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  • Quadri, Lorenzo (lega, TI) NR/CN
  • Guggisberg, Lars (svp/udc, BE) NR/CN

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Mit einer Motion forderte Lorenzo Quadri (lega, TI) in der Wintersession 2020, dass der politische Islam als neuer Strafbestand aufgenommen wird – wie es auch die österreichische Regierung getan hatte. Der politische Islam sei eine Gefahr für die innere Sicherheit der Schweiz und müsse darum verboten werden, argumentierte der Motionär. Dafür sollten etwa Moscheen, die einen politischen Islam predigen, geschlossen und Personen ohne Schweizer Pass, die einen politischen Islam verbreiten, des Landes verwiesen werden.
Der Bundesrat beantragte die Ablehnung der Motion. Diese sei nicht nur diskriminierend, sondern verstosse auch gegen die Glaubens- und Gewissensfreiheit sowie gegen die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Stattdessen verwies er auf die bestehenden Möglichkeiten zur Wahrung der inneren Sicherheit – etwa durch ein Verbot von Gruppierungen, welche diese konkret bedrohten. So seien etwa «Al-Quaida» und der «islamische Staat» in der Schweiz bereits verboten.
Nachdem das Geschäft während zwei Jahren nicht abschliessend im Rat behandelt worden war, wurde es in der Wintersession 2022 abgeschrieben.

Der politische Islam soll auch in der Schweiz ein Straftatbestand werden (Mo. 20.4568)

Eine in der Wintersession 2020 eingereichte Motion Quadri (lega, TI) forderte – wie eine bereits im Mai eingereichte Motion Addor (svp, VS; Mo. 20.3264) – ein Moratorium für die Erteilung von neuen Grenzgängerbewilligungen und die Wiedereinführung des Inländervorrangs in Grenzkantonen. Die Coronakrise habe zu einer erhöhten Arbeitslosigkeit auf dem Schweizer Arbeitsmarkt geführt, während mehr Grenzgängerinnen und Grenzgänger in der Schweiz arbeiteten und somit zusätzlich einheimische Arbeitskräfte vom Arbeitsmarkt verdrängen würden, argumentierte der Motionär. Obschon der Bundesrat in seiner Stellungnahme die schwierige wirtschaftliche Lage von Bewohnerinnen und Bewohnern der Grenzkantone im Zuge der Coronakrise anerkannte, erachtete er die Aufrechterhaltung der Personenfreizügigkeit als immens wichtig, insbesondere um dem Fachkräftemangel im Gesundheitsbereich während der Corona-Pandemie entgegenzuwirken. Zudem bestehe durch die Stellenmeldepflicht, durch die Stellensuchende fünf Tage vor der öffentlichen Ausschreibung einer Stelle über diese informiert werden, bereits ein effektiver inländischer Mechanismus, um arbeitssuchende Personen wieder in den Arbeitsmarkt einzubinden, so die Regierung.
Mitte Dezember 2022 wurde die Motion abgeschrieben, da sie nicht innert zwei Jahren behandelt worden war.

Coronabedingte Wirtschafts- und Arbeitsmarktkrise. Moratorium für die Erteilung von neuen Grenzgängerbewilligungen und Wiedereinführung des Inländervorrangs (Mo. 20.4521)

Zu Beginn der Wintersession 2022 machte sich der Nationalrat an die Beratung des Voranschlags 2023 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2024–2026. Anna Giacometti (fdp, GR) und Jean-Pierre Grin (svp, VD) präsentierten dem Rat das Budget und die Änderungsvorschläge der Kommissionsmehrheit. Beide betonten die «düsteren finanzpolitischen Aussichten» (Giacometti), welche in den Finanzplanjahren grosse Korrekturmassnahmen nötig machen würden. Besser sehe es noch für das Jahr 2023 und somit für den Voranschlag aus, hier schlug die Kommissionsmehrheit gar Mehrausgaben von CHF 11.2 Mio. vor, womit die Schuldenbremse immer noch eingehalten werden könne. Insgesamt beantragte die Kommission sieben Änderungen am bundesrätlichen Voranschlag, welche der Rat allesamt annahm. Kaum Erfolg hatten hingegen die Minderheitsanträge.

Das geplante Defizit in den Finanzplanjahren war auch Thema in den folgenden Fraktionsvoten. Als besonders dramatisch erachtete etwa Lars Guggisberg (svp, BE) die finanzielle Situation des Bundes: Man befinde sich «finanzpolitisch seit Jahren im freien Fall», zumal das Parlament immer mehr Geld ausgebe als vorhanden sei. Nun müsse man Prioritäten setzen, weshalb die SVP insbesondere im Finanzplan entsprechende Kürzungsanträge stelle. Ähnlich formulierte es Alex Farinelli (fdp, TI) für die FDP-Fraktion, der die Bundesfinanzen mit der Titanic verglich – zwar scheine alles ruhig, bei genauerer Betrachtung sei «das Bild, insbesondere das mittelfristige, [aber] wesentlich problematischer und beunruhigender». Auch er verlangte daher die Setzung von Prioritäten. Demgegenüber hob Jean-Paul Gschwind (mitte, JU) das positive strukturelle Saldo des Voranschlags hervor, betonte aber auch, dass man für die Finanzplanjahre Korrekturmassnahmen einbringen müsse – insbesondere auch, weil die Gewinnausschüttung durch die SNB ausbleiben könne.
Deutlich weniger besorgt zeigten sich die Sprechenden der anderen Fraktionen über die finanzpolitische Situation. Roland Fischer (glp, LU) erachtete in Anbetracht der tiefen Schuldenquote des Bundes nicht in erster Linie die Defizite als problematisch, sondern die Ausgestaltung der Schuldenbremse, die es nicht erlaube, Schulden zu machen, um Investitionen zu tätigen. Auch Sarah Wyss (sp, BS) zeigte sich durch die «Mehrbelastungen ab 2024 [...] nicht besonders beunruhig[t]». Man müsse zwar reagieren, dabei aber vor allem auf Nachhaltigkeit setzen und von «kurzfristige[r] Sparwut» absehen. Gerhard Andrey (gp, FR) sah die Schuld für die finanzpolitischen Probleme vor allem bei denjenigen Mitgliedern des Parlaments, welche das Armeebudget stark aufgestockt und einen Abbau der Corona-Schulden über zukünftige Überschüsse durchgesetzt hätten. Statt über Sparmassnahmen solle man aber nun über zusätzliche Einnahmen, etwa im Rahmen einer Erbschaftssteuer, sprechen.

In der Folge behandelte der Nationalrat den Voranschlag 2023 in sechs Blöcken, beginnend mit einem ersten Block zu den Beziehungen zum Ausland und zur Migration. Hierbei lagen dem Rat keine Mehrheitsanträge der Kommission vor, jedoch zahlreiche Minderheitsanträge von Mitgliedern der Polparteien. Einerseits verlangten Minderheiten Badertscher (gp, BE), Friedl (sp, SG), Wettstein (gp, SO) sowie zwei Einzelanträge Pasquier-Eichenberger (gp, GE) etwa eine Aufstockung der Beiträge für humanitäre Aktionen oder an die Entwicklungszusammenarbeit mit den Ländern des Ostens, teilweise auch in den Finanzplanjahren. Andererseits forderten Minderheiten Grin (svp, VD), Guggisberg (svp, BE), Fischer (svp, ZH) sowie ein Einzelantrag der SVP-Fraktion etwa eine Reduktion des Schweizer Beitrags an ausgewählte EU-Mitgliedstaaten, an die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit oder an die Integrationsmassnahmen für Ausländerinnen und Ausländer (teilweise auch oder nur in den Finanzplanjahren) sowie die ordentliche Verbuchung der Ausgaben für Kriegsvertriebene aus der Ukraine. Die Minderheitsanträge blieben jedoch allesamt erfolglos.

Im zweiten Block zu Kultur, Bildung, Forschung, Familie und Sport lagen dem Nationalrat vier Kommissionsanträge vor. Im Sportbereich wollte die Kommission einerseits einen Kredit für die Sportverbände zugunsten der nationalen Meldestelle von Swiss Sport Integrity um CHF 360'000 aufstocken, zumal seit deren Schaffung Anfang 2022 dreimal mehr Meldungen eingegangen seien, als erwartet worden waren. CHF 650'000 sollten zudem für die Ausrichtung der Staffel-Weltmeisterschaft 2024 in Lausanne gesprochen werden, wobei der Bund einen Drittel der Gesamtfinanzierung übernehmen würde. Keine Aufstockung, sondern eine ausdrückliche Verwendung der CHF 390'000, welche der Bundesrat im Bereich Kinderschutz/Kinderrechte veranschlagt hatte, für eine Übergangslösung zur Stärkung der Kinderrechte verlangte die Kommission bei den Krediten des BSV. Eine Übergangslösung war nötig geworden, weil die Ombudsstelle für Kinderrechte, für die der Betrag gedacht war, noch nicht über eine gesetzliche Grundlage verfügte. Schliesslich verlangte die Kommission, dass CHF 35 Mio., welche nach dem Ausschluss der Schweiz aus Horizon Europe bei den EU-Forschungsprogrammen nicht benötigt werden, stattdessen Innosuisse zugesprochen werden. Der Nationalrat hiess alle vier Kommissionsanträge stillschweigend gut.
Weitere CHF 50 Mio. aus dem Kredit der EU-Forschungsprogramme zum Kredit für die Institutionen der Forschungsförderung verschieben wollte eine Minderheit Munz (sp, SH). Zudem verlangten zwei weitere Minderheiten Munz Aufstockungen bei der internationalen Mobilität Bildung zugunsten des Programms Erasmus+. Die Kredite gegenüber dem bundesrätlichen Vorschlag reduzieren wollten hingegen eine Minderheit I Grin bei den Institutionen der Forschungsförderung sowie eine Minderheit Guggisberg in den Finanzplanjahren bei der internationalen Mobilität Bildung und bei den Stipendien an ausländische Studierende. Mit 123 zu 68 Stimmen kürzte der Nationalrat in Übereinstimmung mit der Minderheit Munz den Kredit der EU-Forschungsprogramme zugunsten der Institutionen der Forschungsförderung, lehnte aber ansonsten sämtliche Minderheitsanträge ab. Dazu gehörten auch zwei Minderheiten Nicolet (svp, VD), welche bei Pro Helvetia (auch in den Finanzplanjahren) und bei der familienergänzenden Kinderbetreuung kürzen wollten.

Im Block 3 zu Umwelt und Energie hiess der Nationalrat die veranschlagten CHF 42 Mio. für Programme von EnergieSchweiz für den Heizungsersatz, zur Dekarbonisierung von Industrie und Gewerbe, zur Einführung von neuen Technologien und zur Bekämpfung des Fachkräftemangels sowie CHF 4 Mrd. für den Rettungsschirm Elektrizitätswirtschaft, welchen der Bundesrat in einer Nachmeldung beantragt hatte, gut. Eine Minderheit Schilliger (fdp, LU) hatte erfolglos eine Kürzung bei den Programmen von EnergieSchweiz im Voranschlag und in den Finanzplanjahren gefordert. Erfolglos blieben auch alle anderen Minderheiten etwa zur Streichung von CHF 10 Mio. für eine Winter-Energiespar-Initiative, zur Reduktion des Kredits für die Reservekraftwerke, aber auch für eine Erhöhung des Kredits für die Reservekraftwerke um CHF 100 Mio., um eine Erhöhung der Energiekosten für die Bevölkerung zu verhindern.

Erfolglos blieben auch sämtliche Minderheitsanträge im vierten Block zu den Themen «soziale Wohlfahrt, Gesundheit und Sicherheit», wo etwa eine Minderheit Wettstein (gp, SO) eine Erhöhung des Bundesbeitrags an das Schweizerische Rote Kreuz oder verschiedene Minderheiten Kürzungen beim Rüstungsaufwand oder bei verschiedenen Positionen zur Verteidigung beantragten.

Im fünften Block zu Standortförderung, Steuern und Landwirtschaft gab es nur einzelne Forderungen zu den ersten beiden Bereichen, etwa verlangte eine Minderheit Gysi (sp, SG) zusätzliche Mittel und Stellen in der Steuerverwaltung für mehr Mehrwertssteuerkontrollen und eine Minderheit Guggisberg eine Streichung der Neuen Regionalpolitik, da diese Aufgabe der Kantone sei. Das Hauptinteresse des Nationalrats galt in diesem Block aber der Landwirtschaft, zu der zahlreiche Mehr- und Minderheitsanträge vorlagen: Die Kommissionsmehrheit verlangte eine Erhöhung des Kredits für die Qualitäts- und Absatzförderung zugunsten des Schweizer Weins um CHF 6.2 Mio. (in Umsetzung einer Motion 22.3022, die vom Nationalrat angenommen, aber vom Ständerat an die WAK-SR verwiesen worden war). Eine Minderheit Munz wollte stattdessen einen Teil der bereits veranschlagten Mittel zur Umsetzung der Motion einsetzen, der Nationalrat folgte jedoch seiner Kommissionsmehrheit und beschloss die Krediterhöhung. Weiter beantragte die Kommissionsmehrheit, in den Planungsgrössen zu den Direktzahlungen die Höhe der Versorgungssicherheitsbeiträge auf CHF 1.1 Mrd. festzuschreiben, so dass diese entgegen der Absicht des Bundesrates nicht gekürzt werden könnten. Der Nationalrat folgte auch dieser Kommissionsmehrheit, während eine Minderheit Munz besagte Planungsgrösse erfolglos streichen wollte. Schliesslich sollten die Mittel für Wildtiere, Jagd und Fischerei gemäss Kommissionsmehrheit um CHF 4 Mio. zugunsten von Sofortmassnahmen für den Herdenschutz aufgestockt werden, wobei der Nationalrat auch hier der Komissionsmehrheit und nicht einer Minderheit Schneider Schüttel (sp, FR) auf Beibehalten des bundesrätlichen Betrags folgte. Erfolgreich war zudem eine Minderheit Grin für eine Erhöhung des Kredits für die Pflanzen- und Tierzucht um CHF 3.9 Mio. zugunsten einheimischer Nutztierrassen, nicht aber ein weiterer Minderheitsantrag Grin für einen Verzicht auf die Aufstockung des Funktionsaufwands beim Bundesamt für Landwirtschaft um CHF 900'000 zur Umsetzung einer parlamentarischen Initiative zur Verminderung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln.

Im sechsten Block ging es abschliessend um den Eigenaufwand des Bundes und um die Schuldenbremse, wobei die Kommissionsmehrheit nur einen Antrag auf Änderung gegenüber der bundesrätlichen Version stellte: Bei den Planungsgrössen zum BABS sollte der Soll-Wert der Kundenzufriedenheit bei den Ausbildungsleistungen von 80 auf 85 Prozent und in den Finanzplanjahren auf 90 Prozent erhöht werden. Stillschweigend hiess der Nationalrat die Änderung gut. Zudem lagen zahlreiche Minderheitsanträge Nicolet auf Kürzungen im Personalbereich verschiedener Bundesämter (BAFU, BAG, BAK, BAV, BFS) sowie beim UVEK vor, die jedoch allesamt abgelehnt wurden – genauso wie weitere Kürzungsanträge im Personalbereich sowie bei den Sach- und Betriebsausgaben des SEM, zur Kürzung des Personalaufwands im Bereich der Social-Media-Strategie und der Digitalisierung sowie für Querschnittskürzungen beim BBL. Abgelehnt wurde aber auch ein Minderheitsantrag Schneider Schüttel zur Schaffung von zwei zusätzlichen Stellen beim BLV im Bereich Zulassung von Pflanzenschutzmitteln. Schliesslich scheiterte auch ein Antrag der SVP-Fraktion, die aus der Gewinnausschüttung der SNB veranschlagten Einnahmen von CHF 666.7 Mio. zu streichen, da die SNB diese nach ihren Verlusten voraussichtlich nicht würde tätigen können.

Nach langen Diskussionen, bei denen sämtliche Mehrheits- sowie einzelne Minderheitsanträge angenommen worden waren, hiess der Nationalrat den Voranschlag in der Gesamtabstimmung mit 137 zu 49 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) gut. Die ablehnenden Stimmen stammten von der geschlossen stimmenden SVP-Fraktion sowie von einem Mitglied der Grünen. Angenommen wurden in der Folge auch der Bundesbeschluss über die Planungsgrössen im Voranschlag für das Jahr 2023 (138 zu 50 Stimmen bei 2 Enthaltungen), der Bundesbeschluss über den Finanzplan für die Jahre 2024-2026 (179 zu 12 Stimmen) sowie der Bundesbeschluss über die Entnahmen aus dem Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds für das Jahr 2023 (191 zu 0 Stimmen).

Voranschlag 2023 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2024-2026 (BRG 22.041)
Dossier: Bundeshaushalt 2023: Voranschlag und Staatsrechnung

Im September 2022 beschloss die RK-SR einstimmig, der parlamentarischen Initiative ihrer Schwesterkommission für ein zeitgemässes Genossenschaftsrecht keine Folge zu geben, da sie zuerst den Bericht zum angenommenen Postulat Guggisberg (svp, BE; Po. 21.3783) abwarten wollte. Die parlamentarische Initiative hätte verlangt, dass das Genossenschaftsrecht, welches zu grossen Teilen noch aus dem Jahr 1936 stammt, vereinfacht und modernisiert wird. Daraufhin zog die RK-NR ihre Initiative zurück.

Moderniser le droit de la société coopérative (Iv. pa. 21.479)
Dossier: Revision Genossenschaftsrecht

In der Herbstsession 2022 behandelten National- und Ständerat den ersten Teil des Nachtrags II zum Voranschlag 2022 im Rahmen einer von der SVP-Fraktion beantragten ausserordentlichen Session (22.9015). Die ausserordentliche Session war einberufen worden, nachdem die FinDel den dringlichen Kredit zur Elektrizitätswirtschaft, also den Nachtragskredit über CHF 4 Mrd. sowie den Verpflichtungskredit über CHF 10 Mrd. für den Rettungsschirm für die Elektrizitätswirtschaft, gutgeheissen hatte. Da das Parlament den Verpflichtungskredit in der Zwischenzeit genehmigt hatte und die übrigen Kredite des Nachtrags II erst zu einem späteren Zeitpunkt behandelt wurden, wurde in der Herbstsession lediglich über den Nachtragskredit für die Elektrizitätswirtschaft diskutiert und abgestimmt.

Im Nationalrat legten Ursula Schneider Schüttel (sp, FR) sowie Jean-Paul Gschwind (mitte, JU) die Position der Mehrheit der FK-NR dar: Wie im Bundesgesetz über subsidiäre Finanzhilfen zur Rettung systemkritischer Unternehmen der Elektrizitätswirtschaft diskutiert worden sei, sei der Kredit zur Sicherstellung der Elektrizitätsversorgung der Schweiz nötig. Der Kredit selbst war denn auch bei den meisten Fraktionen nicht umstritten, auch wenn sie sich davon wenig begeistert zeigten. Drei Minderheiten Egger (svp, SG) wollten jedoch Rahmenbedingungen für die Kreditvergabe definieren, unter anderem um die Axpo «an die ganz kurze Leine» zu nehmen, wie Lars Guggisberg (svp, BE) betonte. So sollten erstens die Kantone als Eigentümerinnen der drei betroffenen Energieunternehmen die Hälfte des Kredits übernehmen. Da die Kantone während Jahren die Dividenden eingestrichen hätten, sollten sie jetzt auch für die Risiken aufkommen müssen, verlangte Minderheitssprecher Egger. Weil bisher keine gründliche Risikoprüfung stattgefunden habe, verlangte eine zweite Minderheit überdies eine solche. Und schliesslich sollte es den Unternehmen drittens während der Dauer der Gewährung dieser Darlehen verboten werden, spekulative Eigenhandelsgeschäfte zu tätigen. So habe eine Studie entsprechende Handelsgeschäfte der Axpo aufgedeckt, diese seien der Grund für ihre fehlende Liquidität, argumentierte Mike Egger. Die meisten Kommissions- und Fraktionssprechenden sprachen sich gegen die Minderheitsanträge aus, zumal diese bereits bei der Schaffung des entsprechenden Gesetzes abgelehnt worden seien. Schliesslich erläuterte Finanzminister Maurer den Rahmen des Geschäfts: Die Alpiq habe im Jahr 2021 beinahe innerhalb von Stunden einen Kredit zur Sicherstellung ihrer Liquidität benötigt. Anschliessend habe der Bundesrat befürchtet, dass solche Fälle zukünftig vermehrt auftreten könnten. Da die Kantone nicht innerhalb weniger Tage solche Beträge bereitstellen könnten, habe man sich mit ihnen geeinigt, dass der Bund die Zuständigkeit für Axpo, Alpiq und BKW übernehme, während die Kantone für die übrigen rund sechzig an der Börse gehandelten Stromversorgenden verantwortlich bleiben. Darüber hinaus sei beispielsweise bezüglich der Axpo eine kantonale Lösung schwierig zu erreichen, weil diese zuerst die Parlamente der acht Eignerkantone passieren müsste. Aufgrund der Grösse der drei Unternehmen und der daraus resultierenden Gefahr eines Dominoeffekts bei Ausfall eines der drei Unternehmen bestehe überdies nicht nur ein regionales, sondern ein schweizweites Interesse an ihrem Überleben. Entsprechend sei der erste Antrag der Minderheit Egger abzulehnen. Auch die anderen beiden Minderheitsanträge beantragte die Regierung zur Ablehnung, etwa da eine gründliche Risikoprüfung durch externe Fachleute stattgefunden habe. Der Finanzminister betonte darüber hinaus, dass die drei Unternehmen «nur im absoluten Notfall auf das Darlehen zurückgreifen» würden, da man die entsprechenden Bedingungen sehr unvorteilhaft ausgestaltet habe.
Im Anschluss an die Debatte zum Kredit für den Rettungsschirm schritt der Nationalrat zur Abstimmung: Mit 137 zu 46 Stimmen (bei 1 Enthaltung) sprach er sich für Annahme des Nachtragskredits aus, wobei die Mehrheit der SVP-Fraktion ablehnend votierte. Die drei Minderheitsanträge zu den Voraussetzungen für die Darlehensgewährung fanden nur in der SVP-Fraktion Zustimmung und wurden jeweils mit 134 zu 50 Stimmen abgelehnt.

Im Ständerat blieb zwei Tage später trotz ausserordentlicher Session eine Diskussion über den ersten Teil des Nachtrags II aus, es lagen auch keine Minderheitsanträge vor. Nachdem Johanna Gapany (fdp, FR) und Finanzminister Maurer die Vorlage präsentiert hatten, nahm die kleine Kammer den Nachtragskredit mit 29 zu 8 Stimmen (bei 5 Enthaltungen) an. Hier waren die parteipolitischen Fronten jedoch weniger deutlich, so stammten die ablehnenden Stimmen sowie die Enthaltungen von einzelnen Mitgliedern der SVP-, der FDP.Liberalen- sowie der Mitte-Fraktion. Die übrigen Kredite des Nachtrags II zum Voranschlag 2023 wird das Parlament in der Wintersession beraten.

Nachtrag II zum Voranschlag 2022 (BRG 22.042)
Dossier: Bundeshaushalt 2022: Voranschlag und Staatsrechnung

Wie bereits ein Jahr zuvor forderte Lorenzo Quadri (lega, TI) im September 2020 in einer Motion, dass die Krankenversicherungen ihre übermässigen Reserven nicht mehr nur freiwillig, sondern obligatorisch an die Versicherten zurückerstatten müssen. Der Motionär störte sich – wie auch Olivier Feller (fdp, VD; Mo. 20.4199) – im Anschluss an die Präsentation der Krankenkassenprämien 2021 vor allem an den Unterschieden zwischen den Kantonen. Denn während die Prämien schweizweit nur 0.5 Prozent angestiegen waren, wurden sie im Kanton Tessin trotz sinkender Gesundheitskosten um 2.1 Prozent erhöht. Da die Krankenversicherungen ihre Reserven freiwillig nicht stark genug reduzieren würden, brauche es nun eine obligatorische Regelung, forderte Quadri. Anders als ein Jahr zuvor verzichtete er jedoch auf die Forderung, wonach die Reserven in den jeweiligen Kantonen, in denen sie geschaffen worden waren, zurückverteilt werden müssen.
Der Bundesrat zeigte sich mit dem Anliegen des Motionärs einverstanden, verwies aber auf seine geplante Änderung der KVAV, mit der die Rückerstattung erleichtert würde, und empfahl die Motion zur Ablehnung. Trotz der bis zur Herbstsession 2022 erfolgten Verordnungsänderung sprach sich der Nationalrat ohne Diskussion mit 147 zu 36 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) für eine weitere Verschärfung des Reserveabbaus aus. Ablehnend stimmten die GLP-Fraktion sowie die Mehrheit der Mitte-Fraktion. Kurz zuvor hatte auch der Kanton Basel-Stadt eine Standesinitiative eingereicht, in der er eine «rasche und proportionale Rückerstattung der Krankenkassen-Reserven an die Bevölkerung» in den jeweiligen Kantonen verlangte – damit hatte der Kanton das Anliegen von Quadris Motion aus dem Jahr 2019 aufgenommen.

Übermässige Reserven der Krankenversicherer. Obligatorische statt freiwillige Rückerstattung (Mo. 20.4123)
Dossier: Krankenkassenreserven

In der Herbstsession 2022 bereinigte das Parlament die Änderung des Finanzhaushaltgesetzes zum Abbau der coronabedingten Verschuldung. Bei der ersten Beratung im Ständerat lagen ähnliche Anträge vor wie zuvor bei der Beratung im Erstrat. Jedoch hatte sich die Ausgangslage verändert: Während der Bundesrat und auch der Nationalrat bei seiner Erstberatung davon ausgegangen waren, die ausserordentlichen Ausschüttungen der SNB für den Covid-19-Schuldenabbau verwenden zu können, hatte der Bundesrat in der Zwischenzeit als Antwort auf eine Frage von Gerhard Andrey (gp, FR) bekannt gegeben, dass Bund und Kantone gemäss den vorläufigen, bis Juni 2022 vorliegenden Zahlen von der SNB am Ende des Jahres weder den Grundbetrag noch Zusatzausschüttungen erhalten würden – diese Zahlen könnten sich aber bis Ende Jahr durchaus noch ändern, wie der Bundesrat betont hatte. Die FK-SR rechnete in der Folge jedoch nicht mehr mit den entsprechenden Geldern, was die Dauer des Schuldenabbaus deutlich verlängern würde, wie verschiedene Sprechende betonten. Dennoch beabsichtigte die Kommissionsmehrheit, die Corona-bedingten Schulden, die sich Ende 2022 auf etwa CHF 26 Mrd. belaufen werden, mithilfe der zukünftigen ordentlichen Überschüsse abzubauen und dabei auf eine Verwendung eines Teils der bisherigen ordentlichen Überschüsse auf dem Ausgleichskonto, wie sie der Nationalrat vorgeschlagen hatte, zu verzichten. Entsprechend wollte die Mehrheit der FK-SR die Dauer des Schuldenabbaus ebenfalls wie vom Bundesrat vorgesehen bis 2035, bei ausserordentlichen Ereignissen bis 2039 verlängern. Sowohl Kommissionssprecherin Gapany (fdp, FR) als auch Finanzminister Maurer äusserten sich zum Vorschlag der Kommissionsmehrheit. Letzterer argumentierte, dass auf dem Ausgleichskonto nicht wirklich Geld liege, «sondern das ist einfach die Statistik des ordentlichen Bundeshaushalts». Folglich wäre die Verrechnung der beiden Konten ein «Signal, dass wir bereit sind, in der Finanzpolitik die Zügel zu lockern». Diese Befürchtung teilte eine Minderheit I Hegglin (mitte, ZG), die in Übereinstimmung mit dem Nationalrat die Hälfte der Schulden auf dem Amortisationskonto durch die ordentlichen Überschüsse finanzieren und im Gegenzug die Abbaufrist verkürzen wollte, nicht. Vielmehr entwickelte sich eine Diskussion zur Frage, welche Massnahme die grösste Freiheit für das Parlament mit sich bringe: die Beibehaltung des Überschusses auf dem Ausgleichskonto oder eine schnelle Tilgung der Schulden auf dem Amortisationskonto. Eine Minderheit II Herzog (sp, BS) wollte überdies nicht nur einen Teil, sondern gar den ganzen Überschuss auf dem Ausgleichskonto zum Covid-19-Schuldenabbau verwenden, um den mittel- oder langfristig grösstmöglichen Handlungsspielraum zu schaffen. Die Minderheitensprecherin zog ihren Antrag jedoch später zurück. Mit 28 zu 16 Stimmen sprach sich der Ständerat anschliessend für den Mehrheitsantrag und somit gegen eine Verwendung des Überschusses auf dem Ausgleichskonto aus.

Noch in der Herbstsession folgte der Nationalrat seinem Schwesterrat in dieser Frage. Die Kommissionsmehrheit beantragte, an der ursprünglichen Position des Nationalrats festzuhalten und weiterhin eine Verrechnung eines Teils des Überschusses auf dem Ausgleichskonto mit dem Amortisationskonto vorzunehmen und im Gegenzug die Frist für den Schuldenabbau zu kürzen. Eine Minderheit Guggisberg (svp, BE) wollte jedoch dem Bundesrat folgen, unter anderem da eine Vermischung der beiden Konten der von der Stimmbürgerschaft angenommenen Idee der Schuldenbremse widerspreche, wie Lars Guggisberg argumentierte. Mit 105 zu 83 Stimmen sprach sich der Nationalrat für diesen Minderheitsantrag und somit gegen eine Verrechnung der beiden Konten aus und bereinigte damit die einzige Differenz zum Ständerat. Die SP-, Grünen- und Grünliberalen-Fraktionen sowie ein Mitglied der Mitte-Fraktion waren dabei der Kommissionsmehrheit gefolgt.

In den Schlussabstimmungen nahm der Nationalrat die Änderung des FHG mit 152 zu 23 Stimmen (bei 17 Enthaltungen) an, der Ständerat einstimmig (45 zu 0 Stimmen). Die Gegenstimmen und Enthaltungen im Nationalrat stammten von Mitgliedern der Grünen Fraktion.

Bundesrätlicher Vorschlag zum Abbau der Covid-19-Schulden (BRG 22.020)
Dossier: Wie sollen die Kosten der Covid-19-Krise verbucht und die Schulden abgebaut werden?
Dossier: Mögliche Massnahmen zur Reduktion des Covid-19-bedingten Defizits

In der Herbstsession 2022 beschäftigte sich der Ständerat mit der Motion Quadri (lega, TI) und der Frage, ob der Abbau übermässiger Reserven der Krankenversicherer zukünftig obligatorisch erfolgen soll. Die SGK-SR hatte die Motion zuvor mit 6 zu 5 Stimmen (bei 1 Enthaltung) zur Ablehnung empfohlen, da sie einen freiwilligen Reserveabbau, wie er seit der Verordnungsänderung von Juni 2021 vorgesehen ist, bevorzuge und ein kantonal unterschiedlicher Reserveabbau überdies nicht möglich sei, da «die Reserven nicht kantonal bemessen werden». Die Kommissionsminderheit erachtete die freiwilligen Regelungen aufgrund der weiterhin ansteigenden Reserven hingegen als ungenügend. Mit 22 zu 15 Stimmen (bei 1 Enthaltung) folgte der Ständerat seiner Kommissionsmehrheit und lehnte die Motion ab. Diese war damit erledigt.

Änderung der KVAV. Obligatorischer statt nur freiwilliger Abbau übermässiger Reserven der Krankenversicherer zugunsten der Versicherten (Mo. 19.4056)
Dossier: Krankenkassenreserven

Eine Motion Würth (mitte, SG) zur finanziellen Unterstützung von «digitalen Leuchtturmprojekten» mit öffentlichem Interesse stand in der Herbstsession 2022 auf der Traktandenliste des Nationalrats. Die Mehrheit der vorberatenden WBK-NR beantragte die Ablehnung der Motion, da der Anwendungsbereich der Forderung zu wenig genau abgegrenzt sei und ein Kriterienkatalog fehle. Des Weiteren bestünden bereits entsprechende Förderinstrumente. Kommissionssprecherin Verena Herzog (svp, TG) erklärte im Rat des Weiteren, dass der Ständerat beim Entwurf zum Bundesgesetz über den Einsatz von elektronischen Mitteln zur Erfüllung von Behördenaufgaben (BRG. 22.022) die Forderungen der Motion bereits teilweise aufgenommen habe. Eine Minderheit Kutter (mitte, ZH) beklagte hingegen den Rückstand der Schweiz im Bereich der Digitalisierung und wollte, wie der Bundesrat auch, an der Motion festhalten. Die Minderheit argumentierte zudem, dass die gleichlautende Motion Guggisberg (svp, BE; Mo. 21.4490) ebenfalls angenommen worden sei, weshalb man die vorliegende Motion aus Kohärenzgründen auch annehmen müsse. Bundeskanzler Walter Thurnherr versicherte zudem, dass bei einer Annahme keine Doppelspurigkeit zu bestehenden Förderinstrumenten geschaffen würde, sondern die geforderten Instrumente nur subsidiär Anwendung fänden. Während jeweils eine grosse Mehrheit der SP-, der GLP- und der Mitte-Fraktion sowie einige Abgeordnete der Grünen Fraktion (23 enthielten sich der Stimme) dieser Argumentation mit 87 Stimmen folgten, votierten die grossen Mehrheiten der SVP- sowie der FDP.Liberalen-Fraktion mit 72 Stimmen gegen Annahme der Motion. Damit überwies der Nationalrat die Motion an den Bundesrat.

Die Schweiz voranbringen. Digitale Leuchtturmprojekte mit öffentlichem Interesse anschieben (Mo. 21.4377)
Dossier: Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben (EMBAG)

Die Nationalratsmitglieder Sidney Kamerzin (mitte, VS), Corina Gredig (glp, ZH), Gerhard Andrey (gp, FR), Lilian Studer (evp, AG), Lars Guggisberg (svp, BE), Susanne Vincenz-Stauffacher (fdp, SG) und Edith Graf-Litscher (sp, TG) reichten im Juni 2020 allesamt gleichlautende Postulate ein, mit denen sie den Bundesrat beauftragen wollten, marktwirtschaftliche Lösungen zur Förderung von regionalem Coworking zu prüfen. Da nicht alle Personen im Homeoffice arbeiten könnten und da bei Homeoffice der soziale Austausch fehle und die Trennung zwischen Beruf und Familie schwierig sei, könne regionales Coworking eine Lösung für immer mehr Arbeitnehmenden darstellen, argumentierten sie. Neben einer möglichen Starthilfe durch den Bund für den Aufbau eines nationalen Netzes soll der Bericht aufzeigen, wie die Bundesverwaltung in einer Vorbildfunktion Büroflächen sparen und diese Fläche stattdessen als regionale Coworking Spaces zur Verfügung stellen könnte. Zudem soll beleuchtet werden, wie etwa die SBB in Regionalbahnhöfen – oder auch andere bundesnahe Betriebe – Coworking-Formate umsetzen könnten.
In seiner Stellungnahme vom August 2020 beantragte der Bundesrat, die Postulate abzulehnen. Der Bund überlasse es den Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden, ob sie im Coworking arbeiten oder Coworking als flexible Arbeitsform anbieten möchten. Zudem seien Coworking-Möglichkeiten in einigen ländlichen Gebieten und Bergregionen bereits vorhanden. Zudem verfüge der Bund über keinen direkten Einfluss auf die Nutzung leer stehender Büroräume der bundesnahen Betriebe oder auf ihr operatives Geschäft.
Im Juni 2022 wurden die Postulate abgeschrieben, da sie nicht innert zwei Jahren vom Nationalrat behandelt worden waren.

Postulate zur «Förderung von regionalem Coworking» (Po. 20.3622, Po. 20.3638, Po. 20.3639, Po. 20.3640, Po. 20.3641, Po. 20.3642, Po. 20.3643)

Bereits in der Sommersession 2022 machte sich der Nationalrat an die Beratung der Änderung des Finanzhaushaltgesetzes zum Abbau der coronabedingten Verschuldung. Die beiden Kommissionssprecher Heinz Siegenthaler (mitte, BE) und Alex Farinelli (fdp, TI) fassten dabei die finanzpolitische Situation der letzten Jahre zusammen: Vor der Corona-Pandemie habe man während 20 Jahren keine neuen Schulden gemacht und gar CHF 23 Mrd. auf dem Ausgleichskonto angehäuft. Demgegenüber stünden Schulden in der Höhe von CHF 25 bis 30 Mrd., welche Corona-bedingt in den letzten Jahren entstanden seien. Für deren Abbau sehe der Bundesrat jährliche Zahlungen von CHF 1 Mrd. aus dem ordentlichen Haushalt und CHF 1.3 Mrd. «aus der ausserordentlichen Gewinnausschüttung der Schweizerischen Nationalbank» vor – Letztere hatte der Bundesrat bereits im Juni 2022 für diesen Zweck gesprochen –, wobei die Frist für den Schuldenabbau von sechs auf zwölf Jahre erhöht werden soll. Die Mehrheit der FK-NR sprach sich jedoch für den zweiten Vorschlag aus, den der Bundesrat in die Vernehmlassung geschickt hatte: Die Hälfte der Corona-bedingten Schulden auf dem Amortisationskonto soll mit den Geldern auf dem Ausgleichskonto beglichen werden, während die andere Hälfte durch zukünftige Überschüsse sowie durch die ausserordentlichen Ausschüttungen der SNB abgebaut werden soll. Damit sei ein Schuldenabbau innert acht Jahren möglich, was die Kommissionsmehrheit bevorzuge, argumentierte Siegenthaler. Zusätzlich zur Position der Kommissionsmehrheit lagen verschiedene Minderheitsanträge vor: Eine Minderheit I Wyss (sp, BS) beantragte, das vollständige Guthaben auf dem Ausgleichskonto für den Corona-Schuldenabbau zu verwenden. Damit könne man sicherstellen, dass auch zukünftig genügend Geld für kommende Herausforderungen vorhanden sei. Eine Minderheit II Guggisberg (svp, BE) wollte dem Bundesrat folgen und die bereits angesparten Gelder auf dem Ausgleichskonto belassen. Stattdessen sollten die ordentlichen Gewinnausschüttungen der SNB in der Höhe von CHF 660 Mio., welche bisher in das Bundesbudget flossen, für die Tilgung der Corona-Schulden eingesetzt werden. Bezüglich der Abbaufristen plädierte eine Minderheit Gysi (sp, SG) für den vom Bundesrat vorgesehenen zwölfjährigen Schuldenabbau. Ein Abbau über drei Legislaturen sei sinnvoll, zumal sich die Schweiz dies leisten könne, die Covid-19-Pandemie eine «Jahrhundertkrise» darstelle und man auch in den letzten 20 Jahren Schulden in der Höhe von CHF 29 Mrd. abgebaut habe, argumentierte die Minderheitensprecherin. Der Nationalrat folgte jedoch in sämtlichen Anträgen seiner Kommissionsmehrheit. Die zwei Minderheiten Guggisberg fanden bei Mitgliedern der SVP-Fraktion, die Minderheiten Wyss und Gysi bei Mitgliedern der SP-, Grünen- und GLP-Fraktion sowie der EVP Zustimmung. Mit 133 zu 51 Stimmen nahm der Nationalrat die Revision in der Gesamtabstimmung gegen den Willen der SVP-Fraktion an.

Bundesrätlicher Vorschlag zum Abbau der Covid-19-Schulden (BRG 22.020)
Dossier: Wie sollen die Kosten der Covid-19-Krise verbucht und die Schulden abgebaut werden?
Dossier: Mögliche Massnahmen zur Reduktion des Covid-19-bedingten Defizits

In der Sommersession beugte sich der Ständerat über den bundesrätlichen Entwurf zum Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben (EMBAG). Die WBK-SR hatte es einstimmig zur Annahme empfohlen, wie Kommissionssprecher Benedikt Würth (mitte, SG) berichtete. Obwohl die Schweiz ein «Hightech-Land» sei, schneide sie im internationalen Vergleich hinsichtlich digitaler Verwaltung äusserst schlecht ab. Aus diesem Grund sei die «Digitale Verwaltung Schweiz» (DVS), eine gemeinsame Organisation zwischen Bund und Kantonen, ins Leben gerufen worden. Damit der Bund hier als Partner fungieren könne, brauche es Rechtsgrundlagen, die mit dem EMBAG geschaffen werden sollen. In den bisherigen Diskussionen habe sich herausgestellt, dass bisher zu stark in Sektoren gedacht und zu wenig auf Kooperation gebaut worden sei. Mit dem vorliegenden «Querschnittsgesetz» solle dies geändert werden, so Würth. Die WBK-SR habe an der bundesrätlichen Vorlage leichte Anpassungen vorgenommen. So soll dafür gesorgt werden, dass Menschen ohne digitale Kompetenzen von Behördeninteraktionen nicht ausgeschlossen würden. Darüber hinaus will die Kommission, dass Kantone Vereinbarungen zwischen Bund und Gemeinden zustimmen müssen. Um die Motionen Guggisberg (svp, BE; Mo 21.4490) und Würth (mitte, SG; Mo. 21.4377) zu erfüllen, sollen zudem unter Bundesbeteiligung erarbeitete digitale Instrumente und Ergebnisse frei zur Verfügung gestellt werden. Die WBK-SR wolle zudem der Verwaltung schliesslich nicht wie vom Bundesrat vorgesehen fünf, sondern lediglich drei Jahre gewähren, um Daten und Ressourcen öffentlich zugänglich zu machen. Auch Bundesrat Ueli Maurer warb für das Gesetz, das auch Datenschutz und Prozesssicherheit gross schreibe.
Eintreten war in der Folge unbestritten, die Ausgabenbremse wurde einstimmig (34 zu 0 Stimmen) gelöst und alle Anträge der WBK-SR wurden ohne Diskussion gutgeheissen. Auch die Gesamtabstimmung passierte die leicht angepasste Vorlage einstimmig (33 zu 0 Stimmen).

Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben (BRG 22.022)
Dossier: Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben (EMBAG)

Stillschweigend und diskussionslos nahm der Nationalrat im März 2022 eine Motion Guggisberg (svp, BE) für die Schaffung einer rechtlichen Grundlage zur finanziellen Unterstützung von privaten und privat-öffentlichen, digitalen «Leuchtturm-Projekten» an. Solche Projekte seien von relevantem öffentlichem Interesse, stärkten den Wirtschaftsstandort Schweiz und böten der Gesellschaft und der Wissenschaft einen klaren Mehrwert. Auch der Bundesrat begrüsste die Motion zur Unterstützung solcher privater Initiativen. Er wollte jedoch insbesondere darauf achten, dass bei der Ausgestaltung der Fördermassnahmen keine Doppelspurigkeiten zu bestehenden Subventionen entstehen.

Digitale Leuchtturmprojekte mit öffentlichem Interesse anschieben (Mo. 21.4490)
Dossier: Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben (EMBAG)

Zur Bereinigung der verbliebenen Differenz zu den Krediten für die Beschaffung von Medikamenten für immunsupprimierte Personen waren nochmals drei Beratungen nötig. Die Mehrheit der FK-NR beantragte in der ersten Runde des Differenzbereinigungsverfahrens die Ablehnung der zwei Kredite – zumal die Kommission diese nicht vorberaten hatte. Mehrere Mitglieder der Kommission bezweifelten deren Dringlichkeit und rügten den Ständerat für deren Annahme, ohne genügend Informationen vorzulegen. Man fordere dafür wie üblich eine Botschaft des Bundesrates, betonte etwa Alois Gmür (mitte, SZ). Eine Minderheit Wyss (sp, BS) sprach sich für Annahme der Kredite aus, zumal diese Ausgabe inhaltlich unbestritten sei und man dem Bundesrat damit eine möglichst schnelle Beschaffung ermögliche. Nach langen Diskussionen lehnte der Nationalrat die zwei Kredite mit 105 zu 82 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) ab.

Die Kritik des Schwesterrates – und insbesondere der Schwesterkommission – beeindruckte die FK-SR nicht. Sie hatte das EDI in der Zwischenzeit um einen Bericht zur Präzisierung der Dringlichkeit des Bedarfs gebeten. Dieser Bericht zeigte auf, dass die Produktionskapazitäten der entsprechenden Medikamente begrenzt sind und deutlich unter der Nachfrage liegen dürften. Zudem werde die Wirksamkeit der bestehenden Medikamente heute in Frage gestellt, man suche noch nach Alternativen. Sollten solche gefunden werden, müsse der Bundesrat sofort – nicht erst im Juni nach Behandlung des zweiten Nachtrags – in der Lage sein, diese zu erwerben. Nach dem präzisierenden Bericht des EDI beantragte auch Finanzminister Maurer die Kredite neu zur Annahme. Eine Minderheit Stark (svp, TG) verlangte jedoch weiterhin, «in der Finanzpolitik und in verwaltungstechnischen Abläufen wieder zu bewährten Grundsätzen zurück[zu]finden», insbesondere da sie die Dringlichkeit der Kredite noch immer bezweifelte. Mit 29 zu 9 Stimmen sprach sich der Ständerat aber erneut für Annahme der Kredite aus.

Dieser Bericht des EDI überzeugte nun auch die Mehrheit der FK-NR. Nachdem Lars Guggisberg (svp, BE) erneut Ablehnung der Kredite beantragt hatte, begründete Felix Wettstein (gp, SO) die ambivalente Position der Grünen-Fraktion: Einerseits habe die Finanzkommission zwar zusätzliche Informationen erhalten, diese hätten aber zu mehr Verwirrung geführt – man habe zu diesem Zeitpunkt einfach nicht genug Informationen für einen fundierten Entscheid. Andererseits habe der Bundesrat die Kredite nun gutgeheissen; man könne sie also auch jetzt sprechen und müsse dadurch nicht riskieren, dass die FinDel die Kredite später bevorschussen müsse. Der Nationalrat, nahm die zusätzlichen Kredite in der Folge mit 100 zu 62 Stimmen (bei 16 Enthaltungen) an. Die ablehnenden Stimmen stammten von der fast geschlossen stimmenden SVP-Fraktion – einzig Verena Herzog (svp, TG) hiess die auf ihre Motion zurückgehenden Kredite gut und Lorenzo Quadri (lega, TI) enthielt sich der Stimme – sowie von Minderheiten der Grünen-, Mitte- und der FDP.Liberalen-Fraktionen.

Nachtrag I zum Voranschlag 2022 (BRG 22.007)
Dossier: Bundeshaushalt 2022: Voranschlag und Staatsrechnung

Nachdem das Parlament in der Sondersession im Mai 2020 Corona-bedingte Kredite über CHF 16 Mrd. und Verpflichtungskredite über CHF 40 Mrd. gutgeheissen hatte, machten sich verschiedene Parlamentarierinnen und Parlamentarier Gedanken darüber, wie diese und die noch erwarteten Covid-19-Ausgaben finanziert werden könnten. Lorenzo Quadri (lega, TI) betonte in einer Motion, dass «das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in der Pandemie mehr denn je den Bedürfnissen der Schweizer Bürgerinnen und Bürger dienen» solle und man deshalb die zweite Kohäsionsmilliarde an die EU streichen sowie für das Ausland bestimmte Beiträge, Ausgaben im Asylbereich und die auf ausländische Personen zurückzuführenden Sozialausgaben deutlich reduzieren solle. Der Bundesrat empfahl die Motion zur Ablehnung, zumal eine nachhaltige Eindämmung der Pandemie sowie ein handlungsfähiges multilaterales System für die exportorientierte Schweiz wichtig seien. Die Kohäsionsmilliarde sei im Moment gesperrt, Massnahmen im Ausland seien wichtig, da ansonsten unter anderem das Fluchtrisiko steige. Im Asylbereich finanziere der Bund hauptsächlich die Massnahmen der Kantone, weshalb eine Streichung hier nur zu einer Mehrbelastung der Kantone führen würde, und die Ansprüche ausländischer Staatsangehöriger auf Sozialversicherungsleistungen seien in Abkommen und Gesetzen geregelt, wodurch die entsprechenden Ausgaben nicht einfach reduziert werden könnten. In der Frühjahrssession 2022 behandelte der Nationalrat die Motion zusammen mit anderen Vorstössen zu demselben Thema und lehnte sie mit 137 zu 51 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) ab. Die befürwortenden Stimmen und Enthaltungen stammten von Mitgliedern der SVP-Fraktion.

Das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler muss mehr denn je den Bedürfnissen der Schweizer Bürgerinnen und Bürger dienen (Mo. 20.3272)
Dossier: Mögliche Massnahmen zur Reduktion des Covid-19-bedingten Defizits

Nachdem das Parlament in der Sondersession im Mai 2020 Corona-bedingte Kredite über CHF 16 Mrd. und Verpflichtungskredite über CHF 40 Mrd. gutgeheissen hatte, machten sich verschiedene Parlamentarierinnen und Parlamentarier Gedanken darüber, wie diese und die noch erwarteten Covid-19-Ausgaben finanziert werden könnten. Ähnlich wie Lorenzo Quadri (lega, TI; Mo. 20.3272) schlug Jean-Luc Addor (svp, VS) mit seiner Motion «Wir zuerst!» vor, während der Covid-19-Pandemie alle Zahlungen ans Ausland auszusetzen und die verfügbaren Mittel stattdessen für die Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz einzusetzen. Wie alle anderen Länder müsse auch die Schweiz nun zuerst die Interessen ihrer Einwohnenden – Schweizerinnen, Schweizer sowie Ausländerinnen und Ausländer mit Aufenthaltstitel – vertreten. Der Bundesrat verwies auf das Interesse der exportorientierten Schweiz an einer weltweit nachhaltigen Eindämmung der Pandemie und auf die vertraglichen, rechtlichen und budgettechnischen Verpflichtungen der Schweiz zu den entsprechenden Zahlungen. Im März 2022 zog Addor die Motion zurück. Die Formulierung seiner Motion entspreche angesichts der Ukraine-Krise nicht mehr der aktuellen Situation – vielmehr gelte es jetzt für die Schweiz, welche über die entsprechenden Mittel verfüge, Hilfe vor Ort bereitzustellen.

Wir zuerst! (Mo. 20.3232)
Dossier: Mögliche Massnahmen zur Reduktion des Covid-19-bedingten Defizits

Im Mai 2020 forderte Lorenzo Quadri (svp, TI), dass die zuständigen Behörden keine neuen Ausweise mehr für ausländische Arbeitskräfte im Tessin ausstellen sollen. Mit seiner Motion wollte er den Bundesrat beauftragen, ein Moratorium für die Erteilung von Grenzgänger- und Aufenthaltsbewilligungen zu erlassen. Damit sollte die Wiederanstellung von Tessinerinnen und Tessinern, die im Zuge der Corona-19-Pandemie ihre Arbeit verloren hatten, vereinfacht werden. Quadri argumentierte, dass das Tessin übermässig stark von den Folgen der Pandemie betroffen gewesen sei, nicht zuletzt weil der Bundesrat die Grenzen zu spät geschlossen habe. Bei der geplanten Wiedereinführung der Personenfreizügigkeit müsse der Bundesrat daher die besondere Situation des Tessins – die wirtschaftlichen Schäden und die hohe Arbeitslosigkeit – berücksichtigen. In seiner Stellungnahme zeigte der Bundesrat im Juli 2020 für die Forderung des Motionärs Verständnis und teilte dessen Sorge um die Sicherung der Arbeitsplätze. Er betonte aber auch, dass die Aufrechterhaltung der Personenfreizügigkeit eine wichtige Voraussetzung für die wirtschaftliche Erholung der Schweiz sei, und merkte an, dass man weiterhin von ausländischen Arbeitskräften abhängig sei. Darüber hinaus verwies er auf die Stellenmeldepflicht, die im Juni 2020 reaktiviert wurde. Eine Einschränkung des FZA aus wirtschaftlichen Gründen sei auch vertraglich nicht legitim, erklärte der Bundesrat. Aus diesen Gründen beantragte er die Ablehnung der Motion.
Erst in der Frühjahrssession 2022, also lange nachdem die Schweiz ihre Grenzen wieder geöffnet hatte, befasste sich der Nationalrat mit dem Vorstoss. Trotz der zwischenzeitlichen Entwicklungen hielt Motionär Quadri an seinem Anliegen fest. Er beklagte, dass der Tessiner Arbeitsmarkt durch die vielen italienischen Grenzgängerinnen und Grenzgänger unter Druck gerate und einheimische Arbeitskräfte aus dem Markt gedrängt würden. Daher forderte er auch knapp zwei Jahre nach der Einreichung seiner Motion die Einführung von Schutzklauseln. Diese Forderung wolle er aber in einer weiteren Motion formulieren. Die vorliegende Motion wurde mit 138 zu 54 Stimmen abgelehnt. Nur die Mitglieder SVP-Fraktion stimmten für den Vorstoss.

Keine neuen Ausweise mehr für ausländische Arbeitskräfte im Tessin
Dossier: Kontrolle der Schweizer Landesgrenzen in Covid-19-Zeiten

Mit 126 zu 63 Stimmen nahm der Nationalrat im März 2022 ein Postulat Guggisberg (svp, BE) zur Ausarbeitung einer Auslegeordnung betreffend die Gesamtrevision des Genossenschaftsrechts an. Wie der Berner Nationalrat argumentierte, müsse das im Kern aus dem Jahr 1936 stammende und seither nur punktuell angepasste Gesetz einer Gesamtschau unterzogen werden, damit es zeitgemäss und zukunftsfähig werde. Der Bundesrat solle prüfen, welche Bestandteile des Gesetzes einer Reform bedürften und wie bundesgerichtliche Entscheide in das Gesetz aufgenommen werden könnten. Auch der Bundesrat befürwortete die Ausarbeitung eines solchen Berichts. Statt einzelner punktueller Anpassungen, wie dies im Rahmen von verschiedensten Vorstössen gefordert worden sei (etwa Mo. 20.3563, Pa.Iv. 20.478, Mo. 21.3418 oder Pa.Iv. 21.479), sei eine Überprüfung des Revisionsbedarfs sinnvoll. Fabian Molina (sp, ZH) versuchte vergebens, die Kammer davon zu überzeugen, das Postulat abzulehnen und stattdessen die Kommissionsinitiative (Pa.Iv. 21.479) der RK-NR zu unterstützen. Es bestehe Handlungsbedarf, weshalb die Kommission einen Entwurf ausarbeiten solle; ein Postulat würde den Prozess hingegen nur verzögern.

Zeitgemässes und zukunftsfähiges Genossenschaftsrecht (Po. 21.3783)
Dossier: Revision Genossenschaftsrecht

Nationalrat Fabian Molina (sp, ZH) forderte mittels Motion, dass das Gesellschaftsrecht dahingehend angepasst wird, dass für die Gründung einer Genossenschaft statt bisher sieben neu nur noch drei Gründungsmitglieder nötig sind. Damit sollen die Rahmenbedingungen für Genossenschafts-Startups, welche gemäss dem Motionär nicht nur Kapital vermehren, sondern auch eine positive gesellschaftliche Wirkung anstreben würden, verbessert werden. Nachdem Karin Keller-Sutter in der Frühjahrssession 2022 erklärt hatte, dass der Bundesrat gewillt sei, Anpassungen im Genossenschaftsrecht vorzunehmen, vorerst aber eine Gesamtschau im Rahmen des Postulats Guggisberg (svp, BE; Po. 21.3783) vornehmen wolle, zog der Sozialdemokrat seine Motion zurück.

Rahmenbedingungen für Genossenschafts-Startups verbessern (Mo. 20.3563)
Dossier: Revision Genossenschaftsrecht

Anfang März 2022 setzte sich der Nationalrat als Erstrat mit dem Nachtrag Ia zum Voranschlag 2022 auseinander. Die Kommissionssprechenden Anna Giacometti (fdp, GR) und Heinz Siegenthaler (bdp, BE) stellten dem Rat den Nachtrag vor.
Es standen drei zusätzliche Covid-19-Kredite in der Höhe von CHF 3.4 Mrd. zur Debatte, die im Rahmen der Verlängerung zusätzlicher Massnahmen durch das Parlament während der vierten Revision des Covid-19-Gesetzes beschlossen worden waren. Unbestritten waren von diesen drei Krediten einzig die CHF 800 Mio. für die ALV, während zwei Minderheiten Guggisberg (svp, BE) die Kredite für den Erwerbsersatz (CHF 1.7 Mrd.) und für die kantonalen Härtefallmassnahmen (CHF 900 Mio.) halbieren wollten. Der Minderheitensprecher begründete die zwei Anträge damit, dass man nicht «auf Vorrat Ausgaben von Steuergeldern budgetieren» wolle – bereits 2021 habe man etwa doppelt so viel budgetiert, wie man anschliessend benötigt habe. Aufgrund der rückläufigen Hospitalisierungen seien diese aktuellen Kredite zu hoch kalkuliert. Finanzminister Maurer verwies auf den vom Parlament in der vierten Revision des Covid-19-Gesetzes erteilten Auftrag, welchen der Bundesrat gemäss seinen bisherigen Erfahrungswerten umgesetzt habe. Er gehe zwar davon aus, dass man Ende Jahr Kreditreste haben werde, auch eine Kürzung dieser Kredite würde jedoch nicht zu Einsparungen führen. Mit 136 zu 53 Stimmen und 137 zu 52 Stimmen (bei 1 Enthaltung) sprach sich der Nationalrat in der Folge für die vom Bundesrat beantragten Kredite für den Covid-19-Erwerbsersatz und die Härtefallhilfen aus.
Bezüglich der CHF 11 Mio. zur Fertigstellung des Neubauprojektes der ETH erinnerte Kommissionssprecher Siegenthaler daran, dass das Parlament 2013 einen Verpflichtungskredit über CHF 127 Mio. bewilligt habe. Verzögerungen, Mehraufwände und Mängel durch das Generalunternehmen hätten Mehrkosten nach sich gezogen, weshalb zur Fertigstellung eine Erhöhung des Verpflichtungskredits nötig sei, welche jedoch im ETH-Budget kompensiert werde. Stillschweigend stimmte der Nationalrat auch diesem Kredit zu.
Für die meisten Diskussionen sorgte die von der UREK-NR in einem Mitbericht und von Mike Egger (svp, SG) in einem Minderheitsantrag beantragten CHF 5.7 Mio. zugunsten von temporären Notschutzmassnahmen gegen den Wolf. Aufgrund der Ablehnung der Jagdgesetz-Revision im Jahr 2020 fehle die gesetzliche Grundlage zur Regulierung des Wolfsbestandes, wodurch die Anzahl Wölfe und die Probleme für die Alpwirtschaft stark angestiegen seien, betonte Egger. Deshalb sollen nun zusätzliche Gelder für Behirtung und Hütten gutgeheissen werden. Die Kommissionsmehrheit lehnte diese Aufstockung ab, da die rechtliche Grundlage für die Auszahlung der zusätzlichen Gelder gemäss Vertretenden des BAFU fehle. Dem widersprach jedoch der Minderheitensprecher: Weitere Massnahmen seien gesetzlich durchaus möglich, wenn die bisherigen Massnahmen nicht ausreichten. Finanzminister Maurer erläuterte die zwei Positionen: Zwar sei, wie vom BAFU erklärt, eine Übernahme zusätzlicher Personalkosten gemäss Gesetz wohl in der Tat nicht möglich, die temporären Schutzmassnahmen, wie sie die Minderheit in den Planungsgrössen definierte, seien jedoch zulässig. Dennoch beantragte der Finanzminister, die Höhe und die Verbuchung dieses Kredites noch einmal überprüfen zu können. Man werde die «Landwirtschaft dann nicht einfach im Regen stehen lassen», sondern hier eine sinnvolle Lösung suchen. Mit 101 zu 72 Stimmen (bei 17 Enthaltungen) folgte der Nationalrat jedoch der Kommissionsminderheit und hiess den zusätzlichen Nachtragskredit sowie die diesbezüglichen Planungsgrössen gut. Befürwortet wurden diese von der SVP-Fraktion, Mehrheiten der Mitte- und der Grünen-Fraktion und Minderheiten der FDP.Liberalen- und der SP-Fraktion.
In der Gesamtabstimmung sprach sich der Nationalrat mit 180 zu 11 Stimmen für den Nachtrag Ia aus – eine Minderheit der SVP-Fraktion lehnte ihn ab.

Nachtrag I zum Voranschlag 2022 (BRG 22.007)
Dossier: Bundeshaushalt 2022: Voranschlag und Staatsrechnung

Im Dezember 2019 reichte Greta Gysin (gp, TI) eine Motion ein, mit der sie den Bundesrat beauftragen wollte, das geltende Recht so zu ändern, dass die kantonalen Behörden Mindestlöhne höher als die bedarfsdeckenden Sozialleistungen festlegen können. Seit dem Bundesgerichtsentscheid vom April 2010 seien die Kantone in der Höhe der Mindestlöhne entsprechend eingeschränkt. Damit könne aber der Druck auf die Löhne und der vermehrte Einsatz von Grenzgängerinnen und Grenzgängern, die für tiefere Löhne arbeiten, nicht bekämpft werden. Um diesem Lohndruck entgegenzuwirken, seien höhere Mindestlöhne notwendig. In seiner Stellungnahme vom Februar 2020 beantragte der Bundesrat die Ablehnung der Motion. Wie schon bei der Motion van Singer (gp, VD; Mo. 13.3614) und beim Postulat Quadri (lega, TI; Po. 15.3909) war der Bundesrat der Meinung, dass vom Staat festgelegte Mindestlöhne «einen bedeutsamen Eingriff in [die] Vertragsfreiheit und in die Wirtschaftsfreiheit» darstellten. Das Instrument der flankierenden Massnahmen sei zudem angemessen, um das Problem des Lohndumpings zu bekämpfen. Diese sähen auch die Möglichkeit vor, Normalarbeitsverträge mit zwingenden Mindestlöhnen für Branchen ohne Gesamtarbeitsverträge und wiederholten missbräuchlichen Unterbietungen der orts-, berufs- oder branchenüblichen Löhne zu erlassen. Im Dezember 2021 wurde die Motion abgeschrieben, da sie nicht innerhalb der zweijährigen Frist behandelt worden war.

Motion "Bekämpfung von Lohndumping"

Im September 2021 reichte der Mitte-Nationalrat Marco Romano (TI) in der grossen Kammer ein Postulat mit der Forderung ein, dass die Prävention und das Aufdecken von Aktivitäten zur Bekämpfung der internationalen organisierten Kriminalität verbessert werden müssten. Dazu solle der Bundesrat in einem Bericht die verfügbaren Instrumente analysieren und eine Anpassung der Gesetzgebung prüfen, um die zeitnahe Erkennung von entsprechenden Aktivitäten sowie eine verstärkte Prävention zu ermöglichen. Unter die zu prüfenden Instrumente falle gemäss dem Postulant der gezielte Informationsaustausch sowohl zwischen Strafverfolgungsbehörden als auch zwischen anderen relevanten Bereichen der Verwaltung. In seiner Stellungnahme zeigte sich der Bundesrat bereit, die vorhandenen Instrumente und den allfälligen gesetzgeberischen Handlungsbedarf im Rahmen der beiden überwiesenen Vorstösse Guggisberg (svp, BE; Po. 20.3809) und Eichenberger (fdp, AG; Mo. 18.3592) mit einem Fokus auf das Melderecht nicht-polizeilicher Behörden zu prüfen. In der Wintersession 2021 überwies der Nationalrat das Postulat Romano schliesslich stillschweigend.

Bekämpfung der internationalen organisierten Kriminalität. Die Prävention und das Aufdecken von Aktivitäten müssen verbessert werden (Po. 21.4219)

Einen Tag nach dem Ständerat machte sich auch der Nationalrat an die Beratung des Voranschlags der Eidgenossenschaft 2022 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2023-2025. Sarah Wyss (sp, BS) und Daniel Brélaz (gp, VD) präsentierten dem Rat das Budget aus Sicht der Mehrheit der FK-NR: Der Bundesrat habe ordentliche Ausgaben in der Höhe von 77.7 Mrd. und ausserordentliche Ausgaben von CHF 3.0 Mrd. vorgesehen. Bei ordentlichen Einnahmen von CHF 77.1 Mrd. und ausserordentlichen Einnahmen von CHF 1.5 Mrd. bleibe damit aufgrund der Schuldenbremse ein struktureller Überschuss und somit ein Handlungsspielraum von CHF 44 Mio. Die Kommissionsmehrheit plane «kleinere Adjustierungen» mit Mehrausgaben von CHF 273 Mio. Bei 12 Mehrheitsanträgen zur Schaffung von Differenzen zum Ständerat lagen der grossen Kammer in der Folge auch etwa 40 Minderheitsanträge vor, grösstenteils von der SVP- oder der SP- und der Grünen-Fraktion. Differenzen zum Erstrat schuf der Nationalrat dabei jedoch nur wenige, zeigte sich dabei aber mehrheitlich grosszügiger als der Erstrat.

In der Eintretensdebatte hoben die Fraktionssprecherinnen und -sprecher erneut die spezielle Situation aufgrund der noch immer nicht ganz überstandenen Corona-Pandemie hervor, beurteilten diese aber sehr unterschiedlich. So sprach etwa Lars Guggisberg (svp, BE) von einer «düsteren» Situation aufgrund des grossen Anstiegs der Nettoschulden, während FDP-Sprecher Alex Farinelli (fdp, TI) zwar das Defizit beklagte, aber auch den langfristigen Nutzen der entsprechenden Ausgaben hervorhob. Optimistischer zeigten sich die übrigen Kommissionssprechenden. Michel Matter (glp, GE) schätzte etwa die Situation der Schweiz als «solide» ein, Alois Gmür (mitte, SZ) zeigte sich erfreut über die insgesamt gute Situation der Schweizer Wirtschaft, verwies jedoch auch auf die noch immer stark leidenden Branchen. Ursula Schneider Schüttel (sp, FR) und Felix Wettstein (gp, SO) strichen schliesslich die im Vergleich zum Ausland «gute Schuldensituation» (Schneider Schüttel) heraus. Finanzminister Maurer bat den Rat im Hinblick auf den härter werdenden «internationale[n] Konkurrenz- und Verdrängungskampf» um Zurückhaltung bei zusätzlichen Ausgaben.

Mit den mahnenden Worten des Finanzministers in den Ohren startete der Nationalrat in die Detailberatung von Block 1 zu Beziehungen zum Ausland und zur Migration. Hier schuf er zwei Differenzen zum Ständerat: So wollte die Kommissionsmehrheit den Kredit zuhanden des SECO für Darlehen und Beteiligungen an Entwicklungsländer gegenüber dem bundesrätlichen Vorschlag um CHF 10 Mio. erhöhen und damit die Reduktion gegenüber dem Vorjahr rückgängig machen. Der Bundesrat habe bei der Sifem, der Entwicklungsfinanzierungsgesellschaft des Bundes, bereits 2020 CHF 10 Mio. zusätzlich zur Milderung der Corona-Probleme eingeschossen – diese sollen nun kompensiert werden, erklärte Minderheitensprecher Egger (svp, SG), der den Kürzungsantrag vertrat, die Differenz zum Vorjahr. Da dieser Nachtragskredit damals aber vollständig kompensiert worden sei, erachtete die Kommissionsmehrheit diese Kürzung nicht als angebracht und setzte sich im Rat mit 107 zu 74 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) durch. Ohne Minderheitsantrag erhöhte der Nationalrat zudem auf Antrag seiner Kommission den Sollwert für die Mindestanzahl Freihandelsabkommen für die Finanzplanjahre 2024 und 2025. Der Bundesrat hatte hier für die Finanzplanjahre jeweils 34 Freihandelsabkommen vorgesehen, die Kommission erhöhte diese Zahl auf 35 (2024) respektive 36 (2025).
Im Vorfeld der Budgetdebatte hatte der Vorschlag der APK-NR, dass die Schweiz eine dritte Kohäsionsmilliarde sprechen und sich damit quasi eine Beteiligung an verschiedenen Projekten, unter anderem an Horizon, erkaufen könne, für mediale Aufmerksamkeit gesorgt. Auf Antrag der APK-NR beantragte die Mehrheit der FK-NR nun dem Nationalrat, eine dritte Beteiligung der Schweiz an der Erweiterung der EU 2019-2024 in der Höhe von CHF 953.1 Mio. freizugeben, diese aber von einer bis Ende Juni 2022 unterzeichneten Assoziierungsvereinbarungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union zur Teilnahme an verschiedenen laufenden EU-Programmen abhängig zu machen. Eine Minderheit Guggisberg beantragte in Übereinstimmung mit dem Bundesrat die Streichung dieses zusätzlichen Kreditpostens. Finanzminister Maurer bat den Rat eindringlich darum, darauf zu verzichten, da man sich «mit einer solchen Aufstockung in Brüssel eher blamieren würde […]. Die Erwartungen in Brüssel sind völlig anderer Natur; sie bestehen nicht darin, dass wir hier einfach etwas bezahlen, und dann läuft alles.» Mit 93 zu 84 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) folgte der Nationalrat der Minderheit. Die (fast) geschlossen stimmenden Fraktionen der SVP und der FDP.Liberalen sowie die Mehrheit der Mitte-Fraktion setzten sich in dieser Frage durch.
Ansonsten lagen in diesem Block verschiedene Minderheitenanträge von linker und rechter Ratsseite für Aufstockungen und Kürzungen vor, die jedoch allesamt erfolglos blieben, etwa eine Aufstockung des Budgets des EDA für humanitäre Aktionen zugunsten des Engagements in Afghanistan und den umliegenden Ländern (Minderheit Friedl: sp, SG), eine Erhöhung des Kredits für zivile Konfliktbearbeitung und Menschenrechte (Minderheit Badertscher: gp, BE) und einen erneuten Beitrag von CHF 300'000 an den Access to Tools Accelerator (Minderheit Friedl) sowie auf der anderen Seite eine Reduktion der Beiträge an multilaterale Organisationen, an die Entwicklungszusammenarbeit und an die Länder des Ostens (Minderheiten Grin: svp, VD).

Im zweiten Block zu den Themen «Kultur, Bildung, Forschung und Sport» schuf der Nationalrat keine Differenzen zum Erstrat. Er folgte dem Ständerat bei seiner Aufstockung des Kredits für Sportverbände und andere Organisationen um CHF 660'000, mit der – wie in den Planungsgrössen vermerkt wurde – eine unabhängige nationale Anlauf- und Meldestelle für Misshandlungen im Schweizer Sport geschaffen werden sollte. Eine Minderheit Sollberger (svp, BL) unterlag mit ihrem Antrag auf Streichung der Aufstockung mit 112 zu 69 Stimmen (bei 4 Enthaltungen). Auch die vom Ständerat vorgenommenen Aufstockungen beim Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie hiess der Nationalrat entgegen zweier Minderheitsanträge Egger deutlich gut (129 zu 55 Stimmen bei 1 Enthaltung respektive 129 zu 56 Stimmen). Abgelehnt wurden in der Folge auch verschiedene Streichungsanträge Nicolet (svp, VD), Schilliger (fdp, LU) und Sollberger bei den Covid-19-Leistungsvereinbarungen zur Kultur, bei der Covid-19-Soforthilfe für Kulturschaffende und Kulturvereine im Laienbereich sowie bei den Covid-19-Finanzhilfen.

Verschiedene Differenzen zum Erstrat entstanden hingegen im dritten Block zur sozialen Wohlfahrt und Gesundheit. So erhöhte der Nationalrat auf Antrag der Kommissionsmehrheit die Gelder für die Familienorganisationen bei den Krediten des BSV, die Finanzhilfen unter anderem zur Elternbildung oder zur familienergänzenden Kinderbetreuung beinhalten, im Voranschlags- und den Finanzplanjahren um CHF 1 Mio. Der Bundesrat und eine Minderheit Guggisberg hatten die Ablehnung der Aufstockung beantragt, zumal für eine solche Unterstützung auch institutionelle Voraussetzungen geschaffen werden müssten. Auch den Kredit für den Kinderschutz und die Kinderrechte erhöhte die grosse Kammer um CHF 390'000, um damit die privatrechtliche Stiftung «Ombudsstelle Kinderrechte Schweiz» zu finanzieren, deren Schaffung eine angenommene Motion Noser (fdp, ZH; Mo. 19.3633) verlangt hatte. Der Bundesrat hatte sich gegen diese Aufstockung gestellt, zumal die rechtliche Grundlage für diesen Kredit noch nicht bestehe. «Wir können ja nicht Gelder einsetzen, wenn wir dafür keine legale Grundlage haben», betonte Finanzminister Maurer. Kommissionssprecher Brélaz argumentierte hingegen, man können nicht «tout contrôler pendant deux-trois ans», bevor man damit beginnt, die Gelder einzusetzen.
Abgelehnt wurden in diesem Block Anträge auf Kreditkürzungen bei der Gleichstellung von Frau und Mann, die eine Minderheit Sollberger beantragt hatte. Eine Plafonierung gegenüber dem Vorjahr hätte gemäss Sollberger «keinen Einfluss auf weniger oder mehr Gleichstellung». Ebenfalls erfolglos blieb ein Antrag Glarner (svp, AG) auf Streichung des Beitrags an ein spezifisches Projekt des Vereins Netzcourage sowie ein Minderheitsantrag Nicolet zur Änderung der Planungsgrössen zur Bundesfinanzierung der Covid-19-Tests: Diese sollte nur solange gewährt werden, wie die Covid-19-Zertifikatspflicht gilt. Auch ein Minderheitsantrag Schilliger, der die Leistungen des Erwerbsersatzes mit Verweis auf die vierte Revision des Covid-19-Gesetzes nur bis Ende Juni 2022 gewähren und die Covid-19-Situation anschliessend neu beurteilt wissen wollte, fand keine Mehrheit.

Auch im vierten Block zu Landwirtschaft, Tourismus und Steuern wich der Nationalrat in einem Punkt von den Entscheiden des Ständerates ab: Bei der Nachmeldung für ein Tourismus-Recovery-Programm von CHF 17 Mio. wollte die Kommission die Gelder zu je 50 Prozent für Marketingkampagnen von Schweiz Tourismus und für Entlastungszahlungen an touristische Partnerorganisationen verwenden. Der Bundesrat und der Ständerat hatten keine entsprechenden Einschränkungen vorgenommen, weshalb gemäss den beiden Kommissionssprechenden wie üblich zwei Drittel in die gesamtschweizerischen Marketingkampagnen fliessen würden. Jedoch sei eine Werbekampagne in Südafrika momentan – auch aus ökologischer Sicht – nicht «unbedingt gerade unser Hauptziel», betonte Kommissionssprecherin Wyss. Stillschweigend stimmte der Nationalrat diesem Antrag seiner Kommission zu.
Hingegen folgte der Nationalrat dem Ständerat in diesem Block bei der Erhöhung der Zulagen für die Milchwirtschaft und den Beihilfen für den Pflanzenbau. Eine Minderheit Munz (sp, SH) hatte beantragt, auf erstere Erhöhung zu verzichten und dem Bundesrat zu folgen. Der Bundesrat wolle die Verkehrsmilchzulage erhöhen, aber die Verkäsungszulage senken, da Letztere aufgrund von Fehlanreizen zu einer zu grossen Menge Käse von geringer Qualität führe. Die von der Kommission beantragte Erhöhung zugunsten der Verkäsungszulage würde folglich die bisherige Marktverzerrung noch zementieren. Finanzminister Maurer wies überdies darauf hin, dass man entsprechende Erhöhungen – falls nötig – lieber erst mit den Nachtragskrediten vorlegen würde, wenn man die dazugehörigen Zahlen kenne. Mit 105 zu 61 Stimmen (bei 20 Enthaltungen) sprach sich der Nationalrat jedoch für die Erhöhung aus. Die ablehnenden Stimmen stammten grösstenteils von der SP-, einer Mehrheit der GLP- und einer Minderheit der FDP.Liberalen-Fraktion, die Enthaltungen grösstenteils von der Grünen-Fraktion.
Auch in diesem Block blieben zwei Minderheitsanträge erfolglos: Eine Minderheit I Fischer (glp, LU) und eine Minderheit II Gysi (sp, SG) unterlagen mit Anträgen auf Erhöhungen bei der direkten Bundessteuer respektive bei der Mehrwertsteuer, beim Globalbudget der ESTV sowie in den Finanzplanjahren. Die zusätzlichen Mittel sollten zur Schaffung von je fünf zusätzlichen Steuerkontrollstellen und somit zur Erhöhung des Steuerertrags eingesetzt werden und sich so mittelfristig quasi selbst finanzieren.

Im fünften Block zu Verkehr, Umwelt, Energie und Raumplanung entschied sich der Nationalrat bezüglich zweier Punkte zum Bundesamt für Energie anders als der Ständerat. Letzterer hatte den Kredit für das Globalbudget des BFE sowie für das Programm EnergieSchweiz gegenüber dem bundesrätlichen Entwurf erhöht. Die Mehrheit der FK-NR beantragte nun bei beiden Kreditposten eine zusätzliche Erhöhung um CHF 2.9 respektive CHF 8.3 Mio., wobei die zusätzlichen Gelder beim Globalbudget zur Finanzierung des durch die Erhöhung beim Programm EnergieSchweiz begründeten Aufwands eingesetzt werden sollten. Damit wollte die Kommission gemäss ihrem Sprecher Brélaz in den wenigen Bereichen, in denen die Finanzierung entsprechender Projekte über das Bundesbudget läuft, nach der Ablehnung des CO2-Gesetzes erste Massnahmen zum Klimaschutz treffen. Eine Minderheit Egger sprach sich gegen die Erhöhung aus, zumal im Energiebereich zuerst die Problematik der Stromversorgungslücke gelöst werden müsse. Finanzminister Maurer wehrte sich vor allem dagegen, nach der Ablehnung des CO2-Gesetzes einzelne Punkte «quasi durch die Hintertüre einfach wieder aufs Tapet» zu bringen. Mit 115 zu 67 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) hiess der Nationalrat die Erhöhung jedoch gut, abgelehnt wurde sie von einer Mehrheit der SVP-, der Hälfte der Mitte- und einer Minderheit der FDP.Liberalen-Fraktion.
Erhöht gegenüber dem bundesrätlichen Antrag wurde auch der Kredit für das Globalbudget des ARE. Hier hatte der Ständerat zuvor entschieden, CHF 100'000 mehr für das Projekt Swiss Triple Impact, ein Förderprogramm zur Erreichung von nachhaltigen Entwicklungszielen, einzusetzen, und der Nationalrat folgte ihm mit 115 zu 69 Stimmen (bei 1 Enthaltung). Der Finanzminister hatte die Erhöhung bei einem Sach- und Betriebsaufwand des ARE von CHF 9 Mio. als unnötig erachtet. Auch bei der Aufstockung der Einlage des BIF folgte der Nationalrat seinem Schwesterrat: Hier soll der Maximalbetrag und somit zusätzlich CHF 233 Mio. eingestellt werden, um sicherzustellen, dass auch zukünftig genügend Geld für den Bahnverkehr vorhanden ist, betonte Kommissionssprecherin Wyss. Dies erachteten der Bundesrat und eine Minderheit Schilliger als nicht notwendig, da der Fonds genügend stark geäufnet sei. Mit 125 zu 59 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) folgte der Nationalrat jedoch der kleinen Kammer.
Abgelehnt wurden hingegen ein Kürzungsvorschlag einer Minderheit Egger bei den Umweltschutzmassnahmen des BAZL – Egger hatte argumentiert, die Erhöhung beruhe lediglich auf der Vermutung des BAZL, dass es zukünftig mehr Umweltschutzgesuche geben könne – sowie ein Einzelantrag Rüegger (svp, OW) zur Aufstockung des Kredits des BAFU um CHF 6 Mio., mit der nach der Ablehnung des revidierten Jagdgesetzes die durch Wölfe verursachten Schäden abgegolten und der zusätzliche Aufwand entschädigt werden sollten.

Im sechsten Block zum Themenbereichen Eigenaufwand und Schuldenbremse schlug eine Kommissionsmehrheit in Übereinstimmung mit dem Ständerat vor, verschiedene Kredite beim Bundesamt für Verkehr ausserordentlich zu verbuchen, um so die zuvor vorgenommene Erhöhung der BIF-Einlage finanzieren zu können. Anders als der Ständerat beabsichtigte die Mehrheit der FK-NR zudem, eine Nachmeldung des Bundesrates im Bereich Covid-19-Arzneimittel und -Impfleistungen in der Höhe von CHF 57 Mio. ausserordentlich zu verbuchen – da man noch zusätzliche Ausgaben beschlossen habe, könne nur so die Schuldenbremse eingehalten werden, begründete Kommissionssprecher Brélaz den Vorschlag. Eine Minderheit Schwander (svp, SZ) wehrte sich gegen diese Umbuchungen, da sie gegen die Schuldenbremse und das Finanzhaushaltsgesetz verstossen würden. Diese Meinung teilte auch der Finanzminister, ihm ging das Parlament «mit [seiner] Interpretation [des FHG] hier zu weit», auch wenn die Interpretation der Gesetze keine exakte Wissenschaft sei. Der Nationalrat stimmte den Umbuchungen jedoch mit 133 zu 50 Stimmen respektive 133 zu 49 Stimmen zu.
Eine weitere Differenz schuf der Nationalrat stillschweigend bezüglich der Planungsgrössen beim VBS: Dort soll eine neue Planungsgrösse dafür sorgen, dass die Bruttomietkosten ab 2025 um 2 Prozent gesenkt und damit gemäss Kommissionssprecherin Wyss CHF 400 Mio. jährlich «freigespielt» werden sollen.
Erfolglos blieben die Minderheitsanträge Sollberger und Strupler (svp, TG), welche die Kredite für das Bundespersonal gegenüber dem bundesrätlichen Vorschlag um CHF 1.8 Mio. (2022, Minderheit Sollberger) respektive um CHF 10.9 Mio. (2023), CHF 117 Mio. (2024) und CHF 265 Mio. (2025, alle Minderheit Strupler) reduzieren wollten. Damit hätte auf zusätzliche Stellen für die Strategie Social Media/Digitalisierung verzichtet (Sollberger) respektive «das ungebremste Personalwachstum beim Bund» gebremst werden (Strupler) sollen. Zuvor hatte bereits der Ständerat die Ausgaben im Voranschlags- und den Finanzplanjahren um CHF 21 Mio. reduziert. Mit 131 zu 52 Stimmen respektive 133 zu 50 Stimmen lehnte der Nationalrat die beiden Anträge ab, folgte damit dem Bundesrat und schuf eine weitere Differenz zum Erstrat. Erfolglos blieb auch ein Kürzungsantrag Egger beim Ressourcenpool des Generalsekretariats UVEK.

Mit der Bereinigung des Entwurfs, bei welcher der Nationalrat seiner Kommission in fast allen Punkten gefolgt war, hatte der Nationalrat den Ausgabenüberschuss von CHF 2.08 Mrd. (Bundesrat) respektive CHF 2.32 Mrd. (Ständerat) auf CHF 2.36 Mrd. erhöht – durch die Umbuchung einzelner zusätzlicher Ausgaben auf das Amortisationskonto (ausserordentliche Ausgaben Bundesrat: CHF 3.03 Mrd., Ständerat: CHF 3.25 Mrd., Nationalrat: CHF 3.30 Mrd.) konnte die Schuldenbremse jedoch eingehalten werden. Mit 130 zu 44 Stimmen (bei 7 Enthaltungen) nahm der Nationalrat den Voranschlag 2022 an. Die ablehnenden Stimmen stammten von Mitgliedern der SVP-Fraktion und von Stefania Prezioso (egsols, GE), die Enthaltungen ausschliesslich von Mitgliedern der SVP-Fraktion. Letztere sprachen sich teilweise auch gegen die übrigen Bundesbeschlüsse aus, dennoch nahm der Nationalrat den Bundesbeschluss Ib über die Planungsgrössen im Voranschlag für das Jahr 2022, den Bundesbeschluss III über die Entnahmen aus dem Bahninfrastrukturfonds für das Jahr 2022 und den Bundesbeschluss IV über die Entnahmen aus dem Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds für das Jahr 2022 jeweils deutlich an.

Voranschlag 2022 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2023-2025 (BRG 21.041)
Dossier: Bundeshaushalt 2022: Voranschlag und Staatsrechnung

Mit einer Motion beabsichtigte Nationalrat Roger Golay (mcg, GE), den Bundesrat mit der Einführung eines zweijährigen Moratoriums zur Begrenzung der Anzahl Grenzgängerinnen und Grenzgänger zu verpflichten. Demnach müssten Arbeitgebende zur Neubeschäftigung von Grenzgängerinnen und Grenzgängern während zwei Jahren eine Genehmigung einholen und nachweisen, dass sie in der Schweiz keine Person mit den gleichwertigen Qualifikationen gefunden haben.
In seiner Stellungnahme vom November 2019 beantragte der Bundesrat die Ablehnung der Motion, zumal eine solche Regelung und der damit verbundene Inländervorrang mit dem FZA und dem EU-Recht inkompatibel seien. Zudem bestehe ja seit dem 1. Juli 2018 bereits die Meldepflicht offener Stellen für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, welche Stellensuchenden mit Wohnsitz in der Schweiz einen Zeitvorteil von fünf Arbeitstagen verschaffe und mit dem FZA kompatibel sei. Bei Bedarf hätten die Kantone zudem die Möglichkeit, dem Bundesrat zusätzliche Massnahmen vorzuschlagen. In der Nationalratsdebatte in der Herbstsession 2021 lehnte der Nationalrat die Motion, die nach Ausscheiden des Motionärs aus dem Rat von Lorenzo Quadri (lega, TI) übernommen worden war, mit 140 zu 51 Stimmen (bei 1 Enthaltung) ab. Unterstützung erfuhr sie lediglich von Mitgliedern der SVP-Fraktion.

Motion "Zweijähriges Moratorium zur Begrenzung der Anzahl Grenzgängerinnen und Grenzgänger"

Der Nationalrat beugte sich in Herbstsession 2021 über eine Motion Wicki (fdp, NW), die gleich lange Spiesse im Strassengüterverkehr forderte. Die Motion verlangte, dass nicht nur Lastwagen, sondern auch Lieferwagen ihre externen Kosten decken sollten, beispielsweise durch die diesbezügliche Ausweitung der LSVA.
Lorenzo Quadri (lega, TI) erläuterte im Rat, weshalb die Mehrheit der vorberatenden KVF-NR zum Schluss gekommen war, die Motion zur Ablehnung zu empfehlen: Diese neue Steuer könne durch die Nutzung anderer Verkehrsmittel umgangen werden. Auch werde befürchtet, dass der Vorstoss die KMU, welche oft solche Lieferwagen einsetzten, in einer wirtschaftlich ohnehin schwierigen Zeit erheblich belasten könnte. Der zweite Kommissionssprecher Matthias Bregy (mitte, VS) fügte an, dass die Kommission verfassungsrechtliche Probleme sowohl im Bereich der Schwerverkehrsabgabe als auch im Bereich der Wirtschaftsfreiheit befürchte.
Anschliessend erläuterten die Minderheitssprecherin Isabelle Pasquier-Eichenberger (gp, GE) und Verkehrsministerin Simonetta Sommaruga die Argumente für die Annahme der Motion. Die derzeit vorliegende Ungleichbehandlung sei ungerecht; auch Lieferwagen müssten für ihre externen Kosten aufkommen, zumal sie sehr viel ineffizienter seien als Lastwagen. So hätten die Fahrten von Lieferwagen in den letzten Jahren stark zugenommen – sie seien mittlerweile für zwei Drittel der gefahrenen Kilometer im Strassengüterverkehr verantwortlich; ihre Transportleistung sei im Vergleich zum Schwerverkehr jedoch minim. Zudem trage die LSVA stark zur Verlagerung von der Strasse auf die Schiene bei und helfe damit, dass die Stickstoff- und Feinstaub-Emissionen zurückgingen.
Diese Worte vermochten die Mehrheit des Rates jedoch nicht zu überzeugen. Die grosse Kammer lehnte die Motion mit 103 zu 78 Stimmen ab. Die geschlossen stimmenden Fraktionen der Grünen, der SP und der GLP blieben dabei in der Minderheit.

Gleich lange Spiesse im Strassengüterverkehr
Dossier: Verlagerung von der Strasse auf die Schiene