtsurteil vom 12. Oktober 2012 rekurriert, mit welchem die Schubert-Praxis faktisch ausser Kraft gesetzt und wodurch festgelegt worden sei, dass internationales Recht generell nationalem Recht vorgezogen werden müsse. Konkret hatte das Bundesgericht in einem Fall die Menschenrechtskonvention der Regelung der Ausschaffungsinitiative vorgezogen. Damit sei die direkte Demokratie gleichsam ausgehebelt worden, so die SVP. Kein anderer Staat gebe aber internationalem Recht Vorrang vor Landesrecht. (IV) Gewarnt wurde in diesem Zusammenhang auch vor der Einmischung der EU, die mit dem viel diskutierten Rahmenabkommen und dem Vorrang von internationalem Recht faktisch zum «obersten Souverän der Schweizerischen Eidgenossenschaft» werde – so etwa Hans-Ueli Vogt (svp, ZH). Die Schweiz werde zu einer Marionette und Volksentscheide verkämen zu einer Art Umfrageergebnis, was letztlich nur noch eine Scheinselbstbestimmung sei, erklärte Thomas Aeschi. Andreas Glarner (svp, AG) verklebte sich den Mund mit blauen Klebestreifen, um zu demonstrieren, dass man sich den Mund verbieten lasse. Roger Köppel warnte gar von einer «kalten Entmachtung des Volkes» und Magdalena Martullo-Blocher (svp, GR) stellte die Anschuldigung in den Raum, dass die «sogenannten Volksvertreter im Saal», denen man im Gegensatz zum Volk nicht vertrauen könne, dem süssen Gift der Macht verfallen seien, die Souveränität des Volkes an sich rissen und ins Ausland verkauften. Dies sei der Untergang der Schweiz.

Die Gegnerinnen und Gegner des Begehrens betonten neben den bereits von der Kommission vorgebrachten Argumenten auch den nötigen Spielraum, den Gerichte im Einzelfall bräuchten, der aber mit einer Annahme der Initiative stark eingeschränkt würde. Zahlreiche Plädoyers machten sich zudem für die Menschenrechte stark, die mit der Annahme einer Initiative gefährdet wären, weil die Kündigung der Menschenrechtskonvention durch die Schweiz einen fatalen Vorbildcharakter hätte. Balthasar Glättli (gp, ZH) sprach etwa von einer «Antimenschenrechts-Initiative». Das Volksbegehren stelle die Werte der Schweiz – laut Nadine Masshardt (sp, BE) «Verlässlichkeit, Stabilität und Menschenrechte» – fundamental infrage. Die kleine Schweiz sei auf Vertragssicherheit und auf Völkerrecht angewiesen, damit sie nicht dem Recht des Stärkeren ausgesetzt sei. Aber wer – so fragte sich Matthias Jauslin (fdp, AG) – gehe mit einem unverlässlichen Partner noch einen Vertrag ein? Völkerrechtliche Verträge würden von der Schweiz freiwillig eingegangen, weil sie von grossem Nutzen seien, betonte Ruth Humbel (cvp, AG). Die Stimmbevölkerung werde nicht durch Völkerrecht entmachtet, weil wichtige Verträge ja immer direktdemokratisch legitimiert seien, gab Eric Nussbaumer (sp, BL) zu bedenken.

Das Schlussvotum gehörte Justizministerin Simonetta Sommaruga. Sie führte aus, dass sich Souveränität und globale Vernetzung nicht widersprechen, weil die Schweiz souverän bestimme, mit wem sie internationale Verträge abschliesse. Wie diese Verträge abzuschliessen seien und dass man sie einzuhalten habe, stehe eigentlich in der von Volk und Ständen abgesegneten Bundesverfassung. Ebenfalls festgehalten sei, dass es den Gerichten zu überlassen sei, bei Normenkonflikten flexibel und pragmatisch zu entscheiden. Mit der Selbstbestimmungsinitiative würde dies allerdings auf den Kopf gestellt. Das Begehren fordere nicht nur, dass Völkerrecht nicht mehr zählen solle, sondern dass die Gerichte im Konfliktfall rechtswidrige Entscheide fällen müssten. Die Neuaushandlung von Verträgen würde damit zu einer Obligation und bleibe nicht Option. Die Initiative, weil sie nur Schwarz und Weiss kenne, zwänge die Schweiz in ein Korsett. Nicht nur die eigene Handlungsfähigkeit würde eingeschränkt, sondern auch die Zuverlässigkeit der Schweiz als Vertragspartnerin werde aufs Spiel gesetzt. Zudem sei die Initiative nicht genügend deutlich bei der Definition von «Widerspruch». Wann ein Konflikt zwischen Völkerrecht und Landesrecht bestehe, wie gross dieser sein müsse und wer dies entscheide, bleibe unklar. Die Justizministerin versuchte auch die Meinung zu entkräften, dass das Bundesgericht seit 2012 auf die Schubert-Praxis verzichtet habe; es sei im Gegenteil in mehreren Fällen Bezug genommen worden auf diese Praxis. Die Schweiz sei erfolgreich, weil sie beweglich und pragmatisch immer wieder neue Antworten auf neue Herausforderungen gefunden habe. Die im Gegenteil dazu starre und dogmatische Initiative werde vom Bundesrat deshalb zur Ablehnung empfohlen.

Wie aufgrund der Debatte nicht anders zu erwarten war, stimmten die 67 anwesenden Mitglieder der SVP-Fraktion – einzig Ulrich Giezendanner (svp, AG) war abwesend – für und die restlichen 127 bei der Abstimmung anwesenden Nationalrätinnen und Nationalräte gegen Annahme der Initiative.

Volksinitiative «Schweizer Recht statt fremde Richter (Selbstbestimmungsinitiative)» (BRG 17.046)

Par 19 voix contre 2, la CEATE-CN a approuvé les amendements du Protocole relatif aux polluants organiques persistants. Les modifications apportées visent à réduire la pollution atmosphérique, en limitant davantage les émissions de polluants organiques persistants. Durant le débat au Conseil national, Eric Nussbaumer (ps, BL) interpelle la conseillère fédérale Doris Leuthard afin qu'elle confirme que le traité est un exemple de reprise dynamique du droit international sous respect du choix du Parlement et de la démocratie directe. Elle acquiesce et rappelle que les lois étrangères ne sont pas adoptées automatiquement. Au vote d'ensemble, l'arrêté fédéral est adopté au Conseil national par 150 voix. Huit parlementaires du groupe UDC s'y sont opposés. Le Conseil des Etats, à son tour, va devoir statuer.

Amendements du Protocole à la Convention sur la pollution atmosphérique tranfrontière à longue distance

Die Kernkraftwerkbetreiber sind gemäss dem Kernenergiegesetz (KEG) und der Stilllegungs- und Entsorgungsverordnung (SEFV) dazu verpflichtet, Beiträge in die nationalen Stilllegungs- und Entsorgungsfonds einzuzahlen. Diese Fonds sollen gewährleisten, dass die zukünftig anfallenden Kosten für den Rückbau der Anlagen und für die Entsorgung der radioaktiven Abfälle durch die Betreiber der Anlagen finanziert werden. Artikel 80 des KEG sieht zudem vor, dass bei höher anfallenden Kosten auch eine Nachschusspflicht möglich ist. Eine solche Nachschusspflicht sei gemäss Eric Nussbaumer (sp, BL) bei den Anlagen Gösgen und Leibstadt jedoch problematisch, da diese Kernanalagen zum einen nur wenig Eigenkapital besitzen und somit solche Kosten nicht decken könnten, und zum anderen, weil die beteiligten Partner nur mit ihrem Eigenkapital haften. Als Folge trägt der Bund ein grosses Haftungsrisiko. Eric Nussbaumer forderte deshalb in einem Postulat einen Bericht, der die rechtliche Verbindlichkeit und Durchsetzbarkeit der Nachschusspflicht für die beteiligten Partner aufzeigt.

Der Bundesrat anerkannte zwar das Problem, wies aber auf die parlamentarische Vorstösse Vischer (Po. 11.3356) sowie Fetz (Mo. 13.4185) hin, die Ähnliches verlangt hatten. Ein Durchgriff des Bundes auf die beteiligten Partner sei „verfassungsmässig problematisch und kaum praktikabel”, da der Bund nicht Vertragspartei sei und somit nicht in das privatrechtliche Verhältnis zwischen den Aktionären und den beiden Aktiengesellschaften eingreifen könne. Er beantragte deshalb die Ablehnung des Postulats. Der Nationalrat folgte im März 2018 der Empfehlung des Bundesrates und lehnte das Begehren mit 131 zu 62 Stimmen (0 Enthaltungen) ab. Zustimmung fand die Vorlage bei den Fraktionen der Grünen, der SP und der GLP, stiess jedoch bei den Fraktionen der SVP, CVP, FDP und BDP auf Widerstand.

Nachschusspflicht für Stilllegungsfonds bei Atomkraftwerken (Po. 16.3926)
Dossier: Finanzielle Pflichten von Atomkraftbetreibern und Aktionären
Dossier: Debatte um die Entsorgung radioaktiver Abfälle ab dem Jahr 2000

Eine Halbierung der Bezüge von Parlamentsmitgliedern fordert Roger Köppel (svp, ZH) mit einer parlamentarischen Initiative. Die «verhängnisvolle Entwicklung», die immer weiter weg vom eigentlichen Milizparlament führe, solle damit aufgehalten werden, so der Zürcher SVP-Parlamentarier. Die Höhe der aktuellen Entschädigungen führe dazu, dass immer weniger Parlamentarierinnen und Parlamentarier noch einem Beruf nachgingen. Es gäbe je länger je mehr nur noch «Berufspolitiker» oder «privatisierende Millionäre», aber kaum mehr «Selbstverantwortliche, aktive Unternehmer oder echte Angestellte». Die Entschädigungen würden zudem einen Anreiz für unnötige und ausufernde Sitzungen bieten. Köppel, der mit seinem Vorstoss einen altbekannten Vorschlag von Christoph Blocher aufnahm, schlug konkrete Zahlen vor, die der Hälfte der aktuell im Parlamentsressourcengesetz aufgeführten Beträge entsprechen: CHF 13'000 Jahreseinkommen für die Vorbereitung der Ratsarbeit; CHF 220 Taggeld; CHF 220 Entschädigung für die Kommissionspräsidien; CH 110 Entschädigung für Berichterstattung. Diese Ressourcen sollen zudem steuerbar sein. Auch die steuerfreien Zulagen für die Rats- bzw. Vizepräsidien sollen auf CHF 22'000 bzw. CHF 5'500 gekürzt werden. Explizit ausnehmen wollte Köppel Bereiche, die bereits von anderen Vorstössen ins Visier genommen wurden: Bezüge für Mahlzeiten, Mitarbeitende, Übernachtungen oder Reisen.

Halbierung der Bezüge (Pa.Iv. 17.505)
Dossier: Entschädigung von Parlamentsmitgliedern

Der vom Ständerat vorgeschlagene Kompromiss bezüglich der Wasserkraft-Klausel im Bundesgesetz zum Um- und Ausbau der Stromnetze vermochte im Nationalrat keinen Stimmungsumschwung zu bewirken. Die grosse Kammer folgte ihrer Kommission und hielt daran fest, die Wasserkraft-Klausel zu streichen. Ein Minderheitenantrag Nussbaumer (sp, BL), der mit einem Kompromissvorschlag dem Ständerat in dieser Differenz die Hand reichen wollte, unterlag im Plenum mit 86 zu 102 Stimmen (2 Enthaltungen). Damit war eine Einigungskonferenz unumgänglich.

Bundesgesetz zum Um- und Ausbau der Stromnetze

Ende November 2017 löste ein Artikel in der Zeitung Le Temps über Yannick Buttet (cvp, VS) eine Debatte aus, mit der die aktuellen Diskussionen um #metoo – ein Kürzel, das im Rahmen der Anklage gegen den US-amerikanischen Filmproduzenten Harvey Weinstein aufgekommen war und auf sexuelle Belästigung und sexuelle Übergriffe aufmerksam machen will – auch in Bundesbern virulent wurden und die letztlich zur Demission des Walliser Nationalrats führten.

Le Temps berichtete, dass gegen Buttet eine Klage wegen Stalking eingereicht worden sei. Er habe eine Frau, mit der er eine aussereheliche Beziehung gehabt habe, seit dem Ende dieser Beziehung über ein Jahr lang mit Sprachnachrichten und Telefonanrufen eingedeckt. Als er sie an ihrem Wohnort aufgesucht habe, habe die Frau die Polizei gerufen, die Buttet im Garten der ehemaligen Geliebten verhaftet habe.
Buttet bestritt die Vorwürfe nicht. Eine Ehekrise habe sein Verhalten beeinflusst und er entschuldige sich bei all jenen, «que j’ai pu blesser involontairement» (Le Temps). Anlass zu den Diskussionen gaben allerdings weniger das Privatleben von Buttet und der Stalking-Vorwurf – auch wenn zahlreiche Medien dem als wertkonservativ bezeichneten CVP-Vizepräsidenten, der sich für ein traditionelles Familienbild einsetze, Heuchelei vorwarfen («Ausgerechnet der Saubermann» titelte etwa der Tages-Anzeiger). Eine Debatte lösten vielmehr die von Le Temps in Bundesbern eingeholten Reaktionen verschiedener Politikerinnen und Journalistinnen auf die Affäre Buttet aus: Buttet habe «des pulsions sexuelles incontrôlées»; wenn er trinke, ändere sich seine Persönlichkeit: «Il se comporte mal et il a des gestes déplacés»; «il va trop loin et il ne connaît plus de limites», gaben die befragten Frauen zu Protokoll. Gar von «dérapages choquants» war die Rede. «Si tu couches, je vote pour ta motion» sei einer Parlamentarierin angeboten worden. Die Interviewten wollten allerdings anonym bleiben. Sie müssten um ihre Karriere fürchten, wenn sie sich öffentlich äussern würden. In der Folge nahm die Deutschschweizer Presse den Fall auf und weitete ihn aus. Anscheinend wisse nicht nur Buttet nicht, wo die Grenzen seien. Mehrere Parlamentarierinnen kamen zu Wort und berichteten über «unangebrachte Gesten, die sie wirklich darüber nachdenken lassen, wohin sie gehen oder ob sie es noch wagen, mit gewissen Personen den Lift zu nehmen» (Céline Amaudruz; svp, GE), über «sexistische Sprüche» (Yvonne Feri; sp, AG) oder gar Vergewaltigungsdrohungen in Kommissionssitzungen (Maria Roth-Bernasconi; sp, GE). Viele Parlamentarierinnen erhielten Bemerkungen zu ihrer Kleidung, ihrem Make-Up, ihren Beinen, ihren Brüsten; viele wüssten nicht, wie sie reagieren sollten, würden resignieren und versuchten, damit zu leben.
Maya Graf (gp, BL) forderte als Präsidentin des Frauendachverbandes Alliance F eine Meldestelle für Parlamentsmitglieder, bei der sexuelle Belästigung gemeldet werden könne. Sexismus gehöre leider immer noch zur Tagesordnung; das sei im Parlament nicht anders. Freilich gab es auch Stimmen, die ein Sexismus-Problem im Bundeshaus als «Blödsinn» bezeichneten (Verena Herzog; svp, TG) und keinen Handlungsbedarf sahen. Um gewählte Nationalrätin zu sein, müsse man stark und durchsetzungsfähig sein und könne sich wohl zur Wehr setzen, befand Andrea Gmür (cvp, LU). Natalie Rickli (svp, ZH) warnte davor, nun gleich alle Männer im Bundeshaus unter Generalverdacht zu stellen. Auch Kathrin Bertschy (glp, BE) betonte im Tages-Anzeiger, dass sich die grosse Mehrheit der männlichen Kollegen auch bei informelleren Anlässen, in denen Alkohol fliesse, «normal und anständig» verhalten würde. Wie überall gebe es aber auch hier «ein paar Typen, die enthemmter sind und die Grenzen nicht kennen.»

Wie ambivalent die Debatte um #metoo ist und wie schwierig es eben ist, sich zu wehren, zeigten die Auseinandersetzungen um die Anschuldigungen von Céline Amaudruz zu den unangebrachten Gesten und ihren Bedenken, mit gewissen Personen den Lift zu benutzen. Nachdem der Sonntags-Blick kolportiert hatte, dass ihre Andeutung wohl Buttet gegolten haben müsse – der Walliser soll sie beim Apéro nach der Wahl von Ignazio Cassis in stark angetrunkenem Zustand belästigt haben –, wurde die Genferin laut Medien in ihrer Fraktion von Adrian Amstutz (svp, BE) heftig kritisiert. Sie schade der Partei und allen Parlamentariern, wenn sie Äusserungen mache ohne konkret zu werden und Namen zu nennen. Laut Sonntags-Blick habe die Genferin darauf unter Tränen das Fraktionszimmer verlassen. In seinem Editorial in der Weltwoche doppelte Roger Köppel (svp, ZH) nach: Das Klima im Bundeshaus sei «sexismusfeindlich», Männer stünden unter Generalverdacht. Und weiter: «Eine Politikerin, die ich noch nie ohne kurzen Rock oder hautenge Bluse gesehen habe, beschwert sich, sie würde mit gewissen Herren niemals in den Lift steigen.» Das Problem sei, so die Tribune de Genève, dass Frauen von Opfern zu Täterinnen gemacht würden – auch im Bundeshaus. Die «manipulierende Wirkung der medialen Öffentlichkeit» – so die Wochen-Zeitung – sei vor allem für Frauen verheerend, denen, wenn sie eine Anschuldigung vorbrächten, eine mediale Hetzjagd und die Ausleuchtung ihres Privatlebens drohe: «Kann eine Situation juristisch nicht eindeutig geklärt werden, bleibt die Geschichte vor allem an der Frau kleben. Sie kriegt den Schlampenstempel aufgedrückt.»

Buttet wurde kurz nach Bekanntwerden der Anschuldigungen von seinem Amt als CVP-Vizepräsident suspendiert. Einen Rücktritt als Nationalrat schloss Buttet vorerst allerdings aus, auch wenn sich gar CVP-Bundesrätin Doris Leuthard in die Debatte einbrachte. Falls die Vorwürfe korrekt seien, habe Herr Buttet ein Problem, sagte die Magistratin bei einem TV-Interview: «Alle diese Herren, die sich nicht zu benehmen wissen, nerven mich [...]. In der Politik ist das inakzeptabel», wurde das Interview bei RTS im Blick zitiert. Rund fünf Tage nach Bekanntwerden des Stalking-Vorwurfs liess sich Buttet krank schreiben. Er wolle eine Kur beginnen, um sein Alkoholproblem in den Griff zu kriegen, liess er über seinen Anwalt verkünden. Damit vermied er eine geplante Anhörung durch die Parteileitung. CVP-Präsident Gerhard Pfister (cvp, ZG) nahm in der Folge vor der Presse Stellung. Buttets Verhalten sei in der Tat inakzeptabel, aber auch für ihn gelte die Unschuldsvermutung.
Freilich wurden nicht nur die Rücktrittsforderungen, sondern auch die Forderungen nach einem Parteiausschluss lauter. Insbesondere nachdem in Le Temps sechs weitere Frauen zu Wort gekommen waren, die detailliert sexuelle Belästigungen von Buttet beschrieben, und nachdem bekannt wurde, dass die Walliser Staatsanwaltschaft ein Verfahren wegen Nötigung eingeleitet hatte. Ohne mit seiner Partei das Gespräch gesucht zu haben, zog Buttet wohl auch deshalb die Reissleine und gab am Sonntag, 18. Dezember 2017 seine Demission als Nationalrat bekannt. Er erklärte via Communiqué, im Interesse der CVP und seiner Familie zurückzutreten. Er wolle sein Umfeld schützen und die notwendige Ruhe für den Heilungsprozess von seiner Alkoholabhängigkeit schaffen. Für Buttet, der Gemeindepräsident von Collombey-Muraz (VS) blieb, rutschte Benjamin Roduit (cvp, VS) in den Nationalrat nach.

Eine rasche Reaktion auf die Debatten zeigten die beiden Ratspräsidien. Karin Keller-Sutter (fdp, SG) und Dominique de Buman (cvp, FR) fassten eine «Lex Buttet» (Blick) ins Auge. Sexuelle Belästigung müsse verurteilt werden und gegen sie sei «mit aller Entschiedenheit» vorzugehen, so die Ständeratspräsidentin und der Nationalratspräsident in einem gemeinsamen Communiqué. Mitte Dezember legte die Verwaltungsdelegation in Absprache mit den Rats- und den Fraktionspräsidien dann ein Dokument vor, in dem den Parlamentsmitgliedern geraten wurde, sich bei sexueller Belästigung künftig an die Fraktionsspitzen oder eine externe Beratungsstelle zu wenden. Das Dokument hielt zudem den Unterschied zwischen einem Flirt und sexueller Belästigung fest, wie er auch im Ratgeber für Arbeitnehmende des Bundes vermerkt ist: Ein Flirt sei «aufbauend», «von beiden Seiten erwünscht» und löse «Freude aus», während sexuelle Belästigung «erniedrigend», «von einer Person nicht erwünscht» sei und «Ärger» auslöse. Mit diesem Dokument drifte die Debatte ins Lächerliche ab, bedauerte Natalie Rickli, als «fausse bonne idée» bezeichnete Doris Fiala (fdp, ZH) das Unterfangen laut Tages-Anzeiger. Leider mache man nur noch Witze, wenn man «wie Schulbuben» behandelt werde, obwohl es bei Stalking und sexuellen Belästigungen um wichtige Themen ginge. Géraldine Savary (sp, VD) befand es hingegen für nützlich, in Erinnerung zu rufen, «was normal sein sollte, es aber offenbar nicht für alle ist». Es sei gut darüber zu reden, weil das vor allem den Frauen helfe, sich bewusst zu werden, dass man Grenzen setzen dürfe und müsse, gab sie dem Tages-Anzeiger zu Protokoll.

Einige Medien reflektierten ihre eigene Rolle in der Affäre: Buttets Karriere ende, bevor erwiesen sei, ob und was er sich zuschulden habe kommen lassen – so etwa die Basler Zeitung. Die Unschuldsvermutung habe keinen Wert mehr und in den letzten drei Wochen habe eine «veritable Hetzjagd» mit zahlreichen anonymen Beschuldigungen stattgefunden. Nur eine Frau habe aber genug Rückgrat gehabt, Buttet anzuzeigen, seine ehemalige Geliebte. Die «tolérance zéro» sei zur Norm im Parlament geworden, urteilte die Tribune de Genève und stellte einen Vergleich mit dem Rücktritt von Jonas Fricker (gp, AG), dem Wirbel um ein aussereheliches Kind von Christophe Darbellay (VS, cvp) und der Affäre um Geri Müller (gp, AG) her. Jemand mache einen Fehler, es komme zu einem Mediengewitter und zu grossem politischen Druck, dem nur noch durch einen Rücktritt begegnet werden könne. Man müsse sich fragen, ob die immer schneller agierenden Medien Meinungen abbildeten oder selber formten. Sie hätten auf jeden Fall die Macht, zu definieren, was moralisch vertretbar sei. Die Vermischung von privatem und öffentlichem Leben nehme zu. Man müsse freilich unterscheiden zwischen moralischen und strafrechtlichen Verfehlungen – so die Tribune de Genève.

Mitte August 2018 wurde bekannt, dass Buttet wegen Nötigung und unrechtmässiger Aneignung zu einer Geldstrafe auf Bewährung verurteilt worden war. Er selber bezeichnete die damals publik gewordene Verhaftung laut der NZZ als Resultat einer politischen Verschwörung. Er überlege sich, im Herbst 2019 für den Ständerat zu kandidieren.

Affäre Buttet

Im Jahr 2017 wurde die Übergabe des Programms «Jugend und Sport» vom BASPO an Swiss Olympic in die Wege geleitet. Dieser Änderung, welche die Nachwuchsförderung fortan zur Sache des Privatsports machte, stimmte der Bundesrat im November 2017 zu. Damit wurde Swiss Olympic mit der Koordination des gesamten Leistungssports aller Altersstufen betraut, wodurch eine klarere Aufgabentrennung zwischen BASPO und Swiss Olympic beabsichtigt wurde. Die Übergabe hatte keine finanziellen Konsequenzen, weil der Bund weiterhin seinen Anteil an Mitteln zur Verfügung stellen würde, bedeutete hingegen weniger Aufwand für das BASPO.
Diese Kompetenzenverlagerung ging auf den Wunsch von Swiss Olympic zurück, das sich im Zuge der Konkretisierung des Leistungssportkonzeptes des Bundes um die Übernahme der Koordination der nationalen Nachwuchsförderung bemüht hatte. Hinzu kam auch eine deutlichere Abgrenzung der J+S-Angebote, indem nur noch jene Jugendorganisationen in den Genuss von Subventionen kommen sollten, welche die Voraussetzungen des Kinder- und Jugendförderungsgesetzes erfüllten. Religiös geprägte Organisationen fielen damit aus dem Raster, womit der Bundesrat mehreren Entscheiden des Bundesverwaltungsgerichts nachkam. Die Streichung dieser Gelder löste bei den Betroffenen Unverständnis aus. Als Reaktion wurde eine Petition lanciert mit dem Ziel, den Entscheid rückgängig zu machen. Andi Bachmann-Roth, Jugendbeauftragter der Schweizerischen Evangelischen Allianz, stritt gegenüber der NZZ zwar nicht ab, dass die Verbände die Lagerteilnehmenden zur Konversion einladen würden, es sei jedoch auch ihr gutes Recht «in einem freien Land», dies zu tun. Schliesslich gehe es den Verantwortlichen um eine ganzheitliche Förderung der Jugendlichen. Auch in Politikerkreisen stiess der Beschluss auf Kritik. So kritisierte SP-Nationalrat Nussbaumer (sp, BL), der selber Mitglied einer Freikirche ist, die Streichung der Subventionen ebenfalls als unangemessen. Er zeigte sich einverstanden damit, dass der Staat fundamentalistische Organisationen nicht unterstützen könne, «einfach alle Freikirchen in einen Topf [zu] werfen», sei indes falsch. Ob er oder andere christliche Politikerinnen oder Politiker dazu einen Vorstoss einreichen wollten, wurde vorerst aber offen gelassen.

Zur Umsetzung der beabsichtigten Neuerungen waren drei Verordnungen einer Teilrevision unterzogen worden: Die Entwürfe der neuen Sportförderungsverordnung, der Verordnung des VBS über die Sportförderungsprogramme und -projekte sowie der Verordnung des BASPO über «Jugend und Sport» wurden zwischen März und Juni 2017 einer Vernehmlassung unterzogen. Dort stiessen die Reformen kaum auf Widerstand. Vor allem die betroffenen Sportverbände zeigten sich zufrieden mit den Änderungen, auch weil sich eine Unterscheidung von Spitzen- und Breitensport erübrige. Mit dem positiven Widerhall wurden die Verordnungen vom Bundesrat auf Jahresbeginn 2018 in Kraft gesetzt.

Nachwuchsförderung wird Sache des Privatsports

Im September 2017 behandelte der Nationalrat wieder das Bundesgesetz zum Um- und Ausbau der Stromnetze. Nationalrat Nussbaumer (sp, BL) erklärte für die UREK-NR, dass die Kommission in vier kleineren Differenzen auf die Linie des Ständerates eingeschwenkt sei, die beiden wichtigsten Differenzen aber aufrechterhalten wolle. Man erwarte erstens vom Ständerat, dass dieser die Auslagerung der gesetzlichen Regelung der Durchschnittspreismethode in eine zweite Vorlage als Teil der Kompromisssuche akzeptiere. Zweitens wolle es die Kommission den Endverbrauchern offenhalten, der Installation und dem Betrieb von intelligenten Steuer- und Regelsystemen zuzustimmen. Deren Betrieb sei nicht automatisch dem Netzbetreiber zu überlassen. Bundesrätin Leuthard erläuterte wie schon in den vorangegangenen Debatten in dieser Sache, weshalb dem Ansinnen des Ständerates bezüglich der Durchschnittspreismethode nicht nachzukommen sei. Sie begrüsste die Haltung der UREK-NR. Der Rat folgte seiner Kommission einstimmig.

Bundesgesetz zum Um- und Ausbau der Stromnetze

Ende Juni 2017 eröffnete der Bundesrat die Vernehmlassung zum Vorentwurf des Bundesgesetzes über die Unterstützung der nationalen Menschenrechtsinstitution. Dieses bildet die gesetzliche Grundlage zur Ablösung des als Pilotprojekt konzipierten Schweizerischen Kompetenzzentrums für Menschenrechte (SKMR) durch eine dauerhafte nationale Menschenrechtsinstitution (NMRI). Das neue Gesetz stütze sich auf die positiven Erkenntnisse aus dem Pilotprojekt und behebe gleichzeitig die festgestellten Mängel, insbesondere bezüglich der Unabhängigkeit, wie sie in den «Pariser Prinzipien» genannten UNO-Standards für nationale Menschenrechtsinstitutionen gefordert werde, erläuterte der Bundesrat in einer Medienmitteilung. Die NMRI soll zu ihrer Finanzierung – im Gegensatz zum SKMR, bei dem der Bund bisher Leistungen im Umfang von rund einer Million Franken jährlich einkaufte – vom Bund Finanzhilfe im Sinne des Subventionsgesetzes im gleichen Umfang erhalten. Sie soll so unabhängig von den Bundesbehörden selbstständig Themen in ihrem Zuständigkeitsbereich aufgreifen und bearbeiten können.
In der Presse wurden zum Teil sehr kritische Töne angeschlagen, sowohl bezüglich der Kosten als auch des Nutzens der neuen Institution. Während die NZZ einmal mehr den Verdacht äusserte, die Schaffung der NMRI diene vor allem der aussenpolitischen Imagepflege, sahen die BaZ und «Weltwoche»-Herausgeber Roger Köppel (svp, ZH) darin «ein vom Bund finanziertes Propaganda-Instrument» für linke politische Anliegen. Der Tages-Anzeiger betonte hingegen die durch die Anbindung an die Universitäten vorwiegend wissenschaftliche Ausrichtung der Institution und ordnete die Schweizer NMRI angesichts ihrer bescheidenen Kompetenzen im internationalen Vergleich als «eher zahme Wächterin über die Menschenrechte» ein. Auch unter Experten herrschte Dissens bezüglich der Notwendigkeit einer solchen Institution, berichtete der Tages-Anzeiger weiter.

Schaffung einer nationalen Menschenrechtsinstitution (NMRI)
Dossier: Nationale Menschenrechtsinstitution

Im März 2017 debattierte der Nationalrat über den Verfassungsartikel über ein Klima- und Energielenkungssystem (KELS). Nachdem die UREK-NR im Januar einstimmig Nichteintreten empfohlen hatte, deklarierten alle Fraktionen der grossen Kammer, dass sie nicht auf die Vorlage eintreten wollen. Die Parteien argumentierten dabei sehr unterschiedlich. Während die SVP ein Energielenkungssystem und die Energie- und Klimaziele insgesamt in Frage stellte, betonten FDP und CVP die Schwierigkeiten für die Wirtschaft, welche das KELS nach sich ziehen würde. Stefan Müller-Altermatt (cvp, SO) sagte für die CVP-Fraktion, das KELS sei „in der besten aller Welten das beste aller Systeme". Da wir aber nicht in der besten aller Welten leben würden, lehne die CVP die Vorlage ab. Eric Nussbaumer (sp, BL) hielt fest, dass es bereits eine Verfassungsgrundlage für Lenkungsabgaben gebe und das KELS deshalb nicht notwendig sei. Grüne und Grünliberale lehnten das KELS ebenfalls ab, betonten aber die Wichtigkeit eines Massnahmenmixes zur Erreichung der Energie- und Klimaziele. Obschon ein Nichteintreten quasi von Beginn der Debatte an feststand, dauerte die Diskussion über zwei Stunden. Dies war vor allem auf die zahlreichen Fragestellungen aus der SVP-Fraktion zurückzuführen: Insgesamt 39 Fragen stellten Mitglieder der SVP-Fraktion den Rednerinnen und Rednern der anderen Fraktionen, zumeist mit dem Ziel, deren Haltung zum ersten Massnahmenpaket der Energiestrategie 2050 in Frage zu stellen. Die meisten Wortmeldungen kamen dabei von Magdalena Martullo-Blocher, Adrian Amstutz, Albert Rösti, Walter Wobmann, Christian Imark und Toni Brunner. Das abschliessende Votum von Bundesrat Maurer für das KELS änderte nichts: Die grosse Kammer beschloss ohne Gegenantrag Nichteintreten.

Verfassungsartikel über Klima- und Stromabgaben

Die Einzigartigkeit des politischen Systems der Schweiz, das neben einem repräsentativen auch ein ausgebautes direktdemokratisches Element aufweist, bringt es mit sich, dass sich die mediale Öffentlichkeit kritisch mit letzterem bzw. dem Verhältnis der beiden Elemente zueinander auseinandersetzt. Dies war auch im Jahr 2016, also im Jahr des 125-jährigen Bestehens der Volksinitiative, nicht anders. Dabei konzentrierte sich die Kritik an der direkten Demokratie auf mindestens vier Punkte: die Umsetzung angenommener Volksbegehren, die Nutzung der Volksinitiative, die inhaltlichen Anforderungen an die Stimmbürgerschaft und das schwieriger werdende Verhältnis zwischen direktdemokratischer Entscheidung und internationaler Vernetzung.

Die Diskussion um die adäquate Umsetzung angenommener Volksbegehren wurde 2016 durch verschiedene Ereignisse genährt: Im Frühling stand die Abstimmung über die Durchsetzungsinitiative der SVP, mit der die Volkspartei die Umsetzung der 2010 angenommenen Ausschaffungsinitiative konkretisieren wollte – eine Neuheit in der Geschichte der schweizerischen direkten Demokratie – im Zentrum. In diesem Rahmen untersuchten verschiedene Medien die Umsetzung der bisher 22 angenommenen Volksbegehren und kamen zum Schluss, dass die meisten nicht buchstabengetreu umgesetzt worden seien. Der Blick kritisierte gar die SVP, da diese immer wieder behaupte, der Bundesrat habe die Ausschaffungsinitiative nicht dem Volksauftrag entsprechend umgesetzt, sich selber aber bei vielen dieser 22 angenommenen Begehren ebenfalls nicht für eine adäquate Umsetzung eingesetzt habe. Sie wolle «[d]urchsetzen, aber nur wenn es ihr passt».
Mit dem Nein zur Durchsetzungsinitiative beruhigten sich die Diskussionen um die Umsetzung von Volksinitiativen aber keineswegs, weil die 2014 angenommene Masseneinwanderungsinitiative noch immer einer Umsetzung harrte. Diese behandelte das Parlament erst im Laufe des Jahres 2016. Freilich vermochte der in der Wintersession 2016 definitiv angenommene Vorschlag in vielen Augen nur bedingt zu überzeugen und wurde insbesondere von der SVP stark kritisiert. Im September, kurz bevor der Nationalrat über die Vorlage beraten sollte, schrieb Roger Köppel (svp, ZH) in der Weltwoche von einer «krassen Missachtung des Volkswillens», einem «stillen Staatsstreich» und von «Saboteure[n] des Volkswillens». Christoph Blocher doppelte ein paar Ausgaben später nach und sprach von «Volksverächtern». Bei der Schlussabstimmung im Nationalrat hielten die Mitglieder der SVP-Fraktion Schilder in die Luft, auf denen etwa «Verfassungsbruch» stand. Die Volkspartei kündigte jedoch an, das Referendum gegen die Revision des Ausländergesetzes, in die die Initiative gegossen wurde, nicht ergreifen zu wollen. Man überlege sich vielmehr eine Kündigungsinitiative zu lancieren, um die bilateralen Verträge mit der EU, die mitursächlich für die Probleme bei der Umsetzung seien, aufzulösen.
Neben der Umsetzungsdiskussion zur Masseneinwanderungsinitiative stand zudem die Rasa-Initiative im Raum, die eine Streichung der Anliegen eben dieser Masseneinwanderungsinitiative forderte – auch dies ein Novum in der 125-jährigen Geschichte der Volksinitiative. Zur Diskussion stand Ende Oktober die Idee eines Gegenvorschlags, den laut Weltwoche eine Mehrheit des Bundesrates mit Ausnahme der beiden SVP-Magistraten dem Parlament vorlegen wollte.
Bei der Diskussion um die materielle Umsetzung angenommener Initiativen wurde auch darüber debattiert, ob über schwer oder etwa aufgrund internationaler Standards nicht umsetzbare Begehren überhaupt abgestimmt werden soll. Die Erklärung der Ungültigkeit einer Volksinitiative obliegt dem Parlament, das bisher erst in vier Fällen gegen eine Abstimmung entschieden hatte. Le Temps kritisierte, dass rund 70 Prozent der Parlamentarierinnen und Parlamentarier gegen die Durchsetzungsinitiative gewesen seien, aber nichts dafür getan hätten, sie für ungültig zu erklären. In diesem Zusammenhang wird jeweils das in der Schweiz fehlende Verfassungsgericht angeführt. Ein Vorschlag aus der Küche des ehemaligen Zürcher SP-Nationalrats Andreas Gross forderte, dass sich Bundesrichter um diese Frage kümmern sollten, sobald im Parlament ein Drittel der Ratsmitglieder Zweifel an der Gültigkeit äusserten.

Noch vor nicht allzu langer Zeit wurde in den Medien vor einer regelrechten «Initiativenflut» gewarnt. Freilich zeichnete sich 2016 ein deutlicher Rückgang der Nutzung des Volksbegehrens ab. Die im Jahr 2011 lancierten 23 Begehren (von denen 11 die Unterschriftenhürden nicht geschafft hatten) waren bald an der Urne abgearbeitet und in den Folgejahren wurden jeweils für deutlich weniger Initiativen Unterschriften gesammelt. Die NZZ interpretierte den Rückgang damit, dass die Volksbegehren für Parteien unattraktiver geworden seien; zudem kühle der oppositionelle Furor der SVP langsam ab. Die Initiative hätte an Reiz verloren, folgerte die NZZ Ende Jahr. Eine Studie der Universität Bern zeigte überdies, dass Initiativen nicht nur und vor allem nicht immer häufiger von Parteien als Wahlkampfmittel gebraucht werden. In Anbetracht der sich abzeichnenden «Initiativenflaute» stand die Mitte Jahr lancierte Forderung der BDP, dass zur Eindämmung der Flut für eine Volksinitiative 250'000 Unterschriften gesammelt werden müssten, ein wenig quer in der Landschaft.

Nicht wenige Medienschaffende kommentierten, dass die Stimmbürgerinnen und -bürger immer häufiger «über Initiativen abstimmen, die Lösungen für nichtexistente Probleme offerieren» (NZZ), und «immer seltener über die zentralen Zukunftsfragen» (Weltwoche). Mit der Brexit-Abstimmung in Grossbritannien wurden zudem die alten Bedenken der Überforderung der Stimmbevölkerung laut. In der Regel setzt sich bei dieser Diskussion in der Schweiz aber meist Pragmatismus durch. Auch Politiker würden nicht über alle Inhalte der Politik kompetent Bescheid wissen und letztlich sei es das in der Schweiz nach wie vor hohe Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Amtsträgerinnen und Amtsträger, das häufig wichtige Grundlage sei für einen Entscheid – so alternative Kommentare. Dass dieses Vertrauen nicht einfach blind sei, zeigten nicht zuletzt abgelehnte mit dem fakultativen Referendum bekämpfte Vorlagen und angenommene Initiativen, fasste etwa die Luzerner Zeitung diesen Pragmatismus in einem Kommentar zusammen.
Freilich wurde 2016 mit den Volksrechten auch Schindluder betrieben. So hatte etwa Daniel Graf, Erfinder von We-Collect, die Idee einer «Anti-Kebab-Initiative» propagiert. Was als Scherz in der Debatte um das Verhüllungsverbot gedacht war, geriet in der Türkei in den falschen Hals. In die Kritik gerieten zudem die Texte von Initiativen, die häufig unpräzise oder gar widersprüchlich formuliert seien, was zwar laut NZZ ihre Chancen für ein Ja erhöhten, die Umsetzung im Falle einer Annahme aber umso schwieriger mache.

Mit der Einreichung der so genannten «Selbstbestimmungsinitiative» der SVP wurde die Diskussion um die direkte Demokratie schliesslich um einen weiteren Aspekt angereichert, nämlich um die aufgrund von Globalisierung und Internationalisierung virulenter werdende Frage, wie das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht aussehen soll. Oder konkreter, ob eine angenommene Initiative, die internationale Verträge tangiert, diesen Verträgen vorgehen soll oder ob bei ihrer Umsetzung Rücksicht auf die internationalen Verpflichtungen genommen werden muss. Die Debatten bewegten sich zwischen dem Argument der notwendigen Vertragstreue des Kleinstaates und der Angst, die direkte Demokratie verkomme zur reinen Makulatur. Ex-Nationalrat Christoph Mörgeli argumentierte in der Weltwoche, dass das internationale Recht dafür verantwortlich sei, dass sich die Behörden bei der Umsetzung von Initiativen zusehends schwer täten, den Volkswillen zu beachten.

Ein Indiz dafür, dass trotz der medial geäusserten Kritik an der direkten Demokratie vielleicht doch nicht alles so schlecht läuft, war das in den eidgenössischen Räten virulent diskutierte Reformpaket zum Initiativrecht. Dieses drohte – einmal mehr als «Endlosschlaufe» (NZZ) – im Sand zu verlaufen, weil nicht mal die Befürworter daran glaubten, dass von den verschiedenen Reformvorschlägen am Schluss einer übrige bleiben werde, wie der Tages-Anzeiger meinte.

2016 - Kritik an der direkten Demokratie

Mitte November 2016 gab das Büro des Nationalrates einer Initiative Nussbaumer Folge, die einen Zugang zum Extranet für persönliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Ratsmitgliedern forderte. Via Extranet werden den Parlamentarierinnen und Parlamentariern auf elektronischem Weg Unterlagen zu den Kommissionsgeschäften, Mitteilungen und Informationen zum Ratsbetrieb sowie Formulare zur Verfügung gestellt. Da es sich dabei in der Regel um vertrauliche Dokumente handelt, ist der Zugriff auf das Extranet den Parlamentsmitgliedern vorbehalten. Eric Nussbaumer (sp, BL) fordert in seinem Vorstoss, dass auch für die persönlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Nationalrätinnen und Nationalräte zumindest ein beschränkter Zugriff aufs Extranet einzurichten sei. Damit werde eine effizientere Zusammenarbeit ermöglicht. Das Büro wird sich der Sache annehmen und Zugangsregeln und spezifische Einschränkungen ausarbeiten.

Zugang zum Extranet (Pa. Iv. 15.496)
Dossier: Parlamentarische Initiativen für verschiedene Änderungen des Parlamentsrechts

Viel mediale Aufregung verursachte die Reaktion von Bundesrätin Simonetta Sommaruga auf ein Votum von Neo-Nationalrat Roger Köppel (svp, ZH) im Rahmen der Debatte um das Freizügigkeitsabkommen mit Kroatien. Der Zürcher SVP-Nationalrat warf der Magistratin unter anderem vor, sich mit „einer frivolen Leichtfertigkeit [...] über Verfassungsbestimmungen hinweg[zu]setzen“ und „lieber von Plangenehmigungsverfahren statt von Enteignungen [zu reden], wenn Sie den Leuten die Häuser und Wohnungen wegnehmen wollen". Sommaruga erhob sich während Köppels Rede und begab sich aus dem Ratssaal. Wenige Momente später folgte ihr die SP-Fraktion und einige weitere Ratsmitglieder. Die Reaktionen auf diesen "Eklat" (BaZ) waren gemischt. Während die Einen Köppel Respektlosigkeit und mangelnden Anstand vorwarfen, befanden die Anderen die Reaktion der Justizministerin als dünnhäutig: Der Provokation werde so eine noch grössere Bühne geboten. Bei der Fortsetzung der Session am Nachmittag fragte Köppel bei der Bundesrätin nach, weshalb sie den Saal verlassen habe, worauf diese erwiderte, dass sie gerne Fragen zu Kroatien beantworte. In einem BaZ-Interview kritisierte der Zürcher Nationalrat das Verhalten als "Affront gegenüber dem Gesetzgeber". Die Justizministerin war freilich seit einiger Zeit Zielscheibe der Weltwoche, bei der Köppel als Chefredaktor und Verleger fungiert.
Die Kommentarspalten in der Presse füllten sich in der Folge noch einmal, als Christa Markwalder (fdp, BE), die als Nationalratspräsidentin die Rede von Köppel hätte mahnen oder gar unterbinden können, zu Protokoll gab, die Causa Sommaruga vs. Köppel beruhe auf einem Missverständnis. Simonetta Sommaruga habe lediglich die Toilette aufgesucht. In das beharrliche Schweigen der Berner Magistratin zum Thema investierten zumindest die Boulevard- und Sonntagsmedien noch einmal einige Druckerschwärze.

Sommaruga vs. Köppel

Le 4 mars 2016 le Conseil fédéral soumet au Parlement le protocole relatif à l'extension de l'accord sur la libre circulation des personnes (ALCP) à la Croatie.
Si, depuis la date du 1er juillet 2013, la Croatie est officiellement membre de l'UE, l'extension de l'ALCP à cet Etat des Balkans ne peut s'effectuer de manière automatique et nécessite la conclusion d'un protocole supplémentaire (protocole III à l'ALCP). Les négociations visant à définir les conditions de participation de la Croatie au régime de l'ALCP débutent dès le mois d'avril 2013. A la suite du "oui" à l'initiative contre l'immigration de masse, le Conseil fédéral interrompt cependant le processus de ratification du protocole III, ce dernier étant jugé contraire au texte accepté par le peuple suisse en date du 9 février 2014. Les représailles de l'UE ne se font guère attendre, et la Suisse se voit privée de sa participation au programme-cadre de recherche Horizon 2020, au programme de mobilité étudiante Erasmus+, ainsi qu'au programme de soutien au cinéma MEDIA. En avril 2014, le Conseil fédéral consent néanmoins au débloquement du crédit-cadre de 45 millions de francs en faveur de la Croatie, donnant à ses partenaires européens un signal positif en faveur de la libre circulation. Au printemps 2016, le dossier croate offre la possibilité à la Suisse de faire un pas de plus vers Bruxelles. Telle est du moins la volonté du Conseil fédéral, dont les discussions avec l'Union européenne pour une application de l'initiative du 9 février compatible avec la libre circulation des personnes sont gelées jusqu'au référendum britannique du 23 juin 2016. Rappelons également que la signature du protocole III pour l'extension de l'ALCP à la Croatie est conditionnellement liée à la participation de la Suisse à Horizon 2020. En effet, en l'absence de ratification du protocole en question, la Suisse, une fois passé le délai de février 2017, sera considérée comme un Etat tiers pour la mise en oeuvre du programme-cadre, dont la portée est jugée primordiale dans les domaines de la recherche et de l'économie.

Le Conseil national est le premier à se prononcer sur le sujet le 26 avril 2016. Les critiques émanent tout particulièrement des rangs de l'Union démocratique du centre (UDC), qui dénonce l'incompatibilité du protocole avec l'article 121a de la Constitution. Selon des propos traduits de l'allemand au français par la Tribune de Genève, le conseiller national Roger Köppel (udc, ZH) prend à partie la ministre en charge du DFJP, qui finit par quitter la salle du Conseil national. "Je m’étonne, je m’interroge, je m’émerveille de la frivolité avec laquelle vous faites fi de la Constitution", s'exclame le rédacteur en chef de la Weltwoche. S'il est vrai qu'à la suite de la votation du 9 février 2014, le Conseil fédéral avait dans un premier temps exclu l'extension de l'ALCP à la Croatie, Simonetta Sommaruga plaide désormais en faveur d'une "adaptation aux circonstances". Selon une majorité de la chambre du peuple, le rejet de l'extension de la libre circulation à la Croatie ne peut se justifier, d'autant plus si ce refus s'effectue au détriment de la voie bilatérale et de la participation de la Suisse à Horizon 2020. Le Conseil national se prononce donc en faveur du projet du Conseil fédéral (122 voix pour, 64 contre et 1 abstention). Du côté des titres de presse, si certains dénoncent un "zigzag politico-juridique", l'analyse semble quasi unanime: "la Suisse lâche du lest pour amadouer son partenaire" européen.
Le projet passe au Conseil des Etats qui, au début du mois de juin 2016, opte pour l'ajout d'une condition au projet initial, précisant que le Conseil fédéral n'est autorisé à ratifier l'extension de l'ALCP à la Croatie qu'après s'être accordé avec l'Union européenne sur une réglementation de la gestion de l'immigration compatible avec la Constitution fédérale. La chambre des cantons se conforme ainsi à l'avis de la CPE-CE (33 voix pour la modification, 10 en faveur de la décision du Conseil national et 0 abstention). Selon Christian Levrat (ps, FR), la précision votée par une majorité des sénatrices et sénateurs est essentielle: "le Parlement ne peut pas, en toute connaissance de cause, autoriser le Conseil fédéral à violer la Constitution."
Au début du mois de juin 2016, la chambre basse s'oppose, par 116 voix contre 68, à la modification du Conseil des Etats. La majorité du Conseil national rappelle l'importance de la ratification du protocole III pour l'avenir de la recherche suisse et qualifie l'adjonction demandée par le Conseil des Etats d'"obstacle inutile". Invoquant le respect inconditionnel de la constitution, l'UDC est le seul parti a se montrer favorable à la version de la chambre haute.
Le 16 juin 2016, les deux chambres du Parlement se résolvent finalement au pragmatisme et acceptent tour à tour la proposition énoncée par la conférence de conciliation. Le projet du gouvernement helvétique est modifié comme suit: le Conseil fédéral est autorisé à ratifier le protocole si une réglementation sur la gestion de l'immigration compatible avec l'ordre juridique suisse (et non plus avec la Constitution, comme demandé par le Conseil des Etats dans un premier temps) est établie avec l'Union européenne.

En décembre 2016, le Conseil fédéral opte en définitive pour la ratification du protocole III relatif à l'extension de la libre circulation des personnes à la Croatie. L'exécutif national considère en effet que la condition de compatibilité exigée par les chambres fédérales est remplie, le Parlement ayant accepté la loi d'application de l'art. 121 Cst. le 16 décembre 2016.

Accord sur la libre circulation. Extension à la Croatie

In der Frühlingssession 2016 nahm der Nationalrat die Differenzbereinigung zur Energiestrategie 2050 auf. In der ersten Differenz, der Höhe des Richtwertes für den Zubau an erneuerbaren Energien, beantragte die Kommissionsmehrheit das Festhalten an den 14 500 Gigawattstunden, während eine Minderheit Schilliger (fdp, LU) das vom Ständerat gesetzte Ziel von 11 400 Gigawattstunden übernehmen wollte. Mit dem knappen Resultat von 98 zu 95 Stimmen (keine Enthaltungen) blieb die grosse Kammer bei ihrem Richtwert und liess die Differenz bestehen. In der Frage der Abwägung von nationalen Interessen wollte die Mehrheit der UREK-NR auf die bundesrätliche Fassung zurückgreifen, welche dem Bau oder Ausbau einer Anlage zur Gewinnung von erneuerbarer Energie ein nationales Interesse zuschreibt und dieses als grundsätzlich gleichwertig zu anderen nationalen Interessen sieht. Eine Minderheit I Wasserfallen (fdp, BE) wollte an der nationalrätlichen Version festhalten, welche das Wort "grundsätzlich" und auch den ständerätlichen Zusatz, das Bauvorhaben dürfe ein Objekt nicht im Kern seines Schutzwertes verletzen, nicht enthält. Eine Minderheit II Grunder (bdp, BE) schliesslich wollte den Absatz 3 des Artikels 14 ohne das Wort "grundsätzlich", aber mit der ständerätlichen Formulierung zum "Kern des Schutzwertes". Nachdem die Minderheit II der Minderheit I deutlich unterlag, obsiegte mit der Minderheit I die Ratsrechte mit 101 zu 93 Stimmen (keine Enthaltungen) zugunsten einer Formulierung, die namentlich auch Pumpspeicherkraftwerken das gleiche nationale Interesse bescheinigt, wie beispielsweise dem Landschaftsschutz. In den Differenzen bezüglich der Abnahme- und Vergütungspflicht bei der Einspeisung netzgebundener Energie schlug die Kommissionsmehrheit nur minime Änderungen in den Formulierungen vor, stimmte aber inhaltlich grösstenteils dem Ständerat zu. Eine Minderheit Schilliger (fdp, LU) wollte die bundesrätliche Fassung der ständerätlichen vorziehen, unterlag der Mehrheit aber mit 95 zu 98 Stimmen bei einer Enthaltung. Eine Minderheit Semadeni (sp, GR) verlangte erfolgreich, die Untergrenze von 1 Megawatt Leistung für Wasserkraftanlagen zur Beteiligung am Einspeisevergütungssystem wieder aufzunehmen, die in der ersten Lesung vom Nationalrat eingeführt, vom Ständerat aber gestrichen worden war. In den übrigen Differenzen bezüglich Einspeisevergütungssystem stimmte die Minderheit Semadeni aber dem Ständerat zu. Bei Artikel 21 zur Direktvermarktung der Energie schuf der Nationalrat weitere Differenzen zum Ständerat, indem er Detailregelungen vornahm, die es erlauben, kleinere Produzenten von der Pflicht zur Direktvermarktung zu befreien. Der Nationalrat hielt ausserdem an der Streichung der Regelungen von Auktionen und Auktionsverfahren (Artikel 25-27) fest. Da der Ständerat in diesen Punkten dem Bundesrat zugestimmt hatte, blieb eine Differenz bestehen. Die vom Ständerat aufgenommene Finanzhilfe für die Grosswasserkraft wurde im Nationalrat kontrovers diskutiert. Die Kommissionsmehrheit wollte die Marktprämie für Grosswasserkraftanlagen übernehmen, änderte aber einige Formulierungen und strich die Absätze zu den Detailregelungen. Eine Minderheit Wasserfallen (fdp, BE) wollte hingegen das ganze Konzept streichen. Schliesslich zog der Rat einen Einzelantrag Grüter (svp, LU), welcher dem Mehrheitsvorschlag entsprach, aber zudem eine Zweckbindung der Marktprämie zur Sicherung des langfristigen Weiterbetriebs enthielt, dem Mehrheitsvorschlag vor. Für das Streichen der Marktprämie trat nur eine Minderheit der grossen Kammer ein: Mit 112 zu 77 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) stimmte der Rat der Finanzhilfe für Grosswasserkraftanlagen zu. Er tat dies zwar in Abweichung vom Ständerat, baute mit der gewählten Formulierung aber eine Brücke zur kleinen Kammer. Artikel 39 zum Netzzuschlagsfonds - vom Ständerat gestrichen - bestätigte der Nationalrat gemäss Bundesrat. Beim "Sunset-Klausel" genannten Artikel 39a betreffend dem Auslaufen der Unterstützungsbeiträge setzte sich die Kommissionsmehrheit gegen zwei Minderheiten durch: Der Rat stimmte der Fassung des Ständerates zu und verwarf sowohl den Vorschlag der Minderheit I Wasserfallen (fdp, BE), welche das Auslaufen der Unterstützungsbeiträge auf 2025 statt auf 2031 festlegen wollte, als auch jenen der Minderheit II Nussbaumer (sp, BL), welche ein vorzeitiges Auslaufen der Unterstützungsbeiträge bei Erreichen des Richtwertes im Zubau erneuerbarer Energien vorsah. Mit der Annahme eines Einzelantrags Knecht (svp, AG) schuf der Nationalrat eine neue Differenz: Forschungsanlagen im internationalen Wettbewerb sollen vom Netzzuschlag ausgenommen sein. Als Erstrat hatte der Nationalrat Regelungen für Grossfeuerungen und Heizungen aufgenommen, die vom Ständerat aber gestrichen wurden. Der Nationalrat hielt in der Differenzbereinigung jedoch daran fest, wenn auch in allgemeiner gehaltenen Formulierungen und gegen eine Minderheit Knecht (svp, AG), die dem Ständerat zustimmen wollte. Bei der Differenz bezüglich der rationellen Energienutzung im Gebäudebereich übernahm der Nationalrat im Wesentlichen die ständerätliche Fassung. Eine Minderheit Jans (sp, BS) wollte die Zielvorgaben bezüglich Energieeffizienz für die Elektrizitätslieferanten beibehalten, der Rat folgte aber seiner Kommission und stimmte dem Ständerat zu, welcher die Artikel 48 bis 50 gestrichen hatte. Einige Differenzen schuf der Nationalrat bei den Gesetzesartikeln zum Monitoring von Energiespar- und Effizienzmassnahmen, dies vor allem bezüglich Personendaten und Vollzugsstelle. Die Differenz bezüglich der Koppelung von Energiestrategie und Atomausstiegsinitiative blieb bestehen, der Nationalrat hielt an seiner Streichung des entsprechenden Artikels fest, obschon der Ständerat in dieser Sache dem Bundesrat gefolgt war. Auch bezüglich der Steuerabzüge für Gebäudesanierungen und Ersatzneubauten blieb der Nationalrat auf seiner Linie und prononcierte diese gar, indem etwa Bedingungen für den Abzug gestrichen wurden. Eine Minderheit Badran (sp, ZH), die den gesamten Steuerabzug-Artikel gemäss dem Ständerat streichen wollte, unterlag in der Abstimmung mit 68 zu 123 Stimmen bei 3 Enthaltungen. Eine Differenz beilegen konnte der Nationalrat mit der Streichung der Langzeitbetriebskonzepte für Atomkraftwerke. Eine Minderheit I Bäumle (glp, ZH), welche dieses Konzept beibehalten wollte, fand Zustimmung bei Grünen, SP, GLP und Teilen von CVP und BDP, unterlag aber mit 77 gegen 118 Stimmen (keine Enthaltungen). Eine Minderheit II Jans (sp, BS) wollte eine Laufzeitbeschränkung auf 50 Jahre ins Kernenergiegesetz aufnehmen, fand aber über die Grünen, SP und GLP hinaus kaum Unterstützung und wurde mit 64 zu 131 Stimmen abgelehnt. Eine Differenz blieb im Stromversorgungsgesetz erhalten, wo sich eine Minderheit Grunder (bdp, BE) durchsetzte und die allgemeiner gehaltene Formulierung des Bundesrates jener des Ständerates vorzog. In allen übrigen Differenzen übernahm der Nationalrat die ständerätliche Fassung.

Stratégie énergétique 2050
Dossier: Ausbau und Erhalt von erneuerbaren Energien versus Umweltschutz

Die Bestimmung der Kommissionszusammensetzung nach eidgenössischen Wahlen ist ein für die Politikgestaltung in der Legislatur ziemlich entscheidendes, aber in den Medien selten ausführlich beleuchtetes Ereignis. Die je elf Kommissionen in beiden Kammern werden mit je 13 (Ständerat) bzw. je 25 (Nationalrat) Parlamentarierinnen und Parlamentariern besetzt. Wie viele Sitze die Parteien in diesen Kommissionen erhalten, ist erstens abhängig von den Mandaten. Bei der Verteilung der total 143 Mandate im Ständerat und der 275 Mandate im Nationalrat kommt es zweitens allerdings zu Restmandaten, die vom Büro-NR bzw. dem Büro-SR verteilt werden. Wie diese Verteilung aussieht, kann für die Politik der Kommissionen entscheidend sein. Dies war für die 50. Legislaturperiode insbesondere auch deshalb der Fall, weil die SVP und die FDP aufgrund ihrer Wahlgewinne in mehreren Kommissionen zusammen die Mehrheit haben werden. Ein provisorischer Verteilschlüssel wurde Mitte November vorgelegt. Welche Parlamentarierinnen und Parlamentarier Einsitz in welchen Kommissionen nehmen, bestimmen dann die Fraktionen selber. Die Kommissionspräsidien werden alle zwei Jahre neu besetzt. Die Wahl aller Präsidien und aller Kommissionsmitglieder fand dann am 10. Dezember statt.
In der Tat waren die SVP und die FDP in sechs (WAK-NR, SPK-NR, KVF-NR, SiK-NR, RK-NR, FK-NR) der elf Nationalratskommissionen in der Mehrheit und konnten so politischen Geschäften von Beginn weg ihren Stempel aufdrücken. Insbesondere die WAK, in der als Schnittstelle Geschäfte aus allen Bereichen behandelt werden, wird als wichtig erachtet.
Die SVP wird für die nächsten beiden Jahre die KVF-NR, die SPK-NR, die GPK-NR, die APK-NR und die WBK-NR präsidieren. Die SiK-NR und die SGK-NR werden von der FDP und die Urek-NR von der CVP geleitet. Die SP wird der WAK-NR, der FK-NR und der RK-NR vorstehen. Dies war für Susanne Leutenegger Oberholzer (BL) wichtig, da sie mit dem zu erwartenden Präsidiumssitz in der WAK auch ihren persönlichen Wahlkampf befeuert hatte.
Die Zuteilung der einzelnen Parlamentarierinnen und Parlamentarier zu den Kommissionen sei eine der undankbarsten Aufgaben eines Fraktionschefs, zitierte die BaZ SP-Sprecher Michael Sorg. Normalerweise müssen neu gewählte Parlamentsmitglieder warten, bis sie in ihre Wunsch-Kommission einsitzen können. Dies war nicht der Fall für Roger Köppel (svp, ZH), der in die APK gewählt wurde, und auch nicht für Magdalena Martullo-Blocher (svp, GR), die auf Anhieb in der prestigeträchtigen WAK sitzen wird. Auch Neo-Nationalrat Tim Guldimann (sp, ZH) durfte in seiner Wunschkommission, der APK, Einsitz nehmen.

Kommissionszusammensetzung

Die Forderung der SVP, nach einem zweiten Regierungssitz, gehörte seit der Nichtbestätigung von Christoph Blocher (svp, ZH) nach den Wahlen 2007 zum Standardrepertoire der Volkspartei. Bei den Bundesratswahlen 2011 hatte sich die SVP mit ihrem nicht sehr professionellen Nominierungsverfahren praktisch selber aus dem Rennen genommen. Die Vehemenz der Forderung, nach einer adäquaten Regierungsbeteiligung, nahm 2015 gar noch zu und die Attacken der Volkspartei, vor allem auf den BDP-Bundesratssitz, wurden lauter. Die zahlreichen Kandidierenden, die vor den Parlamentswahlen als mögliche Herausforderer angepriesen wurden, dienten dabei einerseits als Nebelpetarden. Weil diese Ankündigungen und sofortigen Dementis, etwa von Toni Brunner (svp, SG) oder Adrian Amstutz (svp, BE), von den Medien bereitwillig aufgenommen und diskutiert wurden, schadete dies anderseits dem Wahlkampf der SVP in keinster Weise. Auch die anderen Parteien profitierten freilich von der medial breitgeschlagenen Diskussion um mögliche Szenarien für die nach den Gesamterneuerungswahlen anstehenden Bundesratswahlen. Die Bürgerlichen bestätigten zwar den prinzipiellen Anspruch der SVP auf einen zweiten Regierungssitz, Regierungsmitglieder, die ihre Sache gut machten, wolle man aber nicht abwählen. SP und GP betonten mit ebendiesem Argument, dass sie Eveline Widmer-Schlumpf (bdp) auf jeden Fall bestätigen wollten.
Die Ausgangslage änderte sich freilich nach der Demissionsankündigung der BDP-Bundesrätin. Die Linke pochte zwar auf einen neuen Mitte-Kandidaten, falls die SVP Kandidierende nominiere, die gegen die Bilateralen seien, und die Grünen sahen ebenfalls weit und breit keinen wählbaren SVP-Kandidierenden. Die restlichen Parteien signalisierten aber rasch, dass sie den Anspruch der SVP auf einen zweiten Bundesratssitz guthiessen und für Spielchen nicht zu haben seien. Dazu gehörte auch die Bestätigung, Bisherige nicht abwählen zu wollen. In der Tat wurde die Möglichkeit diskutiert, einen FDP-Bundesrat abzuwählen und mit einem Kandidierenden der Mitteparteien zu ersetzen, um eine rechtslastige Regierung mit 2 FDP und 2 SVP Magistraten zu verhindern. Die Chance für ein solches Szenario, war allerdings mehr als gering, würden doch dafür weder die FDP noch die SVP Hand bieten.
Rasch zeigte sich zudem, dass die Volkspartei das Nominierungsverfahren dieses Mal mit grösserer Sorgfalt angegangen war als vier Jahre zuvor. Aus den elf ursprünglichen Bewerbungen präsentierte die SVP nach ihrer Fraktionssitzung am 20. November drei Kandidierende aus den drei hauptsächlichen Sprachregionen: Thomas Aeschi (svp, ZG), Guy Parmelin (svp, VD) und Norman Gobbi (TI, lega). Der Tessiner Lega-Regierungsrat stellte sich unter das Banner der SVP, wollte aber auf kantonaler Ebene Legist bleiben. SVP-Fraktionspräsident Adrian Amstutz (svp, BE) wies darauf hin, dass Gobbi Mitglied der SVP Schweiz sei und das Gedankengut der SVP vertrete. Man kooperiere mit der Lega auf nationaler Ebene schon lange. Die Lega gehöre im Parlament schliesslich auch zur SVP-Fraktion. Gobbi sei von der Fraktion praktisch einstimmig nominiert worden (mit 72 von 74 Stimmen). Parmelin (svp, VD) siegte mit 48 zu 29 Stimmen über Oskar Freysinger (VS, svp) und Aeschi setzte sich im fünften Wahlgang mit 44 zu 37 Stimmen gegen Heinz Brand (svp, GR) durch. Ohne Chancen, oder gar nicht ins engere Auswahlverfahren aufgenommen, waren die Kandidaturen von Hannes Germann (svp, SH), Thomas Hurter (svp, SH), Res Schmid (NW, svp), Thomas de Courten (svp, BL), Albert Rösti (svp, BE) und David Weiss (BL, svp).
Die Dreier-Auswahl überraschte, waren doch im Vorfeld andere Favoriten gehandelt worden, die im Parlament eine breitere Unterstützung erhalten hätten. Die SVP machte aber von Anfang an klar, dass sie ihre – nach der Nicht-Bestätigung Blochers – in den Parteistatuten verankerte Regel, strikte anwenden werde. In diesem Sinne würden nicht nominierte, aber gewählte Kandidaten, die ihre Wahl dennoch annähmen, aus der Partei ausgeschlossen. Die Chancen für Hannes Germann (svp, SH), der laut der NZZ mehr Freunde im Parlament als in seiner Partei habe und der erste Bundesrat aus dem Kanton Schaffhausen gewesen wäre, oder für Heinz Brand (svp, GR), der lange als Kronfavorit aus der vernachlässigten Ostschweiz gegolten hatte, lagen damit praktisch bei Null. Es wurden zwar Szenarien für einen Sprengkandidaten aus der Reihe der SVP diskutiert und linke Stimmen kritisierten die Ausschlussregel als Erpressungsversuch, dem man sich nicht beugen werde. Mögliche Sprengkandidaten gaben allerdings rasch bekannt, eine allfällige Wahl nicht annehmen zu wollen.
Die SVP wurde nicht müde zu betonen, dass man mit dem sprachregional ausgewogenen Dreierticket eine echte Auswahl anbiete. Man sei der Forderung der SP und der CVP nachgekommen, einen Kandidierenden aus der Westschweiz aufzustellen und wolle als grösste Partei auch in der Regierung zwei Landesteile repräsentieren. Die Auswahl sorgte allerdings auch für Misstöne. Mit der Nominierung von Norman Gobbi (TI, lega) und Guy Parmelin (svp, VD) – der eine laut Presse bekannt für seine verbalen Entgleisungen, der andere ein politisches Leichtgewicht – wolle die SVP dem Parlament den Deutschschweizer Kandidaten Thomas Aeschi (svp, ZG) aufzwingen. Die Romandie wäre mit drei Sitzen deutlich übervertreten und Gobbi sei Vertreter der Lega. Dies sei keine echte Auswahl und der schweizerischen Konkordanz unwürdig – liess sich etwa Eric Nussbaumer (sp, BL) zitieren. Auch die NZZ kommentierte die Dreier-Nomination als Auswahl, die keine sei. In den Medien galt vorab der Zuger Thomas Aeschi als Kronfavorit. Er vertrete den neuen Stil der SVP, sei jung und ein Vertreter Blocher'scher Prägung – so etwa der TA. Die SVP wurde freilich nicht müde zu betonen, dass sie gerne Regierungsmitglieder aus unterschiedlichen Sprachregionen hätte.
Die Stimmen – auch aus der SVP – , die gerne eine breitere Auswahl aus der Deutschschweiz gehabt hätten, verstummten allerdings nicht. Es gebe durchaus Spielraum für einen (SVP-internen) Sprengkandidaten, zitierte das SGT Vertreter von SP und CVP. Immerhin war in den letzten 100 Jahren jeder fünfte gewählte Bundesrat wild, also nicht von der eigenen Partei nominiert worden. Freilich hatte die Volkspartei alle ursprünglich elf SVP-Kandidaten dazu bewegt, schriftlich zu bestätigen, eine Wahl als Sprengkandidat nicht anzunehmen.

Gesamterneuerungswahlen des Bundesrats 2015 – Nachfolge Eveline Widmer-Schlumpf
Dossier: Bundesratswahlen seit 2008

Die personelle Zusammensetzung des Regierungsgremiums war schon lange Zeit nicht mehr so konstant gewesen wie beim Bundesrat der Ausgabe 2011 bis 2015. Tatsächlich hatte die letzte Mutation Ende 2011 stattgefunden, als Micheline Calmy-Rey (sp) ihren Sitz für Alain Berset (sp) geräumt hatte. Ähnlich lange Phasen unveränderter Zusammensetzung gab es in der Geschichte der Landesregierung nur sehr selten. Im Schnitt kam es in den letzten rund 50 Jahren alle eineinhalb Jahre zu personellen Veränderungen. Einiges sprach dafür, dass die Regierung auch nach den Gesamterneuerungswahlen von 2015 nicht verändert werden würde. Zwar wurde vor allem seitens der SVP immer wieder der Rücktritt von Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf (bdp) gefordert, weder die BDP-Bundesrätin noch ein anderes Regierungsmitglied äusserte aber vor den Parlamentswahlen Rücktrittsgedanken.
Erst zehn Tage nach den eidgenössischen Wahlen, die ein Erstarken von SVP und FDP und deutliche Verluste für BDP, CVP und GLP brachten, reichte die Bündner Magistratin ihre Demission ein. Das Wahlresultat sei zwar ein Faktor für ihren Rücktritt, aber nicht der entscheidende. Sie sei auch nicht amtsmüde, wolle aber zugunsten ihrer Familie kürzer treten, die wesentlich mehr unter den dauernden Attacken auf ihre Person gelitten hätte als sie selber. Sie sei ob des Entscheides nicht erleichtert, aber trotzdem davon überzeugt, mit ihrem Entschluss, welcher bei den Gesamterneuerungswahlen gereift war, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Auch für die Entwicklung der BDP, die in den Medien stets sehr stark mit ihrem Namen in Verbindung gebracht werde, sei es besser, wenn sie zurücktrete.
In den acht Jahren ihrer Amtszeit, die mit der Nicht-Bestätigung von Christoph Blocher begonnen hatte, stand Eveline Widmer-Schlumpf zuerst drei Jahre dem EJPD und dann dem EFD vor. Die Regierungszeit der BDP-Bundesrätin war geprägt durch stetige und harte Attacken seitens der SVP, der sie ursprünglich als Regierungsrätin von Graubünden vor der Abspaltung der BDP selber angehört hatte. In der Bevölkerung war die Magistratin allerdings beliebt, wurde sie doch im Januar 2009 zur Schweizerin des Jahres 2008 gekürt. Damit sei ihre Standhaftigkeit gegenüber der Hetzkampagne der SVP belohnt worden. Die Volkspartei hatte sie aufgefordert, sofort zurückzutreten oder die SVP Graubünden werde aus der Partei ausgeschlossen. Auch die deutliche Bestätigung bei den Bundesratswahlen nach den Parlamentswahlen 2011 zeigte den Rückhalt, den die Bündnerin auch in grossen Teilen des Parlaments hatte. In den Medien wurde Widmer-Schlumpf als sehr dossiersicher, tüchtig und fachkompetent beschrieben. Der Umstand, dass sie nie über eine Hausmacht im Parlament verfügt habe und sich trotzdem acht Jahre habe halten können, zeige ihre Standhaftigkeit. Die Rückzugsgefechte beim Bankgeheimnis und die Steuerkonflikte mit den USA bleiben mit ihrem Namen behaftet. Die NZZ urteilte, dass Widmer-Schlumpf als Finanzministerin mehr verändert habe, als viele ihrer Vorgänger zusammen. Laut der BZ werde sie als Frau in die Geschichte eingehen, die das Bankgeheimnis beerdigte. Zudem weise ihre Bilanz auch Makel auf. Vor allem die Reorganisation des Bundesamtes für Migration während den ersten Jahren im Justizdepartement sei auf viel Misskredit gestossen. Im TA wurde die Bundesrätin gelobt, weil sie ohne Ideologie getan habe, was nötig gewesen sei. Der Abgang erfolge zudem mit Würde; sie leiste damit der Schweiz einen Dienst und vermeide schmutzige Spielchen bei den anstehenden Bestätigungswahlen. Auch Le Temps lobte Eveline Widmer-Schlumpf als Frau mit Nerven aus Stahl, die mit ihrer Dossiersicherheit unaufgeregt getan habe, was getan werden musste. Weil ihre Basis immer mehr schwächelte – hingewiesen wurde etwa auch auf die geplatzte Zusammenarbeit zwischen CVP und BDP – und die Bündnerin auf wechselnde Koalitionen angewiesen gewesen sei, sei der Rücktritt aber letztlich gar nicht zu verhindern gewesen.
Bei der Verabschiedung der Magistratin im Rahmen der Bundesratswahlen Anfang Dezember würdigte Nationalratspräsidentin Christa Markwalder (fdp, BE) den feinen Humor von Eveline Widmer-Schlumpf und sprach ihr eine Schlüsselrolle bei der Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise zu. Dass die Finanzen im Lot geblieben seien, sei auch ihr Verdienst. Der langanhaltende Applaus und die stehende Ovation wurde auch von den SVP-Ratsmitgliedern gespendet. Für Unmut sorgte allerdings Neo-Nationalrat Roger Köppel (svp, ZH), der während der Würdigung an seinem Notebook arbeitete. In ihrer Abschiedsrede hob die scheidende Magistratin den Mahnfinger und wies darauf hin, dass der Weg der Schweiz darin bestehe, Minderheiten zu respektieren und Kompromisse zu suchen.

Gesamterneuerungswahlen des Bundesrats 2015 – Nachfolge Eveline Widmer-Schlumpf
Dossier: Bundesratswahlen seit 2008

Im Kanton Zürich kandidierten für die Nationalratswahlen 2015 insgesamt 873 Personen auf 35 Listen, was einen neuen Rekord hinsichtlich Listen, aber nicht hinsichtlich Bewerberinnen und Bewerbern bedeutete – 2003 hatten sich gar 964 Personen für einen Nationalratssitz beworben. Vor 12 Jahren wurde im Kanton auch der bisher höchste Frauenanteil unter den Kandidierenden gemessen (38.4%). Bei den eidgenössischen Wahlen 2015 betrug dieser Anteil im Kanton Zürich noch 34.8%. Der Altersschnitt aller Kandidierenden lag bei 41.6 Jahren. Die hohe Zahl an unterschiedlichen Listen war auch dem zu erwartenden stärkeren Wettbewerb geschuldet, war dem Kanton Zürich doch aufgrund des Bevölkerungswachstums ein zusätzlicher Nationalratssitz (neu: 35 Sitze) zugesprochen worden.
Die Linke verband ihre sieben Listen – neben der SP, der Juso, der GP und den jungen Grünen schlossen sich die Alternative Linke (Alternative Liste inkl. PdA und kommunistische Jugend), die Zentrumspartei und die von Kunstschaffenden für die Wahlen geschaffene Liste Kunst und Politik zusammen. Damit war es – anders als 2011 – wieder zu einem grossen linken Zusammenschluss gekommen. Rechts verband sich die SVP zusammen mit ihrer Jungpartei mit den vier Listen der EDU und mit der Autofahrerliste. Kein Platz wurde den SD gewährt. Auch die Mitte verband sich. Zu reden gab dabei, dass sich die GLP nicht nur mit CVP, BDP und EVP verband, sondern dass sich in dem Zusammenschluss neben den Piraten und der Tierpartei auch die Bewegung Ecopop befand, die noch im November 2014 mit der gleichnamigen Initiative eine extreme Zuwanderungsbeschränkung gefordert hatte. Keine Verbindungen ging die FDP ein.
Mit Max Binder (svp, ZH), Toni Bortoluzzi (svp, ZH) und Andreas Gross (sp, ZH) traten drei langjährige Zürcher Volksvertreter nicht mehr an. Die drei hatten seit 1991 im Nationalrat gesessen. Ebenfalls vakant wurde der Sitz von Jacqueline Fehr (sp, ZH), die im Frühjahr in die Zürcher Regierung gewählt worden war. Die Grünen mussten den Sitz des zurückgetretenen Daniel Vischer (gp, ZH) verteidigen. Aufgrund der kantonalen Wahlen versprachen sich die FDP, aber auch die SP, Chancen auf einen Sitzgewinn. Die SVP wollte unbedingt ihren vor vier Jahren verlorenen zwölften Sitz zurückerobern. Aber auch die EDU und die Alternative Liste hofften auf einen Überraschungserfolg.

Anders als in den meisten Kantonen konnte sich im Kanton Zürich die SP als Siegerin feiern lassen. Die Zürcher Genossen schafften mit Daniel Jositsch (sp, ZH) nicht nur erstmals seit 1983 wieder den Sprung in den Ständerat – und zwar überraschenderweise gleich im ersten Wahlgang – sondern sie konnten auch zwei zusätzliche Nationalratssitze gewinnen. Die neu neun Sitze wurden möglich, weil ein Wählerzuwachs von 1.6 Prozentpunkten (neu: 20.9%) verzeichnet werden konnte. Ein SP-Mandat wird von alt-Botschafter Tim Guldimann übernommen, der als Auslandschweizer am vierthäufigsten auf die SP-Liste gesetzt worden war. Allerdings ging einer der neuen SP-Sitze wohl auf Kosten der Zürcher Grünen, die nur noch zwei Vertreter nach Bern schicken und 2.1 Prozentpunkte an Wählerstärke einbüssten (6.3%). Über den stärksten Wählerzuwachs im Vergleich zu 2011 konnte sich die FDP freuen. Der Sprung von 11.6% auf 15% bedeutete auch den Gewinn eines zusätzlichen Sitzes (neu: 5 Sitze). Der SVP gelang die Rückeroberung ihres zwölften Sitzes dank eines leichten Wählerzuwachses von 0.5 Prozentpunkten. Viel zu reden gaben aber die starken Veränderungen innerhalb der Volkspartei selber. Mit Christoph Mörgeli (svp, ZH), Ernst Schibli (svp, ZH) und Hans Fehr (svp, ZH) wurden gleich drei arrivierte Parteigrössen abgewählt. Als fulminant wurde der Wahlerfolg von Roger Köppel (svp, NR) bezeichnet, der zürichweit am meisten Stimmen erhielt und vom 17. Listenplatz an die Spitze der Zürcher SVP-Vertreter gewählt wurde. Viele Stimmen erhielt auch der neu antretende Hans-Ueli Vogt (svp, ZH), der wohl auch von seiner Ständeratskandidatur profitierte. Zu den Verlieren gehörten neben den Grünen auch die GLP (neu: 3 Sitze; 7.2%) und die BDP (neu: 1 Sitz; 3.6%), die je einen Sitz abgeben mussten. Trotz leichten Wählerverlusten konnten die CVP (2 Sitze; 4%) und die EVP (1 Sitz; 2.8%) ihre Mandate halten. Die Alternative Liste (1.8%) und die EDU (1.6%) verfehlten ihr Ziel eines Sitzgewinnes hingegen recht deutlich. Allerdings dürften beide Parteien ihren jeweiligen Listenpartnern zu Sitzgewinnen verholfen haben. Mit insgesamt 14 Frauen (SVP: 2 von 12; SP: 5 von 9, FDP: 2 von 5; GLP: 1 von 3; CVP: 2 von 2; EVP: 1 von 1; BDP: 1 von 1) beträgt der Frauenanteil der Zürcher Delegation neu 40% (2011: 29.4%). Die Wahlbeteiligung lag mit 47.3% einen halben Prozentpunkt höher als noch 2011.

Kanton Zürich -Nationalratswahlen 2015
Dossier: Resultate Nationalratswahlen 2015 (nach Kantonen)

Der Trend hin zu immer mehr Kandidierenden auf immer mehr Listen bei den Nationalratswahlen war auch im Kanton Basel-Landschaft zu beobachten. Insgesamt waren es 112 Anwärterinnen und Anwärter, die auf einer der 16 Listen ihr Glück versuchten. Mit einem Frauenanteil von 38.4% konnte sich der Basler Halbkanton im nationalen Vergleich sehen lassen. Die Monate vor der Wahl waren stark vom Thema Listenverbindungen geprägt. Die Diskussion drehte sich dabei hauptsächlich um eine allfällige Allianz der Mitteparteien. Ausserdem prägend waren die Ergebnisse der Land- und Regierungsratswahlen, die im Februar gleichen Jahres stattgefunden hatten. Diese waren in erster Linie für die Grünen verheerend, welche ein Drittel ihrer Sitze einbüssten. Aber auch die Sozialdemokraten mussten den Verlust ihres Regierungsratssitzes hinnehmen. Auf der anderen Seite konnten die grossen bürgerlichen Parteien gemeinsam zulegen. Einer Wiederholung dieses bürgerlichen Triumphs in den nationalen Wahlen wurde gute Chancen eingeräumt.

Obwohl sich CVP, FDP und SVP bei den kantonalen Wahlen noch erfolgreich verbündet hatten, ergab sich für die Nationalratswahlen eine etwas andere Ausgangslage. Die FDP und die SVP gaben zunächst wie erwartet ihre Listenverbindung bekannt. Für die CVP bot sich die Möglichkeit zum Anschluss, hätte rechnerisch für die Christdemokraten aber wohl kaum Sinn gemacht. Endgültig in weite Ferne rückte der bürgerliche Schulterschluss, als SVP-Kantonalpräsident Oskar Kämpfer für eine Listenverbindung mit der CVP den Rücktritt der christlichdemokratischen Spitzenkandidatin Elisabeth Schneider-Schneiter zur Bedingung machte. Verständlicherweise wurde dies in CVP-Kreisen mit wenig Begeisterung aufgenommen, ja gar als Affront bezeichnet. Auch die Idee einer Koalition der Mitteparteien erhielt früh einen Dämpfer, als die EVP mit der Begründung absagte, sie politisiere in sozialen Fragen näher bei der Linken. Schliesslich kehrte der CVP auch die GLP in letzter Sekunde den Rücken, worauf erstere einzig mit der BDP die Verteidigung von Schneider-Schneiters Sitz in Angriff nahm.
Die Grünen hatten neben ihren schlechten Wahlergebnissen zusätzlich mit einer Parteiabspaltung zu kämpfen. Unter der Führung von Landrat Jürg Wiedemann wurde nämlich die Partei der Grün-Unabhängigen gegründet, welche in einer Listenverbindung mit der GLP das schwierige Vorhaben einer Verteidigung des Sitzes der amtierenden Nationalrätin und ehemaligen Ratspräsidentin Maya Graf noch zusätzlich erschwerte. Die EVP, welche bereits die CVP verschmäht hatte, entschied sich alleine und nicht in einer linken Koalition anzutreten. So beruhten die Hoffnungen der Grünen einzig auf der traditionellen Listenverbindung mit der SP. Die beiden sozialdemokratischen Sitze von Eric Nussbaumer und Susanne Leutenegger Oberholzer galten gemeinhin als eher ungefährdet. Für Spekulationen sorgten die gleichzeitigen National- und Ständeratskandidaturen von FDP-Landrat Christoph Buser. Diese schienen die Wiederwahl der bisherigen FDP-Nationalrätin Daniela Schneeberger zu gefährden. Auf Seiten der SVP ging man aufgrund der guten Prognosen zuversichtlich in den Wahlkampf und schielte auf einen Sitzgewinn.

Der auf bürgerlicher Seite erhoffte „Durchmarsch“ wurde am Wahltag nicht zur Realität. Entgegen vieler Erwartungen blieb die Sitzverteilung beim Alten: 2 SVP, 2 SP, 1 FDP, 1 CVP und 1 GPS. Mit dem kantonalen Spitzenresultat von 36‘043 Stimmen konnte Maya Graf ihren Sitz verteidigen. Ihre Partei – die Grünen – konnte auf 14.2% Wähleranteil zulegen (+0.6 Prozentpunkte). Die Listenpartnerin SP verlor 2.2 Prozentpunkte und landete bei 22.2%. Am stärksten zulegen konnten wie erwartet die SVP und die FDP. Während die Volkspartei ihren Wähleranteil auf 29.8% (+2.9 Prozentpunkte) steigerte, konnte die FDP gar um 4.3 Prozentpunkte zulegen (neu: 15.8%). Der grosse Zuwachs bei den Freisinnigen relativiert sich jedoch, wenn man den massiven Verlust bei den letzten Wahlen (-5.5 Prozentpunkte) in Betracht zieht. Verlierer waren die kleinen und ohnehin mandatslosen Mitteparteien, notabene die BDP, welche von 6.4% auf gerade mal 2.8% Wähleranteil abrutschte. Die GLP kam noch auf 2.7% (-2.3 Prozentpunkte) und die EVP auf 2.2% (-1.1 Prozentpunkte). Neu gewählt wurde SVP-Kandidatin Sandra Sollberger, welche den zurückgetretenen Christian Miesch ersetzt. Somit werden neu fünf der sieben Nationalratsmandate von Frauen besetzt (71%). Die Stimmbeteiligung hingegen stellte sich mit 46.8% als weniger aussergewöhnlich dar.

Kanton Basel-Landschaft -Nationalratswahlen 2015
Dossier: Resultate Nationalratswahlen 2015 (nach Kantonen)